Engen der Zeit – Drei Gründe für das globale Anwachsen von Rechtsextremismus und Antisemitismus

Als ich 2019 mein Buch “Warum der Antisemitismus uns alle bedroht. Wie neue Medien alte Verschwörungsmythen befeuern” veröffentlichte, erlebte ich noch viele Stimmen, die meinten, “so schlimm werde es schon nicht werden.”

Das ist inzwischen vorbei. Ob ich bei in der Gedenkarbeit Engagierten in Breisach spreche, bei einem christlichen Kongress gegen Antisemitismus im Schönblick oder bei Konex BW berichte – mehr und mehr Menschen begreifen, dass wir kein nur deutsches oder süddeutsches Thema vor uns haben, sondern ein globaler Anstieg von Rechtspopulismus und Verschwörungsmythen von den Amerikas über Europa (Frankreich, Ungarn, Polen usw.) bis über die arabische Welt, Russland und China greift, aber auch etwa Indien, Pakistan und immer mehr Staaten Afrikas erfasst hat. Zunehmend oft werde ich auf die Blumenberg-These aus dessen “Lebenszeit und Weltzeit” angesprochen, die ich bewusst auch in den Mittelpunkt meines zweiten Antisemitismus-Berichtes für den Landtag Baden-Württemberg (LT BW 17 / 5086) gestellt habe:

“Enge der Zeit ist die Wurzel des Bösen.”

(AS-Bericht, S. 12)

Im Kern geht es darum, dass immer mehr Menschen sowohl Wachstums- wie Jenseitshoffnungen verlieren und auch immer weniger junge Menschen um sich haben, die in die Zukunft drängen. So setzt sich der Begriff der Reaktanz (AS-Bericht S. 13 f.) in den politischen Debatten schnell durch, in Frankreich wird der “Deklinismus” (Angst vor dem Niedergang) debattiert, der SPIEGEL-Kolumnist Sascha Lobo schreibt vom gefährlichen Gegenwartshadern und der Politikwissenschaftler Philipp Rhein spricht nach 17 mehrstündigen Tiefeninterviews mit AfD-Wählenden vom “Unvermögen, sich eine Zukunft vorzustellen.

In meinem ersten eBooklet zitierte ich dazu den StZ-Journalisten Reiner Ruf (S. 5), der den AS-Bericht treffend zusammenfasste:

„Die Krise der Zeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ 

Wir erleben also eine tiefgreifende Veränderung der menschlichen Zeitphilosophien, die wiederum vor allem durch Populisten zu dualistischen Freund-Feind-Verschwörungsmythen verkürzt werden: “Die” Juden, Demokratinnen, Migranten, Wissenschaftlerinnen, Medien, Richterinnen usw. seien schuld.

Konkret benenne ich drei sich weltweit überschneidende Faktoren:

  1. Digitalisierung, die (wie im Buchtitel bereits beschrieben) die Verbreitung von Verschwörungsmythen befeuert.

Die Geschwindigkeit ist dabei wirklich atemberaubend: Erst vor acht Tagen stimmte der TwitterX-Käufer Elon Musk einem Verschwörungspost zu, in dem die Flüchtlingskatastrophe auf Lampedusa einer angeblichen Verschwörung des jüdischen Holocaust-Überlebenden George Soros angedichtet wurde. Musk bekräftigte (ich übersetze ins Deutsche):

“Die Soros Organisation scheint nicht weniger anzustreben als die Zerstörung der westlichen Zivilisation.”

Unter einem Video, in dem Flüchtlinge auf Lampedusa als "Soros... his illegal immigrants" bezeichnet wurden, postete Musk am 17. September 2023: "The Soros organization appears to want nothing less than the destruction of western civilization."Antisemitische Verschwörungsmythen auf TwitterX. Screenshot: Michael Blume. Link führt zum AS-Bericht LT BW 17 / 5086

Dieses Wochenende erfuhr auch der deutsche Bundes-Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) einen antisemitischen Shitstorm, als er ein Foto mit seinem Doktorvater Amartya Sen und dessen Gattin Emma Rothschild postete. Die Fixierung auf jüdische und jüdisch klingende Namen hat im Netz neue Ausmaße angenommen.

2. Demografie, die durch absinkenden Geburtenraten plus Abwanderung zu einer rasanten Alterung und autoritären Verformung ganzer Regionen führt. Unter den Zurückbleibenden (allen Alters) entsteht der Eindruck von Verfall zugunsten einer verlockend-bösen Außenwelt – und kritische Geister wie auch Zuwandernde, die helfen könnten, werden vertrieben. In immer mehr Staaten wie China, Iran, Afghanistan, Indien, Ungarn, aber auch in einigen Regionen der USA und Europas – inklusive Deutschland – setzen sich rechtsautoritäre Altherren-Regime durch, die den demografischen Niedergang dualistisch beschimpfen und etwa durch die Vertreibung von jungen Frauen und Familien weiter beschleunigen. Schuld haben dabei selbstverständlich immer wieder angebliche, oft jüdische Weltverschwörer, die auch die jeweilige Opposition im In- und Ausland kontrollieren würden.

Ein Shelfie von Michael Blume feiert in der Stadtbibliothek Filderstadt "Das Buch der Sith" vor einem roten Regal voller Star Wars-Devotionalien.

Der Niedergang der Sith bis zum wahnhaften Unsterblichkeitstraum von Kanzler-Imperator Palpatine beschreibt die verbitterte Alterung von Faschisten und Dualistinnen gut. Foto: Michael Blume, Link zur Rezension

3. Klima- und Wasserkrise, die wiederum zu Inflation (höheren Preisen), Hitzemord-Gewalt und mehr Fluchtbewegungen führen. Immer mehr Ernten fallen teilweise oder auch völlig durch Dürren und Extremwetter aus, immer mehr Regionen werden unbewohnbar. Für Dualisten und Antisemitinnen müssen jedoch auch daran wieder vermeintliche Verschwörer schuld sein, so dass weitere Eskalationen der Verschwörungsmythen vom Great Reset & Great Replacement, vom Kulturmarxismus & Ökosozialismus zu erwarten sind.

Berechtigte Kritik der US-amerikanischen Anti-Defamation-League (ADL) an antisemitischen Verschwörungsmythen in der Trump-Kampagne. Screenshot: Michael Blume

Prognose

In zwei zeitlich gleichlaufenden Umfragen auf TwitterX und Mastodon fragte ich meine Digitalblasen, ob sie angesichts der drei Faktoren zur “Enge der Zeit” davon ausgingen, dass alle, viele, wenige oder keine Demokratien die kommenden drei Jahrzehnte überstünden. Jeweils um die 60 Prozent der Befragten tippten auf “wenige”.

Ich bin persönlich noch etwas hoffnungsvoller, da ich eine Kommunalisierung und Regionalisierung der Politik für möglich halte – dynamische Städte und Regionen werden sich demnach zunehmend gegen die Abzocke der korrupte Altherren-Regime schützen. Dieser Prozess hat nach meiner Einschätzung auf EU-Ebene und in Teilen der USA bereits begonnen – und auch die Verweis auf kommunale Pläne im Rahmen des Bundes-Heizungsgesetzes deutet bereits in diese Richtung. Während sich nationale Politiktheater in zunehmenden, digitalen Polarisierungen verlieren, könnte sich – so beobachte und hoffe ich – auf Ebene der Kommunen, Regionen, Kantone und Länder weiter zukunfts-, technologie- und integrationsorientierte Politik entfalten. Gerade weil auch der EUSALP-Alpenraum überdurchschnittlich schnell erhitzt, schließe ich nicht aus, dass einige ihre Ressourcen noch rechtzeitig einsetzen, um sich etwa mit Schwammstädten und klugen KI-Anwendungen für das 21. Jahrhundert zu wappnen.

Garfik zu einer TV-Dokumentation über die "Klimakrise in den Bergen" (2023), nach der die Erhitzung im Alpenraum bereits bei 2,3 Grad Celsius liege, weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 1,5 Grad.Gebirgsregionen erhitzen aufgrund der schrägen Hänge und tauender Eisflächen überdurchschnittlich schnell, im Alpenraum bereits um über 2 Grad Celsius. Screenshot: Michael Blume

Ich glaube also weiterhin, dass es sehr viel Sinn macht, die Wissenschaften und Religionen miteinander ins Gespräch zu bringen und die Menschen auf eine Zukunft voller Herausforderungen, aber auch mit Vielfalt und Chancen vorzubereiten. So hat zum Beispiel Ulm nicht nur eine neue Synagoge, sondern auch die Erinnerung an Albert Einstein zu bieten! Es kommt darauf an, gegen jede “Enge der Zeit” mehr Psychologie und Wissenschaftskommunikation, mehr Technologie und Mythologie, kurz: mehr Solarpunk zu wagen.

Christlich-jüdisches Gesprächsforum zum Katholikentag 2022 in Stuttgart. V.l.n.r.: Dr. Michael Blume, Dekan Christian Hermes, Professorin Barbara Traub, Naomi Bennett, Manuel Hagel (Selfie, mfG)

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

32 Kommentare

  1. Insgesamt sehe ich hier eine herausfordernde Aufgabe für das Bildungswesen. Während der gesamten Menschheitsgeschichte gab es immer wieder Entwicklungen, z.B. bei Wetter, Klima etc, die für unsere Vorfahren unverständlich waren. Damit waren dann, damals wie heute, Existenzängste verbunden. Reagiert wurde dann häufig mit Angriffen auf Minderheiten. Es gab aber auch Versuche, die natürliche Ursache für Phänomene, die man nicht einordnen konnte, herauszufinden.
    1816 hatten viele in Mitteleuropa und Nordamerika mit dem Jahr ohne Sommer zu kämpfen. Mit weitreichenden Folgen auch in den Jahren danach. Ein Beispiel für eine positive Folge war zum Beispiel die Gründung der Universität Hohenheim (wie sie heute heißt).
    Ich plädiere für Crossover in verschiedenen Fächern in der Schule zum Thema Klimageschichte. Naturwissenschaften, Deutsch, Geschichte, Religion. Das könnte man beispielsweise im Rahmen einer
    Themenwoche machen. Gerade für die jungen Menschen, die jetzt in die Schule gehen, bleibt das Thema Klima akut.
    Vielleicht gibt es etwas Ähnliches schon. Das wäre schön. Falls nicht, sollte man zumindest darüber nachdenken.

      • Ich stimme in Punkto Bildung vollkommen zu. In den Schulen wird kaum noch eine fundierte Naturwissenschaftlich Bildung vermittelt. Biologi,Chemie und Physik werden als Solo-Fächer unterrichtet. Dabei beeinflussen sich diese Teil-Wissenschaften sehr eng. Dazu passen würde auch eine Grundbildung in Astronomie,Meteorologie und noch sehr wichtig der Philosophie. Diese darf nicht auf den Religionsunterricht in den Grundschulen begrenzt bleiben. Natürlich ist eine Grundkompetenz in Sprache (lesen,schreiben,verstehen) und der Mathematik notwendig um darauf aufbauend Bildung zu vermitteln. Leider zeigt das deutsche Bildungssystem 16 kleine Fürsten,welche alle 4 Jahre eine neue Idee ausprobieren. Es gibt keine Stabilität und Kontinuität mehr in der Bildung. Ergebnisse sind Schulabbrecher, Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung, Studienabbrecher. Ein Anteil unseres Fachkräftemangels ist hausgemacht durch das Bildungssystem. Die Jahrelange Vermittlung „nur wer Studiert ist etwas wert“ hat in Handwerk und Industrie riesige Lücken gerissen. Und wir wissen alle, je suboptimaler der Bildungsstand ist, desto größer ist die Gefahr welche von Rechtspopulismus und Verschwörungstheorien ausgeht. „Man braucht keine Bomben um einen Staat zu zerstören oder zu destabilisieren. Dazu reicht es,das Bildungssystem zu zerstören“ Beispiele gibt es genug.

    • Dei Idee “Web”. Fertilität und absehbare (womöglich nicht in prädestinierter, prädiktierter Höhe erfolgend, Dr. W redet hier auch von Ökologismus) terrestrische Erwärmung zusammen zu bringen, war aus diesseitiger Sicht eine Meisterleistung.
      Fehlen tut womöglich noch zeitgenössische AI (die auch abgefragt werden kann), die ist – klar auf der Hand liegend – relevant.

      Die kleinen Ärmchen der Zukunft zugewandt, wenn auch sozusagen auf den Schultern von Riesen stehend.

    • Lieber Michael Blume,
      mit großem Interesse habe ich Ihre Publikationen “Verschwörungsmythen” und “Rückzug oder Kreuzzug” gelesen und kann ihren Analysen nur zustimmen. Was mich stark beunruhigt, ist der Antisemitismus bzw. Antijudaismus in Gestalt des Philosemitismus, den ich bei vielen – auch exponierten – Vertretern der konservativ evangelikalen und der extrem charismatischen Gruppierungen wahrnehme. Ob Olaf Latzel oder Friedhelm Schröder (Langensteinbacher Höhe), die YouTube-Beiträge von “gotteshaus.de” oder “kris”, es ist wirklich gruselig. Eindeutige Belege kann ich gerne liefern. Wenn es Ihre Zeit erlaubt und Sie im Raum Heidelberg unterwegs sind, würde ich mich über ein persönliches Treffen freuen.
      Danke für Ihre wertvolle aufklärerische Arbeit, Ihr Hans-Peter Glahs

  2. Hallo,
    Angesichts dieses weltweiten Rechtsrucks ist es manchmal schwer, die Hoffnung zu behalten. Und Hoffnungslosigkeit scheint Ihrem Text nach auch der Grund für diese Entwicklung zu sein: “Unvermögen, sich eine Zukunft vorzustellen.“
    Tatsächlich fehlt uns also nach dem 1. Korinther 13 “Glaube, Liebe, Hoffnung”. Ob wir mehr oder weniger glauben sollten, ist schwer zu sagen.

    Zu dem Punkt “Demografie” gibt es einen weiteren Aspekt, den ich selbst noch nicht ganz einordnen kann. In einem Monolog in der Satire-Sendung “Die Anstalt” wurde mal ein Zusammenhang zwischen Rechtsdrift und Frauenmangel benannt. Frauen einerseits würden sozial korrigierend und dämpfend wirken und andererseits trägt eine Partnerin bzw. eigener Nachwuchs zur individuellen Zufriedenheit bei.
    Die Schlussfolgerung: Weil dem Osten Frauen fehlen, stehe die AfD dort besser da.
    Ob das empirisch belegt ist und theoretisch valide, würde mich interessieren.
    Herzlichen Grüße!

    • Danke, @Keno Eilers

      Zu „Glaube, Liebe, Hoffnung“ stimme ich persönlich wie auch religionspsychologisch zu: Spiritualität wie auch Religiosität können der „Enge der Zeit“ entgegenwirken – sie aber auch durch apokalyptischen Dualismus verstärken.

      Und, ja, bewusst habe ich im obigen Blogpost die „jungen Frauen“ extra genannt, da diese in Europa längst überdurchschnittlich mobil sind und von rechtsautoritären Bewegungen wiederum diskriminiert werden. Wo sie aber erst einmal abwandern, verschärft sich der regionale Rechtsruck weiter. Von den Abtreibungsverboten in einigen US-Staaten und nach Polen bis zur Gewalt gegen aufbegehrende Frauen in Afghanistan und im Iran sehe ich da Abrutschbewegungen in den auch demografischen Abgrund.

    • Ich denke, im Zuge der (Neo)Liberalisierung wurde viel Geld von unten nach oben verteilt, so dass sich heute selbst größere Teile der Mittelschicht bedroht und abgehängt fühlen.

      Die Parteien bieten keine adäquate Antwort auf die von Ihnen verursachten Probleme.

      Selbstverständlich sind all die anderen (genannten und nicht genannten) Gründe ebenso Teil der komplexen und gefährlichen Entwicklung des Rechtspopulismus auf der Welt und hierzulande.

      Ich denke viele Politiker*innen und Fachleute haben es sich lange zu leicht gemacht, indem sie gesagt haben es ginge nur um Protest, nur ungebildete oder rechtsradikale würden rechte Parteien wählen etc.

      Die Gründe sind so vielfältig wie die Menschen auch wenn wir sie nicht oder nur schwer nachvollziehen können.

      Eine ehrliche Auseinandersetzung mit den vielfältigen Gründen ist lange überfällig, zumindest wenn das Problem ernsthaft bekämpft werden soll.

      Mir macht die aktuelle Entwicklung sorgen.
      Ich bin gespannt auf die Welt in 10 oder 20 Jahren.
      Ich hoffe das beste und werde weiterhin mit offenen Augen und viel Empathie versuchen die Welt zumindest in meinem Umfeld besser zu machen.

      • Danke, @Jessica Plath

        Zwar stimme ich zu, dass die wirtschaftliche Situation zur Polarisierung beiträgt – gleichwohl sind auch traditionell starke Sozialstaaten in Skandinavien oder auch Deutschland betroffen. Auch fordern die meisten rechtspopulistischen Parteien ja gerade keinen Ausbau von Sozialleistungen und Umverteilung, sondern das Gegenteil: Entsolidarisierung und Sozialdarwinismus. Die meisten wollen selbst nach unten treten, um nach oben zu kommen.

        • Ja natürlich ist das auch nur ein kleiner Teil des Problems.
          Es kommt doch auch nicht darauf an wie sehr Menschen wirklich abgehängt sind sondern was sie glauben und fühlen.

          Da sind wir wieder bei der Hoffnungslosigkeit, dem fehlenden Glauben an die Zukunft.

          Ich glaube das die meisten Menschen noch nie in ein Parteiprogramm geschaut haben und eher Reden etc als Grundlage für ihre Entscheidung nehmen. Oder ihre Gefühle.

          • Danke, @Jessica Plath – dem stimme ich zu, zumal das Parteiensystem in anderen europäischen Ländern schon durch Personalisierungen umgestaltet worden ist. Mit der Digitalisierung und Polykrise werden auch widersprüchliche Gefühle mächtiger.

  3. Immer mehr Ernten fallen teilweise oder auch völlig durch Dürren und Extremwetter aus,

    Diese Aussage wird durch den hinterlegten Link nicht belegt. Tatsächlich sehen wir bei den wichtigen Sorten deutliche Ernteanstiege:

    Die globale Weizenernte ist heute etwa 30 % größer als vor 20 Jahren:
    https://www.statista.com/statistics/267268/production-of-wheat-worldwide-since-1990/

    Die globale Reisernte ist heute immerhin 10 % größer als vor 15 Jahren:
    https://www.statista.com/statistics/271972/world-husked-rice-production-volume-since-2008/

    Gerade der Reisanbau steht natürlich vor großen Herausforderungen, das ist völlig klar. Dennoch sollte man immer empirisch sauber argumentieren.

    • Danke, @Tim – aber selbstverständlich stimmt meine Aussage. Die Gesamt-Erntemengen nehmen für einige Produkte noch zu, doch schon jetzt hat die „Kornkammer Griechenlands“ auf Jahre hinaus Ernteverluste zu ertragen, vgl.:

      https://www.tagesschau.de/ausland/europa/griechenland-lebensmittel-100.html

      Und darum geht es ja letztlich auch: Selbst wenn wir in einigen Regionen die Erntemengen noch steigern und etwa Algenkost produzieren können, verlieren andernorts landwirtschaftliche Betriebe und Familien ihre Lebensgrundlagen, werden in die Migration getrieben.

        • Das Fliehen vor der eigenen Verantwortung zu einem platonischen „Großen Ganzen“ halte ich für ein schlimmes Erbe der deutschen Fürsten-Kleinstaaterei, @Tim. Ich finde ja selbstbewußte Bürgerinnen und Bürger überzeugender, die in ihrer realen Mitwelt Verantwortung übernehmen, statt im Internet platonistisch umherzuraunen.

    • Es ist auf diesem Planeten, wenn den Daten (die werden fortlaufend aktualisiert, auch “homogenisiert”) des Goddard Institute for Space Studies, der NASA angeschlossen, gefolgt werden darf, seit 1880 ca. 1 K wärmer geworden.
      Insofern kann es aus diesseitiger Sicht bisher keine schlimmen Dürren und Extremwetter gegeben haben, die auf dem teils anthropogenen sozusagen zusätzlich erfolgten Ausstoß klimarelevanter Gase beruhen.
      Denkbar wäre auch ein Erntezugewinn, wenn sich vorgestellt wird, dass Saat und Ernte (von Getreide beispielsweise) hauptsächlich in Gebieten erfolgten, erfolgen, die dem Äquator fern sind.
      Zur sogenannten Wasserkrise hat sich Dr. Webbaer sozusagen geschworen nicht zu schreiben (außer anzuzeigen so nichts zu schreiben).
      Mit freundlichen Grüßen
      Dr. Webbaer

      • “Insofern kann es aus diesseitiger Sicht bisher keine schlimmen Dürren und Extremwetter gegeben haben, die auf dem teils anthropogenen sozusagen zusätzlich erfolgten Ausstoß klimarelevanter Gase beruhen.”

        Das sagen Sie nun wiederholt entgegen der eindeutigen Faktenlage.

        “A.2 Widespread and rapid changes in the atmosphere, ocean, cryosphere and biosphere have occurred. Human-caused climate change is already affecting many weather and climate extremes in every region across the globe. This has led to widespread adverse impacts and related losses and damages to nature and people (high confidence). Vulnerable communities who have historically
        contributed the least to current climate change are disproportionately affected (high confidence). {2.1, Table 2.1, Figure 2.2 and 2.3} (Figure SPM.1)”

        report.ipcc.ch/ar6syr/pdf/IPCC_AR6_SYR_SPM.pdf

        Nur ein Beispiel von vielen:

        “Extreme April heat in Spain, Portugal, Morocco & Algeria almost impossible without climate change.”

        http://www.worldweatherattribution.org/extreme-april-heat-in-spain-portugal-morocco-algeria-almost-impossible-without-climate-change/

  4. Kleines Feedback zu den drei genannten Punkten :

    1.)
    Die “Digitalisierung”, die das Web meint und die sozusagen mit Lichtgeschwindigkeit erfolgenden Nachrichtenversand, ist Problem und Chance.
    Dr. W wird sich nun auf die Probleme konzentrieren, die u.a. auch darin bestehen, dass Nachrichten nun weltweit sehr zeitnah transportiert werden können, es gibt hier auch “Block-Chain”-basierte Nachrichtensysteme (oder Ideen von Nachrichtensystemen, die aber zu ihrer Implementierung führen könnten und werden), die nicht mehr moderiert werden können, wenn sie so angelegt sind.
    Insofern rät der Schreiber dieser Zeilen zur, auch gesellschaftlich und staatlich unterstützten Bildung sogenannter Webkompetenz an.
    Der Staat darf so schulen und vor allem auch darauf hinweisen, dass im Web unvermeidlich auch der sozusagen letzte Dreck verbreitet werden kann,, sofern der Staat nicht selbst im Gerät (!) sozusagen sitzt (Was vermeidenswert wäre, oder?), der nicht nur Rechtsextremismus und Antisemitismus meint.
    So dass der Nutzer im Web selektiv zu, äh, nutzen hat, eben seiner (auch geschulten) Webkompetenz folgend.

    2.)
    Die Fertilität, die Demografie beschreibt nur, ist ein Problem.
    Das Problem besteht also darin, dass gerade auch in Gesellschaften, die das Herrschaftsystem “Liberale Demokratie” angenommen haben, zu wenig Kinder geboren werden.
    Was – amüsanterweise, ein kleiner Gag an dieser Stelle – schlecht ist und womöglich genau auf dieses Herrschaftsystem zurückzuführen. [1]
    Dr. Webbaer ist abär optimistisch, dass sich dieses Problem lösen wird, wenn diejenigen, die sozusagen nicht sozial genug sind Kinder zu bekommen und aufzuziehen, aussterben; Dr. W entschuldigt sich an dieser Stelle für möglicherweise vorgetragene evolutionionsbiologische Sicht präventiv.

    3.)
    Bei der “Klimakrise” stellt sich Dr. W indifferent (oder agnostisch), ohne die in der Regel CO2-zentrierten naturwissenschaftlichen Erwärmungstheorien abzulehnen (auf dem Mond mit annähernd gleichen Abstand zur Sonne ist es ca. 50 K weniger warm), glaubt an die Chancen nächster Generationen mit AI und Robotik auch den geostationären Raum zu besetzen, das beginnende Weltall meinend, ist (nicht nur) da sozusagen zukunftsoptimistisch.
    (So ein kleiner netter Erd-Thermostat über Geo-Engineering und mit vielen kleinen Robots versehen, abschattend, auch einzelne Regionen auf diesem Planeten meinend, könnte sozusagen extra-nett sein, wirtschaftlich in jedem Fall ratsam, wie eine Art Sonnenschirm?)

    Rät vom Sparen für die Zwecke des Sparens, von passiv-aggressiven Verhalten also ab, denn es werden nie Alle auf diesem Planeten am Ausstoß klimarelevanter Gase sparen, nicht wahr?

    Mit freundlichen Grüßen und weiterhin viel Erfolg, vielen Dank auch für die Bereitstellung dieser (diskutablen) Dreiseitigkeit, die aus diesseitiger Sicht auch zusammengehört

    Dr. Webbaer

    [1]
    KA, warum dies so ist, dieser Sachverhalt ist unübersehbar.
    Weiß jemand passende Erklärung beizubringen?

    • Dr. Webbaer (26.09.2023, 13:47 Uhr):
      > […] rät […] zur, auch gesellschaftlich und staatlich unterstützten Bildung sogenannter Webkompetenz

      Statt allfälligem Trockenschwimmen, ist dabei im Rahmen des “(verfassungsrechtlichen) Prinzips der praktischen Konkordanz” (s. Link im Memo) insbesondere zur Verwirklichung bzw. Ausübung der besagten Webkomkompetenz zu raten;
      nicht zuletzt (“beginnend bei uns”) zur Ausübung der selbstbestimmten Administrierung eines SciLogs (oder Äquivalents, insbesondere im anderen Laden).

      Im übrigen empfiehlt sich zur materiell-finanziellen Gewährleistung der Verwirklichung solchen Rechtes nach wie vor ein angemessener Anteil unseres Beitrages für kommunikative Teilhabe und Kompetenz.

      • Güterabwägung ist ein wichtiger Punkt, sog. Grundrechte, die Menschenrechte meinen, können nicht einfach ausgesetzt werden, vgl. bspw. mit der sog. Corona-Krise (viele Krisen sind denkbar, sie können sozusagen jederzeit annonciert werden, nicht immer im Sinne Liberaler Demokratie) sondern derartige Aussetzung erfordert eine möglichst umfassende Begründung, der sich ein möglichst offener Diskurs anzuschließen hat, jedenfalls im hier gemeinten Herrschaftssystem. – Auch eine Nachbereitung.
        Webkompetenz ist wichtich, mittelniederdeutsch, sie darf, soll bis muss aus diesseitiger Sicht auch an den bekannten Bildungsstätten geschult werden.
        Dr. Webbaer hofft mal, dass er Sie, lieber Herr Dr. Frank Wappler, zumindest punktuell verstanden hat, diesmal. [1]
        Mit freundlichen Grüßen
        Dr. Webbaer
        [1]
        Kleiner Gag am Rande, in etwa zu der Zeit, als sich Ronald Reagan öffentlich in die Demenz verabschiedet hat, per Brief, hatte Dr. Webbaer die Idee sich ähnlich öffentlichkeitswirksam in die Sapienz zu verabschieden, hat dann abär doch davon abgesehen.
        Sie, lieber Herr Dr. Frank Wappler, haben sich so sozial verabschiedet?

        • Dr. Webbaer schrieb (01.10.2023, 14:33 Uhr):
          > Güterabwägung ist ein wichtiger Punkt, […]

          Den Anspruch auf (zumindest »optimierte«) Wirksamkeit und Verwirklichung (wenn auch womöglich »in den Grenzen einer Problemlösung«), wie im angegebenen Link zugestanden, halte ich für noch wichtiger und beeindruckender. Denn ohne wenigstens so viel Gewicht (des Einzelnen) käme es doch gar nicht erst zu irgendwelchen Abwägungen (untereinander).

          p.s.
          > Kleiner Gag am Rande [… sich] öffentlichkeitswirksam in die Sapienz zu verabschieden

          Öffentlichkeit nehme ich ernst. Aber, wie’s in der Anglophonie so schön heißt:
          Three’s a crowd.

  5. Ich habe das Gefühl, dass es einfach grundlegend an Medienkompetenz und Data-Literacy liegt, dass zumindest in Deutschland aktuell rechte Politik wieder starken Anklang findet. Auf der einen Seite haben wir den schnellen technologischen Fortschritt nicht mit dem Lehren von ausreichender Medienkompetenz gepaart. Den Augenblick haben wir um ein paar Jahre verpasst und selbst jetzt wird hauptsächlich ehrenamtlich aufgeklärt. So kann im Internet beinahe jeder einfach etwas behaupten und schon wird es geglaubt, weil sich keiner für die hinterliegenden Fakten oder Daten interessiert sondern nur die Schlagzeile liest (oder ganz modern: Er/Sie fällt auf ein KI-generiertes Bild herein).

    Dazu kommt noch, dass immer weniger Menschen vorliegende Daten richtig lesen und in Kontext setzen können. Dadurch können dann Meinungsmacher eben solche Daten aus großen Mengen heruasnehmen und so inszenieren, wie sie garde eben passen. Kausalität wird dazu noch oft mit Korrelation verwechselt und schon geht die nächste Schlagzeile mit falschen Daten oder falschen Interpretationen viral.

    Außerdem haben wir natürlich noch die Verwahrlosung unserer Aufmerksamkeit als ganze Gesellschaft zu verkraften. Mit Faktenchecks und rein informativen Nachrichten kommt man nicht mehr zum Menschen durch. Die einzigen Nachrichten, die in den Kern der Gesellschaft durchdringen sind Boulevard-Emotionalitäten a la Bild.

    • Danke, @Darius Heinemann

      Neben der individuellen Medienkompetenz treten auch soziale Verstärkungen etwa in Chatgruppen auf. Nicht zufällig hat mein Buch „Warum der Antisemitismus uns alle bedroht“ den Untertitel „Wie neue Medien alte Verschwörungsmythen befeuern“. Auch Buchdruck und elektronische Medien haben unsere Gesellschaften extrem umgewälzt und auch zu Gewalt beigetragen.

  6. @Heinemann 26.09. 14:25

    „Dazu kommt noch, dass immer weniger Menschen vorliegende Daten richtig lesen und in Kontext setzen können. Dadurch können dann Meinungsmacher eben solche Daten aus großen Mengen heruasnehmen und so inszenieren, wie sie garde eben passen.“

    Immerhin kann man heute per Wikipedia vieles recht schnell klären. Nur muss man dafür die Geduld haben, und am besten noch gut rechnen können.

    Vielleicht hilft uns hierbei die KI sogar weiter? Das könnte als schneller Faktencheck noch sehr nützlich werden.

    Was die Migration von fitten jungen Menschen betrifft, da sind wir als die Nachfragenden aber auch Teil des Problems. Es ist schlichtweg suboptimal, wenn sich Wirtschaftstätigkeit in einzelnen Regionen konzentriert. Wenn es aber anders nicht geht, und die Abwanderungsregionen es einfach nicht hinbekommen, moderne Produktion zu ermöglichen, dann geht es nicht anders.

    Ich fände es allerdings als perspektivisch überaus sinnvoll, wenn man hier dagegen halten könnte, und wo immer möglich eine lokale Produktion des lokalen Bedarfs fördern würde. Das verteilt dann nicht nur progressive Kräfte besser, es reduziert auch Warentransport und Personenverkehr. Und es reduziert Abhängigkeiten.

    Angesicht einer möglichen beschleunigten Automatisierung durch aktuelle KI geht es möglicherweise mit weniger Arbeit in vielen Bereichen. Das wäre vielleicht eine Gelegenheit, die verbleibende Arbeit aktiv regional besser zu verteilen, und eben nicht noch mehr Migration nachzufragen. Und dann halt auch in Deutschland mit einem Bevölkerungsrückgang leben zu lernen.

    Dem Wohnungsmarkt käme das sehr entgegen, und der Flächenverbrauch durch Bautätigkeit würde auch nachlassen. Zusätzlich würden Ressourcen frei, die Energiewende schneller zu realisieren.

  7. Ein eher selten genannter Grund dürfte auch eine wachsende Einsamkeit in modernen Ländern sein. Noreena Hertz und Martin Hecht erklären es in ihren Büchern recht gut.

    Franz Jedlicka

    • Ja, @Franz Jedlicka – Einsamkeit nimmt mit niedrigen Geburtenraten zu und diese sinken damit weiter. Auch die Digitalisierung trägt ihren Teil dazu bei, dass sich einige Menschen stärker auf virtuelle Kontakte beschränken.

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