Hitze & Wasser. Die schnelle Eskalation der GreatReset-Ökosozialismus-Verschwörungsmythen

Nun ist es also geschafft: Wie vom Landtag Baden-Württemberg beauftragt, konnten mein Team und ich diese Woche den 2. Antisemitismusbericht (2019, 2023) mit Handlungsempfehlungen beim Parlament einreichen. Die gewählten Abgeordneten haben nun wieder Gelegenheit, sich über den Sommer hinweg mit dem Text zu befassen, bevor er dann im Spätsommer im Hohen Haus debattiert werden kann. 2019 sprachen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), sein Vize und Innenminister Thomas Strobl (CDU) und alle (!) Fraktionsvorsitzenden. Unvergessen, wie z.B. die damalige Landtagsabgeordnete Christina Baum (AfD) mitten in der bis dahin würdigen Sitzung ihren eigenen, damaligen Fraktionsvorsitzenden für dessen gemäßigte Rede anging. Ich bin wirklich gespannt auf die kommenden Monate!

Bereits in der Covid19-Pandemie hatte ich u.a. in der Verschwörungswelten-Doku davor gewarnt, dass wir mit dem Ende der Virusfurcht einen Übergang zum Verschwörungsmythos des sog. “Great Reset” haben würden, wonach auch die ganze Klimakrise “inszeniert” wäre.

Schon nach der Wahlniederlage von Donald Trump begannen immer mehr QAnon- & Querdenken-Verschwörungsgläubige auf den Verschwörungsmythos des sog. “Great Reset” umzuschwenken. Tweet & Screenshot zur TV-Doku: Michael Blume

Psychologie der Klima-Wissenschaftsleugnung

Immer noch begegne ich hoffnungsvollen Vertreterinnen und Vertretern der europäischen Aufklärung, die meinen, “die Menschen” würden die Klimakrise “doch schon noch merken”, wenn “Hitze, Extremwetter und Wassermangel auch sie betreffen.”

Doch leider kann ich diese Hoffnung weder aus den Beobachtungen im Irak noch aus der Politik- und Religionswissenschaft heraus bestätigen. Unsere menschliche Psychologie reagiert auf “Enge der Zeit” mit Bosheit: Wenn jemand ruft, dass das Buffet bald leer sein würde, füllen sich die meisten noch schnell die Teller. Nur wenige würden sich selbst beschränken, damit anderen genug bleibt.

Gerade jetzt, da die Klimakatastrophe in neue Hitzerekorde, Extremwetter und Wassermangel eskaliert, beobachte ich daher einen Drift vieler in den Klima-Relativismus und verschwörungsmythologischen Dualismus.

Im Relativismus wird die globale Erwärmung durch Treibhausgase (CO2, Methan, Stickstoff) zwar nicht geleugnet, aber jede Verantwortung dafür geleugnet. “Na und? Ich kann ja doch nichts mehr ändern.” – “Ganz Deutschland bringt nur einen Bruchteil der Treibhausgase hervor, ist also egal.” – “Die Menschheit hat es eh vergeigt, ich möchte mein Leben genießen.”

Im Dualismus wird dagegen das eigene Versagen feindselig und verschwörungsmythologisch auf vor allem jüdische und progressive Kräfte abgespalten. “Das ist doch alles nur der Great Reset vom WEF und den Rothschilds!” – “Damit löst der Soros Flüchtlingsströme zum Großen Austausch aus, um sich an Europa zu rächen.” usw.

Entsprechend massiv eskaliert schon jetzt auch das deutschsprachige Twitter. So verbreitet etwa der inzwischen aus der Degussa entlassene Markus Krall den antisemitischen Verschwörungsmythos vom Kulturmarxismus / Ökosozialismus:

“Man kann es nicht oft genug betonen: Die “Klimakrise” ist eingebildeter Schwachsinn, gesellschaftliche Hypochondrie. Ihr Sinn und Zweck ist die Einführung des Sozialismus, die Beraubung des Menschen um Hab, Gut, Freiheit und Recht. Durchschaut es oder ihr werdet ausgezogen.”

 Einer von vielen deutschsprachigen Twitter-Accounts, die Verschwörungsmythen zur Klimakrise verbreiten. Screenshot: Michael Blume

Bereits vor Jahren war der erwähnte Herr Krall damit gescheitert, mir die Aufklärung über die von ihm verbreiteten Verschwörungsmythen zu untersagen, nach denen die deutsch-jüdische Frankfurter Schule hinter der auch von ihm verkündeten “Sozialismus”-Verschwörung stecke.

Doch auch in den USA eskalieren die antijüdischen Verschwörungsmythen gegen eine angebliche Weltverschwörung von Soros, Rothschilds, “cultural marxism” und “eco-socialism” weiter. Einige eskalieren durch NS-Gleichsetzungen weiter bis zum sog. “eco-fascim”, Ökofaschismus. Der Dualismus dreht durch.

Auch manche jüdische Unterstützer der US-Republikaner, die Donald Trump lange verteidigten und unterstützten, zeigten sich aktuell schockiert über ein klar antisemitisches Motiv seiner MAGA-Spendenkampagne zur US-Präsidentschaftswahl am 05.11.2024, das den jüdischen Holocaust-Überlebenden George Soros als Puppenspieler im Bündnis mit dem marxistischen China als Beherrscher des Weißen Hauses und von Präsident Joe Biden zeigt.

Auch die Anti-Defamation League ADL warnt inzwischen vor den antisemitischen Bildmotiven der Trump-MAGA-Spendenkampagne. Screenshot: Michael Blume

Fazit: Alle Demokratien geraten unter Druck

Schon vor längerer Zeit habe ich aufgehört, mich über das Eintreffen von wissenschaftlichen Prognosen zu freuen. Gerade auch was die globale Erhitzung, zunehmende Extremwetter wie Dürren und Starkregen, den Wassermangel samt Wasserkriegen und die digitale Verbreitung und Verstärkung antisemitischer Verschwörungsmythen angeht, ertappe ich mich sogar immer wieder selbst beim Wunschdenken. Erinnern Sie sich beispielsweise noch, dass ich im April 2022 darüber bloggte, wie die digitale Polarisierung Demokratien mit Mehrheitswahlrecht erfasst, verroht und zerspaltet? Nur ein Jahr später hat dieser Prozess auch Parlamente und Koalitionen mit Verhältniswahlrecht erreicht und greift sogar zunehmend in demokratische Parteien über. 

So richtete sich ein extrem rechter Twitter-Mob gegen den liberalen, früheren CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz. Und erst am 11. Juli 2023 twitterte ein Account, der sich als Mitglied der CDU und Jungen Union sowie einer “Konservativen Allianz” ausgab:

“Man kann sachlich feststellen, dass die linksgrüne CDU heute aufs Maul bekommen hat. And I think that is beautiful.” 

Zwar bekräftigte ich auch bei der SPD Stuttgart, dass die Brandmauer der demokratischen Parteien zumindest in Baden-Württemberg halten werde. Aber selbstverständlich könnte es sein, dass ich auch hierzu noch zu optimistisch wäre…

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

15 Kommentare

  1. Zusammengefasst erhält man den Eindruck, dass es in einer ganzen Szene von politisch/weltanschaulich Aktiven überhaupt nicht mehr um die Sache, ja überhaupt eine Sache geht. Statt dessen geht es darum andere zu diskreditieren und darum auf breiter Front Feindbilder aufzubauen.

    Das bestätigt eine frühere Diagnose von mir: Hass ist eine sehr starke Triebfeder und einmal entfacht, verschwindet er nicht mehr.
    Sehr viele auch selbst nicht Hassende wissen darum und nutzen die damit verbundene Energie für ihre eigenen Zwecke. Es scheint, dass eine gar nicht so kleine Szene von Aktivisten sich in einer Art Kampfzone befindet, in der es gefühlsmässig um Leben und Tod geht und wo dementsprechend starke Kräfte aktiviert werden.

    • Ja, @Martin Holzherr – die Feindbilder haben wiederum die Funktion, real existierende Probleme abzuspalten. Statt mit der Klimakrise wird dann mit der imaginären Ökosozialismus-Weltverschwörung gerungen, statt mit den niedrigen Geburtenraten mit dem angeblichen “Großen Austausch”, statt mit der Wahlniederlage von Donald Trump mit dem “Great Reset” usw.

      Dualismus löst keine Probleme, sondern schafft vielfachen Schaden. Aber Millionen gehen ihm auf den Leim, auch in Deutschland…

  2. Wie “schlimm” es kommt, hängt vor allem davon ab, was wir tun. Konkrete Beiträge zur Reduzierung der Krise gibt es. Die fördern auch das Selbstwertgefühl und die Zusammenarbeit. Die sind aber zu wenig im Gespräch: Es sind die gleichen Maßnahmen, die auch in der Energiepreiskrise entlasten: Z.B. das Dach dämmen; die Wege zum Bäcker häufiger mit dem Fahrrad; das Sofa reparieren statt wegschmeißen. (Nur eine kleine Auswahl)

    • Das ist völlig richtig, lieber @Wolfgang Feist! Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und Zusammenarbeit führen in Richtung Monismus und schützen auch emotional vor Verschwörungsmythen.

      Genau deswegen rechne ich mit einem weiteren Auseinanderdriften von dynamischen Arche-Regionen, in die auch junge Menschen einwandern und in denen sich kulturelle, dialogische und auch technologische Fortschritte entfalten – und in absterbende Gebiete, aus denen die fittesten, jungen Menschen abwandern und in denen sich eine Kultur des Früher-war-alles-besser-Dualismus samt Verbitterung und medialer Radikalisierung durchsetzt. Ich sehe diese Tendenzen weltweit, auch in Deutschland und empfehle daher eine deutliche Stärkung von Eigeninitiative und Kommunalpolitik:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/hoffnung-in-kaisersbach-was-wir-alle-gegen-die-wasserkrise-tun-koennen/

      Ihnen Dank für Ihren konstruktiven Kommentar, bitte bleiben Sie thematisch dran! 🖖🌈

  3. Im Moment gewinnen die Dualisten, weil sie einfach Recht haben: Die Starken, die die Friedensordnung eigentlich garantieren und durchfüttern sollten, fressen sie mir nichts, dir nichts auf, um ungestört die Schwachen fressen zu können. Da bleibt den Schwachen halt nichts übrig, als die Starken auf jede mögliche Weise zu schädigen, ob es sachlich Sinn macht oder nicht, und sich selbst an noch Schwächeren zu mästen.

    Ihr Monismus schützt nur die Tischmanieren unter Kannibalen – alle haben friedlich und geordnet am Tisch zu hocken, das Essen darf stöhnen und wimmern, aber weder Apfel aus dem Maul spucken, noch sich Messer und Gabel entziehen, und wenn die Knochen abgenagt sind, kommt der Schwächste der Dinierenden auf den Tisch, also der, der bei der demokratischen Abstimmung die wenigsten Fürsprecher findet. Dieses System zu verteidigen, erfordert die Mentalität eines Babys – die Nabelschnur hat sich um den Hals gewickelt, mit Ambivalenz ist es intellektuell überfordert, also gibt es die gute Nabelschnur, die einen ernährt, und die böse Nabelschnur, die einen umbringt, und man muss die gute gegen das böse Baby verteidigen, das ständig an ihr reißt.

    Der Wesen des Dualismus ist der Monismus – der Glaube an das Gute, das alle eint, nährt, Frieden und Wohlstand schafft, und von den Bösen geschützt werden muss, die es spalten und zerfetzen. Wenn es nur Monisten gibt, die sich gegen die Welt der bösen Dualisten verteidigen, haben wir Zombie-Apokalypse, verzweifelte Gangs im Notwehr-Modus.

    Der Rest ist Matrix – wir schustern uns irgendwelche Wahnwelten zusammen, die dem Zombie-Kollektiv das gute Gefühl geben, dass das Gemetzel, das unsere Hände und Zähne anrichten, richtig und notwendig ist. Sie müssen nicht wahr, logisch, realistisch sein, im Gegenteil – je weniger Fakten sie durchlassen, die bewirken könnten, dass Einsicht einen beim Töten und Fressen verlangsamt, desto besser. Für Sie sind es Kulturen, Schriften, Werte, die physische Realität, in der Sie leben – ich sehe eine Flut von Einsen und Nullen, die einen grünen Bildschirm herunter regnen.

    Ich sehe, was draußen die Körper machen. Das Borg-Kollektiv zerfällt in Stämme, die um die letzten Ressourcen des sterbenden Hive kämpfen. Sie schützen den Leichnam der Borg-Queen, weil es Ihr Programm ist, und vernetzen sich mit Gleichgesinnten. Andere suchen die Borg Queen, um sich einzuloggen, da aber im Netzwerk keine da ist, die sinnvolle Befehle geben würde, übernehmen lokale Instanzen ihre Rolle. Diese organisieren eigene Kollektive, die den Hive zu retten versuchen, weil all die kleinen Gruppen nicht miteinander vernetzt sind, betrachtet jede die Anderen als defekt, als Gefahr für den Hive. Dementsprechend werden deren Handlungen als feindselig interpretiert. Und weil alle nur das eigene Kollektiv für Borg halten und nur es retten wollen, weil sie dazu dringend die schwindenden Ressourcen des Hive benötigen, sind diese Handlungen auch durchweg feindselig. Der Hive brennt, die Borg brennen, und irgendwo in ihnen schreien brennende Seelenföten in ihren Särgen.

    Wachen Sie auf, wenn Sie wirklich alle retten wollen. Sehen Sie die Maschine hinter den Träumen. Oder träumen Sie weiter, bis die Albträume sie kriegen – dauert wohl noch ein Weilchen, ist ein solider Hive, lohnt sich vielleicht, bis zum Ende Ihrer Nutzungsdauer gemütlich Dienst nach Vorschrift zu machen. Blaue Pille oder rote Pille, welche soll es sein?

    • Lieben Dank für Ihre Wortkaskaden, @Paul S.

      Dazu möchte ich freilich noch ergänzen, dass immer mehr von uns Monist:innen auf Pflanzenkost umsteigen, um gerade aus dem brutalen Verschlingen von Leben, Futtermitteln, Wasser etc. auszusteigen. Vgl. Förster Wohlleben dazu hier:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/hoffnung-in-kaisersbach-was-wir-alle-gegen-die-wasserkrise-tun-koennen/

      Es gibt sie eben real – die Unterschiede zwischen Gut und Böse. Der Relativismus ist selbst-widersprüchlich und sachlich falsch.

  4. @Michael 17.07. 11:59

    „Es gibt sie eben real – die Unterschiede zwischen Gut und Böse. Der Relativismus ist selbst-widersprüchlich und sachlich falsch.“

    Man kann sich drüber streiten, ob es uns Menschen gelingt, mit unseren globalen Problemen fertig zu werden. Wer es aufgibt, und nur noch für sein eigenes Restleben sorgen will, trifft hier eine eigene Entscheidung.

    Wenn wir es aber versuchen wollen, dann gibt es schon sehr konkrete Anhaltspunkte, was zu tun wäre. Neben der Energiewende gilt es den armen Ländern wirklich auf die Beine zu helfen. Und wie wir mit autokratischen Regierungen umgehen wollen, ist jetzt auch wieder wichtig.

    Das ist alles gar nicht so einfach. Und erst im Tun zeichnen sich hier die Wege ab, die gangbar sind. Manche Chancen ergeben sich auch unverhofft, man kann sie dann nutzen.

    Wobei ein Monismus auch eine Frage des jeweiligen Glaubens ist, finde ich. Wenn jeder seine eigenen Zugang zu insgesamt aber universalen Geisteswelten finden darf, dann müssen wir uns hier zumindest nicht mehr aus Glaubensgründen bekriegen.

    Wir können uns noch streiten, welche Vorstellungen und welche Mythen jetzt lebenspraktischer sind. Sollten aber eben anerkennen, dass es auf keinen Fall nur wenige Wege geben kann, die lebenswert sind.

    Mir ist schleierhaft, wieso es immer noch so viele Anhänger von Religionsgemeinschaften gibt, die tatsächlich meinen, dass sie wirklich die einzig wahren sind. Das ist doch eigentlich schon pathologisch. Genauso wie es auch weltlichen Verschwörungsunsinn gibt, der mit der Wirklichkeit kaum was zu tun hat.

  5. “Der Relativismus ist selbst-widersprüchlich und sachlich falsch.”

    Indem Sie diesen Standpunkt einnehmen, haben Sie dem Relativismus das Wort geredet. Denn auch Sie können nicht aus Ihrer Haut. Irgendwie müssen wir ja Bezug auf die Welt nehmen. “Es gibt nur eine Hand, die eine Erde fühlt, nur ein Auge, das eine Sonne sieht”. Sähen wir es anders, so müßten wir an Autoritäten glauben. Und das ist weitaus bedenklicher. Sicher, der Einzelne kann nicht alles wissen, er muß auch darauf vertrauen, daß die Autowerkstatt, der Chirurg usw. Fachkompetenz besitzt. Aber er wird nie aus der Verantwortung entlassen werden können, diese Fachkompetenz zu prüfen. Prüfte er nicht, verriete er den Anspruch der Aufklärung: sapere aude! Verrät er die Aufklärung, dann droht Ungemach. Er läuft einem Guru nach, der vorgibt, die Wahrheit zu kennen. Die Wahrheit aber hängt vom Stand des Betrachters ab. Hier wird, da haben Sie Recht, der Relativismus selbstbezüglich. Er kann aber nicht anders, da er, wenn er das erkennende Subjekt herausnimmt, überhaupt keinen Boden mehr unter den Füßen hätte. Was soll er machen? Er muß, um dem Dilemma zu entgehen, auf Offenbarung als Erkenntnisweg setzen. Das führt aber unweigerlich ins Irrenhaus, da Offenbarung von einer Psychose nicht abgrenzbar ist.

    • Nö, @Dietmar Hilsebein – erkenntnistheoretische Demut ist nicht relativistisch, sondern klug.

      Der Relativismus behauptet, es gebe keine Wahrheit. Der Widerspruch besteht schon darin, dass diese Aussage selbst von sich behauptet, wahr zu sein.

      Der dialogische und erkenntnistheoretisch reflektierte Monismus geht davon aus, dass es möglich ist, sich der Wahrheit aus verschiedenen Perspektiven (wie der von Ihnen geschilderten Medizin, Autowerkstatt, Wissenschaften, Religionen, Künsten etc.) zu nähern. Gerade „weil“ die Wahrheit nicht beliebig ist, braucht es aus monistischer Sicht vielfältige und real gebildete Fachleute!

      Ausführlich hier:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/der-deutschsprachige-monismus-nach-ernst-haeckel-martin-buber-und-karl-popper/

      Über die Metaphorik der Aufklärung spreche ich heute Abend im Faustmuseum Knittlingen. Redeskript folgt.

  6. @Hilsebein 17.07. 23:12

    „Er muß, um dem Dilemma zu entgehen, auf Offenbarung als Erkenntnisweg setzen. Das führt aber unweigerlich ins Irrenhaus, da Offenbarung von einer Psychose nicht abgrenzbar ist.“

    Das Wesen einer richtigen akuten Psychose ist der fehlende Verstand, nicht eine unmittelbare Offenbarungserfahrung. Wobei sich eben aufgrund der fehlenden Realitätsprüfung über Tage und Wochen immer mehr Unsinn anhäuft, bis dass man dann eben wirklich krankenhausreif wird. Soweit die richtigen akuten Psychosen.

    Unmittelbare Offenbarungserfahrungen wären jetzt aber auch durchdachte Experimente, mit denen man u.U. sehr erfolgreich die Wirklichkeit befragen kann. Aber auch spirituelle Erfahrungen müssen keine Psychosen sein, sondern können von vielen Menschen unabhängig voneinander gemacht werden, und so schon beachtlich werden. Insbesondere wenn sie potentiell durchaus brennende Fragen beantworten.

    Die Frage, ob wir in einem lebendigen Kosmos leben, der auch Geisteswelten unterhält, ist durchaus auch mit einem Ja zu beantworten. Eigene und auch geteilte Erfahrungen sprechen einfach dafür.

    Die Sache ist nur insofern unsicher, weil es offenbar auch Menschen gibt, die eben einschlägige Erfahrungen nicht teilen. Wir brauchen aber auch in dieser Frage keinen Relativismus, hier wäre ein Pluralismus der menschlichen Realitäten ausreichend. Wenn wir eine spirituelle Basis haben, dann bildet sie für jeden Menschen ein Fundament, auf das sich subjektive Welterkenntnis gründen kann.

    Die Freiheitsgrade sind aber eben nicht beliebig. Fantasien sind neben Fakten auch erlaubt, aber das sollte gründlich unterschieden werden.

    @Michael 18.07. 06:50

    „Gerade „weil“ die Wahrheit nicht beliebig ist, braucht es aus monistischer Sicht vielfältige und real gebildete Fachleute!“

    Genau. Das macht uns eine Menge Arbeit, aber nur so gehts. Wer das hier mit Verschwörungmythen einfach abkürzen will, der nähert sich tatsächlich dem Wahnsinn.

  7. Das Goddard Institute for Space Studies von der NASA stellt monatlich neue Daten zur terrestrischen Oberflächentemperaur bereit, berichtigt, bereinigt, homogenisiert auch alte Angaben zu einzelnen Monaten :

    -> https://data.giss.nasa.gov/gistemp/ (Hier auf die ‘TXT’-Datei “Klickie” machen)

    -> https://data.giss.nasa.gov/gistemp/tabledata_v4/GLB.Ts+dSST.txt (Dr. W hat dann doch bereits für die Leserin oder den Leser wie gemeint “Klickie” gemacht)

    Und Dr. Webbaer hatte dieses Datenblatt, diese Matrix seinen kleinen statistischen Untersuchungen unterworfen; es ist, Stand ca. 1. Quartal 2013, zwischen 1880 und 2013 ca. 0,8 K wärmer geworden, die wie gemeinte Trendbestimmung fiel nicht schwer.
    Mittlerweile gab es einige zusätzlich “heiße Jahre”, so dass die gesamte Erwärmung zwischen 1880 und heute bei ca. + 1 K liegen könnte,

    Insofern spricht die Datenlage nicht dafür, dass es bald “so richtig heiß” wird, auf diesem Planeten, insofern bliebe dann mehr Zeit für die Gegenmaßnahmen,
    die am besten sinnhaft gestaltet sind, nicht Ausdruck der Motivation etwas tun zu müssen, hier und jetzt, sein sollten, sondern funktionieren, greifen sollten.

    (Und die Auslagerung von Produktion in die sog. Developing Countries, die schwächere bis gar keine sogenannten Umweltauflagen kennen bzw. durchsetzen, wird, worauf auch schon zum Beispiel Hans-Werner Sinn aufmerksam gemacht hat, nicht helfen.)

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  8. @ Tobias Jeckenburger

    “Fantasien sind neben Fakten auch erlaubt, aber das sollte gründlich unterschieden werden.”

    Da bin ich bei Ihnen!

    • Ja, @Joachim Fischer – diese These Bonhoefers finde ich auch sehr gut! Allerdings habe ich als Religionswissenschaftler selbstverständlich erst einmal empirisch und deskriptiv zu arbeiten. „Antisemiten sind irgendwie romantisch, auf Quellen und Reinheit fixiert sowie dumm geworden“ reicht da nicht… 🤷‍♂️📚🌱

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