Die Alpenraum-Medienthese – KIT-Vortrag und Studienbrief

Eigentlich hätte das Wochenende ganz entspannt sein sollen. Am Freitag Vormittag wollte ich die ausgearbeitete Alpenraum-Medienthese erst meinem Medienethik-Seminar für Master am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vorstellen und danach den Studienbrief auch zur freien Verfügung einstellen. Im Laufe der nächsten Woche rechnete ich dann mit ersten Nachfragen und hoffentlich konstruktiven Debatten.

Nun, im Nachhinein ist man(n) immer schlauer: Ich hätte gewarnt sein können, dass es anders laufen könnte. Als ich auf Twitter vorab anfragte, ob denn überhaupt Interesse am Studienbrief dazu bestehen würde, bekundete eine Mehrheit von 97,7% der Antwortenden “Klar, auf den Blog damit!”

Vorab-Umfrage-Tweet zum Studienbrief zur Alpenraum-Medienthese

Ein findiger Journalist der Süddeutschen Zeitung fand die Alpenraum-Medienthese wiederum so interessant, dass am Seminarmorgen des 19.11.2021 ein größeres Interview dazu in der Printausgabe sowie hinter der Online-Paywall der SZ erschien. Und dann ging es also los: Noch während ich den Einführungsvortrag hielt, strömten interessierte Nachrichten und Anfragen aus Medien und Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit herein. Hinzu kamen Ermutigungen und auch weiterführende Hinweise. Ich versuchte mich dennoch zu konzentrieren – und auch für die nächste Woche sind bereits einige Interviews gesetzt.

Mithilfe einer engagierten Kollegin gelang es, den KIT-Seminarvortrag innerhalb eines Tages digital zu schneiden, so dass ich ihn den Studierenden und auch Ihnen bereits zur Verfügung stellen kann:

Und mit Verständnis und Unterstützung meiner Familie konnte ich nun auch den vertiefenden Studienbrief fertigstellen, ebenfalls zum kostenfreien Download hier:

KIT-Studienbrief WMK zur Alpenraum-Medienthese von Dr. Michael Blume

Obwohl die Alpenraum-Medienthese auf meinem neuen Buch “Rückzug oder Kreuzzug? Die Krise des Christentums und die Gefahr des Fundamentalismus” aufbaut, habe ich dem Klischee widerstanden, das eigene Werk zur Pflichtlektüre für die Studierenden zu machen. Doch selbstverständlich würde ich mich freuen, wenn auch weiterhin Menschen mit-lesend und mit-denkend am Abenteuer, Wissenserwerb und manchmal auch einfach der Freude an Religionswissenschaft teilhaben würden. Alleine schon über die komplexen Beziehungen zwischen alpiner Naturromantik, Lebensreform (wie etwa auf dem Monte Verita) und Esoterik (wie etwa in der Anthroposophie) ließen sich noch viele Bücher (gerne auch Ihrerseits) schreiben!

Und nun freue ich mich trotz später Stunde doch sehr auf die anrollenden Debatten der kommenden Wochen! 🙂

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

40 Kommentare

  1. @Zentrale Lage

    Interessanter Studienbrief. Als Ergänzung dazu fällt mir ein, dass die Alpenregion nicht nur gebirgig ist, sondern innerhalb der EU auch zentral gelegen ist, was sich mit der Osterweiterung der EU nochmal verstärkt hat.

    Diese zentrale Lage ist sicherlich maßgeblich wirtschaftsfreundlich. Als Produktionsstandort praktisch, weil die Wege zum Kunden kürzer sind, was für den Kundensupport ebenso vorteilhaft ist. Auch findet man in der Nachbarschaft viele Spezialisten, wenn man komplizierte Technik produzieren will, hat man auf vielerlei Gebieten kurze Wege. Das CERN z.B. ist wohl auch deswegen in Lausanne lokalisiert.

    Dieser Effekt ist insbesondere in der Nachkriegszeit erst so richtig stark geworden, weil die Verkehrswege über die Alpen von allen Seiten her mit allen Verkehrsmitteln erschlossen worden sind.

    Zuvor war die Alpenregion eher Auswanderungsgebiet, durch die Unüberwindbarkeit der Berge gar nicht wirklich zentral, sondern an den eigenen Rand gedrängt. Wenn auch von der eigenen Mitte her dann nach allen Seiten offen, was sicherlich früher die Vielfalt gefördert hat.

    Seit die Alpenregion verkehrsmäßig erschlossen ist, ist sie ja auch promt zu einem Einwanderungsgebiet geworden. Ob in Deutschland, Frankreich oder Italien, die an die Alpen grenzenden Regionen sind wirtschaftlich top, und damit auch ein Magnet für Arbeitssuchende.

    In der Schweiz führte das schon zu einem Wohnraummangel, dass dort per Volksabstimmung gegen weiteren Zuzug aus der EU abgestimmt wurde.

    Ich kann mir vorstellen, dass dieser Zuzug dann eben echte Konflikte mit sich bringt. Auch in süddeutschen Städten sind die Mieten sehr hoch. Das ist super für Immobilienvermieter, für Arbeitgeber und auch hochqualifizierten Arbeitnehmern geht es da gut. Wer aber weniger qualifiziert ist, der hat es schwer. Das mag eine gewisse Fremdenfeindlichkeit genauso fördern wie eine Willkommenskultur, je nach dem, ob man hier eher leidet oder eben super dran verdient.

  2. Eine Info zur Ergänzung:

    Ausgerechnet die meisten Gebiete Ostbayerns mit den höchsten Covid-Ansteckungsraten gehören zum Informationsbereich der Passauer Neue Presse.

    Zufall, oder nicht?

    • Tatsächlich ließe sich ggf. prüfen, ob es Unterschiede in der Berichterstattung gab, @KRichard – und ob diese auch bereits auf Kundenerwartungen reagierte. Noch nie gab es zu einer Pandemie so viele Daten wie heute…

      • Schauen Sie sich auf der Spektrum-Karte die violetten Flächen der Landkreise mit den höchsten Ansteckungszahlen in Ostbayern an – dann werden Sie sehen, dass dies sehr gut mit dem Verbreitungsbegiet der PNP zusammenfällt.

        Die Zeitungen der PNP hatten immer schon den Ruf, dass ihre Druckfarben mit Weihwasser angemischt werden.

        • Wissenschaft vermag das Wahrnehmen zu erweitern, das durch starre Feindbilder vorschnell geschlossen wird, @KRichard.

          Die niedrigeren Impfquoten unter baden-württembergischen Esoteriker:innen sowie Menschen in Sachsen, Rumänien und Südtirol lassen sich nicht mit einer Zeitung erklären. Und auch diese könnte ggf. bereits auf Erwartungen vieler Leser:innen reagiert haben. Empfehle mehr Empirie & weniger „Blame Game“. 💁‍♂️📰🤔

        • @Blume
          1) Mein Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang zwischen sehr hohen Inzindenzwerten und verfügbaren Zeitungquellen ist keine Erklärung eines Phänomens. Man kann die Fakten nachprüfen – denn sowohl die Inzidenzwerte wie auch die Zeitungsnamen der Landkreise sind bekannt.
          Man sollte solchen Auffälligkeiten nachgehen – denn es geht um Menschenleben und das Schicksal von den Familien erkrankter Personen.

          2) Dass Sie mir ausgerechnet zu weniger ´Blame Game´ raten, zeigt dass Ihnen Geschichte/Ansehen der PNP (Passauer Neure Presse) nicht sehr gut bekannt ist. Mit folgendem Link können Sie sich informieren

          https://ScharfrichterHaus.de/Geschichte

          off topic: 3) Auch wenn dies scheinbar nichts mit dem Thema zu tun hat, sollten Sie sich auch noch mit der Geschichte der ´Deggendorfer Gnad´ beschäftigen – dies war einer der größten antijüdischen Wallfahrtorte in Ostbayern

          • Genau so ist es, @KRichard. Und der – bis in die Symbolik esoterische & verschwörungsmythologische – Faschismus entstand nicht zufällig im Alpenraum. Wagen Sie es, hinter der Sammlung vieler Einzelbeobachtungen nach den tieferen, auch geografischen Zusammenhängen zu schauen.

            Genau darum geht es hier, etwa im Studienbrief und/oder Vortrag.

    • Eine christlich-konservative Haltung ist zu befürworten; aber ein bibeltreuer christlicher Fundamentalismus ist abzulehnen. Nötig ist ein mystisches Christentum. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).

  3. Was ist das verbindende Element dieser doch so vielfältigen Strömungen:Glaube.
    Ist der Glaube im Alpenraum (noch) stärker als Wissen(schaft)?.
    Volker Gerhardt hat interessante Gedanken zur Wechselwirkung von Wissen und Glauben.

    • Das verbindende Element ist die Betonung sprachlicher Medien (Hören, Raunen) gegenüber textlichen Vor-Schriften (Studien, Gesetze, „offene Gesellschaft“). Mit der ohnehin allzu groben Kategorie „Glauben“ lässt sich die überwiegend links-esoterische, oft anthroposophische Querdenken-Bewegung in BW, streng katholisch Staats-Skepsis etwa in der Schweiz und Südtirol und der meist säkulare Post-Kommunismus etwa in Bulgarien nicht auf einen Nenner bringen.

      Ideengeschichte ohne Mediengeschichte erklärt immer weniger, @Mussi.

  4. Hat da jemand zu viele schlechte Heimatfilme angeschaut? Aus den ehemaligen „Hinterwäldler-Regionen“ sind doch schon längst angesagte Tourismus-Regionen geworden, mit Ferienwohnungen und Hotels so weit das Auge reicht. Zudem kann man sich auch dort aus Zeitungen, Fernseher und dem Internet informieren. Aus diesem Grund hat mich die „Alpenraum-Medienthese“ etwas verblüfft. Das Ganze kommt mir vor wie aus der Zeit gefallen, gespickt mit Vorurteilen und teilweise unabhängig von den tatsächlichen geschichtlichen Gegebenheiten. Zudem leben im Alpenraum viele unterschiedliche Völker und man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Aufgrund der geografischen Gegebenheiten gibt es allerdings auch Gemeinsamkeiten. So hätte man sich bezüglich der Corona-Impfungen mal anschauen können, wie schlecht der Nahverkehr im „Alpenraum“ funktioniert und wie rar die Hausärzte dort sind (von Fachärzten ganz zu schweigen), da ist es dann auch kein Wunder, wenn mancher etwas länger auf einen Impftermin warten muss. Anstatt auf Versäumnisse der Politik hinzuweisen, wird die „Schuld“ nun ins Private verlagert. Aber hier geht es ja offensichtlich weniger um Fakten, als vielmehr darum, wie man viele verschiedene Ursachen in eine „Medienthese“ quetschen kann, die dann wiederum die Sensationslust der Medien füttert.

    Interessant finde ich auch, wie so ein Artikel mache Kommentatoren dazu veranlasst eigene Vorurteile zum Besten zu geben. So schreibt beispielsweise @KRichard: „Die Zeitungen der PNP hatten immer schon den Ruf, dass ihre Druckfarben mit Weihwasser angemischt werden.“ Das soll wohl eine Anspielung auf den katholischen Zeitungsgründer Hans Kapfinger sein, der aber bereits vor mehr als fünfunddreißig Jahren verstorben ist. Ich sehe deshalb keinen Zusammenhang zwischen den Expansionsbestrebungen der Verlagsgruppe Passau und irgendeiner Nähe zur Kirche. Es geht da wohl eher ums Geschäft: https://www.sueddeutsche.de/medien/portraet-tucci-diekmann-pnp-mittelbayerische-zeitung-1.5380898

    • Ja, @Mona – es geht genau darum, hinter die Vorurteile und Klischees über vermeintliche „Hinterwäldler“, Alpen-Esoteriker:innen und Lebensreformer zu kommen und die Medien-Dynamiken wie auch berechtigte Kritikpunkte dahinter zu verstehen. Wieviel einfacher ist es, Phänomene zu isolieren und exklusiv über italienische oder österreichische Faschisten, die NSDAP, das esoterische Hakenkreuz, Obersalzberg, Monte Veritas, die Anthroposophie, das Bürgertum, die Kirchen, die Stuttgarter Querdenker, die Schweizer Freiheitstrychler, diese oder jene Zeitung… zu sprechen. Warum Wissenschaft, wenn es auch Klischees und einfache Feindbilder tun?

      Genau deswegen ist es gerade keine verkürzte „Alpen-These“, sondern eine sorgfältig ausgearbeitete und empirisch begründete Alpenraum-Medienthese.

      Und, ja, leider schießen manche gleich wieder mit (oft bösartigen) Vermutungen aus der Hüfte, bevor sie sich die Mühe des Lesens & Durchdenkens überhaupt gemacht haben.

      Schade, in der Tat…

    • @Mona
      Mein Hinweis ist keineswegs polemisch gemeint.
      Ich empfehle Ihnen den Link zum Scharfrichterhaus in Passau durchzulesen.
      Dann verstehen Sie mehr über die Rolle und den Ruf der PNP
      Dieser Kampf gegen CSU+PNP+Kirche ist mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der bayerischen Kulturgeschichte

      https://scharfrichterhaus.de/geschichte

      @all
      Die 3sat-Sendung Kulturzeit bringt eine Serie über die Geschichte der Impfgegnerschaft. Gestern (23.11.2021) gab es einen interessanten Bericht über den Freiheitskampf der Tiroler gegen Bayern und Franzosen – wobei geplante Pockenimpfungen politisch instrumentalisiert wurden

      • @KRichard

        „…Bericht über den Freiheitskampf der Tiroler gegen Bayern und Franzosen – wobei geplante Pockenimpfungen politisch instrumentalisiert wurden“

        Es waren doch die Bayern, die eine Impfpflicht gegen die Pocken einführten. Insofern verstehe ich nicht recht, was das mit der heutigen Politik der PNP zu tun haben soll.

        Die Geschichte des Scharfrichterhauses war mir schon bekannt. Leider missbrauchen oft auch andere Medien ihr Monopol kritische Meinungen zu ignorieren oder gar zu unterdrücken, die ihnen nicht ins Bild passen. Schlimmer finde ich allerdings den Umgang mir den Beschäftigten der Zeitungen, die die PNP aufkaufte. Vom Verlust der Meinungsvielfalt ganz zu schweigen. Trotz allem ist mir eine Impfgegnerschaft von „CSU+PNP+Kirche“ nicht bekannt. Hohe Inzidenzwerte gibt es ja im gesamten Osten Deutschlands sowie in den Nachbarländern Polen, Tschechien und Österreich. Letzteres Land verfügt über eine über 800 km lange Grenze zu Deutschland und die Inzidenzen sind dort um ein vielfaches höher. Eine Einflussnahme deutscher Zeitungen kann man von daher wohl ausschließen.

        • @Mona
          Wenn Muster beobachtbar sind, dann ist dies ein interessanter Hinweis, dass sich dahinter eine Struktur, ein bestimmter Effekt verbergen könnte.
          ´Könnte´ – bedeutet dass es diese Möglichkeit gibt. Ob das Muster wirklich eine Aussage zulässt, müsste man aber prüfen.

          In Ostbayern gibt es eben dieses Muster, dass ausgerechnet in Landkreisen wo Zeitungen der PNP-Gruppe verfügbar sind – deutlich höhere Inzidenzwerte erkennbar sind, als in Nachbarlandkreisen wo es Zeitungen anderer Verlage gibt..

          Der menschliche Respekt für an Corona-Erkrankten und auch für das medizinischen Personal welche damit extrem gefordert ist – gebietet es, solchen auffälligen Mustern nachzugehen. Denn man sollte versuchen, dass man möglichst vielen Menschen das Leid einer Erkrankung erspart.
          Wenn es – nach Prüfung – tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Inzidenzwert und Zeitungsverlagen gibt – sollte dies ein Anlass sein, dort die Informationsstrategie zu ändern.

          Eine Impfgegnerschaft von CSU+PNP+Kirche habe ich weder behauptet noch angedeutet – sondern nur begründet, dass es für den Ruf der PNP konkrete Gründe gibt. Der öffentliche Protest der Leute vom Scharfrichterhaus gegen die Strukturen des Machtmissbrauchs von Politik, Presse und Kirche – war ein wichtiger Meilenstein in der bayerischen Geschichte. Wir haben es solchen Leuten zu verdanken, dass z.B. die sexuellen Vergehen von Priestern und Ordensleuten gegen wehrlose Kleinkinder heute nicht mehr akzeptiert/vertuscht werden.

          Durch die Überschrift @Mona / @all habe ich klar gemacht, dass beide Beiträge separat zu betrachten sind. Weil aber die politische Instrumentalisierung von Impfgegnerschaft, wie sie beim tiroler Freiheitskampf erfolgte, gut zum Blogbeitrag/Studienbrie von @Blume passt – habe ich auf diesen Kulurzeit-Beitrag aufmerksam gemacht.

  5. @Mona:;
    Warum anfangs der Pandemie Italien im besonderen Maße betroffen war wurde recht schnell durch eine Studie festgestellt. Warum hingegen die Fallzahlen in Japan recht niedrig waren hingegen nicht. Stattdessen wurde Letzteres recht schnell und in viraler Marnier auf die vermeintlich geringen Testquote zurückgeführt.

    Dass das Eine wie das Andere auf ein und dieselbe Ursache zurückzuführen ist – nämlich den soziokulturellen Umgang – wurde lediglich für Italien bestätigt. Sofern man die Vorteile einer globalisierten Welt – erst recht in Verbindung mit den Möglichkeiten der vorherrschenden Digitalisierung – genutzt hätte wäre es niemals zu dieser Todesrate gekommen. Weder das Konzept der Globalisierung noch der Digitalisierung ist per se schlecht.

    Obwohl die chinesische Regierung – lange bevor in Europa der erste Coronafall auftrat – Tierfarmen insbesondere im Süden und Südwesten China schließen ließ und bereits damals vermutete, Tiere aus diesen Tierfarmen würden vom Virus als Brückenvektoren benutzt wurde im Westen u. a. die “Laborthese” verbreitet und vordringlich sowie “lautstark” ein Schuldiger gesucht.

    Worauf ich mit beiden Beispielen hinaus will:
    Ja, es gibt die Möglichkeit sich zu informieren. Es wäre schön, wenn allen Menschen die “richtigen” Informationen zu selben Zeit vorlägen und alle Menschen im gleichen Maße imstande wären, alle Informationen in der gleichen Weise zu verarbeiten.

    Die Realität ist aber eine ganz andere. Warum wurden insbesondere Sozialen Medien aufgetragen, Fake-News zu überprüfen resp. zu “kennzeichnen”? Warum ist dies überhaupt notwendig und warum darf jemand darüber bestimmen?

    Über Michael Blumes sehr interessante These sollte diskutiert, sie selbst falsifiziert oder verifiziert werden. Auch ich habe gewisse Zweifel an der einen oder anderen Stelle, bspw. dass seine These kein Determinismus enthalte ergo die “Poppersche Abneigung gegenüber Historizismus” erfülle.

    Andererseits kann ich aus eigenen Erfahrungen seine These
    nachvollziehen bspw. am friaulschen Traditionalismus. Das Friaul (Friaul Julisch-Venetien) geniesst – wie Bayern – im Landesverband besondere Privilegien und einen Sonderstatus, hat mitunter die tiefste Impfquote (obschon sie in Italien mit 90% sehr hoch ist; mit Udine und Triest zwei sehr prominente Bildungseinrichtungen besitzt, mit Carlo Rubbia einen Physiker von Weltruf).

    Der Friaulsche Traditionalismus ist mitunter sehr stark an das “Friulano” gekoppelt, einer “außerordentlichen Abart” des Italienischen, das noch nicht einmal allen Italienern geläufig ist. Dennoch präsentiert sich das Friaul überaus
    gastfreundlich, ist – wie Sie beschrieben – voll auf Tourismus eingestellt. Weltoffenheit und Traditionalismus schließen sich nicht aus.

    Um mit den Worten eines der größten und weisesten Denker abzuschließen und weil sie sehr gut zum Thema passen:

    “Du kennst mich doch, ich hab’ nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden da sind nicht von hier!”

    • Vielen Dank, @Martin Schmidt.

      Tatsächlich waren es gerade auch die auffällig niedrigen Impfquoten aus dem italienischen Alpenraum, die mich dazu bewogen, über Einzelbeobachtungen hinauszugehen und nach tieferen, medialen Faktoren zu suchen.

      Hier ganz aktuelle Daten und Fakten aus Südtirol:
      https://www.tageszeitung.it/2021/11/15/operation-2g/

      Heute Nachmittag sprach ich auch bei Vorarlberg Live und hoffe, dass der konstruktive Dialog mit dem Moderator online verfügbar sein wird.

    • @Martin Schmidt

      Ich will hier keinem zu nahe treten, weil jeder das Recht haben sollte seine Meinung zu sagen. Auch kann ich noch verstehen, wenn man sich von militanten Impfgegnern distanziert. Allerdings finde ich es höchst problematisch, dass nun Leute in abgelegenen Alpentälern an den Pranger gestellt werden, so nach dem Motto: Ich habe ja schon immer gewusst, dass die Leute dort hinterwäldlerisch, latent fremdenfeindlich und dem Faschismus zugeneigt sind.
      Das erinnert doch stark an das Evangelium nach Lukas, wo einige von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten. Zitat: “Der Pharisäer stand und betete also bei sich: ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie die anderen Menschen, Räuber, Übeltäter, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner.“ (Lukas 18,11)
      Geht man ein paar Jahrzehnte zurück, dann wussten einige in Deutschland auch schon immer, dass beispielsweise Juden oder Sinti und Roma nie so richtig zum Volk dazugehörten. Ständig wurde nach Unterschieden gesucht, um Ausgrenzungen oder Schlimmeres zu rechtfertigen. Wenn wir Glück haben wird Corona eines Tages wieder verschwinden, aber die Vorurteile werden bleiben und die Gesellschaft weiter spalten.

      • Leider argumentieren Sie auch selbst mit den Klischees und Vorwürfen, die Sie anderen vorwerfen, liebe @Mona.

        Die Medienthese prangert niemanden an, sondern erkundet die Ambivalenz von Freiheitsvorstellungen. Ganz abgesehen davon, dass ich selbst stolz & glücklich zum EUSALP-Alpenraum zähle, finden sich weder in meinen Texten noch Ausführungen entsprechende Pauschalisierungen.

        Hier zum Beispiel der Dialog zum Thema mit dem Fernsehsender Vorarlberg live:
        https://www.vol.at/warum-uns-die-alpen-zu-impfskeptikern-machen/7206323

        Ich darf einfach nur darum bitten, auch selbst so fair zu differenzieren, wie das von Dritten zu Recht eingefordert wird.

          • Liebe @Mona,

            nein, ich suchte keine „Schuldigen“, sondern eine empirisch überprüfbare Erklärung für die auffällig niedrigen Impfquoten und auch die auffällige Geschichte der Verschwörungsmythen und des Antisemitismus. Dabei zeigte sich auch empirisch, dass der EUSALP-Alpenraum auch eine besonders alte und starke Tradition des Föderalismus & Liberalismus entwickelt hatte – womit sich auch spannende Fragen nach dem italienischen Armeegeneral beantworten lassen. Hinzu kommt: Auch in Italien eskalierte die aktuelle Pandemie sowohl in Bergamo wie nun in Südtirol jeweils im Alpenraum. In den gleichen Regionen gab es auch historische Aufstände schon gegen die Kuhpocken-Impfungen (übrigens auch die sog. Salpeterer-Aufstände in BW).

            Schuld ist eine klar individuelle Kategorie und die große Mehrheit der Alpenraum-Bürger:innen hat sich längst für eine Impfung entschieden. Es ist zugleich Aufgabe der Wissenschaft, beobachtbare, regionale Unterschiede zu erklären – gerade auch um Klischees und Pauschalurteile zu vermeiden.

            Der kritisch-konstruktiven Überprüfung dienen auch die hier kostenfrei zur Verfügung gestellten Ressourcen.

            Vielen Dank.

  6. Danke für diese spannende Zusammenfassung und Erläuterung. Ich wünsche aufgeschlossene und kritische Studierende für Ihr Blockseminar.
    Eine Anmerkung jedoch, Sie meinen sicherlich die Klarissen des Nonnenklosters in Ulm-Söflingen. Söfringen gabs in und um Ulm nicht, sondern eher in der Region Fribourg/Schweiz wenn Google hier Richtiges ausspuckt.

    • Vielen Dank für die konstruktive Rückmeldung, @Gerlinde! Und Sie haben Recht: Es ging um die Klarissen des Klosters von Ulm-Söflingen. Da hätte ein „l“ statt einem „r“ stehen sollen.

  7. @Schmidt
    Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, sich zu informieren, haben Sie ein Problem angesprochen – wieso Impfgegnerschaft entstehen kann:

    Die Art und Weise wie die STIKO und das Paul Ehrlich Institut über Corona-Impfstoffe und deren Nebenwirkungen informierten – ist für viele Leute mmer noch ein Grund, sich nicht impfen zu lassen. Diese Leute haben zwar wissenschaftlich korrekt informiert – aber bei vielen Menschen ist nur die subjektive Botschaft angekommen: Impfen = daran kann man sterben, nicht impfen = keine Lebensgefahr.
    Dies ist ein massives Problem von fehlerhafter Wissenschaftskommunikation.

    Viel besser wäre es gewesen, wenn man im Vergleich dargestellt hätte, was es bedeutet wenn eine gleich große Anzahl von ungeimpften und von geimpften Menschen mit dem Virus in Kontakt kommt (Erkrankungen, Long-Covid/Arbeitsunfähigkeit, Todesfälle). Dann wäre deutlich verständlich geworden, welche Vorteile das Impfen hat und dass die Impfnebenwirkungen in diesem Rahmen keine wirkliche Bedeutung haben.

    Leider ist es so, dass weder Politik noch Wissenschaft sich bisher ernsthaft bemühen, die durch STIKO und Paul Ehrlich Institut erzeugten Verständnisfehler zu korrigieren.
    Meiner Meinung wäre es besser, wenn man sachlich mit Argumenten für das Impfen wirbt – statt mit Zwangsmaßnahmen zu drohen (2G, Pflichtimpfung). Die Bevölkerung würde sich wohler fühlen, wenn man erkennt, dass man ernst genommen wird.

    Aktuelles Beispiel:
    Die Europäische Behörde (EMA) will jetzt das Impfen für Kinder ab 5 Jahre frei geben. Die STIKO will aber este in den nächsten Wochen prüfen, ob man sich dieser Empfehlung anschließt. Über dieses Verhalten der STIKO kann man nur noch den Kopf schütteln: a) warum hat man nicht parallel zur EMA die vorliegenden Daten geprüft? b) ist die EMA so unglaubwürdig, dass man 5 Wochen braucht, um deren Daten nach zu prüfen? – bzw. c) ist für die STIKO der langsamste Dienstweg wichtiger als die Gesundheit der Bevölkerung?

  8. @Schmidt: noch ein Beispiel zum Thema Information

    Anzeigen von Landes-/Bundes-Regierung zum Thema Corona werden in Tageszeitungen geschaltet. Weil aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ein Zeitungs-Abo hat, erreicht man damit nur wenig Leute – die aber durch die Zeitung bereits sowieso gut informiert sind.
    D.h. der Effekt von solchen Anzeigen ist eigentlich nur: Geldverschwendung von Steuergeldern

    Solche Anzeigen sollte man daher besser in den Werbezeitungen schalten, die am Wochenende kostenlos an ALLE Haushalte verteilt werden. Damit hat man zumindest die Chance auch solche Leute anzusprechen, die keine Tageszeitung lesen.

    • @KRichard
      Sie haben mit wenigen Beispielen und Sätzen einige Kernprobleme des deutschen Umgangs mit Corona trefflich illustriert. Hinzu kommt, dass man es “totsträflich” versäumte, die Möglichkeiten und den eigentlichen Zweck einer digitalisierten Globalisierung verstehen und entsprechend nutzen zu wollen.

      Boris Palmer war und ist einer der wenigen, die Mut, Entschlossenheit und Intelligenz haben spüren und walten lassen. In summsa würde ich behaupten, dass aufgrund Corona deutsche Autoritäten – seien es politische oder wissenschaftliche massiv an Sympathien und Überzeugungskraft verloren haben. Und dies zu Recht.

      Allerdings habe ich auch erlebt, dass Ärzte- und Pflegepersonal ihren Berufsständen durch ihren unermüdlichen und selbstverständlichen Einsatz, ihrer geradezu altruistisch-verständnisvollen Menschlichkeit eine Würde verliehen, die einzigartig und bewunderswert ist, uns allen aufzeigen sollte was letztlich entscheidend ist, worauf wir uns besinnen und wonach wir alle selbst streben sollten.

      Dies hat insofern mit Michael Blumes eigentlichem Thema – eine sehr schöne These, wie ich finde, seine Darstellung auf Youtube war wirklich überaus unterhaltsam – da durch Dualismus und Monismus bedingte Verhaltensweise sich nicht allein auf Menschen beschränken, die dem EUSALP-Alpenraum zugehörig sind. Vielleicht wird daher die Art und Wirkung des “Widerstandes” eine andere sein, als die jener EUSALP-Alpenraum-Bewohner.

      Über die Art der Wissenschaftskommunikation: Obschon Michael Blumes Vortrag/These in keiner Weise mit einer Herabsetzung der EUSALP-Alpenraum Bewohner einhergeht ist eine Implizierung dessen durchaus wahrscheinlich (siehe Reaktion von Mona). Erst recht, da Michael Blumes These einen wissenschaftlichen Rahmen und Hintergrund hat, die These von Mona allerdings “im populistischen Sinne” aufgefasst und verstanden wurde. Darf man Michael Blumes These nur wissenschaftlich auffassen, da es ein Wissenschaftsblog ist? Oder sollten Menschen mit weniger wissenschaftlichem Hintergrund das Blog meiden, da “Verständnis- und Verständigungsprobleme” vorprogrammiert sind? So oder so würden Ressentiments gegenüber Wissenschaft zunehmen.

      Einerseits finde ich Michael Blumes These faszinierend. Andererseits habe ich Verständnis für Mona.

      • @Schmidt
        Wenn (wie mit der Alpenraumtheorie) mögliche Ursachen von Problemen angesprochen werden, dann ist dies zu begrüßen – da man damit einen Ansatz hat um Vorurteile zu diskutierun und zu überwinden.

        Denn wenn in vielen Diskussionen immer nur noch hauptsächlich die Gefahr von Impfungen diskutiert wird, statt die Auswirkungen einer Erkrankung – dann ist in der Wissenschaftskommunikation etwas gründlich falsch gelaufen.

        (Ein aktuelles Beispiel: Bisher wurde immer verkündet, dass Corona für Kinder harmlos ist und Impfungen deshalb überflüssig sind. Jetzt gibt es aber Hinweise, dass eine neue Virusvariante weniger harmlos für die kindliche Gesundheit ist.)

        • Vielen Dank und ja, @KRichard: Ein Pandemiegeschehen betrifft ja die gesamte Gesellschaft und müsste also interdisziplinär erforscht und diskutiert werden. Allerdings sind auch wir Wissenschaftler:innen natürlich mit-betroffen und auch oft bis über die Belastungsgrenzen gefordert. Ich werde auch nicht mehr soviel bloggen können wie in „ruhigeren Zeiten“.

      • @Martin Schmidt

        Sind Sie Student bei Herrn Blume? Dass meine Kritik nicht nur Freude auslöst, war mir schon vorher klar. Zumal ich auch den „wissenschaftlichen Rahmen“ der Alpenraum-Medienthese kritisierte, weil beispielsweise einige geschichtliche Gegebenheiten verkürzt oder falsch dargestellt wurden. Aber Herr Blume ist ja Religionswissenschaftler und kein Historiker, darum muss man wohl darüber hinwegsehen.
        Bezüglich der „populistischen“ Verständnisprobleme muss ich nochmal die Zeit des Nationalsozialismus ins Feld führen. Auch hier gab es Wissenschaftler, vornehmlich Ärzte, die Juden und andere aufgrund ihrer physiognomischen Merkmale als „minderwertig“ einstuften. Was das beim einfachen Volk auslöste, weiß man ja inzwischen. Ich will Herrn Blume natürlich keine schlechten Absichten unterstellen, zumal ich schon seit sehr vielen Jahren seine oft sehr guten Artikel hier mitlese und kommentiere. Allerdings habe ich aus aktuellem Anlass auch die Presseartikel zu seiner These gelesen und da wurde häufig „Cherry Picking“ betrieben, weil sie ja eine breite Leserschaft ansprechen sollen. Besonders interessant finde ich dabei, dass Querdenker, Reichsbürger und Anhänger der AFD nun vorzugsweise in Süddeutschland verortet werden, obwohl diese bislang eher ein Phänomen in den neuen Bundesländern waren, die bei den niedrigen Impfquoten in Deutschland immer noch vorne liegen. Aber Sensationen verkaufen sich nun mal besser, als trockene Wahrheiten. Und sollten einige Leute solche Artikel nun „im populistischen Sinne” auffassen, dann werden sie halt nicht in der Lage sein „wissenschaftlich“ zu denken. 😉

        • Nein, @Mona, das ist einfach unwahr: Auch im Studienbrief ist zu lesen, dass die Aussagen zum Alpenraum eine regionale Konkretion einer Gebirgsregionen-Hypothese darstellen – und schon im Interview mit der Süddeutschen Zeitung betonte ich ausdrücklich, dass auch z.B. das Böhmische Massiv inklusive Erzgebirge und also z.B. Sachsen erfasst seien. Auch im Einführungsvortrag erklärte ich das den Studiereden. Merke: Jede empirische These wird durch weitere Überprüfungen falsifiziert oder stärker. Eine Nur-Alpenraum-These hat es hier klarerweise nie gegeben…

          Ich bedauere es sehr, dass Sie selbst nicht nur erhebliche Zeit beanspruchen, sondern aus dem Schutz der – gerne gewährten – Anonymität heraus Unwahrheiten verbreiten und „Cherry Picking“ betreiben.

          Ihre letzten Kommentare sind ein leider eindrucksvolles Beispiel dafür, warum es Wissenschaftskommunikation auch im deutschen Sprachraum oft so schwer hat. Ich rufe Sie auf, sich entweder ernsthaft mit den Thesen zu befassen, die Sie „kritisieren“, oder wenigstens nicht anderen die Zeit zu stehlen. Irgendwann ist auch mal gut…

  9. @Gegendarstellungen gegen Fakenews

    Verschwörungsmythen und Echokammern im Netz leben von Lügen und Falschmeldungen. Das haben wir hier ja schon reichlich bedauert. Fragt sich, was machen wir dagegen?

    In China soll es die Regel geben, dass man sich strafbar macht, wenn man Unwahrheiten verbreitet, und dabei mehr als 1000 Leser hat. Hört sich eigentlich so schlecht nicht an, fragt sich jetzt nur, wer festlegt, was Wahrheit und Unwahrheit ist.

    In den alten Printmedien gibt es ja noch die Möglichkeit, dass man eine Gegendarstellung anstrengen kann, die dann in der nächsten Ausgabe abdruckt werden muss, ohne dass hier der Sachverhalt allgemeinverbindlich festgestellt werden muss.

    Diese Idee ist vielleicht ausbaubar. Wenn etwa die Klimaforschung Experten damit beauftragen könnte, sich um Fakenews im Internet zu kümmern, könnte man die Webseitenbetreiber und Plattformen dazu verdonnern, Kommentare dieser Experten den dort aufgefundenen Falschaussagen hinzuzufügen.

    Wir brauchen hier eben keinen, der wirklich die Wahrheit feststellen muss, es stünden dann eben neben der zweifelhaften Aussage der Kommentar des Experten, und nur eben als fachlicher Kommentar mit entsprechend auch fachlichen Belegen.

    Hier bleibt es dem Leser vorbehalten, wie er das jetzt selber wieder verarbeitet.

    So ein Verfahren würde wohl eine Menge Arbeit machen, aber die könnte sich tatsächlich lohnen. Man müsste eben einfach mal Experten aller Art verbindlich als Kommentatoren zulassen und finanzieren, und die könnten sich dann im Netz selber auf die Suche nach Unfug machen, und hier zeitnah Richtigstellungen gut sichtbar neben die Ursprungsmeldungen stellen.

    Vielleicht ist es ja sogar möglich, die Browser so zu erweitern, dass eventuelle Gegendarstellungen vom Browser direkt zugeordnet werden können, ohne dass die Webseitenbetreiber sich hier erst bemühen müssen, die entsprechenden Expertenkommentare neben den zweifelhaften Aussagen zu platzieren.

    Bis dahin könnte man zunächst die Betreiber der „sozialen“ Netzwerke dazu verpflichten, den offiziellen Kommentarexperten einen direkten Zugang einzurichten, dass sie einfach selber ihre Kommentare da einstellen können, und das unverzüglich. Wer hier selber wieder Mist macht, dem kann man auch die Expertenzulassung wieder entziehen.

  10. Die Gebirgsregionen als mythischer Zufluchtsort wären aus meiner Sicht ein artverwandtes und ebenfalls lohnendes Thema.
    Ein Beispiel: Hinter der ungeheuren Popularität der auf die Gebirgsregionen bezogenen Volksmusik nach dem Zweiten Weltkrieg steckte möglicherweise mehr als nur die Sehnsucht nach “heiler Welt”. Haben sich hier die nach wie vor überaus lebendigen Mythen aus der NS-Zeit einfach auch ein harmloses, weniger toxisches Ventil gesucht?

  11. Auf S. 15 zitieren Sie Isaiah Berlins Vortrag und seine These mit der Kleinstaaterei Deutschlands und dem Hang des Bürgertums zur Naturromantik. Das erschließt sich mir nicht. Wo kann ich dazu Aufhellendes lesen? Ich habe vor einiger Zeit über die Romantisierung der Natur, des bäuerlichen Lebens usw. gehört, dass dies auch und gerade vom Adel ausging. Erinnert sei hier an Marie Antoinettes Hameau de la Reine oder auch an die Wittelsbacher, z.B. Herzog Max in Bayern, den Vater von Kaiserin Elisabeth (Sisi), der vor allem Lieder etc. der bäuerlichen Bevölkerung sammelte.

    Sie verweisen auf Hitler’s “Mein Kampf” und nehmen offenbar für bare Münze, was er zum Beispiel hinsichtlich der Kornblume geschrieben hat. Ich habe von verschiedenen Experten gehört, dass die Lebensbeschreibung Hitlers mehr im Bereich der Phantasie anzusiedeln sei.

    Zum Thema Faschismus hat Prof. Dr. Andreas Wirsching im letzten Jahr einen sehr interessanten Vortrag bei der Stiftung Theodor-Heuss-Haus in Stuttgart gehalten, der auch auf YouTube verfügbar ist.

    Friedrich Schiller und der NS. Es gibt einen Schiller-Film von 1939. Friedrich Schiller – Der Triumph eines Genies. Prominent besetzt u.a. mit Heinrich George und Lil Dagover. Freiheitskampf Schillers und Nationalsozialismus schließt sich eigentlich auch aus. Im übrigen wurde seine Ode an die Freude auch von seinem Freund Johann Rudolf Zumsteeg vertont. Bei einer Veranstaltung im DLA Marbach im letzten Jahr gesungen vom Kammerchor Stuttgart, Ltg. Frieder Bernius.

    Der Pietismus hat übrigens verschiedene Ausprägungen. Nach meiner Meinung handelt es sich bei dem Hahn’schen (“Stund”) um eine zutiefst lebensfeindliche Form, die sich sehr stark an dem ausrichtet, was nach dem Tod kommt. Andererseits gibt es eine bekannte Tübinger Familie, die wertvolle Beiträge zur Kultur Württembergs geleistet hat.

    Ein Vortrag von Ihnen, den ich sicherlich noch einmal lesen werde.

    • @Marie H.

      Ich verwies hierbei bewusst auf das sehr lesenswerte „Roots of Romanticism“ von Isaiah Berlin, das inzwischen auch wieder digital zugänglich gemacht wurde:

      https://m.youtube.com/watch?v=xk2UetWsO-M

      Berlin wirft die dualistischen Tendenzen der deutschen Romantik nicht dem Bürgertum vor, sondern dessen Zersplitterung in zahlreiche Klein-Fürstentümer. Insofern kommt das Ihrer Wahrnehmung entgegen.

      Aber bitte haben Sie Verständnis, dass ich aus Zeitgründen zu Themen wie Hitler – Austrofaschismus über den Reader hinaus etwa auf „Warum der Antisemitismus uns alle bedroht“ verweisen muss. Ich verschenke gerne viel Zeit, kann aber Einzelseminare beim besten Willen nicht leisten.

      Ihnen Dank für das Interesse und herzliche Grüße! 🖖

      • Danke für Ihre Antwort. Sorry, dass ich offenbar missverständlich war. Selbstverständlich will ich Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Danke für die Literaturhinweise.

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