Keine Freiheit ohne Verzicht – Familie, Elektromobilität, Pflanzenkost, Lesezeit, Philosophie, Solarpunk

Als uns Zehra und ich vor über einem Vierteljahrhundert das Ja-Wort gaben, gab es viel Ermutigung, aber auch viel Unverständnis: Wie wir denn nur so früh auf “das Ausprobieren verzichten” könnten?

Für uns aber war es gerade auch ein Ausdruck auf Freiheit, uns “füreinander” entscheiden zu können. Treue und Kinder funktionieren – so meinen wir auch als inzwischen 3fache Eltern heute noch – nicht “auf Probe”. Ich hätte sogar in Uniform heiraten können, denn ich hatte meinen Wehrdienst bei der Bundeswehr freiwillig verlängert und war noch Soldat: Für die Republik, für die Freiheit.

Ist ein Ja-Wort “nur Verzicht” – oder auch ein Ausdruck von Freiheit? Grafik 2022: Zehra Blume

Das gleiche Missverständnis vom Verzicht erlebte ich dann 2017 zur Elektromobilität mit dem Kauf eines Elektroautos wieder. Ob die geringere Reichweite, der Platz, die Batterie nicht ein Verlust gegenüber einem etablierten Verbrennungsmotor wären?

Nun, sechs Jahre später kann ich sagen: Der mit nahezu 100% Solarstrom geladene Renault Zoe macht weiterhin so viel Freude und spart so viel Geld, Öl und Reparaturen ein, dass auch Zehra und mehrere Menschen in unserer Umgebung inzwischen auf Elektroautos umgestiegen sind. Die Batterie ist noch genauso fit wie am ersten Tag und ich freue mich, irgendwann in den nächsten Jahren auf ein neues Modell mit noch besserer Technologie und Ressourcen-Recycling umzusteigen. Jeder Verbrenner hätte mich und uns mehr Freiheit gekostet.

Fahrfreude und Freiheit auch nach sechs Jahren – ein Elektroauto ist weit mehr als “Verzicht auf Verbrennungsmotor”. Foto: Michael Blume

Verzockt haben sich doch vor allem diejenigen, die sich von deutsch-fossilisierten Automobilherstellern Abgas-Betrug statt Innovation andrehen ließen. Nun versuchen gutbezahlte und auf kurzfristige Boni starrende Konzernmanager wieder verzweifelt den Rückstand gegenüber Tesla und China einzuholen, den uns die fossilen Lobbyisten auch in der Solartechnologie eingebrockt haben. Gerade auch Deutschland könnte in Sachen Solarenergie, Batterietechnologien und Recycling Weltspitze und damit wohlhabender, weniger abhängig und freier sein, wenn wir nicht zu sehr auf jene gehört hätten, die aus überholten Verbrennungstechnologien noch möglichst lange Profite ziehen wollten.

Weiter geht es mit dem Vegetarismus, zu dem ich mich aus wissenschaftlichen Gründen 2019 entschied: Ich wollte nicht länger mit jedem Kilo Fleisch aus industrieller Massentierhaltung Unmengen an Energie, Wasser, Futtermittel-Flächen, Arbeitskraft, Antibiotika vergeuden sowie Treibhausgase wie CO2 und Methan, Nitrate und Gülle verursachen. Klar lässt sich Pflanzenkost nur als “Verzicht auf Fleisch” definieren. Aber längst ist das Angebot an vegetarischen und auch veganen Nahrungsmitteln so riesig und reichhaltig, dass ich es nicht einmal mehr schaffe, alles zu probieren! Durch Fruchtfleisch statt Tierfleisch habe ich geschmacklich, gesundheitlich und seelisch an Freiheit zugunsten unserer Mitwelt gewonnen.

Sieht so etwa darbender “Verzicht” auf? Eine reichgedeckte Pflanzenkost-Tafel im Dear Alice-Solarpunk-Clip. Screenshot und Link: Michael Blume

Ebenfalls ab 2019 ging ich über das Digitalfasten hinaus und verließ Facebook. Nur Verzicht? Der Gewinn an Lebensqualität durch weniger Hass und Hetze, vor allem aber durch mehr Zeit für echte Gespräche und Bücher haben mich diese Entscheidung nie bereuen lassen. Der Verzicht auf dieses sogenannte soziale Medium war für mich ein realer Gewinn an Freiheit!

Einen Teil der gewonnen Zeit investierte ich zudem, um auch vor Gerichten unsere bürgerlichen Freiheiten gegen Digitalkonzerne wie Post-Musk-TwitterX und unsere Meinungsfreiheit gegen rechte Blogs wie achgut (die StZ berichtete) zu verteidigen.

Entsprechend habe ich als Arbeiterkind und begeisterter Leser – ja, bisher auch von Richard David Precht – gestaunt, als sich genau dieser TV-Philosoph darüber lustig machte, dass so viele junge Menschen die Fragen nach dem Sinn ihres Lebens stellen würden. Denn ich erlebe gerade auch Philosophie als Reich der gedanklichen Freiheit und bin wie Karl Popper der Auffassung, dass jeder Mensch daran teilhaben sollte. Dass sich der gebührenfinanzierte TV-Moderator Markus Lanz und sein Laber-Kumpel Precht über diese Freiheiten der ohnehin schrumpfenden, jüngeren Generationen mokierten, erlebte ich als übergriffige und peinliche Petromaskulinität (Rezension des Buches von Cara New Dagget folgt). Hier haben sich zwei weitere für schnelles Geld und schnellen Applaus von alternden Herren kaufen lassen. Ob das deutsche Handwerk mit solchen Zoten mehr Ausbildungswillige findet?

Fazit: Verzicht ist nichts Schlechtes, sondern die Bedingung von Freiheit

So sehr ich die größere Freiheit im nichtkommerziellen Mastodon-Fediversum auch genieße, so begegnet mir auch dort die seltsame Mahnung, doch bitte nicht über “Verzicht” zu reden. Das würden “die Menschen” nicht hören bzw. lesen wollen.

Das mag sein – aber viele dieser Menschen wollen ja auch keine ernsthaften Beziehungen, keine Familien, keinen Mitweltschutz, keine empirische Wissenschaft, keine lebenswerte Zukunft und keine Philosophie mehr. Wer das, wer einen wirklich lebenswerten, dialogischen Monismus will, sollte dazu eine einfache Wahrheit anerkennen:

Jede Entscheidung für ein A bedeutet auch einen Verzicht auf B.

Wer sein Geld mehrfach ausgeben, mit jeder attraktiven Person Sex haben, Erkenntnisse nur nach Gefühl akzeptieren, möglichst viel konsumieren und möglichst wenig lesen und denken möchte – ist Gier-getrieben und gerade nicht frei.

Solarpunk verkörpert daher “die” philosophisch-kreative Freiheitsbewegung unseres Jahrhunderts.

Eine Solarpunk-Stadt, die in Form eines Technologie-Baumes aus flachem Wasser ragt. Die Krone ist als gläserner Ring gestaltet und die Wände mit Pflanzen geschmückt. Ein Zeppelin setzt zur Landung an und in der Ferne sind trockene Landschaften und Berge zu sehen. Eine Solarpunk-Stadt mit Zeppelin vor trockenen Landschaften und Bergen. Grafik mit Leonardo.AI: Michael Blume  

 

 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

55 Kommentare

  1. Dank der vielen Neuronen und deren Kombinationsmöglichkeiten, können sich zwei Menschen mehr unterscheiden, als Katze und Dorsch. Ich halte es für recht absurd, wenn beide sich um die richtige, gemeinsame Lebensweise streiten. Je größer eine Gesellschaft wird, desto mehr wird sie zum Ökosystem, und das Regieren zum Gärtnern – der Staat versorgt die Biotope, wahrt die allgemeinen Spielregeln, die verhindern, dass deren Wettbewerb in Gesetz des Dschungels ausartet, doch ansonsten sucht sich jeder seinen eigenen Guru, Papst, Pfad, oder wieselt sich mit der Machete durch die Kakteen. Sie sind glücklich, die Miete, die Ihr persönlicher Deal mit dem Teufel fürs Leben verlangt, drückt nicht allzu sehr, passt schon.

    Natürlich gibt’s Zeiten, wo dann doch ein Alphamännchen benötigt würde (also symbolisch, als demokratisch legitimierte Führung), das die ganze Menagerie wieder auf Affenhorde schaltet, die am selben Strang zieht und für gemeinsame Ziele arbeitet. Und in solchen Zeiten gerät eine Demokratie, die nur aus Kohlköpfen und Gärnterböcken besteht, gewaltig unter Druck durch Wölfe. Wir haben nun mal eine Schönwetterdemokratie, die perfekt darauf optimiert ist, sich vor Problemen zu drücken, was nur funktioniert hat, solange die Probleme mitspielten. Kann ich nix für, ich bin hier nur das Unkraut.

    Ein Menschenleben ist ein Experiment, jedem sein eigenes Scheitern, damit Wenigen der Erfolg gelingt. Die Gesellschaft, der Staat, ist dazu da, dass die Menschen einander helfen, sodass die Experimente nicht allzu früh scheitern, oder man sich erholen und vom Neuen anfangen kann. Zumindest wäre es eine Sichtweise, die ich sinnvoll finde, weil dabei Darwinismus und Ethik einander ausnahmsweise mal nicht widersprechen.

    Und dass Umwelt, Wirtschaft, Ressourcen, unsere Experimentierfreiheit einschränken, ist klar. Ich kann nun mal nicht demokratisch übers Wetter abstimmen, oder Geld essen. Auch wenn beide Dogmen fest in unserem Denken verankert sind.

    Worauf ich aber keinen Bock habe, ist Grüne Null nach Schwarzer Null – beides Formen von Selbstkasteiung, Flagellantentum, als Buße für Wirtschafts- und Ökosünden. Nützt nix, Europa geht sowieso zum Teufel – wir verzichten, weil das die faulste, dümmste, feigste, einfachste Form einer billigen Ausrede für einen lahmarschigen Versuch ist, uns anzupassen. Ein paar Propeller-Mo’ais allein werden uns nicht retten, selbst Bidenomics Euro-Style wäre wohl nur erkaufte Zeit, denn es macht nur bedingt Sinn, auf Produktivität zu setzen, um die Überproduktivität zu überleben, an der die Welt krepiert. Und wieso soll ich im Haarhemd und mit roten Striemen auf dem Rücken verrecken, wenn ich in Saus und Braus verrecken kann? Leute, wir hocken hier auf einem Wirtschaftswunder, das Gold liegt auf der Straße. Wenn wir uns nicht bücken wollen, ist das eine freie, demokratische Entscheidung der Räuberbande, deren Brot ich esse, mitgefangen, mitgehangen, muss ich mit leben. Doch dann will ich als Experiment auf die Weise scheitern, die mir gefällt.

    • Sorry, @Paul S., aber das ist mir viel zu individualistisch & zu sozialdarwinistisch:

      „Ein Menschenleben ist ein Experiment, jedem sein eigenes Scheitern, damit Wenigen der Erfolg gelingt.“

      Selbst wenn Sie nur die evolutionäre Fitness – den über Generationen reichenden Reproduktionserfolg – betrachten, wird klar, dass es immer auch auf Kooperationen ankommt. Auch eine Milliardärin braucht Leute, die für ihr Geld arbeiten, ein Patriarch Mitmenschen, die seine Autorität anerkennen, eine Musikerin Zuhörende usw. Eine Oma kann auch unabhängig vom Kontostand „erfolgreich“ genannt werden. Nicht zufällig feiert der Dear Alice-Solarpunk-Clip den Brief einer Großmutter an ihre Enkelin!

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/solarpunk-hoffnung-statt-cyberpunk-verzweiflung-geburtenrueckgang-arche-regionen-und-dear-alice/

      Menschliches Leben gelingt niemals gegeneinander, sondern stets nur miteinander. Es geht eben nicht nur ums Überleben, sondern ums Überlieben:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/evolutionsprinzip-berleben-oder-berlieben/

      Mit evolutionären Grüßen!

    • @Paul S. Ihr Beitrag lässt mich ein wenig schaudern: Er ist aus meiner Sicht eine Mischung aus „Hat eh alles keinen Sinn“ und „Nach mir die Sintflut“.

      Herr Dr. Blume führt doch gerade aus, dass der Sinn des Lebens aus unendlich vielen Dingen bestehen kann. Und immer mehr – wenn auch noch lange nicht annähernd genug – Menschen sehen einen Teil dieses Sinns eben darin, nicht mehr „Räuberbanden“ zu folgen. Das hat auch, aber nicht nur, mit persönlichem Verhalten zu tun.

      Ich könnte zum Beispiel im Oktober beruflich bequem per Flugzeug von Hannover nach Wien zu einem wichtigen mehrtägigen Workshop fliegen. Mache ich aber nicht, sondern werde unser E-Auto nehmen und auf dem (langen) Weg alte Freunde besuchen.

      Sie können das als „Verzicht“ auf eine bequeme und schnelle Art von A nach B zu reisen bezeichnen. Für mich ist das etwas ganz anderes: Ich nehme mir die Freiheit, nicht über die Köpfe meiner Freunde in Süddeutschland hinwegzubrausen, sondern sie zu treffen. Die Reise wird so je zwei Tage dauern statt je zwei Stunden.Ich investiere dafür auf Hin- und Rückfahrt (Reise-) Zeit am Wochenende. Der „Return on Invest“ wird enorm sein.

      Weiteres Beispiel: Ich verzehre fast keine Milchprodukte mehr (bei mancher Pizza lässt sich das ab und an nicht vermeiden), es geht mir gesundheitlich seitdem viel besser, obwohl ich keine Laktoseintoleranz habe. Sie mögen das „Verzicht“ nennen. Für mich ist das was ganz anderes: Ich habe mir die Freiheit genommen, auf sehr leckere vegane Genüsse umzusteigen und gesünder zu leben.

      Ich könnte jetzt eine lange Kette solcher Beispiele nennen, die allesamt eines gemein haben: Man könnte von „Verzicht“ sprechen, ich sehe darin aber bewusste freie Entscheidungen, zu anderen Verhaltensweisen zu kommen. Übrigens sind die ja auch nicht in Stein gemeißelt: Wenn es neue und bessere Angebote zum Beispiel in Sachen Mobilität gibt, werden wir die nutzen.

      Es steht Ihnen frei, das „Experiment Ihres Lebens“ so zu gestalten, dass es „scheitert“, damit es „wenigen anderen gelingt“. Ich persönlich fände das traurig

      • Traurig blaurig sag ich immer. Das Anpreisen von E-Autos ist schon der erste Fehler im Artikel. E-Autos sind auch nicht viel besser als Verbrenner. Wer wirklich klimafreundlich lange Strecken reisen will, der nimmt die öffentlichen Verkehrsmittel, aber weil die unpünktlich, veraltet, überfüllt und allgemein eher unbequem sind wird natürlich niemand der sich ein E-Auto für 30.000 leisten kann darauf zurückgreifen. Mit einem tollen E-Auto kann man natürlich auch viel besser die eigenen moralische Überlegenheit demonstrieren, als mit öffentlichen Verkehrsmitteln und das auch noch ohne dabei wirkliche Abstriche im Reisekomfort zu machen. Scheiß auf Verzicht sage ich! Wenn auch nur die Hälfte der oberen 1% klimaneutral agieren würden (was für die recht einfach ist, die Mittel dazu haben sie), dann würde das mehr bewirken, als wenn Millionen Anderer klimaneutrales verhalten an den Tag legen würden.Egal….bin eh Nihilist…aber eine Sache noch: Cyberpunk wird von den Menschen gemocht weil es eine Dystopie ist, nicht trotz dessen….

        • @HRNSHN

          Tatsächlich habe ich vor der Anschaffung des E-Autos als braves, fleißiges und aufstrebendes Arbeiterkind & Familienvater im Beruf über zehn Jahre kein eigenes KfZ besessen, sondern zur Arbeit den ÖPNV benutzt. Doch zuletzt wurden die Zugausfälle und -verspätungen immer schlimmer, denn Deutschland hat es vor lauter „Nihilismus“ und fossilem Lobbyismus auch nicht geschafft, analog etwa zur Schweiz (ohne blockierende Verbrennerlobbies) ordentlich in Bus & Bahn zu investieren. Inzwischen fallen solche sogar aufgrund Fahrermangels aus und die Schweiz schränkt wegen zu vieler Verspätungen und Ausfülle die Einbindung deutscher Züge ein.

          Also: Habe mich selbst als Gemeinderat aktiv und erfolgreich für den Ausbau des ÖPNV in meiner Heimatstadt mit-eingesetzt und diesen auch lange werktäglich genutzt. Aber aufgrund des jahrzehntelangen Lobbyismus für Verbrennermotoren ist Deutschland SOWOHL bei der Elektromobilität wie auch beim ÖPNV auf einen hinteren Rang zurückgefallen.

          Petromaskulinisten haben unsere Zukunft in mehrfacher Hinsicht beschädigt und für die Verlängerung schneller Profite die jetzigen Pleiten & Peinlichkeiten in Kauf genommen.

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/fuerchten-fragile-maenner-das-wasser-von-maennerfantasien-und-petromaskulinitaet/

          Und einige versuchen dies weiterhin; auch weil sie zukünftigen Generationen gar keine bessere Zukunft gönnen. Das wird man(n) ja wohl noch sagen dürfen! 😊✊

  2. Wachstum sollte als Zunahme von Lebensqualität verstanden werden und nicht als mehr sinnloser Konsum.
    Und nebenbei: Die Natur kennt eben nicht nur Wachstums-, sondern auch Zerfallsprozesse. Dadurch entstehen Kreisläufe (Kreislaufwirtschaft)!

  3. Wachstum durch Verzicht – ja, das scheint der einzige Weg! Qualität statt Masse. Vielen Dank für den Text! Verzicht braucht dringend ein besseres Image.

  4. Vielleicht muss nochmal über den Begriff “Verzicht” nachgedacht werden.

    In dem Moment, in dem ich auf etwas verzichte, was mir bislang wichtig war (Fleisch essen, Auto fahren, …) hängt es sehr davon ab, welche Erfahrung ich mit der jeweiligen Lebensstiländerung mache:

    Variante 1: das Leben erscheint mir schlechter (komplizierter, freudloser, teurer, usw.). Wenn ich dann aus Vernunftgründen den neuen Lebensstil beibehalte, handelt es sich tatsächlich um bewußten Verzicht, und die negativen Begleiterfahrungen werden durch die Erkennntnis, das “Richtige” zu tun, aufgewogen.

    Variante 2: das Leben erscheint mir besser, weil ich z.B. feststelle, dass sich mir neue Freiheiten eröffnen (vgl. obige Beispiele: weniger Krankheiten nach Milchverzicht, Vertiefung von Freundschaften nach Flugverzicht, usw. usf.). In diesem Fall ist der neue Lebensstil kein Verzicht und sollte auch nicht so konnotiert werden.

    Beides ist wichtig: Das Aushalten von echtem Verzicht ist eine wichtige grundlegende menschliche Fähigkeit, ebenso wie die Bereitschaft und Offenheit, neue Erfahrungen und Erkenntnisse zuzulassen.

  5. @Paul S. 05.08. 23:15

    „Nützt nix, Europa geht sowieso zum Teufel – wir verzichten, weil das die faulste, dümmste, feigste, einfachste Form einer billigen Ausrede für einen lahmarschigen Versuch ist, uns anzupassen.“

    Das ist keinesfalls eine Ausrede, es ist die einzige Lösung, die noch schnell genug sein kann. Natürlich ein Verzicht auf wirklich Verzichtbares, und das in Kombination mit konsequentem Einsatz von fortschrittlicher grüner Technik.

    Einfaches Beispiel ist die Mobilität. Das E-Auto alleine ist weniger wirksam. Auch das steht 23 Stunden am Tag auf Parkplätzen, und wenn es mal wirklich im Einsatz ist, dann meistens mit nur einem Fahrgast. Dass das nicht effektiv ist, und allein durch den Arbeitsaufwand seiner Herstellung und den dafür benötigten Rohstoffen, vor allem an Kupfer und Lithium, ein gewisses Problem ist, das dürfte klar sein.

    Jetzt kommt eben der Verzicht ins Spiel. Die Kommunen mögen ein komfortables Radwegenetz aufbauen, der Konsument gucken wie er weniger Wege fahren muss, und wenn möglich diese mit dem Fahrrad bewältigen, notfalls mit dem E-Bike. Wenn dann nur noch ab und an mal eine Autofahrt ansteht, dann lohnt es sich, auf das Statussymbol vor der Tür ganz zu verzichten, und sich mit Carsharing zu behelfen.

    Gerade beim Carsharing kommt jetzt die Technik von E-Autos erst richtig zum Einsatz. Batteriefahrzeuge haben kaum Verschleißteile und schaffen 5 oder 10 mal mehr Kilometer als ein Verbrenner, halten also einen intensiven Betrieb sehr viel länger aus. Entsprechend müssten Carsharing-E-Fahrzeuge pro gefahrenen Kilometer gerechnet deutlich günstiger zu mieten sein als Carsharing-Verbrenner-Fahrzeuge.

    So spart man dann eben auch jede Menge Geld, Arbeitskraft und Rohstoffe ein. Und dies wiederum kann man auch einsetzten, um die Energiewende weltweit zu fördern, und zugleich auch Demokratie und Menschenrechte in heute noch armen Ländern. Wenn das gelingt, dann ist das finde ich praktikabler, als die Menschen, die zuhause nicht mehr leben können, alle bei uns einwandern zu lassen.

    Wo wir jetzt beim Wohnungsmangel sind. Die 1,5 Millionen Ukrainer, die wir kürzlich aufgenommen haben, haben das Maß doch recht voll gemacht. Würde allerdings jeder, der sich wohnungsmäßig verkleinern kann, dies auch tun, dann wäre schnell Platz für weitere 10 Millionen Zuwanderer. Und zugleich auch Mittel frei, die Bestandsgebäude schneller energetisch zu sanieren. Die zugewanderten Menschen würden dabei dann sogar helfen können.

    Verzicht von Überfluss bietet eben immer auch massiven Spielraum für mehr an Sinnvollem. Und wenn es von Vielen auch einfach dafür genutzt wird, die Worklifebalance zugunsten von mehr Lebensqualität zu verschieben. Da hat man dann ganz direkt selber was davon.

    Mit einem Carsharing-E-Fahrzeug von passender Größe kann man dann auch 2 Monate im Jahr auf Campingtour gehen, und dabei kaum mehr Treibhausgase verursachen, als würde man zuhause bleiben und jeden Tag arbeiten gehen. Zumindest, wenn man in relativer Nähe auf Tour geht. Und wenn man fit genug ist, dann gehts auch mit dem E-Bike oder sogar mit dem Fahrrad ganz ohne Motorisierung, in beiden Fällen verbraucht man dann sogar weniger, als wenn man ganz zuhause bleibt.

    Der ökologische Fußabdruck von E-Bikes und von Campingplätzen ist eben sehr klein, dass kann entsprechend sinnvoll ausgebaut werden.

  6. Wer unter 30 nie nach dem Sinn des Lebens geforscht oder gefragt hat, hat meines Erachtens irgendwas Wesentliches falsch gemacht/vergessen/verdrängt.

    Ich habe vor gut 20 Jahren auf Fleisch verzichtet, da ging es um irgendeine kleinere Pandemie (haha), und ich habe mir gedacht: Wenn tote kranke Tiere an lebende Tiere verfüttert werden, dann läuft was Wesentliches falsch und das möchte ich ganz sicher nicht mehr essen. War es ein Verzicht? Ja. War es ein Gewinn: noch deutlicher und lauter JA. Gesundheit, Genuss, weniger Müdigkeit (Fleisch macht den Körper gern träge). Ich habe mir da aber immer selbst die Erlaubnis gegeben: Haut das Ganze nicht hin, werde ich es wieder ändern – also auch ein Verzicht auf innere Verpflichtung und Moral. 🙂

    Ich verzichte auf Flugreisen, bin früher auch wenig, aber gern geflogen – ich habe Teile der Welt gesehen, die man ohne Flug halt nur als Weltreisender ohne Zeitknappheit sieht, weil man über Land nach Afghanistan reist oder mit dem Schiff nach wohin auch immer.

    Eine große Schwierigkeit ist die Verfügbarkeit von allem und jedem – Flüge billig, Fleisch billig, weil vieles eben nicht eingepreist wird. Lesestoff auch online sogar als Raubkopien von Büchern. (Ja, ich würde gern von meinen Büchern leben.) usw.

    Fokus auf Genuss und besseres Leben UND Verzicht – das sollte doch zusammen gehen. Das ist eben ambivalent.

  7. B.Schermer
    Verzicht braucht ein besseres Image,
    Wir haben heute den internationalen Aktionstag des Spinat.
    Der erinnert an Popeye und Popepeye Village auf Malta. Dort vergisst du die Realität und tauchst ein in die Comicwelt. Das ist auch eine Form von Verzicht, der
    Verzicht von realem Leben oder sollte man besser sagen, Realitätsflucht.

    Paul S,
    “das Gold liegt auf der Straße”. Wo hast du denn das gesehen. Bei uns wird der Genuss mit etwas viel Teuerem bezahlt als mit Gold, mit Lebenszeit.
    Und scheitern darfst du auch, sogar wie du willst.
    Auch dir als Erinnerung , Popeye hat ganz andere Sorgen. Olivia, seine Geliebte, hat ganz andere Vorstellungen vom Leben.
    Was schwbt dir denn so vor, mal ganz naiv gefragt.

  8. @Vom 3. Stern 06.08. 14:17

    „Beides ist wichtig: Das Aushalten von echtem Verzicht ist eine wichtige grundlegende menschliche Fähigkeit, ebenso wie die Bereitschaft und Offenheit, neue Erfahrungen und Erkenntnisse zuzulassen.“

    Jetzt kommt es auch auf die Rahmenbedingungen an. Wenn die Kommune ein ordentliches Radwegenetz hinbekommt, dann kann man viel entspannter Fahrradfahren. Und so verwandelt sich der Anfangs einschneidende Verzicht aufs Auto eher in Richtung einer Bereicherung, zumal man eventuell irgendwann so wenig Auto fahren muss, dass Carsharing dann weit kostengünstiger wird, und man wirklich kein eigenes Fahrzeug mehr braucht.

    Auch kann man mit der Zeit lernen, mit einem Verzicht klar zu kommen. Etwa wenn es um Fleisch geht, dann kann man auch nach und nach immer mehr leckere vegetarische Gerichte entdecken und kochen lernen, dass einem ohne Fleisch immer weniger was fehlt. Wieweit ich selber damit komme, weiß ich allerdings noch gar nicht. Mein Fleischhunger ist immer noch erheblich, auch wenn ich meinen Fleischkonsum die letzten Jahre durchaus reduzieren konnte.

    Dafür lege ich meine meisten Wege schon seit Jugendzeiten mit dem Fahrrad zurück, aber ich mag auch die sportliche Seite, und das Fahrerlebnis mit dem Fahrrad. Und ich habe es von klein auf gelernt, mit dem teils schwierigem Stadtverkehr klar zu kommen, und kenne natürlich auch alle Schleichwege hier in Dortmund auswendig. Auf jeden Fall nehme ich es auch gerne mit, dass ich mir sogar die Bahnfahrkarten sparen kann.

    Es kommt halt sehr auf die persönlichen Verhältnisse an, wie viel Mitweltschutz in welchem Bereich dem Einzelnen jetzt möglich ist. Manchmal ist es aber auch einfach eine Frage der Organisation, wie viel Aufwand man sich machen muss. Etwa wenn es gelingt, einen kurzen Arbeitsweg zu realisieren, oder sich wohnungsmäßig zu verkleinern, wenn die Kinder aus dem Haus sind oder eine Beziehung auseinander gegangen ist.

  9. Nur einen Punkt herausgegriffen, der Fleischkonsum.

    Die Kriegs- und Nachkriegsgeneration kennt es nicht anders. Fleisch gab es nur am Sonntag.
    Und das hat man nicht als Verzicht angesehen, sondern als normal, weil alle Dorfbewohner davon betroffen waren. Pellkartoffel mit Quark, das reichte aus.

    Und dahin müssen wir wieder kommen. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung ihren Fleichverzehr stark einschränkt, dann empfindet der Einzelne das nicht mehr als Verzicht, dann ist das hipp, wie man heute sagt.

    Einsicht: Wichtig ist, dass die Mehrheit auf Fleisch verzichtet.

    • So ist es, @Neumann: Der Verzicht auf Tierfleisch zugunsten von leckerer und gesünderer Pflanzenkost hat mein Leben eher vertieft und bereichert – und auf einen Schlag die Emissionen von Treibhausgasen, die Vergeudung von Wasser, Energie, Futtermitteln, Arbeitskräften, Antiobiotika usw. deutlich reduziert. Wer nicht einmal bereit ist, den ungesunden und verschwenderischen Konsum von Produkten der industriellen Massentierhaltung deutlich zu reduzieren kann m.E. auch schwerlich von anderen Maßnahmen gegen die Klimakrise fordern. Verantwortung beginnt bei jeder & jedem Einzelnen – und von dort aus lassen sich dann auch Strukturen verändern.

    • @Neumann
      Vielen Dank für Ihren Beitrag!
      Einiges, was uns heute hip als “Verzicht” verkauft werden soll, hatten wir früher schon: Das besagte Einschränken des Fleischkonsums – bei uns gab es den Sonntagsbraten, die Reste davon am Montag, am Dienstag Eintopf oder Mehlspeise, Mittwoch Würstchen, Donnerstag ein Kartoffelgericht, am Freitag Fisch, am Samstag XY. Morgens Milch mit Haferflocken und Obst und ein Butterbrot mit Marmelade oder Honig, abends ein Wurst- oder Käsebrot mit Radieschen, Salat o. ä. – DAS war normal, niemand hat sich beschwert. Heute gibt es die unkontrollierte 24/7/365 Mediennutzung und alle wollen uns ganz hip Yoga und “Achtsamkeit” zur Entspannung verkaufen. Früher machte man was mit Freunden, las, ging ins Kino, unterhielt sich miteinander, hatte Familienleben, es gab am späten Freitagabend im Radio Peter Urbans “Der Club” mit neuer, angesagter Musik und ein Testbild im Fernsehen. Auf Post musste man warten und auf die eingeladenen Freunde auch und Verabredungen waren verbindlich, man traf sich um halb 8 vor dem Kino. Heute werden manche Menschen schon aggressiv, wenn nicht asap auf eine WhatsApp geantwortet wird – die Alles-jetzt-sofort-für-mich Mentalität. Weiteres Beispiel: Als es die Gesundheitskarte schon eine Weile gab, schwafelte die Politik plötzlich über ein “Hausarzt-Modell” und dem “Hausarzt als Lotse im Gesundheitswesen”, weil die dummen Herrschaften in den Ministerien wohl erkannt hatten, dass die neue Karte ein riesiges Loch in den großen Geldtopf gesprengt hatte und das Geld daraus nur so rausschoß. Das Hausarzt-Modell, welches uns da als neu und hip verkauft werden sollte, GENAU DAS hatten wir früher mit dem netten Krankenschein-Heftchen. Denn kein Versicherter konnte nach Belieben zu drei verschiedenen Hausärzten gehen, wenn die nicht so wollten wie der dreiste Patient heute, der erst Dr. Google befragt und dann zu Hausarzt A geht und dieses oder jenes VERLANGT und dann zwei Häuser weiter zu Hausarzt B, der auch wieder die quartalsweise Grundgebühr abrechnen darf, aber auch dem dreisten Patienten nicht zu Dienste sein will und dieser deswegen auch noch zu Hausarzt C geht, der auch nochmals abrechnet. Usw. usf. Auf die Idee, das Krankenscheinmodell digital auf die Karte zu bringen und so dem “Doktorhopping” und damit der Geldverschwendung ein Ende zu machen, ist noch keiner der dummen und lobbygetriebenen Politiker gekommen.
      Verschwendung einzudämmen ist aber kein Verzicht auf Freiheit, sondern gesunder Menschenverstand (ein Patient ist i. d. R. Laie und kein Arzt und kann i. d. R. nicht bestimmen, wie er behandelt werden will).
      Daher hat NEUMANN recht: Wir müssen in einigen Bereichen wieder zurück – zu gesundem Menschenverstand und
      zu uns, will mir scheinen.
      Kann es sein, dass wir viel zu sehr nach Amerika geschielt haben, dem amerikanischen Lebensstil?
      Spätestens heute sollte uns klar sein, dass dieses Land mit seinem höher-schneller-weiter-mehr in fast keinem Lebensbereich mehr Vorbild ist!
      (Muss ich noch Beispiele schreiben? Trump, Fastfood, Adipositas, Verarmung ganzer Bevölkerungsschichten, Fentanyl-Skandal, keine Krankenversicherung, Polizeigewalt, SUV)
      Vielleicht sollten wir mehr auf uns schauen und uns nicht ausruhen auf den vermeintlichen Erfolgen (sie waren es einst, aber heute wissen wir, dass sie uns in die Irre geführt haben) der 60er/70er Jahre nicht ausruhen dürfen und nicht auf sterbenden Produkten wie Automobile für den Individualverkehr oder einem Bürokratismus, der uns gerade die Luft abschnürt. Ja, es ist gut, dass der Deutsche nach den Erfahrungen der Nazizeit alles besonders korrekt machen will, aber – philosophisch betrachtet – schimmert durch den überbordenden Bürokratismus halt doch das “banale Würstchen” eines Eichmanns durch.
      Da selbst im Gesundheitswesen selbständig tätig, bin ich sehr für Datenschutz der persönlichen Daten – aber der Firlefanz, den sich die EU und D leisten und die damit manchmal schon pathologische Angst, datenschutzrechtlich etwas falsch zu machen und schon mit einem Bein vor dem Gericht zu stehen, der geht nicht und ist meiner Ansicht nach auch sehr weltfremd in einer Zeit, wo jedeR von uns im Internet praktisch alles macht und schon seine Daten rausgibt, wenn er auch nur 1x etwas einkauft und bei jedem Lesen der digitalen ZEIT oder auch jeder anderen Seite von diesen unsere Daten im großen Stil abgesaugt werden, ohne dass die Betreiber dies ändern könnten, denn die “Sauger” sitzen in den USA, Russland oder China. Auch hier muss der Bürokratismus sich der Lebensrealität anpassen bzw. unsere EU-Abgeordneten für praktischere oder bessere Gesetze sorgen – was sie nicht tun, weil sie das entweder nicht kapieren oder lobby-geleitet nicht kapieren wollen.
      Weder sehe ich Fleischverzicht noch Autoverzicht als “Verzicht”, denn ich brauche das nicht für mein Ego.
      Auch hier stimme ich NEUMANN zu: Es ist wichtig, dass die Mehrheit ihr Ego nicht so wichtig nimmt.

      • Bei allem Respekt, liebe @Monika Rapka: Ich betreibe diesen Wissenschaftsblog seit vielen Jahren mit hohem, fast täglichen Aufwand ehrenamtlich, biete Inhalte und Dialog-Möglichkeiten. Davor war ich jahrelang gewählter Stadtrat. Beruflich bin ich Ministerialbeamter – und empfinde es schon als verletzend, in Ihrer Druko pauschal über „die dummen Herrschaften in den Ministerien“ und, klar, die „dummen und lobbygetriebenen Politiker“ zu lesen. In einer Diktatur würden Sie sich solche verächtlichen Töne wohl kaum trauen – und Demokratie bedeutet gemeinsame Verantwortung, nicht pauschales Verhöhnen.

        Bitte versuchen Sie doch mich & andere Kommentierende mit dem gleichen Respekt und der gleichen Fairness zu behandeln, die Sie auch für sich selbst wünschen. Das würde schon reichen.

  10. Was ist VERZICHT ? dieses hat etwas mit Bewusstsein zu tun oder : Einsicht in die Notwendigkeit. Daran , also an diesem ideologischen Wunschbild, ist bereits die DDR gescheitert denn die hat, auf ihre Art, Verzicht von den Menschen eigefordert. Heute bestimmt eigentlich das Gegenteil von VERZICHT die gesellschaften Werte. Ohne Wachstum funktioniert diese Gesellschaft nicht denn Wachstum ,ökonomisches Wachstum, wird benötigt um dieses Gebilde zu finanzieren, um Firmen nicht in die Pleite gehen zu lassen, um Arbeitsplätze und Renten zu sichern. Und die gesamte Werbeindustrie benötigt das Gegenteil von Verzicht denn sie muss immer wieder neue Bedürfnisse wecken um noch mehr Umsatz zu machen. Letzteres bedingt wieder eine noch weitere Material -und Ressourcen Verschwendung, eine weitere Ausbeutung der Natur , eine weiteren Energieverbrauch, einen weiteren Wasserverbrauch usw….Das menschliche Ego ist nicht für Verzicht geschaffen denn es benötigt eine ewige Befriedigung seiner Triebe, Gier und anderer eingeredeter Wünsche und weniger eine Einsicht.. Nicht einmal die Bibel predigt Verzicht wenn sie sagt: Macht euch die Erde untertan….Was diese Gier noch unterstützt.

    • Das sehe ich monistischer statt dualistischer, @Golzower: Jeder freiwillige (!) Verzicht eröffnet auch neue Freiheiten. Da ich als Jugendlicher auch jenseits der Verbote z.B. völlig auf Zigaretten 🚬 und weitgehend auf Alkohol 🍷 verzichtete, hatte ich mehr Geld für Bücher 📚 und Spiele ✨.

      Dass ich mit dem frühen Ja-Wort zur Ehe den Verzicht auf sexuelle Abenteuer bekundete erlaubte mir die Gründung einer Familie mit meiner großen Liebe usw.

      Dass der Mensch unersättlich gierig sei und nur durch staatliche Verbote gezügelt werden könnte, sehe ich nicht, im Gegenteil: Jeder religiöse Verzicht – etwa durch Fasten oder eheliche Treue, durch Alkoholverzicht im Islam, Fleischverzicht im Jainismus usw. – bekommt doch seinen ethischen Wert erst durch Religionsfreiheit. Wer nur unter Zwang verzichtet, lebt im inneren Widerspruch.

      Entsprechend ist auch das biblische Wort von der „Welt untertan machen“ als Annahme von Verantwortung zu verstehen. Was halten wir von einem König, der seine Untertanen ausbeutet und vergewaltigt, Natur und Kultur seines Reiches vernichtet, nicht einmal fähige Nachfolger heranzieht?

      Nein, für unersättliche Gier gibt es keine andere Entschuldigung als die Nicht-Akzeptanz der eigenen Sterblichkeit – das Motiv übrigens auch der Sith bis Palpatine (Star Wars). „Enge der Zeit ist die Wurzel des Bösen.“ (Blumenberg)

      Oder positiv formuliert: Erwachsen und verantwortungsvoll zu werden, heißt, bewusstes Entscheiden und also auch bewussten Verzicht zu üben. Wir dürfen viel, aber es gibt auch ein Zuviel. Und wer sich nach staatlichen Vorgaben sehnt, statt auch von sich aus etwa auf zuviel Zucker oder Fleisch zu verzichten, schadet eben sowohl der Mitwelt wie auch sich selbst. Freiheit lebt in der Weisheit zur Selbst(!)beschränkung.

      Klar: Um der Schwäche zu vieler Menschen zu wehren sind auch mancherlei Verbote notwendig. Doch im Grundsatz würde ich es bevorzugen, Produkte mit ihren externalisierten Kosten zu versehen – wie es bei Tabak- und Alkoholwaren ja auch bereits geschah. Wer sie als Erwachsener dennoch erwerben und konsumieren möchte, kann dies weiterhin tun.

      • Nun, wie soll ich es im Rückblick auf ein fast siebzigjähriges Leben sagen? Vielleicht dies: Zu keiner Zeit meines Lebens verfügte ich je über so viel finanzielle Mittel, an Überkonsum zu leiden. Wenngleich ich durchaus von manchem ZUVIEL kaufte. Zum Beispiel Bücher. Leider im Übermaß. So dass ich vor einiger Zeit schon ca. 600 Stück entsorgte. Die Hälfte in öffentliche Bücherschränke – die andere nur noch in die Grüne Tonne, weil mir der Aufwand zu groß das Erste fortzuführen. Und noch immer sind da fast 600 Stück, die der gleichen Lösung harren. – Doch nichts an der Entscheidung hat mich freier gemacht. Die einzige Frage, die ich mir stellte: Wieso habe ich überhaupt das Geld DAFÜR ausgegeben? Ich weiß es nicht, denn wirklich wert waren es mir – im Rückblick – nur wenige Bücher. Und deren Autoren lassen sich dann fast schon an einer Hand abzählen.

        Gegessen habe ich übrigens mein ganzes Leben lang nur, was mir SCHMECKT. Ernährungsratgeber und Vergleichbares haben mich nie interessiert. Ich esse Wurst und Fleisch ebenso wie Obst und Gemüse. – Allerdings habe ich für den Zeitraum eines halben Jahres mal JEDEN Tag Obstsalat gegessen. Man hatte bei mir lymphatische Leukämie festgestellt. Seither wird vierteljährlich mein Blut überprüft. Und was soll ich sagen: Auch in diesem halben Jahr blieb er UNVERÄNDERT. Allem zum Trotz, was ich zur Lebensweise sonst lesen kann. Und so rauche ich zwar nicht und trinke keinen Alkohol – schlicht und einfach -, weil’s mir NICHT „schmeckt“, aber Zucker und Fleisch genieße ich nach wie vor, wie auch TÄGLICH meinen einen Liter Milch. Und oftmals auch zwei …

        Allerdings bin ich schon immer in der Lage gewesen, zu erkennen, was mein Körper für Bedürfnisse hat. Und diese habe ich ihm stets erfüllt. Und das versetzt mich in die Lage, auch heute noch als 69-Jähriger meinen Knochenjob auf dem Bau (als Maurer) auszuüben. Und das ist eben keine von den Spielereien, die uns heute viele als Arbeit ausgeben, nur weil man sie dafür bezahlt. – Die Arbeit allerdings mache ich NICHT immer noch, weil’s mir so gefällt – sondern weil’s zum Leben sonst nicht reicht. Also: Nein – Verzicht macht mich NICHT „reicher“ – doch er fällt mir nicht schwer …

        • Danke, @Karl Heinz Kahnt! Ich möchte Ihren authentisch wirkenden Rückblick einfach gerne so stehen lassen – und mich mit Ihnen darüber freuen, dass der zeitweilige (wenn auch nie vollständige) Verzicht auf tierische Lebensmittel Ihnen demnach sogar Gesundheit und mehr Lebensjahre beschert hat. Das freut mich, Danke für Ihren Kommentar!

          • Nichts für ungut, Herr Blume, das ist aber sehr wagemutig, was Sie hier behaupten – weil es so in meinem Text eben NICHT steht: “dass der zeitweilige (wenn auch nie vollständige) Verzicht auf tierische Lebensmittel Ihnen demnach sogar Gesundheit und mehr Lebensjahre beschert hat”. (Wäre ich womöglich jetzt sonst sogar schon 75 alt? 😉 )

            Nun, ich habe zu KEINER Zeit auf tierische Lebensmittel je verzichtet. Ich habe ihren Verzehr nicht einmal eingeschränkt. Ich habe allein für ein halbes Jahr ZUSÄTZLICH gemacht – was ich zuvor auch schon tat; nur eben nicht jeden Tag: Obst – in diesem Fall als Salat – gegessen.

            Die Ironie ist: Empirisch betrachtet – bin ich längst tot: Ich treibe keinen Sport. Ich achte nicht auf “gesunde” Ernährung (was auch immer das ist und sein soll.). Und als Bauarbeiter liegt meine Lebenserwartung deutlich unter dem Durchschnitt, der für einen Mann in Deutschland bei wohl 78 Jahren liegt. – Und ja ich kann hier durchaus bestätigen, dass ich den vorzeitigen Tod etlicher meiner Kollegen erleben “durfte”: Kurz vor oder nach ihrem Rentenantritt. Immerhin fünf Mann.

            Ich bekenne, dass ich mich hier nur zu Wort gemeldet hatte, weil es mich immer wieder irritiert, wie weit doch die Welten – geistig und auch körperlich – voneinander entfernt sind.

            Jedenfalls, wenn ich bedenke, dass ich einer der gesellschaftlich benachteiligten Gruppen angehöre: Der der körperlich hart arbeitenden und Wohlstand schaffenden Bevölkerungsgruppe, die mit ihrem Verzicht – in vielerlei Hinsicht – das Wohlleben so vieler anderer ermöglicht.

          • Danke nochmal, @Karl-Heinz Kahnt

            Weil ich Sie achte, schenke ich Ihnen gerne noch einmal Zeit.

            Ja, auch meine Eltern haben ihr Arbeitsleben lang „hart gearbeitet und Wohlstand gemehrt“ – was dann auch uns Kindern weitere Möglichkeiten eröffnete, die ich unter anderem zum ehrenamtlichen Engagement in der Politik, zur Ausbildung, Studium und Promotion nutzte, Bücher schrieb, lehrte, hier (ohne Bezahlung) blogge, mit meiner Frau 3 Kinder großziehe, die wiederum lernen und arbeiten usw. Seit meinem ersten Job als Sonntags-Zeitungsausträger in der frühen Jugend habe ich ohne Unterbrechung immer „geschafft“, oft in mehreren Berufsfeldern gleichzeitig. Auf Freizeit habe ich oft verzichtet. Ob ich wohl weniger hart gearbeitet und weniger zum Wohlstand auch anderer beigetragen habe als Sie im gleichen Alter? 🤔🤷‍♂️

            Was uns wohl unterscheidet: Ich erkenne Ihre Lebensleistung voller Respekt an und wünsche Ihnen Wohlergehen – wenn es mich auch betrübt, dass Sie die Schonung unserer Mitwelt (einschließlich der Klimakrise, der Tiere usw.) eher höhnisch zu betrachten und Studierten mit Neid zu begegnen scheinen. Dabei haben Sie ja selbst gerne und viel gelesen. Dass Sie wider besseren Wissens die Beeinträchtigungen unserer Mitwelt und auch Ihres Körpers durch den „stolzen“ Verzehr von möglichst viel Fleisch aus industrieller Massentierhaltung öffentlich zelebrieren, unterstreicht m.E. die Thesen zum Petromaskulinismus – obwohl (und weil) deren Chefetagen Sie offensichtlich nicht immer fair behandelt haben. Weil die patriarchale Vergangenheit unfair war jetzt jene verhöhnen, die es zukünftig etwas besser machen wollen? Kann man(n) machen, klar…

            Hier gute Nachrichten aus Hamburg!

            https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Grundschullehrer-in-Hamburg-bekommen-mehr-Geld,grundschule334.html

            Ihnen eine gute Zeit, gerne mit Gesundheit, Freude und weniger Bitterkeit! 😊🙏🖖

          • Und wieder, Herr Blume: Sie geben meinen Zeilen Ihre eigene Interpretation – die sie im Wortsinn nämlich so NICHT enthält! Denn: Weder betrachte ich “die Schonung unserer Mitwelt höhnisch noch neide ich Studenten ihr Studium”. Aus welchen Gründen auch? WAS ist – oder wäre – daran zu neiden? – Mir ging es nur um die RICHTIGSTELLUNG meiner Aussage, die eben ganz anders war, als von Ihnen wiedergegeben …

            Was mir gegen den Strich geht, ist die heute von all diesen Privilegierten sichtbar vorgetragene Arroganz und Besserwisserei, als hätten “die Alten” (die Boomer, der “böse, alte, weiße Mann”) – die ihnen all das ermöglichen! – nur gedankenlos in den Tag gelebt und hemmungslos alles zerstört. Dabei werden diese Dinge vornehmlich auf der Ebene jener entschieden – die ihr Studium dann erfolgreich beendet haben. Also NICHT von uns! Das ist das eine.

            Das andere ist, dass Menschen meines sozialen Milieus eigentlich NIE wirklich was zu vermelden hatten. Und auch weiterhin nicht haben. Falls Sie Belege dafür brauchen, kann ich Ihnen diese auf zahlreichen Gebieten vortragen. Schreiben an die Regierung in der Frage von Krieg und Frieden (Und das meint hier nicht Tolstoi.), aber auch an den Bundestag und an zahlreiche einzelne Politiker aller Couleur zu anderen Belangen.

            Etwas “komplizierter” scheint es mir in der Frage des Wohlstands zu sein – von dem wir ALLE leben. Denn: WAS ist der Wohlstand? Ist er die Ernte vom Feld des Landwirts? Oder ist er der Sieg der Fußballer bei einer Weltmeisterschaft? Ist es der Bau eines Hauses und der dortige Einbau der Fenster? Oder leben wir davon – dass diese Fenster auch geputzt werden? Und falls ja: In welcher Weise leben wir vom Fensterputzen? Denn wenn wir davon leben, einmal im Monat die Fenster zu putzen: Werden wir dann reicher – wenn wir es jede Woche tun? Ja, werden wir womöglich zur reichsten Nation der Welt, wenn wir die Fenster stattdessen sogar TÄGLICH putzen? – Ein Wahnsinnswohlstandskonzept …

            Nun: Ich habe BEIDES gemacht: Häuser gebaut und Fenster geputzt. WAS hat die Gesellschaft reicher gemacht? Leidet das Land an ungeputzten Fenstern – oder fehlt es vielmehr nicht eher an Wohnungen? Ich überlasse Ihnen die Deutung. Aber für die meisten Menschen ist es offensichtlich. – Ihre Fragen an mich zum Wohlstand können Sie sich somit also durchaus selbst beantworten. Immerhin: Sie scheinen mir ein kluger Mann …

            Und abschließend: Die Darstellung meiner Lebens- bzw. Eßgewohnheit sollte eigentlich nur eins aufzeigen, nämlich: Daß entgegen all den vielen Horrormeldungen und Weisheiten zur Ernährung und Gesundheit, die wir immer wieder vernehmen dürfen, die Dinge so VERSCHIEDEN sind, dass, was auf den einen zutrifft – für den anderen noch lange NICHT stimmt.

            Ein Beispiel gerade der letzten Jahre: Corona. Man hat die Menschen mit den drakonischsten Maßnahmen schikaniert. Wer dagegen aufbegehrte und es nur berechtigt in Frage stellte – wurde denunziert und diffamiert. Und man scheute sich NICHT – da schon bei den Kindern (!) zu beginnen. Eine “Musterbeispiel” vom Umgang miteinander. Und dennoch hat sich LETZTLICH erwiesen, dass zahlreiche Menschen NICHT an Corona erkranken. Auch ohne Impfen. Und dass uns Corona – wie auch die Grippe – trotzallem weiter erhalten bleibt. Wir werden also lernen müssen, DAMIT zu leben. Wie auch mit denen – die deswegen geschmäht wurden …

            Nun, ich vermag Ihre ganz persönliche Lebensleistung nicht einzuschätzen: Ich kenne Sie nicht. WIE also sollte ich KONKRET Sie “werten”? Schon das Werten selbst ist nicht mein Ding.

            Doch über mein eigenes Handeln – weiß ich wohl am besten Bescheid und frage da NICHT nach dem Urteil von anderen. Das ist mir also schlicht und einfach egal. TATSACHE ist, wie von mir angeführt: Ich leide nicht an Überkonsum. Ich bin da eher zurückhaltend. Ich bin auch noch nie geflogen. Und selbst wenn ich mit dem Auto im Heimatland in Urlaub fuhr, so war das nur VIERMAL in den letzten zwanzig Jahren. Das nenne ich durchaus bescheiden. Zumal ich mir auch keine neuen Sachen kaufe und die alten trage – bis sie buchstäblich vom Körper fallen. Zu dem Zeitpunkt allerdings schon nur noch auf Arbeit.

            Darüberhinaus saniere ich mit meiner Familie ein ALTES Haus in Eigenregie, weil sich der Handwerker, der ich bin – keinen Handwerker leisten kann. Und ihn sich deshalb nur dort leistet – wo er’s nicht selber richten kann. Doch es würde zu weit führen, hier noch mehr auszubreiten.

            Und machen Sie sich keine Sorgen: Ich bin NICHT verbittert. Nur enttäuscht. Denn ich hatte mal Hoffnungen in die Demokratie. Schließlich bin ich in einer “Diktatur” aufgewachsen, die ich überwunden geglaubt. Und doch bin ich heute – schon wieder in der DDR. Allerdings in einer DDR mit Reisefreiheit und vollen Regalen.

            Andererseits: Zum Glück und zur eigenen Freude braucht’s mir nur meine Familie. Und da habe ich eine ganz tolle. Das hat mich die DDR überstehen lassen, und werden auch das hier bewältigen. Also: Auch Ihnen alles Gute und die besten Wünsche

          • Lieber Herr Kahnt,

            wie kommen Sie nur darauf, ich würde „die Alten“ undifferenziert schlechtmachen? Ich habe doch schon in meiner Antwort an Sie den Einsatz meiner Eltern gewürdigt. Und auch Ihre Lebensleistung ausdrücklich gewürdigt. Es gibt engagierte Ältere und ignorante Jüngere – ebenso wie umgekehrt.

            Mein Vater saß übrigens wegen seiner Liebe zur Freiheit im Stasi-Knast und wurde dort auch gefoltert:

            https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/meinem-vater-falko-blume-1950-2012/

            Sie werden also vielleicht verstehen, dass mich Ihre Gleichsetzung von Bundesrepublik und DDR auch persönlich sehr verletzt. Die Wiedervereinigung erfolgte schließlich gerade auch auf Wunsch der Ostdeutschen – und nicht alles, aber sehr viel wurde erreicht. Unter anderem benutzen Sie gerade das Internet in einer Weise, die es im real existierenden Sozialismus nie gegeben hätte.

            Sie sind also von der Demokratie überwiegend „enttäuscht“, ich bin ihr überwiegend dankbar. Wo wir uns einig sind: Dass die Zustände dennoch nicht gut genug sind. Deswegen engagiere ich mich weit über den Beruf hinaus gesellschaftlich und wissenschaftlich – unter anderem mit diesem Blog.

            Ihnen herzliche Grüße!

          • Lieber Herr Blume,

            es ist ein wahres „Elend“ mit mir: Mein Leben hält ein breites Spektrum EIGENER Erfahrung bereit. Und selbst wenn Bücher NICHT lehren können, was uns das Leben lehrt, war ich zudem doch stets auch ein fleißiger Leser und als solcher am Puls der Zeit. Insofern kann mich nur wenig noch überraschen. Dazu kenne ich das Leben in Ost und West, denn: Aus dem Osten komme ich, und im Westen lebe ich seit Jahren.

            Ich kann an dieser Stelle nur bedauern, was Ihrem Vater geschehen ist. Ich selbst jedoch habe dergleichen nie erlebt. Und das NICHT, weil ich ein „Angepasster“ war. Ganz im Gegenteil: Ich habe stets FREI meine Meinung gesagt; allem Unken zum Trotz, es würde die Freiheit kosten. Was es nicht tat, denn die hat man ohnedies nie wirklich. Nicht so jedenfalls, wie wir von ihr in der Jugend einst träumten. An DEM Traum allerdings hat sich für mich nichts geändert. Den träume ich noch immer. Wenn auch noch immer vergeblich …

            Jedenfalls: Ich bin gebürtiger Leipziger und habe bis zur Wende dort gewohnt und gelebt. Ich kenne das Land also aus der mir eigenen Erfahrung. Ich habe ihm den Schußwaffengebrauch BEIM Militär – im Grundwehrdienst – VERWEIGERT; wie im weiteren auch die geistige Gefolgschaft. Ich war also kein „braver Bub’“. Doch so wie ich fürs Heut und Hier anerkenne, dass es (bisher) keine Wirtschaftsform gibt, die uns derartigen Wohlstand bietet, wie es gegenwärtig noch der Fall ist, so habe ich auch schon für meine einstige Heimat seinerzeit anerkannt, dass uns vieles geboten war, das sich die Menschen in anderen Teilen der Welt von Herzen wünschten und wünschen – aber selbst heute noch NICHT darüber verfügen. – Die DDR war zudem kein KZ und auch kein Guantanamo. Mehr will ich zu ihr jetzt nicht sagen, denn es gibt mir KEINEN Grund sie zu verteidigen. Da ist es wie in der Natur: Was sich nicht bewährt – stirbt aus. Und das macht Sinn. Selbst dann, wenn es auch diesem Land passiert …

            Doch nun der Reihe nach: Ich erwarte von Ihnen nicht, dass Sie meine Ansichten teilen. Dazu sind unsere Erfahrungen viel zu verschieden. Und auch die Betrachtung der Welt. Über die aktuell bestehende „Demokratie“ war ich schon länger im Zweifel – dann kam der Afghanistan-Krieg. Damals notierte ich mir für ein Schreiben an unsere Regierung mit Bitte um Aberkennung meiner Staatsbürgerschaft – ich wollte nicht mehr Deutscher sein; dann lieber staatenlos -: „Wir hätten – im Falle einer Kriegsausweitung, und wie weit waren wir davon noch entfernt? – ebensowenig Einfluß gehabt, uns dem zu entziehen, wie die Deutschen unter den Diktaturen eines Hitlers oder Honeckers. Daß sich aber die FOLGEN des Handelns der Demokratie so leicht zur Deckung mit der DIKTATORISCHEN Praxis bringen lassen, ist für mich unheimlich und erschreckend. Allerdings kennzeichnet es im wesentlichen nur die fast nicht mehr zu begrenzende Macht des Staates gegenüber dem Bürger – der eben auch hierzulande einfach nichts zu vermelden hat. Nicht wirklich jedenfalls …“ – Wie es mit Afghanistan geendet, ist sattsam bekannt – und ist doch erst nur der Anfang …

            Dass Sie sich von meiner Gleichsetzung persönlich verletzt fühlen, ist bedauerlich, aber längst auch ein Mode heutiger Zeit, wo allein nicht mehr nur die Fakten zählen, sondern wie man’s empfindet. Und dass ein Herr Kurnaz – oder andere „demokratisch“ Betroffene – womöglich die gleichen Zweifel wie ich mit sich tragen, dürfte auch naheliegen. Insofern gilt: Jedem Tierchen sein Pläsierchen …

            Was nun den großen Wunsch der Ostdeutschen nach Wiedervereinigung anbelangt: Da mögen sich die Götter streiten. Ich selbst bring’s gern auf diesen Satz: „Der ‚Affe‘ wollte Bananen. Und die hat er doch schließlich bekommen. Was will er noch mehr? Seine Illusionen zurück, dass tatsächlich alles besser wird? Davon war doch niemals die Rede …“ – Insofern haben die meisten Ostdeutschen keinen Grund zum Meckern. Ich selbst – wäre auch ohne Bananen ausgekommen. Aber selbstverständlich greife ich heute zu, wo es sie nun mal gibt. Wie auch Erdbeeren im Winter und Äpfel aus Neuseeland. Was machte es sonst für einen Sinn?

            Verzicht macht für mich eigentlich nur in einem Punkt Sinn, nämlich aufs Arbeiten zu verzichten. Das hätte ich allerdings schon mit Zwanzig gekonnt. Nur fehlte mir schon damals dazu das Geld. Und so ist es geblieben …

            Was Ihre Anmerkung zum Internet anbelangt, da wundert mich nur, dass Sie nicht selbst drüber stolperten, denn, lieber Herr Blume, wenn wir wissen wollen, was letztendlich auch in der DDR in der Zukunft möglich gewesen wäre – brauchen wir nur nach China schauen: Kein Internet? Kein Amazon oder Google? – Ich denke mal: Die Chinese kommen ganz gut klar – indem sie das alles SELBER machen. Und noch weit mehr …

            Abschließend kann ich nur feststellen: Ich hatte Ihnen NICHT unterstellt, dass Sie „‘die Alten’ undifferenziert schlechtmachen“, sondern mit meiner Feststellung lediglich auf den ZEITGEIST verwiesen. Und der ist, wie eben dort beschrieben. So ist es offenbar selbst manchem sogenannten Mainstream-Medium gelegentlich unangenehm, vielleicht sogar peinlich, wie einseitig das abläuft. So titelt zum Beispiel heute Die Zeit: „Die verkannte Generation – An allem sollen sie schuld sein: Höchste Zeit für eine Verteidigung der Babyboomer“, um sich einem Übel zu stellen – an dem sie selbst fleißig mit gebastelt hat. Ist das nicht irre?

            Jedenfalls, wenn ich meine Generation betrachte, lässt sich durchaus sagen, wir waren weniger nur Redner – als vielmehr Macher. Die bloße Forderung an andere, war nicht und nie unser Ding. Zumindest in meinen Kreisen. Womöglich der Grund, weshalb ich Handwerker bin.

            Aber ich will Ihnen hier nicht weitere Zeit rauben und daher auch Ihnen herzlich Grüße zum Schluß …

            Obwohl: Lassen Sie mich doch noch diese Sätze hier anschließen. Geschrieben 1992 über das Verhältnis „Ossi/Wessi“ in einem Beitrag für ein kleines Büchlein. Gestern und Heute (Anfang und Ende des Textes – (…) -):

            „Ja, ich bin froh, daß die Mauer weg ist! Ich weine diesem System keine Träne nach, das uns zu Menschen zweiter Klasse stempelte, nur weil man keine Westknete und keine großzügigen Westverwandten hatte. Und dennoch habe ich mir meine guten Erinnerungen gewahrt, spucke nicht aus vor dem, was war.

            Meine Kinder – ich habe drei – hatten stets genug zu essen, waren gut gekleidet. Wir hatten ein sicheres Dach überm Kopf und fuhren zweimal im Jahr in Urlaub. Und das alles ohne eine Begünstigung durch Partei oder Stasiverein! Wenn wir seither auch noch nicht wieder im Urlaub waren, uns diesen Luxus nicht leisten können, muß ich sagen: Ja, es geht uns besser als vor der Wende. Wir genießen einen kleinen, bescheidenen “Wohlstand”. Aber er ist durch nichts garantiert. Wir müssen ihn täglich neu erwerben.
            (…)
            Wenn ich an einer Stelle meines Briefes von kleinem, bescheidenem Wohlstand schrieb, möchte ich hier nicht versäumen, noch kurz zu erwähnen, worin dieser besteht:
            Unsere Kinder haben ausreichend zu essen, sind nach wie vor gut gekleidet – und wir haben ein Dach überm Kopf. Mag das manchem wenig sein, der da träumt, im “Westen” gehe es einem besser, aber es ist unvergleichlich viel, wenn man bedenkt, daß täglich vierzigtausend Kinder verhungern, daß sich anderswo, wo man ebenfalls gerade die Freiheit gewonnen meinte, die Menschen die Köpfe einschlagen.

            Oh ja, ich würde auch gern noch manches haben – und da will ich gar nicht von einer Urlaubsreise mit unseren Kindern reden. Nein, richtige Betten in unserem Schlafzimmer, das wär auch schon was …”

            Ich denke, Sie sehen, hier spricht einer, der gut verzichten kann – und es stets auch getan hat. Ganz anders als viele der bloßen Schwätzer, die heute das Sagen haben …

          • Meine Güte, lieber Herr Kahnt – der antideutsche Dualismus samt weitgehender Gleichsetzung von Diktatur und Demokratie sitzt tief in Ihnen.

            Und dass es die Sowjetunion war, die zunächst in Afghanistan einmarschierte und die Kette an Kriegen bis zu den Taliban entfesselte, ist Ihnen auch keine Erwähnung wert.

            Es war interessant, aber auch erhellend mit Ihnen zu diskutieren. Aber Sie werden sicher verstehen, dass ich der Verharmlosung von Diktaturen hier keinen weiteren Raum mehr geben möchte. Mir war bewusst: Manche Deutsche sind leider innerlich nie in der Demokratie angekommen. Das war ja auch schon nach dem Untergang des NS-Regimes so gewesen, nun eben auch nach dem Zerfall der Stasi-DDR.

            Ihnen und den Ihren dennoch von Herzen alles Gute.

          • Ach, Gott, Herr Blume: WARUM soll ich das SELBSTVERSTÄNDLICH Böse eigens erwähnen – wo es doch so selbstverständlich ist? Lesen Sie auch nur ein Wort, das den Krieg der Sowjetunion gutheißt? NEIN. Wie auch. Habe ich dergleichen doch noch nie gut gefunden. Daher meine VERWEIGERUNG beim Militär. – Die Irritation liegt vermutlich eher dort – wo ich dafür NICHT in den Knast kam. Wie kann das sein – im REICH DES BÖSEN?

            Meine Irritation dagegen liegt eben eher darin, dass das BÖSE zwar selbstverständlich BÖSE ist, doch überraschend das scheinbar nur GUTE – eben AUCH. Wie kann das sein? Sie scheinen’s zu wissen – und das für selbstverständlich zu nehmen. Hut ab! Da kann ich noch eine Menge lernen auf meine alten Tage. Warum also so vergnatzt?

            Nichts für ungut, aber Sie entblößen sich hier weit mehr als ich …

            Und wo gute Argumentation NICHT gelingt – wird zur „Wunderwaffe“ gegriffen: Dem Totschlagargument: „Manche Deutsche sind leider innerlich nie in der Demokratie angekommen. Das war ja auch schon nach dem Untergang des NS-Regimes so gewesen, nun eben auch nach dem Zerfall der Stasi-DDR.“ Wow, der Herr Kahnt, der Anti-Demokrat, der fast-Nazi. Womöglich der Stasi-Spitzel? Muss ja nicht stimmen. Aber das Diskreditieren gelingt. Schließlich leben wir ja in einer Cancel-Culture, in der klar ist, wer die Definitionen bestimmt. Gut untersucht das Ganze:

            „Die Deutschen vertrauen der Demokratie einer Umfrage zufolge immer weniger. Viele glauben, führende POLITIKER und MEDIEN leben in einer EIGENEN Welt, aus der sie auf die Bevölkerung herabschauen. Das Vertrauen in die Parteien ist auf einen TIEFPUNKT gesunken. – Während im Herbst 2021 erst knapp ein Drittel der Befragten angab, weniger großes oder geringes Vertrauen in die deutsche Demokratie zu haben, stimmten der Aussage in diesem Sommer bereits MEHR ALS DIE HÄLFTE der Deutschen zu (54 Prozent).“ Wow: Nicht ein einziger Ostdeutscher – der auf die Demokratie vertraut oder daran glaubt. Und dazu noch ein paar Wessis (Sonst kommt’s mit den 54 Prozent ja nicht hin. Als Wissenschaftstheoretiker wissen Sie das; nicht wahr?).

            Mich selbst verwundert eigentlich nur: Wie lange diese Leute überhaupt dazu brauchten, das zu erkennen. Schließlich war seit Afghanistan doch alles klar: Ein „Roter Krieger“. Tapfer an der Seite der Amerikaner. Dafür heute allerdings ebenso tapfer – an der Seite Putins. – Was musste ich mir seinerzeit anhören, als ich den Mann mit: „Bundeskriegskanzler“ anschrieb und mein Schreiben mit „Heil Schröder“ endete! Während ich uns in den Zeilen dazwischen wünschte, dass „unsere Bomben allzeit ihren Weg finden“. Ja, ich bat sogar beim Wehrersatzamt – um meine Einberufung; weil ich auch endlich mal Krieg führen wollte. Und mir fremde und somit unbekannte Menschen töten. Frauen, Männer, Kinder. Ganz gleich. Hauptsache dabei. Um unsere deutsche Vergangenheit zu rehabilitieren! „Leider“ wurde mein Antrag abgelehnt: „Momentan seien keine Einsätze geplant …“

            Mann, oh Mann. Was hat man den Leuten damals durchs Hirn geblasen? Das gleiche Zeug – wie heut’? – Sie zweifeln an meinem Demokratieverständnis? Gebe der Himmel, dass Ihres nicht zur Regel wird. – Wie steht eigentlich Ihr Vater dazu? Ich meine: Auch Biermann hatte ja fleißig die Trommel gerührt. Krieg im Namen der Freiheit. Das war doch was ganz anderes als diese Scheiß-DDR – die nie einen Krieg führte (Dabei hat die doch immer gewollt. Sie konnte sich sichtbar nur nicht dazu aufraffen. Da hat der Westen seit jeher mehr drauf.). Aber man muss schon wissen, wo man hingehört. – Was hab’ ich mich geschämt, für den Mann mal eingetreten zu sein! Dabei haben die „Roten“ uns doch damals gesagt, was für einer er ist. Wieso haben wir es damals nicht geglaubt?

            Ich gebe Ihnen hiermit Ihre „von Herzen“ kommenden guten Wünsche zurück. Sie brauchen Sie wahrhaft nötiger als ich …

          • Lieber Herr Kahnt,

            zwar sehe ich besonders den Putin-Gazprom-Lobbyismus unseres Altkanzlers sehr kritisch. Aber einen demokratisch gewählten Bundeskanzler und Sozialdemokraten mit „Heil Schröder“ zu adressieren – diese niederträchtige NS-Gleichsetzung hätten Sie sich gegenüber Honecker & Co. sicher nicht getraut. Nur gegenüber Demokraten reißen Sie die Klappe so auf – weil Sie wissen, dass die Ihnen nichts tun. Ich nehme Sie nicht als nach Verbesserungen strebenden Helden, sondern als gezielt verletzenden Querulanten wahr.

            Hätten Sie auch nur einen Funken ernsthaftes Interesse am Schicksal meines Vaters gehabt, dann hätten Sie gesehen, dass mein Blogpost ein Nachruf war – er starb 2012. Offensichtlich aber haben Sie nicht einmal die Überschrift gelesen…

            Aber, hey, Ihnen ging es auch hier nie um einen ernsthaften Dialog, sondern nur um Ihre eitle, andere verletzende Selbstdarstellung. Sie beuten die Aufmerksamkeit von Demokraten aus und verachten uns gleichzeitig dafür.

            Also: Ich habe Ihnen und Ihrer unwürdigen, überinszenierten, passiv-aggressiven „Sklaven“-Mentalität nun mehr als genug Zeit geschenkt. Es war im Hinblick auf ein realistisches Menschenbild auch durchaus anregend. Nur auf die Freischaltung weiterer Kommentare von Ihnen werde ich zukünftig als Wissenschaftsblogger, Demokrat & Patriot gerne – verzichten. 😊🇩🇪🇪🇺✅

          • Nichts für ungut, Herr Blume. Ich habe zu KEINER Zeit vorgegeben, dass mich das Schicksal Ihres Vaters interessiert, ich also gern mehr darüber wissen wollte (Sie haben von sich aus diesen Link beigefügt; aus welchem Grunde auch immer.). Ich täusche also KEIN Interesse vor, wo es NICHT besteht. Dass Sie selbst jedoch das seine bedauern, ist naheliegend, so wie ich mir auch vorstellen kann, dass es Sie schmerzt(e). Doch nur Ihrem eigenen Bedauern seines Schicksals habe ich mein Mitgefühl ausgedrückt, das ich ebenso dem Hungernden oder einem Kranken entgegenbringe – ohne mich deshalb für sein weiteres Schicksal zu interessieren. Das mag Ihnen kalt erscheinen. Aber so ist es nun mal. Und ich gebe da nicht mehr vor als ist. Denn alles andere würde überfordern (Warum sollte mir Ihr Leben mehr am Herzen liegen – als das meiner eigenen Familie? Und schon da ist genug zu leisten – ohne bei anderen was einzufordern.).

            [Bis hierher schaltete ich diesen Kommentar von Herrn Kahnt noch einmal frei, weil er m.E. im Hinblick auf verschiedene Konzepte von Männlichkeit, Empathie und Altern für sich spricht… Ich bitte aber, nicht weiter auf ihn zu reagieren. Es reicht. [M.B.]]

        • Sehr geehrter Herr Kahnt,
          vielen Dank für Ihren Beitrag!
          Ein wertvoller Blick auf “Verzicht”! Ansehen, Geld, Reichtum…auch ich “verzichte” nicht auf ein Auto, ich kann es mir nicht leisten. Es ist aber für mich kein Verzicht, ähnlich wie Sie es schreiben, ich entbehre es nicht. Ich fahre mit dem ÖPNV (der nicht funktioniert). Ich verzichte auf so Vieles (Ansehen, Image, Geld, Haus) weil ich in einem sozialen Gesundheitsberuf selbständig bin, davor mit zwei kaufmännischen Ausbildungen im unterbezahlten Einzelhandel arbeitete, seit 19 Jahren vom Staat verarscht als Alleinerziehende Steuerklasse 1 habe und ebenfalls seit 19 Jahren unbezahlte Sorge-Arbeit mache und für all das eine Mini-Rente bekommen werde – Rücklagen bilden kann ich keine, denn zwei Kinder allein aufzuziehen und ihnen ein Studium zu ermöglichen, in einer Stadt eine Wohnung zu bezahlen und als kleine freiberuflich Selbständige exorbitant hohe Steuern und Abgaben zu zahlen, lässt das nicht zu. Ich werde auch über die 67 hinaus arbeiten müssen, weil meine Rentenansprüche aus der Angestelltenzeit nicht reichen wird. Aber jetzt kommt’s: Ich arbeite gerne in meinem Job. Ich habe gerne Kinder.
          Nur die herabwürdigenden Kommentare der SUV-Fahrer, Vielflieger und Hausbesitzer, die ihre Kinder im Ausland auf Privatschulen schicken, auf die würde ich gerne verzichten.

          • Danke, @Monika Rapka

            Dass Kinder großzuziehen ein massiver Verzicht auf Geld und Freizeit bedeutet und dennoch „gut“ sein kann, ist ein hervorragendes Beispiel!

            Und, ja, dass Erziehungs- und Care-Arbeit vor allem von Frauen zu schlecht (in vielen Staaten noch immer: gar nicht) vergolten, ja noch nicht einmal ins BIP eingerechnet und damit auch „unsichtbar“ gemacht wird, halte ich für ein schlimmes Erbe des Patriarchats und besonders Petromaskulinismus. Zumal dann, wenn sich Väter um ihren Teil der auch finanziellen Verantwortung drücken. Das tun freilich auch nicht alle – manche üben aus Überzeugung Verzicht auch für ihre Familien.

          • Liebe Frau Rapke,

            Hut ab vor Ihrer Leistung! Gerade als fürsorglicher Familienvater und Opa weiß ich die gut (ein)zu-schätzen.

            “Meine” “beiden” Frauen – Ehefrau und Tochter – sind ebenfalls beide selbständig. Sie arbeiten gemeinsam als Tagesmütter. Schon seit Jahrzehnten. Um die Rente meiner Frau ist es deutlich schlechter bestellt als um die meine. Die selbst schon nicht üppig, sondern nur der Durchschnitt ist. Aber mit meinem zusätzlichen Arbeitseinkommen – Vollzeit als Rentner – kommen wir gut über die Runden. Ja, zum ersten Mal kann ich sogar – für mein Alter sparen. Ist das nicht irre?

            Ja, wir leisten uns nun sogar den Urlaub – der über die vielen Jahre nicht möglich und denkbar war. Fünf Tag unten in Bayern. Mit der Familie meiner Tochter (Mann und 2 Kinder; ein Bub und ein Mädel).

            Ich hoffe für Sie und wünsche Ihnen, dass es Ihnen finanziell in der Zukunft doch mal noch besser geht. Und drücke Ihnen die Daumen für die Zukunft Ihrer Kinder. Denn auch wenn ich manchmal schon schier verzweifelt war, aber am Ende ist es dann doch gelungen. Und wenn es für mich selbst auch nur selten rosig war, so hoffe ich doch für unsere Kinder und Enkel die besseren Zeiten. Das ist mein Antrieb und meine Hoffnung, die mich stets weitermachen lässt, wie schon seit jeher im Leben …

            Übrigens: Vor zwei Jahrzehnten hatte ich mich sogar 40 führenden Politikern als SKLAVE angeboten, um unser Los zu bessern. Nur Vieren war das überhaupt einer Antwort wert. Beim Rest war nur großes Schweigen. Doch auch die vier konnten nicht wirklich helfen. Nicht mal mit guten Ratschlägen; denn die Verhältnisse selbst waren ihnen nur zu gut bekannt.

            Also wie gesagt: Ich drücke Ihnen die Daumen …

          • @Karl-Heinz Kahnt

            „Übrigens: Vor zwei Jahrzehnten hatte ich mich sogar 40 führenden Politikern als SKLAVE angeboten, um unser Los zu bessern.“

            Wow, das bringt die Mentalität von Diktatur-Verharmlosern nun wirklich auf den Punkt! Freiheit und Würde – für die viele kämpften & starben – für ein paar Bequemlichkeiten verramschen zu wollen, würg…

            Interessanterweise passt diese ganze Diskussion hier sehr gut zur jüdisch-rabbinischen Reflektion darüber, warum es 40 Jahre brauchte, bis sich das Volk Israel vom pharaonischen Sklaventum und den „Fleischtöpfen Ägyptens“ (Fleisch-Töpfen, krass!) emanzipiert habe:

            https://www.juedische-allgemeine.de/allgemein/am-anfang-war-der-weg/

            Die Fähigkeiten zum Monismus, zu einem Leben mit Wissenschaft, Würde und Freiheit sind uns Menschen leider nicht angeboren – und viele erreichen sie nie… 🤷‍♂️🤔😔

            Ich hätte mich gefreut, Sie als reflektierten Demokraten kennen zu lernen statt als über-inszeniertem „Sklaven“… 😧

    • Eine gute Analyse der inneren Widersprüche unserer Gesellschaft.
      Es stimmt, die Ökologen fordern eine Einschränkung des Inividualverkehrs, die Deutsche Bahn scheint das verhindern zu wollen indem das Schienenetz überaltert ist, die Brücken sind einsturzgefährdet und bei Personal wird gespart, dass sogar die Zugführer nicht mehr ausreichen.

      Herr Blume beschreibt den Idealzustand, den es herzustellen gilt. Doch was erwartet uns, der Dauerstau auf der Autobahn.

      Der Individualverzicht wird nicht ausreichen, wir brauchen eine Regierung, die Regelungen schafft. In Madrid z.B. dürfen Autos mit einer geraden Autonummer nur an geraden Tagen fahren. So kann man den Individualverkehr wirksam begrenzen.

  11. @Michael 07.08. 11:13

    „Jeder religiöse Verzicht – etwa durch Fasten oder eheliche Treue, durch Alkoholverzicht im Islam, Fleischverzicht im Jainismus usw. – bekommt doch seinen ethischen Wert erst durch Religionsfreiheit. Wer nur unter Zwang verzichtet, lebt im inneren Widerspruch.“

    Naja, hier geht es dann um sowas wie die eigene Beziehung zum Kosmos, zu Geisteswelten bzw. zu Gott. Ich fürchte hier, dass das nur persönlich funktioniert.

    Dass gottgefälliges Verhalten für die ganze Gemeinschaft wichtig wäre, gehört für manche Religionen dazu. Dem würde ich aber eher entschieden widersprechen. Ich habe nicht viel damit zu tun, wenn ein anderer gotteslästerlich durchs Leben geht. Das alleine geht mich wirklich nichts an. Zumal man hier angesichts der Vielfalt der religiösen Vorstellungen auch nicht so einfach zu einem allgemeinen Verhaltenscodex kommen kann.

    Die Naturverträglichkeit und die Sicherung der eigene Lebensgrundlagen sind aber definitiv eine Aufgabe, die die Mitarbeit der Menschen braucht. Ob jetzt per Gesetz oder freiwillig, das Endergebnis ist wohl entscheidend.

    Wobei insbesondere aber auch zu bedenken wäre, dass der Staat generell um viel Umsatz bemüht ist, und im speziellen auch von fossilen Lobbyisten weiterhin gedrängt werden könnte, die fatalen Umsätze mit klimaschädlichen Nebenwirkungen solange wie es geht zu erhalten.

    Deswegen ist hier das freiwillige Verhalten des Bürgers so wichtig. Nicht um die Götter gnädig zu stimmen, ich denke, die sind schon gnädig genug.

    Eine eigene Arbeit des Einzelnen an seiner Beziehung zum Kosmos und zu Geisteswelten allerdings kann ich durchaus empfehlen. Und hier muss ich wohl dann doch zugestehen, dass persönlich motiviertes mitweltverträgliches Verhalten durchaus auch eine Maßnahme sein kann, diese geistigen Beziehungen zu bearbeiten. Allerdings eher von der eigene Seite her, dass man sich durch entsprechende eigene Aktivität auch aktiv Geisteswelten nähern kann.

  12. @Michael 07.08. 11:13

    „Doch im Grundsatz würde ich es bevorzugen, Produkte mit ihren externalisierten Kosten zu versehen – wie es bei Tabak- und Alkoholwaren ja auch bereits geschah.“

    Das finde ich im Prinzip eine gute Idee. Dann würde ich das aber auch an eine Schätzung der tatsächlichen externen Kosten binden.

    Die Alkoholsteuern kommen da wohl hin. Die Tabaksteuern erscheinen mir allerdings als überhöht. Raucher sterben früher, verursachen dabei aber keinerlei höhere Kosten für die Krankenkassen. Die externen Kosten kann ich hier in dieser Höhe nicht erkennen.

    Die entsprechenden Tabaksteuern sehen eher nach einer Mischung aus Paternalismus und Abkassieren aus. Das schließe ich auch daraus, dass Tabak zwar richtig teuer ist, aber Tabakwerbung verrückterweise noch erlaubt ist. Auch die neuen Steuern auf Dampferliquids haben schon überhaupt nichts mit externalisierten Kosten zu tun, nicht mal was mit nennenswerten Gesundheitsschäden. Dampfen ist im Vergleich zu Tabakrauchen praktisch unschädlich, und war sogar für eine Menge Menschen ein Weg, ihre Nikotinsucht gesund und zugleich kostengünstig auszuhalten. Die Zeiten sind in Deutschland auch erstmal vorbei.

    Es sieht für mich eher so aus, dass hier ein schlechtes Image gnadenlos ausgebeutet wird. Und das mit ziemlich wenig Rücksicht auf die Finanzen der betroffenen Menschen, die manchmal recht knapp sein können.

  13. Eine Dogmatisierung von Verzicht ist immer dann grundlegend falsch, wenn Verzicht nicht die Folge aus einer selbstkonformen Entwicklung impliziert, was bedeutet, dass die Wirksamkeit eines selbstkonformen Verzichts nur über Generationen hinweg erzielt werden kann. Somit würde “Verzicht” jedwede Konnotation verlieren.

    Meines Erachtens ist die Aussage, dass nun alle Menschen an einem Strang ziehen müssen, zu kurz gedacht, da es eben auch die Menschen in der Zukunft betrifft. Was unsere Pflicht sein sollte ist, den Grundstein für diese Entwicklung zu legen. Allerdings müssen wir uns in diesem Streben dafür hüten, nicht einem Historizismus zu verfallen und normative Kurskorrekturen als etwas Selbstverständliches hinzunehmen lernen.

    Als Zugehöriger der Generation X – doch insbesondere in der Verantwortung für nachfolgende Generationen stehend – sollte man sich selbst etwas zurücknehmen und die nachfolgenden Generationen bestmöglich unterstützen (“Harry-Potter-Syndrom”). Dies erfordert sehr viel Geduld und sehr viel Vertrauen.

    Solarpunk ist eine Idee, wie es sein sollte bzw. kann. Was fehlt ist ein allumfassender Weg dorthin.

    Jacques Fresno hatte nicht nur eine fabelhafte Vision einer Zukunft sondern lieferte darüberhinaus eine konkrete Idee zur Erreichung dieser verheißungsvollen Zukunft. Nicht nur, dass KI eine zentrale, wichtige Rolle bei Fresno spielte und den Menschen in der Weise frei machte, dass er sich den Dingen widmen konnte, nach denen es ihn verlangte, könnte die Menschheit einige ihrer eklatanten “Fehlentwicklungen” hinter sich lassen.

    Wir brauchen keine neue Ideen wie die Zukunft für nachfolgende Generationen aussehen soll, denn die sind schon längst gedacht. Was wir benötigen sind entsprechend Aristoteles Politie (nicht zu verwechseln mit Platons Politeia) vernunftsorientierte, wissenschaftlich fundierte Lösungen für einen gangbaren Weg.

    • Wunderbar, lieber @Martin Schmidt! Die Menschen in Montevideo, der Hauptstadt von Uruguay, brauchen nach Jahrzehnten der Verschwendung für fossile Industrien, einschließlich der Rinderzucht, gerade erst einmal wieder dringend Trinkwasser:

      https://www.spiegel.de/ausland/wasserknappheit-in-uruguay-wie-der-millionenstadt-montevideo-das-trinkwasser-ausging-a-6f8331d2-6fb9-4f2c-a3bb-d19a637c02b1

      Solarpunk verstehe ich nicht als utopisch (wörtlich: nicht-örtlich), sondern als konkret glokalistisch: Globale Technologien kommen in konkreten Städte und Regionen zur Anwendung. Beispielhafte Sammelbände dazu – Solarpunk-typisch frei verfügbar – bilden „The Weight of Light“ sowie „Cities of Light“, je zu konkreten Städten.

    • An dieser Stelle sei eine Grundsätzliche Überlegung angebracht, was denn ein Verzicht ist und warum er dogmatisch gesehen werden kann.

      Die Krankenschwester im Schichtdienst verzichtet auf einen gesunden Tagesablauf, damit einem Unfallopfer in der Nacht geholfen werden kann.

      Verzicht ist immer Verzicht um einer Sache willen oder wegen der Umstände willen.
      Ohne Verzicht funktioniert eine arbeitsteilige Gesellschaft nicht.
      Verzicht ist die passive Form von Pflicht. Wer seine Pflicht erfüllt, der verzichtet auf seine Freiheit.

      Damit wird Verzicht zum unverzichtbaren Teil von Kultur.
      Ein Hund hat keine Kultur. Der frisst alles auf sofort, ohne zu teilen. Und der Hund verzichtet nicht.

  14. @Neumann 08.08. 09:20

    „Damit wird Verzicht zum unverzichtbaren Teil von Kultur.“

    Das passt nicht so gut zur Leistungsgesellschaft. Hochleistung soll mit Privilegien belohnt werden, und die Privilegien müssen dann auch ein Höherschnellerweiter sein, nicht ein smarter im Sinne von Klimaschutz, Rohstoffgerechtigkeit und Mitweltverantwortung. Die Hochleister leisten so gar nicht für sich, warum also dann überhaupt leisten?

    Aus meiner Sicht ist die Sache eigentlich einfach: wir können es uns leisten, weniger zu leisten. Also machen wir das einfach. Die Konsumeinsparung reduziert sofort die Treibhausgasemissionen, es reduziert das Ausbauziel einer klimaneutralen Energiewirtschaft und macht zügig Mittel frei, diesen Ausbau schneller zu realisieren. Die Einsparung wirkt also gleich dreifach. Und das unterm Strich sogar mit weniger Arbeit.

    Aber es untergräbt den Leistungsgedanken. Was machen wir damit?

    „Ein Hund hat keine Kultur. Der frisst alles auf sofort, ohne zu teilen. Und der Hund verzichtet nicht.“

    Im Sinne der fossilen Lobby zu wirtschaften würde also darauf hinauslaufen, uns eben wie Hunde zu benehmen. Ist das nicht sowieso gar nicht weit weg von der gelebten Realität?

    Kleine Abstriche nimmt man noch hin, wenn die E-Autos nur etwas teurer sind, und immer noch uneingeschränkte Mobilität bieten. Was wiederum entsprechenden Ausbau von PV und Windenergie erfordert, das gehört nun mal zu klimaneutraler Mobilität untrennbar dazu. Fragt sich jetzt aber, ob das denn auch flächendeckend geht. Wenn das jetzt technisch angesichts begrenzter Rohstoffe wie Kupfer und Lithium unmöglich ist, dann geht das gar nicht.

    Hier kann man nur auf weitere Innovationen hoffen. Oder auf das Verständnis bei den Menschen hoffen, dass die doch übers Tierische hinauswachsen.

    Es wäre einmalig in der Menschheitsgeschichte, wenn der Mensch Innovationen umsetzt, die weniger komfortabel als der Vorläufer sind. Beim Beispiel E-Auto haben wir weniger Leistung und Verfügbarkeit bei gleichzeitig höheren Kosten, und dazu ist noch unklar, ob überhaupt die Rohstoffe zu beschaffen sind, um jedem sein eigenes Fahrzeug zu ermöglichen.

    Die Batteriefahrzeuge können nicht immer schnell genug geladen werden, insbesondere in Stoßzeiten des Reiseverkehrs. Es geht hier nicht nur um die Ladezeiten von vielleicht 30 Minuten, es kann auch der Strom im Netz knapp sein. Und eine zusätzliche Wasserstoffeinheit ist teuer, verbraucht Platz und braucht ein Vielfaches an Energieaufwand, weil der Umweg über den Wasserstoff erhebliche Verluste mit sich bringt.

    Mensch müsste wohl über sich hinauswachsen, um vom Verbrenner wirklich wegzukommen. Oder man hofft eben auf weitere Innovationen. Etwa wenn wir tatsächlich bezahlbare Selbstfahrsysteme hinbekommen, und wir auf dieser Basis ein allgemeines Sammeltaxisystem aufbauen können. Dies wäre dann unschlagbar kostengünstig und würde wohl sogar die Straßen und riesige Flächen an Parkraum freimachen, wenn im Schnitt 5 oder 10 Fahrgäste gemeinsam transportiert werden. Aber das ist jetzt ein möglicherweise ungedeckter Scheck auf die Zukunft.

    Auf Komfort verzichten dagegen ist sofort und eindeutig umsetzbar. Man muss es nur machen. Das braucht aber halt wirkliche Kultur. Das schaffen Hunde nicht. Wobei sogar Hunde liebevoll ihren Nachwuchs versorgen, nur eben eher spontan, nicht aus Einsicht in globale Zusammenhänge. Das kann jetzt wirklich nur der Mensch.

    • @Tobias Jeckenburger

      Sie zitierten @Neumann & erwiderten:

      Damit wird Verzicht zum unverzichtbaren Teil von Kultur.“

      Das passt nicht so gut zur Leistungsgesellschaft.

      Da bin ich nicht so sicher: Auch Leistung impliziert ja Verzicht, beispielsweise auf Freizeit oder Zerstreuung. Eine Leistungsgesellschaft ist immer auch eine Verzichtgesellschaft. Doch die Frage ist, Leistung in was und also Verzicht wofür? Geld alleine ist offensichtlich der falsche – oder falsch eingestellte – Maßstab.

      • Herr Blume, Sie haben es auf den Punkt gebracht. Die Hochleistungsgesellschaft ist auch eine Verzichtgesellschaft, und der Verzicht kann auch benannt werden, auf die Menschen wird letztlich verzichtet. Wenn es ginge, würde man sie durch künstliche Intelligenz ersetzen.

  15. @Michael 08.08. 20:47

    „Doch die Frage ist, Leistung in was und also Verzicht wofür?“

    Wenn denn für den eigenen Erwerb geleistet wird, und der Lohn fürs Höherschnellerweiter aufgewendet wird, dann gibts eben wenig Klimaschutz. Dafür muss dann extra aufgewendet werden, und zwar im Sinne von Natur und Gemeinwesen. Da hat man egoistisch gesehen nichts von.

    „Geld alleine ist offensichtlich der falsche – oder falsch eingestellte – Maßstab.“

    Ich weiß nicht recht, ob es nur das Geld ist. Man will eben gerne leisten, und dass da was bei herauskommt. Und das dann zeigen.

    Mitweltschutz wäre im Prinzip ehrenamtlich und gemeinnützig. Dafür macht man sich nicht so viel Stress mit Ausbildung, Karriere und Lebenszeitverbrauchendem Berufsleben.

    Hier kann man auch schlichtweg gleich Konsum lassen, das wirkt sogar noch besser als nur den üblichen Aufwand mit grüner Technik zu realisieren.

    Der Leistungsgedanke bekommt eben einen grundsätzlichen Knacks, wenn Konsum teilweise reduziert und nur noch in Naturverträglichkeit investiert werden muss, weil wir die Grenzen dieses Planeten erreicht haben.

    Seine volle Leistung in grüne Technik zu investieren wäre theoretisch löblich, aber wer hat jetzt so viel Gemeinsinn? Sich mit dem Nötigen zu begnügen, und nur dieses dann mit grüner Technik, das ist schlichtweg einfacher. Wir haben ja nicht nur ein Klimaproblem, wir haben auch nur begrenzt z.B. Kupfer, Lithium oder sogar Sand. Und die Menschen in den heute armen Länder wollen auch noch ihren Teil abhaben.

    Von daher gehe ich davon aus, dass junge Generationen, die die Klimakrise ernst nehmen und auch wirklich handeln, dass die auch auf die Idee kommen, nicht nur alles auf grüne Technik umzustellen, sondern auch schlichtweg weniger des Aufwandes an Lebensstil suchen werden.

    Gerade moderne IT bietet rasant Möglichkeiten, sich mit allem Möglichen digital zu beschäftigen. Man kommt inzwischen mit viel weniger Arbeit aus, ohne dass Langeweile aufkommt. Da kann man dann in der Tat auch weniger arbeiten, wenn man denn mit entsprechend weniger Geld auskommt. Die Energiewende kann so dennoch nur schneller gehen.

    Ein Umstieg vom Verbrenner aufs Fahrrad, wenn man denn auch die nötigen Fahrwege hinreichend reduziert bekommt, der spart jede Menge Geld, Rohstoffe und Treibhausgase zugleich ein. Wenn man nur aufs E-Auto umsteigt, dann kann das soviel nie einsparen, insbesondere wegen der eingesetzten Rohstoffe. Und das wird eher teurer als der Verbrenner.

    Und ein Umzug in eine kleinere Altbauwohnung kann mehr einsparen, als sich ein größeres Energiesparhaus neu zu bauen.

    Mit dem vollbesetztem PKW rund um das eigene Bundesland auf Campingtour zu gehen ist auch sehr sparsam. Auf die Art sind 2 Monate Langzeiturlaub günstiger als ein 2 Wochentrip per Flieger ins Hotel auf die Kanaren. Das gilt gleichermaßen für Geldaufwand, Treibhausgasemissionen und Rohstoffbedarf.

    Ich finde es ist eine Art anderer Kultur, genügsam im Verbrauch und zugleich genügsam in der produktiven Leistung zu sein. Eine Kultur, mit der wir die Erhaltung unserer Natur und unserer Lebensgrundlagen vermutlich eher erreichen können.

    • Danke, @Tobias Jeckenburger

      Ihrer Aussage zum Mitweltschutz stimme ich zu. Denn ich halte mich schon für recht leistungsorientiert und habe wissenschaftlich, beruflich, familiär einiges erreicht. Gerade aber für diesen Wissenschaftsblog bekomme und will ich keinen Cent – die Entlohnung besteht beispielsweise in Ihren konstruktiven Kommentaren, die Sie ja wiederum ohne Geld-Bezahlung erstellen.

      Anders gesagt: Ich beobachte, dass Leistung auch in der Erstellung öffentlicher Güter bestehen kann. Das ist ja eine Grundidee auch in den großen Religionen und im Solarpunk. Wir Menschen können über Egoismus und Relativismus hinauswachsen.

  16. @Michael 09.08. 07:09

    „Ich beobachte, dass Leistung auch in der Erstellung öffentlicher Güter bestehen kann.“

    Unbedingt. Es wird ziemlich viel ehrenamtlich geleistet. Und man hilft sich auch im Privaten u.U. gegenseitig.

    Wer das Leisten gar nicht lassen kann, der kann das erworbene Geld auch z.B. in Windparks investieren. Das wäre im Prinzip auch das Erstellen öffentlicher Güter. Das kann Gemeinwesen und Natur auch gebrauchen. Wenn hier allerdings die Baugenehmigungen zu lange dauern, dann wird selbst das schwieriger.

    Immerhin kann man Investitionen auch in anderen Ländern leisten, in denen das eben nicht von den Verwaltungen verschleppt wird. Dem Weltklima ist es jedenfalls vollkommen gleich, wo auf der Welt die Treibhausgase eingespart werden.

  17. Werter Herr Blume,

    ich habe große Hochachtung, wie Sie Ihr Leben gestalten und IHREN WEG konsequent planen und auch umsetzen! Zu meinem Leben am Ende ein paar Anstriche…
    Alles richtig, aber leider nicht gesellschaftlich mehrheitsfähig.
    Sie und ich zählen zur Mitte der Gesellschaft: gute Ausbildung, relativ hohes Einkommen, passabler IQ 🙂 und positiv zielorientiert.
    Neben uns gibt es zusätzlich zum Durchschnittsmenschen zwei weitere Gruppen: eine Gruppe der unsere Visionen egal sind, ohne Abwertung TV-Konsum, Ballerspiele, Nikotin und Alkohol bis hin zu Drogen bilden teilweise Lebensinhalte dieser Gruppe.
    Die zweite Gruppe: hohes Einkommen , Lifestyle, Balzgehabe über Klamotten, PS-starke Autos, Schmuck usw.
    Weder Sie noch ich werden durch unseren Lebensstil innerhalb dieser Gruppen etwas ändern – will ich auch nicht, weil jeder die Freiheit hat SEIN LEBEN zu leben.
    Die Umstände und das Handeln der aktuellen Regierung werden zwangsweise zum Verzicht führen ( 3 AKW abgeschaltet= Deutschland => Stromimporteur; Zuwanderung von “Fachkräften” , Abwanderung von Industrie und die Außenpolitik möchte ich nicht kommentieren).
    Ich habe mir diese Entwicklung nicht gewünscht, kann sie auch nicht verhindern! Die wirtschaftliche und politische Entwicklung in Deutschland wird leider auch bald Ihren Lebensstil begrenzen …
    Trotzdem wünsche Ich Ihnen und Ihrer Familie alles Gute und die Kraft Ihren Lebenstraum weiter zu leben.
    G.Vorrath

    – 42 Jahre verheiratet,
    – ohne schlechtes Gewissen an der Herstellung von ca. 10 Mill. Verbrennern beteiligt
    – mehr als 500 Bäume im Leben gepflanzt und 800 m² Blumenwiese in Pflege
    – gesellschaftlich aktiv – Wechselspender je nach aktuellen Notwendigkeiten
    und immer noch positiv denkend

    • Danke, @Gert Vorrath

      Ist dieser Blogpost in einem Männerforum „empfohlen“ worden? Hier kommen auf einmal so viele neue Drukommentare! 🤔😊🤷‍♂️

      Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu: Ich habe nicht den Anspruch, andere zu bevormunden. Es reicht mir völlig, vor allem über Wissenschaftskommunikation Bildung und selbständiges Nachdenken zu fördern.

      Und trotz Steuer- und Direktsubventionen für die industrielle Massentierhaltung befinden sich Fleischkonsum und auch Fleischproduktion in Deutschland bereits deutlich im Sinkflug:

      https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/02/PD23_051_413.html

      Zu den größten Lügen des Lebens gehört nunmal, man(n) könne doch nichts ändern…

      Ihnen Dank für den konstruktiven Kommentar und alles Gute!

  18. @Michael 20.08. 17:29

    „Und trotz Steuer- und Direktsubventionen für die industrielle Massentierhaltung befinden sich Fleischkonsum und auch Fleischproduktion in Deutschland bereits deutlich im Sinkflug:…“

    Der Link betrifft die Produktion. Das mag schon alleine an den durch die Ukrainekrieg bedingten Preisanstieg für Futtermittel liegen. Hast Du auch eine Info über den Fleischverbrauch? Der wird auch zurückgegangen sein, allein schon weil die Preise für Fleisch entsprechend auch gestiegen sind.

    Ich musste auch selber feststellen, dass gerade billige Fleischsorten wie Hähnchenschenkel oder Hackfleisch besonders teurer geworden sind.

    Was mir hier etwas missfällt, ist dass arme Menschen hier zum Sparen gezwungen werden, während die richtigen Verschwender munter weiterprassen können.

    Inwieweit jetzt Menschen mit genug Geld aus reiner Verantwortung weniger Fleisch eingekauft haben, wäre auch sehr interessant. Hast Du auch hierzu irgendwelche Infos?

    „Zu den größten Lügen des Lebens gehört nunmal, man(n) könne doch nichts ändern…“

    Belege, wie tätige Verantwortung tatsächlich was bewegt, wären entsprechend gute Neuigkeiten.

    • Danke, @Tobias Jeckenburger

      Tatsächlich steigt in Deutschland auch der Anteil der sich flexitarisch, vegetarisch oder gar vegan Ernährenden nicht nur in Umfragen stark an, auch die Nachfrage nach Pflanzenkost-Ersatzprodukten expandiert sehr stark, vgl.

      https://www.rewe.de/ernaehrung/vegetarisch/zahlen-und-fakten-ueber-vegetarier/

      Entsprechend schnell sinkt auch der Fleischkonsum (nicht nur) in Deutschland, vgl.

      https://de.statista.com/themen/1315/fleisch/#topicOverview

      Wie Sie wissen, bin ich kein Freund von Verboten. Ich fände es aber gut, wenn in Produkten aus industrieller Massentierhaltung die erheblichen externalisierten Kosten eingepreist würden.

      Gleichzeitig habe ich mich bei der Faust-Rede in Knittlingen dafür ausgesprochen, den ermäßigten Mehrwertsteuer in der Gastronomie für fleischfreie Gerichte beizubehalten, um generelle Preissteigerungen auf Kosten der Ärmeren zu vermeiden, vgl.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/faustmuseum-knittlingen-2023-sind-wir-maenner-noch-zu-retten-faust-goethe-und-das-boese-in-uns-selbst/

      Die soziale Schere sollte nicht immer weiter aufgehen, auch gerade nicht in Fragen der Geselligkeit, schmackhaften, Mitwelt-bewussten & gesunden Ernährung.

  19. @Michael 21.08. 13:58

    „Entsprechend schnell sinkt auch der Fleischkonsum (nicht nur) in Deutschland, vgl“

    Der Link ist interessant. Ein Rückgang seit 2018 von 15%. Und der hauptsächlich beim Schweinefleisch. Und das überwiegend freiwillig, nicht aus Armut. Hier bewegt sich was.

    „Wie Sie wissen, bin ich kein Freund von Verboten. Ich fände es aber gut, wenn in Produkten aus industrieller Massentierhaltung die erheblichen externalisierten Kosten eingepreist würden.“

    Wenn man nur die EU-Subventionen nicht einfach streichen, sondern auf Pflanzliches umleiten würde, dann wäre die Gesamternährung ja nicht teurer.

    „Die soziale Schere sollte nicht immer weiter aufgehen, auch gerade nicht in Fragen der Geselligkeit, schmackhaften, Mitwelt-bewussten & gesunden Ernährung.

    Mehr Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte kann dann auch mit einer Aufhebung der Mehrwertsteuer für pflanzlichen Produkte und für die Gastronomie ausgeglichen werden.

    Die aktuellen Preissteigerungen sind wohl hauptsächlich durch auch kriegsbedingte höhere Weltmarktpreise verursacht. Die Harz4-Sätze sind entsprechend zum 01.01.2023 um 50 € erhöht worden. Für manche Geringverdiener könnte die Lage aber derzeit schwieriger geworden sein.

    Andererseits kommen die aktuellen Preise den Bauern zugute, die sich schon seit Jahrzehnten mit Überschüssen ihrer eigenen Produktion das eigene Einkommen klein gehalten haben. Das muss jetzt aber auch nicht ausarten. Hier kann man reagieren, und als erstes mal den Energiepflanzenanbau wieder einstellen.

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