Faustmuseum Knittlingen 2023: Sind wir Männer noch zu retten? Faust, Goethe und das Böse in uns selbst

Normalerweise bemühe ich mich ja, Befunde der Religions- und Politikwissenschaft einschließlich der Metaphorologie in kleinen, verdaulichen Happen zu bloggen. Bei Goethes Faust ist das jedoch nicht ernsthaft möglich – schon sein noch zu Lebzeiten zurückgehaltener “Faust II” ist ein solcher Text-Leviathan, dass selbst die monumentale Aufführung durch das Württembergische Staatstheater von 1976/77 den Text massiv kürzen musste.

Großartiges Lebenswerk, aber faktisch unaufführbar – Goethes “Faust II” mit den Original-Streichungen zur Aufführung durch das Württembergische Staatstheater. Foto: Michael Blume

Entsprechend habe ich mich über die Einladung von Bürgermeister Alexander Kozel und des Faustmuseums der – seit Kurzem offiziell so benannten – Fauststadt Knittlingen gefreut, im Museum über “Verschwörungsmythen und Antisemitismus – Das Böse in uns selbst” zu sprechen. Es war mir jedoch klar, dass damit auch ein erhebliches Stück Arbeit zu leisten war.

Einladung zu meinem Faust-Vortrag heute (18.07.2023) Abend. Foto & Screenshot: Michael Blume

So vertrete ich die These, dass die deutsche Aufklärung und Romantik durch die Metaphern von Wasser und Quellen geprägt sind, wogegen das englische “Enlightenment” direkt auf Licht und Feuer verweist. Entsprechend rang das Deutsche stärker mit den Paradoxien der Zeit: ur-sprünglich “rein” sind Wasser und Quellen nur am Anfang. Bis heute gelingt es leider nur wenigen, die Aufklärung mit der Technologie des Klärwerks zusammen zu denken. Das englische Enlightenment suchte dagegen nach dem rechten Maß: Zuviel Licht und Feuer erleuchten und wärmen nicht mehr, sondern verblenden und verbrennen. Der englische Faust will 24 Jahre feurig leben, der deutsche Fast dagegen nach dem einen glücklichen “Augenblick” sterben.

Der deutschsprachige Goethe ist nicht weniger als “der” deutschsprachige Literat des Wassers und nicht zufällig handelt auch schon sein populärstes Gedicht – Der Zauberlehrling (1797) – selbstverständlich von entfesselter Wassermagie / -technologie. 

Goethes bekanntestes Gedicht “Der Zauberlehrling” (1797), 2021 gelesen von Katharina Pütter.

Während also der englische Faust unter Christopher Marlowe noch ganz in der Metaphernwelt des Feuers bleibt und am Ende durch Explosion und Bücherbrand vom Teufel geholt wird, arbeitet Goethes “Faust II” die Metaphernwelt des Wassers bis zum Exzess aus – so mit der Künstlichen Intelligenz des Homunculus, der sich im Wettstreit der Philosophen für den Gelehrten des Wassers, Thales von Milet entscheidet. Entsprechend wird (nur) der deutsche Faust am Ende auch durch “das Ewig-Weibliche” vor der Hölle gerettet. Dieses rätselhaft wirkende Ende lässt sich durch Goethes Tagebucheintrag vom 14. Mai 1787 über ein traumatisches Nahtod-Erlebnis zwischen Messina und Capri entschlüsseln.

Die große Gesamtidee, dass uns Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832) insbesondere in seinem großen Werk über den Knittlinger Doktor Johann Georg Faustus (1480 – 1514) einen Schlüssel zum Verständnis des Bösen und auch des Antisemitismus bietet, stammt dabei aber nicht von mir. Hans Blumenberg (1920 – 1996) überlebte als Kind einer zwar christlich getauften, aber nach NS-Rassenlehre dennoch jüdischen Mutter Lagerhaft und Holocaust-Verfolgung und wurde nach dem Krieg vor allem in Münster einer der bedeutendsten Philosophen in deutscher Sprache. Heute ist er m.E. relevanter denn je. Noch in seinem letzten Semester in Münster stellte Blumenberg laut der Biografie von Jürgen Goldstein klar, dass es nur eine Lektüre gegeben habe, die ihn glücklicher gemacht habe als alle Philosophie: Goethe.

In direkter Auseinandersetzung mit Goethe, Napoleon, der Bibel und Hitler entwickelte Blumenberg eine zentrale These, die die Metapher von der Rücksichtslosigkeit der Menschen am zu Ende gehenden Buffet vorwegnimmt. Blumenberg schrieb:

„Enge der Zeit ist die Wurzel des Bösen.“ [„Lebenszeit und Weltzeit“, Suhrkamp, S. 71]

Langer Text & kurze Rede

Nun bin ich nur ein Blume und kein Blumenberg. Damit ich Knittlingen für die Einladung auch wirklich danken kann, statt die Anwesenden allzu sehr „bestrafe“, biete ich hiermit das Konzept einer zweiseitigen Rede: Neben der kürzeren, schnelleren, dialogischen und also in allem riskanteren Sprache vor Ort im Museum (dem Rede-Fluss) finden Sie hier auf meinem Wissenschaftsblog den längeren, mit Quellenangaben angereicherten und ausgearbeiteten Text. Die Warnung ist also gebloggt: Dieser Text ist lang und auf Nerd-Level. Ich meine, Goethe und Faust gehören zu den lohnendsten Stoffen, die die deutsche Literatur und Metaphernkunde überhaupt – und insbesondere in unserer Zeit der Klima- und Wasserkrise – zu bieten hat! Aber hier gibt es keinen Zwang.

Gewidmet ist diese Faustrede meinem damaligen Deutschlehrer Willi-Klaus Nawrath, der für Klett die “Faust-Stundenbücher” verfasst hatte und mich als Arbeiterkind im Deutsch LK mit Goethe-Begeisterung ansteckte. Nach Jahren der Entfremdung aufgrund von Goethes großbürgerlicher Arroganz gegenüber Frauen, Arbeitern und Juden haben mich Blumenberg und eben die Einladung in die Fauststadt Knittlingen zu einem neuen, tieferen Verständnis “des” deutschen Dichters zurückgeführt. Für mich persönlich schloss sich mit der Einladung ins Faustmuseum daher auch ein biografischer Kreis. Sie wissen ja: Ad fontes – zurück an die Quellen!

 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

83 Kommentare

  1. Bis heute gelingt es leider nur wenigen, die Aufklärung mit der Technologie des Klärwerks zusammen zu denken. Das englische Enlightenment suchte dagegen nach dem rechten Maß: Zuviel Licht und Feuer erleuchten und wärmen nicht mehr, sondern verblenden und verbrennen.

    Wenn a bisserl Aufklärung ja auch reichen täte – und Bücher nicht verbrannt, aber gestrichen, “gecancelt” werden sollen….

    Der englische Zweig der Europäischen Aufklärung war nicht anders gestrickt als der anderswo.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    • Wie geschrieben, lieber @Webbaer – die englischsprachige Metaphernwelt von Enlightenment, Licht und Feuer 🔥 unterscheidet sich grundlegend von der deutschsprachigen Wortwolke um Aufklärung, Quellen und Wasser 💧. Genießen Sie Faust oder auch z.B. den Prager Golem! 😊📚🇪🇺

  2. Ich beschäftige mich nun ja seit jahrzehnten mit Goethe. Hab nun ach ich armer Tor in Leipzig und Berlin mehrmals den FAUST gesehen und bin so klug als wie zuvor. Dass , was sie darin lesen , ist mir jedenfalls bis her völlig fremd. Goethe hat Faust als Allegorie angelegt und die Figuren transportieren seine Überlegungen zum Sinn des Lebens, sind also Kunstfiguren. Die Inkarnation des Bösen ist Mephisto und der “verführt” den suchenden Faust durch das was das Leben eigentlich ausmacht-wie Liebeslust und andere Triebe – gesehen in dem wilden zügellosen Hexentanz auf dem Brocken . Dieser verstaubte ,lebensabgewandte Faust, der in der Philosophie, Juristerei und Religion seinen Sinn gesucht hat, entdeckt in diesem prallen Leben ein neues Lebensgefühl. Und das ewig Weibliche zieht uns an, was schon Siegmund Freud wusste und was in dem er dem ES huldigte und was Goethe in seiner Jugend -wie alle normalen Jugendlichen huldigte, in dem er sich mit dem weimarischen Herzog Ernst August so richtig austobte und ihm die Mädchen für seine Liebe beschaffte (Siehe das Gedicht “Ilmenau”) In der Zeit der Aufklärung ging es meiner Sicht nach weniger um Wasser sondern um neue Weltsichten in einer damals durch den Feudalismus verkrusteten Zeit . Junge Stürmer und Dränger , wie Schiller, der mit seinem Franz Mohr die Welt verändern wollte, suchten die Menschen mit ihrer Literatur umzustimmen und Goethe mit seinem Werk: Die Leiden des jungen Werther. Letzteres hatte auch Napoleon gelesen und hat ihn wohl auch mit geformt., was er ja dann, als er Goethe persönlich in Erfurt traf, betonte. Das Böse in uns Selbst ,wenn sie diesen Begriff schon gebrauchen, ist das “Normale ” da Menschen keine Kunstfiguren sind und der Hexentanz auf dem Brocken findet in jedem statt.

    • Vielen Dank für Ihr Interesse an Goethe und seinem Faust, @Golzower!

      In Ihrer verständigen Deutung des Goethe-Faust nehme ich (neben dem noch nicht gezogenen Vergleich mit dem englisch-„feurigen“ Marlowe-Faust) schon die spätere Unterscheidung von Geistes- und Naturwissenschaften wahr, die gerade auch bei Goethe noch nicht bestand, nicht einmal angestrebt wurde. Wie die meisten seiner Zeitgenossen sah der große Weimarer einen großen Zusammenhalt aller Wissenschaft. So hing Goethe selbst sogar lange der Wasser-als-Urmaterie-Lehre des Neptunismus an, bevor er sich wiederum von Alexander von Humboldt davon abbringen ließ. Eine schöne Übersicht über den Neptunismus (den ich aus Platzgründen ebenso wie die Delphine & die Entelechie im Skript leider nicht auch noch aufnehmen konnte) finden Sie hier:

      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Neptunismus

      Gerne darf ich auch Sie herzlich ermutigen, wie schon Blumenberg vor uns immer wieder in das große Lebenswerk Goethes… einzutauchen. Es lohnt! 😊💧📚

  3. Die Behauptung des Bestehens einer “Klimakrise” ist ebenso aberwitzig wie die Behauptung in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, es gäbe eine “Judenfrage”. In beiden Fällen werden Notstände konstruiert, die als Rechtfertigung für drastische Maßnahmen herhalten, in beiden Fällen handelt es sich um Zeitgeist-Phänomene und Formen der Massenhysterie unter Einbeziehung eines angeblichen wissenschaftlichen Konsens. So wie die unsinnigen Klima-Simulationen in Potsdam gab es auch damals unsinnige Prognosen der Bevölkerungsentwicklung seitens akademischer Kreise, kurz: “der Wissenschaft”. Das unkritische Hochjazzen des Klima-Narrativs zeugt von notorischer flagranter Geschichtsvergessenheit und ist ein Kontraindiz gegen die Bestallung des Herrn Blume ausgerechnet zum Wächter darüber, wie gut Geschichte hinsichtlich früherer wissenschaftsgestützter Ideologeme wie der sogenannten “Rassenhygiene” (“Rasse-Astel” war während der NS-Zeit Rektor der FSU Jena) aufgearbeitet wird.

    • Wow, @Thomas Liffert – mit der Gleichsetzung von Wissenschaft und Mitweltschutz mit dem Rassismus & Antisemitismus der deutschen Nationalsozialsozialisten haben Sie gleich mal einen tiefen Einblick in die Abgründe doitschen Denkens geboten. Meine Güte, was für ein wissenschaftsfeindlicher Dualismus…

      Ich sollte wohl wirklich öfter über Goethe arbeiten, da werden auch die Untiefen deutschsprachiger Verschwörungsmythen sehr schnell sichtbar… 🤔🇩🇪🇪🇺💧🔥

      Da ja auch Nius-Mitgründer Julian Reichelt gerade durch entsprechende Ausfälle gegenüber der Berliner Polizei von sich reden macht, hier gerne der Hinweis auf eine Podcast-Folge zur rechtslibertären Strategie von NS-Gleichsetzungen:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/verschwoerungsfragen-41-von-ns-gleichsetzungen-und-vergleichen-sophie-scholl-und-roland-baader/

      Ich wünsche Ihnen, dass Sie aus diesen Untiefen noch herausfinden mögen…

  4. @ Blume

    Zunächst möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Sie haben mich ausgehalten und das macht Ihnen so schnell keiner nach. Und daß Sie Goethe wiederentdeckten, obschon er nicht Ihren moralischen Kriterien entspricht, spricht für Sie. Denn wir sind Kinder unserer Zeit und das müssen wir auch den Altvorderen zubilligen.

    Ich habe aber vieles gegen Sie. Sie gebrauchen neue Begriffe, wahrscheinlich, um sich gegenüber den Begriffen der Nazizeit abzusetzen. Ich habe das jetzt nicht en détail verfolgt. Bedenken Sie, daß auch Sektengurus neue Begrifflichkeiten einführen, um die Jünger von ihren familiären Bindungen los- und an den Guru anzubinden. Wer sind Sie? Des weiteren sind Sie CDU-Mitglied. Ich bin in mich gegangen und habe mich gefragt: Hilsebein, was stört dich denn an M. Blume? Warum regt er dich auf? Kann er dir nicht gleichgültig sein? Die Antwort scheint mir zu sein: Sie sind in der falschen Partei. Ich weiß nicht, vielleicht bin ich einfach zu alt für diese Welt, aber unter F.J. Strauß hätte es keine Partei rechts davon gegeben. Warum? Weil er Konservativen ein politische Heimat gegeben hätte. Man muß die Konservativen nicht mögen, aber ihre Existenz zu leugnen wäre unklug. Fragen Sie sich daher, ob auch Sie durch Ihre Woke Sprechweise der AfD Vorschub leisten. Normalerweise würde ich Sie jetzt darum bitten, dies nicht zu veröffentlichen. Aber Ihre Replik ist wichtig.

    • Der Dank ist ganz meinerseits, @Dietmar Hilsebein. Schon seit einiger Zeit führen Sie uns bestätigend fragile Männlichkeit und Freund-Feind-Dualismus vor: Die reaktante Verweigerung von echtem Dialog, Neid auf die Erfolge anderer, entsprechende Abspaltungen und ad-hominem-Angriffe. Tragisch, aber leider sehr gewöhnlich.

      Erst vor Kurzem haben Sie ja allen Ernstes Schutzmaßnahmen gegen die Folgen der Klima- und Wasserkrise mit dem NS-„Ermächtigungsgesetz“ (!) gleichgesetzt, hier:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/warum-buecherverbrennungen-dualismus-foerdern-und-freiheitsrechte-missbrauchen/#comment-139131

      Statt jedoch diese groteske, dualistische Entgleisung zu bedauern, setzen Sie lieber Ihre persönlichen Angriffe gegen mich fort. Keine Sorge, ich bin das gewohnt. Es entspricht ja auch sehr genau meinen oben geschilderten Beobachtungen zu vielen Männern bei Goethe und Faust.

      Ja, ich achte, liebe unsere deutsche Sprache so sehr, dass ich Begriffe und Traditionen immer wieder kritisch und konstruktiv prüfe. Die von Ihnen bemängelten „neuen Begriffe“ sind dabei meist gar nicht neu, sondern wie Mitwelt (Helmuth Plessner), Dualismus (Rabbi Sacks) oder Verschwörungsmythen bereits bestehende Varianten unserer Sprache, die ich jeweils auch vorgestellt und diskutiert habe.

      Nein, ich bin kein „Guru“, sondern erziele mit praktischer, dialogischer und wissenschaftlicher Arbeit eine gewisse Wirkung. Es liegt an Ihnen, ob Sie sich konstruktiv beteiligen oder neidvoll (weiter) verbittern.

      Es gab auch zu Lebzeiten des ebenso geschätzten wie umstrittenen Franz Josef Strauß immer wieder Erfolge rechtsextremer Parteien. Heute kommt noch die zugleich zersplitternde und polarisierende Wirkung des Internets dazu, die auch Sie gerade verspüren. Mir ist keine Demokratie bekannt, die nicht davon betroffen und oft auch bedroht wäre. Strauß scheiterte ja schon bundespolitisch am SPIEGEL und wir dürfen mutmaßen, wie es ihm mit dem World Wide Web ergangen wäre.

      Ja, als Christdemokrat bin ich Hass gewöhnt und werde oft am gleichen Tag als „linksgrünversifft“ und „rechts“ angekoffert. Doch auch hier zeigt der internationale Vergleich: Alle Demokratien benötigen auch bürgerliche, konservative und liberale Parteien – und der Untergang christdemokratischer Parteien wirkte sich sogar besonders schädlich aus. Also bleibe ich demokratisch aktiv und habe über die Bedeutung von Mitgliedschaften in demokratischen Parteien sowie der Brandmauer nach Rechtsaußen auch unlängst bei der SPD Stuttgart gesprochen:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/mit-der-spd-stuttgart-gegen-jeden-antisemitismus/

      Lieber Herr Hilsebein, selbstverständlich steht es Ihnen frei, die Thesen zu Reaktanz und Dualismus gerade auch unter uns Männern weiter zu bestätigen. Ich traue Ihnen jedoch auch die Kraft zu, Ihre „Ermächtigungsgesetz“-Entgleisung zu überdenken und klarzustellen und sich wieder konstruktiv auf Inhalte (wie die Faustrede) zu beziehen. Diese Freiheit und Verantwortung liegt ganz alleine, ganz monistisch bei Ihnen.

      Ihnen von Herzen alles Gute! 👍

  5. @ Blume

    “Erst vor Kurzem haben Sie ja allen Ernstes Schutzmaßnahmen gegen die Folgen der Klima- und Wasserkrise mit dem NS-„Ermächtigungsgesetz“ (!) gleichgesetzt, hier:”

    Richtig, ich bezog mich auf:

    “Angesichts fortschreitender digitaler Verrohung, Klima- und Wasserkrise werden wir einen stärkeren Staat mit strengeren Regeln brauchen, um relativistische und dualistische Menschen rechtzeitig zu stoppen, sie nicht in Chaos und Gewalt zu entlassen. Die kriegen Freiheit aus sich heraus nicht anständig hin…”

    Krisen eignen sich prima für Ermächtigungsgesetze. Viktor Orbán hat es doch während der Coronakrise vor -bzw. nachgemacht. Wenn Sie nun Menschen “stoppen” wollen, die wie ich dualistisch, relativistisch, reaktant, böser weißer Mann mit dem Hang zum unaussprechlich Bösen haben, so besteht die Gefahr, daß Sie selbst in den Totalitarismus abgleiten. Bisher sehe ich diese Gefahr bei Ihnen nicht, da Sie mich ja gar nicht gestoppt haben. Hier schließt sich der Kreis zu Faust und Mephistopheles: der Pakt mit dem Teufel wird unbewußt vollzogen.

    • Danke, ein guter, erster Schritt aus der Sackgasse, @Dietmar Hilsebein. Sinnigerweise blockieren Sie sich durch Ihren Dualismus bis zu bizarren NS-Gleichsetzungen und persönlichen Vorwürfen noch selbst.

      Wie wäre es, wenn Sie einmal das Gedankenspiel des Monismus nur für einen Moment wagen? Demnach würde ich gerade keine Vorwürfe an andere Männer richten, ohne mich dabei auch selbst zu hinterfragen. Die von Ihnen herbeifantasierten Gefahren eines Totalitarismus oder Sektengründung bestünde dann gar nicht. Und meine Appelle auch an Ihr Potential wären ernstgemeint.

      Sicher, dass mag sich für Sie verwegen anhören. Aber ein nicht-dualistisches Denken ist möglich und hilfreich.

      Ihnen alles Gute!

  6. @Michael Blume – das wird jetzt möglicherweise ein wenig o.t. werden, aber da es dauernd auftaucht, möchte auch ich was zu ihrer “verachtenswerten politischen” Herkunft sagen.
    (Vielleicht gehört es aber auch genau zum Thema, weil ich es als Frau sage. Habe mir den langen Text durchgelesen und staune über “das Problem”.)

    Auch ich musste “in mich gehen” um zu erkunden, worin das besteht, was ich an ihnen als “seltsam” empfinde (ich gestehe, das tat ich alte Anarchistin, die an keine Autorität, aber dafür an “Selbstverantwortung” glaubt) – und habe ein Bild dafür gefunden:
    sie sind einer dieser Männer, der (womöglich) weiße Socken zu Sandalen trägt.

    (Ernsthaft, klingt zwar komisch, ist ja kein Verbrechen, aber schon so etwas wie eine vollkommen andere, mir fremde Kultur.)
    Und das beste war (obwohl es mir ein klein wenig peinlich ist, das jetzt aufzuschreiben): ich hab die Fantasie, dass ihre liebe Ehefrau das nicht gestattet. Und sie sich das widerum gefallen lassen.
    (Hoffentlich lande ich jetzt nicht in einem fetten Fettnäpfchen!)

    Ich meine damit nicht, dass ich das fest glaube (dass ihnen ihre Frau Kleidervorschriften mache) – es ist ein Bild, keine Metapher.

    Um dem einen dem (langen) Text entsprechenden Sinn zu geben: Frauen fragen halt nicht (wie z.B. in der Gralsgeschichte) danach “Was fehlt” (die Frage fehlte ja, als der junge Parzival dem kranken Anfortas begegnet), sie tun es. Sie geben.

    Oder, um es mit Erich Kästner ganz unesoterisch zu formulieren: “Es gibt nichts Gutes, außer man tut es”.

    Egal, ob es die Gralsgeschichte ist, der Sommernachtstraum (ebenfalls hochgradig “esoterisch aufgeladener” Stoff) oder Faust 2, es geht immer darum, dass die Jungs sich nen Kopf machen, darüber “das Eigentliche” vergessen und dann, mehr oder weniger bewusst, nach einer “Vereinigung” streben.
    Statt sich beim Thema Ambivalenz mal richtig an die “eigene Nase” zu packen. (Die letzten Anführungszeichen mögen als Doppeldeutigkeit gelesen werden) – es geht halt darum, sich mit dem (der) anderen zu vereinen; aus “den beiden Hälften der Welt” wieder eine einzige zu machen, seine “Illusionen” zu überwinden. (Ein vorweg genommener Konstruktivismus?)

    Das ist irgendwie so ein “Männerding”(?) Sie beschreiben es in dem Text als etwas deutsches, bzw. zerrissenes, wenn “mann” sich, im Laufe seiner Entwicklung darüber klar wird, dass jedes “Ding” (und somit auch jede Energie) zwei Seiten hat.

    Es ist doch völlig normal (und nicht “esoterisch”), festzustellen, dass Wasser sowohl nähren, Fruchtbarkeit ermöglichen, als auch zerstören, alles wegreißen kann. Dito das Feuer: erhellend und vernichtend.

    Ist das für Männer wirklich so schwer, einen einmal gefassten “Glaubensinhalt” so zu erweitern, dass er wieder mit der Realität übereinstimmt?
    (Ernsthafte Frage, die mich schon länger beschäftigt.)

    Diese “Demut” (ich würde es “Realismus” nennen) liegt Frauen hält näher, zumindest in meinen Augen.

    Fragen sie mich nun bitte nicht, was das mit der Farbe ihrer Socken zu tun hat; wie gesagt, es ist keine Metapher, nur ein Bild, warum mir ihre (politische) Herkunft so fremd erscheint.
    Ich glaube nicht, dass es sich so verhält, es fühlt sich nur so an, wie wenn es sich so verhielte.
    (Auch ihrer Frau möchte ich weder den besseren Kleidungsgeschmack noch eine solche Einmischung unterstellen. Es ist ja auch nicht “mein ganzes Bild” von ihnen; an anderer Stelle haben sie ja den “Reichtum des Herzens”/der Dialogfähigkeit beschrieben – und sie leben diese Offenheit, diesen Reichtum.)

    Ich habe eher den Eindruck, dass sie in der Lage sind, zu erkennen, wie unwichtig diese hellen Socken sind (wenn es denn jemand ihrem “Kulturkreis” nahe bringt).
    —————
    Übrigens sehe ich da eine Lösung bei Frau Ahrendt: es geht (meiner unbescheidenen Meinung nach) um den Unterschied zwischen “Denken und Handeln” (eine “Vita activa”).
    Im Kopf, also während des Denkens, ist “die Quelle” zeitlos, da beim Planen die Handlung noch nicht geschehen ist, immer auch anders gedacht werden kann.
    (Erst eine reale Handlung hat Konsequenzen (gebären erzeugt Menschen); Denken mag fruchtbar sein – kann aber auch “furchtbar”.)

    Es geht philosophisch gesehen weniger darum, dass wir sterblich sind, es geht mehr darum, wie wir leben.
    (“Dualismus” ist ne Illusion – wie alles andere auch…)
    ————
    P.S.: Die “Gretchenfrage” – sie “tut es” auch hier, denn sie fragt nicht, ob er “zeugen will” (seine “Nase” in sie stecken), sondern ob er die Verantwortung (für den “göttlichen Funken”, unsere Fruchtbarkeit) tragen wolle.

    (Ich hoffe, das ist jetzt nicht zu viel “Metaphorologie” gewesen.)

    • Danke, liebe @Viktualia.

      Tatsächlich scherzen meine Frau und ich oft über Socken – aber gerade deswegen, weil ich gar keine weißen habe, sondern gerne Themensocken trage: Etwa zu Star Wars, Marvel, Büchern, GoT usw.

      Ein Beispiel hier:

      https://sueden.social/@BlumeEvolution/110461683429521371

      Mir scheint, dass Sie mich für einen halbierten Konservativen handeln. Ich verstehe mich jedoch eher als ganzer Evolutionär. Wenn das Dualismen ver- oder gar zerstört, so freut mich das.

  7. So vertrete ich die These, dass die deutsche Aufklärung und Romantik durch die Metaphern von Wasser und Quellen geprägt sind

    Was dient Dir denn als Beleg für deine These? Weil das Wort Auf-klärung mit Klär-werk irgendwie zusammenpasst? Das alleine kann es ja wohl nicht sein.

    Die Romantik interessiert mich weniger, für Hinweise auf Stellen in der deutschen Literatur der Aufklärung wäre ich dankbar.

    Die Neuzeit sollte der Dunkelheit des Mittelalters das Licht der Erkenntnis entgegensetzen (Wikipedia)

    Das trifft (auch) auf die deutsche Aufklärung zu. Vrgl.: Der Himmel klart auf.

    Dass das Mittelalter als trocken oder trüb bezeichnet würde, ist mir nicht bekannt.

    Man sollte nicht alles verwässern. Verwässern schafft keine Klarheit. Und um Klarheit ging es doch eigentlich, nicht?

    • Ja, Joker – von der deutschsprachigen Metaphernwelt der Aufklärung sehen wir nur die Spitze des Eisbergs, während wir beständig nach den Quellen (!) suchen, in Lebens-, Bewusstseins- und Informationsströmen unterwegs sind und bei uns nicht nur die Zeit, sondern auch das Geld, der Strom, das Blut und der Mainstream (!) fließt.

      Sie erwarten rationale Begründungen für vorbewusste Prozesse, statt letztere erst zu verstehen & aufzuklären. Vgl. Das deutsche Handy & englische Cellphone.

      Sie könnten natürlich auch versuchen, allen angeführten Belegen das Wasser abzugraben und so tief tauchen, bis Sie den Metaphern unserer Sprache auf den Grund gegangen sind. 🤭

      Ernsthaft: Wenn Sie den metaphorischen Unterschied zwischen Erklären und Erleuchten nicht erkennen – wer könnte Ihnen dann noch helfen?

      • Sie erwarten rationale Begründungen für vorbewusste Prozesse,

        Durchaus nicht. Ich hatte auf Belege für eine These gehofft. Die These scheint mir bewusst formuliert worden zu sein.

        Ihre These lautete,

        dass die deutsche Aufklärung und Romantik durch die Metaphern von Wasser und Quellen geprägt sind, wogegen das englische “Enlightenment” direkt auf Licht und Feuer verweist.

        Im einzelnen:

        Lebens-, Bewusstseins- und Informationsströme[]

        Der Flow als Bewusstseinszustand schlechthin, aber auch flow of life und flow of information scheinen zu zeigen, dass Begriffe rund um das Wasser auch im Englischen gerne in Metaphern verwendet werden, auch beim Streaming.

        das Geld, der Strom, das Blut und der Mainstream (!) fließt.

        Nicht nur im Deutschen, sondern auch im Englischen fließen cash, electricity und blood.

        Panta rhei.

        Das ebenfalls aufgeführte ,Mainstream‘ bestätigt, so meine ich, ja sogar direkt, dass diese Metaphern nicht etwas typisches, gar spezielles der deutschen Aufklärung sind.

        Übrigens denke ich auch bei der Aufklärung eines Kriminalfalls nicht zuvörderst an ein Klärwerk, sondern eher daran, dass dort erfolgreich Licht ins Dunkle gebracht wurde.

        Es geht noch weiter – der Nebel verzieht sich. Beim Klären des Wassers wird dieses wieder lichtdurchlässig. Klar! Man könnte also sogar auf die Idee kommen, dass ,klären‘ sich immer schon direkt auf Licht bezogen hat, Aufklärung und Erklärung damit dann auch.

        Eine Wassermetapher finden wir hingegen in lichtdurchfluteten Räumen.

        • Ach so, @Joker – Sie haben die These falsch verstanden. Okay, dann erkläre ich sie noch einmal:

          Gesagt wird ausdrücklich nicht, dass es im Englischen keine Wasser- und im Deutschen keine Feuermetaphern gebe. Sondern gesagt wird „nur“, dass jeweils Enlightenment und Aufklärung an diese jeweils unterschiedlichen Metaphernwelten anschließen. Die Wirkungen sind weitgehend unbewusst – können und sollten aber durch Metaphorologie nach Blumenberg aufgeklärt und erhellt werden. 🙂

          Entsprechend „blieb“ Marlowe beim „feurigen“ Faust, wogegen der dem Wasser zugeneigte Goethe im Faust II riesige, kreative Texte etwa zum Homunculus-Thales und zur Errettung durch das „Ewig-Weibliche“ a la Messina/Capri anschloss.

          Es geht also ausdrücklich nicht darum, Ihre Freiheit durch einen Wasser-Feuer-Dualismus zu beschränken, sondern Ihre Freiheiten durch das Wissen um die Macht der Metaphern zu erweitern!

          Auch hier also kein Dualismus, aber auch kein Relativismus (Sprache sei wirkungslos), sondern ein dialogischer, zur Selbstreflektion ermutigender Monismus.

          • Danke für die Erläuterung. Ich komme leider erst etwas verspätet zu einer Antwort, bzw. Nachfrage

            Ach so, @Joker – Sie haben die These falsch verstanden.

            Ja, ich Dummerchen, ich verstehe so einiges falsch und teils sogar gar nicht.

            Sondern gesagt wird „nur“, dass jeweils Enlightenment und Aufklärung an diese jeweils unterschiedlichen Metaphernwelten anschließen

            Was ich z.B. nicht verstehe, inwiefern sollen Begriffe aus dem Deutschen, die es im Englischen ganz ähnlich gibt, die nicht einmal aus Quellen zitiert wurden, die der Aufklärung zuzurechnen sind, diese These belegen?

            Wie ich bereits zu zeigen versuchte, Klärung bezieht sich immer auf Sicht. In diesem Zusammenhang kann es auch auf Wasser bezogen werden, wird dadurch aber nicht zu einer Metapher des Wassers, sondern bleibt eine des Lichts.

            Alleine daraus, dass es Faust in feuriger (englischer) und wässriger (deutscher) Form gibt, zu schließen, es gebe sogar bezüglich der ganzen Aufklärung solche länderspezifischen Unterschiede, scheint mir immer noch sehr gewagt.

            Ich hoffe also, anstatt einer erneuten Klarstellung, was die These besagt, immer noch auf Belege für diese.

            Als Kant die Frage stellte und beantwortete – Was ist Aufklärung? – und auch zu Goethes Lebzeiten gab es übrigens noch gar kein Klärwerk.

          • Lieber @Joker,

            Sie brauchen sich nicht als „Dummerchen“ klein machen, denn Sie haben doch gerade selbst nach *Trommelwirbel* „Quellen“ (!) gefragt! Metaphern des Feuers oder eben auch Wassers werden vorbewusst verwendet und strukturieren unser Denken mit. Heute Morgen wurde im SWR3-Radio sogar launig über verschiedene Schimpfwort-Traditionen etwa in den USA, in Deutschland und Bulgarien berichtet. Da stehen ja auch keine formalen Beschlüsse dahinter, sondern kulturell tradierte Ströme (und schon wieder eins Wasser-Metapher…).

            Beste Grüße!

          • Entschuldigen Sie bitte meine Hartnäckigkeit in diesem Punkt. Die Aufklärung liegt mir eben sehr am Herzen, da bin ich ganz Feuer und Flamme.

            Sie haben doch gerade selbst nach *Trommelwirbel* „Quellen“ (!) gefragt!

            Wenn ich im Englischen meine Frage gestellt hätte, also nach den ‘sourcen’ wäre das doch auch eine Wassermetapher geworden. (Vergl. wiktionary: “The main sources of the Euphrates River are the Karasu and Murat Rivers.”)

            Metaphern des Feuers oder eben auch Wassers werden vorbewusst verwendet und strukturieren unser Denken mit

            Das stelle ich ja gar nicht in Abrede. Ich sehe aber leider immer noch keine Belege dafür, dass da im englischen ‘Englightenment’ etwas grob anders wäre als in der deutschen ‘Aufklärung’. Das ist doch ein wesentlicher Bestandteil Ihrer These, nicht?

          • Ganz genau, @Joker. Auf-Klären ist eine Metapher des Wassers und damit der Quellen. Die deutsche Aufklärung wäre anders verlaufen, wenn sie mit dem Begriff der Erleuchtung oder auch „nur“ Erhellung verbunden worden wäre. (Und Sie können daran ersehen, dass es die jeweiligen sprachlich-metaphorologischen Möglichkeiten in den Sprachen auch fast immer gibt.)

            In ersten Buch der Thora – der Bibel des Judentums – wird auch das Wasser in seiner Ambivalenz „vor“ dem Licht genannt. Und so kann Alfred Bodenheimer als Titelgeschichte der Jüdischen Allgemeinen schreiben: „Wasser ist Leben“:

            https://www.juedische-allgemeine.de/religion/wasser-ist-leben/

            Ebenso haben wir bei Goethe die starke Option für Wassermetaphern, laut einem neuen Buch auch bei Thomas Mann:

            https://www.kiwi-verlag.de/buch/volker-weidermann-mann-vom-meer-9783462002317

            Metaphern prägen unser Denken und Fühlen auch schon vorbewusst – und daher stimme ich Blumenberg darin zu, dass Philosophie die Macht von Metaphern aufklären / aufhellen sollte.

          • So sehr Thomas Mann auch das Meer mag, also das Wasser, so bringt aber auch er die Aufklärung in seinem Werk doch mit Licht in Verbindung. Zitiert nach Domenico Conte, Aufklärung, Zivilisation und nächtlicher Humanismus bei Thomas Mann (Quelle)

            „Aber Selbsterforschung ist meist schon
            der erste Schritt zur Wandlung.“

            Thomas Mann, On Myself, 1940

            I.

            „Guten Abend, Ingenieur! Ist es erlaubt, sich nach Ihnen umzusehen? Wenn ja, so bedarf es dazu des Lichtes, – verzeihen Sie meine Eigenmächtigkeit!“ sagte er, indem er die kleine Hand schwunghaft zur Deckenlampe emporwarf.

            Das Anzünden des Lichtes, das Tragen der Klarheit (das eben angeführte Zitat findet sich im Kapitel „Ewigkeitssuppe und plötzliche Klarheit“ des Zauberbergs) sind für Lodovico Settembrini, den italienischen Aufklärer und Humanisten, wie eine obligatorische Geste, eine Mission, ein Zwang und ein Automatismus. Wo er steht, dort erhellt Licht, das Licht der Vernunft. Und deshalb ist es „vernünftig“, einen Beitrag über Aufklärung bei Thomas Mann gerade mit der Analyse seiner Figur zu beginnen.

            Eventuell sollten Sie sich selbst etwas erforschen. Sie haben sich in der letzten Zeit viel mit Wasser beschäftigt, vielleicht ist das der Grund nun auch in der deutschen Aufklärung in erster Linie das Wasser zu sehen, obwohl dort doch meistens von Licht die Rede ist.

            Klärung und Auf-klärung sind Metaphern des Lichts, das ist klar wie Kloßbrühe.

          • Lieber @Joker,

            es ist wirklich nett, dass Sie meine These bestätigen – denn Thomas Mann bezog sich selbst & seine Familie stark auf das Meer und Wasser – beschrieb aber in Ihrem Zitat ausdrücklich den italienischen Begriff der Aufklärung bzw. des Enlightenment. Und diese heißt, *Trommelwirbel*: „epoca illuministica“, Epoche der Erleuchtung. Mann kannte und gestaltete die Macht und Tiefe der Worte verschiedener Sprachen. Ein wirklich schönes Beispiel, Danke! 🙏

            (Wenn Sie es weniger historisch mögen, empfehle ich einen Blick auf das Flammensymbol der derzeitigen italienischen Regierungspartei…)

            Sie können hier jetzt natürlich weiterhin das anonyme, feindselige Herausforderer-Männchen mit passiv-aggressiven Wechseln zu spielen versuchen – oder sich einfach selbst entspannt auf die faszinierenden, interkulturellen Entdeckungen der Metaphorologie einlassen. Die Zeit für Sie habe ich mir gerne genommen. Was Sie damit machen ist nun ganz alleine Ihre Entscheidung.

            Mit den besten Grüßen! 😊📚🇮🇹🇪🇺🙌

          • das Flammensymbol der derzeitigen italienischen Regierungspartei

            Sie halten das für die Fackel der Aufklärung?

            Wasser marsch!

          • Adorno und Horkheimer hätten hier wohl von der „Dialektik der Aufklärung“ (nicht der Erhellung!) gesprochen! 🤷‍♂️📚🤭

            „Wasser marsch“ gerne – aber genau daran fehlt es ja zunehmend… 😉🇪🇺

  8. Wenn ich in einem deutschsprachigen Text, der noch dazu von einem Dozenten für Geisteswissenschaften verfasst wurde, auf Anglizismen wie “Technologie” stoße, dann höre ich zu lesen auf!
    Ja, gewiss, es gibt das Wort Technologie im Deutschen, doch bei uns bezeichnet es die Lehre von der Technik! Ebenso abscheulich finde ich “Dokument” statt Schriftstück und am allerschlimmsten ist Netzwerk statt einfach Netz (siehe Stromnetz, Eisenbahnnetz).

  9. Goethe kenne ich noch aus dem Deutschunterricht. Wobei die damalige Interpretation des Faust ziemlich genau mit der Analyse von @Golzower übereinstimmt. Mehr Zuspruch gab es für „Die Leiden des jungen Werther“ mit dem sich Jugendliche sicher mehr identifizieren können. Insgesamt war Goethe, im Gegensatz zu Schiller, allerdings ziemlich unbeliebt, weil vielen die Doppelmoral in Bezug auf seine, offensichtlich nicht gesellschaftsfähige, Lebensgefährtin Christiane Vulpius nicht gefiel, deren Existenz er vor der Gesellschaft zu vertuschen suchte. Besonders widerwärtig fand man es, dass Goethe mit der Vulpis zwar mehrere Kinder hatte, er aber zwischendurch der 21-jährigen Henriette von Lüttwitz einen Heiratsantrag machte, den sie jedoch ablehnte. Daran ändert auch der Umstand wenig, dass er die Vulpius zehn Jahre vor ihrem Tod doch noch heiratete, sie jedoch am Sterbebett allein ließ und nicht mal zu ihrer Beerdigung ging.
    Gut, auch wenn man in der Regel den Dichter von seinem Werk trennen soll, so spielen die privaten Gegebenheiten bei Goethe doch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zur damaligen Zeit wird der karrierebewusste Dichterfürst für viele Männer ein nicht zu unterschätzendes Identifikationspotential besessen haben. Heutzutage würde er wohl eher zur Kategorie der patriarchalen „Alten weißen Männer“ gezählt werden. Obwohl ich Gedichte liebe, ist mir Goethe bis heute fremd geblieben, was wohl nicht zuletzt an seinem „Heideröslein“ liegen mag, das nach neuerer Interpretation eine Vergewaltigung beschreiben soll.
    Viele behaupten zwar, Goethe sei der letzte Universalgelehrte gewesen, allerdings zeichnete sich die Spaltung von Geistes- und Naturwissenschaften bereits ab. Das kann man auch daran erkennen, wie schnell Goethe mit seinen Erkenntnissen in den Naturwissenschaften an Grenzen stieß. Nicht nur sein „Neptunismus“ ist schlicht falsch, schlimmer noch, selbstbewusst wie er war dachte er sogar die optische Forschung von Issak Newton widerlegt zu haben, indem er eigene Experimente zur Farbenlehre postulierte. Leider fehlte dem studierten Juristen aber eine gründliche physikalische Vorbildung und so lehnten die meisten Wissenschaftler seine eher amateurhaften Erkenntnisse ab. Es ist halt heute auch noch so, wer in einem Bereich überragende Fähigkeiten besitzt, der meint oft, er hätte eine universelle Begabung für alle Disziplinen. Dabei wird häufig vergessen, dass es besonders in den Naturwissenschaften erst mal eine solide Grundlage braucht, um andere widerlegen zu können.

    • Vielen Dank, @Mona! Wie geschrieben hatte auch ich ja nach einer ersten Begeisterung lange ein sehr negatives Goethe-Bild. V.a. Blumenberg ließ mich ihn neu entdecken. Ich denke, dass seine Metaphorologie uns noch viele Werke neu & besser erschließen lassen wird.

  10. @Blume

    “Demnach würde ich gerade keine Vorwürfe an andere Männer richten, ohne mich dabei auch selbst zu hinterfragen.”

    Das ist eben das Problem, welches ich zum wiederholten Male schon ausgeführt hatte.“Wir Männer” gibt es in meiner Welt nicht. Für mich gibt es Bekloppte und weniger Bekloppte in dieser Welt, unabhängig von Geschlecht und Hautfarbe. Wenn Sie als Mensch reifen wollen, so hätte ich mich über Sie nicht lustig gemacht.
    Ich habe Ecken und Kanten und manchmal auch Krallen. Aber eines bin ich nicht: weichgespült.

  11. @Sind wir Männer noch zu retten? Faust, Goethe & das Böse in uns selbst

    „Wenn wir Männer nicht mehr länger rasende Besitzer von Umwelt, Frauen und Kindern sein wollen, sondern sanftere und ruhigere, „in uns selbst zurückgekehrte“ Partner für Mitwelt und Mitmenschen werden – dann könnten wir nicht nur individuell, dann könnte auch unser Schiff noch gerettet werden.“

    Es hat ja auch eine nicht unerhebliche Lebenszeitverschwendung in sich, sich hier Status und Sicherheit zu erarbeiten, die am Ende die eigene Lebensgrundlage beschädigen. Ein Leben komplett ohne Gemeinsinn ist sehr mangelhaft, gerade wenn man auch spirituelle Dimensionen einbezieht.

    Es taucht in dem Vortrag auch das Stichwort Kulturpessimismus auf. Gerade für dieses rücksichtslose Profitstreben werden unserer Kultur hier grundlegende Mängel zugeschrieben. Was durchaus gerne auch den Juden zugeschrieben wird, dabei versuchen doch gerade diese, jeden Menschen dazu zu bewegen, ihren Glauben immer wieder neu zu integrieren, indem sie sich mit der Thora auseinandersetzen.

    Und auch missionieren Juden nicht, und erkennen bewusst Andersgläubige an. Wobei man allerdings dennoch sehen muss, dass sich die Erkenntnisse der Wissenschaft nicht so leicht mit den traditionellen Texten vereinbaren lassen. Und dass letztlich jeder Mensch auch ein sehr individuelles Leben hat, dass eigentlich zu persönlich ist, als dass es sich so leicht in Jahrtausende Jahre alte Schriften integrieren lässt.

    Zumal man ja durchaus auch prüfen könnte, ob nicht die großen Weltreligionen nicht nur Fortschritte mit sich brachten, sondern gegenüber den vorherigen heidnischen Naturreligionen auch wirkliche Mängel beinhalten. So sind die noch erhaltenen Naturvölker doch ziemlich darauf bedacht, auch die Natur, in der sie leben, mehr zu schätzen und auch aktiv zu erhalten.

    Das scheint unserer Zivilisation im Kampf gegeneinander und gegen die Natur etwas abhanden gekommen sein. Wir versuchen das anscheinend gerade wieder zu entdecken.

    Ich finde, dass man Wissen und Glauben nicht einfach von einander trennen kann. Man kann doch gucken, wie man das weiterentwickeln, und annähern kann. Und insbesondere können wir uns ganz praktisch klar machen, dass wir mit unserer inzwischen etablierten Verschwendung nicht nur den ganzen Planeten ruinieren, sondern auch signifikant unsere eigene Lebenszeit dabei verschwenden.

    Ein praktisch gesehener genügsamer Wohlstand macht Arbeitszeit frei, um die Energiewende umzusetzen, aber auch dafür, den armen Ländern auf die Beine zu helfen, dass die mit dem unvermeidlichem Teil des Klimawandels zurecht kommen.

    Derweil man dann auch wirklich weniger arbeiten kann, und dann auch mehr Zeit hat, sich mit religiösen Schriften wie auch mit deren Vereinbarkeit mit Wissenschaft zu beschäftigen. Aber auch der Wissenschaft selbst täte es glaube ich gut, mehr Spiritualität zu suchen. So bleibt dann auch vom Kulturpessimismus nicht mehr so viel übrig.

    • Danke, @Tobias Jeckenburger. Genau diese Einsichten wollte ich durch den Goethe-Faust-Vortrag zum Klingen bringen. Ihre konstruktiven Kommentare sind mir sehr wichtig und motivierend geworden.

  12. @ Tobias Jeckenburger

    Ich finde, dass man Wissen und Glauben nicht einfach von einander trennen kann.

    Aber auch der Wissenschaft selbst täte es glaube ich gut, mehr Spiritualität zu suchen.

    Da bin ich raus. Warum? Weil ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir Amen, die kantischen Fragen so schön finde: „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? In der Auseinandersetzung mit den Schriften Swedenborgs fand ich Kant überzeugender. Deutlich steht mir vor Augen:

    “Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Daher ist es ebenso notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen, (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen,) als seine Anschauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe zu bringen). Beide Vermögen, oder Fähigkeiten, können auch ihre Funktionen nicht vertauschen. Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen. Deswegen darf man aber doch nicht ihren Anteil vermischen, sondern man hat große Ursache, jedes von dem andern sorgfältig abzusondern, und zu unterscheiden.”

  13. @Dietmar Hilsebein – wo ist denn da der Gegensatz?

    Wenn ich das recht verstehe, bemängelt Tobias Jeckenburger die Trennung von “Herz und Verstand” zu der es in unserer Zivilisation gekommen ist, weil der Anpruch “sorgfältig abzusondern und zu unterscheiden” uns über eine massive Naturferne die Klimakrise eingebrockt hat.

    Im Prinzip beschreibt Kant doch nur, dass die Wahrnehmung (heute als Neurologisches Phänomen wahrgenommen) vom Denken (einem “geistigen Phänomen”) nicht zu trennen ist.

    Es wäre ja sonst “keiner da”, der die (der Wahrnehmung folgenden) Gedanken wahrnimmt und “an sie glaubt”. (Es braucht ein Subjekt, das “sich seiner selbst bewusst ist”, um objektiv sein zu können.)

    Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.
    In dem Fall hat “Spiritualität” nix mit Göttern zu tun, es geht darum, das diese “Phänomene” letztendlich nicht ganz ohne “göttlichen Funken” (naja, Qualia würde eigentlich reichen) gedacht werden können.

    Wir, die denken, sind die “Götter”, die damit “Realität erschaffen”.
    (Leider auch die Teufel, die das Klima schrotten mit dieser “Macht”, mit der wir nicht verantwortlich umzugehen gewöhnt sind.)
    Wir sind nicht wirklich “erwachsen”, nicht “aufgeklärt” genug; zu einem “fruchtbaren Austausch” immer noch nicht fähig. Wir vermehren uns, bzw. unser Gedankengut, eher unkontrolliert.

    “Glaube” ist ja nicht nur eine religiöse Metapher, es ist schlicht ein Wort für die eigenen Annahmen.
    Und ohne diese zu benennen (als “Annahmen”, nicht als Wissen), kann man sie nicht falsifizieren.
    Darum gehts, nicht um eine höhere Macht.

    Es ist (bzw. wäre) der Schritt dazu, selbst eine “Autorität” (“Habe den Mut…”) zu sein – es ist ein gesellschaftliches Problem, dass das nicht Allgemeingut ist, so “frei” (oder real: selbstbeherrscht) denken zu können.

    (Für mich damit auch durchaus etwas “spirituelles”, für T.J. wohl auch – für sie nicht? Aber die “Schönheit” dieser Fragen berührt sie doch – reicht das nicht aus? Ehrlich gemeinte Frage.)

    Wenn ich “Wissenschaft/mehr Spiritualität” lese, höre ich “Verantwortung”.
    Man kann sich kein “Bild machen”, man muss es – immer weiter und weiter – falsifizieren, auch als “Gläubiger”.

    Ich schätze, da liegt das Missverständnis:
    Wissenschaftler sind nicht die einzigen, die “Denken” können und “Religion” ändert nix daran, dass wir uns halt eben kein “wahres Bild” machen können.

    Nur weil wir unterbelichteten Menschlein inzwischen mehr an “Götter in Weiß” glauben, hat der gute Kant ja nicht unrecht mit seiner Feststellung.

  14. @Hilsebein 21.07. 23:26

    „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“

    Das sind einzelne Fragen, die aber doch zusammenwirken.

    „Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen.“

    Verstand und Sinne sind also aufeinander angewiesen. Wenn ich spirituelle Erfahrungen habe, dann versuche ich doch zwangsläufig, diese auch gedanklich zu fassen und einzuordnen. Und wenn ich keine entsprechende Erfahrungen habe, dann will ich eben dieses gedanklich einordnen. Entsprechend hängt auch die persönliche Philosophie bzw. der persönliche Glaube von den persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen ab.

    Relativismus im Sinne von ’ist doch egal’ erfasst dieses nicht, wir brauchen hier eher Pluralismus im Sinne von ’jeder muss sehen, wie er selber zurecht kommt und irgendwie schlau draus wird’.

    „Deswegen darf man aber doch nicht ihren Anteil vermischen, sondern man hat große Ursache, jedes von dem andern sorgfältig abzusondern, und zu unterscheiden.”

    Unterscheiden unbedingt, aber eben Wirklichkeiten ernst nehmen. Fantasie und Fakten sind zu unterscheiden, Erlebnisse bzw. Messergebnisse und dessen Modellierungen auch. Aber wir brauchen eben beides, eine reine Faktenwelt ist einfach unpraktikabel. Wir brauchen einfach oft Glauben, als Arbeitshypothesen, sonst blockieren wir uns selber.

    So wie die dunkle Materie in der Kosmologie. Damit kann man erstmal versuchen zu arbeiten, wenn man mal mehr weiß, wird sich die Frage schon noch entscheiden. So sehe ich es auch mit der Anerkennung und Handhabung von spirituellen Erfahrungen.

  15. @Vitkualia 22.07. 08:32

    „In dem Fall hat “Spiritualität” nix mit Göttern zu tun, es geht darum, das diese “Phänomene” letztendlich nicht ganz ohne “göttlichen Funken” (naja, Qualia würde eigentlich reichen) gedacht werden können.“

    Mit Göttern kenne ich mich auch nicht aus. Kosmische Geisteswelten nehme ich dennoch an, deren wirkliche Eigenschaften sind dann aber ziemlich unbekannt. Im Englischen unterscheidet man denn auch zwischen faith und belief. Wobei Grundvertrauen in kosmische Geisteswelten durchaus lebenspraktisch wesentlich sein kann.

    „“Glaube” ist ja nicht nur eine religiöse Metapher, es ist schlicht ein Wort für die eigenen Annahmen. Und ohne diese zu benennen (als “Annahmen”, nicht als Wissen), kann man sie nicht falsifizieren. Darum gehts, nicht um eine höhere Macht.„

    Hier ist dann der Faktor belief im Vordergrund. Man muss es wagen, Vermutungen zu formen, die dann nach einer gründlichen Ausarbeitung dann auch vernünftig geprüft werden können. Nur so geht es vorwärts, scheitern ist erlaubt, und führt ja oft sogar weiter, es präzisiert sich ja auch, wenn Alternativen aussortiert werden konnten. Dafür muss man sie aber auch erstmal formulieren.

    Einfach alles, was auch in der Bibel steht, gerade deswegen vorab auszusortieren, ist jetzt jedenfalls nicht weiterführend. Haben wir nicht genug Zeit, oder bleiben uns nicht noch Jahrhunderte, um uns auch mit Geisteswelten gründlich auszukennen?

  16. @ Dietmar Hilsbein, Tobias Jeckenburger, Michael Blume –
    Wir brauchen einfach oft Glauben, als Arbeitshypothesen, sonst blockieren wir uns selber.
    Moment, im Kontext unseres Themas (nicht nur Goethe, sondern Kant und ob, bzw. wie philosophierende, bzw. rationale Männer durch das “weibliche Prinzip” zu retten seien), möchte ich nochmal die neurologische Seite unterstreichen.
    Auch “Arbeitshypothesen” entwickeln sich ja nicht aus dem Blauen – aber unabhängig davon, ob ein Verhältnis zur Spiritualität vorhanden ist.

    Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden.
    Das ist doch “Sex und Gender”, oder? Die “Sinne”, unsere biologischen Grundlagen, geben Aufschluss über die Realität, (filtern sie aber); so wie auch unser Denken einen subjektiven Filter darstellt, unser Bild der Realität konstruiert. Wir sind an unsere Konstrukte der Wirklichkeit gewöhnt, kultivieren in Gruppen einen Konsens; haben Willen, Wissenschaft, und – Fantasie.

    Der Verstand vermag nichts anzuschauen, und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen,
    Na, und da ist er eben noch Kind seiner Zeit, dass der “Verstand nicht schaut” finde ich eine verwegene Formulierung, er kann ja nicht anders als “sich reflektieren”.

    Sie -sind- vereinigt, nicht zu trennen: Die Sinne, das Gefühl, der Verstand.

    Und, “Jungs”, das Problem wäre dementsprechend, nicht eine Vereinigung (des eigentlich Untrennbaren), sondern die Einsicht in die dahingehende Illlusion.

    Nix “spirituell” (also eigentlich schon), sondern Anerkennung der neurologischen Grundlagen. “Gefühle” existieren, egal, wo sie herkommen können oder was sie bedeuten mögen.

    Manchmal denk ich, das Problem ist, dass es eigentlich so einfach wäre: “Herz” und Verstand gehören zusammen.
    (Die Anführungszeichem, weil dieses Herz bei Kant “Mut” heißt; Jungs halt.)

    Subjektivität ist nötig, um Objektivität erreichen zu können. Sie sollte überwunden werden, muss dafür aber ja erst mal da sein.

    Womit ich jetzt keinesfalls für den Genderwahn sprechen möchte, im Gegenteil. Es geht um die Grundlage (das Subjekt); eben nicht um die Wertung der Interpretationsmöglichkeiten.

    Subjektivität ist natürlich auch die Quelle allen Irrens.
    Es führt aber kein Weg daran vorbei, diese Quelle “an sich” zu akzeptieren.

    Diese “Vereinigung” findet statt – in jedem einzelnen Moment unserer Existenz – was fehlt, ist das Gefühl für Verantwortung, das mit der “eigenen Handlung” einher gehen sollte.
    (Wir kultivieren die Metapher “Schuld”, statt dass wir mit Lernchancen zivilisiert umgingen.)

    • Danke, @Viktualia

      Ich bin – gerade auch als Mann – skeptisch gegenüber „Subjektivität“ als Ausgangspunkt. Denn meinen Körper schuf ich nicht selbst, gab mir nicht den Namen und nicht die Sprache und Begriffe, wurde alles, was ich bin, aus dem Wir mit anderen. Auch im Movo-Interview räumte ich ein, der Beziehung mit meiner Frau die Reife zu verdanken:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/wissenschaft-und-maennlichkeit-im-21-jahrhundert/

      Kurz: Ich kann mich nicht (mehr) als isoliertes Subjekt verstehen, sondern verstehe umgekehrt jede Subjektivität – auch meine, jene meiner Kinder usw. – als Emergenz aus einer dynamischen Mitwelt. Auf die Bedeutung auch sozial vorgegebener Rollen verwiesen Sie m.E. auch selbst mit dem scherzhaften „Jungs“.

      Hierin sehe ich auch die große Erkenntnis von Goethes Faust. Das männlich-faustische Ich scheitert doch letztlich daran, zum absoluten Subjekt zu werden – und erst im Scheitern kann es/er gerettet werden.

  17. @ Tobias Jeckenburger

    “Wenn ich spirituelle Erfahrungen habe, dann versuche ich doch zwangsläufig, diese auch gedanklich zu fassen und einzuordnen.”

    Das sei Ihnen unbenommen. Kant geht von den fünf Sinnen aus, denn nur dadurch ist es uns Menschen möglich, Erfahrungen mit unseren Mitmenschen zu teilen, so daß auch unsere Mitmenschen diese Erfahrungen machen können. Wissen ist immer teilbar mit unseren Mitmenschen. Bei spirituellen Erfahrungen ist uns dies nicht gegeben.

    “Wir brauchen einfach oft Glauben, als Arbeitshypothesen, sonst blockieren wir uns selber.”

    Das ist richtig. Doch dabei bleibt es nicht. Denken Sie an das Higgs-Boson. Es wurde, wenn ich es recht erinnere, in den 60ern postuliert -jedoch bedarf es der Sinnenverlängerung eines Atlas am Cern, um es empirisch zu bestätigen. Oder denken Sie an Ernst Mach, der das Atom als Phantom bezeichnete, heute ist es empirisch bestätigt. Wissen nach meinem Verständnis ist das Endresultat eines Prozesses. Das heißt, daß Glauben und Wissen nicht in eins gesetzt werden können. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht sagen.

  18. Wissen nach meinem Verständnis ist das Endresultat eines Prozesses. Das heißt, daß Glauben und Wissen nicht in eins gesetzt werden können. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht sagen.
    @Dietmar Hilsebein –
    Wo ist da die Logik geblieben? Ein Ende ohne den Anfang?
    Die “Krone” eines Baumes ohne seinen Stamm? Wie, um alle Welt, soll das funktionieren können?
    (Ich behaupte ja nicht, die Krone sei mit dem Stamm identisch oder umgekehrt. Ich sage nur, dass der Stamm diese Krone trägt; sie ihn brauchte, um zur Existenz zu kommen.)

    @Michael Blume –
    Das männlich-faustische Ich scheitert doch letztlich daran, zum absoluten Subjekt zu werden – und erst im Scheitern kann es/er gerettet werden.
    Hier auch – wäre die Rettung ohne das Scheitern angenommen worden?
    Was genau wäre diese “Rettung” – ohne das Scheitern – wert?

    @Hilsebein – natürlich ist es kein Wissen, wenn man nur glaubt, also einen Inhalt auswendig lernt, aber keine “eigenen Irrtümer” auf dem Weg dorthin abgelegt hat.
    Wie unterscheidet sich ein denkender Mensch denn sonst von z.B. einer geistlosen KI, die das angebotene Wisssen zwar “fehlerfrei” rekapitulieren, aber nicht anwenden kann?

    Ja, Wissen als “Endresultat” zu bezeichnen macht formal-logisch Sinn – aber das, was sie anwenden, wenn sie ihr Wissen anwenden, sind ihre “überwundenen Fehler”. Sie wissen, warum sie es nur auf diese Weise “richtig” machen.
    (Geht doch schon los, wenn sie sich ein Ei kochen. Das ist nach 6 Minuten “richtig”, weil sie ein Ei möchten, das weder flüssiger, noch fester ist.)

    Bei Wissenschaftlichen Fragen steht natürlich kein “subjektiver Wusch”, sondern ein objektives Interesse am Anfang, aber am Prinzip ändert sich nichts. Im Gegenteil, denn es werden alle “subjektiven Vorstellungen” auf dem Weg zur Lösung ausgeschlossen, so dass sie wissen, wann jedes (Hühner) Ei noch flüssig ist und ab wann es fest wird – egal, welche lukullischen Präferenzen sie hegen.
    Bei Gänseeiern gelten dann natürlich wieder andere Zeiten, aber bis dahin dürfte der Zusammenhang zwischen der Größe des zu behandelnden Objektes und der Einwirkung der Temperatur ja schon etwas klarer sein.

    Wenn sie den Anfang so herabwürdigen, ist da keinerlei Raum für Transferleistungen mehr – in der Realität gilt “Volumen” aber für alle Körper.

    @Blume – von was würde der Held denn errettet werden sollen, wenn nicht “von sich selbst” – und, wohlgemerkt, die Rettung zeichnet sich ja durch “Gnade” aus. Und die Gnade besteht darin, dass er sich behalten darf. Er mutiert eben nicht zu einem “anderen”, er bleibt er selbst – das alte Subjekt – mit der neuen Erkenntnis seiner Fehlerhaftigkeit – und damit der eigentlichen Realität.

    Seht ihr das wirklich nicht?.
    Wo ist bei euch die “Zeit” gebleiben, in der sich die Dinge, die Erscheinungen manifestieren?
    Die ist ja weg, bei eurer Art der Betrachtung.
    Das ist nicht “objektiv”, das ist nur “zu eng gefasst”.
    ———–
    Dieses “Pladoyer für eine gesunde Subjektivität” liegt mir wirklich am Herzen, ich würde das gerne klären.

    “Objektivität” mag als abstrakter Wert vage bleiben, aber dieser Weg über die (eigene) Subjektivität ist machbar – und angelehnt an die Lerntheorie, also nicht von mir allein ausgedacht.
    Ich nehme nur “die Zeit” in meine Rechnung auf (und betrachte (Menschen)Kinder mit ihrer Fähigkeit zu Lernen als potentielle Erwachsene.)

    Wer von uns macht hier den Denkfehler?
    —————
    @Michael Blume – Denn meinen Körper schuf ich nicht selbst, gab mir nicht den Namen und nicht die Sprache und Begriffe, wurde alles, was ich bin, aus dem Wir mit anderen.
    Das haben sie wunderschön formuliert – aber sie glauben ja darum auch an Gott.

    Sie nennen hier aber nicht ihre Mutter, in deren Leib der ihre “geschaffen” wurde? (So wie ihre Niere es schafft, Wein in Wasser zu “verwandeln”…)

    Wenn wir alle durch die anderen werden, was wir sind, dann sind wir doch alle eher subjektive Objekte, oder nicht? Wir sind ja nicht alle gleich, auch wenn wir einander gleichen.
    Auch mir geht es ja darum, die Illusion des “isolierten Subjektes” zu überwinden, zu objektivieren.
    (Die Isolation zu überwinden macht uns ja nicht zu einem “Objekt”, das wäre doch furchtbar.)

    Mensch muss sich doch selbst als “subjektives Subjekt” begreifen können, um andere in ihrer Subjektivität nicht isolieren zu wollen.
    Sonst sehen sie doch auch, dass das nur “Dualismus” ist: “Ich bin objektiv, du nur subjektiv” – so funktioniert es doch. Das ist nicht richtig, finde ich.

    • Ja, @Viktualia – Sie scheinen dialektische Sprachspiele zu lieben, doch im einen Grunde (dem dialogisch-monistischen „ad res“ UND „ad fontes“) lese ich mich mit Ihnen einig! 😊📚👍

  19. @Viktualia 22.07. 22:34

    „Wir sind an unsere Konstrukte der Wirklichkeit gewöhnt, kultivieren in Gruppen einen Konsens; haben Willen, Wissenschaft, und – Fantasie.“

    Die neurologische Grundlage kann nichts Anderes, als sich Bilder von der Welt zu machen.

    „Und, “Jungs”, das Problem wäre dementsprechend, nicht eine Vereinigung (des eigentlich Untrennbaren), sondern die Einsicht in die dahingehende Illlusion.“

    Hier ist doch ein Pluralismus brauchbar. Die Illusionen sind unvermeidlich, sie sind die Grundlage allen Weltverständnisses. Es kommt vielmehr darauf an, die Illusionen anderer auch zu sehen, und sich hier gemeinsam mehr als das Eigene alleine zu erarbeiten.

    Es ergibt sich hier auch ein Mosaik von Weltsichten, das doch selber interessant ist. Und eine gewisse Spezialisierung ist zumindest auf dem Arbeitsmarkt doch sogar gefragt.

    @Michael 23.07. 07:32

    „Denn meinen Körper schuf ich nicht selbst, gab mir nicht den Namen und nicht die Sprache und Begriffe, wurde alles, was ich bin, aus dem Wir mit anderen.“

    Und doch baut jeder von uns sich ein Weltbild zusammen, dass die Grundlage unseres Funktionierens ist.

    „Das männlich-faustische Ich scheitert doch letztlich daran, zum absoluten Subjekt zu werden – und erst im Scheitern kann es/er gerettet werden.“

    Das Scheitern ist doch dann der real existierende Pluralismus. Die anderen Weltmodelle stehen auch, und sind genauso relevant. Aber eben erstmal ist jedem das Eigene das nächste. Von da aus kann man sich auf die Suche nach den Welten der anderen machen, sie zunächst mal nur zu kennen, und hier und da auch ein Stück gemeinsamen Weges zu gehen. Kompromisse und Synthesen sind hier immer wieder möglich, und geben mir Grund zur Hoffnung, dass wir uns am Ende doch in einem Pluralismus zusammenfinden, der ziemlich monistisch ist.

    @Hilsebein 22.07. 22:40

    „Wissen ist immer teilbar mit unseren Mitmenschen. Bei spirituellen Erfahrungen ist uns dies nicht gegeben.“

    Erstmal kann man ähnliche spirituelle Erfahrungen machen und damit auch teilen, dann kann man sich auch über verschiedene spirituelle Erfahrungen austauschen, und religiöse Schriften gibt es auch noch, die sich mit dem Thema Spiritualität befassen.

    „Wissen nach meinem Verständnis ist das Endresultat eines Prozesses.“

    Speziell ist gesichertes und allgemein anerkanntes Wissen hervorzuheben.

    „Das heißt, daß Glauben und Wissen nicht in eins gesetzt werden können. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht sagen.“

    So ist dann aber eben die subjektive Weltauffassung sehr von dem persönlich bekanntem allgemeinen Wissen geprägt. Es hat nicht jeder Physik studiert. Persönliche Erfahrungen sind jetzt aber auch prägend für sich. Zusammen ergibt sich eben die Vielfalt, die m.E. einen organisierten Pluralismus gebrauchen kann. Und wenn nur, um die menschliche Vielfalt wenigstens zu verwalten, wenn sie denn schon nicht komplett integrierbar ist.

  20. @Tobias Jeckenburger

    “Erstmal kann man ähnliche spirituelle Erfahrungen machen und damit auch teilen, dann kann man sich auch über verschiedene spirituelle Erfahrungen austauschen, und religiöse Schriften gibt es auch noch, die sich mit dem Thema Spiritualität befassen.”

    Das kann man machen, so, wie man sich auch Geschichten erzählt. Eine spirituelle Erfahrung, ist eine Erfahrung, die sich im Hirn abspielt. Daher wird sie auch oft als übersinnliche Erfahrung bezeichnet. Und dort wird der eine Arm der Erkenntnis (die Anschauung über die fünf Sinne) abgehackt. Also kein Wissen. Muß ja auch nicht, Glaube resp. Vertrauen ist ja auch gut, bisweilen eben nötig, da wir nicht in allen Bereichen über die nötige Fachkompetenz verfügen. Einem faustischen Charakter, den auch ich bisweilen in mir verspüre, bereitet das natürlich Bauchschmerzen. Faust hat sich daher der Magie ergeben.

  21. @Michael 23.07. 15:26

    „Wenn ein Pluralismus unverbunden bleibt, dann sind auch Einfühlung und Dialog nur Illusion.“

    Man hat doch auch oft nichts miteinander zu tun. Wirkliche Kontakte zwischen Menschen sind doch eher punktuell. Da wo man wirklich aufeinander trifft, wird es doch erst relevant, wie man sich positioniert und sich verständigt.

    „Denn dann es gibt keine gemeinsame Wahrheit, der wir uns nähern könnten.“

    Dafür muss man sich erstmal überhaupt begegnen. Und sich miteinander beschäftigen, dann kann man dann gucken, wie man sich eben dialogisch positioniert.

    Aber eine gemeinsame Wahrheit kann es auch dann geben, wenn es noch keiner weiß, wenn die Wahrheit noch gar keiner kennt. Immer wieder findet man neue Gedanken, mit jedem neuen Kontakt. Und gerade das zukünftig neu Entwickelte kann man noch gar nicht würdigen, und ihr Potential, derzeit noch unvereinbare Positionen zu vereinen.

    Immer, wenn man mit neuen Kontakten ins Gespräch kommt, finden sich auch überraschende Komponenten, auf die man sich erstmal einstellen muss, die man erstmal einordnen muss.

    Letztlich muss ein wirklich umfassender Monismus größer sein, als wie es ein Mensch fassen kann? Es gibt derzeit 8 Milliarden Menschen, zuviel für wirklich eine Wahrheit? Mehr, als ein Mensch fassen kann? Ob uns hier irgendwann sogar eine KI weiterhelfen kann?

    Entsprechend ist der Anspruch, sich hier nur annähern zu müssen, auch unverzichtbar.

    „Ein solcher Pluralismus wäre nur eine vornehme Verkleidung von Relativismus.“

    Manchmal ist ja sogar ein Relativismus sinnvoll, überall wo es viele Varianten gibt, die ziemlich gleichberechtigt erscheinen. So ist keine menschliche Sprache bevorzugt, zumal wir inzwischen auch von KI darin unterstützt werden, bei Bedarf zu übersetzen. Und man darf auch Fan von Bayern München sein, auch wenn ich das als Dortmunder nicht nachvollziehen kann.

    „Nur wenn Sie von einem dialogischen und erkenntnistheoretisch aufgeklärten Monismus ausgehen, können wir uns gemeinsam einer Wirklichkeit, ja Wahrheit annähern.“

    Ich denke, es gibt nur eine Welt, die definitiv existiert, aber wie weit die menschenfassbar ist, ist womöglich eine offene Frage. Die menschlichen Wege und Umwege sind das, an dem wir aber wirklich arbeiten können.

    Wir wissen jetzt nicht, wie viel wärmer genau es mit einer Verdopplung der Treibhausgase wird, und können aber definitiv loslegen, die Energiewende durchzuziehen. Je schneller wir das realisieren, desto mehr können wir das Problem reduzieren.

    • @Tobias Jeckenburger

      Auch in der Verehrung von Borussia Dortmund stimmen wir überein! Was für ein schöner Beleg, dass es eine gemeinsame – also monistische – Realität gibt. 🙂

  22. @Michael Blume – ? Sie scheinen dialektische Sprachspiele zu lieben,
    Seien sie versichert, dass ich nur Fachabi Soz.Päd. habe und das, was ihnen wie “dialektische Sprachspiele” vorkommt, Ergebnis meiner autodidaktischen Bemühungen um “Sinn” ist.
    (“Dialektik” hatte ich in der Schule gar nicht – ad res/fontes grad ergoogelt; lassen sie sich doch bitte nicht davon verärgern, dass ich so “unverbildet” bin.)

    @Tobias Jeckenburger – Die neurologische Grundlage kann nichts Anderes, als sich Bilder von der Welt zu machen.
    Mich stört da die Mehrzahl. Ein Subjekt, ein Bild.
    Natürlich setzt sich dieses aus vielen einzelnen zusammen – aber dieses “eine Bild” ist doch der Grund, warum vielen ein Dialog so schwer fällt: Man nimmt sich selbst als armes, “getrenntes Subjekt” wahr, verteidigt dann aber seine Bildschnipsel, als ginge es ums Ganze.

    Erst wenn einem (oder besser beiden) die eigene Subjektivität bewusst ist, kann man in einen realen Austausch über Aspekte des “Bildes” treten, oder nicht?
    Vorher geht es nur darum, wer Recht hat, bzw. lauter ist.

    Es kommt vielmehr darauf an, die Illusionen anderer auch zu sehen
    Naja, eigentlich will ich ja darauf hinaus, dass es nicht nur “seine Illusionen” sind, sondern seine Realität. So wie auch meine Illusionen meine subjektive Realität sind.

    und sich hier gemeinsam mehr als das Eigene alleine zu erarbeiten.
    Ja, genau. So erarbeitet man sich die objektive, naja, objektivierte Realität. Als Mensch und als Menschheit.

    Man kommt ja sowieso nicht drum herum – entweder ist die Subjektivität im Weg oder sie ist überwunden, aber ein Konzept, in dem sie (wegen der “Objektivität”) nicht da sein solle macht eigentlich keinerlei Sinn.
    —-
    Das Scheitern ist doch dann der real existierende Pluralismus.
    Ich knabber immer noch am Vorwurf der Spielchen im Kontext von Dialektik – wo ist der Zeitfaktor hin?
    Es ging mir nicht darum, Dinge einander gegenüber zu stellen – richtig-falsch, Mann-Frau, Sinn-Unsinn – sondern den Verlauf vom Anfang über eine Mitte zum Ende.
    Da gibt es dann nämlich keinen Sinn ohne Unsinn mehr und die Frau erlöst den Mann nicht, weil Frauen besser sind, sondern weil er schlau sein wollte und es darum halt nicht geht. Er muss mit seiner Dummheit klarkommen und vielleicht schafft er es, wenn er sieht, dass sie es kann: Mit seiner Dummheit klarkommen.

    Aber – der Typ muss einsehen, dass er Mist gebaut hat, da führt kein Weg drum herum.
    Es geht nicht darum, von wem er erlöst wird, sondern von was.
    Man gewinnt Realität wenn man “sein Ego” verliert, sich erkennen kann. (“Narziss und Echo” ist da auch ne schöne Geschichte.)

    Speziell ist gesichertes und allgemein anerkanntes Wissen hervorzuheben.
    Geht es nicht mehr gerade darum, was man selbst Wissen kann?
    Ich leite “mein Wissen” aus dem Denken als (wissenschaftliches) Vorgehen ab (Dinge/Sachverhalte einordnen, schätzen oder messen, urteilen, falsifizieren) – und ergänze es um “die Subjektivität”: wie ordne ich; was schätze, was verachte ich; worauf beruht mein Urteil; missstraue ich oder stelle ich die richtigen Fragen.
    Das ist die “Quelle”, die gestaltet, wie sich mir die Dinge zeigen.

    @Michael Blume – Gretchenfrage – Wenn ein Pluralismus unverbunden bleibt, dann sind auch Einfühlung und Dialog nur Illusion.
    Glauben sie an die Bindungstheorie? Dass man zuerst an sich selbst glauben können muss?

    • Ja, @Viktualia, glaube ich – doch um „an sich selbst“ zu glauben, ein solches überhaupt auszubilden, ist bereits sehr viel Unterstützung, ja Liebe notwendig. Kein Mensch ist eine Insel.

  23. @Viktualia 23.07. 15:26

    „Erst wenn einem (oder besser beiden) die eigene Subjektivität bewusst ist, kann man in einen realen Austausch über Aspekte des “Bildes” treten, oder nicht?“

    Keine Frage, das setze ich eigentlich voraus. Es bleiben aber völlig verschiedene Lebenswege und Erfahrungen übrig, die dann doch einen Pluralismus begründen können, den man beim besten Willen nicht los wird.

    „Geht es nicht mehr gerade darum, was man selbst Wissen kann?“

    Die eigenen Methoden sind hilfreich, aber eben auch die Gelegenheiten, an denen man wachsen kann. Ein gewisses Grundvertrauen auch gegenüber einem geistigen Kosmos ist allerdings dann doch öfter auch das Ergebnis von persönlichen Erfahrungen und von persönlichen Einsichten, die aus den Erfahrungen gewonnen werden können.

    Nur lässt sich das eben nicht verallgemeinern, die eigenen Zugänge zu eben diesen Geisteswelten sind einfach zu verschieden, obwohl man wohl mit diesem Grundvertrauen in die Eine Geisteswelt sich entspannter austauschen kann. Und auch sehr verschiedene Konsequenzen dennoch in Verbundenheit respektiert werden können.

    Die wissenschaftliche Basis jedenfalls ist eine präzisere Grundlage, die eben nicht so schnell als Pluralismus Sinn macht. Zumindest wenn es nicht um Geisteswelten geht, sondern um diejenigen materiellen Zusammenhänge, die von der wissenschaftlichen Methode gut erfasst werden können.

    Mit Geisteswelten hat die wissenschaftliche Methode eben ziemliche Schwierigkeiten, da kann man auch ganz anders dran gehen, und hier bleibt eben Raum für Pluralismus, der da auch richtig Sinn macht. Die Autonomie der einzelnen Person ist hier schlichtweg in einer stets ganz eigenen Beziehung zum Kosmos unterwegs, die nur allgemein beschrieben werden kann, und doch immer ein Unikum bleibt.

  24. @Dietmar Hilsebein – Faust hat sich daher der Magie ergeben.
    Das war zwar das eigentliche Thema (Faust) und wenn man nix damit zu tun hat, verwechselt man das schnell, aber “spirituelle Erfahrungen” fallen eigentlich unter Mystik, sind keine Magie.

    Magie ist Zauberei, Manipulation mittels der sinnlichen Sphäre; Mystik betrifft eher den Geist, der sich dann endlich mal “eins” fühlt.
    (Und eigentlich berichten alle Mystiker schon so ziemlich das Gleiche, egal, welcher Religion sie angehören.)
    Jetzt nur der Vollständigkeit halber.

    @Michael Blume – doch um „an sich selbst“ zu glauben, ein solches überhaupt auszubilden, ist bereits sehr viel Unterstützung, ja Liebe notwendig.
    Volle Zustimmung. Bei Kindern.

    Und bekommt man diese, ist man als Erwachsener davon unabhängiger, Bestätigung durch andere zu bekommen – und kann sich die ganzen übergriffigen -Ismen sparen.

    @Tobias Jeckenburger – wie viel wärmer genau es mit einer Verdopplung der Treibhausgase wird,
    Haben sie mitbekommen, was in China abgeht? Ich bin ja ne Zeitlang auch darauf reingefallen, die wären so viel größer und würden nur “ihr Ding” machen – aber da ist ja noch “die eine Wahrheit” – und die machen viel!
    Hab hier ne kleine Linksammlung gefunden; Wiki und andere Medien scheinen es zu bestätigen (ich kann es kaum glauben) – https://nitter.net/KyleTrainEmoji/status/1680246994072133632#m

  25. ietmar Hilsebein schrieb (22.07.2023, 22:40 Uhr):
    > […] Wissen nach meinem Verständnis ist das Endresultat eines Prozesses.

    Schön und gut. Aber:

    > […] Denken Sie an das Higgs-Boson. Es wurde, wenn ich es recht erinnere, in den 60ern postuliert -jedoch bedarf es der Sinnenverlängerung eines Atlas

    … nicht zu vergessen: CMS …

    > am Cern ,

    … abstrakt gedacht sicherlich: “egal wo”.
    Mit Gedanken and “Effizienz” und “Resourcen” jedoch wohl vorzugsweise “am LHC (wo den o.g. “verlängerten Sinnen”, alias Detektoren, besonders ausgiebig “Eindrücke bereitgestellt” sein sollen). …

    > um es empirisch zu bestätigen.

    Das o.g. “Wissen” beschränkt sich demnach auf bestimmte Messwerte (die mit geeignetem “Verstand” aus geeigneten “Sinnes-Eindrücken” ermittelt wurden).
    Das ist auch Wissen, selbstverständlich.

    Aber die schon in den 1960-70ern grob umreißbare und bis in die 2000er abschließend verfeinerte planmäßige Festsetzung wie “geeigneter Verstand” aus geeignet bereitgestellten (oder ggf. aufgefundenen) “Sinnes-Eindrücken” gewisse empirische Endresultate ermitteln soll,
    ist meiner (diesbezüglich semi-professionellen) Auffassung nach auch (eine Art von) Wissen.

    • Frank Wappler schrieb (24.07.2023, 11:48 Uhr):
      > ietmar [sic …]

      Diesem habe ich 24.07.2023, 11:49 Uhr, einen in offensichtlicher Weise korrigierten Kommentar nachgereicht.

      Da diese Korrektur aber vom derart Moderierenden offensichtlich nicht beachtet wurde (vgl. D. Knuth: »Premature optimization is the root of all evil.«), bleibt mir zumindest, mich beim betreffenden Dietmar für meine anfängliche Nachlässigkeit zu entschuldigen.

  26. Tobias Jeckenburger 22.07.2023, 15:46 Uhr:

    ** Im Englischen unterscheidet man denn auch zwischen faith und belief. **

    Ich fragte mich, was der Unterschied zwischen faith und belief ist – da ich dachte, dass es (“m.o.w.“) doch dasselbe ist. Lt. https://www.dict.cc/?s=faith ist faith Vertrauen, Glaube, Religion und Treue. Belief https://www.dict.cc/?s=belief Glaube, Ansicht, Überzeugung, Vertrauen, Meinung, Glauben, Religion, Vorstellung (Auffassung), Glaubensmeinung. Nun denn: Näher bedacht wird faith zumeist mit religiösem Glauben assoziiert – der zz. gerade eine Krise durchmacht (Stichwort Kirchenaustritte). Belief kann man als starke Überzeugung sehen – i.S.v. etwas das (insb. physikalisch) bewiesen ist.

    Weiterhin fiel mir dann dieses Video https://aeon.co/videos/do-we-have-good-reasons-to-believe-in-beliefs-a-radical-philosophy-of-mind-says-no ein, bzw. die Stelle ab 5:02 bis 5:11 (bei 5:11: According to Neuroscience, beliefs aren’t real. Well, then maybe I shouldn‘t believe in Neuroscience 😉). Ggfls. lassen sich deutsche Untertitel durch 1. Anklicken des Untertitel-Symbols, 2. des Einstellungen-Symbols und 3. dort dann Englisch, dann 4. automatisch übersetzen und 5. Deutsch wählen erzeugen.

    Auch fielen mir noch A ** Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden ** (D. Hilsebein am 21.7/23:26 und Viktualia am 22.7./22:34) und B ** Es braucht ein Subjekt, das “sich seiner selbst bewusst ist ** (Viktualia am 22.7./8:32) auf. Die Sinne & der Verstand sowie Subjekt/Subjektivität werden im Blog noch mehrmals angesprochen.

    Beides (A und B) stimmt. Statt Verstand kann man auch Bewusstsein/Psyche/Gemüt/“Geist“/“Seele“ – od. Engl. mind sagen. Da Tiere Gegenstände/“Dinge“ auch wahrnehmen (und darauf reagieren), haben sie insf. ebenfalls eine “Psyche“ – sind (zu respektierende) Subjekte/“Dinge“. Der mind ist (“bekanntermaßen“) der 6. Sinn, der die Wahrnehmungen/Zulieferungen der anderen 5 Sinne verarbeitet.

    Damit Humor nicht zu kurz kommt, dies: https://karrierebibel.de/wp-content/uploads/2016/06/Mansplaining-Definition-Beispiel-Deutsch-kontern.jpeg. Womansplaining gibt es aber auch: https://image.spreadshirtmedia.net/image-server/v1/compositions/T812A3PA5886PT17X48Y87D316831273W25000H8336/views/1,width=500,height=500,appearanceId=3,noPt=true/womansplaining-2bl-maenner-premium-t-shirt.jpg

  27. @Viktualia 24.07. 07:16

    „Haben sie mitbekommen, was in China abgeht?“

    Neben der politischen Unfreiheit in China, die sicher ungut ist, finde ich das Wirtschaftssystem eventuell sogar interessant. Es geht weniger nur um den privaten Profit, das bedeutet, dass man mangels anderer Investitionsmöglichkeiten auch massiv in Klimaschutz investieren kann. Und auch den armen Ländern dieser Welt beim Aufbau moderner Infrastruktur helfen kann, insbesondere in Afrika, wo zugleich riesige Flächen landwirtschaftlich nur sehr ineffizient genutzt werden. Und China braucht Importe von Nahrungsmitteln.

    Die EU und die USA eher nicht. Ich habe auch gar nicht den Eindruck, dass wir wirklich Entwicklungspolitik für die armen Länder machen, noch je gemacht haben. So hab ich hier die Hoffnung, dass eine Systemkonkurrenz zwischen China und dem Westen auch fruchtbar werden kann.

    Wir werden jedenfalls das Armutsproblem kaum wirklich mit Migration lösen können. Das sind einfach zuviele Menschen

  28. @ Blume

    Ich frage mich,ob nicht auch Ihre Frau an Ihnen ‘gereift’ ist und ob es nicht ein ‘nehmen und geben’ ist.
    Es wird um’s Patriachat und Matriachat gestritten. Um ein entweder-oder.
    Mir scheint,es ist ein sowohl-als auch.
    Das ist auch Goethes Problem: die Entscheidungsfindung in der Unterscheidung,anstatt der Symbiose.
    Ein Problem der kompletten westlichen Philosophie.

    • Das würde Zehra, so meine ich, schon auch so sehen, @Mussi. Allerdings richtete sich die Frage an mich und ich möchte mir da keine Antwort anmaßen, die mir nicht zusteht. Dialog setzt ja ein gegenseitiges Zuhören voraus, nicht ein Übertönen.

  29. Enge der Zeit ist die Wurzel des Bösen. [Blumenberg]

    Aus Sicht anderer ist das Gute ‘die Wurzel des Bösen’, in dem Moment, in dem das Gute formuliert, behauptet und vielleicht auch (auf Grund allgemeiner Überlegung, nicht nur behauptet) entwickelt worden ist, gibt es auch das nicht Gute, das dann das Böse genannt wird, sinnhafterweise und symmetrisch sozusahen, und wie einige finden.

    Das Tier ist insofern nicht gut oder böse.
    (Es würde zu dieser Einschätzung auch nicht widersprechen können, dies nur ganz am Rande notiert.)

    Insofern ist das Böse vom Guten nicht eindeutig, jedenfalls nicht klar zu trennen, die einen meinen so, die anderen so, wobei so der Schreiber dieser Zeilen nicht zum (modischen?) Relativismus anraten möchte, sondern zu sozusagen technischer Analyse.

    Nur ein Beispiel an dieser Stelle :
    Das gut Gemeinte wird, wenn es sich als gut auffasst und auf Grund dieser Meinungsbasis so verlautbart und sich sicher ist, ungut, und zwar zwingend ungut, nicht wahr?

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer (der die Zeit hier gerne raus hätte, danke)

    • Blumenberg definiert das Gute nicht beliebig, sondern von der Metapher des Lebensstromes und also der Lebenszeit her. Leben zu schenken und zu beschützen ist also gut, es zu zerstören und zu beschädigen also böse.

      Und: Gäbe es kein Gut und Böse, so müsste sich auch niemand für diesen Nachweis interessieren. Warum auch? Auch hier hebt sich der Relativismus selber auf.

      • Gerne mal mit einem Beispiel beihelfen, Dr. Webbaer schafft bisher keinen eigenen Zugang zu Blumenberg, lieber Herr Dr. Michael Blume.
        Eher leichte Kost bitte, also etwas für den Einstieg.
        (Und wenn es nicht klappt, wenn Dr. W dann immer noch nicht versteht, “Schwamm drüber”, Dr. W kann auch musikalische Klassik, Beethoven zum Beispiel oder auch Mozart, nicht verstehen, obwohl Musik eigentlich gemocht wird.)
        Und wenn sich nichts findet, auch nicht schlimm, Dr. W ist schon in der Lage mal selbst zuzugreifen, später dann.
        Sicherlich sind Sie ein viel beschäftigter Mann.

        Mit freundlichen Grüßen + weiterhin viel Erfolg
        Dr. Webbaer

        • @Webbar

          Gerne. Für den Einstieg zu Blumenberg finde ich „Die Sorge geht über den Fluss“ sehr geeignet, für Ihre spezifischen Interessen an Wahrheitsfragen könnte aber sein streitbares „Rigorismus der Wahrheit“ noch interessanter sein. Beides sind recht schmale, hochpräzise Bände.

          https://www.suhrkamp.de/buch/hans-blumenberg-rigorismus-der-wahrheit-t-9783518586167

          Als (allerdings nicht nur gewichtig schweres) Hauptwerk darf „Arbeit am Mythos“ gelten, das Enge-der-Zeit-Zitat stammt aus „Lebenszeit und Weltzeit“. Und das war nur ein Ausschnitt – in Blumenberg kann man(n) glücklich versinken. Habe etwas Sorge vor dem Tag, an dem ich all seine Bücher gelesen habe! 😉

  30. @Michael 24.07. 17:45

    „Entsprechend blieb auch das wirtschaftliche Wachstum zuletzt weit hinter den Erwartungen.“

    Macht ja nicht unbedingt was. Bevölkerungsschrumpfung entlastet ja auch die Bauwirtschaft, es gibt dann auch weniger zu wachsen. Hauptsache die noch zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte reichen für die Energiewende. Sogar ein Konsumrückgang wäre ja sogar mehrfach wirksam, die Energiewende zu beschleunigen. Auch in China.

    Ebenso wäre wohl wirklich wirksame Entwicklungshilfe für Afrika immer noch drin. Noch besser, wenn man die dortigen massenhaft vorhandenen Arbeitslosen nutzen kann.

    • Tatsächlich führt der Geburteneinbruch in China 🇨🇳 sogar zu einer massiven Jugendarbeitslosigkeit, da die Nachfrage vor allem nach teureren Dienstleistungen & Gütern einbricht…

  31. es zu zerstören und zu beschädigen also böse.
    Upsala, Gott, der “uns unser Leben schenkt”, ist also “böse”?
    So eine Aussage hätte ich jetzt nicht von ihnen erwartet, @Michael Blume.
    (Oder ist das so was wie “Der Tod ist teuflisch”?)

    in dem Moment, in dem das Gute formuliert, behauptet und vielleicht auch (auf Grund allgemeiner Überlegung, nicht nur behauptet) entwickelt worden ist, gibt es auch das nicht Gute, das dann das Böse genannt wird, sinnhafterweise und symmetrisch sozusahen
    Dem stimme ich da eher zu (und dass man “Teufel” denkt, nur weil wer “Gott” formulierte.)
    Nicht aus moralischen Gründen, sondern weil es als Phänomen real existiert:
    Sobald unsere Wahrnehmung in Form eines Begriffes vorliegt, ist dieser, im Gegensatz zum realen Ding, ein isolierter “Teil der Welt”.

    In allen (Monotheistischen) Religionen soll man sich vom Schöpfer kein Bild, keinen Begriff machen – weil man es ja schließlich auch gar nicht könne.

    Und im Diamant – Sutra ( zählt zu den wichtigsten Texten des Mahayana-Buddhismus, Wiki) wird es so ausgedrückt: „Können wir bei der Betrachtung einer Rose die Nicht-Rose-Elemente sehen, dann ist es für uns ungefährlich, das Wort Rose zu benutzen.“

    Für mich ist “Vielfalt” gut. Aber alles mit “Mono” muss nicht “böse” sein, nur das, was “gegen Vielfalt”, gegen Variation steht, ist mir suspekt.

    “Den Tod” als “das Böse” zu betrachten, schließt doch einen freundlichen Schöpfer eher aus. (Von wegen “sich aufhebender Relativismus”.)

    Dass ich da jetzt auf der Seite des Webbären bin und sie, bzw. der gute Blumenberg auf einer anderen, finde ich irritierend, Herr Blume.

    Leben ohne Tod existiert nicht, so was zu leugnen kann nix mit “Spiritualität” zu tun haben, bzw. nicht “echt” oder gut sein.

    (Hat Blumenberg nicht wenigstens eine Metapher, die den Tod als “Weg zur Quelle” betrachtet, so wie sich “das Leben” von “der” Quelle fortbewegt? Einen strömenden Kreislauf? Sonst würde es ja bedeuten, dass Alter – und nicht nur Eile, bzw. Bedrängnis – bösartig mache.)
    —————-
    Lieber @Michael Blume, sie haben mir neulich “dialektische Sprachspielchen” unterstellt – aber ich bin halt einfach nur immun gegen Konstruktionen wie die vom “lieben Gott und dem teuflischen Tod”.

    • Ja, @Viktualia – die Fragestellung haben Sie schon richtig erkannt und beschrieben! Im persischen Zoroastrismus wurde (und wird!) das Gut-Böse-Problem noch dualistisch aufgespalten: Hier die gute Gottheit Ahura Mazda, dort dessen böser Bruder Ahriman.

      Im semitisch-alphabetisierten Monotheismus stand die Option eines bösen Gegengottes aber nicht mehr zur Verfügung. Schon in der biblischen Hiob-Geschichte wird daher der Böse in den Hofstaat Gottes eingefügt und erhält von Gott die Erlaubnis, Menschen zu prüfen. Im rabbinischen Judentum wird daher betont, dass Gott Gutes wie Böses geschehen lasse. Eine starke Auslegungstradition betont die zwei Seiten des Göttlichen als „barmherzig“ versus „gerecht“. Ebenso werden Gut und Böse in jedem Menschen verortet und auf Basis der monistischen Noah-Mythologie eine dualistische Spaltung der Menschheit verworfen.

      Sie sehen also, dass ich „dialektisches Denken“ durchaus nicht als Vorwurf, sondern als Kompliment verstehe! 🙂

  32. @Michael Blume – Sie sehen also, dass ich „dialektisches Denken“ durchaus nicht als Vorwurf, sondern als Kompliment verstehe! 🙂
    Mit Verlaub, das klingt mehr nach dem Politiker als nach dem Religionswissenschaftler (der fragte, ob wir, bzw. ihr Männer noch zu retten seien…).

    Meine eigentliche Frage war doch – Hat Blumenberg nicht wenigstens eine Metapher, die den Tod als “Weg zur Quelle” betrachtet, so wie sich “das Leben” von “der” Quelle fortbewegt? Einen strömenden Kreislauf?
    da sie dem Webbären antworteten:
    Blumenberg definiert das Gute nicht beliebig, sondern von der Metapher des Lebensstromes und also der Lebenszeit her. Leben zu schenken und zu beschützen ist also gut, es zu zerstören und zu beschädigen also böse.
    Da er zu Recht darauf hinwies, dass “das Gute” ja durchaus die Quelle des Bösen sein kann.

    Jedenfalls hätte ich wirklich gerne eine Antwort auf die Frage nach Blumenergs Interpretation: Kreislauf? Doch nicht “Hölle des Alterns”, oder?
    ————–
    erhält von Gott die Erlaubnis, Menschen zu prüfen.
    Das hat als Kind für mich schon keinen Sinn gemacht: in der Hölle werden vom Teufel die bestraft, die ihm gefolgt sind? Ich habe echt überlegt, ob es im Himmel wohl sonst zu eng wird, dass man sich so was ausdenken musste.

    (Unser Pfarrer hat mir erzählt, ich würde mein totes Meerschweinchen nicht im Himmel wiedertreffen können. Da habe ich mich am Rande des Himmels mit ihm (dem Meerschweinchen) verabredet. Das hatte ja keinem was getan, in der Hölle würde ich es also auch nicht erwarten können.)

    Eine starke Auslegungstradition betont die zwei Seiten des Göttlichen als „barmherzig“ versus „gerecht“.
    Was? Das wird ja immer schlimmer!
    Es brauche den Teufel für die Gerechtigkeit? Ich bekomme beim “versus” auch das Verhältnis von Gnade zur Sünde nicht klar, die brauchen sich so ja gegenseitig.
    (Der Pfarrer mag auch den Sünder brauchen, aber braucht die Gnade die Sünde?)
    Der Sünder braucht Vergebung und keine doppelte Verneinung.

    “Keine Un-Gerechtigkeit” murmeln funtkioniert nicht. (Während der einzige Weg zu “Gerechtigkeit” ist, Unrecht zu verhindern, musss man Gnade ja “walten lassen”. Man kann auch nicht “gerecht sein”, man kann es nur lassen, das Falsche zu tun.)

    Gnade/Barmherzigkeit ist ein Gedanke, der die Folgen der Tat (für den Täter, nicht das Opfer!) ändert – der aber damit eben nicht plumpe “Magie” ist (also auf die materielle Welt einwirkt), sondern den Verantwortlichen frei spricht und ihm wieder Raum gibt. Die mystische Seite, jedenfalls für mich. Das Menschenkind kann lernen.

    Nicht ne Vater-Sohn Sache, sondern was fruchtbares.
    Aber ohne Sinn für Gerechtigkeit, also wem überhaupt was zustünde, ist es furchtbar, das steht leider auch fest. (Da war neben dem Täter ja auch noch der Geschädigte, die materielle Folge der Tat.)

    Wir sind wieder bei der Reihenfolge gelandet, können sie das sehen?
    Ihre “starke Auslegungsform”, die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nebeneinander stellt, statt dass das eine auf dem anderen beruhe – das ist auch eine der “Wurzeln allen Übels”.
    (Wenn aus “unterscheiden können”, also differenzieren, automatisch diskriminieren wird: “A ist nicht B” – wenn dann “der Rest” unter den Tisch fällt. Die Wahrheit ist: “Eine Rose” ist keine Rose. “A” ist nicht alle As.)

    Die “Macht der Vergebung” macht Taten nicht ungeschehen, sie gleicht sie nur auf der Seite des Täters aus. Er bekommt Raum, daraus zu lernen. Nicht Erbschuld und Sünde, sondern Reue und Einsicht. Ein Subjekt.
    Während Gerechtigkeit darauf beruht, den Schaden des Opfers anzuerkennen und einen Ausgleich vorzunehmen. Objektiv.
    Dieses “versus” macht die Kiste eng, zusammen kann das was werden.
    ———
    Man muss erst ein Ego haben, das überwunden wird; altes Problem auch beim Spirituellen. “Lernen” kann Angst machen. Aber man stirbt dann halt nicht ganz, wenn das Ego stirbt, vergeht, sondern wird mit einem “erwachseneren Ich” gesegnet, wiedergeboren, steht halt wieder auf.
    Das ist weder Magie noch Mystik, sondern Entwicklungspsychologie (in meinen Augen).

    “Eines Tages werden wir sterben. Doch an allen anderen Tagen leben wir.”
    (@Michael Blume, auf so viel “Dualismus”können wir uns doch sicher einigen? Ich glaub, ich unterscheide nicht nur in “Täter/Opfer”, ich sehe einen “Sender/Empfänger-Dualismus” in uns wirken.)

    • Sorry, @Viktualia – ich habe mir wirklich gerne Zeit genommen, aber für Einzelseminare samt Verhöhnung als „das klingt mehr nach dem Politiker als dem Religionswissenschaftler“ fehlen mir Zeit und Lust. Ich bin keine Vorführnummer und denke, es ist Zeit für eine Pause. Ihnen einen schönen Sommer!

  33. @Michael. 24.07. 20:54

    „Leben zu schenken und zu beschützen ist also gut, es zu zerstören und zu beschädigen also böse.“

    Hier geht es eher darum, was der Mensch den anderem und den Tieren und Pflanzen antun sollte, als Ideal sozusagen. Wenn ein kranker Mensch Antibiotika nimmt, um gesund zu werden, geht das nun mal mit dem Sterben von Bakterien einher.

    Das Gute und Böse in gleicherweise von Geisteswelten zu erwarten, wäre eine andere Geschichte. Man könnte hier höchstens argumentieren, dass die Geisteswelt das eigene Leben gefälligst fördern sollte, weil es einem nun schon mal das Leben geschenkt hat.

    Ansonsten sind hier auch den nettesten Göttern prinzipiell die Hände gebunden, weil eben die ganze Biologie von fast allen Mehrzellern ganz konkret nicht ohne den Tod der Individuen funktionieren kann.

    Nur weil uns Menschen eine Befristung unserer Existenz öfter unpässlich ist, muss hier kein Gott die Grundlagen der Biologie verwerfen.

    Was dann eben nicht heißt, dass wir selber gnadenlos miteinander und der ganzen Mitwelt umgehen sollen.

    Von Geisteswelten erwarte ich durchaus eine Unterstützung des Lebens, aber die muss die biologischen Grundbedingungen nun mal einbeziehen. Wir sind hier nicht nur sterblich, sondern auch sonst in unser Existenz und vor allem auch Intelligenz begrenzt. Immerhin überwindet unsere Kultur den Tod der Individuen. Auch wenn es doch durchaus immer wieder aufwändig ist, dass die Toten alle Kenntnis mit ins Grab nehmen, und die neugeborenen Menschen wieder alles neu lernen müssen.

    Allerdings hat selbst das den Vorzug, dass neue Generationen auch immer wieder neu anfangen können, die Welt neu zu sehen.

    • Ja, @Tobias Jeckenburger – deswegen schrieb ich bewusst auch vom Leben beschützen. Lebewesen brauchen z.B. Nahrung, auch wenn es für uns Menschen kein Problem ist bzw. wäre, auf Fleisch aus industrieller Massentierhaltung zu verzichten. Das kann man(n) über Transzendenzen ableiten oder auch ganz diesseitig als Aufforderung, möglichst wenig komplexes Leben zu töten. Entscheidend scheint mir das (nicht-relativistische und schon gar nicht dualistische) Ergebnis.

  34. @Michael. 26.07. 08:20

    „Lebewesen brauchen z.B. Nahrung, auch wenn es für uns Menschen kein Problem ist bzw. wäre, auf Fleisch aus industrieller Massentierhaltung zu verzichten. Das kann man(n) über Transzendenzen ableiten oder auch ganz diesseitig als Aufforderung, möglichst wenig komplexes Leben zu töten.“

    Naja, wer Tiere hält, schenkt ihnen auch dann ihr Leben, wenn er sie am Ende tötet und isst. Je nach Haltungsbedingungen ist das womöglich gut für die Tiere, weit besser wohl, als wenn sie nie existieren würden. Insbesondere wichtig wäre, die Tiere so zu schlachten, dass sie die Todesgefahr gar nicht bemerken.

    Es gibt noch andere Gründe, wenig Tierisches zu essen, etwa weil das Flächen und Treibhausgase einspart.

    Aber es gibt auch Gründe, Tierisches inclusive Fleisch zu essen. Nutztiere konzentrieren das wertvolle Eiweiß in dem eher eiweißarmen Futter auf. Das ernährt uns dann ganz gut, und schmeckt lecker und vor allem schmeckt es vielfältig. Außerdem kann man mit Grasfressern auch Weideflächen nutzen, die für Ackerbau ungeeignet sind, und für Hühner und Schweine Reste aller Art verwerten bzw. mit Mais und Futterrüben oder Schweinekartoffeln füttern, was weit höhere Erträge pro Hektar hat als Weizen, Gemüse oder Hülsenfrüchte für den direkten menschlichen Verzehr.

    Eine gewisse Menge an Milchprodukten, Eier und dann auch Fleisch, dass hier automatisch mit anfällt, ist also sowieso drin.

    Wobei die Methanemissionen von Wiederkäuern gerne überbewertet werden, die bleiben nur ca. 10 Jahre in der Atmosphäre, was man einrechnen muss, wenn man das mit anderen Treibhausgasemissionen vergleichen will. Die Sticktoxidemissionen der Tierhaltung lassen sich mit Bioanbau und Kompostierung des Mistes auch ganz gut reduzieren. Was in jedem Fall bleibt, sind die zusätzlichen Flächen, die man vor allem dann braucht, wenn man sehr viel Fleisch isst.

    Und eine Tierhaltung, mit denen es den Tieren gut geht, ist in jedem Fall eine gute Idee. Das steigert nebenbei auch noch die Qualität der Produkte nicht unerheblich. Dafür, dass wir die Tiere am Ende töten und essen, können wir denen wenigstens ein schönen Leben spendieren, finde ich.

    Man kann allerdings auch als Mensch durchaus Freude mit Haustieren haben, die man in erster Linie zum eigenen Verzehr hält. Da bauen sich durchaus Beziehungen auf. Wie man das dann mit dem Schlachten vereinbart, kann aber auch dazu führen, dass man eher wenig Fleisch isst.

    • @Tobias Jeckenburger

      „Naja, wer Tiere hält, schenkt ihnen auch dann ihr Leben, wenn er sie am Ende tötet und isst. Je nach Haltungsbedingungen ist das womöglich gut für die Tiere, weit besser wohl, als wenn sie nie existieren würden.“

      Genau solche artgerechten Lebensmöglichkeiten sehe ich bei der industriellen Massentierhaltung nicht gegeben. Deswegen halte ich diese für einen Irrweg, mit dessen Leid und Vergeudung von Wasser, Futtermitteln, Energie, Antibiotika sowie der Verursachung von CO2, Methan & Nitraten wir die gesamte Mitwelt beschädigen.

  35. @Michael. 26.07. 22:14

    „Genau solche artgerechten Lebensmöglichkeiten sehe ich bei der industriellen Massentierhaltung nicht gegeben.“

    Hier muss man wohl was machen. Eine Kombination von Vorschriften und Förderungen für gute Haltungsbedingungen einerseits, aber es ist auch durchaus der Verbraucher gefragt, weniger Tierisches einzukaufen, insbesondere möglichst nichts wegzuwerfen.

    Mehr Steuern auf Tierisches und weniger Steuern auf Pflanzliches mag auch noch gehen.

    Überhaupt kann eine vernünftige Landwirtschaft mit weit weniger Stickoxidemissionen auskommen, und auch Wiesen und Äcker zu Kohlenstoffsenken machen können. Und zu mehr Artenvielfalt beitragen. Wenn wir generell weniger Tierisches einkaufen, dann ist hier auch Luft für Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die mit etwas weniger Ertrag pro Hektar einhergehen.

    Ansonsten können wir auch gut auf den Energiepflanzenanbau verzichten, dafür muss man keine wertvollen Flächen nutzen, dass geht auch alles mit PV und Windrädern und ganz ohne Verbrauch von an sich sehr wertvollen Flächen. Energiepflanzen machen nur Sinn, wenn man Überschüsse hat, die keiner mehr essen kann.

  36. @Michael Blume,
    Einige Einwände habe ich schon gegen Ihren steilen Thesen:
    1. Eine Wassermetaphorik kann ich weder bei Lessing noch bei Kant oder M. Mendelsohn erkennen. Bei Christian Wolff schlage ich später noch nach.
    2. Kant verwendet eher die Lichtmetaphorik mit seiner bekannten Paraphrase von Ps. 8 (Vgl. hier https://www.textlog.de/eisler/kant-lexikon/himmel-ueber-mir KpV Beschluß (II 205.) und hier https://www.bibleserver.com/LUT/Psalm8)
    3. Die Wassermetaphorik des späten Goethe ist wohl eher der Romantik zuzuordnen. Die französische Romantik hat tatsächlich die Feuermetaphorik.
    4. Wo setzten Sie den Beginn der Aufklärung an? Ich sehe sie eher im Mittelalter begründet in Averroes ´Grundlagenschrift, fortgeführt in der Sorbonne (vgl. K. Flasch Aufklärung im Mittelalter) und dann weitergeführt in der Kontroverse zwischen Luther und Erasmus, die passagenweise Averroes zitieren ( der angeblich nie aus dem Arabischen übersetzt wurde).
    5. Als wichtigste Errungenschaft sehe ich die verschiedenen Wahrheitsbegriffe, die die mittelalterliche Aufklärung durch Albert d. gr. und Th. v. Aquin entwickelte.
    Das reicht erst einmal als Einwände.

    • Ja, @Joachim Fischer – auf die Verknüpfung Wassermetaphern – Romantik verweist auch Isaiah Berlin in seiner These, im zersplitterten deutschen Staat ohne vorausleuchtende Hauptstadt sei die europäische (Licht-)Aufklärung gewissermaßen in die Romantik zurückgefallen. Darin sah er nicht weniger als einen Vorboten des Antimodernismus, Antisemitismus und Nationalsozialismus! Vgl. auch den deutschen „Kulturpessimismus als politische Gefahr“ nach Fritz Stern, der aus der Lust am Untergang (Wassermetapher!) konservative Reaktionäre im Kaiserreich und in Weimar erwachsen sah.

      Ich würde da zwischen Fortschrittsglauben und rückwärtsgewandter Romantik („Zurück zu den reinen Quellen!“ konkurrierende Ströme sehen, in denen auch Goethe und Kant lange nebeneinander wirkten – was aber auch wieder eine Wassermetapher wäre. Sind Ihnen die Thesen von Berlin und/oder Stern dazu bekannt? Sie haben je unterschiedliche Zeiträume im Blick und ich habe noch keine Möglichkeit gefunden, zwischen ihnen diskursiv zu unterscheiden. Morgen soll daher auch ein Blogpost zum, nun ja, aufklärerischen Solarpunk (Lichtmetapher) erscheinen.

  37. Guten Abend @Michael Blume,
    leider kenne ich weder Isaiah Berlin, noch die von Ihnen angesprochene These von Stern.
    Ich würde aber die Wassermetapher einfacher erklären: Novalis war Bergbauingenieur, zu Goethes Aufgaben gehörte der Bergbau. Beide waren von einer langen Tradition der bergmännischen Wasserwirtschaft geprägt, die durch die Dampfmaschine (Feuer) revolutioniert wurde.
    Die Lichtmetapher hat in meinen Augen in Großbritannien ihre Wurzel im Neuplatonismus, in Frankreich konnte sie als Deckmantel dienen, denn Ludwig XIV sah sich ja als der Sonnenkönig. Damit konnte sich die französische Aufklärung tarnen, die ja auch sehr dunkle Züge ( de Sade )hat. So viel in aller Kürze.

  38. Vielen Dank, dass Sie mir den Link zu diesem Vortrag geschickt haben. Aus diesem Blickwinkel habe ich den Faust noch nie betrachtet. Ich habe den Faust II vor vielen Jahren gelesen, aber ohne große Begeisterung. Vielleicht weil er mir damals im jugendlichen Alter unverständlich war. Ich hing auch mehr am Faust I, bedingt durch den Film mit Gustaf Gründgens und Will Quadflieg. Wobei ich da heute zugeben muss, dass eine Fixierung auf dem Mephisto liegt und doch eigentlich der Faust die “Hauptrolle” spielt. Es hat möglicherweise auch etwas mit der Legende “Gründgens” zu tun. Mit dem Roman von Klaus Mann, der auf seine Weise Rache an seinem ehemaligen Schwager und Freund genommen hat. Der Generalintendant der Preußischen Staatstheater als Schwiegersohn des Emigranten Thomas Mann. Wobei dies im übertragenen Sinne gemeint ist, denn ich weiß natürlich, dass die Ehe von Gründgens mit Erika Mann 1933 längst geschieden war.

    Was nun den Faust II angeht, so möchte ich Sie hier auf ein älteres Buch hinweisen. “Die Geschichte des Librettos” von Kurt Honolka, in dem dieser dem Dichterfürsten Goethe ein ganzes Kapitel zum Thema Goethe als Librettist widmet. Es geht dabei auch um die Vertonung von Teilen des Faust II und der Hoffnung Goethes, dass Beethoven daraus eine Oper schaffen würde. 1827 hatte Goethe offenbar noch die Hoffnung, dass sich sein Wunsch erfüllen würde, aber lt. Honolka hatte er bereits zwei Jahre später resigniert.
    Zitat von Goethe aus dem Buch: “Das Abstoßende, Widerwärtige, Furchtbare, was sie (die Faust-Musik) stellenweise enthalten müsste, ist der Zeit zuwider. Die Musik müsste im Charakter des Don Juan sein, Mozart hätte den Faust komponieren müssen.”
    Übrigens hielt Goethe auch Meyerbeer !!! “vielleicht dazu fähig” (Zitat Goethe aus dem o.g. Buch).
    Was Sie über Goethe und seine Einstellung zu den Juden schreiben, hat mich dieses Zitat doch etwas überrascht.

    Dass auch Christopher Marlowe sich mit dem Dr. Faustus beschäftigt hat, wusste ich nicht. Aber es ist schon interessant, wie verschieden die Ansätze der beiden Dichter sind.

    Die Zersplitterung Deutschlands in kleine Fürstentümer mag man bedauern. Sie haben jedoch auch vielen Künstlern, darunter zahlreichen Komponisten, die Möglichkeit der Betätigung gegeben. In einer Zeit, in der die Preußen unter Friedrich dem Großen Krieg führten, waren in Stuttgart bzw. Ludwigsburg sowohl der Komponist Jommelli als auch der Choreograph Noverre tätig. Die Mannheimer Schule erlangte Bedeutung weit über Mannheim hinaus. Vor allem durch die Musik von Komponisten, die dann wiederum an anderen Hoftheatern auch gespielt wurden. Als einen frühen “Baden-Württemberger” bezeichne ich scherzhaft gerne den Komponisten Franz Danzi, der sowohl in Stuttgart als auch in Karlsruhe Hofkapellmeister war. Erinnern will ich auch daran, dass Schiller seine “Räuber” nicht in seiner Heimat Württemberg uraufführen lassen konnte. Hätten wir nur Berlin als zentrale Aufführungsstätte gehabt, wie viele Werke wären nie entstanden. In Stuttgart am Hoftheater konnten um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Stücke von Schnitzler oder Ibsen aufgeführt werden, die anderswo mit Aufführungsverboten belegt waren. Dies war möglich, weil ein toleranter Monarch seinem Hoftheaterintendanten kaum Steine in den Weg legte. Ich finde, dass für den Reichtum an Kunst, Literatur, Schauspiel, Oper, Musik etc. die (Hof)-Theater einen unschätzbaren Beitrag geleistet haben. Man mag über Herzog Carl Eugen viel Negatives schreiben können. Ja, er war ein absoluter Herrscher und Despot. Andererseits holte er die Malerin Anna Dorothea Therbusch nach Stuttgart, wo er sie zum Ehrenmitglied der Academie des Arts ernannte! Übrigens existiert von ihr ein Porträt des Komponisten und Hofkapellmeisters Jommelli.
    Aus politischer Sicht mag die Zersplitterung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ein Nachteil gewesen sein, aus o.g. Sicht war sie ein Gewinn.

    Goethe wie auch Schiller lebten ja viele Jahre in Weimar. Eines hat mich dabei in der Beschäftigung mit der NS-Zeit immer wieder verblüfft. Sowohl Goethe als auch der Vater von Baldur von Schirach leiteten das Hoftheater in Weimar. Manchmal treibt Geschichte schon seltsame Blüten.

    • Vielen Dank für Ihr Interesse und für die Hinweise!

      Ich bin auch für diesen September noch einmal zu einem Goethe-Faust-Vortrag zu den Vorstellungen des Bösen in den Religionen & bei Goethe nach Knittlingen eingeladen. Hoffe, das wieder wahrnehmen und auch schreiben zu können. Es ist mir wichtig.

      • Am 12. April 1922 dauerte die Aufführung des Faust 2 am Württ. Landestheater 5,5 Stunden. Infos dazu finden sich bei der WLB. Und zwar in den digitalisierten Stuttgarter Theaterzetteln, aber auch in den Rezensionen in der Württemberger Zeitung, dem Schwäbischen Merkur und dem Stuttgarter Neues Tagblatt vom 13.04.1922, ebenfalls in digitalisierter Form bei der WLB.

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