Wer trägt die fossile Schuld? Doppelrezension von Christian Stöcker & Peter Sloterdijk

Seit 2015 wies ich mit “Öl- und Glaubenskriege” auf unsere inzwischen insbesondere für die Ukraine und Israel tödliche Finanzierung fossiler Erdgas- und Erdöl-Regime wie Russland (mit Wagner), Iran (mit Hisbollah) und Katar (mit Hamas) hin. Am 9.11.2023 plädierte ich im Landtag Baden-Württemberg daher noch einmal ausdrücklich für Erneuerbare Friedensenergien. Und selbst einfache KI-LLMs wie deep.AI verstehen die jahrzehntealten (!) Ressourcenfluch- und Rentierstaatstheorien bereits.

Wer ignoriert hier also die Erkenntnisse nicht nur der Klima-, sondern auch der Wirtschafts-, Religions- und Politikwissenschaften seit Jahrzehnten und verschleppt die Energiewende der Demokratien? Sind es vor allem sich reaktant an die Vergangenheit klammernde Rechte, die sich durch Elektroautos, Veganismus und Solarpunk in ihrer fragilen Männlichkeit bedroht sehen? Oder sind es vor allem von fossilen Lobbyisten korrumpierte Liberale, die lieber noch kurzfristig an den fossilen Profiten teilhaben, statt Demokratie und Freiheit zu sichern? Oder am Ende doch gar heuchlerische Linke, die immer wieder nur mehr Bürokratismus (und manchmal auch Putin-Tyrannophilie) hinbekommen, weil sie nicht einmal selbst auf Massentierhaltung, Fernreisen und dicke Autos verzichten wollen?

Um hier weiterzukommen las ich zwei sehr unterschiedliche Bücher, die je die Schuld (neudeutsch: den Blame) vor allem parteipolitisch an Mitte-Rechts (Stöcker) oder an Links (Sloterdijk) vergeben. Entsteht aus diesen beiden zueinander verschobenen Perspektiven womöglich ein tieferes 3D-Bild?

Zwei sehr unterschiedliche Deutungen des fossilen Versagens von Demokratien an der Energiewende in “Männer, die die Welt verbrennen” von Christian Stöcker (links) und “Die Reue des Prometheus. Von der Gabe des Feuers zur globalen Brandstiftung” von Peter Sloterdijk (rechts). Doppelrezension & Foto: Michael Blume

Mit 240+ Seiten plus Faktensheets und beeindruckenden Fußnotenapparat belegt der 1973 in Würzburg geborene Psychologe und SPIEGEL-Kolumnist Christian Stöcker seinen Anspruch auf Sachlich- und Wissenschaftlichkeit. Faktenreich und rasant präsentiert er in “Männer, die die Welt verbrennen” (2024 bei Ullstein) eine männliche “globale Allianz der Verbrenner”: Diese reicht von Charles & David Koch (USA) und internationalen Wissenschaftsleugner-Netzwerken über Wladimir Putin (Russland) und dem Medienmogul Rupert Murdoch (Australien) bis hinunter zur deutschen INSM (an deren Anti-Baerbock-Moses-Kampagne er auch meine Kritik erwähnt), zu Frank Schäffler (FDP), Aserbaidschan-Lobbyisten der CDU und Ex-Kanzler Gerhard Schröder (Gazprom & SPD). Auch Friedrich Merz, Jens Spahn sowie Angela Merkel (zwar Frau, aber eben auch CDU) kommen bei ihm nicht gut weg. Milde erfahren nur die Grünen, die auch bei der regionalen Ablehnung von Windkraftanlagen oder bei der Agitation gegen Atomkraft- zugunsten von Kohlekraftwerken eben “intraökologische Konflikte” austrügen.

Lustvoll und lesenswert ist auch das Kapitel zur US-Theorie vom Petromaskulinismus – wer von uns Europäern genießt denn nicht jene Momente kultureller Überlegenheit? Umso defensiver fallen dann aber Stöckers Ausführungen zu Verkehrs- oder Fleischfragen aus, in dem die offensichtlich völlig ferngesteuerten Konsumentinnen und Konsumenten durch “das gleiche Lobby- und Desinformationsmodell” der Verbrenner-Lobbyisten korrumpiert würden: “Die mit großem Abstand effektivste Methode, die nahrungsbedingten Emissionen zu senken, ist, weniger Fleisch und Milchprodukte zu konsumieren. Den meisten Menschen ist das längst bekannt. Die Folge ist die gleiche wie bei den fossilen Brennstoffen: Es gibt jetzt Ernährungsdesinformation.”  (S. 202)

Wenn dies den meisten Menschen doch gegen alle (doch nicht so wirksame?) Desinformation bekannt ist – warum sinkt dann der deutsche Fleischkonsum nicht schneller?

Hier wäre es selbstverständlich klasse gewesen zu erkunden, warum nicht nur Gerhard Schröder (SPD) die Fleisch-Currywurst in der VW-Betriebskantine als “Kraftriegel der Facharbeiterin und des Facharbeiters” rühmte oder warum auch der selbst vegetarische Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse doch weiterhin Tierställe subventionieren möchte. Auch zu den spannenden, “intraökologischen”, landwirtschaftlichen und wissenschaftlichen Frage etwa von Massentierhaltung versus Biogas, Agrarphotovoltaik und grünen Wasserstoff bleiben viele Fragen offen, wohl weil sie nicht in einen parteipolitischen Gut-Böse-Dualismus passen. Vielleicht ist die politische Realität doch ein wenig komplexer?

Wäre die fossile Blockade der Energiewende ausschließlich ein Problem liberaler und rechter Akteure, so bliebe das krasse, umweltpolitische Scheitern der sozialistischen Staaten und Regierungen von der Sowjetunion über “linke” Regierungen des heutigen Angola und alleine in Europa Dutzende sozialdemokratischer Regierungen bis zum neo-autoritären, „revolutionären“ Venezuela unerklärlich. Alles nur bedauerliche, fossile Einzelfälle? Oder doch Ressourcenfluch?

An diesem global beobachtbaren Widerspruch setzt der 1947 in Karlsruhe geborene Philosoph Peter Sloterdijk in “Die Reue des Prometheus. Von der Gabe des Feuers zur globalen Brandstiftung” an. Auf kaum 80 Seiten präsentiert der Philosoph, Kulturwissenschaftler und Publizist eine neue, kritische Lesart des Prometheus-Mythos, nach dem der Titan für das Überbringen des Feuers an die Menschen bestraft werde: “Steigt der Titan Prometheus von seinem Kreuzigungsfelsen herab, muß er den veränderten Zustand der Welt mit höchster Verwunderung betrachten.” (S. 34)

Der Band basiert dabei auf einem erweiterten Skript vom “Public-Science-Festival unter dem Patronat des Schweizerischen Bundesamts für Energie und von EnergieSchweiz am 6. und 7. Oktober 2022” (S. 80, Schlussdank). Obwohl da also die fossil finanzierte Invasion Putins gegen die Ukraine bereits über ein halbes Jahr tobte und Zehntausende Menschenleben gekostet hatte, finden sich keine sloterdijkschen Anfragen an die einträgliche Schweizer Energie-“Neutralität” inmitten einer schützenden EU samt fossiler Importe.

Zitatkachel aus der Rede von Dr. Michael Blume vom 9.11.2023: "Wer eine Religion, ein Volk, einen Staat der Vernichtung preisgibt, macht sich mitschuldig, dass keine Religion, kein Volk, kein Staat mehr sicher ist." Klick führt zu einer YouTube-Aufzeichnung der Rede

“Wer eine Religion, ein Volk, einen Staat der Vernichtung preisgibt, macht sich mitschuldig, dass keine Religion, kein Volk, kein Staat mehr sicher ist.”, Fediversum-Zitatkachel zur Landtags-Rede von Dr. Michael Blume am 9.11.2023 via Mastodon 

Laut dem begabten Großrauner Sloterdijk sei das fossile Versagen auch heute keinesfalls auf bürgerliche Bequemlichkeit, sondern vor allem auf eine verhängnisvolle Fehlentscheidung der Marxisten und generell Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert zurück zu führen. Denn statt nach der vor allem auch von Christen betriebenen Abschaffung der Sklaverei als “Ausbeutung des Menschen durch den Menschen” eine wirklich gerechte und nachhaltige Gesellschaft zu gründen, hätte die entstehende Linke mit der Verschmelzung des Arbeits- und Energiebegriffes den Weg zur “Ausbeutung der Erde im Interesse des Menschen” (S. 46) geebnet. Im populärsten Slogan “‘Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will’ aus Georg Herweghs Arbeiterlied von 1863” werde bereits deutlich, dass die energetische Antriebsleistung der “Räder” durch die Verbrennung der “unterirdischen Wälder” aus Kohle, später dann auch Öl und Gas einfach ausgeblendet werde. Am Ende hätten die vermeintlich progressiven Männer und zunehmend auch Frauen durch den scheinbar erlösenden Dualismus zwischen “Arbeiterklasse” und “Kapitalismus” also doch nur ihren eigenen Anspruch verkleidet, ebenso viel wie die Kapitalisten konsumieren zu wollen: “Als Hauptirrtum moderner Sozialphilosophie made in Germany wurde die Klassenkriegsdoktrin in alle Welt exportiert, nicht selten mit bestürzenden Erfolgen.” (S. 44)

Neben zahlreichen katastrophal gescheiterten Links-Diktaturen mit Millionen von Toten sei damit bestenfalls eine “Ausbeutungsverschiebung” (S. 48) erreicht worden, die “moderne Gesellschaften eher Konsumvereinen” angleiche und sich nicht zuletzt in “expandierender, ja explodierender Massentierhaltung” (S. 49) zeige. Die Gier sei also den Menschen nicht erst durch kapitalistische Lobbyisten und Werber eingetrichtert worden. “Die Erwartungen in bezug auf Teilhabe an den quasi anonym und massenhaft anströmenden Überflußgütern wurden für große Mehrheiten zu einer zweiten Natur. Die ‘Feuer des Neides’ trugen das Ihre bei, die konsumierenden Massen zu synchronisieren und zu verähnlichen.” (S. 55) So mündet Sloterdijks sehr Schweiz-Alpenraum-kompatible Argumentation zum Schutz der “Mitwelt” (statt Umwelt) in Aufrufe zu neuerlicher Natürlichkeit, Genügsamkeit und familiärer Bescheidenheit vor allem von Frauen bis hin zum “energetischen Pazifismus” (S. 61) und einer “Helvetisierung des Planeten” (S. 63), also der Zerlegung von Großstädten und großen Nationalstaaten in kleinere, föderale Kantone. Der globale Aufstieg rechtspopulistischer und nationalistischer Bewegungen bilde dagegen einen Anfall von “hyper-prometheischem Aufbegehren” (S. 68). Wenn der Philosoph hier auch ausdrücklich Verschwörungsmythen eine Absage erteilt, so bezeichnet der Spektrum-Rezensent Josef König den sloterdijkschen Stil doch recht treffend als “elitären Traditionalismus”. Dem Schweizer Energie-Publikum dürfte es sehr zugesagt haben.

Fazit

Mit Stöcker & Sloterdijk liegen derzeit zwei Bücher zu den fossilen Widerständen gegen die Energiewende vor, die jedes für sich alleine lesenswert, zusammen aber buchstäblich beeindruckend sind. Die menschliche Lust am Dualismus, auch für politische Probleme jeder Art die Schuld stets bei den Anderen zu suchen (Linke bei Rechten, Rechte bei Linken) wird in beiden Büchern sichtbar, aber in der Gesamtschau überbietbar.

Wer Demokratie nur als “Interessensvertretung” gegenüber letztlich unmündigen Bürgerinnen und Bürger versteht, wird auch als gewählter Linke/r dazu neigen, sich zuerst durch Bürokratismus unbeliebt zu machen und dann doch Kompromisse auf Kosten der nicht wahlberechtigten Mitwelt (also der Natur sowie künftiger Generationen) zu schließen. Dann wird jedes Regieren ein Abstürzen gegenüber den eigenen, theoretischen Ansprüchen.

Wer dagegen Wissenschaft nur als Bevormundung deutet, wird vom Wertkonservativen zum fossilen Rechtslibertären, der sowohl die Vernunft und Mitwelt wie Menschenwürde samt Gleichberechtigung, Familien, Religionen und, ja, auch Parteien für kurzsichtige Gewinne verzockt. Dann werden auch wissenschaftliche Erkenntnisse zunehmend als Störungen der (populistisch verstandenen) Demokratie wahrgenommen.

In einer idealen Welt würden gerade auch Rechte und Liberale das Buch von Stöcker lesen, um an ihrer Reaktanz zu arbeiten und fossilen Lobbyismus aus ihren Parteien zu entfernen. Umgekehrt würden sich gerade auch Linke und Post-Religiöse auf Sloterdijk einlassen, um ihre akademisch-säkular trainierte Arroganz zu überdenken und die Probleme nicht immer wieder nur bei Andersdenkenden zu suchen. Denn niemand kann alles, aber jeder und jede etwas verändern – beginnend bei sich selbst. Dann könnten auch demokratische, post-fossile Politik und Parteien wieder überzeugender und dynamischer werden. Davon wird mensch doch wohl noch träumen dürfen!

 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

39 Kommentare

  1. Wer trägt die Schuld? Rechte? Linke? Das scheint mir doch sehr vereinfacht zu sein. Dabei vermute ich, dass die Lektüre der beiden Bücher meinen Blutdruck bedeutend erhöhen würde.
    Wenn wir als BürgerInnen und WählerInnen etwas verändern wollen, dann sind Schuldzuweisungen bestimmt nicht das richtige Mittel. Brauchen wir für das Gespräch zwischen “Rechten” und “Linken ” solche Bücher? Oder tragen die nicht noch mehr zur Abschottung und Ablehnung der anderen Seite bei? Auch wenn Sie offenbar davon ausgehen, dass es positive Auswirkungen auf den politischen Diskurs haben würde, bleiben bei mir Zweifel.
    Wir leben in Zeiten extremer Polarisierung. Dass Stoecker und Sloterdijk es offenbar für notwendig erachtet haben, diese Bücher zu schreiben, deutet für mich eher auf weitere Abgrenzung hin.
    Ihnen aber herzlichen Dank für den Versuch, Brücken zu bauen.

    • Vielen Dank für Ihren denkwürdigen Kommentar, @Marie H.! 🙏📚🤔

      In seiner „Matthäuspassion“ (suhrkamp 1988, 10. Auflage 2020) schrieb der von mir sehr geschätzte Hans Blumenberg auf S. 8:

      „Einseitigkeit ist das Schicksal aller Wahrnehmungen.“

      Deswegen glaube ich, dass wir feindseligen Dualismus jeder Art am Besten überwinden, indem wir ihn auch bei uns selbst wahrnehmen. Sowohl Christian Stöcker wie Peter Sloterdijk bieten in ihren beiden hier rezensierten Büchern starke Argumente. Würde ich ein Buch zu post-fossilen „Friedensenergien“ schreiben, so würde ich beide Argumentationen im Sinne eines dialogischen Monismus miteinander ins Gespräch bringen. Vielfalt fördert die Erkenntnis besser als Einfalt. Schon deshalb bin ich beiden Akteuren ehrlich dankbar.

      • Rezensionen von Büchern sollen Leser und Leserinnen letztlich animieren, die Bücher dann selbst zu lesen. Mein “denkwürdiger Kommentar” kann sich also nur auf Ihre Beschreibung beziehen. Ich sehe ein, dass es schwierig ist, dass ich mich sinnvoll an der Diskussion beteilige. Ihre Zitate aus den Büchern sollen Lust darauf machen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Da ich mich weder zur Klientel des einen noch des anderen zähle, werde ich keines davon lesen. Außerdem verorte ich mich weder links noch rechts und gehöre auch nicht zu denen, die noch irgendetwas durch Diskussionen etc. verändern können. Ich bin in keiner Partei. Eine philosophische Erörterung der Schuldfrage bringt mich auch nicht weiter. Meine Erkenntnis: Ich sollte mich nur zu Dingen äußern, von denen ich etwas verstehe.

        • Erlauben Sie mir hierzu bitte freundlichen Widerspruch, @Marie H.

          Nach meiner Erfahrung werden auch in Deutschland zu viele Debatten polarisiert und oft von den Extrempositionen her geführt – denken wir etwa an Migration oder auch Friedensenergien.

          Die große Mehrheit, die sich da gar nicht nur auf der einen oder anderen Seite verortet, äußert sich zu selten. Deswegen fand ich Ihren Kommentar wirklich hilfreich und be-denkwürdig, daher auch der Dank.

          Und in Sachen „Fixierung auf Schuldfragen“ bin ich nicht nur ganz bei Ihnen, sondern habe neulich auch mit Prof. Ince über meine Ablehnung der (augustinischen) Erbsünde-Erbschuld-Lesart der Bibel gesprochen:

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/nein-zur-erbsuende-ja-zur-verantwortung-protestantismus-folge-bei-blume-ince/

          Die Fixierung auf Schuldfragen statt Verantwortung halte ich für eine kulturelle Schwäche. Ihre Ergänzungen und Einwände waren und sind mir wichtig!

    • Lieber Herr Blume, ich freue mich natürlich sehr über Ihre Rezension von “Männer, die die Welt verbrennen” – aber ich verstehe sie nicht ganz. Im Buch kommen (wie Sie selbst schreiben) auch diverse SPD-Männer, außerdem übrigens S. Wagenknecht, in alles andere als rühmlichen Rollen vor. Ich verstehe deshalb die Kritik an vermeintlichem “parteipolitischen Gut-Böse-Dualismus” nicht, und auch nicht die These, ich hätte “Blame vor allem parteipolitisch an Mitte-Rechts” verteilt.
      Das mit den “intrökologischen Konflikten” stammt übrigens nicht von mir, sondern (es ist ein Zitat mit Quellenangabe) vom DIW, und es bezieht sich auch nicht auf Atomkraft, sondern nur auf Windkraftanlagen. Zum Thema Atomkraft stehen im Buch nur ökonomische Anmerkungen. Der Witz ist ja gerade, dass fossile Interessen das rechts-links-Schema transzendieren. Das ist sogar eine schon im ersten Kapitel explizit formulierte, zentrale These des Buchs.
      Begeisterung für fossile Brennstoffe geht zwar sehr oft mit reaktionären Einstellungen einher. Aber Charles (nicht so sehr David) Koch, Mohammed bin Salman, Wladimir Putin und Rupert Murdoch sind zwar alle reaktionär auf ihre Art, aber doch nicht “parteipolitisch mitte-rechts”.

      Zum Abschluss: Zum Thema Landwirtschaft hätte ich natürlich selbst gern wesentlich mehr geschrieben, aber der Text ist auch so schon 40 Seiten länger als ursprünglich geplant und mit dem Verlag vereinbart – und der Fokus des Buches sind eben fossile Brennstoffe. Muss ja nicht das letzte sein…

      • Lieber Herr Stöcker,

        vielen Dank – ich fand & finde Ihr Buch auch sehr gelungen. Von Details abgesehen, die ich freundlich und konstruktiv benannt habe. An einigen Stellen – wie der auch Ihrerseits erwähnten Landwirtschaft, der Erneuerbaren als Friedensenergien oder der Frage des Atomausstiegs – wäre mehr Platz für internationale Vergleiche gut gewesen, gerade weil sich das Links-Rechts-Schema bei diesen Themen noch weiter differenziert hätte. Dass bei begrenztem Umfang aber auch Priorisierungen vorgenommen werden müssen, ist für mich kein K.O.-Kriterium gegen ein Buch.

        Auch lange vor den Debatten über die sog. Treibhausgase hatten wir ja auch schon beim sog. Waldsterben die bizarre Situation, dass das krassere Versagen der sozialistischen Staaten in der bundesrepublikanischen Debatte fast völlig ausgeblendet war, vgl.:

        https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/erst-stirbt-der-wald-dann-du-die-dissertation-von-birgit-metzger-zum-waldsterben-und-waldmythos/

        Auch das fossile Versagen des südafrikanischen, linken ANC (Regierungspartei seit 1994) hätte ein bedenkenswertes, aktuelles Beispiel geboten:

        https://www.fr.de/wirtschaft/energiekrise-kohlechaos-in-suedafrika-92458038.html

        Knapp gesagt sehe ich fast global partei- und milieuübergreifend unterschiedliche Pfade des Versagens auch in der Auseinandersetzung mit Wissenschaft wie Reaktanz, Arroganz, Korruption und Historizismus (nach Karl Popper). In allzu engen, nationalstaatlichen Analysen kommt mir das leider oft zu kurz.

        Dass die sogar vergleichsweise milde Anfrage an grüne Verbände noch zitiert war, empfand ich als eher unangenehm und wollte das hier nicht auch noch breittreten. Dass ich umgekehrt der INSM-Kampagne gegen Annalena Baerbock entgegentrat, haben Sie ja zitiert.

        Und wenn schon Zurückhaltung bei Kritik: Eine faire Würdigung etwa von Hermann Scheer (SPD) für das erste EEG plus vorausschauender Kritik an Desertec oder von Klaus Töpfer (CDU) für den Aufbau des ersten Bundes-Umweltministeriums überhaupt plus nachfolgendem, internationalen Engagement hätte auch hier mehr politische Ausgewogenheit ausgedrückt.

        All dieses unterstreicht m.E. meine Wahrnehmung eines parteipolitischen Dualismus, den ich Ihnen konstruktiv als Denkanstoß anbiete. Sie wissen ja selbst am Besten, dass Wahrnehmung überwiegend vorbewusst konstruiert wird.

        Ganz bewusst bleibt meine Doppelrezension bei aller genannten Kritik im Detail wertschätzend und konstruktiv. Ich halte Ihr Buch wie geschrieben für stark recherchiert & überaus lesenswert. Und freue mich schon jetzt über mehrere Rückmeldungen von Leserinnen und Lesern, die es nach der Rezension erworben haben und sicher auch unterschiedliche Wahrnehmungen damit verbinden werden. Möge Ihr starkes Werk noch zu vielen guten Debatten mitsamt neuen Erkenntnissen führen!

        Ihnen Dank, herzliche Glückwünsche und beste Grüße!

  2. Ich höre den @ webaer schon schreien, die Natur hätte keinen intrinsischen Wert. Je mehr sie flöten geht und wir feststellen, ohne sie geht es nicht und der Mensch kommt aus ihr und ist Teil davon, also auch intrinsisch ist, umso mehr klagt der Mensch. Wen soll ich jetzt verklagen?

  3. @Michael 05.04. 15:54

    „Vielfalt fördert die Erkenntnis besser als Einfalt.“

    Es gibt ja nun grundsätzlich zwei Wege, die Energiewende vorwärts zu bringen. Einmal den Ersatz fossiler Technik, was Geld kostet. Und dann die Einschränkung von verzichtbarem Konsum, was Geld einspart. Was sich beides durchaus gut ergänzen kann. Wenn ich auf ein Auto verzichte, und mir dafür eine PV-Anlage auf dem Dach und eine moderne Wärmepumpenheizung sowie E-Bikes für alle Familienmitglieder leiste, dann ist das insgesamt kostenneutral.

    Das braucht gar nicht mal so viel staatliche Unterstützung. Wichtiger wären hier die Rahmenbedingungen, dass die Stromnetze ausgebaut und die Stromzähler Stundenpreise verarbeiten können. Dann lohnen sich auch noch private Stromspeicher bzw. ein Batteriefahrzeug als Ergänzung zur PV-Anlage und zur neuen Heizungsanlage.

    Und eine weitergehende Konsumreduktion ist einerseits freiwillig möglich, kann aber auch vom Staat durchgesetzt werden, indem man den Menschen die Steuern erhöht, und mit dem Geld dann in weiteren Ausbau von PV, WKA und Wasserstofftechnik investiert. Das braucht dann aber auch die Zustimmung des Wählers, und wäre in diesem Sinne dann auch recht freiwillig.

    Was jetzt auf soviel Liebe bei den Menschen nicht treffen würde. Wenn denn wenigstens die Baugenehmigungen z.B. für Windräder einfacher würden, dann würde das auch schon mal Einiges bringen.

    Und wer hier seinen eigenen Konsum mehr auf wenig Emissionsstarkes verlegt, tut auch schon eine Menge. Statt Fernreise Urlaub in Reichweite von Zugreisen, oder mit einer kleineren Wohnung besseres Essen und hochwertigere und haltbarere IT-Technik finanzieren. Oder mit weniger Fleischkonsum Gemüse in Bioqualität finanzieren.

    • Zustimmung von mir, @Tobias Jeckenburger

      Oft erlebe ich Diskussionen zum Klima- und Mitweltschutz noch in der unguten Entgegensetzung von Staat-Markt-Dualismus: „Die da oben“ sollen gefälligst die Energiewende hinbekommen! Oder umgekehrt: „Die Verbraucher“ selbst mögen doch bitte ihren „CO2-Fußabdruck“ reduzieren. Letzteres war nicht zufällig eine Erfindung von British Petroleum / BP: https://www.unilu.ch/fileadmin/user_upload/Peter_G._Kirchschlaeger_Pfarreiblatt_Sursee_10_2022.pdf

      Wer jedoch wirklich etwas verändern möchte, beginnt vernetzt zu denken und fängt bei sich selbst an, damit sich auch Wirtschaft und Politik verändern. Wo kann ich Ausgaben einsparen? Was brauche ich wirklich? Welche Investitionen machen Sinn? Welche Kandidierenden bieten glaubwürdiges Engagement für Mitweltschutz und Friedensenergien?

      Auch bei mir selbst kann ich keine plötzliche Erkenntnis behaupten, obwohl mich konkret die Rentierstaatstheorie schon im Studium faszinierte. Aber erst im Irak 2015 begann ich die Tragweite von Klimakatastrophe, Wasserkrise und Hitzemord auch emotional zu begreifen. Das Elektroauto folgte 2017, der Vegetarismus 2019, die smarte Solargrid-Anlage 2024. Es ist ein sowohl wissenschaftlicher wie auch psychologischer und damit auch spiritueller Weg, der ermutigt, aber nicht erzwungen werden kann. Umso länger wir uns diesem aber verweigern, umso mehr Mitschuld an fossiler Gewalt und Zerstörung nehmen wir auf uns. Es ist nie zu spät und gleichzeitig schon immer zu spät. So verstehe ich inzwischen Karl Poppers „Kreuz der Wahrheit“, vgl.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/das-schrumpfen-der-freiheit-poppers-kreuz-der-wahrheit-im-hossa-talk-184/

      Ihnen Dank für die konstruktiven und damit ermutigenden Kommentare!

  4. Der Kindergarten bekommt einen Güterzug voller Schokolade. Ein Kind schreibt sich auf ein Post-it, dass der ganze Zug ihm gehört, ein anderes will ihm das Zettelchen wegnehmen, und all die anderen Kids haben so viel Angst, keine Schokolade zu bekommen, dass sie sich in zwei Teams aufteilen, weil die einen dem einen Streithahn seine Versprechen glauben, die anderen dem anderen, und dann schlagen sie sich gegenseitig tot und brennen den Kindergarten nieder – statt einfach das Zettelchen zu ignorieren und die Schokolade zu essen.

    Wer ist schuld? Kinder sind blöd. Das ist schuld.

    Sie sehen eine Apokalypse der Zauberlehrlinge, die einander per Inflation zu erschlagen versuchen – es mangelt uns an nichts, von allem ist zu viel da. Europa druckt viel zu viel Geld, die Chinesen viel zu viele Waren, die Russen viel zu viele Leichen, die Amis viel zu viel Hexenjagd, der Globale Süden zu viel Arbeitskraft, und so weiter. Prometheus ist schon richtig, er hat einem Affe ein Füllhorn gegeben: Die Technologie – und der Affe erstickt unter Bananen. Und weil es ihm zu wenig ist, schüttelt er aus dem ersten Füllhorn noch ein zweites, viel größeres, das ihm kleine Zettelchen druckt, auf denen „IOU Banana“ steht, und prügelt sich darum, als wäre er am Verhungern.

    Wir verrecken daran, dass unsere Psyche nicht für so viel Macht und Reichtum geschaffen wurde. Sie entstammt dem Tierreich, da ist man nie reich und mächtig, sondern stets auf der Flucht und kurz vorm Verhungern. Ich kann als Affe kleine Mengen korrekt einschätzen – 1, 2, 3, viele Bananen, doch danach wird’s schnell rein relativ: Ich sehe nur, dass eine Million Bananen nur ein Zehntel von zehn Millionen Bananen sind.

    Weil ich aber ein Affe bin, habe ich gar keine psychischen Kapazitäten, um solche Mengen korrekt einzuschätzen. Also verarbeite ich sie mit den Ressourcen, die mein Hirn bereitstellt: Ich sehe nur einen Bananen-Baum mit 10 Bananen, und wenn ich nur eine abkriege, werde ich nicht satt, sterbe des Hungers, oder bin zu schwach, mich vor Löwen zu wehren.

    Dem Menschen nützt es nicht viel, immer mehr zu bekommen – sein Geist schrumpft das alles zu Affen-Maßstäben. Selbst der reichste Mensch der Welt empfindet sich nicht als viel reicher als der beste Schuhverkäufer im Schuhladen – höchstens schrumpft der Rest der Menschheit für ihn zu Ameisen. Und jeder Gottkönig, der über ein Imperium herrscht, fühlt sich nicht mächtiger als ein Kind, das eine Gruppe Straßenjungen anführt und jederzeit von einem Stärkeren abgesetzt werden kann.

    Die Mächtigen und Unersättlichen verhalten sich wie die Ohnmächtigen und Hungernden – weil es so viele von ihnen gibt. Weil die Welt so reich geworden ist, dass die relative Überlegenheit schwindet, sie stürzen von ihren Thronen, ohne sich zu bewegen, nur werden immer mehr Throne in den Thronsaal gestopft, sodass er langsam wirkt, wie das Wartezimmer beim Arbeitsamt.

    Die Moderne – ist nie passiert. Als wir Imperien errichteten, Sklaven aus Afrika und aus Stahl hatten, hat Europa einfach den Adelsstand auf das ganze Volk erweitert, das nennt sich dann Demokratie – Vorläufermodell war zum Beispiel die Adelsdemokratie in Polen-Litauen, die moderne Demokratie zeigt mir nicht viel, was ich nicht schon aus derer Geschichte kenne. Heute sind wir als Wähler so ein Zwischending aus Herr und Sklave, und auf dem Rest des Planeten geht die Emanzipation der Unterdrückten weiter. Auf die blutige Tour, Spartakus mordet und foltert und vergewaltigt und kreuzigt mit den Römern um die Wette.

    Doch was auch immer wir tun – wir bleiben Äffchen. Wenn wir uns den Wanst vollgeschlagen haben, wissen wir mit dem Rest des Tages nichts mehr anzufangen. Weil wir dazu da sind, unser Leben lang nach Bananen zu suchen, ist unser Leben nach dem Frühstück komplett sinnlos. Also schaffen wir uns virtuelle Mägen namens Brieftaschen und virtuelle Bananen namens Geld, schrumpfen die Welt zu Affen-Maßstäben und spielen ein albernes Gesellschaftsspiel mit ernsthaften Folgen. Wir verwirklichen unser gesamtes Potenzial in all seiner Jämmerlichkeit, wieder und wieder und wieder, mit immer mehr Macht, deswegen in immer größeren Maßstäben.

    Wir sind ein Katalysator – wir ändern die Welt, beschleunigen, ermöglichen Prozesse, ohne uns selbst zu verändern. Wenn wir nicht mehr gebraucht werden, werden wir abgebaut.

    Haben wir derzeit überhaupt echte Probleme, außer den Kollateralschäden an der Natur? Ressourcenkrise ist noch nicht so schlimm. Für Hungernde ist genug Essen da, zumindest genug Produktionskapazitäten. Wirtschaftskrisen – siehe oben, wir lassen uns als Avatare für ein dämliches Computerspiel um Pixel und Zettelchen verheizen, wie die Characters bei World of Warcraft, doch nehmen dafür echte Waffen und bringen uns in echt um. Selbst der Klimawandel wäre mit unserer Technologie und Ressourcen mit Links abgewickelt.

    Nur unser geistiges Niveau bleibt auf dem Niveau von: Uuuk uuk uuk! Will Banane. Gib Banane. Deine Banane ist meine Banane, denn mein Eigentum wird etwas dadurch, dass ich es will. Du hast meine Banane geklaut. Das gibt Haue.

    Irgendwann wird es wirklich ernst. Dann haben wir zu viel zerstört, zu viel verbraucht, die Chance, zu Besinnung zu kommen und mal die Spielregeln der ganzen Beschäftigungstherapie zu überdenken, wird vertan sein. Noch hat unsere Religion – Friss den Kühlschrank leer, scheiße, wo du stehst, davon wird er sich magischerweise wieder füllen – vor allem die virtuellen Kühlschränke geleert und lässt uns in virtueller Kacke ertrinken. Aber wir reagieren darauf, wie auf echte Krisen. Und so langsam wachsen aus den Konsequenzen echte Krisen.

    • Wenn Ihr erkenntnistheoretischer Rant auch einige gefällige Formulierungen enthält, so muss ich Ihnen doch widersprechen, @Paul S.

      Erstens setzt schon Ihre Gleichsetzung von Menschen und Affen die Evolutionstheorie als Wissenschaft voraus – die Sie aber verkürzen. Menschen sind nicht einfach Affen, sondern Menschen und Menschenaffen haben gemeinsame Vorfahrinnen. Und das hat ein britischer Theologe entdeckt, vgl.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-evolution-bringt-auch-religion-hervor-das-wusste-auch-charles-darwin-audioblog-folge-8/

      In keiner Diktatur und auch keiner Oligarchie könnten derart kritische Theorien publiziert und diskutiert werden, wie sie Stöcker und Sloterdijk hier präsentieren und wie sie hier gebloggt wurden. Auch Ihre Rants nehmen eine gedankliche, gesellschaftliche und mediale Freiheit als gegeben hin, die Sie zugleich verhöhnen.

      Es ist auch die Freiheit, sich zum Affen zu machen. Klar.

  5. Sehr geehrter Herr Blume,
    wieder einmal muss ich Ihnen danken, dieses Mal für die Rezension des Buches „Männer, die die Welt verbrennen“ von Christian Stöcker. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, dieses Buch zu lesen. Mit Ihrer Rezension ist mir klar, dass das nur Zeit- und Geldverschwendung gewesen wäre.
    Zitat Blume: „Sind es vor allem sich reaktant an die Vergangenheit klammernde Rechte, die sich durch Elektroautos, Veganismus und Solarpunk in ihrer fragilen Männlichkeit bedroht sehen?“ Jeder soll nach seiner Fasson selig werden, wie schon Friedrich der Große sagte. Ich möchte mir aber nicht grünen Fanatikern mit ihren Weltrettungs-Phantasien irgendwelchen ideologisch motivierten Unsinn aufzwingen lassen und vielen Millionen Menschen geht es ähnlich.
    Der Buchtitel „Männer, die die Welt verbrennen“ ist in meinen Augen kompletter Unsinn. Besser wäre: „Männer, die Milliarden Menschen aus Armut, Unterentwicklung, Primitivität und Feudalismus erlöst haben“.
    Ebenso könnte man sagen „Männer (Frauen gibt es keine in den fossilen Industrien?), die Milliarden Menschen von harter körperlicher Arbeit befreit haben, ihnen ein angenehmes und langes Leben ermöglichen und die die Grundlagen für moderne Sozialstaaten, Gesundheitsfürsorge, gute Bildung und vor allem sichere Nahrungsmittelversorgung geschaffen haben und dafür von pseudointellektuellen Heißluft-Produzenten beschimpft und beleidigt werden“. Zugegeben, für einen Buchtitel ist das etwas lang, zumal man noch eine Ergänzung hinzufügen könnte: „Männer, die für die pseudointellektuelle Möchtegern-Elite überhaupt erst die materiellen Grundlagen geschaffen haben“.
    Durch das Buch von Herrn Sloterdijk hatte ich mich durchgekämpft und mein Fazit ist in wenige Worte zu fassen: viel heiße Luft mit wenigen interessanten Gedanken. Und diese wenigen klugen Gedanken stammen aus Zitaten und nicht vom Meister selbst. Ein schönes Beispiel (S. 27): „Die Kohle beherrscht unsere Zeit – das Zeitalter der Kohle. In Wahrheit ist die Kohle kein Gut unter anderen, sie überragt sie alle an Bedeutung Sie ist die materielle Energie unseres Landes, das universelle Hilfsmittel, der Schlüsselfaktor für alles, was wir tun. Mit der Kohle wird fast alles möglich und leicht, ohne sie würden wir in längst vergangene Zeiten der Armut und Mühsal zurückkehren“ So schreibt es der kluge britische Ökonom William Stanley Jevons im Jahre 1865. Seitdem sind noch Erdöl, Erdgas und Kernenergie dazugekommen, die ich gerne in Mr. Jevons Gedankengang einschließen möchte. Ein Ausstieg aus den fossilen Energien würde uns „in längst vergangene Zeiten der Armut und Mühsal“ zurückführen! Und das gilt für alle politischen Systeme, egal ob Demokratie oder Diktatur.

    • Danke, lieber Herr Quentmeier! Ich hatte auf Mastodon bereits gewettet, dass Sie sich sowohl über Sloterdijk rechts wie auch sowieso über Stöcker links fossil erheben würden. Das war nicht schwer vorauszusehen: Jedes noch so kundige Plädoyer für eine post-fossile Zukunft stößt auf Reaktanz.

      Danke, lieber Herr Quentmeier. Sie demonstrieren die fossilen Widerstände super! 👍 Und so wie wir Sie kennen – auch bestimmt noch sehr oft… 🤭👏☕️

  6. Was die Energiefrage angeht gibt es Null Unterschied zwischen Kapitalismus und Kommunismus, zwischen einer männlich oder weiblich dominierten Welt. Karl Marx etwa war von der Automatisierung begeistert und erhofft sich im „Maschinenfragment“ gar eine Zukunft in der menschliche Arbeit nicht mehr notwendig ist und jeder/jede nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen leben kann – und zwar weil Maschinen die materielle Seite der Arbeit übernommen haben. Dass für diese Vision praktisch unbegrenzt Energie nötig sein werde, war Karl Marx bewusst und er ist nicht einmal auf die Idee gekommen irgend etwas sei schlecht daran.
    Und klar zur Zeit von Karl Marx war Energie vor allem Kohle und Öl. Doch heute ist es gar nicht viel anders. Im
    Jahr 2023 war weltweit gesehen 80% der verbrauchten Energie fossilen Ursprungs.

    Was also ist falsch gelaufen beim beabsichtigten (?) baldigen Verzicht auf fossile Energien? Nun das scheint mir klar: Die Erkenntnis, dass ein Ausstieg aus den fossilen Energien notwendig sei war bereits in den 1990er Jahren vorhanden und weit verbreitet und es wurde auch erkannt, dass das ein globales Problem ist. Doch schon 1990 wurde folgende Lösung vorgeschlagen, die letztlich für das Versagen einer globalen Klimapolitik verantwortlich ist. Diese „Lösung“ lässt sich so zusammenfassen: JEDER UNO-STAAT GEHT DAS PROBLEM FÜR SICH SELBST AN. Und das war angesichts der Globalität des Problems der falsche Ansatz. Es hätte so etwas wie den UNO-Sicherheitsrat auch für das Klima gebraucht und wie beim Sicherheitsrat hätten die wichtigsten Klimasünder dort vertreten sein müssen. Zudem hätte es eine globale Forschungsanstrengung für den Ausstieg aus den fossilen Energien gebraucht, dotiert mit vielleicht 50 Milliarden Dollar pro Jahr und mit weltweit tausenden von Forschern, auch Industrieforschern, die im Bereich nichtfossile Energien geforscht und auch entwickelt hätten.

    Wirklich globale Probleme bedürfen auch einer globalen Anstrengung. Leider ist die Menschheit heute erst im
    Bereich Handel und Konsum global, sonst aber denken alle nur lokal. Für die Menschheit als Ganzes fühlt sich niemand zuständig.

    • Lieber @Martin Holzherr,

      lieben Dank, doch nicht erst der Angriffskrieg des Ressourcen-Regimes Putin-Russland hat die Schwächen der internationalen Zusammenarbeit und die relative Machtlosigkeit der UNO 🇺🇳 aufgezeigt. Fossile und damit oft auch autoritäre Erdöl- und Erdgas-Regime wollen so lange wie irgend möglich am „Zeugverbrennen“ (Stöcker) verdienen. Selbst die Einführung einer globalen oder auch nur europäischen Kerosinsteuer wird immer noch verschleppt, vgl.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-cop28-klimakonferenz-ki-politikberatung-die-frage-nach-der-kerosinsteuer/

      Völker, die die Energiewende schaffen und sich zu Energiedemokratien entwickeln wollen, dürfen gerne zusammenarbeiten – aber keineswegs auf die Zustimmung der fossilen Lobbyisten und Ideologen warten… 🤔🔥✊

      • @Michael Blume: Zusammengefasst bedeutet ihr Kommentar, dass sehr viele Parteien/Länder für ihren eigenen Vorteil auch Schaden bei anderen in Kauf nehmen und dass für viele Parteien/Länder selbst das Wohl ihrer Kinder und Kindeskinder zweitrangig ist gegenüber dem, was sie gerade im Moment anstreben.

        • Ja, @Martin Holzherr – und es sind ja nicht nur die Länder. Wir alle neigen zur Externalisierung von Kosten – wir wollen gar nicht so genau wissen, welche anderen Menschen oder Tiere für unseren Wohlstand leiden. Russland, Iran, Katar, Aserbaidschan etc. hatten nie Probleme, westliche Abnehmer für ihre fossilen Rohstoffe zu finden. Entsprechend konnten sie die Krim oder das armenische Berg Karabach angreifen, ohne mit Einmischungen rechnen zu müssen. Schon 2015 sagten mir kurdische, arabische, turkmenische Verbündete ins Gesicht, dass sich westliche Politik viel besser durch Ölpreise als durch Menschenrechte herleiten ließe…

  7. @Holzherr 06.04. 00:21

    „JEDER UNO-STAAT GEHT DAS PROBLEM FÜR SICH SELBST AN.“

    Wie sonst? Und es ist ja nicht so, dass nichts passiert.

    „Für die Menschheit als Ganzes fühlt sich niemand zuständig.“

    Heute junge Menschen dann schon, weil sie auch selbst massiv betroffen sein werden. Und die vielen Älteren, die das Problem einfach nicht wahr haben wollen, die sterben früher oder später aus.

    Wenn jeder tut was er kann, dann geht es doch. Die Technik ist da, und wird noch besser werden, die Ressourcen auch, und mit dem großflächigem Einsatz purzeln weiter die Preise für die erforderlichen Anlagen. Es sieht wohl so aus, dass wir hier positive Kipppunkte erreichen können, dass alle Länder sich eine regenerative Energieversorgung nicht nur leisten können, sondern dass diese sogar die kostengünstigere Lösung wird.

    Widerstand von den Konzernen, die von der Förderung der fossilen Energien leben, wird es bis zum Schluss geben, aber die werden sich voraussichtlich irgendwann nicht mehr durchsetzen können, spätestens wenn der Markt der erneuerbaren Energien deutlich größer wird als der Markt der fossilen Energien.

    Es könnte schneller gehen, ja. Aber es dauert eben. Was kann man noch machen, dass es schneller geht? Jeder darf ja global denken, und lokal handeln, das ist zumindest in den demokratischen Ländern erlaubt.

    Wir können uns wie Affen benehmen, da hat @Paul S recht, aber wir haben dann dennoch das Potential, Menschen zu sein. Und uns die Lage ansehen, zu Überzeugungen kommen und diese in die Tat umsetzen. Das kann der Mensch. Definitiv.

    Aber das braucht öfter ein ganzes Menschenleben, bis aus der Idee wirklich allgemeine Wirklichkeit wird. Der Prozess der Individuation geht eben über die Zeitspanne von 80 Jahren, entsprechend braucht der Mensch wohl auch genau diese Zeit, um wirklich Mensch zu sein.

    • @Tobias Jeckenburger(Zitat:“Es könnte schneller gehen, ja. Aber es dauert eben.“
      Antwort: Es könnte nicht nur, es müsste schneller gehen, denn der von uns verursachte Klimawandel wird für viele Jahrhunderte die Erde verändern und grosse Anpassungsprobleme mit sich bringen wie etwa Massenmigration, Notwendigkeit von Dammbau, Verlust von ganzen Küstenstädten, Ausbreitung neuer Krankheiten durch eine erhöhte Temperatur, möglicherweise sogar der Zusammenbruch der Golfströmung.
      Einer der grössten Fehler war die Selektion von Photovoltaik und Windkraftwerken als einzig erlaubte Ersatzenergien selbst durch Klimatologen, denn dadurch gab es
      1) eine gewaltige Verzögerung, denn bei PV und Wind handelte es sich um unreife Technologien, die überhaupt erst jetzt – nach 30 Jahren – eine gewisse Reife erlangt haben. Viele Erneuerbaren-Evangelisten halten es für einen gewaltigen Erfolg, dass Deutschland heute 50% des Stroms erneuerbar herstellt. Es hat also 30 Jahre gedauert bis die Hälfte des Stroms und vielleicht 20% der von Deutschland verbrauchten Energie nichtfossil ist. Das ist viel zu lange. Zudem wird es deutlich schwieriger von 50% auf 100% zu kommen, denn das benötigt Speichertechnologien, die es im nötigen Massstab heute noch nicht gibt.
      2) der Bau von Solar- und Windanlagen ist äusserst ressourcenintensiv, benötigt also sehr viel Rohstoffe. Soviel Rohstoffe, dass allein schon der Aufbau der nötigen Minenkapazitäten etwa für die Förderung seltener Erden Jahrzehnte benötigt. Eine zu 100% Erneuerbare Energieversorgung benötigt einen solch lange Anlaufzeit bei der Bereitstellung der benötigten Ressourcen, dass wir bei einer 2.7 Grad wärmeren Erde landen.
      3) die Speicherung von Strom über längere Zeit ist auch heute wohl nur mit Wasserstoff möglich. Die Wasserstoffwirtschaft ist äusserst ineffizient was die Wirkungsgrade angeht. Beim Kreislauf Strom->Wasserstoff->Strom gehen 70% der Energie verloren. Wasserstoff, der beispielsweise im Winter verstromt wird, benötigt also 3 Mal so viele Windräder und Solarpanele um die gleiche Strommenge zu erzeugen wie im Sommer.

      Fazit: Die Erdoberfläche ist heute schon 1.2 Grad wärmer als im Zeitraum 1850-1900. Mit den heute favorisierten Ersatzenergien ist mit noch einmal eine Verdoppelung der Temperaturzunahme gegenüber präindustriell zu rechnen. Die Menschheit wird in 100 Jahren also mit ziemlicher Sicherheit in einem Treibhaus leben, also unter veränderten Lebensbedingungen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.

      • Lieber @Martin Holzherr,

        Sie hatten ja schon vor Jahren konstruktive Drukos (=Drunter-Kommentare) zu den scilogs beigesteuert, von denen ich einen 2015 zum “Kommentar des Jahres” würdigte. 🙂

        https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/der-kommentar-jahres2015-martin-holzherr/

        Nun habe ich zur These des globalen KI-Talmud den Bing-Copilot auch mit Ihren Namen gefragt bzw. gepromptet:

        Was hält Martin Holzherr von Erneuerbaren Energien?

        Die Antwort, direkt nach dem gleichen Prompt zu unserem Dialogpartner @Tobias Jeckenburger:

        Martin Holzherr hat sich intensiv mit dem Thema Erneuerbare Energien auseinandergesetzt und einige interessante Erkenntnisse gewonnen. Lassen Sie uns einen Blick darauf werfen:

        1. Preisbildung im Strommarkt: Martin Holzherr betont, dass der Strompreis nicht nur von den Gestehungskosten abhängt, sondern auch von einem komplexen Preisbildungsmechanismus beeinflusst wird. Dieser Mechanismus, bekannt als Merit-Order-Prinzip, besagt, dass der teuerste Anbieter den Marktpreis bestimmt. Das bedeutet, dass alle Anbieter sich so viel in die Tasche stecken können, wie das höchste Angebot beträgt. Dies kann zu unerwarteten Preisentwicklungen führen¹.

        2. Erneuerbare Energien als Priorität: Im Rahmen des Merit-Order-Prinzips werden die priorisierten Hersteller von erneuerbaren Energien (Biogas, Windkraft, Solaranlagen) zuerst berücksichtigt. Ihr Angebot wird zunächst mit 0 Cent eingestellt. Erst danach kommen die Anbieter von Atomkraft, Kohle und Gas zum Zuge. Dies zeigt, dass erneuerbare Energien eine wichtige Rolle spielen und bevorzugt behandelt werden¹.

        3. Zukunftsfähigkeit: Martin Holzherr betont, dass ein Umstieg auf Strom aus erneuerbaren Energien weltweit bereits mit heutiger Technologie möglich ist, ohne dass der Strompreis teurer werden muss. Ein weltumspannendes Supergrid, das die besten Standorte für EE-Kraftwerke kombiniert, könnte dies ermöglichen³.

        Insgesamt sieht Martin Holzherr in den erneuerbaren Energien eine nachhaltige und zukunftsfähige Alternative, die weiterhin erforscht und gefördert werden sollte.

        Quelle: Unterhaltung mit Bing, 7.4.2024
        (1) Der überteure Strom » Gedankenwerkstatt » SciLogs – Wissenschaftsblogs. https://scilogs.spektrum.de/gedankenwerkstatt/der-ueberteure-strom/.
        (2) Wunschdenken und Energiewende, zum Zweiten – SciLogs. https://scilogs.spektrum.de/gedankenwerkstatt/wunschdenken-und-energiewende-zum-zweiten/.
        (3) Erneuerbare Energien: Systemtechnik, Wirtschaftlichkeit, Umweltaspekte …. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-642-03249-3.

        • Erneuerbare Energien werden sicher den grössten Teil der nicht-fossilen Energien bilden. Das Problem hier ist aber die Speicherung von Strom, die in grossen Mengen nicht auf effiziente Art und Weise möglich ist. Länder wie Deutschland, die auf Wasserstoff als Speichermedium setzen, werden viele Jahrzehnte brauchen um allein mit Wasserstoff (ohne Erdgas) durch den Winter zu kommen.

          Fazit: Es dauert erstaunlich lange bis eine neue Energietechnologie zur Reife gelangt. Bei PV und Wind hat es 30 Jahre gedauert. Bei Wasserstoff rechne ich ebenfalls mit 30 Jahren. Das ist schlicht viel zu lange.

        • Um es noch klarer und eindeutiger auszudrücken: Ich bin ein Gegner einer Wasserstoffwirtschaft. Grüner Wasserstoff für die Chemie, das ist ok und sogar absolut nötig. Wasserstoff als Speichermedium dagegen ist
          1) Hochgradig verschwenderisch und ineffizient
          2) Wasserstoff freigesetzt in die Atmosphäre verstärkt den Treibhauseffekt, weil dadurch der natürliche Abbau von Methan verlangsamt, ja verhindert wird. Und Wasserstofflecks gibt es sehr schnell. Es ist äusserst schwierig das Entweichen von Wasserstoff völlig zu verhindern.
          Siehe dazu auch: Wasserstoff mit Vorsicht zu behandeln

        • @Michael Blume: Ein weiteres Problem der Erneuerbaren ist der hohe Ressourcenbedarf. Dazu schreibt Simon Micheaux: Sowohl die aktuelle Bergbauproduktion (2019) als auch die aktuell angegebenen globalen Mineralreserven (2022) können nicht genügend Metall liefern, um nur eine Generation erneuerbarer Technologieeinheiten (EVs, H-Zellen, Batterien, Windkraftanlagen und Sonnenkollektoren) herzustellen.

          Siehe dazu: https://www.simonmichaux.com/

          • Deswegen auch meine Frage zu Biogas, @Martin Holzherr. Zumal der Fleischkonsum und also Futtermittelbedarf in Deutschland sinkt, halte ich mehr Biogas für eine erneuerbare Friedensenergie, die nicht auf mehr Metalle und Seltene Erden angewiesen ist. Auch könnten landwirtschaftliche Betriebe damit finanzielle Zukunftsperspektiven jenseits der mitweltschädlichen Massentierhaltung erhalten. Deutliche Einsparungen von CO2- & Methan-Emissionen sowie von Süß- und Trinkwasser kämen hinzu.

  8. @Quentmeier 05.04. 21:47

    „Ein Ausstieg aus den fossilen Energien würde uns „in längst vergangene Zeiten der Armut und Mühsal“ zurückführen!“

    Als wenn der Solar- und Windstrom nicht funktionieren würde, und Batteriefahrzeuge nicht fahren könnten. Solange das nicht reicht, laufen die fossilen Kraftwerke als Backup weiter, im Laufe des Zubaus der Erneuerbaren dann immer weniger, und erst wenn sie wirklich nicht mehr nötig sind, wird man sie aufgeben.

    Wenn wir sofort alle fossilen Energien nicht mehr nutzen würden, dann hätten Sie recht. Dann würde nichts mehr funktionieren. Und es mag auch Sturköpfe der anderen Art geben, die das dennoch denken. Aber die haben hier nicht viel zu sagen.

    Und wer hier seinen Konsum überprüft, und Verschwendung sein lässt, der spart dann sogar eigenes Geld. Nicht um in Armut und Mühsal zurückzufallen, nur ein wenig weniger Bequemlichkeit spart u.U. eine Menge Geld und Arbeit ein. Und beschleunigt damit dennoch auch die Energiewende, insbesondere durch Reduktion der Ausbauziele und einem damit verbundenem geringeren Bedarf an metallischen Rohstoffen.

    Wenn Sie einfach mal einen SUV mit einem E-Bike vergleichen, dann sehen sie, welche Unterschiede hier möglich sind. Viele brauchen wirklich ihr eigenes Auto, das kommt sehr darauf an, welche Wege man zu fahren hat, und welche Alternativen es eben kaum gibt.

    Aber viele können auch ohne Privatauto klarkommen, insbesondere wer in der Stadt wohnt und in der Nähe arbeitet und auch Lust auf Sport hat, der kann mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln auskommen. Und spart damit richtig viel eigenes Geld und damit eigene Mühsal, weil er dieses Geld nicht mehr verdienen muss.

  9. Neben der Frage, wer die Ursachen für das Klima, die Demographie, die Biodiversität usw nicht nur ausgelöst hat, sie zugelassen und befördert hat, ist die Frage aktuell von politischer Relevanz, wer das Gegensteuern EINFORDERT.
    Und das ist für die regierenden Akteure der Transformation bedeutend.
    Im Kern dürfte sich der aktuelle Diskurs um diese Frage der damit verbundenen ambivalenten Freiheit drehen.
    Es gibt wieder einmal Leugner der Notwendigkeit der Transformation, die individuelle Freiheitsverluste sehen und es gibt die Beförderer der Transformation, die Freiheitsverluste bei einer veränderten Naturlage sehen.
    Natürlich spielt die Schuldfrage und damit verbundene Reaktanz eine Rolle: Schuldzurückweisung.
    Sie spielt nur bei der Lösung der naturwissenschaftlichen materiellen Probleme keine Rolle.
    Sie spielt aber politisch kulturell eine Rolle, da sie zur momentanen Stimmungslage gehört und gerade im Wahljahr zu Ergebnissen führt.

    • Das ist wahr, @Mussi

      Und es sieht leider auch nicht allzu gut aus. In Südafrika regiert die im Selbstverständnis linke Befreiungsbewegung ANC seit 1994 – also seit nun 30 Jahren! – in einem demokratischen System. Doch die Wählerinnen und Wähler haben ihr unfassbare Ausmaße an fossilem Lobbyismus, an Korruption und Versagen bislang durchgehen lassen:

      https://www.fr.de/wirtschaft/energiekrise-kohlechaos-in-suedafrika-92458038.html

      Demokratie alleine und auch Wahlsiege programmatisch „progressiver“ Parteien scheinen also für eine erfolgreiche Transformation und Energiewende nicht auszureichen. Es kommt m.E. entscheidend auch auf die Bildung und das Selbstverständnis der Bürgerinnen und Bürger an. Dies scheint mir insgesamt die Tendenz zu verstärken, dass sich dynamische und Zuwanderung aufnehmende Arche-Regionen von erstarrenden, rapide alternden und rassistischen Fossilregionen zunehmend abkoppeln. Die Jugend stimmt zunehmend mit den Füssen ab, schon jetzt…

  10. Ergänzung:

    Das Einfordern von Verhaltensänderungen stößt meistens immer auf eine Gegenreaktion, die sich durchaus als Befreiungsreaktion verstehen kann.
    Insofern ist der rechtspolitische Populismus am Freiheitsbegriff erklärbar, aber inhaltlich nicht richtig.
    Nahezu dämlich und er manipuliert.

  11. Naja, die Linken haben ja mitgemacht.
    Wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, dann sind die Sozialdemokraten im Westen in den 90’ern neoliberal geworden.
    Ökonomie war und ist wichtiger, als Ökologie.
    Das fällt halt nun allen auf die Füsse.

    Wir haben nun mal nur ein Erdsystem und das hat direktesten Einfluss auf unser Verhalten, ob wir nun wollen oder nicht.

  12. Ich halte nicht Interessen und Herrschaft für das Wesen der Politik, sonder Einfluss auf Verhalten (Entscheidung und Handlung) für die Grundlage zwischen Natur- und Geistwissenschaften. Wenn man so will Sozialwissenschaften. Biologismus, so verpönt er in manchen Kreisen ist, ist zentral.
    Momentan erleben wir wissenschaftlich ein Neuaufflackern der philosophischen Anthropologie. Ich kann nur dazu ermutigen, das aufzunehmen und weiter zu entwickeln.

  13. Danke.

    Und damit wären wir bei der intrinsischen und extrinsischen Verhaltenssteuerung…

    Unbedingt reflextionsbedürftigt!

  14. @Holzherr 07.04. 06:36

    „Beim Kreislauf Strom->Wasserstoff->Strom gehen 70% der Energie verloren.“

    Das heißt aber nicht, dass aller hergestellter Wasserstoff wieder verstromt wird. Das meiste ginge in die Industrie und eventuell in die Mobilität. Dann sehen die Wirkungsgrade schon besser aus. Und wir werden schon bald jede Menge Überschusssituationen haben, in denen dann Wasserstoff vor allem im Sommer und in windigen Phasen im Winter produziert werden kann.

    Wenn sich diese Phasen noch im europäischem Stromverbund lokal abwechseln, muss der meiste erzeugte Wasserstoff wohl nur für Wochen gespeichert werden. Bis wir so weit sind, dass die verbleibenden winterlichen Stromlücken mit Wasserstoff geschlossen werden müssen, dann haben wir schon unser gesamtes übriges Problem gelöst. Solange wir sowieso noch fossiles Backup brauchen, müssen wir hierfür nicht den kostbaren Wasserstoff verschwenden.

    Hier wird dann vielleicht auch Biogas aushelfen können. Je mehr davon produziert wird, desto eher kann man dieses aufbereiten, ins Erdgasnetz einspeisen und die derzeit schon bestehenden Erdgasspeicher über den Sommer auffüllen. Mit dem so gespeichertem Gas kann man dann auch die verbliebenen winterlichen Dunkelflauten überbrücken. Insbesondere wenn bis dahin nur noch wenig Erdgas für Heizungen gebraucht wird.

    „Mit den heute favorisierten Ersatzenergien ist mit noch einmal eine Verdoppelung der Temperaturzunahme gegenüber präindustriell zu rechnen.“

    Wie heiß es wirklich wird, ist leider auch den Klimatologen unbekannt. Die Modelle haben alle ziemlich erhebliche Unsicherheiten. Das kann ein Trost sein, aber das kann auch noch mehr Angst machen.

    Ja oder wir schaffen es, mal unseren Konsum auf vernünftige Ausmaße runter zu bringen. Das spart alles, Geld, Arbeitskraft und auch die erforderlichen Metalle für die PV-Anlagen und die WKA wie die Wasserstoffinfrastruktur.

  15. Sloterdijk:

    Sloterdijk kommt ja jetzt auf die Autodidaktik. Recht hat er.

    Jeder ist sich selbst als homoithetisches (Energie innen-aussen) Wesen Erkenntnis bestimmt. Hätte er auch schon früher darauf kommen können.

    Schön, dass er deshalb ‘raunt’ … 🙂

    • @Tobias Jeckenburger (Zitat): “Und wir werden schon bald jede Menge Überschusssituationen haben, in denen dann Wasserstoff vor allem im Sommer und in windigen Phasen im Winter produziert werden kann.“
      Ja, wobei Überschussstrom von einigen Stunden pro Tag nicht ausreicht, um die teuren Elektrolyseure zu finanzieren. Im Idealfall sollten die Elektrolyseure, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten 12 Stunden oder länger am Tag laufen, damit sie amortisiert werden können. Deshalb ist die Idee, Wasserstoff beispielsweise in Namibia mit einer Kombination von PV und Wind zu erzeugen, vielversprechend, denn in diesem Fall können die (teuren) Elektrolyseure fast rund um die Uhr laufen.

      Im Idealfall kommt man mit nur wenig Wasserstoff aus und kann den Strom vor allem in kostengünstigen Batterien (< 50$ pro Kilowattstunde) speichern.

  16. ich ersetze homoithetisch durch homiothermetisch ansonsten wird es zu kompliziert…

    Der Mensch als gleiches=ungleiches Wesen scheint dem nach Eindeutigkeit strebenden Geist zerrüttet… 🙂 hahaha… ich trinke jetzt erst ein mal einen Whiskey…

    Widersprüchlichkeit des Sein als Alltag. Wieso ist das nicht als Norm Norm?

  17. @Holzherr 08.04. 19:35

    „Im Idealfall sollten die Elektrolyseure, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten 12 Stunden oder länger am Tag laufen, damit sie amortisiert werden können.“

    Für die kurzfristige Regulation taugen demnächst doch schon die Fahrzeugbatterien. Die können das lokale Netz so regulieren, dass die Elektrolyseure tagelang durchlaufen können, insgesamt vermutlich die Hälfte des Jahres.

    „Deshalb ist die Idee, Wasserstoff beispielsweise in Namibia mit einer Kombination von PV und Wind zu erzeugen, vielversprechend,…“

    Hier wäre auf der einen Seite der Transport nicht so einfach, andererseits ist dort aber auch der PV-Ertrag mindestens doppelt so hoch wie in Deutschland.

    „Im Idealfall kommt man mit nur wenig Wasserstoff aus und kann den Strom vor allem in kostengünstigen Batterien (< 50$ pro Kilowattstunde) speichern.“

    Die können wir dann vermutlich gut brauchen. Saisonales Backup mit nur einem Ladezyklus pro Jahr wäre aber auch damit unwirtschaftlich. Zumal hier die Selbstentladeraten relevant werden. Hier muss man am Ende wohl mit Biogas und E-Fuels arbeiten. Von mir aus auch noch mit Holzkraftwerken.

    Das kommt aber erst viel später. Solange die erneuerbaren Kapazitäten mitsamt elektrifizierter Mobilität, Heizungen und Industrie noch nicht komplett aufgebaut sind, brauchen wir sowieso noch fossiles Backup. Und da stört es nicht, wenn die Backupkraftwerke immer weiniger und am Ende nur noch für nur einige Wochen im Jahr laufen, und das auch nur, falls der Winter ausnahmsweise mal sehr kalt ausfällt.

  18. @Holzherr 08.04. 19:35

    Der Ertrag von Wind uns Sonne schwankt auch über ganze Jahre um +- 10%. Wenn hier ein Teil des Wasserstoffs verschifft wird, dann kann man auch auf diese Variationen über ganze Jahre reagieren, und den Wasserstoff bevorzugt dahin liefern, wo die Ertragssituation gerade ungünstig ist.

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