Nein zur Erbsünde, Ja zur Verantwortung – Protestantismus-Folge bei Blume & Ince

Als Religionswissenschaftler äußere ich mich selten zu theologischen Lehren. Aber nachdem wir in der letzten Podcast-Folge von “Blume & Ince” über das Alevitentum von Prof. Dr. Inan Ince gesprochen haben, war in dieser Folge “mein” Protestantismus dran.

Fotokachel zum Blogpost Blume & Ince mit Prof. Dr. Inan Ince rechts und Dr. Michael Blume links.

In der Folge 7 von “Blume & Ince” sprachen wir über die kulturelle Evolution des Protestantismus durch Bibel und Buchdruck.

Dabei zeigte sich mal wieder: durch den interreligiösen Dialog können Menschen auch ihre eigenen Glaubenslehren reflektieren, aufklären und vertiefter erfassen.

So habe ich mich über viele Jahre hinweg mit der sogenannten Erbsünde-Lehre befasst, die erstmals von Augustinus von Hippo (354 – 430) formuliert wurde. Demnach werde jeder Mensch seit Adam und Eva “in Sünde geboren” und müsse u.a. durch eine christliche Taufe daraus erlöst werden.

Mich überzeugte diese Lehre immer weniger, zumal sie kaum Anhaltspunkte in der Bibel hat. Das rabbinische Judentum liest die Paradiesgeschichte als eine Geschichte der Verantwortung, nach der sich Adam und Eva nach der Gebotsübertretung vor Gottes Frage “Wo bist Du?” verstecken.

“Aber Gott, der HERR, rief nach dem Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du? Er [Adam] antwortete: Ich habe deine Schritte gehört im Garten; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.” (1. Mose 3, 9+10)

Es ist dann erst Abraham, auf den sich Judentum, Christentum, Islam und Bahaitum jeweils und auch gemeinsam beziehen, der bewusst anwortet: “Hineni – Hier bin ich.”

“Nach diesen Ereignissen stellte Gott Abraham auf die Probe. Er sprach zu ihm: Abraham! Er sagte: Hier bin ich.” (1. Mose 22, 1)

Selbst Noah habe diese Antwort nicht gegeben, sondern Verantwortung “nur” für seine Familie und sich übernommen und sei daher zwar zum Namensgeber des noachidischen Bundes, nicht aber zum Begründer eigener religiöser Traditionen geworden.

Eine Person schaut den Betrachtenden in die Augen, eine zweite wendet sich ab und eine dritte, in Gold gefasst, scheint finstere Gedanken auszubrüten. Die Grafik entstand als Antwort durch Leonardo.AI zu einem Prompt zu Monismus, Relativismus und Dualismus.

So stellte Leonardo.AI die auch schon im Talmud zu findende, menschliche Trias des verantwortungsvollen Monismus, des ausweichenden Relativismus und des feindseligen Dualismus dar. Grafik: Michael Blume mit Leonardo.AI

Ich halte diese Lesart der Bibel für sehr viel überzeugender als die stärker manichäisch und dualistisch geprägte Erbsünde-Deutung, die letztlich schon auch ehelichen Sex, Blut, Geburt und Kinder als “sündig” bezeichnet. In der jüdisch-rabbinischen Lesart werden dagegen Menschen erst mit zunehmenden Alter fähig, aber eben auch verpflichtet, Ver-Antwort-ung für ihr Denken und Handeln zu übernehmen. Und zu Recht erinnerte die amerikanische Bibelwissenschaftlerin Amy-Jill Levine in der “Jüdischen Allgemeine” sowohl Juden wie Christinnen und auch generell wissenschaftlich Interessierte daran:

“Die erste Person in der Literatur, die »Rabbi« genannt wurde, war Jesus. Der einzige Pharisäer, von dem wir schriftliche Aufzeichnungen haben, ist Paulus von Tarsus.”

In seinem grandiosen Schlusslied “You want it darker” – nur 16 Tage vor seinem Tod veröffentlicht – besang der zwischen Juden- und Christentum wandernde, aber auch immer wieder von Depressionen heimgesuchte Leonard Cohen (1934 – 2016) genau diese Haltung des “Hineni”. Der m.E. grandiose Song wurde dabei vom Chor der ältesten, aschkenasischen Synagoge von Kanada – Shaar Hashomayim – und von Kantor Gideon Zelermeyer für die Ewigkeit begleitet.

Gerade auch als evangelischer Christ sehe ich also eine Verantwortung, dass wir unsere Traditionen und Bibelauslegungen immer wieder – und gerade auch im Dialog mit anderen Religionen sowie den Wissenschaften – überprüfen und bei Bedarf reformieren. Und so hoffe ich, dass sich noch mehr Christinnen und Christen von der m.E. überholten Erbsündelehre verabschieden und sich auf die jüdisch-rabbinischen Wurzeln unseres Glaubens besinnen.

 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

35 Kommentare

  1. Kleines Feedback zum sogenannten Podcast mit den beiden freundlichen, klugen und werten Herrn, Zwischenstand :

    1.) Sehr nett, dass Leute über sich selbst lachen können dürfen, sollten bis müssten.
    Dies bedeutet Bessermachen, mögliche Kompetitivität, Klugheit, Reflexion und Verständigkeit, deren Unterstützung in der Menge.
    (Ein großer Ajatollah zum Beispiel war mal anderer Ansicht, i.p. Humor.)
    2.) Der Buchdruck ist nach der Erfindung der Sprache, der Schrift, der dritte sozusagen Zivilisationssprung (weitere derartige Sprünge könnten in der Erfindung der netzwerkbasierten, zeitnah und globalen (!) Kommunikation bestehen und seit wenigen Jahren in der Erfindung der AI, die sich sozusagen erlaubt hat Weltwissen, in Textform, zu “trainieren”, das Fachwort an dieser Stelle, und noch einiges ändern wird), er unterstützt durch sich sozusagen insbesondere auch religiöse Kompetitivität.
    3.) Bei unseren “bärtigen” Freunden ist der Kenntnisstand des Schreibers dieser Zeilen so :
    -> ‘ In 1515, Sultan Selim I issued a decree under which the practice of printing would be punishable by death.’ [Quelle]
    4.) Die (Europäische) Aufklärung war die erste soziale Bemühung, Bewegung, auf diesem Planeten, die die Sacharbeit über die Einstellung oder Haltung von Individuen setzte.
    5.) Die “Zehn Gebote” vereinen nicht alle Religonen (so meinte einer der Diskutanten wörtlich), bereits beim Judentum sieht es anders aus, deutlich anders, als beim Christentum.
    6.) Dr. Inan Ince, mit einem Lehrstuhl bundesdeutsch versehen, macht aus diesseitiger Sicht mit seinen Aussagen sozusagen nie etwas falsch, abär er trägt aus diesseitiger Sicht für einen Wirtschaftswissenschaftler zu “locker”, zu “eazy-peazy” vor.
    7.) Es gibt sozusagen keinen Kapitalismus, der ist die marxistische Sicht auf die Marktwirtschaft mit angeschlossener Liberaler Demokratie – oder andersherum.
    Es liegt stattdessen, auch in der BRD implementiert, Soziale Marktwirtschaft vor.
    Václav Klaus redet hier korrekt von Marktwirtschaft mit oder ohne Atribut, im Sinne der Liberalen Demokratie.

    Mit freundlichen Grüßen und, militärisch ausgedrückt, sozusagen, weitermachen!
    Dr. Webbaer

    • Danke, @Webbaer, für Ihre überwiegend konstruktiven Rückmeldungen und die Ermutigung zum Weitermachen!

      Von mir zum Einzelnes nur der Hinweis, dass eine Todesstrafe auf den Buchdruck von 1515 eine frühere Untersagung (wahrscheinlich 1485) gerade nicht ausschließt, sondern eher noch verständlicher macht. Bittere Ironie: Gerade weil nicht gedruckt wurde, gingen sehr viele Dokumente und Erlasse jener Jahrhunderte verloren.

      • “Fast umfänglich konstruktiv”, darauf könnte sich geeinigt werden, lieber Herr Inhaltegeber und Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus.

        Sicherlich geht Dr. Webbaer nicht immer konstruktiv vor, denn Kritik darf bis hat manchmal auch rein destruktiv vorgehen, ohne Handlungsalternativen oder inhaltliche Alternativen aufzuzeigen, stattdessen : ablehnend bis verdammend. [1]

        Sicherlich ist der hier gemeinte sogenannte Podcast wertvoll, wie es auch die beteiligten Personen sind.

        Mit freundlichen Grüßen
        Dr. Webbaer

        [1]
        Weil Webbaeren abär freundlich sind, “verdammen” sie selten und feinden sich selten an, im kulturchristlichen Sinne sogar.

  2. Die “Erbsünde” habe ich noch nie so erklärt bekommen. Hängt die Auslegung vielleicht von den Vorstellungen, Werten, Traditionen ab, die zur Zeit ihrer Entstehung üblich waren? Letztlich ist das über Jahrhunderte entstandene Frauenbild auch darauf zurückzuführen. Speziell die Frauen als Sünderinnen darzustellen. Mit den Nachwirkungen haben wir heute noch zu tun. Die meisten Verbesserungen für die Frau brachte das 20. Jhd. An unehelichen Kindern waren immer die Frauen schuld, mit gesellschaftlicher Ausgrenzung für Mutter und Kind. Auch hier hat die Kirche Schuld auf sich geladen. Nächstenliebe Fehlanzeige.

    • Ja, @Marie H.: Augustinus selbst war Manichäer gewesen und hatte also einen extremen Leib-Seele-Dualismus, wonach der Körper (und Sex) böse, der Geist aber rein und frei sei. Daraus erwuchs dann die Erbsündedeutung der Bibel wie auch eine verstärkte Ablehnung der Frau als „fleischlich“. Das hat der christlichen, v.a. der zölibatären Tradition nicht gutgetan und ist auch im Protestantismus noch nicht umfassend überwunden worden.

      Ein kluger Text zum Manichäismus & zu Augustinus hier:

      https://www.katholisch.de/artikel/8630-sogar-augustinus-war-mal-manichaeer

      Ihnen Dank für das Interesse und die Drukos!

      • Danke für den Link. Religion, besonders der Protestantismus und hier speziell der Pietismus, interessiert mich seit ein paar Jahren intensiver als früher. Das hat mich auch zur christlichen Mystik geführt. Einige Bücher von Gerhard Wehr zu dem Thema habe ich gelesen. Insbesondere ist mir dabei die Marienverehrung im Katholizismus aufgefallen und im Gegensatz dazu das Anspruchsdenken an die Frauen (Keuschheit usw.). Aber wie Sie auch angemerkt haben, sind/waren die Protestanten auch nicht frei von Fehlern. Aus eigenem Erleben weiß ich, wie verlogen die sog. Frommen sein können. Das betraf mich zwar nicht persönlich. Allerdings erinnere ich mich, dass für meinen Vater es eine “Schande” gewesen wäre, hätte ich ein uneheliches Kind erwartet. Lange hat es gedauert, bis ich Gott nicht als strafendes Wesen wahrgenommen habe. Dass er nicht von mir erwartet, ständig über meine Kräfte zu gehen. Dass man das Diesseits genießen darf, und das Leben nicht nur als lästige Pflicht auf dem Weg ins Jenseits sehen muss. Ich lerne immer noch dazu, auch durch Ihre Podcasts. Danke dafür!

        • Vielen Dank, @Marie H.! Wir machen auf jeden Fall weiter und diskutieren in der kommenden Folge über die (m.E. brillante) Wirtschaftswissenschaft Elinor Ostrom. Aber auch religionsbezogene Themen möchten wir immer mal wieder aufgreifen.

  3. Für mich ist „Erbsünde“ nur ein altes Wort für „menschliche Natur“ – etwas, das uns versklavt, etwas, dem wir nicht entkommen können, auch wenn es uns quält und immer wieder in die gleichen Höllen zerrt. Ist ja schwer zu übersehen, und die Macher der Religionen hatten auch Augen im Kopf. Andere Erklärungsmodelle, aber die gleichen Daten, und die Daten reichten aus, um sich von selbst zu etwas Wahrheitsähnlichem zusammenzufügen. Natürlich war das alles nur Sci-Fi, die sich jeder so zurechtbiegen konnte, wie es ihm gerade passte.

    Ich nehme an, es hat viel Unheil in der Religion angerichtet, dass sich die Bedeutung der Wörter unmerklich veränderte. Eine Geburt ist „sündig“, weil sie Schmerzen bereitet und Mütter und Kinder dabei sterben können. Es ist mehr die Denkweise eines Tieres, als die eines modernen Menschen, eine sehr unreflektierte, undifferenzierte, holistische, sehr auf Praxis und Lebenserfahrung beruhende Form der Weltwahrnehmung: Zu stolpern ist eine Sünde, weil ich mir das Knie stoße. Ob meine Handlungen dazu beigetragen haben oder nicht, ist bedeutungslos, in der Wildnis ist man schuldig, wenn man es nicht vermieden hat, zu leiden oder getötet zu werden. Ich muss ständig aufpassen. Ich kann nicht verstehen, wie Ursache und Wirkung zusammenhängen. Also schließe ich aus jedem Leid, dass mir passiert, dass ich einfach nicht genug aufgepasst habe, denn wenn ich es hätte, hätte ich es vielleicht vermieden. Wenn Sie diese Leid=Schuld-Gleichung aufzudröseln, rational zu deuten versuchen, kommt nur der wirre Bullshit raus, den Sie aus vielen Kirchen und Religionen kennen.

    Und Verantwortung ist, unter bestimmten Voraussetzungen, etwas, was daraus folgt. Wenn Sie ein gutes Leben wollen, ohne Angst und Ungerechtigkeit, Wohlstand, eine Zukunft für Ihre Kinder, all die Schmiergelder, mit denen der liebe Gott Ihre Seele kauft, müssen Sie lernen, mit Ihrer Natur umzugehen. Sie müssen sie austricksen, damit egoistische Handlungen altruistische Folgen haben, dazu muss sie in ein entsprechendes System eingebunden werden – Sie brauchen Kanäle, die Ihre Taten sublimieren, zu etwas Anderem machen. In Ihrem Kopf, aber auch in der Gesellschaft, als Regeln und Strukturen. Sie müssen aber auch Ihr eigenes Haustier sein, sich artgerecht halten, das erfordert Spiele, Fantasien, ein Gehege, in dem sich Ihre Natur – im Grunde doch nur ein Tier wie jedes andere – austoben kann. Sie müssen der Mittler sein, das Über-Ich, das das Tier vor der Welt schützt, und die Welt vor dem Tier.

    Wenn. Sie müssen sich an den Spielchen der Evolution, die Sie ruhig auch als Spielchen Gottes betrachten dürfen, nicht beteiligen. Genauer gesagt, beteiligen Sie sich immer daran – das Leben ist immer ein Pakt mit dem Teufel, auch wenn Sie den manchmal Gott nennen. Aber es gibt mehrere Jobs in der Firma, und dementsprechend mehrere Jobbeschreibungen, mehrere Arten der Entlohnung, mehrere Arten, wie Sie am Ende übers Ohr gehauen werden. Deswegen gab’s früher auch viele Götter. Und selbst wenn Echnaton 2.0, alias Konstantin, die aus Kostengründen zu einem zusammengepappt hat, gibt’s keinen Grund, das Spektrum der möglichen Deals mit Gott nicht so zu erweitern, dass jede Fasson des zu Wucherpreisen erkauften Glücklichwerdens davon abgedeckt ist. Wenn Sie Verantwortung übernehmen – dann muss ich’s nicht. Zumindest weniger davon. Dankeschön.

  4. Guten Morgen@Michael Blume,
    hier muß ich Ihnen doch widersprechen- nur habe ich gar nicht so viel Zeit, deshalb kann ich es nur anreißen.
    1. Gen 3 beschreibt in der archetypischen Form eines Märchens das Erwachen des menschlichen Ichs im Alter von ca. 3 Jahren. Der Mensch merkt in diesem Alter, das man sich entscheiden muß zwischen dem Über-Ich (Gott*, Eltern, Lehrer) und seinen Trieben/ Es (die Schlange). Die Folge: das Ich kann zwischen Gut und Böse unterschieden und auch Böses wollen, weil es Böses will.
    2. Augustinus und später Kant haben sicher recht, wenn sie feststellen, dass Willensfreiheit auch die Freiheit zum Bösen sein muß.
    3. Augustinus machte nun einen Fehler: er erklärte dieses Faktum für biologisch ererbt, modern: ein Gendefekt, der dominant weitergegeben wird. (Übrigens: Gregor Mendel war Augustinermönch, genauso wie Martin Luther). Ausserdem übersetzte er Paulus im Römerbrief falsch.
    4. Die byzantinische Orthodoxie ist hier nicht mitgegangen. Für sie will jeder Mensch in jedem Fall das Gute, aber aus Unwissen oder Schwäche verfehlt er es.
    5. Ich überspringe jetzt ein paar Argumentationsglieder: genau dieses Argumentationsmuster sehen wir beim Ukrainekonflikt: Putin will doch nur etwas Gutes- das große, christliche Russland. Im Westen würden wir sagen, er will etwas Böses, weil er anderen etwas wegnehmen will, bzw. weil er Krieg führt. In der Ostkirche könnte man argumentieren: er will doch etwas Gutes, schlimmstenfalls verwendet er die falschen Mittel.
    6. In der Wirtschaftswissenschaft spielt dieses Modell bei Mc Gregor noch immer eine Rolle.
    4. Die

  5. Augustinus von Hippo war kein Prophet. Man darf die Auslegungen der Kirche nicht als Wortlaut der Bibel sehen.
    Und…..in den Predigten kommt das Thema Erbsünde nicht mehr vor. Bei einigen Sekten, z.B. den Korntalern allerdings schon in der Form :”Alle Menschen sind von Geburt an böse”. (Originalton)

    Was die Verantwortung betrifft, die wird bei den Katholiken wie den Protestanten großgeschrieben, wenn für die Flüchtlinge auf der Welt gebetet wird.

    • Das dumme ist: die Erbsünde ist, wie Voltaire schon feststellte, empirisch aufweisbar. Spricht man Menschen auf die Erbsünde an, reagieren sie oft mit Reaktanz und Ablehnung. Die Erbsündenlehre ist eine Kränkung für den Narzissmus vieler Menschen.

      • Jetzt wird es aber wirklich schräg, @Joachim Fischer: Inwiefern sollte „die Erbsünde […] empirisch aufweisbar“ sein? Und was wollen Sie der rabbinisch-jüdischen Bibelauslegung, die diese Lehre nicht teilt, aber auch z.B. islamischen Gelehrten damit eigentlich vorwerfen?

        Geht es Ihnen gut? Etwas zuviel Gnosis, zu wenig Dialog? 🤔🤷‍♂️🌈

        • @Michael Blume
          zunächst einmal bin ich der Auffassung, dass der Mensch zwischen gut und böse wählen kann. Ich halte die Auffassung der Byzantiner für falsch, dass der Mensch sich immer für das Gute entscheiden würde, es sei denn, er würde getäuscht oder wäre schwach.
          Aber diese Freiheit, sich auch bewußt und vorsätzlich für das Böse, weil es böse ist, zu entscheiden, bleibt erhalten und bildet den Kern der Erbsündenlehre, der erhaltenswert ist. (Auf den Rest kann man verzichten). Man kann es auch mit Kant das “absolute Böse” nennen, die Bezeichnung “Erbsünde” ist eben dafür die traditionelle.
          Ich sehe aber in dieser Auffassung der Freiheit des Menschen zum Bösen keinen Widerspruch zum Islam oder dem Judentum.

          • So ist es, @Joachim Fischer: Auch ganz ohne „Erbsünde“ ließ und lässt sich die Bibel so lesen, dass der Mensch die Freiheit hat zwischen der Übernahme von Verantwortung für das Gute (Monismus), zwischen dem Verfallen in das feindselige Böse (Dualismus) oder dem Nicht-Entscheiden (Relativismus). Dies finde ich in den verschiedenen, religiösen und philosophischen Traditionen, hier zum Beispiel im Talmud:

            https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/dreiteilung-religionspsychologie-talmud/

            Ihnen von Herzen alles Gute auf Ihrem Erkenntnisweg!

          • “zunächst einmal bin ich der Auffassung, dass der Mensch zwischen gut und böse wählen kann. Ich halte die Auffassung der Byzantiner für falsch, dass der Mensch sich immer für das Gute entscheiden würde, es sei denn, er würde getäuscht oder wäre schwach.”

            Ich würde noch “unwissend” in die Aufzählung nehmen, dann aber passt es. Auch, wenn es schwierig vorstellbar ist, dass ein Hitler, ein Goebbels oder ein Rosenberg tatsächlich “Gutes” wollten, so halte ich das doch, wenn ich mir die Gesamtmenschheit als Referenz nehme, für naheliegend.

            Die Reue kehrt erst dann ein, wenn einem die Folgen seiner Taten beziehungsweise der Fehler in seinem Denken bewusst geworden ist. Vorher kann das nicht geschehen.

            Allerdings halte ich, damit diese Theorie haltbar ist, es für notwendig, den Begriff des “Guten” zu verwässern, beziehungsweise zu relativieren. Denn “das Gute” kann ja “das Gute für alle” sein, es kann aber auch nur “das Gute für mich” – oder irgendwas dazwischen – sein.

            “Das Schlechte für sich selber” wollen höchstens Menschen, die sich selbst bestrafen wollen, wofür auch immer. Ansonsten können wir wohl davon ausgehen, dass – zumindest für sich selber – niemand etwas Schlechtes oder Böses möchte. Ganz im Gegenteil.

            Da nun aber die Menschheit im Allgemeinen ja nichts weiter ist als die Zusammensetzung ihrer Einzelteile, so ist für den Einzelnen gut, was für alle gut ist. Ich glaube diesen Schritt können viele nicht gehen. Da dies ein eher spiritueller Gedankengang ist (oder höchst politischer, ersetzen wir “alle” mal durch “Kollektiv”), sträube ich mich nun doch, das als “Unwissen” zu bezeichnen, wenn man diesen Gedankengang nicht gehen möchte, auch wenn meine Erfahrung mir etwas anderes sagt. Also sage ich es so: Für mich selber begreife ich diese Art zu denken als Wissen. Wenn man aber so denkt, so wird klar, dass mein eigenes Wohlergehen im Wohl aller liegt, durch das Wohl aller bedingt und gefördert wird. Und da wohl kaum jemand Schaden für sich selber will, so muss dieser Jemand dann auch das Gute für alle wollen, mal konsequent geschlussfolgert.

            … es sei denn, er wurde getäuscht oder wäre schwach… oder ist unwissend. 😉

  6. @Podcast nr 7

    Vielfalt und Kulturreichtum durch Migranten ist nun tatsächlich ganz gut. Den Dunstkreis des Christlichen zu erweitern ist nicht schlecht. Man hat dann aber auch mehr zu verarbeiten, das kann überfordern.

    Letztlich bleibt einem weltoffenen Menschen nichts anderes übrig, als sich irgendwie unterwegs zu betrachten. Nicht am Ende angekommen zu sein ist entsprechend wirklich absolut unvermeidlich.

    Was dann wiederum grundsätzlich richtig gut sein kann.

    Die Theodizee etwa sehe ich nicht als Problem an. Gott bzw. Geisteswelten mögen überwiegend wissend, mächtig und gut sein, aber eben dennoch in dem eingeschränkt sein, was eben prinzipiell möglich ist. Es geht halt nicht alles. So ist etwa die Evolution seine fast unendlichen Umwege gegangen, um letztlich nach Jahrmilliarden z.B. den Menschen hinzubekommen.

    Dass Geisteswelten doch in der Praxis recht eingeschränkt sind, mag dem nicht im Wege stehen, dass vernünftige Vorhaben inspiriert und in der Umsetzung unterstützt werden.

    Es geht auch hier nicht alles, aber eben alles, was physikalisch möglich und menschlich denkbar ist.

    Ich denke, man ist hier ganz gut beraten, doch eine Menge Agnostizismus übrig zu lassen, auch wenn man mit manchen Gemeinschaften sympathisiert. Weltbilder sind ganz viele denkbar, die Welt selbst ist aber nur eine. Es gibt halt viele epistemische Alternativen, aber nur eine wirkliche Ontologie, auch wenn die noch keiner wirklich kennt. Wir, bzw. die Wissenschaft kennt offenbar manches, was definitiv so auch ist. Aber alles allemal nicht.

    Insbesondere wer wir selber wirklich sind und werden können, da sind wir noch mitten dabei, das Wesentliche überhaupt zu erkennen.

    Neben dem unvermeidlichen Pluralismus, der halt die persönlichen Erfahrungen und die persönlichen Kenntnisse unvermeidlich abbilden muss, gibt es allerdings schon so manches, was die Wissenschaft so gut erfasst hat, dass man sich daran wirklich halten kann. Klimawandel und die globalen landwirtschaftlichen Möglichkeiten gehören sicher dazu, und erfordern ein Handeln unsererseits, um bewältigt zu werden. Unabhängig von dem Spektrum der sonstigen möglichen Ansichten. Das gehört zu einer Verantwortung, die eigentlich nicht zur Disposition steht, einfach weil wir das nur selber regeln können.

  7. Herr Blume, ich habe da mal eine Frage: Die Erbsünde war doch der Grund dafür, dass Gott seinen Sohn auf die Erde geschickt hat, damit der die Menschen mit seinem Tod am Kreuz von den Sünden reinwäscht, auch Erlösung genannt. Wenn es keine Erbsünde gab, war auch keine Erlösung erforderlich. Was ist dann das Wesen des Christentums? Antworten Sie bitte nicht, das Wesen des Christentums sei in der Bergpredigt nachzulesen. Soweit ich weiß, ist die Bergpredigt aus der jüdischen Kultur gespeist und keine Neuerfindung Jesu.
    Ohne Erbsünde gäbe es keinen Erlöser und man müsste man das Christentum neu definieren.
    LG. Ludger
    katholischer Apostat

    • Lieber @Ludger Hartmer,

      nun bin ich kein Theologe und auch nicht katholisch – aber es wäre doch arg traurig, wenn diese Kirche nur aufgrund einer bestimmten, wenig haltbaren Bibeldeutung bestehen würde. Dagegen spricht ja auch, dass die christliche Kirche schon vor Augustinus Jahrhunderte wuchs – ganz ohne Doktrin von einer Erbsünde.

      Eine im Judentum verwurzelte Lesart könnte zum Beispiel darauf verweisen, dass mit dem Leben, Lehren und Sterben von Rabbi Jesus die Kunde von Gott und des noachidischen Bundes tatsächlich in alle Welt ausging und Milliarden Menschen erreicht(e) und veränderte, ihnen Wege der Verantwortung erschloss. Vgl. dazu beispielsweise diese Erklärung orthodoxer Rabbiner, Zitat:

      „Wie Maimonides und Jehudah Halevi vor uns [1] erkennen wir an, dass das Christentum weder ein Zufall noch ein Irrtum ist, sondern gö-ttlich gewollt und ein Geschenk an die Völker. Indem Er Judentum und Christenheit getrennt hat, wollte G-t eine Trennung zwischen Partnern mit erheblichen theologischen Differenzen, nicht jedoch eine Trennung zwischen Feinden. Rabbiner Jacob Emden schrieb, dass „Jesus der Welt eine doppelte Güte zuteil werden liess. Einerseits stärkte er die Torah von Moses in majestätische Art … und keiner unserer Weisen sprach jemals nachdrücklicher über die Unveränderlichkeit der Torah. Andererseits beseitigte er die Götzen der Völker und verpflichtete die Völker auf die sieben Noachidischen Gebote, so dass sie sich nicht wie wilde Tiere des Feldes aufführten, und brachte ihnen grundlegende moralische Eigenschaften bei … Christen sind Gemeinden, die zum himmlischen Wohl wirken und zu Dauerhaftigkeit bestimmt sind. Ihre Bestimmung ist zum himmlischen Wohl und die Belohnung wird ihnen nicht versagt bleiben.“[2] Rabbiner Samson Raphael Hirsch lehrt uns, Christen haben „die jüdische Bibel des Alten Testamentes als Buch gö-ttlicher Offenbarung akzeptiert. Sie bekennen ihren Glauben an den G-t von Himmel und Erde, wie ihn die Bibel verkündet, und sie anerkennen die Herrschaft der gö-ttlichen Vorsehung.“[3] Jetzt, da die katholische Kirche den ewigen Bund zwischen G-t und Israel anerkannt hat, können wir Juden die fortwährende konstruktive Gültigkeit des Christentums als unser Partner bei der Welterlösung anerkennen, ohne jede Angst, dass dies zu missionarischen Zwecken missbraucht werden könnte. Wie von der Bilateralen Kommission des israelischen Oberrabbinats mit dem Heiligen Stuhl unter Vorsitz von Rabbiner Shear Yashuv Cohen festgestellt, sind „wir nicht länger Feinde, sondern unwiderrufliche Partner bei der Artikulierung der wesentlichen moralischen Werte für das Überleben und das Wohl der Menschheit.“[4] Keiner von uns kann G-ttes Auftrag in dieser Welt alleine erfüllen.“

      Die ganze Erklärung hier:

      https://www.jcrelations.net/de/statements/statement/den-willen-unseres-vaters-im-himmel-tun-hin-zu-einer-partnerschaft-zwischen-juden-und-christen.html

      Und wenn Sie mich persönlich fragen: Mir fiele den Glauben an einen „guten“ Gott schwer, der schon kleine Kinder mit „Erbsünde“ bezeichnet, um dann seinen eigenen Sohn blutig zu „opfern“, um diese „Erbsünde“ wieder zu lösen. Ein Gott, der jeden Menschen liebt und uns auch durch die gelebte Liebe Jesu zur Verantwortung befreit, erscheint mir persönlich… glaubwürdiger.

      • @Ludger Hartmer,
        zur Erklärung. die Erbsündenlehre ist eine spezifisch westkirchliche Lehre. Sie beruht auf Aurelius Augustinus der – hier gebe ich ihm recht- beobachtete, dass der Mensch sich aus freiem Willen für etwas von ihm als böse erkanntes entscheiden kann. (Die Byzantiner bestreiten das bis heute.)
        Augustinus erklärte das – modern gesprochen – mit einem dominant vererbten Gendefekt, der jeden Menschen immer zwingen würde, sich gegen das Gute zu entscheiden. (Hier gehe ich nicht mit) .
        Im Zusammenhang eines Adam-Christus-Mythos ( der gerade von J. Dochhorn erforscht wird) wurde nun von Augustinus Jesus Christus als neuer Adam und Überwinder dieses Gendefekts gedeutet. Dabei hat Augustinus, der nach eigener Aussage die griechische Sprache hasste, die griechische Bibel einfach falsch übersetzt.
        Im Zuge der Germanenmission wurde nun noch die Satisfaktionslehre hineingemischt und fertig ist die Sühnetodlehre, die die Orthodoxie nicht hat . So viel als Skizze – ich muss los

        • Hallo Herr Fischer,
          danke für Ihre Antwort. Das Sagen haben in der Römischen Kirche allerdings die Dogmatiker und nicht die Exegeten.
          LG. Ludger Hartmer

      • Sehr geehrter Herr Blume,
        vielen Dank für die ausführliche Stellungnahme. So kann man argumentieren, wenn man als freier Christenmensch nicht an die Neuscholastik und die Unfehlbarkeit gebunden ist, deren Anspruch weit über das Unfehlbarkeitsdogma von 1870 hinausgeht.
        LG. Ludger

        • Danke & gerne, @Ludger Hartmer.

          Bei allem Respekt auch für die katholische Tradition und Vatikanum II habe ich mich auch deswegen bewusst für die evangelische Kirche entschieden, als ich Christ wurde. Ein sog. “Unfehlbarkeitsdogma” oder auch den Ausschluss von Frauen aus Ämtern gibt es in meiner Landeskirche nicht. Und auch die sog. “Erbsünde” darf, ja muss reformatorisch immer wieder hinterfragt werden.

          Herzliche Grüße Ihnen!

        • @Ludger Hartmann
          die Neuscholastik übersieht gerne einige Probleme der mittelalterlichen Scholastik:
          1. die mittelalterliche Scholastik setzt ein geozentrisches Weltbild voraus. Die beachtlichen Leistungen der mittelalterlichen Scholastik müssen im Kontext dieses Weltbildes gesehen werden, so die Begriffe “Wunder” und “übernatürlich”
          2. Die Scholastik war nicht affirmativ gegenüber der Kirche- im Gegenteil, sie war kritisch und wurde mehrfach kirchenrechtlich verurteilt.
          3. Die Abwertung der Frau in der rk-Kirche hat im Aristotelismus der Scholastik ihre Wurzel.

          • Schön, dass das Thema aufgegriffen wurde, um es auch für mehr Leute verständlich zu erklären.

            Während ich so weit zustimme, fragte ich mich immer, wie es zu der Idee kam, und vielleicht, einfach nach Gefühl, könnte eine Ahnung aufgekommen sein, dass Kinder, wie man in Kitas auch finden kann, das Verhalten der Erwachsenen ausprobieren, und wir auf diese Weise Gewohnheiten und Verhaltensweisen den Kindern mitgeben.

            Das könnte ich zwar nie belegen, es war nur ein Gedanke, dass vielleicht Beobachtungen Augustin damals angeregt haben. Auch, dass irgendwie etwas dran war an diesem Konzept, das allerdings in einer Sprache ausgestaltet wurde, die wir heute nicht mehr verwenden, einfach weil zu viele Ereignisse und Änderungen dazwischen liegen.

    • Es gibt auch katholische Theologen die die Erlösung anders deuten. Den Sündenfall als ENTFREMDUNG zwischen den Menschen und Gott , und die Passion als Versuch Gottes DEN Menschen mit sich zu Versöhnen, also als ein Angebot Gottes zur Versöhnung.

  8. @Michael 02.10. 22:42

    „diese Erklärung orthodoxer Rabbiner, Zitat:….Andererseits beseitigte er die Götzen der Völker und verpflichtete die Völker auf die sieben Noachidischen Gebote, so dass sie sich nicht wie wilde Tiere des Feldes aufführten, und brachte ihnen grundlegende moralische Eigenschaften bei …“

    Buddhisten und Hindus und sogar die Religionen so mancher Indigener Völker sind nicht unbedingt die reine Barbarei. Das Feudalsystem mit seinen Kreuzzügen, der Kolonialismus und die Erfindung der Atombombe sahen jedenfalls als christliche Projekte nicht nach Verantwortung aus.

    Der moderne Mensch mag in Humanismus wie auch in wirklicher Verantwortung auch vom wahren Christentum noch inspiriert sein. Allerdings ist neben einer auch mal produktiver Überwindung der Kirchen auch die Wissenschaft durchaus fähig, die Vernunft der Menschen nachhaltig zu fördern.

    Gestalten wie Hitler oder Stalin waren sicherlich barbarisch, da konnte die christliche Tradition dann auch nichts mehr dran ändern.

    „..können wir Juden die fortwährende konstruktive Gültigkeit des Christentums als unser Partner bei der Welterlösung anerkennen,…“

    Nichts gegen eine solche Zusammenarbeit. Aber andere Religionen, Agnostiker und in ihrer eigenen Logik Säkulare können auch mitarbeiten. Und Menschen, die einfach ihre eigenen Wege gehen, und nur keinen wirklichen Anlass sehen, sich auch nur irgendeiner Kirche anzuschließen, mögen hier gerne auch an der Welterlösung interessiert sein.

    Wirkliche Verantwortung könnte deutlich maßgeblicher sein als jeglicher Glaube. Letztlich können wir doch nur da wirklich produktiv sein, womit wir uns wirklich auskennen. Glaubensfragen und Glaubensantworten alleine sind weniger wirksam. Man muss sich auch so viel mit den Themen beschäftigen, dass man wenigsten ein Gefühl von hinreichend Durchblick findet. Richtiges Wissen ist dann noch mal um Einiges wirksamer.

    Die Idee einer Welterlösung im Sinne von wirklich funktionierender Mitweltverantwortung bei einer friedlichen Beteiligung aller Menschen an weitreichender Bildung und hinreichendem, aber nicht verschwenderischem Wohlstand ist mir auch eine Vision.

    • Ja, @Tobias Jeckenburger – auch in den Lehren nicht-abrahamitischer Religionen und nichtreligiöser Weltanschauungen hat sich so viel religiöse, spirituelle und philosophische Vielfalt entfaltet, dass sich jede pauschale Reduktion auf „Götzendienst“ verbietet. Auch der interreligiöse Dialog bewirkt Gutes, Monistisches. Es gibt immer wieder Gemeinsamkeiten, auf denen aufzubauen sich lohnt.

  9. Breaking News: “Nackter Angler fällt auf Erotik-Chat rein und wird erpresst”

    Herrlich oder? Da wird ein Mann erpreßt, mit Bildern, die ihn nackt zeigen? Adam hat sich versteckt, weil er nackt war? Nach Herrn Blumes Lesart hätte er sagen sollen: hier bin ich, in voller Schönheit, gerade so, wie DU mich geschaffen hast! Ja, damit kann ich mich durchaus anfreunden. Warum aber kann ein Mann damit erpreßt werden? Weil Nacktheit unschuldig also asexuell oder schuldig sexuell betrachtet werden kann. Ist eine sexuelle Betrachtung schuldig? Ja, wenn der Nackte nicht sexuell betrachtet werden will. Adam muß also seine Nacktheit sexuell erlebt haben, was ihn dazu veranlaßte, sich zu verstecken. Ihm muß also die Doppeldeutigkeit seiner Nacktheit bewußt geworden sein. Oder doch nicht? Biblisch heißt es ja: “und es gingen ihn die Augen auf”. Nein! “da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan”. Sie waren also zur Selbstreflexion noch nicht fähig. Irgendwie scheinen Adam und Eva in die Sexualität hinein gestolpert zu sein. Wenn ich es recht erinnere, hatte Erich Fromm in dem Buch Die Kunst des Liebens diesen Aspekt als ein Niederreißen von Grenzen beschrieben, wenn Menschen begehren, aber noch nicht lieben können. Kurzum: die Bibel lädt immer wieder zu Entdeckungen ein, denn es hängt immer auch vom Stand des Lesers ab, wie er die Geschichten interpretiert. Das macht die Bibel nahezu zeitlos.

  10. Das Buch Genesis hat die sogenannte Erbschuld des Menschen erklärt – und der Frau zugewiesen. [1]

    Anschau kann so gemacht werden :

    -> https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/gen3.html

    Die Schöpfungsgeschichte hätte aus diesseitiger Sicht nicht der Metaphorik zugesprochen werden sollen, wie dies ein Papst Pius vor ca. 70 Jahren getan hat, die Anschauung hier :

    -> https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-papst-pius-urknall-schoepfung-100.html

    Außerdem weist Dr. Webbaer auf die eliminatorische Komponente der bekannten Unterwerfungsveranstaltung (“Islam”) hin, ein theozentrischer Kollektivismus liegt vor, Christen- wie Judentum werden zwar im Sinne der Dhimma zeitweise aufgenommen, letztlich aber absorbiert.
    Die diesbezügliche Datenlage ist klar.

    Teilen Sie dies vielleicht auch Herrn Dr. Inan Ince beizeiten mit, die empirische Lage ist eben klar, zuletzt auch in Bergkarabach wieder anschaulich geworden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    [1]
    Gänzlich politisch inkorrrrekt, sozusagen.
    Dr. W ist abär Atheist.aber kein strenger Atheist, er ist nicht blöde genug daran zu glauben, dass kein Gott existiert, also ist er Agnostiker.
    Amüsiert sich über Gnostiker dagegen, auch über sogenannte Szientisten, dies ist ihre zeitgenössische Ausprägung.
    Der eine blöder als der andere, wobei die oben zitierte kollektivistische Veranstaltung nicht blöde ist, sondern böse.

    • Meine Güte, @Webbaer – ich hätte Ihnen nach der langen Zeit auf dem Blog durchaus zugetraut, verstanden zu haben, dass jeder Text immer wieder (und immer wieder neu) ausgelegt wird. Ein Satz wie „Das Buch Genesis hat die sogenannte Erbschuld des Menschen erklärt – und der Frau zugewiesen.“ ist daher so offensichtlich falsch, dass es Ihnen unwürdig ist.

      Und die wirre Verknüpfung von Prof. Ince mit Berg-Karabach ist einfach nur dualistisch. Inan ist Deutscher und ist für aserbaidschanischen Nationalismus ebenso wenig verantwortlich wie Sie für Putins Angriffskrieg.

      Was war denn los? Dieser Kommentar war weit unter Ihrem besseren Niveau, @Webbaer.

      • Moment, die Bibel ist zwar als Zeugenbekundung angelegt, als Testament, die Bibel besteht aus zwei Testamenten, sie ist insofern auslegungsmöglich (und sozusagen theologiefähig, anders als bspw. der Koran), aber sie ist schon ernst gemeint und ernst zu nehmen, im wörtlichen Sinne.
        Allegorien waren als solche in der Bibel erkennbar, die Autoren schienen sogar besonderen Wert auf die Erkennbarkeit der Allegorien zu legen.

        Die Idee, dass ‘jeder Text immer wieder (und wieder) neu auszulegen’ ist, stimmte zumindest christlich-theologisch bis vielleicht 1950 nicht; damals hat Papst Pius, der Zwölfte die Schöpfungsgeschichte relativiert, an moderne naturwissenschaftliche Erkenntnis angepasst.
        Das 2. Vatikanische Konzil “lockerte” weiter “auf”, den Rest kennen wir?

        Vorher ist fast 2.000 Jahre die Bibel eben nicht ‘immer wieder neu ausgelegt’ worden.

        Vergleiche vielleicht die obige Nachricht, auf die Sie, lieber Herr Dr. Michael Blume dankenswerterweise reagiert haben, auch vor dem Hintergrund neuen “Allah-Dienstes” aktuell in Israel. [1]

        Mit freundlichen Grüßen
        Dr. Webbaer (der weiter oben vielleicht ein wenig regressiv klang, aber andere Personen meinte mit dieser Regression)

        [1]
        Und Dr. W beobachtete so seit mehr als 50 Jahren, insbesondere Attacken der PLO, natürlich auch “München 72” – aber da gab es sehr viel.

        • Nein, @Webbaer – hier muss ich leider klar widersprechen: Ohne ständige Neuauslegungen der Bibeln (!) wären weder das rabbinische Judentum mit immer neuen Gelehrten und Schriften wie auch nicht Abertausende christliche Varianten denkbar gewesen. Es gab von Beginn der Schriften an keine Generation ohne neue Auslegungen – Augustinus ist ja ein bekanntes Beispiel. Auch das päpstliche sog. Unfehlbarkeitsdogma war eine solche Neuauslegung, die damals sogar zur Abspaltung sog. Alt- und Christkatholiken aus der zwar großen, aber nie alleinigen römisch-katholischen Kirchenfamilie führte.

  11. @Rosae Crux, Angra Mainyu
    Augustinus Position finden Sie hier Confessiones II, 4-6 http://www.zeno.org/Philosophie/M/Augustinus,+Aurelius/Bekenntnisse/Zweites+Buch
    Er richtet sich gegen Aristoteles Nikomachische Ethik, die er so versteht, dass alle Menschen nach dem Guten streben. (Nikomachische Ethik 1,1-/ Bekker 1094 a)
    Er hat diese Erfahrung wohl selber gemacht. Die Frage ist, wie man diese Erfahrung (etwas böses zu tun, weil es böse ist) bewertet.

  12. @Joachim Fischer 07.10. 19:17

    „Er hat diese Erfahrung wohl selber gemacht. Die Frage ist, wie man diese Erfahrung (etwas böses zu tun, weil es böse ist) bewertet.“

    Böses tun, um es mal auszuprobieren, wie das ist, wäre entsprechend interessant. Wenn man denn überwiegend das Bessere sucht, dann gehts ja noch.

    Dann gibt es durchaus Konkurrenzsituationen, wo man definitiv gegeneinander arbeitet, etwa beim Fußballspielen. Als Spiel mit festen Regeln ist das insgesamt eine interessante Beschäftigung. In der Wirtschaft kann das aber schnell ziemlich ungut werden. Nicht nur, dass manch einer nicht mithalten kann, auch treibt man sich gegenseitig immer weiter, und gerät in Verschwendungen, die man nicht immer als solche erkennt.

    Auch Kriege muss man nicht unbedingt selber anzetteln, die kommen auch mal von außen. Und die militärischen Notwendigkeiten erfordern ganz gezielt böse Maßnahmen, wenn man denn gewinnen will.

    Die Verantwortung bleibt aber eigentlich immer. Es bleibt selten bei dem, was man selber will, die anderen reagieren, und eine Dynamik kommt in Gang. Mitten im Leben geht es entsprechend mal drunter und drüber, besser man überlegt noch ein paar mal länger, was man wirklich machen will.

    Wenn eine Unterstützung der Demokratie in Taiwan am Ende einen weltweiten Wirtschaftskrieg zur Folge hat, dann muss man sich auch fragen, ob es das wert ist. Und welche Alternativen möglich sind.

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