Augustinus und die Natur des Bösen zwischen Manichäismus und Platonismus

Gängig ist der Vorwurf an Augustinus von Hippo (354 – 430), er habe den Gut-Böse-Manichäismus seiner Jugend in die kirchliche Theologie eingetragen und damit viel Unheil angerichtet. Doch Prof. Christian Schäfer (Philosophie Bamberg) widersprach in seiner Reclam-Textsammlung “Was ist das Böse?” (2014) entschieden, ja behauptet das Gegenteil. Über Augustinus versus die Manichäer schrieb er:

“Die Manichäer vertraten die Ansicht, dass der Welt zwei entgegengesetzte Prinzipien zugrundeliegen, deren eines das Böse bewirkt, das andere die Quelle des Guten ist. Seine Zuwendung zur Platonischen Erklärung des Bösen als einer Privation (d.h. einer Ermangelung) des primären Guten bedingte auch einen lebenslangen Abgrenzungskampf des Augustinus gegen den Manichäismus seiner Jugend, und die Auseinandersetzung mit dem manichäischen Prinzipiendualismus ist noch ein Thema in seinen letzten Schriften.” (S. 64)

Der Reclam Band "Was ist das Böse?" von Christian Schäfer in der Hand von Michael Blume, der es auch fotografierte. Klick führt zur Verlagsseite

Klein, aber Oho: Der Reclam-Band “Was ist das Böse?” versammelt nicht nur “Philosophische Texte von der Antike bis zur Gegenwart”, sondern dazu auch je lesenswerte Auslegungen des Herausgebers Christian Schäfer (Uni Bamberg). Foto: Michael Blume

Als Beleg für den “Kampf gegen den Prinzipiendualismus” des Augustinus führte Schäfer einen Auszug aus dessen Werk “Die Natur des Guten” an. Der Exzerpt beginnt mit einem monotheistischen und also grundsätzlich monistischen Glaubensbekenntnis:

“Wir katholischen Christen verehren nämlich Gott, von dem alles Gute ist, sei es groß oder klein; von dem jedes Maß ist; sei es groß oder klein; von dem jede Gestalt ist; sei sie groß oder klein; von dem jede Ordnung ist; sei sie groß oder klein.” (S. 68)

Deswegen könne etwa “ein geschaffener Lebensgeist” zwar “verdorben sein”, doch er könne weiterhin “dem Körper Leben gewähren; und dadurch ist der verdorbene Lebensgeist besser als der Körper, mag dieser auch unverdorben sein. […] Jede Natur aber, die verdorben werden kann, ist auch selbst irgendein Gut; denn die Verderbnis könnte ihr nur schaden durch die Wegnahme und Minderung dessen, was gut ist.” (S. 70)

Auch der Tod sei damit kein absolut Böses, denn:

“Indem die Dinge vergehen und entstehen, ereignet sich aber eine gewisse Schönheit eigener Art, so dass nicht einmal die Dinge, die sterben oder aufhören zu sein, was sie waren, das Maß und die Gestalt und die Ordnung der gesamten Schöpfung entstellen und verstellen: so wie eine wohlgestaltete Rede durchaus schön ist, obwohl in ihr alle Silben und Töne gleichsam im Geborenwerden und Sterben vorübereilen.” (S. 71)

Und wirklich: während viele Europäer die ihnen fast immer unbekannten Affen dem Teufel zuschrieben (und auch noch US-Religionskritiker des 21. Jahrhunderts wie Bill Maher sie in dieser Tradition verspotteten), kannte der Nordafrikaner Augustinus jene Tiere und führte sie als Argument für die Natur des Guten an:

“So ist es zum Beispiel bei der äußeren Gestalt des Menschen: weil seine Schönheit größer ist als die des Affen, wird im Vergleich mit ihr die Schönheit des Affen Mißgestalt genannt. Und die Ahnungslosen täuschen sich hier, als ob das eine gut und das andere schlecht wäre. Dabei bemerken sie nicht am Körper des Affen das eigentümliche Maß, die Symmetrie der Glieder, die Harmonie der Teile, die Bewahrung der Unversehrtheit und das übrige, das auszuführen lange dauern würde.” (S. 73)

Das Filmplakat "Religulous" von Bill Maher aus dem Jahr 2008

Spott über religiöse Menschen und Affen im Filmplakat “Religulous” von 2008, Bill Maher

Warum aber konnte Augustinus dann, wenn er doch schon monistisch die Nähe von Menschen und Affen beschwor, nicht auch die Evolution sehen? Weil er, wie Schäfer m.E. richtig bemerkte, Platoniker geworden war und also von einer anfänglichen Schöpfung des Guten ausging – wogegen das Böse erst in der Zeit geschehe, ja zunehme. Von Gott schrieb Augustinus im gleichen Text daher auch in einer der kulturell stärksten Formulierungen von Reaktanz:

“Wahrhaftig ist er, weil er unveränderlich ist. Jede Veränderung nämlich bewirkt, daß nicht mehr ist, was war.” (S. 76)

Entsprechend konnte Augustinus wortmächtig wie sonst kaum jemand über Glaube und Leben predigen und schreiben; doch seine Hoffnung konnte sich stets nur platonisch auf eine “Bekehrung” zu einer vermeintlich besseren Vergangenheit beziehen. Der platonische Monismus ist kaum zum ehrlichen Dialog in der Lage, da er lehrt, die Wahrheit liege bereits hinter allen Sprechenden. Deswegen erscheint er insbesondere jüngeren Generationen, die ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft noch nicht verloren haben, immer wieder wie ein feindseliger Dualismus, in den er auch oft psychologisch abfällt. Wie sollte auch ein Reaktanter denn auch die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Alphabetisierung von immer mehr Menschen, die Integration von Zugewanderten und neue, etwa humanitäre, kulturelle, sportliche, wissenschaftliche Höchstleistungen feiern können? Das Neue könne doch nie das Bessere, sondern allenfalls vergängliche, zeitliche “Schönheit eigener Art” sein – wenn es vergeht und stirbt. Der Platonismus ist eine monistische Philosophie der reaktanten Zukunftslosigkeit und also noch kein dialogischer Monismus.

Die symbolische "Hand des feindseligen Dualismus" nach Dr. Michael Blume. Klick führt zum erklärenden VortragsskriptAus der Ablehnung von Fortschritt speisen sich hasserfüllte Formen des feindseligen Dualismus. Symbolbild zum Antisemitismus-Rassismus-Vortrag in Leinfelden-Echterdingen, Michael Blume 

Dramatisch deutlich wird dieser zugleich kleine und riesige Unterschied in der Kreuz-Meditation des Erkenntnistheoretikers Karl Popper (1902 – 1994). In seinem Hauptwerk der “Offenen Gesellschaft” warnte er ausdrücklich vor jeder Weltanschauung und auch Religion, die wie Platon oder der Nationalsozialismus die “Rückkehr in einen harmonischen Naturzustand” beschwöre. Dies werde dazu führen, dass wir “wieder zu Raubtieren werden”. Stattdessen sollten wir nicht nur Mit-Leiden und Helfen, sondern auch bereit sein, uns immer wieder durch neue – auch schmerzhafte – Erkenntnisse in Frage stellen zu lassen, Meinungsräume zugunsten von Wissenschaft aufzugeben, denn: “Wir tragen das Kreuz dafür, dass wir Menschen sind.”

Zitatkachel von Michael Blume zur Kreuz-Meditation von Karl Popper in Hossa Talk Folge 184. Klick führt zur YouTube-Aufzeichnung der Folge.Zitatkachel bei Hossa-Talk 184 zum “Kreuz der Wahrheit” bei Karl Popper von Jay & Gofi 

Und entsprechend schließt auch dieser Blogpost in der religionswissenschaftlichen und damit notwendig evolutionären “Natur des Glaubens” nicht mit einem platonischen Seufzer, sondern mit einem Dialog: der erwähnten Folge 184 zur “Zukunft der Religion” zwischen “Fundamentalismus oder Beliebigkeit”.

Allen, die es feiern, wünsche ich noch einen gesegneten Ramadan, frohe Ostern (morgen ist Karfreitag) und dann auch Pessach Sameach (ab 22.4.2024) – Feiertage voller Hoffnung. 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

41 Kommentare

  1. Augustinus in Sperrfeuern heutiger Katechismusexegesen:
    Nichts ist unmöglich in modern sich wähnenden Zeiten digitaler Befreiung.
    Wohlan, junge Freund:innen gehobener Volksmusiken:

    Frohes Kreuzigen morgen zum Karfreitag und ein umso erleichternderes Osterfest zur Wiederauferstehung des Herrn der Christenheit.

    Danke Dr. Blume.

  2. ps: Ἀλέξανδρος ὁ Μέγας wusste wenigstens noch um Transubstantionsgehalte von Wein und Blut.
    Zugegeben, kaum unterscheidbar wirkend zu heutigen „human Behaviours“…

  3. Ein Dieb kann das Gestohlene mit Zinsen wiedergeben, der Mörder nicht. Für den Dieb ist Gerechtigkeit möglich, doch die Bestrafung eines Mörders ist bereits eher Rache – sie reicht, um ein soziales, vielleicht seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen, doch im Grunde wird Böses mit Bösem vergolten. Wenn Sie sich Bandera oder Hamas oder Trump-Wähler oder andere Amokläufer anschauen, sind Sie schon im Bereich des wahren Bösen, der unlösbaren Widersprüche – zwar wurden die Täter durch Lug und Trug lange Zeit aufgeladen, doch wer zwanzig Jahre lang alles und jeden belügt und betrügt ist trotzdem weniger schuldig als ein Mörder und Folterer und hat eine solch extreme Rache seiner Opfer nicht verdient. Es ist das viele kleine Böse, das das große Böse schafft, das dann aus den Verdammten Teufel macht, die die Hölle auf Erden bringen.

    Wenn Sie dann das volle Höllenpaket bekommen, ist Sinn nicht mehr möglich – In der Hölle ist niemand schuldig und niemand unschuldig, es gibt keine Gerechtigkeit, keine Lösungen, keine Erlösung, nur noch den Kampf ums Überleben, Rache, Gegenrache, Extreme, die die Menschen überfordern und alles und jeden zerfetzen. Sehen Sie auch in einer Kerzenflamme.

    Das Böse ist das Verlassen der energetischen Goldlöckchenzone, in der Menschen überleben, Sinn schaffen, ein Gleichgewicht untereinander und mit der Umgebung erhalten können. Wenn Sie sich eine Skala zwischen Gleichgewicht und übertriebenen Extremen vorstellen, kann man das durchaus als gut-böse-Dualismus sehen. Solange man die Existenz des Spektrums dazwischen anerkennt, und dass nicht alles Böse dem Bösen und nicht alles Gute dem Guten dient und der Mensch stets abwägen muss, welchen Preis er zu zahlen bereit ist und was die Konsequenzen seiner Entscheidungen sind.

    Natürlich gibt’s alle möglichen Extreme – Sie sehnen sich nach Ruhe und Frieden, deren Extrem ist der Tod. Sie sehnen sich nach Sicherheit, ihr Extrem sind Starre und Dummheit. Sie sehnen sich nach Freiheit, ihr Extrem sind Chaos und Schmerz. Frieden, Sicherheit, Freiheit schließen einander aus, doch brauchen sie einander, um verwirklicht zu werden, also müssen Sie sie durch stete Pendelbewegung ausbalancieren, mal etwas mehr von dem, mal vom anderen. Wenn Sie sie alle gleichzeitig haben wollen, kracht es, und Sie kriegen die gleichen Höllenzustände, wie wenn Sie sich in eine Richtung von den beiden anderen entfernen. Die Goldlöckchenzone ist Ihr sicherer Tunnel durch Raum und Zeit, Sie sind bloß ein Teilchen, das sich zwischen anderen Teilchen seinen Weg sucht – stellen Sie sich den Farbkreis als Tunnel vor, in dem Stein, Tod und Teufel die Primärfarben sind, um dessen weißes Zentrum Sie kreisen müssen, das aber für Sie genauso unverträglich ist, wie die zunehmende Finsternis nach Außen hin. Und wenn diesen Tunnel verlässt, gerät es in den Elektrozaun zwischen den Welten, wo ihn sehr oft alle Extreme auf einmal zerreißen.

    Das Böse ist etwas, was Sie überfordert, und wenn es Sie nicht überfordert, ist es nicht das Böse. Dann ist es nur erhöhte Temperatur, die Ihnen Auftrieb und Kraft gibt, das Licht der Sonne, die Kraft der Schöpfung. Doch draußen im Feuersee überleben nur Dämonen. Also fahren wir die Stromzufuhr hoch, bis sie in uns erwachen, die kollektiven Lebensformen – Ideologien, Gemeinschaften, Religionen, Staaten, all diese vielbeinigen Vollidioten, die anscheinend den IQ einer geistig zurückgebliebenen Amöbe haben, übernehmen die Kontrolle. Passiert wohl jeden Morgen, wenn Sie aufwachen und Ihre Neuronen ihre Schaltkreise schließen – ich weiß nicht, was sie von uns halten, aber jede Körperzelle handelt intelligenter als der Mensch oder die Menschheit als Ganzes, kann sein, dass auch bei ihnen der IQ drastisch heruntergeschraubt werden muss, um als Komponenten eines kollektiven Geistes dienen zu können.

    Ihre Archen sind Varianten eines Dämons, Zeitschiffe der Zeitnomaden, in die wir uns für den Zeitsprung zurückziehen. Ja, ich hab Zeit im Sonderangebot bekommen, das Dutzend billiger, konnte nicht widerstehen und jetzt muss das Zeug verbraucht werden, bevor es schlecht wird. Ein solcher Sprung wirkt komischerweise wie ein Raumsprung – während draußen die Veränderungen sehr schnell geschehen, bleibt die Umwelt in der Arche stabil, alles geschieht so langsam, es geschieht so wenig, dass der Thermostat im Bereich Goldlöckchenzone bleibt und der Mensch es als angenehm und sinnvoll empfindet – ob Sie sich jetzt in eine Oase zurückziehen oder in einen Bus, wenn Sie aus dem Fenster oder ins Fenster gucken, sehen Sie die gleiche Zeitdilatation. Ja, Einstein, du darfst mit dem Augustin ein Bierchen zischen, ist nicht verboten.

    Das Gute ist also nicht so sehr das Vermeiden des Bösen, wie sein Management. Streit, Wettbewerb, erhalten die Körpertemperatur, wenn sich Spannungen aufbauen, müssen sie aber rechtzeitig erkannt und abgebaut werden. Verschiedene Menschen fühlen sich in verschiedenen thermischen Schichten wohl, und das ist auch gut so, denn wir brauchen sowohl den kühlen Kopf, der Sicherheit und Ruhe schätzt, die Akten ordnet und Bücher prüft, wie auch den Abenteuer, der stets das Extreme sucht und die Grenzen auslotet. Und wenn wir dann doch einen Quantensprung machen, den Elektrozaun zwischen den Welten durchqueren müssen, wo die Polarisierung uns zu zerreißen droht, werden all unsere Fähigkeiten getestet, durch hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit mit Extremen fertig zu werden und trotzdem Sinn zu wahren – also die Kooperation, die Koordination, Integration, die uns die Kohärenz als Gemeinschaft, aber auch ganz schnöde als physischer Körper ermöglicht.

    Also die übliche Chose, über die Religionen und Philosophien seit Ewigkeiten schwafeln, nur in Teilchenphysik übersetzt. Jeder Ära ihre Sprache, ich frage mich, ob Physik irgendwann genauso ausgelutscht sein wird, wie heute Religionen, und welche Sprache dann nötig sein wird, um Leuten stets den gleichen Mist zu erklären? Ich find’s jedenfalls geil, dass sich die Widersprüche zwischen Religion und Wissenschaft nicht dadurch auflösen, dass eine Seite gewinnt – sondern, indem man die Semantik abgleicht und Bibel, Thora, Koran und Co auf den neuesten Kenntnisstand upgradet. Man muss sie nicht umschreiben, wenn man sie als das versteht, was sie sind – etwas, das man abklopft, um dem Echo zu lauschen.

    Ach du lieber Augustin, Ideale sind dazu da, gesucht, gefunden und verloren zu werden. Der Mensch jagt ihnen nach wie die Katze dem Spiegelreflex an der Wand, sobald sie ihn fängt, rutscht er ihr aus den Pfoten. Das Ideal liegt in der Vergangenheit, denn es ist vergänglich, in einem dynamischen Universum kannst du das Gleichgewicht nur halten, indem du es immer und immer wieder neu erreichst. Als du die Schönheit der Rede in ihrer Flüchtigkeit gesucht hast, warst du schon so nahe dran. Als du die Macht Gottes im Teufel erkanntest, warst du fast schon am Ziel.

    Ja, es gibt eine Wahrheit hinter den Dingen. Es gibt auch eine Wahrheit hinter dem Schachspiel, die die Figuren erkennen können, indem sie ihre eigenen Bewegungen studieren. Aber die Regeln des Schachspiels sind nicht das Ideal, nach dem das Schachspiel strebt, sondern das, ohne das es nicht gespielt werden kann. Kein Schachmatt ist dasselbe Schachmatt, und mag es auch ähnlich wirken. Bekehrt euch – zur Reise. Zur Suche. Zum Spiel. Zum Gleichgewicht zwischen Vergangenheit und Zukunft, Stabilität und Veränderung, Vielfalt und Einheit. Was gestern gut war, ist heute schlecht, wenn Besseres möglich ist, was heute gut ist, wird morgen schlecht sein, weil das gute von Gestern dann wieder gut sein wird. Und nehmt die ganze Scheiße nicht so ernst, ihr seid nur Matsch, der mit Lichtgeschwindigkeit durch die Zeit rast und nicht lange genug überlebt, um sich wichtig zu nehmen. Nur um Dinge wichtig zu nehmen, die ebenfalls so unwichtig sind, dass sie außer einander niemanden haben, der sie wichtig nehmen könnte. Dem Großen Ganzen seid ihr so egal, wie es euch eure Körperzellen und Atome sind. Kümmert euch um das Kleine hier und jetzt, denkt an eure Kinder und Enkel, falls ihr welche habt, nehmt den Sinn, den ihr finden könnt, der Rest ist nicht euer Bier. Oder ergebt euch der Sinnlosigkeit, dem Schmerz, dem Nichts, der Sklaverei der Dummheit. Das Universum mag sich immer wiederholen, doch euer winziges, kurzes, bedeutungsloses Leben lebt ihr zum ersten und letzten Mal. Wenigstens so viel Erbarmen hatte es mit euch.

    Hass ist eine Verschwendung kostbarer Wut. Er vernichtet diejeningen, die zu schwach sind, um aus Wut zu erschaffen. Gerecht ist nichts daran, Gerechtigkeit gehört zur Sicherheit, Hitze ist Freiheit, Machtmissbrauch, Tobsucht, Gier und Schmerz, Kälte Frieden, Ohnmacht, Resignation und Zerfall, wenn man nicht zum Stein erstarrt – Amok und Apathie, Zombies und Zombie-Futter. Unsere Götzen, unsere Archen, unsere Dämonen sind gescheitert, weil sie nicht gerecht genug waren, die Balance nicht wahren konnten, also stürzen sie in den Abgrund – je mehr sie das Extrem der Sicherheit fördern, desto mehr tanzen ihnen Tod und Teufel auf der Nase herum. Bauen wir uns neue, und versuchen, die Baustelle nicht in Flammen aufgehen zu lassen. Doch beten sie nicht an, denn sie sind nur so gut, wie wir sie machen können. Und je besser sie werden, desto besser wird das Böse, das sie irgendwann finden werden, denn ihre Goldlöckchenzone wird breiter, ihr Elektrozaun muss heißer sein, um sie aufzuhalten, doch irgendwann erreichen sie ihn immer. Wer sucht, der findet, wer nicht sucht, wird gefunden.

  4. off topic
    Augustinus ist sehr schwierig zu lesen und zu verstehen, weil er sprachliche Begriffe verwendet, die wir nicht benutzen oder aber in einem anderen Zusammenhang.

    Ich habe mich speziell mit seinem Text zum Thema ´ZEIT´ beschäftigt
    (Quelle: Augustinus, Bekenntnisse, Buch 11, Kap. 13-29 – in der Reclam-Ausgabe ISBN: 978-3-15-002792-9 ) und musste manche Abschnitte über 10x lesen, bis ich verstand, was damit gemeint war.

    Dann war ich allerdings fasziniert von der Tiefe und der Schärfe seiner Überlegungen – denn was er vor 1600 Jahren schrieb, ist bis Heute noch nicht in der Wissenschaft angekommen.
    Er unterschied deutlich – schon vor 1600 Jahren(!) – die a) göttliche, b) physikalische bzw. c) menschliche Zeit bzw. Zeitwahrnehmung.

    (Weder die Physik noch die Philosophie haben bis heute eine Definition für ´Zeit bzw. Zeitwahrnehmung´ vorgestellt.)

  5. KRichard
    28.03.2024, 13:50 Uhr

    (Weder die Physik noch die Philosophie haben bis heute eine Definition für ´Zeit bzw. Zeitwahrnehmung´ vorgestellt.)

    Mal angenommen, Zeit ließe sich definieren? Was konkret hätten sie davon? Hauptsache, die Zeit kann man nutzen, um den eigenen Standort (über GPS) metergenau zu ermitteln.
    Was Zeit nun wirklich ist, ist doch völlig uninteressant! Wichtig ist nur, dass sie oft ein nützliches Hilfsmittel ist.

    • @Apostata
      Ich habe mich aus dem Buch von Augustinus ´Bekenntnisse´ nur speziell mit dem Thema ´Zeit´ befasst und war von der Schärfe und Tiefe seiner Überlegungen fasziniert.

      Was ich vergessen habe, war, deutlich darauf hinzuweisen, dass Augustinus in seinem Text keinerlei Behauptungen aufstellte – sondern nur seine Überlegungen(!) zu diesem Thema!
      Ich habe den Rest des Buches nicht gelesen und kann daher nicht sagen, ob sich dort die gleiche Vorgehensweise findet.
      Es ist aber ein großer Unterschied – wenn man Augustinus´ Texte als vorgestellte Überlegungen betrachtet oder ob man annimmt, er hätte diese Aussagen behauptet.

      Zu Ihren Anmerkungen zum Thema ´Zeit´, @Apostata:
      A) Die GPS-Satelliten arbeiten mit Uhren. Uhren sind nur dazu gemacht, um Kalenderdaten anzuzeigen – aber keine ´Zeit´. Eine Messung und Anzeige von Kalenderdaten reicht für den gewünschten Zweck vollkommen aus.
      Weder die Physik, noch die Philosophie haben bisher eine Definition für ´Zeit´ vorgestellt. D.h. wenn man gar nicht weiß was ´Zeit´ ist, kann sie weder mit einer Uhr anzeigen, noch mit einer Uhr messen.

      B) Im einführenden Text von @Blume finden Sie das Zitat:
      “Wahrhaftig ist er, weil er unveränderlich ist. Jede Veränderung nämlich bewirkt, daß nicht mehr ist was war.” (S.76)
      Um diesen Satz zu verstehen ist es hilfreich, sich mit Augustinus´ Überlegungen zum Thema ´Zeit´ zu befassen. Dort schreibt er, dass Gott zeitlos ist!
      Dies bedeutet – in unserer heutigen Sprache – dass für Gott physikalische Gesetze und menschliche Wahrnehmung nicht gelten, da er außerhalb/unabhängig davon existiert.

      C) Dass es uninteressant ist, was Zeit ist – wie Sie behaupten – ist Unsinn. Z.B. ging Augustinus schon vor 1600 Jahren davon aus und stellte seine Überlegungen dazu vor
      – dass es Zukunft und Vergangenheit physikalisch nicht wirklich geben kann, weil diese nur in unserer Phantasie vorhanden sind.
      – dass die Gegenwart keine Dauer hat – nicht die Geringste – obwohl sich alle Veränderungen in der Gegenwart abspielen.

      Dieses Beispiel zeigt, dass Augustinus mit seinen Überlegungen schon vor 1600 Jahren die Idee von der 4D-Raumzeit widerlegt hat.

      Zu behaupten, dass es uninteressant sei, was ´Zeit´ ist – ist eine fragwürdige Sichtweise. Immerhin werden Milliardenbeträge von Euros bzw. Dollars für die Erforschung der ´RaumZEIT´ ausgegeben – ohne dass man überhaupt weiß was ´Zeit´ ist.

    • @KRichard, guten Morgen!
      Es gibt schon Ansätze, so etwas wie “Zeit” wissenschaftlich zu erfassen. Als erstes denke ich an Ludwig Boltzmann und den 2. Hauptsatz der Thermodynamik. Offenbar geschehen Dinge in dieser Welt und offenbar gibt es nur den Weg nach vorne, einen Zeitpfeil. Mit der Relativitätstheorie könnte man zwar quasi in die Zukunft reisen. Aber zurück in die Vergangenheit scheint nicht möglich. Die Bestrebung in Richtung thermisches Gleichgewicht würde ich poetisch als “Vergänglichkeit” bezeichnen. Lebende Systeme  sind wie Inseln abseits des thermischen Gleichgewichts. Wenn einmal in einer sehr fernen Zukunft das gesamte uns zugängliche Universum im thermischen Gleichgewicht ist, geschieht gar nichts mehr. Dann macht ein Konzept wie “Zeit” auch keinen Sinn mehr.

      Zur Zeitwahrnehmung gibt es bestimmt Ansätze in der Biologie, auch weil im Tierreich Zeit völlig unterschiedlich wahrgenommen wird, wenn überhaupt.

      Danke sehr für den Hinweis auf das Thema Zeit bei Augustinus! Das werde ich mir anschauen. Lange her, dass ich Augustinus gelesen habe.

      • @Gutsche
        Hier ein paar Tipps
        In Kap. 18 schreibt er, dass es Zukunft und Vergangenheit nicht geben kann – denn wenn es diese gleichzeitig(!) zu der Gegenwart gäbe, dann wäre doch alles der Gegenwart zuzuordnen.
        In Kap. 15 und 21 weist er darauf hin, dass die Gegenwart keine Ausdehnung (Dauer) haben kann. Diese Erkenntnis macht ihm schwer zu schaffen – weil er verstehen will, wieso wir Zeit-Dauer erleben obgleich es überhaupt keine Zeit-Dauer gibt.

        Die Auflösung dieses Problems findet er in der Überlegung, dass wir ein Gedächtnis haben und uns erinnern können – was er als ´Ausdehnung des Geistes´ bezeichnet. (Kap. 26,27,28)
        Mit Hilfe unseres Gedächtnisses können wir als Reaktion auf ein beobachtetes Ereignis eine vergleichbare Erfahrung reaktiveren und vergleichen. Mit dieser Vorgehensweise entsteht der Eindruck von zusammenhängender Kontinuität. (Damit wird DENKEN als Ergebnis von Mustervergleichsaktivität beschrieben)

        Dadurch dass Augustinus deutlich zwischen A) physikalischer Zeitvorstellung (wo es nur die Gegenwart ohne Dauer gibt) und B) unserem kognitiven, subjektiven Zeiterleben unterscheidet (wo wir uns Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit gedanklich vorstellen können), löst er ein Problem an dem viele Wissenschaftler scheiterten und immer noch scheitern:
        Er geht ganz eindeutig davon aus, dass man es hier mit zwei unterschiedlichen Phänomenen zu tun hat, die jeweils eigenständig betrachtet werrden müssen!
        Eine tolle intellektuelle Schlussfolgerung!

        Noch ein Tipp:
        Uhrwerke sind Maschinen, die nach den Gesetzen der Thermodynamik funktionieren. (Deswegen hat der sogenannte ´Zeitpfeil´ eine festgelegte Richtung.)
        Die ´Sekunde´ ist eine Messgröße, um Kalenderdaten anzuzeigen. Wenn Sie aber wissen wollen was Zeit ist, müssen Sie überlegen, was im Uhrwerk ´vergeht, wenn eine Sekunde ´vergeht´.

        Mit der Überlegung – dass es nur die Gegenwart geben kann, welche aber keine Dauer hat, hat Augustinus die Idee von Zeitreisen bzw. der 4D-Raumzeit widerlegt. Denn damit ist die Gegenwart nur eine dynamische Grenze des Übergangs – es gibt kein Davor und kein Danach: also nichts wohin man reisen könnte.

        Das Buch ´Bekenntnisse´ von Augustinus ist also heute noch aktuell, interessant und lesenswert.

  6. @Folge 184 zur “Zukunft der Religion”

    Tja, die alte Frage, wie geht das, dass so viele Glaubensvarianten existieren, die alle glauben, dass sie die einzig wahren sind. Das ist ja nun Wirklichkeit. Das steckt dann irgendwie in uns allen, C.G. Jung würde sagen, das ist ein Archetypus.

    Entsprechend dann auch die Versuchung, mit einem Monismus in den Kriegszug gegen jeden Dualismus zu ziehen. Dem muss man offenbar gezielt entgegendenken, das steckt einfach zu tief in uns drin.

    Die Frage bleibt: Nichts soll uns davon abhalten, über jeden Tellerrand zu gucken, und dann doch Gemeinsamkeiten zu finden. So wie auch Wissenschaft immer wieder aufs neue versucht, wirkliche Erkenntnisse wenigstens zu suchen.

    Interessant die Idee, Schöpfung und Apokalypse umzudeuten. Als eine Schöpfung, die jeden Tag neu stattfindet, und eine Apokalypse ebenso im Kleinen als kleine persönliche Erlösung zu suchen.

    Und Hoffen zu dürfen, wie auch nicht wissen zu müssen, sollte uns erlaubt sein.

    Und doch sehe ich Spiritualität nicht nur als hoffenden Glauben, sondern auch als handfeste Vermutung wie auch als persönliche Kenntnis durch persönliche spirituelle Erfahrung.

    Welche m.E. womöglich zukünftig sogar einen Weg in die Wissenschaft finden könnte. So weit sind wir allerdings in der Tat noch nicht.

    Uns aber Zeit mit dem Leben zu lassen, und nicht ständig nur auf immer mehr Umsatz hin zu arbeiten, das dürfte durchaus auch noch mal ein Gebot unserer Zeit zu sein.

    Gerade auch in der Auseinandersetzung mit Dualisten in Russland, die offenbar militärische Anstrengungen erfordern. Gerade auch, weil andere Dualisten in den USA möglicherweise aus der Nato aussteigen werden, und wir für unsere Verteidigung dann alleine sorgen müssen.

    Ebenso brauchen wir offenbar auch eine konsequente Energiewende, aus ökologischen wie aus politischen Gründen. Auch das fällt deutlich leichter, wenn wir unsere eigene Verschwendung abbauen, und uns stattdessen vielleicht auch mehr um das wirkliche Leben um uns herum kümmern.

    • Vielen lieben Dank, @Tobias Jeckenburger!

      Ich werde Ihren konstruktiven Druko gerne noch mehrfach lesen – wollte Ihnen aber auch einfach zurufen, dass ich Ihre Erweiterung von „hoffendem Glauben“ um „handfeste Vermutung“ (HAND-feste Ver-MUT-ung!) so stark finde, dass ich sie gerne für die Zukunft aufgreifen werde!

      Vielen lieben Dank für Ihr so engagiertes und zugleich ernsthaftes Mit-Bloggen! 🙏📚✅

  7. @Mussi 28.03. 17:51 / 19:05

    „Was sehen Sie als Konsequenz aus dem ‘Naturalistischen Fehlschluss’?“

    Nicht alles was natürlich ist, ist nicht immer gleich das Richtige? Insbesondere Geisteswirkungen sind denn wohl eher Ausnahmen, wenn die Dinge eben nicht immer einen günstigen Verlauf nehmen, wenn alles wie gewohnt abläuft.

    Das gilt aber auch für die menschliche Vernunft. Die ist eben durchaus fähig, spezielle Situationen zu erkennen, wo man den natürlichen Verlauf lieber unterlässt, um was Überlegteres zu tun.

    „Ich leg mal vor: ist der ‘Infinite Regress’, die Rekursion und die Ambivalenz naturalistisch?“

    Rekursion ist offenbar Bestandteil unseres Bewusstseins, wenn auch kein endloser. Sicher von Natur aus. Auch hier muss man immer gucken, was konkret dabei herauskommt, und sehen, was Vernünftiges zu finden. Ambivalenz gehört auch dazu, oft genug sind die Situationen vielschichtig.

    Hier mögen Geisteswelten uns unterstützen, aber unser eigenes Vermögen Probleme zu lösen bleibt dennoch immer wohl als Erstes gefragt. In praktischen Fragen, aber wohl auch in Glaubensfragen. Insbesondere wenn das wirklich alles nicht reicht, dann können Spiritualität und vielleicht sogar Religion weiterhelfen.

    So haben wir eine durchaus ständig aktive Schöpfung, die uns unterstützt wo es nötig und praktikabel ist, und am Ende auch eine persönliche Erlösung, in der wir unseren Frieden mit uns selber finden können. Die Welt darf darüber hinaus gerne weiterleben, auf diesem wunderbaren Planeten noch gerne mindestens 500 Millionen Jahre.

    Wie lange der Mensch dabei ist, ist eine andere Frage. Wirklich auszurotten sind wir wohl beim besten Willen nicht, wir sind einfach viel zu flexibel dazu. Aber wir werden vermutlich die Kurve kriegen, die Ökosysteme in einem brauchbaren Zustand zu belassen.

    Für die fernere Zukunft ist womöglich eine Diversifizierung unserer Spezies denkbar, auf Skalen von Millionen Jahren. Von mir aus sogar ein Ableger, der auf den Aufenthalt in Raumstationen und Raumschiffen ausgelegt ist. Hier könnte sogar Gentechnik sinnvoll werden.

  8. @ Jeckenburger

    Ich würde Prinzipien, die wir nicht linear begründen können, trotzdem auch eher der Natur zuschreiben. Sie sind Teil dessen,oder?

    • Mussi,
      “Ich würde Prinzipien, die wir nicht linear begründen können”
      Prinzipien lassen sich nicht begründen, sie sind der Ausgangangspunkt.
      principium (lat) = Ausgangspunkt.

      Was “Gut” und “Böse” betrifft, die sind keine Prinzipien, die sind ein Ergebnis von Sprache. Durch Abstraktion schaffen wir die Adjektive gut und böse.
      Durch Substantivierung machen wir aus den Adjektiven dann Substantive und glauben dann, dass es Gut und Böse real gibt.

      Anmerkung: Auf Abstraktion und Substantivierung beruht die Philosophie. Einfach denkende Menschen
      schätzen deshalb die Philosophie gering. Die lehnen Substantivierungen ab.

  9. KRichard
    29.03.2024, 05:27 Uhr

    – dass die Gegenwart keine Dauer hat – nicht die Geringste – obwohl sich alle Veränderungen in der Gegenwart abspielen.

    Dieses Beispiel zeigt, dass Augustinus mit seinen Überlegungen schon vor 1600 Jahren die Idee von der 4D-Raumzeit widerlegt hat.

    Dass die Gagenwart keine Dauer hat, ist völlig uninteressant, wenn es darum geht, vorher zu sagen, wann massereiche Doppelsterne miteinander verschmelzen. Derartige Aussagen kann man doch nur als korrektes und nichtssagendes blabla bezeichnen.
    Mit Hilfe der Raumzeit kann man aber die Annäherung der Doppelsterne genau berechnen.
    Vergessen sie Augustinus. Der hat gar nichts widerlegt.

    • Mussi,
      jetzt wird es interessant, wenn wir uns von den „Kopfgeburten“ nicht mehr einengen lassen.

      Es gibt ja Menschen, die keine Sprache haben. Die Taubstummen.
      Und die zeigen, dass es auch ohne Sprache und Begriffe zu leben lohnt.
      Also, wir nehmen unsere Umwelt nicht nur über Sprache wahr , sondern auch über Gefühle..
      Und das wichtigste Gefühl ist die Liebe.
      Ohne Liebe kann man nicht leben. Kleinkinder mit Liebesentzug leiden und sterben sogar.
      Also, wenn wir bei dem Begriff „Prinzip“ bleiben, dann wäre das höchste Prinzip „Liebe“, weil es ohne Liebe nicht geht.

      Was es zur Liebe zu sagen gibt : Sie erträgt alles, / glaubt alles, / hofft alles, / hält allem stand.

      Mit diesem Vorwissen können wir uns an Gut und Böse wagen.

  10. @Mussi 29.03. 06:23

    „Ich würde Prinzipien, die wir nicht linear begründen können, trotzdem auch eher der Natur zuschreiben.„

    Jetzt wird es eventuell missverständlich. Einmal kann man Natur und Kultur als Gegensätze konstruieren. Das eine passiert von selber, das andere fügt der Mensch hinzu.

    Und dann kann man Naturalismus als Ausschluss von Geisteswelten definieren, oder eben nicht, und Geisteswelten der Wirklichkeit zuordnen. Der eine glaubt dann, dass absolut alles mit rechten Dingen zugeht, der andere sieht hier Geisteswirkungen, mehr oder weniger konkret, aber definitiv im Bereich des Möglichen.

    Insbesondere wenn es um die Natur der eigenen psychologischen Existenz geht, werden dann Geisteswelten akut relevant. Und gleichzeitig bekommt hier ein Reduktionismus Schwierigkeiten mit der Wirklichkeit. Die Evidenz der inneren Erlebniswelten ist reduktionistisch schwierig zu erklären.

    Entsprechend kann man Geisteswelten und Geisteswirkungen durchaus als der Natur zugehörig sehen, und uns selbst mitsamt psychologischer Existenz als Teil der Natur einordnen.

    @Nicker 29.03. 09:12

    „Anmerkung: Auf Abstraktion und Substantivierung beruht die Philosophie. Einfach denkende Menschen schätzen deshalb die Philosophie gering. Die lehnen Substantivierungen ab.“

    Was ihnen allerdings in keinster Weise weiterhilft. Unser Denken ist speziell, ja. Aber wir haben nichts Besseres, um die Welt und uns selbst zu verstehen. Zumindest, solange man die Mathematik als Fortsetzung des Denkens einordnet, und in der Folge auch Computersimulationen als noch weitere Fortsetzung unseres Denkens betrachtet.

    Je mächtiger allerdings KI wird, desto eher macht sie sich immer mehr selbstständig, und geht über uns hinaus. Wenn sie auch immer in uns ihre Grundlage hat.

    Wie weit die KI dabei noch kommt, ist eine sehr spannende Frage. Am Ende versteht sie wirklich die Welt, und wir können es noch nicht mal nachvollziehen.

    • Tobias Jeckenburger,
      Die Künstliche Intelligenz kommt zur rechten Zeit. Sie weiß alles aber sie versteht nichts.
      Es geht hier ja um die Natur des Bösen. Damit ist gemeint, was wir tun und lassen sollen ist nicht beliebig. Das Falsche (Böse ) hat fatale Folgen.
      Das wird schon in der Genesis ausführlich beschrieben und als Ursache allen Übels angesehen.

      Vom Baum der Erkenntnis ( des Guten und des Bösen)
      Von ihm sagt Gott, wer von diesem Baum ißt, wird des Todes sterben.
      Gott verbietet Adam und Eva von diesem Baum zu essen. Sie tun es dennoch.

      Einfache Erklärung der Juden
      „Erkennen“ bedeutet bei den Juden auch Geschlechtsverkehr.
      Das Verbot von einer Frucht des Baumes der Erkenntnis zu essen in der Genesis, könnte sich auf einen Baum beziehen, dessen Früchte erotisierende Wirkung gehabt haben. Dieser Baum ist wahrscheinlich ausgestorben wie das Solphium des Altertums, dem heilende Wirkung zugesprochen wurde.
      Und da malus = böse aber auch = Apfel in der Bibelübersetzung bedeutet, wurde aus dem Baum der Erkenntnis der Apfelbaum.

      Etwas tiefer gehendere Erklärung.
      Das Verbot vom Baum der Erkenntnis zu essen kann man als Tabu beetrachten.
      Wer ein Tabu bricht, der spielt mit dem Tode. Wahrscheinlich gab es schon im Altertum Wissen über Inzucht und dessen Folgen. Und Erkennen mit Tabubruch , gemeint ist Inzucht, hat fatale Folgen für die Kinder und Kindeskinder. Das Böse ist dann das Falsche.

      Christliche Erklärung.
      Der Begriff der Erb-Sünde beinhaltet das Wort „Sund“. Ein Sund ist ein Graben zwischen zwei Landteilen, die vom Wasser getrennt werden.
      Die Sünde ist der Graben, die der Mensch von Gott trennt.
      Adam und Eva haben das Verbot vom Baum der Erkenntnis zu essen bewusst missachtet und dabei
      einen Graben zu Gott gegraben. Das Böse ist jetzt das Getrenntsein von Gott.

      • @Nicker

        Religionsgeschichtlich viel näherliegender als die post-freudianischen Sexualprojektionen überspannter Städter zur Thora scheinen mir die archäologischen und evolutionspsychologischen Herleitungen der Paradiesmythen zu sein. Lesenswert immer noch:

        Van Schaik, Carel & Michel, Kai (2017): Tagebuch der Menschheit. Was die Bibel über unsere Evolution verrät. rowohlt

        Eine Podcast- und Blogtext-Folge dazu hier:

        https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/adam-und-eva-waren-vegetarier-ueber-juedische-tierethik-und-massentierhaltung/

        Beste Grüße, schöne Feiertage!

      • @Nicker
        Unter ´Paradeisos´ kann man bei Wikipedia eine interessante Information finden: dieser Begriff beschrieb einen umgrenzten Bereich, einen Garten bzw. einen Jagdpark von persischen Königen.

        Dass es begrenzte Gebiete gab, in denen man als normaler Mensch bestimmte Sachen nicht tun darf – findet man auch in Europa noch bis ins Mittelalter. z.B. im englischen Sherwood Forest, wo das Jagdrecht dem König vorbehalten war.
        (Der Name ´Forest´ steht dabei nicht für ´Wald´, sondern weist auf ein Waldgebiet mit besonderen Rechtsverhältnisse hin.)

  11. @Nicker 29.03. 13:54

    „Was es zur Liebe zu sagen gibt : Sie erträgt alles, / glaubt alles, / hofft alles, / hält allem stand.“

    Was ist die Liebe? Eine Kombination von Verantwortung und Zuneigung?

    • @Nicker @Jeckenburger

      Selbstverständlich ist auch das wunderschöne, paulinische Hohelied der Liebe (mit einer Vielzahl eindrucksvoller Substantivierungen) in einem religiösen & historischen Kontext entstanden. Paulus ist dem spät-pharisäischen und früh-rabbinischen Judentum zuzurechnen und wird so auch von christlicher Seite her immer besser verstanden, vgl.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/christlich-juedischer-wurzelstoff-paulus-jude-mit-mission-von-guido-baltes/

      Von diesen judenchristlichen Wurzeln hatte sich dann Augustinus schon weit entfernt. Manche meinen, mit Manichäismus & Platonismus allzu weit.

      • Michael Blume,
        Mani und Augustinus hatten keine Vorstellung von einer Evolution auf der Erde.
        Sie sind also von einem Monismus noch meilenweit entfernt.

        Es geht darum, den Dualismus als ein Produkt der Sprache zu erkennen. Ein Begriff und sein Gegenteil ist halt leichter zu verstehen .
        Nach meiner Meinung lehnen Wissenschaftler die Religionen ab, weil die mit mit begrifflichen Gegensatzpaaren argumentieren.
        Und weil eben die Bibel selbst Gegensatzpaare verwendet, besser formuliert, die Verfasser der Bibel mit Gegensatzpaaren formulieren, zementiert sie den Dualismus.

        Zu Ihrem letzten Satz. : Ich bin auch der Meinung, dass die Kirche als Institution sich zu weit weg vom Urchristentum entfernt hat.
        Die heilige Allianz von Kirche und Staat hat sich für das Christentum verhängnisvoll ausgewirkt. Kirchensteuer und Eintrittsgeld bei manchen Kirchen die Umwandlung von Kirchengebäuden in Hotels oder Wohnungen das hat Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit.
        Wir waren gestern noch in Seeland /Niederlande und haben mit den “Betreibern” einer Kirche gesprochen. Sie verwenden den Kirchenraum auch für weltliche Veranstaltungen.

        • Danke, @Nicker – ich weiß Ihre Überlegungen zu schätzen. Doch Sie spannen eben auch selbst einen Dualismus zwischen „Wissenschaftlern“ und „die Religionen“ auf, der den komplexen Wechselwirkungen der Kultur- und Geistesgeschichte nicht gerecht wird.

          Nur wenige Anregungen zum Weiterdenken:

          – Der Taoismus hat sich sehr früh mit der Frage von monistischen Zusammenhängen befasst, etwa in der dualen und ausdrücklich nicht (!) dualistischen Ying-Yang-Symbolik.

          – Nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch die Römer um 70 n. Chr. unterzogen die frühen Rabbiner den theologischen und politischen Dualismus einer scharfen Kritik, die bis heute etwa auch in den Werken von Rabbi Sacks nachwirkt.

          Zu beidem ausführlicher gerne hier:

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/dualitaet-statt-dualismus-rabbi-jesus-und-der-moses-noah-bund/

          – Der Entdecker der Evolutionstheorie, Charles Darwin, hatte in seinem ganzen Leben nur ein Studium absolviert: jenes der christlich-anglikanischen Theologie. Auch dazu gerne ausführlicher hier:

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-evolution-bringt-auch-religion-hervor-das-wusste-auch-charles-darwin-audioblog-folge-8/

          Ich stimme Ihnen zu, dass echter Dialog eine kulturelle Leistung ist, an der es immer wieder mangelte. Zum Erfolg führt nach meiner Erfahrung jedoch vor allem das ehrliche Interesse, mit dem wir immer wieder über Halbwissen hinauswachsen können.

          Mit den besten Wünschen für besinnliche und gute Feiertage!

        • @KRichard, vielen Dank für’s Teilen dieser Gedanken. Ich muss wieder in den ‘Bekenntnissen’ lesen, das sehe ich.
          Dass physikalische Zeitvorstellung und Zeiterleben als zwei verschiedene Phänomene betrachtet werden, finde ich spannend.
          Letztlich sagt die physikalische Zeitvorstellung ja nichts über die (“Qualität” der) Zeitwahrnehmung aus. Für die Physiker ist Zeit eine der wenigen Grundeinheiten, auf die sie die ganze Welt herunterbrechen und so begreifbar zu machen versuchen.
          Ein Dilemma, denn unser Erkenntnisapparat ist ja auch Teil dieser Welt.
          Mit der Einheit Zeit versucht man zu fassen, dass etwas geschieht, sich verändert. Auch wenn die Gegenwart keine Dauer hat, so kann man ja nicht abstreiten, dass etwas geschieht.  “Zeitreisen” in die Zukunft funktionieren nur insofern für den Zeitreisenden die Zeit relativ schneller vergehen kann. Aber vielleicht habe ich die von Ihnen vorgestellten Gedanken noch nicht ganz weit genug gedacht. Ihnen schöne und friedvolle Ostertage!

  12. Michael Blume,
    Ein besinnliches Osterfest.

    Gutsche, Richard,

    das englische Wort tide drückt am besten aus, was unter Zeit zu verstehen ist,, das “Wiederkehrende”-
    Ihr Wesen ist nicht die Länge und ob man sie subjektiv betrachtet oder objektiv, das Wesentliche ist, dass sie/es wiederkehrt, immer wiederkehrt, immer wiederkehrt.

  13. Ob man Augustinus’ Privationstheorie des Bösen nach Auschwitz wirklich noch vertreten kann?

    Vielleicht muss man zumindest für den Raum menschlicher Entscheidungen doch manichäischer denken und dem Menschen manichäische Potenz zugestehen?

    • Ja, @Joseph Kuhn – Augustinus konnte die Weltkriege und Genozide, auch die ABC-Waffen des 20. Jahrhunderts noch nicht erahnen. Wie er unsere globale Verbrennung fossiler Rohstoffe zur Finanzierung von autokratischen Ressourcenfluch-Staaten und zur Aufheizung unserer Mitwelt gedeutet hätte?

      Ich meine, die Trias aus egozentrischem Relativismus (annähernd „neutral“), dialogischem Monismus (annähernd „gut“) und feindseligem Dualismus (annähernd „böse“) erklärt die Dynamiken sehr viel besser. Habe mir für das Wochenende aber auch „Unter Wahnsinnigen. Warum wir das Böse brauchen“ von Florian Schroeder zugelegt. Und überlege, in Zukunft einmal zur „Banalität des Bösen“ von Hannah Arendt zu bloggen, das in obigem Band ebenfalls enthalten ist. Das Interesse am Thema ist ja doch erfreulich rege.

  14. @Michael 29.03. 20:55

    „Augustinus konnte die Weltkriege und Genozide, auch die ABC-Waffen des 20. Jahrhunderts noch nicht erahnen.“

    In modernen Zeiten nehmen durchaus auch die Möglichkeiten zu, sich gegenseitig umzubringen. Um so mehr lohnt es sich, ein friedliches Zusammenleben zu suchen. Und gleichzeitig steigen auch die Kommunikationsmöglichkeiten, insbesondere in Demokratien.

    Gerade die freie Kommunikation in den Demokratien sorgte wohl vermutlich auch dafür, dass funktionierende Demokratien noch nie Krieg gegeneinander geführt haben.

    Wenn nur der wirkliche Horizont schon den Anderen einschließt, ist schon eine Menge gewonnen.

    Derweil Wissenschaft und Technik ziemlich viel Erweiterung des Horizontes leisten konnte. Genau deswegen greifen ja auch dualistische Verschwörungsmythen meistens auch ganz gezielt die Wissenschaft an.

    Ein aktives Böses kann ich durchaus nicht erkennen, nur Dominanz und Rücksichtslosigkeit. Und dies ist auch nicht immer Böse. Dominanz kann auch hierarchische Strukturen schaffen, die am Ende produktiv sein können, und man kann auch nicht auf jeden Rücksicht nehmen, und muss auch mal Grenzen setzen, und sein eigenes Ding durchziehen. Hier sind dann die maßlosen Exzesse von Dominanz und Rücksichtslosigkeit die eigentlichen Treiber des Bösen.

    Der Horizont, auch als Folge von Bildung, mag wirklich wichtig sein. Und auch hier kann KI wohl sehr hilfreich werden. Wenn sich die Leute endlich mal auf die Suche nach Erkenntnis machen, und eigenes Recherchieren immer einfacher und effektiver ist, müsste sich das auch direkt auf die Horizonte der einzelnen Menschen auswirken.

    Je weiter der Horizont, je weiter die Bereitschaft zum Gemeinsinn und je realistischer die Einschätzung der Anderen, desto weiter kann dann wohl auch der Monismus reichen. Was nicht heißen muss, dass der Monismus nicht wehrhaft sein kann und sein muss.

    Die Tätigkeit von Streitkräften sind freilich durchaus immer Exzesse von Dominanz und Rücksichtslosigkeit, aber wir kommen da offenbar noch nicht ganz dran vorbei. Da wir aber durchaus reich genug sind, dass wir so viel Aufrüsten können, dass niemand es wagt uns anzugreifen, gibt es hier durchaus Chancen, mit ziemlich wenig Krieg auszukommen.

    • Danke, @Tobias Jeckenburger

      Ich denke, dass gerade auch Augustinus gezeigt hat, wie zugleich erhaben und anfällig der platonische Monismus und entsprechende Monotheismus sein können. Auch noch etwa Ernst Haeckel wird an zuviel autoritärem Anspruch mit seinem säkularen „Monistenbund“ scheitern. Die Welt will dialogisch erkundet, aber nicht patriarchal be-herr-scht werden.

      Daher lautet mein Plädoyer für den dialogischen Monismus nach Buber und Popper, der sich im Dialog mit den Mitmenschen, der Transzendenz und der Wissenschaft immer wieder riskiert und erneuert. Vgl. genau dazu:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/der-deutschsprachige-monismus-nach-ernst-haeckel-martin-buber-und-karl-popper/

      Auch schon der große Dialog- und Friedensarbeiter Martin Buber wurde dabei durch das NS-Regime und judenfeindliche Araber in Palästina & Israel auf die Frage der Wehrhaftigkeit von Demokratien geworfen. Er beantwortete diese im Briefwechsel mit dem Mahatma Gandhi positiv: Es bestehe ein Recht, gar eine Pflicht zur Selbstverteidigung.

      Das sich selbst gewaltlos den deutschen und arabischen Angreifern hingebende Selbstopfer, dass der Inder den Jüdinnen und Juden abverlangte, erschien Buber falsch, ja feige. Und ich meine, auch hier hatte er Recht.

  15. Die im einführenden Blogbeitrag vorgestellte Problematik empfinde ich als sehr seltsam – um es höflich auszudrücken.

    Normalerweise sollten Kinder so erzogen werden, dass sie in der Lage sind gute Entscheidungen zu treffen, wenn sie erwachsen sind – wofür sie auch die volle Verantwortung selbst übernehmen müssen.

    Wenn man als erwachsene Person Entscheidungen trifft und dann aber die Verantwortung dafür dem Bischof Augustinus und seinen Ideen zuweist – dann scheint in der Erziehung dieser Leute etwas gründlich falsch gelaufen zu sein.

    Bischof Augustinus ist vor 1584 Jahren gestorben. Man sollte ihn daher nicht als Sündenbock für Entscheidungen verwenden, die er nicht selbst getroffen hat.

    • Lieber @KRichard,

      kein Problem, wirklich. Schon in Ihren bisherigen Drukos unter diesem Blogpost haben Sie verdeutlicht, dass Sie das Thema hier und auch den vorgestellten Text des Augustinus nicht verstanden haben. Das macht nichts, geht uns allen manchmal so. Es wirft Ihnen auch niemand vor. Wenn Sie eine konstruktive Frage hätten, gerne. Sonst auch gerne wieder zu anderen Themen.

      Beste Grüße, schöne Feiertage!

  16. @Michael 30.03. 05:53

    „..der sich im Dialog mit den Mitmenschen, der Transzendenz und der Wissenschaft immer wieder riskiert und erneuert.“

    Wir haben hier einen Welterfahrungspluralismus, den wir nicht loswerden, und den man einbeziehen muss. Und auch die Wissenschaft ist nicht am Ende ihrer Arbeit, da kommt immer wieder noch mal Neues nach. Entsprechend ist der lebendige Dialog grundlegend.

    „Es bestehe ein Recht, gar eine Pflicht zur Selbstverteidigung.“

    Auch im Strafrecht gibt es das Recht zur Notwehr. Aber eben auch die dennoch verbotene Überschreitung der Notwehr. Unbestritten hat also die Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung, welches klar die Zurückeroberung der verlorenen Gebiete einschließt. Ob dieses die Mühe wert ist, ist eine andere Frage.

    Keine Frage wäre m.E., dass man weitergeht, und Russland von der Putindiktatur befreit, um wirklich sicher zu stellen, dass Putin nicht noch mal angreift. Das wäre m.E. durchaus eine Überschreitung der Notwehr.

    Ähnliches sieht man im aktuellen Israelkonflikt. Offenbar versucht man hier, den tätigen Antisemitismus gewaltsam aus der Welt zu schaffen. Dass das nicht gelingen kann, dürfte eigentlich klar sein. Angesichts der zahlreichen Antisemiten in der gesamten muslimischen Welt steht man hier außerdem einer ziemlichen Übermacht gegenüber.

    Auf 7 Millionen Israelis kommen dann schätzungsweise 700 Millionen Muslime. Die sind zwar nicht alle Antisemiten, aber jede Mengen davon.

    Letztlich muss sich Israel wehren, aber es empfiehlt sich hier dennoch, Maß zu halten und mittel- und langfristig auch die eigenen Ressourcen zu schonen.

    Hat man in Israel überhaupt einen Plan, wie man dauerhaft überleben kann? Ein Ende der fossilen Ära wäre eine Perspektive, ja. Die Araber müssten eine produktive Wirtschaft hinbekommen, dann brauchen sie die Juden nicht mehr als Sündenbock.

    • Ja, @Tobias Jeckenburger – einfach ja. Sowohl gegenüber dem fossilen Aggressor #Russland wie auch der Terrorgruppe #Hamas & ihrer Finanziers in #Katar & #Iran warne ich vor der Strategie des Erschöpfungskrieges (nach Herfried Münkler): Indem wir die Angreifer täglich fossil finanzieren riskieren wir die längerfristige Niederlage der ukrainischen und israelischen Demokratien.

      Habe das in vielen Veranstaltungen & auch in „Nahost neu denken“ für die RWTH Aachen ausgeführt:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/files/2024-01-25-Blume_Aachen_Nahostneudenken.pdf

      Allerdings sind wir von solchem interdisziplinären Denken leider noch weit entfernt: Bei den heutigen Ostermärschen der sog. Friedensbewegung dürfte kaum kritisiert werden, dass unser deutscher Benzinverbrauch sogar weiter steigt!

      https://www.n-tv.de/wirtschaft/Deutsche-Autofahrer-verbrauchen-immer-mehr-Benzin-article24840651.html

      Dabei gilt leider in sehr direktem Sinne: Wer heute noch einen dicken Verbrenner kauft, finanziert damit Putin, Hamas, Huthi & Co. ein Maschinengewehr samt Munition gegen die Ukraine 🇺🇦, gegen Israel 🇮🇱 und sogar gegen die „Hessen“ 🇩🇪🇪🇺…

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