OpenReli 2020: Fördern Religiosität, Religionen ethisches Handeln?

Seit einigen Jahren wirke ich jährlich mit Freude an den digitalen OpenReli-Seminaren der KPH Wien mit Reinhard Weber und Jörg Lohrer mit – zum Beispiel 2016 zu Religion& Hirnforschung oder 2017 zur angeblichen “Islamisierung”. Obwohl ich die Aufnahme für 2020 zu Religion & Ethik (hier als rpi-virtuell-Podcast) wegen einer Einladung zu einer Rede nach Cambridge, UK, vorher aufnehmen musste, warnte ich auch in dieser Ausgabe vor den Gefahren des Verschwörungsglaubens.

Leider ganz aktuell zeigt sich dies beim rassistisch-säkularen Mörder von Hanau wie auch bei der südkoreanischen Shincheonji-Kirche, die schulmedizinische Behandlungen als “Werk des Teufels” verwirft, im chinesischen Wuhan eine Gemeinde betrieb und durch ihre Verschwörungsmythen die Ausbreitung des Coronavirus Covid-19 befördert.

Die Frage, wie – und durch wen – wir unseren Geist mythologisch möblieren, wird also für unser individuelles und gesellschaftliches Wohlergehen immer wichtiger.

Hier also die ausführliche, kundige Befragung durch Reinhard und Jörg zum Thema Religion und Ethik für OpenReli 2020:

Das Openreli-Seminar 2020 haben wir für Podcast & YouTube aufgenommen.

Im Seminarchat war es auch möglich, Fragen zu stellen, auf die ich hier gerne eingehe. Und selbstverständlich sind über die Blog-Kommentarfunktion weitere Nachfragen und ggf. vertiefte Diskussionen möglich.

Hier also die Fragen, mit den Vortrags-Zeitpunkten:

Minute 20:12 Von Philipp : Zivilreligionen – wie Religion an sich – brauchen große Mythen, die Autorität bestätigen?
 
Ja, auch Zivilreligionen müssen durch Mythen und Symbole erklärt sowie durch Rituale immer wieder erinnert und erfahrbar gemacht werden. Dies gilt für politisch-säkulare Bewegungen – denken wir an die jährlichen Luxemburg-Liebknecht-Gedenkmärsche in Berlin – wie auch für ganze Staaten und supranationale Institutionen. So wird zum Beispiel derzeit in der Ukraine ein Umbau von einer nationalistischen zu einer liberal-pluralistischen Erinnerungskultur vorangetrieben.
 
Minute 23:25 Von  olav richter : Spannend wäre zu fragen, woran sich die Zivilreligionen orientieren. Und was ein Korrektiv sein kann, wenn die Zivilreligion falsch liegt.
 
Zivilreligionen werden im Bereich der Politik organisiert – und zwar von allen Akteuren, die sich auf politische Grundlagen berufen. Das werden regelmäßig geschichtsbewusste Politikerinnen und Politiker sowie politische Parteien und Stiftungen sein, aber ebenso Medien, Religionsgemeinschaften und Kultureinrichtungen wie Museen und Theater, schließlich Künstlerinnen, Bürgerinitiativen und Vereine. Und wie auch die offiziellen Lehren von Religionsgemeinschaften immer wieder mit liberalen, konservativen und extremen Auslegungen konfrontiert werden, so werden auch Zivilreligionen immer wieder neu “erstritten”. Man denke aktuell an Versuche in Deutschland, statt dem republikanischen wieder ein “völkisches” Staatsverständnis zu etablieren, oder an die Entfernung konföderiert-rassistischer Statuen in den USA. Auch für Zivilreligionen gilt: Solange sie lebendig sind, bleiben sie vielfältig und umstritten.
 
Minute 29:08 Von  Reinhard Weber : Also etablierte Religion, wenn es eng wird und sonst selbstgeschnitzte Spiritualität?
 
Ja, so kann man es zuspitzen. “Not lehrt beten” und in Zeiten existentieller Unsicherheit suchen mehr Menschen nach religiösem Halt, nach Gemeinschaft. Allerdings muss das keine “etablierte” Form sein, in Krisenzeiten entstehen auch immer wieder neue und extreme, religiöse Formen. Nehmen wir als Beispiel die Geißler-Flagellaten als Folge von Pestpandemien.
 
Phasen existentieller Sicherheit begünstigen dagegen Trends zu mehr Individualität, persönlicher Spiritualität und Säkularisierung. Damit zerfallen aber nicht nur Gemeinschaften, sondern auch Familien. Gerade wenn man – wie ich ihre Ethiken für sehr überzeugend hält, kann man bedauern, dass säkular-humanistische Bewegungen immer wieder mangels Organisationskraft und vor allem mangels Nachwuchs verebben.
 
Minute 40:37 Von  Claudia Prinoth : Transhumanismus / Transreligiösität?
 
Ja, Veränderungen des Menschseins – etwa durch neue Medien, technologische Erweiterungen und Implantate – wirken immer wieder und in kaum voraussagbarer Weise auf Religiosität und religiöse Mythologien auf. So hätte es beispielsweise ohne die Einführung von Papier weder die arabische noch die europäische Renaissance gegeben – die das damalige Verständnis des Menschen verwandelte und transzendierte.
 
Minute 50:45 Von  Philipp : Raus aus der Blase. Freiwillig, oder mit Zwang? (Wieder ein Prisoners Dilemma)
 
Das gezielte Ausbrechen aus den eigenen Lebens- und Medienblasen halte ich für ein immer wichtigeres Bildungsziel. Allerdings gilt für Bildende natürlich auch der Respekt vor der Würde des Auszubildenden, mithin das Überwältigungsverbot. Daher würde ich darauf bestehen wollen, “dass” Ausbrüche aus Blasen angeboten werden, aber den Betreffenden die Möglichkeit geben, über das Wohin mitzuentscheiden bzw. Wahlmöglichkeiten schaffen.
 
Vielen Dank für die guten Fragen, ich freue mich auf die Fortführung des auch digitalen Dialoges mit OpenReli! 🙂
 
Hier die Aufzeichnung mit Slides vom OpenReli-Seminar 2017 zu “Datentrends Religionen”

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

23 Kommentare

  1. Provokativ gefragt, ist ein religiöser Mensch ein besserer Mensch ?

    Statt ethisch verwenden wir jetzt das Wort Moral und die ist ein Wertesystem, das in einem bestimmten Kulturkreis gilt.
    Der Mensch in einer Gruppe lebt im Spannungsfeld von Eigennutzen und sozialer Verpflichtung. Aus diesem Spannungsfeld kommt man nicht heraus, außer, man wird Einsiedler.

    Und, das weiß jeder Mensch der Kinder hat, die Charaktereigenschaften der Kinder sind großteils angeboren. Der kleinere Teil ist anerzogen.

    Und zur Sozialisation gehört auch die Religion, die ist in den meisten Ländern Teil der Kultur.

    Und jetzt können wir schon Vergleiche anstellen. Ist in Gesellschaften ohne Religion die Moral besser als in Gesellschaften mit Religion ?

    Sie merken schon, ich versuche nicht das Problem sprachlich logisch anzugehen, sondern praktische Vergleiche zu machen.

    Soviel genügt erstmal.

    • Danke, @Wied(bote).

      In obigem Online-Seminar und auch bereits vor Jahren hier auf dem Blog schrieb ich ja bereits dazu, warum religiöse Menschen eben „nicht“ bessere Menschen sind. Die religiöse Vergemeinschaftung ist ja zunächst gar nicht ethisch gerichtet, mit ihr lassen sich Schulen und Krankenhäuser ebenso betreiben wie Kreuzzüge oder Terrorgruppen. Vgl.
      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/homo-religiosus-vs-homo-oeconomicus/

      Insofern lautet die ethische Frage m.E. weniger, ob jemand religiös sei, sondern ob Religiosität und Vernunft verbunden werden konnten…

  2. Im Verhältnis Religionsgemeinschaft und Staat beobachtet man häufig, dass Religiöse ethisch fragwürdige Personen und Regierungssysteme unterstützen, einfach weil die Politik für die Religionsgemeinschaft vermeintliche Vorteile bringt, auch wenn sie nach allgemein ethischen Grunsätzen beurteilt, unethisch ist. Beispiel: die Mehrheit der Evangelikalen unterstützt Trump trotz Mauerbau, Verunglimpfung von Mexikanern, Lügen und eigennützigem Verhalten. Grund: Trump bremst die Liberalisierung, Säkularisierung der US-Gesellschaft und beruft konservative Richter in den Supreme Court.
    Auch die katholische Kirche in Spanien stand weitgehend hinter Francho.
    Ähnliches gilt für den Islam und den Hinduismus wo etwa Narendra Modi Indien als Land der Hindu und nicht als Land aller Inder unabhängig von der Ethnie definiert.

    • Ja, so ist es, @Martin Holzherr: Religionsgemeinschaften mit autoritärer, intoleranter Gesinnung werden sich regelmäßig mit entsprechenden politischen Bewegungen und Regierungen verbünden, während umgekehrt liberale Gemeinschaften z.B. gegen die Sklaverei gekämpft haben oder derzeit die Seenotrettung im Mittelmeer unterstützen. Auch deswegen sollten auch säkulare Menschen mindestens Grundkenntnisse in Religionsgeschichte und Religionswissenschaft haben – es geht bei Religionen schließlich um die einflussreichsten Bewegungen, die Menschen je begründet haben. Und nicht nur im Islam bricht derzeit vor allem die religiöse Mitte kulturell und demografisch ein, was keine gute Nachricht ist…
      https://m.youtube.com/watch?v=aCgN5dsls0M

  3. @Michael Blume

    beim rassistisch-säkularen Mörder von Hanau

    Glauben Sie ernsthaft, dass jemand, der in einem Bekenntnisvideo kurz vor dem Attentat davon spricht, dass finstere Gestalten in geheimen Militärbasen den Teufel anbeten würden, in einer säkularen Geisteswelt unterwegs war? Oder welche Belege haben Sie sonst, dass Sie dem Attentäter Rathjen dieses Etikett aufkleben?

    • Danke, @Spritkopf – da bin ich ganz bei Ihnen. Wenn der mutmaßliche Attentäter seine Überzeugungen auch als „faktisch“ propagiert und statt von Dämonen und Teufeln von Geheimdiensten gesprochen hat – so baute auch seine Weltanschauung doch auf letztlich überempirischen Wahnwelten auf. Dass der Verschwörungsglauben auch im vermeintlich säkularen Gewand auf dem Feld der Religion(en) zu verstehen und ggf. zu überwinden ist, schrieb ich bereits vor Jahren hier:
      https://www.spektrum.de/kolumne/meinung-verschwoerungsglaube-ist-ein-religioeses-problem/1418857

  4. Religionen fördern in der Tat ethisches Handeln. Besonders ist dies dann der Fall, wenn ein Mensch in der Lage ist, mystische Erfahrungen zu machen. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).

    • Ist es wirklich so einfach, @Christ343? Wie bewerten Sie beispielsweise das religiös-mystische Glaubensgebäude der später terroristischen Aum Shinrikyo? Oder das kurzlebige, christlich-messianische „Täuferreich von Münster“? 🤔

      Ich denke, dass Religiosität und Spiritualität immer auch kritisch aufgeklärt werden müssen, damit sie ihre auch positiven Potentiale entfalten können. „Glaubt mir, weil ich habe die Wahrheit!“ ist mir auch als Christ zu wenig… 🤷‍♂️📚✅

  5. Michael Blume, Ihr stichwort mit der Vernunft ist gut.
    die Vernunft aus der Religion zu extrahieren, das ist ein pragmatischer Ansatz. Vorallem, wenn man dabei die Religion reformieren kann.
    In der Gesellschaft ist das längst geschehen, wenn die Menschen auch wenn sie sich christlich nennen, eben nicht alle Gebote verfolgen.
    Tatsächlich sind die Maxime des Christentums, gemeint ist der Dekalog, eine heilige Allianz mit der Rechtsprechung eingegangen. Den Sozialstaat kann man auch als so eine Allianz betrachten.

    Religion ist aber mehr als ein Ordnungsfaktor. Er ist Teil der Identität jedes gläubigen Menschen. Religio= Rückbindung ,das bedeutet, sich bewusst werden, welche Veratwortung auf uns lastet.
    Also, ohne Religion stehen wir vor einem dunklen Raum und wir wissen nicht, was uns erwartet.

    Mehr weiß ich auch noch nicht, das muss sich erst noch entwickeln.

    • Warum sollte das eine „Antithese“ sein, @donald müller? Menschliches Zusammenleben basiert immer auch auf Machtverhältnissen. Wenn Sie z.B. kommentieren, beanspruchen Sie die Aufmerksamkeit anderer Menschen. Und Sie gehen davon aus, dass ich mich an bestimmten Regeln von „Moral und Ethik“ orientiere, statt meine Moderatoren-Macht völlig willkürlich auszuüben.

      Macht ist nicht gut oder böse, sondern eben Macht. Sie wird in demokratischen Rechtsstaaten aufgeteilt, um Macht-Missbrauch zu erschweren und allen (Religiösen wie auch Nichtreligiösen) Mitsprache zu ermöglichen.

      Möge die Macht mit Ihnen sein! 👨‍🚀

  6. Religio ist nicht nur Rückbindung: sie ist ein „ich sehe in den Mythos von uns Menschen“ – und da entsprechende Bildungsinhalte zu vermitteln fehlt es an allen ecken und kanten imao

  7. ein kurzes postscriptum: seit Machiavelli scheint sich in Sachen Machtpolitik wenig verändert zu haben: wie eine Naturkonstante tritt sie mit Konzepten des rinascimento auch heute noch ins bürgerlich gewähnte leben.
    Warum soviele sich noch über das Internet aufregen?
    vlt weil open source konzepte machiavellistische naturkonstanten über den haufen werfen könnten?
    🖖

  8. Donald Mueller,
    Macht ohne Ethik ? Ich denke, Sie treffen damit den Nagel auf den Kopf .
    Mit dem Begriff Macht nähern wir uns der Realität. Das Thema Religion und Macht ist so komplex, dass wir uns auf ein Ziel einigen müssen. Das hat Herr Blume schon angesprochen, das Ziel heißt, die Vernunft in der Religion zu erkennen und die Religion vom Ballast der Geschichte zu befreien.

    Also , sind Religion und Macht untrennbar verbunden ? Nein, sind sie nicht. Die Frühzeit des Christentums lehrt genau das Gegenteil. Der Kern des Christentums ist die Nächstenliebe und der explizite Machtverzicht. Damit ist die institutionelle Macht gemeint.
    Die Frühchristen wurden verfolgt und getötet. Der Glaube an die Nächstenliebe breitete sich gerade deswegen aus, weil die Würde des Menschen höher gewertet wurde als die Solidarität mit dem Staat. Christentum war und ist nicht national.

    Zurück zur These von Herrn Mueller……. Macht ohne Ethik wäre nackt. .
    Macht gibt es ohne Ethik, Ethik ist an sich machtlos im institutionellen Sinne.
    Da wir aber in einer schon existierenden Welt leben, müssen wir einen sinnvollen Zusammenschluss von Macht und Ethik finden, den es schon gibt, den aufgeklärten , religionstoleranten Staat.

  9. @H.Wied
    ein ausgesprochen werter Aspekt, den Sie andeuten angesichts rechtsfaschistisch wirkender Deutungsbemühungen.
    Werfen wir also einen Blick in Begründungstheorien des Nationalsozialismus?
    Ganz unbedingt finde ich.

  10. Ganz abgesehen davon: die Konsequenz nationalsozialistischer bemühungen sind in Auschwitz heute besichtbar, abgesehen von den entsetzlichen Gerüchen damals, in denen sich Nazis damals quite comfy gewähnt haben könnten.
    Ganz abgesehen von ggf auch olfaktorischen Ereigniskadkaden fragt man sich schon mitunter worauf das hier hinauslaufen soll.

  11. donald mueller,
    der Nationalsozialismus war keine geschlossene Weltanschauung wie z.B. der Kommunismus.
    Hitler betonte das “Völkische”, vertrat eine Rassenlehre, und baute ein Feindbild auf, den J. Das war für Hitler alles ethisch gerechtfertigt, die Macht des Stärkeren ist das ewige Gesetz der Evolution.
    Sozialdarwinismus in seiner schlimmsten Form
    Mit dieser Mischung kann man Menschen hinter sich scharen mit den bekannten Folgen.

  12. Vom Kern der Frage sind wir nicht mehr weit entfernt.
    Fördert christliches Denken ethisches Handeln.
    Ja, das tut es, weil religiöses Denken den Kopf frei macht von dem Unwichtigen dieser Welt. Dietrich Bonhoeffer hat es sehr klar gesagt.

    “Von guten Mächten treu und still umgeben, Behütet und getröstet wunderbar, So will ich diese Tage mit euch leben Und mit euch gehen in ein neues Jahr. Noch will das alte unsre Herzen quälen, Noch drückt uns böser Tage schwere Last. Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen………..”

    Und wer so denkt, der respektiert das Denken auf der anderen Seite des Mittelmeeres. Die Gläubigen dort fühlen sich auch wunderbar geborgen bei ihrem Gott.

    Und wenn wir die Fähigkeit zum Verstehen der Anderen und den Willen zum Frieden mit den Anderen als das höchste Ziel der Ethik ansehen, dann ist das religiöse Denken eine gute Voraussetzung ehtisch richtig zu handeln.

  13. @H.Wied 24.02. 08:56

    „…,weil religiöses Denken den Kopf frei macht von dem Unwichtigen dieser Welt.“

    Ja, das tut gut und macht Hoffnung. So stell ich mir das auch gerne vor.

    Religiosität braucht Vernunft, und nur Glauben was geschrieben steht reicht nicht. Was wenn das doch nicht stimmt? Dann stehen wir nicht besser da als im Wahnsinn. Wir brauchen genug Evidenz, wenn wir in der Wirklichkeit wirklich klarkommen wollen.

    Die praktischen Fragen zu klären ist zunächst mal schon mal gut umsetzbar, z.B. dass das „seid fruchtbar und mehret euch“ für die moderne Welt nicht mehr geeignet ist. Obwohl irgendwann in Jahrzehnten auch konkret wieder mehr Kinder in Europa auf dem Programm stehen könnten.

    Andere Glaubensfragen sind da schon schwieriger:

    1. Die doppelten Geisteswelten, die durch viele religiösen Systeme geistern.

    2. Die Idee des bevorstehenden Weltenendes und dem Ende der Geschichte

    3. Das persönliche Leben vor oder nach dem Tod

    Kann man das aushalten, diese Glaubensfragen als Fragen vorerst stehen zu lassen?

    @H.Wied „Also, ohne Religion stehen wir vor einem dunklen Raum und wir wissen nicht, was uns erwartet.“

    Wirklich? Was ist mit dem Licht der eigenen Welterfahrung, mit der wahren erfahrenen Welt und dem geistigen Licht im Lebensraum des eigenen Bewusstseins? Existenz ist immer schon Evidenz, finde ich.

    Die Frage nach Macht und Herrschaft ist wiederum nicht so schwierig: Wir brauchen pragmatische Gesetze und funktionierende Verwaltungen, und darüber hinaus möge uns das Kollektiv bitte in Ruhe lassen.

    Wissenschaft hilft uns sehr viel weiter. Ohne Klimaforschung hätten wir z.B. keinerlei Idee, was wir gegen den Klimawandel machen können. Aber auch die Wissenschaft sollte bei dem bleiben, was wirklich gesichert ist. Und zwischen Wissen und Glauben auch bitte penibel unterscheiden.

    Dass die derzeitige Methode, mathematisch nachvollziehbare Modelle zu entwickeln und auf Effekte in der Wirklichkeit anzuwenden viel Erfolg hatte, ist klar. Aber zu denken, dass auch alles andere so funktionieren wird, das noch nicht erforscht ist, ist sehr gewagt, und meiner Ansicht nach nicht mehr als Science-Fiction.

    Das verträgt sich schon nicht mit den spirituellen Erfahrungen, die viele Menschen machen. Es gibt offenbar Menschen, die eben keinerlei Spirituelles in ihrem Leben erleben, die stört es nicht, wenn alles als mechanisch und berechenbar postuliert wird. Aber das ist eben auch speziell, und taugt überhaupt nicht als Generalannahme. Hier muss die Wissenschaft aufpassen, dass sie sich gegenüber den Menschen mit spirituellen Erfahrungen nicht unnötig selbst diskreditiert.

    Hier vermute ich noch Perspektiven für zukünftige Forschung und für zukünftige Theorien, die Licht in diese Problematik bringen, und die uns noch Vieles sehr Überraschendes liefern könnten. Hieraus könnten sich dann auch Anhaltspunkte für die o.g. schwierigen Glaubensfragen ergeben.

  14. Tobias J.
    Dieser Satz hat mich beeindruckt und die Diskussion wieder geerdet.
    “Es gibt offenbar Menschen, die eben keinerlei Spirituelles in ihrem Leben erleben, die stört es nicht, wenn alles als mechanisch und berechenbar postuliert wird.”

    So ist es, und deswegen ist meiner Meinung nach die Bibel in diesem Falle nicht wörtlich zu interpretieren sondern mit Verstand und Abstand. Ansonsten übigens auch.

    Vielen Dank für die ausführliche Antwort !

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