Die deutschen Kirchen im Rückzug – Neue Zahlen und EKD-Austrittsstudie nun online

Selbstverständlich freute ich mich sehr, als Daniel Friesen von chrismon.de um ein Interview zum Russland-Krieg und konkret dem “Fluch von Öl und Gas” fragte – es ist inzwischen samt Prognose online. Aber auch der Forschungs-Diskurs über die Zukunft der Religionen und Kirchen steht nicht völlig still. So veröffentlichte die YouTuberin Melanie_Buecherliebe eine Rezension zu “Rückzug oder Kreuzzug? Die Krise des Christentums und die Gefahr des Fundamentalismus” (Patmos 2021), die ich sowohl in den lobenden wie auch in den kritischen Aspekten dankbar annehme.

Eine von vielen Prognosen in “RoK” war, dass die großen katholischen Diözesen und evangelischen Landeskirchen (im Englischen gerne als “Mainstream-Churches”, im Deutschen auch “Amtskirchen” genannt) vor allem durch lebensweltliche Säkularisierung, Individualisierung und Geburtenrückgang bald nur noch eine Minderheit der deutschen Bevölkerung repräsentieren werden.

Die aktuell veröffentlichen Zahlen der EKD-Mitgliedskirchen zu 2021 bestätigen dies eindrucksvoll, jene der katholischen Kirchen sollen im Sommer folgen.

Demnach sank der deutsche Bevölkerungsanteil evangelisch-landeskirchlicher Mitglieder binnen eines Jahres um 2,5 Prozent auf nur noch 23,7 Prozent. Auf die durch Covid19 erhöhte Zahl von 360.000 Gestorbenen folgten bereits 280.000 Kirchenaustritte – ein Plus von 60.000 gegenüber 2020. Auch die gegenüber dem Pandemiejahr wieder deutlich gestiegene Zahl von 115.000 Taufen konnte den Niedergang kaum mehr abbremsen – umfasst nicht einmal mehr die Hälfte der Kirchenaustritte und nicht einmal ein Drittel der Sterbefälle. Die Neu- und Wiederaufnahmen blieben mit rund 18.000 ungefähr auf dem Vorjahresniveau. Zum 31. Dezember 2021 verblieben damit noch 19,7 Millionen Mitglieder in den evangelisch-deutschen Landeskirchen, mit weiter rapide sinkender Tendenz.

Und damit erst gar kein Missverständnis entsteht: Eine vergleichbare Implosion der religiös-liberalen Mitte erleben auch islamisch geprägte Gesellschaften und die von strikter Staat-Kirchen-Trennung geprägten, “freikirchlichen” USA

EKD-Austrittsstudie online

Auch eine online veröffentliche “Austrittstudie” des Sozialwissenschaftlichen Institutes (SI) der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) um Petra Angela-Ahrens bestätigte die Prognose: Nur 24% der ex-evangelischen und immerhin 37% der ex-katholischen Befragten gaben an, wegen eines “konkreten Anlasses” ihre Kirche verlassen zu haben. Vor allem die jungen Erwachsenen von 18 bis 35 Jahren gaben dagegen mit überwältigenden Mehrheiten von 79% (ex-evangelisch) und 66% (ex-katholisch) an, den Austritt “schon länger entschieden” zu haben.

Die These, dass Individualisierung – samt Geburtenrückgang und Veränderung der Familien- und Freizeitstrukturen – sowie die Digitalisierung weltweit um sich greifen und nur noch von streng religiösen und kinderreichen Gemeinschaften wie den christlichen Old Order Amish, Hutterern oder jüdischen Haredim (Ultraorthodoxe) einigermaßen abgewehrt werden können, sehe ich darin bestätigt. Mittelfristig sind hierbei durchaus heftige Konflikte zu erwarten.

Das bedeutet im Umkehrschluss selbstverständlich nicht, dass Kirchenskandale wie sexualisierte Gewalt, Korruption und Verschwendung nicht auch eine Rolle spielen – die Studiendaten weisen entsprechend schon darauf hin, dass die Austrittszahlen der katholischen Diözesen eher noch heftiger ausfallen dürften. Hier eine Grafik, die die Gewichtung der konkreten Austritts-Anlässe je katholisch-evangelisch sowie (in den blassen Farben) im Gesamtgewicht der Studie aufzeigt.

Datengrafik aus der “EKD-Austrittstudie” des SI-EKD von Petra Angela-Ahrens, Screenshot: Michael Blume

Kulturchristentum und Zivilreligion: Regenbogen und Dreadlocks-Streit

Bedeutet all das nun das völlige Verschwinden von Religiosität und Mythologie? Nein, ganz und gar nicht. In RoK vertrat ich die These, dass ein großer Teil der religiös-mythologischen Erwartungen in den Bereich der politisch-staatlichen “Zivilreligion” übertragen wird – denken Sie beispielsweise an die breite Popularität des Regenbogens, dessen biblisch-mythologische Wurzeln nur sehr wenigen bekannt sind. Auch Angehörige meiner Familie (verschiedener & keiner Konfession) und ich selbst wurden ja wiederum von wissenschaftlichen Argumenten zur Ernährung geprägtVegetarismus und Veganismus werden sich gesellschaftlich weiter ausbreiten.

Mit dem vorläufigen Auftrittsverbot für die progressive, aber eben “weiße” Musikerin Ronja Maltzahn (28) bei Fridays-for-Future-Demonstrationen aufgrund ihrer “Dreadlocks”-Frisur hat die junge Klimaschutzbewegung bereits gezeigt, dass sich niemand religiös definieren muss, um auch krasse, symbolische Abgrenzungen vorzunehmen. Die Aufforderung an die junge Künstlerin, sie möge sich doch ihre Haare einfach abschneiden, geht über die Vorschriften der meisten religiösen Fundamentalist:innen sogar noch hinaus.

Kurz: Ich sehe die RoK-Prognose weiter bestätigt, nach der wir auf ein neues, ökologisch-soziales Kulturchristentum zusteuern, dass etwa die nicht- und überkonfessionelle Feier von Weihnachten und Sonntagen mit zunehmend wissenschaftlich begründeten Geboten für Essen, Kleiden und Verhalten bis hin zur möglichst niedrigen Kinderzahl (Anthropodizee) verbindet. Auf uns kommt kein libertäres Reich der individuellen Selbstentfaltung und gruppenbezogenen Vielfalt zu, sondern ein zunehmend engerer Meinungskorridor – der bereits durch digitale Shitstorms gegen “Abweichler” abgesichert und von zunehmend reaktanten Gegner:innen als “Klimareligion” bekämpft wird. Auch esoterisch-religiöse Bewegungen wie die Anthroposophie und die Homöopathie spüren den wachsenden, gesellschaftlich-digitalen Druck bereits massiv. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, ist auch ein neuer Klimaschutz-Antisemitismus leider wahrscheinlich.

Tweet zur Debatte um Antisemitismus auch in Klimaschutzbewegungen wie Extinction Rebellion & Fridays for Future. Screenshot: Michael Blume

An der Frage, was dies für unser bürgerschaftliches Selbstverständnis und auch für unsere bislang liberale Demokratie bedeuten wird, arbeite ich gerade. Selbstverständlich interessiert mich Ihre (ggf. konstruktive, weiterdenkende) Meinung dazu sehr!    

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

49 Kommentare

  1. In Deutschland gibt es durch die konfessionelle Spaltung in evangelisch und katholisch wahrscheinlich auch die höchste Dichte an Kirchengebäuden.
    Die haben sich schon der Entwicklung angepasst, alte Kirchengebäude , die zu groß geworden sind,schlecht zu beheizen , werden durch Mehrzweckgebäude ersetzt , wobei die eigentliche Kirche nur noch ein Raum ist. Mit der katastrophalen Auswirkung während der Pandemie, durch die niedrigen Decken sind diese Räume schwer zu belüften.

    Nur wenige Kirchengemeinden bringen den Mut auf ihre „Kirchen“ zusammenzulegen oder gemeinsam zu planen. Meiner Schätzung nach wird in den nächsten 50 Jahren 1/3 aller Kirchengebäude verschwinden. Eine ähnliche Entwicklung gibt es sogar im katholischen Irland.

    Nur ergänzend zur demografischen Entwicklung.

  2. Zitat:

    Mit dem vorläufigen Auftrittsverbot für die progressive, aber eben “weiße” Musikerin Ronja Maltzahn (28) bei Fridays-for-Future-Demonstrationen aufgrund ihrer “Dreadlocks”-Frisur hat die junge Klimaschutzbewegung bereits gezeigt, dass sich niemand religiös definieren muss, um auch krasse, symbolische Abgrenzungen vorzunehmen.

    Ja, auch ich sehe das als quasi religiöses Phänomen. Interessant, dass Sünden wie die kulturelle Aneignung in den USA erfunden wurden und sich nun im gesamten Westen verbreiten. Man denkt unwillkürlich an den evangelisch geprägten Puritanismus, in dem es bereits ähnlich wie bei der heutigen Political Correctness darauf ankam die richtigen Worte zu wählen um zu den Guten zu gehören.

    Mir selber ist noch vertraut, dass es früher in katholischen und evangelischen Landesteilen andere Zeitungen gab und dass der Pfarrer einem sagte, was man einer Person der anderen Konfession alles entgegenhalten muss.

    Mir scheint, das kehrt nun alles zurück. Nur scheinbar ohne Religion. Doch in den sozialen Medien habe ich jetzt schon mehrmals erlebt, dass eine zunehmend verbreitete Reaktion auf Meinungsverschiedenheiten darin besteht zu sagen: „Mit dem sollten wir nicht mehr sprechen, nicht mehr verkehren“. Ganz ähnlich wie Katholiken früher keinen Umgang mit Reformierten haben sollten. Nur noch eine Stufe ernster und endgültiger.

    • Ja, @Martin Holzherr. Denn “Religion” erhob zwar den Anspruch auf absolute Wahrheit, wurde aber in liberalen Republiken gewissermaßen gezähmt. Wissenschaft verweist dagegen nur auf die Annäherung an absolute Wahrheit, “Andersglaubende” – auch etwa Esoteriker:innen – werden jedoch schnell zu Wissenschaftsleugnenden. Und da es i.S. Klimakrise um die Zukunft der Menschheit geht, brechen neue Dualismen auf. Dreadlock-Frisuren müssen weißen Frauen gar nicht mehr staatlich verboten werden – der gesellschaftliche Woke-Druck regelt das schon von alleine. Spannend.

  3. Zitat: “ Auf uns kommt kein libertäres Reich der individuellen Selbstentfaltung und gruppenbezogenen Vielfalt zu, sondern ein zunehmend engerer Meinungskorridor.“

    Daran besteht für mich kein Zweifel.
    Der Atlantic-Artikel THE NEW PURITANS bringt Beispiele zu Leuten, die heute aus der Gesellschaft ausgestossen wurden, nur weil sie angeblich etwas falsches sagten. Hier ein Auschnitt:

    Das ist das Erste, was passiert, wenn Sie beschuldigt wurden, gegen einen Sozialen Code verstoßen zu haben, wenn Sie sich aufgrund von etwas, das Sie gesagt oder angeblich gesagt haben, im Zentrum eines Social-Media-Sturms wiederfinden. Das Telefon hört auf zu klingeln. Die Leute hören auf, mit dir zu reden. Du wirst toxisch. „Ich habe in meiner Abteilung Dutzende von Kollegen – ich glaube, ich habe im vergangenen Jahr mit keinem von ihnen gesprochen“, sagte mir ein Akademiker. „Einer meiner Kollegen, mit dem ich mehr als ein Jahrzehnt lang mindestens einmal pro Woche zu Mittag gegessen habe – er weigerte sich einfach, weiter mit mir zu sprechen, ohne Fragen zu stellen.“ Ein anderer rechnete damit, dass von den rund 20 Mitgliedern seiner Abteilung „zwei, von denen einer keine Macht mehr hat und der andere kurz vor dem Ausscheiden steht, jetzt zu mir sprechen werden“.

    Ein Journalist erzählte mir, dass sich seine Bekannten nach seiner fristlosen Entlassung in drei Gruppen eingeteilt hätten. Erstens die zahlenmäßig sehr kleinen „Helden“, die „auf einem ordnungsgemäßen Verfahren bestehen, bevor sie das Leben einer anderen Person beschädigen, und die zu ihren Freunden halten“. Zweitens die „Bösewichte“, die meinen, man solle „unverzüglich seinen Lebensunterhalt verlieren, sobald der Vorwurf erhoben wird“. Einige alte Freunde oder Leute, die er für alte Freunde hielt, schlossen sich sogar dem öffentlichen Angriff an. Aber die Mehrheit gehörte zu einer dritten Kategorie: „Gut, aber nutzlos. Sie denken nicht unbedingt das Schlechteste von Ihnen und möchten, dass Sie ein ordentliches Verfahren erhalten, aber wissen Sie, sie haben sich nicht darum gekümmert. Sie haben vielleicht Gründe, wohltätig von dir zu denken, aber sie sind zu beschäftigt, um zu helfen. Oder sie haben zu viel zu verlieren.“ Eine Freundin sagte ihm, dass sie gerne eine Verteidigung über ihn schreiben würde, aber sie habe einen Buchvorschlag in Arbeit. „Ich sagte: ‚Danke für Ihre Offenheit.‘ “

    Frage: Warum kann soziale Ausgrenzung von Meinungsabweichlern zum universellen Phänomen im gesamten Westen werden, wenn doch die Kulturen in den USA und Europa so verschieden sind?

    • Nun, @Martin Holzerr, ich würde sagen, dass hier einerseits die digitalen, sog. “sozialen Medien” eine große Rolle spielen, in denen sich “Feinde” von Extremist:innen aller Seiten superleicht markieren lassen. Hinzu kommt, dass das liberale Modell der Religionsfreiheit ein Nebeneinander von unterschiedlichen Gruppen ermöglichte, die sich durchaus verschieden ernähren, kleiden, auf die Realität beziehen konnten. Ausgerechnet die Fortschritte der Wissenschaften einschließlich des Wissens um Klimakrise und Ressourcenfluch schließen nun jedoch die Meinungsräume. Es wird immer schwieriger, die Massentierhaltung oder die Nicht-Einführung eines Tempolimit in Deutschland rational zu vertreten. Also prallen zunehmend Menschen, die die Wissenschaften akzeptieren gegen jene, die sich mit Reaktanz dagegen wehren. Einschließlich Polarisierungen und Radikalisierungen.

      Ich sehe hier ein Paradox, das auch mein eigenes Selbstverständnis betrifft: Die gerade auch von Aufklärern immer wieder geforderte Verwissenschaftlichung der politischen Debatte engt den Meinungskorridor massiv ein. Stand noch in den 1970er Jahren die SPD für Kohle und die Union für Atomstrom, so setzen sich nun Erneuerbare Energien durch – mit hohem Reaktanz-Widerstand auch gegen die Grünen.

  4. … Man möchte ja eigtl. meinen, dass traumloser Schlaf an sich das Beste (Erholsamste) ist. Allerdings kann man dazu anmerken, dass schöne Träume doch nicht zu verachten sind. Die uns aber wiederum – offenbar – nicht auf die Realität vorbereiten …

  5. Vely klug angemerkt, Dr. W zitiert ausschnittsweise wie folgt :
    ‘Die These, dass Individualisierung – samt Geburtenrückgang und Veränderung der Familien- und Freizeitstrukturen – sowie die Digitalisierung weltweit um sich greifen und nur noch von streng religiösen und kinderreichen Gemeinschaften wie den christlichen Old Order Amish, Hutterern oder jüdischen Haredim (Ultraorthodoxe) einigermaßen abgewehrt werden können, sehe ich darin bestätigt. Mittelfristig sind hierbei durchaus heftige Konflikte zu erwarten.’ + ‘Auf uns kommt kein libertäres Reich der individuellen Selbstentfaltung und gruppenbezogenen Vielfalt zu, sondern ein zunehmend engerer Meinungskorridor – der bereits durch digitale Shitstorms gegen “Abweichler” abgesichert und von zunehmend reaktanten Gegner:innen als “Klimareligion” bekämpft wird.’ [Quelle : jeweils Artikeltext]

    Es geht aus diesseitiger Sicht um einen Kampf zwischen Liberalisten und Kollektivisten und zwischen Moralisten (Dr. W ist einer davon) und Relativisten / Nihilisten / Hedonisten.

    G. K. Chesterton wird derartige Einschätzung zugeschrieben :

    When men stop believing in God they don’t believe in nothing; they believe in anything.

    Mit freundlichen, äh, humanistischen Grüßen
    Dr. Webbaer

    • Oh, aha, @Webbaer. Aber wenn Sie sich als “Moralisten” verstehen – müsste dann diese Moral nicht durch die Wissenschaften informiert sein? Es ist ja zum Beispiel ohne Zweifel so, dass jedes Kilo Fleisch mehrere Kilo Futtermittel sowie Energie, Wasser, Flächen beansprucht, die schon heute anderen Menschen fehlen und unsere Abhängigkeiten vertiefen.
      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/putins-krieg-als-getreide-welt-krieg-als-schock-fuer-die-flachdenker/

      Müsste demnach nicht Moral auch auf die Reduktion des Fleischkonsums hinauslaufen?

      Bin ehrlich interessiert an Ihren Überlegungen!

      • Im denkbaren Sinne schon, Dr. Webbaer ist ja ganz bei Ihnen, sicherlich wird, auch individuell CO2-schädlich, zu viel vermampft.
        Der “Burger” halt, symbolisch so genannt, sicherlich nagt bspw. Dr. Webbaer hier – im Sinne von : ‘Leben verzehrt Leben!’ – nicht immer günstig.
        Hat sich allerdings mittlerweile zurückgenommen und sich auf Getreideprodukte, auch die Gewichtsabnahme von ca. 40 Kilo meinend, konzentriert. [1]
        Von anscheinend per se hungrigen ökologistischen Kräften, Dr. W will keine Namen nennen, nicht mit Begriffen wie “Fettsau” hantieren, darf insofern schon eine gewisse Konsequenz erwartet werden.

        Mit freundlichen Grüßen
        Dr. Webbaer

        [1]
        Dr. W ist groß, hat lange Arme und so, sein Übergewicht fiel insofern nicht so-o auf, es ist nun abgebaut worden, ca. um 2015 herum.

        • Danke, @Webbaer – ich bin (positiv) überrascht. Tatsächlich hatte ich Sie für stärker reaktant gehalten. Verstehe ich Sie also richtig, dass Sie auch den schnellen Abschied von fossilen Energieträgern und damit vom Ressourcenfluch bejahen?

          • Nicht ganz, lieber Herr Dr. Michael Blume, Dr. Webbaer mag bspw. die Fossilie Uran, die vglw. klimaneutral ist, vgl. :
            -> https://www.tagesschau.de/ausland/europa/taxonomie-atomkraft-eu-kommission-101.html
            (Beim Erdgas wird aus bestimmten Gründen nicht ganz mitgegangen, auch nicht bei der wie gemeinten Verwertung von ‘Biomasse’)
            Auch sollten keine Zwangsmaßnahmen erfolgen, die die Bevölkerungen schwer treffen, sie sind in vielen Ländern dieses Planeten ja auch nicht durchsetzbar; Dr. W will insofern nicht Anderen (auch : in anderen Ländern) den dringlichen Rat geben auf Fleischkonsum zu verzichten.
            Mit freundlichen Grüßen und weiterhin viel Erfolg
            Dr. Webbaer

  6. “Die Aufforderung an die junge Künstlerin, sie möge sich doch ihre Haare einfach abschneiden, geht über die Vorschriften der meisten religiösen Fundamentalist:innen sogar noch hinaus”

    Es ist leider ein Irrtum zu glauben, das die Menschen nun vernünftig geworden sind. Sie suchen sich stattdessen einen neuen hippen Kult. Sei es die No-Covid- oder Letzte-Generation-Sekte oder der Kult um die “Klimakatastophe”. Alles mehr oder weniger Weltuntergangssekten.

    • Nein, @Peter Müller, auch wenn Sie den Unterschied zwischen Mythologien und Wissenschaften immer wieder verwischen wollen: Der Unterschied zwischen apokalyptischen “Weltuntergangssekten” einerseits und der Klimaschutzbewegung andererseits ist, dass sich Letztere auf empirische Wissenschaft bezieht. Ob es ein göttliches Strafgericht – einen “Jüngsten Tag” – geben wird, ist Glaubenssache. Dass es die weltweite Erhitzung durch Treibhausgase gibt, ist wissenschaftlich hervorragend gesichert und zeigt sich bis in unseren Alltag. Noch einmal: Ich habe die zunehmend vertrockneten Landschaften etwa im Irak selbst gesehen.

      Religiöse Mythen dürfen Sie ignorieren, wissenschaftliche Beobachtungen jedoch nicht. Reaktanz ist – zumal im Alter – häufig, aber kein guter Ratgeber.

      • Religiöse Mythen dürfen Sie ignorieren, wissenschaftliche Beobachtungen jedoch nicht.

        An sich ein vernünftiger Maßstab, aber immer dann, wenn es praktische, politische Auswirkungen hat, nicht so sauber zu trennen.

        Beispiel: ich kann den wissenschaftliche Fakt ignorieren, daß die Erde rund ist und daß nach der allgemeinen Relativität auf Satelliten, die sich mit 8km/s bewegen, die Uhren geringfügig anders gehen als auf der Erdoberfläche. Mein Navi ignoriert das nicht und funktioniert trotzdem.

        Ich kann den wissenschaftlichen Fakt, daß es zum Klimawandel zuviele unterkomplexe Modelle und zuwenige experimentelle Überprüfungen gibt (weil wir keine 2 gleichartigen Planeten zur Verfügung haben, die sich nur durch den CO2-Gehalt der Atmosphäre unterscheiden) ignorieren, oder die These “the science is settled” zum Dogma erheben. Der Unterschied ist: die Satellitentechnik eröffnet Möglichkeiten. Man kann ein Navi benutzen oder weiterhin den (flachen!) Stadtplan. Die Klimakirche verkündet Gebote – man soll gefälligst daran glauben, daß Atomkraftwerke mit einer wetterfesten Betonkuppel und ohne Emissionen “klimaschädlicher” wären als Windräder, die direkt in das Wettergeschehen eingreifen.

        Ich persönlich sehe die Trennung zwischen Wissenschaft und Religion nicht da, wo das eine eine als “Aberglauben” abgetan werden kann und das andere eine Realität ist, die nicht ignoriert werden kann. Zu oft war es umgekehrt.

        Ich sehe die Trennung da, wo Gebote verkündigt werden und die Suche nach neuen Erkenntnissen eingestellt wird.

        Die besten Informationen zum Klimawandel gibt es derzeit beim IPCC, und selbst die haben noch eine große Unsicherheit, ob die Klimasensitivität einer CO2-Verdopplung näher bei 1K oder bei 4K liegen würde. Erzählen Sie das bei FFF und sie werden verbal gekreuzigt.

        Und da kommt wieder der Glaube in’s Spiel:
        – ich glaube, Gott hat mit der Menschheit noch einiges vor.
        – ich glaube nicht an einen baldigen Weltuntergang – den hätten wir schon am 26.9.1983 haben können, ist ausgefallen
        – ich glaube sehr wohl, daß menschliche Hybris und Machbarkeitswahn uns immer wieder auf Holzwege führen – z.B. auf den Holzweg, das Klima “steuern” zu können, anstatt uns an eine wärmere Welt anpassen zu müssen. Oder auf den Holzweg, einen Schnupfenvirus wie Omikron BA.2 “eindämmen” zu wollen, anstatt einfach mit ihm zu leben.

        • Klar lassen sich Technologien und Mythologien voneinander abkoppeln, @H. Störk. Aber wir sehen ja z.B. bei Verschwörungsgläubigen, die über das Internet Flacherde-Mythen und Anti-Impf-Botschaften verbreiten, wohin das führt.

          Sich aus dem wissenschaftlichen Konsens nur noch jene Daten rauszupicken, die das eigene Verhalten nicht tangieren, halte ich für unethisch. Die Klimakrise eskaliert längst ohne jeden begründbaren Zweifel, aktuell auch in der Ostarktis:
          https://www.spektrum.de/news/conger-eisschelf-in-der-ostantarktis-kollabiert/2003227

          Wenn Sie an Gott glauben – was auch ich tue – dann müssen Sie m.E. davon ausgehen, dass er uns auch Verstand, Vernunft und Wissenschaft nicht ohne Grund gegeben hat. Ich darf hierbei beispielsweise auf den großen Liberalen Karl Popper verweisen, der das Annehmen auch unliebsamer, wissenschaftlicher Erkenntnisse als „Tragen des Kreuzes“ beschrieben hat.
          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/das-schrumpfen-der-freiheit-poppers-kreuz-der-wahrheit-im-hossa-talk-184/

        • Wenn es einen Gott gäbe, würde das nichts ändernwäre SUV-fahren eine Todsünde 🙂 (sehr frei nach Sartre)

        • Gäbe es eine, d.h. die eine, “Klimakirche”, nach dem Modell der una sancta, dann wäre Michael Mann Papst oder wenigstens ein Erzbischof.
          Und der ist sehr für Kernenergie.
          Die deutschen SWR sind seit 11 Jahren stillgelegt, die können nicht mehr angefahren werden, aus technischen und personellen Gründen.
          Wenn man als KKW-Fanatiker glaubt, dass hierzulande in absehbarer Zeit neue Werke gebaut werden, lebt man im Wunschdenken.

        • In etwa so :

          Ich kann den wissenschaftlichen Fakt, daß es zum Klimawandel zuviele unterkomplexe Modelle und zuwenige experimentelle Überprüfungen gibt (weil wir keine 2 gleichartigen Planeten zur Verfügung haben, die sich nur durch den CO2-Gehalt der Atmosphäre unterscheiden) ignorieren […]
          Die besten Informationen zum Klimawandel gibt es derzeit beim IPCC, und selbst die haben noch eine große Unsicherheit, ob die Klimasensitivität einer CO2-Verdopplung näher bei 1K oder bei 4K liegen würde. [Kommentatorenfreund H.Störk]

          “Trial and Error” sind leider bei der CO2-zentrierten zeitgenössischen Klimatologie nicht möglich, eigentlich würde eine sehr große Anzahl “gleichartiger Planeten” benötigt werden, um empirisch weiter kommen zu können.
          Die mathematischen Klimamodelle werfen insofern auch in der Prädiktion (für verschiedene Szenarien) sog. Konfidenzintervalle aus, in denen, im gerne genutzen 95%-prozentigen Konfidenzintervall sehr viel möglich ist, auch eine Nichterwärmung bis 2100.

          Die sog. CO2-zentrierte Klimasensitivität ist eine einfache Gleichung und insofern bereits nicht alle happy machend, wenn auf das hoch komplexe, von vielen anderen sog. Forcings (mit-)bestimmte terrestrische Klimasystem geschaut wird.

          Mit freundlichen Grüßen
          Dr. Webbaer

      • Das sie die trockene Landschaft im Irak persönlich gesehen haben, ist aus wissenschaftlicher Sicht vollkommen irrelevant.

        FFF ist definitiv eine Weltuntergangssekte, bitte lesen sie die Pamphlete der Gründerin- oder schlimmer noch Extinction Rebellion.

        • Ach, @Graf Cagliostro – tatsächlich müssen Sie für direkte Beobachtungen auch längst nicht mehr in den Irak gehen. Heute schreibt die Stuttgarter Zeitung über den rekord-trockenen “Wüstenmonat” März 2022 und diskutiert mit Landwirten die drohende “Dürre in der Region Stuttgart”.

          Aber ich verstehe Blunting und Reaktanz völlig – es dürfte sich entlastend anfühlen, jüngere Menschen zu beschimpfen statt auch das eigene Verhalten zu verändern. Sorry, dass ich Sie mit meinen Beobachtungen aus dem Irak “gestört” habe. Einige Tausend zusätzlicher Leserinnen und Leser haben sich ja inzwischen auch an das (kostenfrei eingestellte) “Öl- und Glaubenskriege” von 2015 gewagt:
          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/files/sciebookOelGlaubenskriegeMichaelBlume2015.pdf

          • Ich wohne ländlich, ich sehe vor meiner Nase, was Trockenheit in Wald und Flur anrichtet und bin sehr froh, über die paar Regentropfen, die jetzt hier runter kommen.

            Wo ich hier jemanden beschimpft habe, bleibt ihr Geheimnis (Beschimpfung ist vermutlich ihr Fachgebiet!?).

            Ich möchte hier gerne die Bundeszentrale für politische Bildung zitieren:

            Das Wort kommt vom lateinischen „secta“ und bedeutet „Richtung“ oder „befolgter Grundsatz“. Mit „Sekte“ wird meist eine Glaubensgemeinschaft bezeichnet, die sich von einer größeren Gemeinschaft (man sagt auch „Mutterreligion“) abgespalten hat. Oft glauben die Mitglieder einer Sekte, den besseren oder einzig richtigen Weg zum Heil oder zur Erlösung gefunden zu haben. Sekten gibt es in allen großen Religionen.

            Die grünen Parteien oder Umweltbewegungen sind für die “großen” Glaubensgemeinschaften und FFF und XR nach dieser Definition definitiv Sekten, die den Weltuntergang oft genug beschwören. Dazu kann man sich die entsprechenden Statement von Frau Thunberg oder Frau Neubauer in den sozialen Medien anhören.

  7. @Michael 26.03. 17:32

    „Es ist ja zum Beispiel ohne Zweifel so, dass jedes Kilo Fleisch mehrere Kilo Futtermittel sowie Energie, Wasser, Flächen beansprucht, die schon heute anderen Menschen fehlen und unsere Abhängigkeiten vertiefen.“

    Im Prinzip stimmt das, aber der Effekt ist kleiner als man oft sagt. So sollen Milchprodukte vier mal mehr Futterkalorien brauchen, als in der Milch später noch drin steckt. Jetzt ist es aber so, dass Futtermittel im Anbau schon mal viel höhere Erträge bringen, als Nahrungspflanzen, die wir direkt konsumieren. Das gilt für Mais, Schweinekartoffeln oder auch für Gras. Dazu kommt, dass wir große Flächen haben, wo man nur Gras anbauen kann, weil es zu nass, zu trocken, zu steil oder zu klein ist. Hier kann man keine Pflanzen für den direkten Verzehr anbauen.

    Dazu kommt noch, dass es z.B. bei der Milchproduktion zu einer Aufkonzentrierung des Eiweißes der Futtermittel kommt. Zusätzlich ist tierisches Eiweiß bekömmlicher als pflanzliches Eiweiß, man braucht davon weniger. Genau deswegen schmecken uns tierische Produkte auch ganz gut. Genug davon ist allerdings genug. Ich selbst bin auch dabei, meinen Verbrauch von tierischem Eiweiß etwas zu reduzieren, und auch noch mehr darauf zu achten, möglichst keine Nahrungsmittel wegzuwerfen.

    Ein anderer Aspekt ist hier, dass so vielen Menschen auf der Welt einfach das Geld fehlt, sich vernünftig zu ernähren. Würden wir dieses erfolgreich ändern, dann hätten wir entsprechend höhere Weltmarktpreise, und in der Folge würden wir viel weniger wegwerfen, auf riesigen Flächen vor allem in Afrika effektiven Bioanbau betreiben und keine wahnwitzigen Mengen als Energiepflanzen einsetzen. Gerade die Energiepflanzen sind eine gute Maßnahme, die aktuelle Überproduktion zu entschärfen, damit die Bauern noch genug Geld verdienen. Bei einem Weltmarkt, in dem alle Menschen das Geld haben, sich die Nahrungsmittel zu leisten, die sie gerne essen möchten, wären Energiepflanzen unsinnig.

    Die brauchen wir auch überhaupt nicht, das können PV-Module und Windräder auch, und zwar bei vergleichbaren Kosten, wenn nicht sogar günstiger.

    Dazu gibt es noch Innovationsmöglichkeiten im Bereich Insektenzucht und Bakterienkulturen, die direkt mit grünem Wasserstoff gefüttert werden können. Und Innovationen, die den Anteil, der weggeworfen wird, nochmal entschieden reduziert. Wenn z.B. etwa die Lebensmittelgeschäfte alles, was kurz vor dem Verfall ist zu Fertiggerichten verarbeitet und diese dann zum Verkauf anbietet und an Bedürftige abgibt, dann würden weit mehr Lebensmittel vor dem Müll bewahrt werden, als wenn fast abgelaufene Produkte nur an die Tafeln abgegeben werden. Gerade frisches Fleisch könnte man so vor dem Wegwerfen bewahren, welches nicht geeignet ist, über die Tafeln abgegeben zu werden.

    „Die Klimakrise eskaliert längst ohne jeden begründbaren Zweifel, aktuell auch in der Ostarktis…“

    Mit Fallbeispielen kann man immer viel Wind machen, aber wie viel wärmer es wirklich wird, weiß leider auch die moderne Wissenschaft noch überhaupt nicht. Die Spanne der tatsächlich zu erwartenden Erderwärmung ist bald größer als die Erderwärmung insgesamt. Einen nur halbwegs genauen Wert hierfür können auch die neuesten Supercomputer nicht liefern. Hier einfach auf unser Glück zu setzen, und mit keiner weiteren Erwärmung zu spekulieren, kann aber dennoch Harakiri sein. Trump meinte mal sogar, es wird wieder kühler. Das kann er natürlich nicht wissen.

    Aktuell kommt allerdings noch unsere Abhängigkeit von Rentierstaaten dazu, und liefert gewichtige Argumente zusätzlich, die Energiewende so schnell wie möglich durchzuziehen. Russland und die Ukraine liefern aber auch reichlich Überschüsse an Lebensmitteln, die exportiert werden können. Hier würde ich dafür plädieren, deren Export nicht zu sanktionieren. Die Welternährung ist meine ich aktuell doch immer noch wichtiger, als Russland auch damit noch unter Druck zu setzten.

  8. Zu ‘unserer (liberalen) Demokratie’ vielleicht noch ein Bonus-Kommentar, Dr. Webbaer sieht sich durch den letzten Absatz der dankenswerterweise von unserem werten Herrn Inhaltegeber (und Antisemitismusbeauftragten, seit 2018 – Dr. Webbaer unterstützt ihn, selbstverständlich nur mit ganz kleinen Armen, mit Ärmchen) so eingeladen :

    Was halt nicht so-o cool ist, ist wenn kirchliches, christliches Personal direkt politisch wird, gar bibel-untreu (Dr. Webbaer ist Humanist, schaut sozusagen nur von außen drauf, so ist ihm womöglich dennoch erlaubt einzuschätzen), vergleiche bspw. mit :

    -> https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kommentar/meinung/kardinal-marx-ueber-karl-marx-und-das-kapital (K-Probe : ‘Marx bewirkte den Wandel zur Sozialen Marktwirtschaft’ – vgl. mit : ‘Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!’ (Manifest der kommunistischen Partei, Hervorhebung : Dr. Webbaer))

    -> https://www.br.de/nachrichten/kultur/queer-gottesdienst-kardinal-marx-entschuldigt-sich-fuer-diskriminierung,T03BTIw (anti-biblisch, derart darf womöglich als (von der Seite her erfolgte, humanistische) Einschätzung ausgehalten werden)

    Dies hier spielt, dann sozusagen ökologistisch-religiös (die Religion meint eine besondere, idR : esoterische Rückbindung, die also eine Art Glauben benötigt, sie ist exoterisch nicht nachvollziehbar, die moderne Naturwissenschaft bspw. ist exoterisch, dem Sapere-Aude! folgend) hinzu, Mythen bildend, Mythenglauben meinend.

    Es lägen dann, sofern Dr. Webbaer korrekt verstanden hat, zunehmend “Problembären” für die sog. FDGO vor (Dr. Webbaer hat an dieser Stelle nicht vor sich zu dem besonders zu äußern, was aus Sicht einiger zu D gehört), insgesamt darf womöglich zu dieser sozusagen echten Problematik mehr Wolfgang Huber gehört werden, eine kluge Person, wie einige finden (sie hat dann durch SPD-Nähe nicht so-o brilliert sozusagen und auch ihre Versuche Philosophie bei der “Zeit” über Videos zu verkaufen sind hier nicht so- o gut angekommen), abär denkbarerweise ist und war Wolfgang Huber der sozusagen letzte Christ der EKD – ga-anz böse formuliert, natürlich nur, humanistenseitig.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    PS:
    Dr. W hat sich wieder mit irgendwelchen Tags,, die der Textauszeichnung dienen, vertan, ihm fiel gerade noch die Schaltfläche mit der Beschriftung ‘Vorschau’ auf, diese wird er in der Folge tunlichst bedienen.

  9. @Michael Blume
    man muss bei der Ernährung etwas genauer rechnen, als das hier bisher geschehen ist.
    1. der erste Engpass der Ernährung sind nicht mehr- wie in der Steinzeit – die Kalorien und die Kohlehydrate, sondern die essentiellen Aminosäuren.
    2. Essentielle Aminosäuren bekommen wir leider nur durch: tierisches Eiweiß, die Kombination Reis+ Soja und die Kombination Tomaten, Hülsenfrüchte, Mais (wobei die letzte Kombination sehr knapp zu sein scheint)
    3. Eine Rechnung, dass tierische Produkte so und so viel Kalorien mehr verbrauchen, geht somit am Problem vorbei.
    4. Es gibt Flächen z.B. das Allgäu, in denen Viehwirtschaft die deutlich sinnvollere Nutzung des Bodens ist. (Damit spreche ich mich nicht für Massentierhaltung aus!)
    5. Der zweite Engpass ist das Wasser, das bei der Produktion verbraucht wird. Hier schneiden z.B. Avocados oder Tomaten nicht besonders gut ab.
    6. Die Umweltschäden durch den Transport müssen auch in Anschlag gebracht werden.
    7. Noch überhaupt nicht angesprochen wurde der CO2- Ausstoß durch: Wohnungsbau, Flächenversiegelung, (Fildermesse, Flughafen) Trockenlegung von Mooren und die Erhöhung der Zimmerthemperatur von 18 auf 20 Grad C als Beispiele
    8 . ich entschuldige mich für meine digitale Persönlichkeitsspaltung. mal bin ich mit meinem deutschen- mal mit meinem lateinischen Nick unterwegs (aber in verschiedenen Nicks)

    • Danke, @Joachim Fischer. Ich nehme Ihren konstruktiven Kommentar mal einfach auch als Bestätigung dafür, wie tief die wissenschaftlich begründete Regelungsdichte bis ins Heizen, Wohnen und Bloggen hinein ausgedehnt werden kann. Vielen lieben Dank dafür!

  10. Auf uns kommt kein libertäres Reich der individuellen Selbstentfaltung und gruppenbezogenen Vielfalt zu, sondern ein zunehmend engerer Meinungskorridor – der bereits durch digitale Shitstorms gegen “Abweichler” abgesichert und von zunehmend reaktanten Gegner:innen als “Klimareligion” bekämpft wird. Auch esoterisch-religiöse Bewegungen wie die Anthroposophie und die Homöopathie spüren den wachsenden, gesellschaftlich-digitalen Druck bereits massiv. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, ist auch ein neuer Klimaschutz-Antisemitismus leider wahrscheinlich.

    Diesen Abschnitt verstehe ich leider nicht.

    Wogegen genau sollen wir steuern? Ich finde sowohl die Vermischung von Glaube mit Esoterik als auch von Glauben mit Wissenschaft gefährlich und gegen das aufgeklärte Denken. Die Bezeichnung als “Klimareligion” für die vollkommen überdrehende Gruppierung FFF ist nur eine Überreaktion auf einen nahenden Totalitarismus, den wir als freiheitsliebende Demokraten sicher nicht haben wollen. Solche falschen Lösungen gegen den anthropogenen Klimawandel versetzen die Menschen in Ärger und Angst.

    Auch Anthroposophie und Homöopathie (Ersteres ist menschenfeindliche Pseudowissenschaft und Letzteres ist einfach nur physikallergischer Bullshit) sollten keinen Platz in einer aufgeklärten Gesellschaft haben, die imstande ist, Glaube und Wissen zu trennen.

    Bitte klären Sie mich hier also auf, wie das gemeint ist – vielleicht liegen wir auch gar nicht so weit auseinander. Danke!

    • Tatsächlich scheint mir das Verständigungsproblem darin zu bestehen, @Johannes Güntert, dass Sie meinen deskriptiven Text als normativen Text lesen. So mache ich mir beispielsweise die Bezeichnung als “Klimareligion” nicht zu eigen, sondern beschreibe sie. Ich diskutiere sie übrigens auch bereits in “Rückzug oder Kreuzzug?”.

      Ihre ausgedrückten Ängste kann ich nachvollziehen, wenn ich auch im Sprachgebrauch (“vollkommen überdrehende Gruppierung”, “nahender Totalitarismus”) noch zurückhaltender wäre.

  11. Wenn’s am Dienstag von links kommt, ist’s ‘ne Ente, ansonsten heißt es nicht Ente, auch wenn’s derselbe Vogel ist.

    Um das Gleiche wie Sie mal mit anderen Worten auszudrücken: Die Wissenschaft hat eine enge Definition von Religion. Die Psyche nicht. Die kennt nur Glauben. Sie hat einen angeborenen Set von Schlüssellöchern, sie sucht sich Schlüssel, die bestimmte Bedürfnisse befriedigen und Emotionen auslösen. Ob ich das Ergebnis jetzt Religion nenne, Ideologie, Glaubenssystem, Betriebssystem, wir haben alle den gleichen Vogel.

    Wenn man die Definition von Religion auf alles ausdehnt, das genauso funktioniert wie Religion, sind wir alle religiöse Fanatiker. Wir beziehen unsere Schlüssel, die Dekoration, die Requisiten, nur aus anderen Bereichen. Das banalste Beispiel ist Nationalität: Ob mich jetzt Beschneidung oder Pass zum Auserwählten Volk hinzuaddiert, wir gehören einer Sekte an, die sich selbst für besser hält als die Outsider, bestimmte Rituale befolgt, sich mit Fetischen identifiziert wie Fähnchen, gemeinsame Mythologie teilt, Idole namens „Nationalhelden“ verehrt und von Hohepriestern geführt wird, die sich oft um einen fleischgewordenen Gott namens Putin scharen, der Ketzer mit Höllenstrafen peinigt und das Paradies verspricht, sobald alle seinem Willen folgen und ihm ihre ganze Knete geben, was irgendwie keiner will, weil er ein Arsch ist und sie ihre Knete für den Wodka brauchen, um ihn zu ertragen. Auch sehen wir, dass die Staaten der Welt ausnahmslos Theokratien sind: Uns erscheinen jene, die vom Islam zusammengehalten werden, wie Vielvölkerstaaten, ihnen dürfte unsere Religionsfreiheit mit Mononationalismus ähnlich auffallen. In Europa werden oft gemeinsame Werte als Staatsreligion beschworen, mit einem dreieinigen Gott namens Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, und die Kanzeln sind voller Prediger, die gegen die Frevler wettern. In der Ukraine tobt ein doppelt gemoppelter Religionskrieg: Einerseits der lokale Konflikt zwischen der Allein Seligmachenden Kirche Russentum und der vermeintlichen Ketzersekte Ukrainertum, andererseits der globale Konflikt zwischen Demokratie und Diktatur.

    Als Angehöriger einer demokratischen Strömung mit starkem Drall zur Augenhöhe und Toleranz halte ich Nationalität für eine rein private Angelegenheit und empfehle jedem, dem jemand verklickert: Du bist Deutscher, Pole, Ukrainer, Russe, ohne dass ihm besonders daran gelegen ist, einer zu werden, die Beschwörung eines Fetisches namens Mittelfinger. Natürlich ist mein Glaube, dass ich Leute bequatschen, aber nicht zwingen darf, auch nur ein religiöses Dogma. Es basiert nicht unbedingt auf Vernunft, ich fühle mich halt in einer untergegangenen Kultur verwurzelt, in der Gott über allem stand und die Glaubensfreiheit über Gott, nur habe ich für mich den Mittelsmann eliminiert.

    Wenn man sich den Wissenschaftsglauben genauer ansieht, ist Wissenschaft nur eine Religion, die rausgekriegt hat, wie das mit den Wundern geht. Auch dort gibt’s einen Haufen Zeugs, das funktioniert, das einen Haufen Zeugs mit durchfüttert, das nicht funktioniert oder sogar schadet, auch dort gibt’s Hohepriester, Propheten, Wundertäter, einen Klerus und die Neigung, Dogmen bis zum bitteren Ende zu verteidigen, nachdem sie längst widerlegt wurden. Im Grunde sind Wissenschaftler Schriftgelehrte, die eine Heilige Schrift namens Universum zu deuten versuchen. Ich hatte mal kurz das Hobby Religionsdesigner für Sci-Fi-Storys, die ich dann nie schrieb, und eine der nicht ganz so schlechten Ideen war: Bibel und Universum sind wie Herz und Körper, sie können nur zusammen leben, und Gott hat sich nicht die Mühe gemacht, in die Bibel Informationen zu packen, die er bereits quer übers Universum gepinselt hatte. Die beste Idee war wohl die Frage, ob Gott wirklich ein Idiot sein muss, bloß weil ihn all seine Anhänger wie einen behandeln, oder ob er nicht vielleicht doch so schlau sein könnte, wie sie behaupten, und er einfach nur Religionen basteln musste, das für Idioten genauso funktioniert wie für diejenigen, die fähig sind, den tieferen Sinn darin zu entdecken. Nicht unbedingt wahr, aber der Denkansatz führt zu interessanten Ergebnissen.

    Interessant ist auch der Glaube an den Großen Magischen Geist namens Vernunft. Im Grunde eine Form der Spiritualität, bei der man versucht, durch fast schon meditative Selbstüberwachung den Geist auf Zimmertemperatur zu halten – man fürchtet Emotionen und Unwägbarkeiten, verehrt das Kalkulierbare und Kontrollierbare, während das Überwältigende, Dinge, die übers menschliche Fassungsvermögen hinausgehen, de facto verleugnet werden, man klammert sich an ein recht gewagtes Glaubenssystem, in dem im Alltag nur das Bekannte wirken und existieren darf und die Unerklärbarkeit von Dingen als Beweis für ihre Nichtexistenz gilt, und sei es nur, weil die Wissenschaft noch nicht das passende Mikroskop erfunden hat, bestimmte Phänomene zu untersuchen. Im Grunde ist es heiliggesprochene Kleingeistigkeit. Und, gemessen an ihren Erfolgen, überaus unvernünftig.

    Eine sehr bekannte Religion, die durch Übertragung weltlicher Symbole auf zutiefst puritanische Mentalität entstanden ist, bildet sich um den Kernbegriff Politische Korrektheit, sodass ich diesen Begriff einfach aufs Ganze übertrage. Wie beim klassischen Puritanismus, wirbt auch die Politkorr mit Zielen, gegen die kein Mensch mit einem Fünkchen Anstand im Leib etwas einzuwenden hätte, doch ihr Hauptanliegen ist, sich wichtig zu machen, allen und jedem auf den Sack zu gehen, klugzuscheißern, Schuldgefühle zu erzeugen, Bigotterie, Kontrollwahn und Paranoia zu verbreiten, Hass und Streit zu schüren, um Vertrauen und Nachsicht in der Gesellschaft durch Heuchelei zu ersetzen und jeden, der sich ihren hehren Anstandszielen verpflichtet fühlt, zu vereinnahmen, mit Haarspaltereien zu terrorisieren und generell so lange zu piesacken, bis er schreiend wegläuft und kein hehres Ziel mehr auch nur mit der Kneifzange anfasst. Trotz all ihrer Anstrengungen kann sie nicht verhindern, dass die Welt diesen Zielen näher kommt, was sie natürlich unter ihren Erfolgen verbucht, auch wenn ihr größter Erfolg die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten sein dürfte, sowie im Allgemeinen der Aufstieg des Rechtspopulismus und diverser religiöser Extremismen.

    Sie vermischt sich gern mit einer Weltuntergangssekte, die sich auf Klimawandel und Umweltfragen fokussiert. Diese Sekte macht sich weder was aus dem Dogma, dass Weltuntergangssekten immer weltfremde Spinner sein müssten, noch aus dem Fakt, dass man reale Weltuntergänge nicht mit Selbstkasteiung und Reue aufhalten kann. Auch sie vermischt Sinnvolles und Notwendiges mit Elementen klassischer Religionen, die keinen praktischen Nutzen haben, außer emotionelle Bedürfnisse zu befriedigen. Im Moment droht sie, zu einer Staatsreligion zu degenerieren, die mit Verzicht als notwendiges Opfer an Frau Holle den Wirtschaftsrückgang zu kaschieren sucht, der bewirkt, dass alle den Gürtel enger schnallen müssen, wenn die Eliten weiter ungehemmt prassen sollen. Was daraus wird, weiß ich nicht, doch der Trend ist unverkennbar.

    Im Allgemeinen folgt Religionsbildung dem praktischen Bedarf, und der fordert gerade Verteilungskämpfe. Also verfestigen sich Strömungen, die sich bislang fließend vermischen und formlos durchdringen konnten, ohne klare Fronten zu bilden, zu Sekten mit eigenen Ordensburgen und Kreuzzügen. Die alten Kerne, die nach der großen liberalen Dogmenschmelze noch übrig waren, müssen mit moderneren Kristallisationskernen konkurrieren, die den Zeitgeist besser widerspiegeln. Heute darf eine Religion sich nicht mehr Religion nennen, sonst erscheint sie der herrschenden Religion suspekt – die empfindet die Konkurrenz als Bedrohung. Es gab eine Zeit, als das Christentum im Wesentlichen und bei guter Laune nur das Dogma hatte: Papst ist Boss, zahl deinen Zehnten, begründe alles mit der Bibel, ansonsten glaub, was du willst. Es herrschte also weitgehende Glaubensfreiheit rund um einen Minimalkonsens, jede Religion musste nach Christentum aussehen. Heute muss halt jede Religion tun, als wäre sie keine, wenn sie nicht komisch angeguckt werden will, auch wenn die Blicke vorläufig als Scheiterhaufen ausreichen. Ich frage mich, wer als der nächste Jan Hus verbrannt wird. Denn ungefähr ab dem Zeitpunkt ist für das Christentum Blutgrätschen-Kasatschok in Dauerschleife.

    Ich könnte noch weitermachen, doch irgendwie fließt der Text heute ziemlich zäh aus den Fingern. Ich glaube, ich sollte aufhören, in Ewigkeit Amen.

    • Danke, @Paul S. – das war ziemlich konstruktiv und interessant.

      Was würden Sie davon halten, statt den Begriffen Wissenschaft – Religion(en) – Glauben das Begriffspaar Mythen und Theorien auszuprobieren? Religionen und religiöser Glauben können dann durch die Beziehung zu überempirischen Akteuren klar definiert bleiben, ohne zu leugnen, dass es auch in nichtreligiösen Weltanschauungen einen Mix aus Mythen und empirisch begründeten Theorien gibt. Sogar die beiden englischen Begriffe für Glauben je als belief = Fürwahrhalten und faith = Vertrauen machen dann Sinn.

      Was meinen Sie?

  12. Sie beklagen sich über unterkomplexe Klimamodelle. Das haben aber Modelle so an sich. Sie könnten sich auch darüber beklagen, dass Wasser nass ist.
    Die heutigen GCMs liefern eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Klimasensitivität, die praktisch die gleichen Maximalwerte zeigt wie die noch unterkomplexeren Modelle früherer Zeiten, aber die Breite ist noch größer geworden.
    Das ist aber kein Sieg für die “weiter so” Fraktion.
    Sie scheinen das Vorsorgeprinzip nicht verstanden zu haben, oder überhaupt “nach mir, die Sintflut” zu glauben.
    Nach dem Vorsorgeprinzip ist es nicht erheblich, dass die GCMs eine kleine Wahrscheinlichkeit für eine Klimasensitivität unter 2°C voraussagen, sondern es geht darum, welchen maximalen Temperaturanstieg man nicht ziemlich sicher ausschließen kann, und da landet man bei ziemlich hohen Werten.
    Eine Lotterie, die hofft, dass die Nachwelt mit 10% “Glück hat”, ist für jüngere Leute nicht attraktiv.
    Ein weiterer, und sogar der entscheidende Punkt:
    Die Klimasensitivitätswerte, die sie wunschdenken, sind ausgeschlossen, weil inkompatibel zur tatsächlich gemessenen Temperaturerhöhung. Modelle sind notwendig, echte Messdaten aber entscheidend, soweit vorhanden.

      • @Michael Blume: Mein letzter Kommentar war an @H.Störk gerichtet, wie auch die zwei Kommentare zuvor.
        Ich habe mittlerweile selbst gemerkt, dass Anklicken des “Antworten”-Buttons nicht zu dem Resultat führt, das ich erwartet hatte :/

  13. Der Ukraine-Krieg, Europa und der Kampf der Kulturen
    Gemäss der oben verlinkten Rezension des Buches „Rückzug oder Kreuzzug“ wird im Buch auch auf den von Samuel P. Huntington zurückgehenden Begriff „Kampf der Kulturen“ eingegangen: scheinbar ablehnend.
    Doch: Phänomene wie
    1. Warum Putin diesen Krieg überhaupt begonnen hat und
    2. Warum Ukraine-Flüchtlinge in EU-Ländern willkommen sind, nicht aber Syrien-Flüchtlinge
    Werden von einigen Publizisten genau mit dem Begriff „Kampf der Kulturen“ erklärt.

    Der SPON-Beitrag von Slavoj Žižek: Krieg in der Ukraine; Heißer Frieden;
    Ein Krieg, der kein Krieg sein will, und ein Kampf der Kulturen am Ende der Geschichte: Die Welt muss ihre Zivilisationen zivilisieren.

    gehört dazu sowie der SPON-Beitrag Geflüchtete aus der Ukraine; Dänemarks neue Willkommenskultur; In der Migrationspolitik setzte Dänemark bislang auf Abschreckung. Für Geflüchtete aus der Ukraine öffnet das Land nun seine Türen. Den Vorwurf, muslimische Asylsuchende zu diskriminieren, weist die Regierung zurück.

    In Slavoj Žižek SPON-Beitrag liest man in diesem Zusammenhang:

    Wir leben in Zeiten, in denen der »Kampf der Kulturen« mit voller Wucht zurückgekehrt ist, Zeiten, in denen gängige Erklärungen (Das Großkapital! Staatliche Allmacht!) nicht ausreichen.

    Damit will Žižek sagen, es seien nicht Ideologien oder unterschiedliche Klassen-Interessen sondern unterschiedliche Kulturen, die a) erklären, warum Russland diesen Krieg führt und b) erklären, warum die EU-Länder diesen Krieg nicht auf ihrem Radarschirm hatten.

    Im Beitrag zur Willkommens-Kultur für ukrainische Flüchtlinge in Dänemark wird die dänische Bereitschaft ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen, syrische oder afghanische aber abzulehnen ebenfalls mit dem kulturellen Unterschied erklärt. Dort liest man:

    Die dänische Migrationsexpertin Carolin Hjort Rapp hat für die Solidarität der Dänen mit den Ukrainern noch eine andere Erklärung: »Der Krieg ist dieses Mal in Europa und damit fast vor der Tür. Auch die große mediale Berichterstattung bringt den Menschen die Lage näher«, sagte sie dem SPIEGEL. Gleichzeitig könne auch die Zusammensetzung der Gruppe der Geflüchteten eine Rolle spielen. Ukrainischen Männern im wehrfähigen Alter ist derzeit die Ausreise verboten, entsprechend fliehen vor allem Frauen und Kinder ins Ausland. »Außerdem fehlt die gefühlte kulturelle Bedrohung. Die Ukraine ist ein demokratisches Land, damit können sich die Dänen besser identifizieren. Sie sehen ihre liberalen Werte und ihre Kultur nicht gefährdet«, sagte sie. Bei anderen Herkunftsländern sei das häufig nicht der Fall.

    Deutlicher drückte sich hingegen die ehemalige Ausländer- und Integrationsministerin Inger Støjberg aus. Sie schrieb auf Facebook, die Dänen sollten sich eingestehen, dass sie lieber ukrainischen Geflüchteten helfen als Somaliern oder Palästinensern. »Niemand wagt es, die Dinge so zu benennen, wie sie sind: Das liegt daran, dass die Ukrainer uns ähnlicher sind und dass sie hauptsächlich Christen sind«, schrieb sie weiter. Støjberg galt in der Vorgängerregierung unter Lars Løkke Rasmussen als Hardlinerin in Migrationsfragen. Ihre Partei setzte das umstrittene »Schmuck-Gesetz« durch.

    Fazit: Warum Putin den Ukrainekrieg begann ohne dass das in der EU für möglich gehalten wurde und warum Ukraineflüchtlinge anders behandelt werden als Flüchtlinge aus muslimischen Ländern liesse sich mit Samuel P. Huntingtons Begriff des „Kampfes der Kulturen“ durchaus erklären. Besser erklären jedenfalls als mit ideologischen oder Interessen-Gegensätzen.

    • warum Ukraineflüchtlinge anders behandelt werden als Flüchtlinge aus muslimischen Ländern liesse sich mit Samuel P. Huntingtons Begriff des „Kampfes der Kulturen“ durchaus erklären

      Nö. Die demographisch-soziologische Erklärung liegt da viel näher. Die Flüchtlinge 2015/16 hatten es vor allem bis in die Türkei geschafft. Die sich bis zu uns durchgeschlagen haben, waren vielfach starke, junge, nicht nur durch Krieg, auch auf der Flucht traumatisierte junge Männer.

      Jetzt sind wir an vorderer Flüchtlingslinie. Polen hat schon zwei Millionen aufgenommen (die Türkei seinerzeit zwischen drei und vier), aber das sind überwiegend Minderjährige samt Mutter, bisweilen Oma und Großvater/Onkel dabei.

      Und: Die erste Welle ist noch überhaupt nicht traumatisiert. Sie sind ja geflohen, bevor sie auf Telegram verfolgen mußten, wie ihre Häuser zerstört werden. Sie haben keine Fetzen des Nachbarns über den Gartenzaun hängen gesehen. Und werden die Landsleute, die in einigen Wochen aus dem zerstörten Mariupol kommen, ganz anders auffangen können, als wir es damals vermochten.

      Ich denke, fallweise kann man viel mit Huntigton arbeiten. Der kulturelle Graben zwischen Ost- und Westchristentum ist viel größer als die religiösen Zwistigkeiten zwischen Katholiken und Orthodoxe. Letztere haben eine Abendmahlsgemeinschaft, von der Herr Blume ausgeschlossen bleibt. Aber hier taugt Huntington nur auf Vorurteilsebene.

  14. @Paul S 29.03. 00:46

    „Diese Sekte macht sich weder was aus dem Dogma, dass Weltuntergangssekten immer weltfremde Spinner sein müssten, noch aus dem Fakt, dass man reale Weltuntergänge nicht mit Selbstkasteiung und Reue aufhalten kann.“

    In der Tat ist der Klimawandel nicht unser einziges Problem, und eben ein sehr physikalisches Problem, das weder mit gutem Willen, noch mit unzureichenden Maßnahmen behoben werden kann. Wir können hier nur Treibhausgase einsparen, und wissen nicht mal sonderlich genau, wie groß das Problem wirklich ist. Kein Wissenschaftler kann derzeit wissen, bei welcher Erderwärmung wir wirklich landen.

    Ganz nebenbei wäre auch eine Erwärmung von bspw. 4° keinesfalls ein wirklicher Weltuntergang, etwa verglichen mit einem ausgiebigem strategischem Atomkrieg. Für Mensch und Natur wären die 4° sicherlich ein wirklich herber Einschnitt, aber ein Untergang eben noch nicht.

    Es ändert natürlich auch kaum was, wenn wir nur in einigen Ländern Fortschritte in der Energiewende erreichen. Der hier gezeigte gute Wille mag überempirische Akteure beeindrucken, nicht jedoch die Physik der Atmosphäre. Der wirkliche Lichtblick ist hierbei aber, dass Windräder, Photovoltaik und Fahrzeugbatterien so günstig werden können, dass diese Techniken ein Selbstläufer werden, wenn eine gewisse Schwelle überschritten wird. Als richtige Massenware kann das immer kostengünstiger werden, bis dass fossile Technik Schritt für Schritt nicht mehr konkurrenzfähig wird.

    Das macht mir richtig Hoffnung. Die quasireligiösen FFF treiben in die richtige Richtung, können sich dann aber auch wieder beruhigen, wenn wir die angesprochene Schwelle überschritten haben, und klar zu sehen ist, dass die Energiewende wirklich umgesetzt wird.

    @Michael 29.03. 09:58

    „Was würden Sie davon halten, statt den Begriffen Wissenschaft – Religion(en) – Glauben das Begriffspaar Mythen und Theorien auszuprobieren?“

    Genau so gehts. Man mag Glauben, was man hofft, man mag Glauben, was die persönliche Erfahrung nahelegt, und dies dem Bereich des Mythos zuordnen. Die psychologische Wirkung dieser Mythen sind dann ein Fakt, auch wenn die Mythen selbst kein Fakt sind. Sollten vielleicht aber darauf abgeklopft werden, ob sie denn nicht dennoch einen wahren Kern haben, der sich in Zukunft tatsächlich verifiziere ließe.

    Mir jedenfalls gefallen keine Mythen, die niemals stimmen könnten. Ein bisschen muss dran sein können, meine ich. Und das ist ja auch oft durchaus drin.

    Auch die Wissenschaft leistet sich Mythen, also Vorannahmen, die zwar allgemein üblich sind, aber keineswegs empirisch gesichert sind. Gerade die Psychologie könnte ohnedem überhaupt nicht arbeiten. Besser ist es, sich dessen bewusst zu sein.

    Bis dass es so konkret wird, dass von wirklichen falsifizierbaren Theorien geredet werden kann, sind das noch mal ein paar Schritte weiter, scheint mir. Dazwischen gibt es dann noch eine Grauzone, die immer mehr in persönliche Glaubenswelten übergeht.

    Ich hab da nichts dagegen, was sollen wir machen, wenn wir mehr nicht wissen können. Aber in der Konsequenz ist eben nicht alles, was als Wissenschaft verkauft wird, auch wirklich mythenfrei. Und nicht jede religiöse Haltung ist unbegründet.

    • @Tobias Jeckenburger: Der Klimawandel ist ein Langzeitthema und EE ist nicht die alleinige Lösung.

      Zitat 1: „ Wir können hier nur Treibhausgase einsparen, und wissen nicht mal sonderlich genau, wie groß das Problem wirklich ist.„
      Antwort: Etwas wissen wir aber: Die einmal erreichte globale Erwärmung wird Jahrzehnte bis Jahrhunderte anhalten mit Meeresspiegelanstiegen über Jahrhunderte – ausser man entfernt das CO2 wieder.

      Zitat 2: „ Der wirkliche Lichtblick ist hierbei aber, dass Windräder, Photovoltaik und Fahrzeugbatterien so günstig werden können, dass diese Techniken ein Selbstläufer werden, wenn eine gewisse Schwelle überschritten wird. „
      Antwort: Wind- und Solarenergieanlagen und die zugehörigen Batterien verbrauchen gewaltige Ressourcen (Metalle wie Kupfer, seltene Erden, etc) und auch Landflächen.Würde man den Weltenergiebedarf allein mit Photovoltaik abdecken bräuchte es mehr Fläche als heute für den Reisanbau verwendet wird. In meinen Augen sind PV+Wind nur Übergangslösungen. Kernfusion wird sie in 50 Jahren abgelöst haben und wird dann auch die Energie liefern um CO2 wieder aus der Luft zu entfernen.

  15. Tobias Jeckenburger,
    Sie bringen es auf den Punkt. Die Rohstoffe prägen die Zivilisationen.
    Das 19. und auch noch 20. Jahrhundert ist geformt von Kohle und Stahl.

    Davon müssen wir weg , hin zu Silizium und Kunststoffen. Ja, Kunststoffe, sie sind der ideale Baustoff, der wenig Energie benötigt. Erdöl verbrennen ist die größte Dummheit der Menschheit. Auch Erdgas verbrennen ist dumm, Erdgas ist chemisch dem Erdöl verwandt, man kann aus Erdgas Kunststoff herstellen.

    Was hat das jetzt mit den Kirchen zu tun ? Auf den ersten Blick nichts, auf den zweiten Blick ist die Institution Kirche das Gegengewicht zu einer materialistischen Lebenseinstellung. Die Photovoltaik kann nur von großen Konzernen durchgesetzt werden und große Konzerne denken nur wirtschaftlich, nur wirtschaftlich.

  16. … auf den zweiten Blick ist die Institution Kirche das Gegengewicht zu einer materialistischen Lebenseinstellung.

    Wie?

    Wie kann eine Organisation das Gegengewicht zu einer Lebenseinstellung sein?

    Und dann auch noch eine unglaublich reiche Institution als Gegengewicht zu etwas weltlichem?

    • Institutionen meinen Einrichtungen, es könnte hier auch mit dem Begriff ‘Anstalt’ versucht werden, sie sind weltlicher Art und sozusagen plumpes, individuelles ‘materialistisches’ Denken könnte so adressiert sein, gegenübergesetzt sein, als sozusagen Gegengewicht.

      Amüsanterweise können auch sozusagen außerweltliche, religiöse Verbindungen weltlich sehr vermögend sein.
      Standbeine im Weltlichen meinend sozusagen.

      Franz von Assisi, auch Martin Luther, auch andere, haben derartige nicht nur scheinbare Gegensätzlichkeit erkannt und wussten zu ergänzen.

      Mit freundlichen Grüßen
      Dr. Webbaer

  17. @Holzherr 01.04. 20:27

    „Würde man den Weltenergiebedarf allein mit Photovoltaik abdecken bräuchte es mehr Fläche als heute für den Reisanbau verwendet wird.“

    Wir müssen nicht den derzeitigen Primärenergiebedarf mit EE decken, sondern nur in etwa die Hälfte davon, weil EE gleich in konzentrierter Form als elektrischer Strom anfällt. Und dann gibt es neben PV auch noch die Windenergie.

    Der verbleibende Flächenbedarf für PV kann in Deutschland größtenteils auf Dächern von Wohn- und Gewerbebebauung untergebracht werden. Wir werden außerdem einen Schwerpunkt von PV rund ums Mittelmeer haben, weil dort der Ertrag wesentlich höher ist als bei uns. Und am Mittelmeer ist jede Menge Platz für die Module, der nicht mit einer landwirtschaftlichen Nutzung konkurriert. Hier kann man zwischen den Modulen noch Ziegen weiden lassen, das Wachstum auf diesen Flächen ist durch das Wasserangebot begrenzt, und wird von der teilweisen Beschattung durch die Module praktisch nicht verringert. Auch bei uns gibt es Flächen, wo man Viehweide und PV-Module gut kombinieren kann, so weit die Dächer nicht reichen.

    „In meinen Augen sind PV+Wind nur Übergangslösungen. Kernfusion wird sie in 50 Jahren abgelöst haben und wird dann auch die Energie liefern um CO2 wieder aus der Luft zu entfernen.“

    Dass das mit der Kernfusion doch noch was wird, hoffe ich eigentlich auch, wäre aber schon froh, wenn es wenigstens für interstellare Raumfahrt taugt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das sündhaft teuer bleiben wird, wenn es denn überhaupt funktioniert. Aber wir werden sehen. Ich fürchte es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Energiewende jetzt anzufassen, und da können wir derzeit konkret nur mit EE arbeiten.

  18. @hwied 01.04. 11:03

    „…,auf den zweiten Blick ist die Institution Kirche das Gegengewicht zu einer materialistischen Lebenseinstellung.“

    Meine Sie nicht eher eine persönliche spirituellere Lebenseinstellung, und nicht konkrete Organisationen?

    Kirchen neigen dazu Wasser zu predigen und Wein zu trinken. Und bieten sich auch regelmäßig Autokraten an, deren Herrschaft zu legitimieren. Was dann sogar eine Arbeit gegen die Demokratie sein kann. Damit meine ich nicht nur die orthodoxe russische Kirche, die gut mit Putin kann, sondern auch die Evangelikalen in den USA, denen Trump lieber ist, weil er auch auf Wissenschaft pfeift.

    Kirche sollte vielleicht ein Gegengewicht gegen Materialismus sein. Und besser nicht ein Gegengewicht zu wissenschaftlicher Evidenz. Eine Politik des Unwesens gegen jede Vernunft ist noch kein Sieg einer guten Spiritualität. Das grenzt vielmehr an Wahnsinn.

    Wenn sich Kirchen tatsächlich für vernünftigere Lebenseinstellungen einsetzen, begrüße ich das. Und die geistigen Seiten des Lebens überhaupt sehen. Und in der Folge integrieren, dann gefällt mir das auch. Aber eine Konkurrenz gegen die Evidenz braucht das wohl nicht. Meine ich zumindest.

  19. Tobias Jeckenburger,
    die röm.kath. Kirche ist eine Institution, die 2000 Jahre Geschichte mit sich herumschleppt. Sie leidet darunter, weil sie gefangen ist in Gewohnheiten.

    Man darf aber auch die segensreiche Entwicklung nicht vergessen, die Institutionalisierung der Nächstenliebe in der Form von Waisenhäusern, Krankenhäusern.

    Und die röm.kath. Kirche hat sich selbst zur Wissenschaft bekannt. Die Jesuiten z.B. müssen einen bürgerlichen Beruf erlernen bevor sie tätig werden dürfen.

    Indem ich “Kirche” instrumentalisiert habe, habe ich auch einen Kardinalfehler begangen. Das Bekenntnis zu Gott braucht keine Rechtfertigung.

    Also lassen wir die Gesellschaft entscheiden welche Weg sie einschlägt.

    • Und die röm.kath. Kirche hat sich selbst zur Wissenschaft bekannt.

      Das ist noch nicht geklärt. Sie hat sich zur Wissenschaft bekannt, aber zu welcher? Zur modernen Philosophie und Wissenschaft der Neuzeit, die sich gründet auf die anthropozentrische Wende nach der voluntaristischen Revolution? Ihr hat Papst Benedikt in Regensburg eine Absage erteilt. Oder zur klassischen, theozentrischen Philosophie und Wissenschaft, wie von der antiken griechischen Philosophie galt bis ins Mittelalter?

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