Blume & Ince 5: Warum Ressourcenfluch und Rentierstaatstheorie in Deutschland scheiterten

Zu den – auch meinen – Fehlannahmen der Wissenschaftskommunikation gehörte lange, dass Menschen an sich rational und auf der Suche nach Erkenntnis wären. Man(n) müsse als Wissenschaft “nur gut erklären” – und sie würde von “den Menschen” akzeptiert.

Doch zwei bedeutende, wissenschaftliche Theorien, die beispielsweise auch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hätten verhindern können, sind trotz Jahrzehnten von Forschung und Lehre in der deutschen Öffentlichkeit gescheitert: Die volkswirtschaftliche Theorie des Ressourcenfluch erklärt, wie sich die Wirtschaft von Staaten verzerrt, die vom Verkauf von Rohstoffen abhängig wird. Und die Rentierstaatstheorie erläutert, warum solche Ressourcenfluch-Staaten dann auch keine Demokratien mehr werden können (und nur wenige Demokratien wie Norwegen die entsprechende Korruption verhindern konnten). In der aktuellen Podcast-Folge 5 von “Blume & Ince” sprechen Prof. Dr. Inan Ince und ich darüber, warum es auch mir trotz Büchern, Vorträgen, Blogposts, Videos nur in wenigen Fällen gelungen ist, Menschen davon zu überzeugen, dass diese Theorien zutreffen und Menschen also durch ihr eigenes Verhalten sehr viel Gutes bewirken, Schaden abwenden können. Jede/r seriöse Wissenschaft Lehrende wie eben auch Inan Ince steht vor dem gleichen Problem – und macht vergleichbare Erfahrungen. 

In der Podcast-Folge 5 von “Blume & Ince” geht es um das Scheitern von Wissenschaftskommunikation an zwei konkreten Beispielen: Den Theorien vom Ressourcenfluch und Rentierstaat. Kachelfoto: Prof. Dr. Inan Ince 

Und wie es sich für Wissenschaft gehört, müssten Sie gar nicht nur uns beiden “glauben”. In einem starken Interview in Gehirn & Geist 10/2023, S. 26 – 31, erklärt die Philosophin Dr. Friederike Schmitz: “Wer nur nett ist, bewegt nichts”. Obwohl sich in Umfragen rund 70 Prozent der Deutschen gegen Massentierhaltung aussprechen und die allermeisten auch nicht die Verschwendung von Wasser, Energie, Futtermitteln, Antibiotika usw. bestreiten, beharren die meisten auf der Beibehaltung ihres kulturell vermittelten Fleischkonsums. Als Erklärung für die Widerstände gegen die längst unbestrittenen Erkenntnisse nennt Schmitz (m.E. zutreffend) die Dissonanzreduktion (das instinktive Wegerklären von Widersprüchen) und die Reaktanz (den Widerwillen gegen Veränderungen und gefühlte Verbote).

Ein uniformierter, nicht unattraktiver Mann mit leeren Augen vor aufsteigenden Flammen verkörpert den fossilen Maskulinismus, auch Pettomaskulinismus genannt.

Zum Männerbild des fossilen Maskulinismus – auch Petromaskulinismus genannt – gehört das Beharren auf Verbrennen fossiler Rohstoffe und der Verzehr von Fleisch aus Massentierhaltung. Grafik Michael Blume mit Leonardo.AI

Und ich kann mich nicht einmal selbst von diesen psychologischen Fallen freisprechen – auch nachdem ich in “Öl- und Glaubenskriege” bereits den Verzicht auf Massentierhaltung als Mittel gegen die Verschwendung von Energie und Rohstoffen sowie gegen die Freisetzung von Treibhausgasen empfohlen hatte, brauchte ich noch vier Jahre, bis ich endlich Vegetarier wurde.

Die Einnahmen der Neuausgabe von “Öl- und Glaubenskriege” beim jmb-Verlag spendete ich an den aufklärenden Podcast Hoaxilla. Link führt zur Verlagspage 

Als neuen Lösungsansatz habe ich mir vorgenommen, zukünftig entspannter an einer “polyzentrischen” Form der Wissenschaftskommunikation nach Elinor Ostrom mitzuwirken: zu akzeptieren, dass es Tausende verschiedene Formen der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse braucht, um die psychologischen Widerstände von uns Menschen zukünftig besser und schneller zu überwinden. Dazu gehören neben den klassischen Formen auch neue Ansätze wie den ermutigenden Solarpunk – und eben mehr regional verwurzelte Podcasts wie “Blume & Ince”

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

31 Kommentare

  1. Hervorragend!
    Mir wurde zu damaligen Abi-Zeiten hinsichtlich der Berufswahl das Spezialistentum nahegelegt.
    Ich wollte aber Generalist sein. Sie beide kommen dem sehr nahe!
    Es wird ja immer gesagt,Universalgelehrtheit gibt es nicht mehr.
    Aber sich einen Überblick über die Theorien der Natur- UND Geisteswissenschaften zu verschaffen, macht deutlich gelassener.
    Und: Realität wissenschaftlich zu hinterfragen und keine Gewissheit darüber für das Sein zu erlangen, ist eben was anderes, als die Gewissheit der Alltagserfahrung,das es eben doch eine Realität gibt. Das ist in meinen Augen der Zwiespalt zwischen nicht beantwortbaren Fragen des Leben im Universum und des doch da sein in Alltagserfahrungen.

  2. Ergänzung:
    auf Wikipedia gibt es eine schöne Liste mit “überholten Theorien”.

    Es wäre doch mal eine schöne Aufgabe,eine Liste mit ” aktuellen Theorien”, interdisziplinär, zu machen.
    Daran könnte man sich dann schön abarbeiten … 😉

    • Danke & eine schöne Idee, @Mussi! 🙏 Bewusst zahle ich einen Jahres-Mitgliedsbeitrag bei der Wikimedia Deutschland e.V., um Wikipedia weiter zu fördern!

      Die Idee mit der Theorie-Liste ist klasse! Das müssen aber Sie machen, das schaffe ich nicht auch noch! 😄

  3. Zitat: “ … Menschen davon zu überzeugen, dass diese Theorien zutreffen und Menschen also durch ihr eigenes Verhalten sehr viel Gutes bewirken, Schaden abwenden können. „
    Ich bezweifle, dass der eigene Konsumverzicht („durch eigenes Verhalten Schaden abwenden“) Probleme wie den Ressourcenfluch, die Massentierhaltung oder das Klimaproblem lösen können.

    Schon eher gelingt es mit einer kritischen Haltung Rentier-Staaten, problematische Formen der Tierhaltung und klimaschädliches Verhalten zu stigmatisieren, was dann irgendwann in politische Massnahmen münden kann wie etwa die Saudiarabien keine Waffen mehr zu liefern oder Fleisch und Fliegen zu verteuern. Aber selbst das kommt nicht von heute auf morgen.

    • Aber würde ich nicht die von mir vertretenen, wissenschaftlichen Erkenntnisse unglaubwürdig machen, wenn ich „keinen“ auch persönlich Verzicht üben würde, @Martin Holzherr?

      Was wäre denn von einem Verfechter der Ressourcenfluch- und Rentierstaats-Theorie zu halten, der weiterhin Verbrennermotoren bevorzugt und Rinder vertilgt? Mir käme das ähnlich unglaubwürdig vor wie Angehörige der sog. Letzten Generation, die andere blockieren, aber dann selbst nach Thailand 🇹🇭 oder Mexiko 🇲🇽 fliegen…

      Ja, individueller Verzicht kann strukturelle Probleme nicht lösen. Aber ohne individuellen Verzicht erscheinen mir Forderungen nach Verteuerungen, Verboten usw. doch sehr unglaubwürdig zu sein. Deswegen braucht es m.E. sowohl individuelle wie strukturelle Veränderungen, um Wissenschaft auch möglichst glaubwürdig vermitteln zu können.

      • Hallo Herr Blume,

        Aber würde ich nicht die von mir vertretenen, wissenschaftlichen Erkenntnisse unglaubwürdig machen, wenn ich „keinen“ auch persönlich Verzicht üben würde, @Martin Holzherr?

        Nein, meiner nach machen sie sich ohne Verzicht nicht unglaubwürdig. Umgedreht zeigt ihr persönlicher Verzicht ihre persönliche Überzeugung und auch Verantwortungsnahme als Konsequenz ihrer Thesen. Ihre Erkenntnisse bleiben unberührt.

        Wo hingegen ich Ihnen zustimme ist, daß es kein entweder oder des Engagements gibt. Der Grundsatz, “jeder tue, was er zu leisten im Stande ist” (den ich Ihnen in den Mund legen würde 🙂 ) zwingt nicht zur Unterscheidung politischem, sozialen oder persönlichem Einsatz, sondern lässt alle als wichtig stehen.

        Demgegenüber müssen wir nicht nur die gesellschaftlichen und erkenntnistheoretischen Widersprüche aushalten, sondern auch unsere persönlichen Dissonanzen annehmen und “bearbeiten”. Das sie Vegetarier geworden sind, ist gut. Das ich es nicht bin, obwohl ich ihre Thesen unterschreiben würde, ist ok. Das Bewusstsein, dass dies ein Widerspruch ist, führt u.U. in der Zukunft zu einer gleichen Entscheidung, oder nur zu einer Reduktion und nicht zum Verzicht? Wichtig ist ja, wie sie sagen, dass Reaktanz der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu gar nichts führt.

        Ich denke, sie können ein bischen vom Verständnis und dem Langmut den sie anderen Gegenüber aufbringen auch auf sich anwenden. Meiner Meinung macht sie das nicht zu einem weniger guten Beispiel.

        Grüße

        • Danke, @C.Jonas

          Doch, ich glaube schon, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse “verkörpern” müssen – über rein geistige Konstrukte erreichen sie nur sehr wenige und sterben aus. Entsprechend gibt es ja auch die Klischeebilder der verstreuten Professoren, liebenswerten Hippies, aber eben auch der Heuchler, die das Eine verkünden, aber das Andere tun.

          Witzigerweise appellieren Sie am Ende Ihres Drukos ja doch auch wieder an mein Verhalten. Danke dafür. Ich meine jedoch, dass ich an feindselige Dualisten und esoterische Relativistinnen schon viele Tausend Stunden verschenkt habe. Nach meiner Erfahrung hat das nur in sehr wenigen Fällen zu echtem Dialog geführt, meist in immer weiter steigende Ansprüche bis zum Trolling. Daher fahre ich inzwischen einen klareren und knapperen Stil. Es ist meine Zeit und mein Ehrenamt hier und ich habe nicht mehr vor, damit Trolle anzufüttern. Lieber nehme ich mir Zeit für die konstruktiv Beitragenden.

          Beste Grüße zurück!

  4. Was mich etwas zur Kritk an ihrem vertretenem Dualismus in Bezug zur Falsifikation bewegt:
    Widerspruchsfreiheit ist grundsätzlich im Dualismus nicht möglich, sondern ist immanenter Teil des Dualismus. Als Ergänzung zu Russell und Popper.
    Die Falsifikation ist somit ein MUSS im Dualismus,er ist konsistent im Dualismus.
    Ich vermute, es ist die Position,die ich vertrete, um die Dualität zu vertreten.
    Als Feind finde ich Positionen, die mich mit anderen zu Freunden macht und als Freund finde ich weitere Freunde,die mich mit anderen zu Feinden macht.
    Insofern ist der Dualismus auch wissenschaftstheoretisch nicht unerheblich.

    • Das verstehe ich jetzt nicht ganz, @Mussi: In meinem Verständnis wäre Falsifikation ein starkes Argument für Dualität STATT Dualismus! Wir haben auch unsere Vor- und Feindbilder immer wieder zu hinterfragen. Der Dualismus legt sich dagegen essentialistisch & nicht selten Generationenübergreifend auf ein Freund-Feind-Schema fest.

    • Ganz genau, @Mussi! Sie sind ganz dicht dran!

      Auch Blumenberg unterschied schon Dualität und Dualismus (z.B.) auf S. 99 von “Die Sorge geht über den Fluss” feinsinnig so:

      “In der Dualität dieser Sichtweisen und ihrer Lebensstile schlummert ein Dualismus, der jederzeit zu nackter Feindseligkeit auszubrechen vermag.”

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/hans-blumenberg-und-der-dualismus-des-grundes/

      Auch in Zeiten der Zusammenfassungen: Es lohnt, die großen Philosophinnen und Philosophen im Original zu lesen!

      Ihnen Dank und alles Gute!

  5. @Holzherr 07.09. 13:43

    „Ich bezweifle, dass der eigene Konsumverzicht („durch eigenes Verhalten Schaden abwenden“) Probleme wie den Ressourcenfluch, die Massentierhaltung oder das Klimaproblem lösen können.“

    Alleine sicher nicht so viel, aber wenn wir konsequent freie Mittel in die Energiewende investieren, dann wirkt Konsumverzicht mindestens dreifach. Erstmal werden sofort Treibhausgase eingespart, dann reduzieren sich die Ausbauziele, und gleichzeitig werden Mittel an Geld, Rohstoffen und Arbeitskraft frei, um die nötigen Investitionen schneller zu stemmen. Wenn jetzt auch noch besonders energieintensive Konsumarten wegfallen, dann erhöht das nochmals die Wirkung von Verzicht auf Verzichtbares.

    Das mögen unsere Parlamentarier durchweg nicht so sehr, der Staat bei uns ist notorisch an möglichst viel Umsatz interessiert, u.U. einfach weil sich so das Steueraufkommen vereinfacht. Wir müssen diesen Teil der Lösung wohl schon selber anfassen, hierbei auf den Staat zu warten scheint recht zwecklos zu sein. Wenn wir das einfach selber tun, und der Staat wenigstens die Rahmenbedingungen für die Energiewende setzt, dann läuft es aber doch.

    Im Prinzip wundert es mich auch gar nicht, dass unsere Regierenden von Ressourcenfluch und Rentierstaat nichts wissen wollen. Wir brauchen das Öl, und wir müssen es auch irgendwie bezahlen, wofür wir wiederum davon profitieren, wenn die Förderländer eben möglichst wenig selber herstellen können. Dann müssen sie bei uns einkaufen. Wenn das den Preis hat, dass dort Massenarbeitslosigkeit und Diktatur regiert, was solls. Wir haben das Öl und können es auch bezahlen, was genauso wichtig wie das Öl selber ist.

    Wird Zeit, dass wir da aussteigen. Wenn die Energiewende fertig wird, dann können wir eine Wirtschaftsweise ohne diese Abhängigkeiten wagen, und eine Welt fördern, wo auch der globale Süden inclusive der aktuellen Ölländer alles nötige selber herstellt.

    Neben den fossilen Brennstoffen, die ja definitiv verbrannt werden und dann weg sind, können alle sonstigen Rohstoffe im Prinzip und weitgehend auch tatsächlich so gut recycelt werden, dass man auf die Dauer hier auch keinen wesentlichen Bedarf mehr hat.

  6. Ich schlage eine einfachere Erklärung vor- die gerne widerlegt werden darf:
    in den Augen eines größeren (nicht der Mehrheit!) Teils der Bevölkerung leben wir längst in einem Rentierstaat von Beamten und öffentlichem Dienst.
    In dieser “Pätorianergarde” (Hayek) wird das Einkommen nicht nach Leistung, sondern nach Nähe zur Macht verteilt.
    In den Augen dieser AfD-Wähler und ihrer Sympatisanten sind Dinge wie die Ablehnung der genannten Petromaskulinität oder Gendersprache Ausdruck eines Machtspiels der “Elite”. Die “Ausländer” werden dann hereingeholt, um diese “Eliten” zu unterstützen. Nicht dass ich diese Position verträte, aber ich versuche mit der Darstellung dieser Position zu erklären, warum der Ihre Positionen auf Ablehnung stoßen. Ein Oberstudienrat im Ruhestand, Fächer unter anderem Physik und Ethik, erklärte mir neulich: “der menschengemachte Klimawandel ist ähnlich seriös wie der Hexenwahn im 17 Jahrhundert.”
    Ich sehe mit Entsetzen, wie sich die CDU unter Herrn Merz diesem Einfluss öffnet.
    Eine andere Möglichkeit wäre Bonhoeffers Theorie der Dummheit, zu der es ein gutes Video von sprouts gibt. (Die Adresse kann ich hier leider nicht einkopieren, mein Browser spinnt etwas.

    • Danke, @Joachim Fischer!

      Da würde ich nun aber gar nicht widersprechen, denn nach meiner These führt ja Reaktanz zum Dualismus: Das, was mir Angst macht, projiziere ich dann auf „die“. „Sollen die doch erstmal…“, „Da stecken doch die dahinter!“, „Die Globalisten haben das doch so geplant!“

      Blumenberg nannte diese dualistische Abspaltung sogar „infantil“, wogegen die Annahme der je eigenen Verantwortung „reif“ wäre:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/die-psychoanalyse-von-relativismus-dualismus-und-monismus-bei-hans-blumenberg/

      Interessant ist ja dabei, dass sich oft sehr reiche Männer zu Fürsprechern dieses Dualismus machen und „gegen die Eliten“ austeilen (sog. Tyrannophilie abrufen)… Anstatt sich „reif“ zu verhalten, verstecken sich also Dualisten hinter Verschwörungsmythen und einem tyrannischen Anführer… 🤔

      • Guten Abend @Michael Blume,
        1. zum Dualismus ein Hinweis in eine Ecke, in der ich mich sonst gar nicht bewege: Amos Yong “In the days of Caesar “. Eine sehr gediegene Auseinandersetzung mit dem politischen Dualismus Carl Schmitts aus pfingstkirchlicher Perspektive im ersten Teil.
        2. Zur AfD hier ein link https://taz.de/Politologe-ueber-AfD-WaehlerInnen/!5957092/
        3. zur infantilen Haltung des Dualismus. Da gehe ich mit. Carl Schmitt prägte meines Wissens die Formel: “Macht ist Recht.” Nach Kohlbergs entwicklungspsychologischem Modell ist das die moralische Stufe des kleinen Kindes. Das Problem ist, dass diese reichen Männer (und Frauen) sich als enorm reif, weil finanziell erfolgreich empfinden.
        Damit genug für heute.

        • Vielen Dank, @Joachim Fischer!

          Ja, an den erklärten Freund-Feind-Dualismus von Carl Schmitt hatte ich auch schon öfter gedacht, aber die Verbindung zu Kohlberg noch nie gezogen. Vielen Dank, das nehme ich mit! 📚👍

  7. @Michael 09.09. 17:01

    „Sollen die doch erstmal…“, „Da stecken doch die dahinter!“

    Manchmal steckt auch noch was anderes dahinter. Im Falle der Befreiung Kuwaits z.B. ging es vielleicht ja auch darum, die neuesten Waffen auszuprobieren und eine sich bietende Gelegenheit zu einer echten Kriegsübung zu nutzen. Es hätte schließlich wohl gereicht, wenn man nur Truppen stationiert hätte, Saddham hätte allein damit schon keine reelle Möglichkeit mehr gehabt, noch mehr zu erobern.

    Zumindest kann es schon mal Sinn machen, zu überlegen, welche Argumente und Faktoren noch mitspielen.

    „Die Globalisten haben das doch so geplant!“

    Das enthält jetzt ja sogar eine Hoffnung, alles wäre unter Kontrolle. Schön wärs. Hier kocht aber leider in der Tat in weiten Teilen jeder sein eigenes Süppchen, was sich zu richtig gefährlichen Situationen auswachsen kann.

    Darüber hinaus kann man sich auch die Frage stellen, ob nicht die Götter doch noch in der Weltgeschichte mitspielen. Hier wäre eine ziemlich monistische Geisteswelt wohl das, was man bestenfalls hoffen kann. Wiederstreitende Götter mit jeweils eigenen menschlichen Unterstützern wäre eine ungemütliche Variante. Insbesondere wenn die bösere Variante auch noch in der Übermacht ist.

    Wie soll man sich damit verhalten? So geht nichts Vernünftiges mehr. Es heißt dazu dann aber auch: Gottes Wege sind unergründlich.

    Am besten überlegt man sich selber was wirklich Vernünftiges, versucht das dann konsequent umzusetzen und hofft auf möglichst rege Unterstützung aus der Geisteswelt. So kann man jedenfalls definitiv arbeiten.

    • Danke für Ihre Kommentare, @Tobias Jeckenburger !

      Mich würde interessieren, wie Sie sich die von Ihnen erhoffte „möglichst rege Unterstützung aus der Geisteswelt.“ vorstellen. Diese besteht – woraus?

  8. @Michael 10.09. 01:41

    „Mich würde interessieren, wie Sie sich die von Ihnen erhoffte „möglichst rege Unterstützung aus der Geisteswelt.“ vorstellen.“

    Hauptsächlich als Inspiration bei allen beteiligten Menschen. Hier kommt zusätzlich mindestens jedes System in Frage, das sensibel auf Quantenzufall reagieren kann. Dazu kann auch KI gehören, wenn sie statt mit mathematisch generierten Pseudozufallszahlen mit echten Zufallszahlen betrieben wird, die auf Quantenzufall basieren.

    Auch das aktuelle Wettergeschehen mag eine natürliche Komponente haben, in der die Geisteswelt bei Bedarf mitspielen kann. Das kann aber nur lokal z.B. Regenkatastrophen verhindern oder verursachen, nicht den ganzen Klimawandel aufhalten. Jener ist ein Summeneffekt, der sehr schlecht mit Detailmanipulationen aufgehalten werden kann. Hier ist definitiv der tätige Mensch gefragt, die Treibhausgase zu reduzieren. Beten reicht hier nicht.

    So stell ich mir das vor.

    Das ist vielleicht wie beim Pferderennen. Ich kann mitfiebern, dass mein Pferd im Endspurt noch mal Gas gibt, aber es wird nicht abheben, und an den anderen Pferden vorbeifliegen. Das gibts jetzt nur bei Starwars.

    • Danke, @Tobias Jeckenburger! Inhaltlich bewegen sich Ihre Überlegungen damit nah bei der sog. Prozesstheologie, falls Sie sich da mal umschauen wollen. Als Religionswissenschaftler schaue ich ja methodisch agnostisch “nur” empirisch drauf und ordne erkenntnistheoretisch ein.

      Vielen Dank für Ihr Interesse und viel Freude beim Weiterentdecken!

  9. @Michael 10.09. 18:42

    „Inhaltlich bewegen sich Ihre Überlegungen damit nah bei der sog. Prozesstheologie“

    Hier finde ich tatsächlich einiges wieder.

    Aus Wikipedia Stichwort Prozesstheologie:

    „Der Mensch verfügt über keine subjektive (oder persönliche), sondern über eine objektive Unsterblichkeit, in welcher sein Leben für immer in Gott, der alles was ist beinhaltet, weiterlebt.“

    In der Tat sehe ich das sehr ähnlich. Ich meine, dass vergangene Zeit in sich stehen bleibt, und sehe dies nicht nur theologisch, sondern auch physikalisch. Neben einem Universumsblock, der die gesamte Vergangenheit des Kosmos beinhaltet, haben wir eine universale Gegenwart, die seit fast ewig damit beschäftigt ist, aus einer unbestimmten Zukunft voller kreativer Möglichkeiten eben weiter am Block der Vergangenheit zu bauen.

    In diesem irgendwie auch ewigem Block ist unser gesamtes gelebtes Leben weiterhin irgendwie existent.

    „Gott bedient sich nie des Zwangs zur Ausführung seines Willens, sondern ermöglicht eine Welt der Selbstschöpfung,“

    Meisten ja, aber nicht immer. Manchmal sind auch die Götter gefragt, mitzuwirken. Ob das jetzt der General ist, der den Atomkrieg verhindert, weil er einem neuen Satelliten nicht traut. Oder ob es mal extragute Karten beim Doppelkopf sind.

    Zumal ich unser eigenes Leben, insbesondere unser eigenes Bewusstsein, m.E. nicht ohne direkte Anbindung an Geisteswelten für möglich halte. Ich vermute für mich, das weder unsere Biologie noch unsere Psychologie ohne Geistesanbindung richtig funktionieren kann. Das braucht geistige Unterstützung, um stabil zu sein, und um als Teil funktionierender Ökosysteme eben jene selbst zu stabilisieren.

    Das zeigt sich nicht nur an den aktuellen Ökokrisen, die der Mensch verursacht, das gehört vermutlich immer zu einer wirklich funktionierender Biologie dazu. Das Leben insgesamt braucht eine gewisse geistige Pflege, um über Jahrmillionen richtig gut zu funktionieren.

    Wir sind gerade als Menschen dabei, die Ökosysteme in unsere kulturellen Zusammenhänge einzupflegen. Eigentlich ist das in der Biologie normal, nur der Mensch ist hier in den letzten Jahrtausenden als invasive Art zunehmend problematisch geworden. Aber es sieht so aus, als wäre hier ganz aktuell tatsächlich eine Weiterentwicklung im Gange.

  10. @Michael Blume
    07.09.2023, 15:17 Uhr

    Aber würde ich nicht die von mir vertretenen, wissenschaftlichen Erkenntnisse unglaubwürdig machen, wenn ich „keinen“ auch persönlich Verzicht üben würde, @Martin Holzherr?

    Äh, nein. Dein persönliches Verhalten wäre gerade wegen des von Dir vorgebrachten Argumentes hinterfragbar.
    Das Argument selber nicht. Persönliches Falschverhalten im Licht des Arguments ist einfach keine WIederlegung weil es nichts mit dem Inhalt des Arguments zu tun hat.

      • Ich hoffe es war eine gute Idee Dir Deinen Sonntag mit sowas zu verschönen 🙂

        Wenn der aber so zwingend wäre hätten die Residential Schools in Kanada den christlichen Glauben doch ausbomben müssen findest Du nicht? Ich wollte jetzt nicht schon wieder die Hexenverbrennungen ausbuddeln. Da wäre ja schnell das Argument zur Hand das das schliesslich nicht gerade aufgeklärte Zeiten waren. Auch die aktuellen Mißbrauchsfälle sind jetzt nicht gerade der Untergang der christlichen Lehre. Und solche Vorfälle sind jetzt nicht originär irgendwie christlich. Und nicht mal zwanghaft mit Religionen verbunden.

        Warum sollte dann (mal so gesponnen) die Tasache das Du was weiß ich eine 69er Corvette Stingray (was ja nun eher nicht so ist 🙂 ) fährst deine Argumente im Bezug auf Klimaschutz entwerten? Aber vieleicht bin ich auch gerade auf einem ganz falschen Dampfer.

  11. Zum Männerbild des fossilen Maskulinismus – auch Petromaskulinismus genannt – gehört das Beharren auf Verbrennen fossiler Rohstoffe und der Verzehr von Fleisch aus Massentierhaltung.

    Ein Satz, der zuerst mal die Lachmuskeln bewegt und das Wort “Grillmasterin” läßt sich auf Google auch nicht auffinden.

    Aber betrachten wir diese Aussage mal im Lichte der Evolutionstheorie zeigt doch das Wort “fossil” genau in diese Richtung.
    Könnte es nicht sein, daß das Verbrennenkönnen fossiler Rohstoffe – was ja auch die Beherrschung des Feuers beinhaltet – als monokausales männliches Wissen – diesen eine bevorzugte Stellung einräumte? Feuer konnte nicht einfach entfacht werden, sondern mußte über Blitzeinschlag, Buschfeuer, Vulkanausbrüchen oder sonstigen mystischen Naturereignissen abgegriffen und behütet werden.
    Feuerbeherrschung war der erste bedeutende Zivilisationssprung. Nur einige Männer besaßen dieses Wissen und Können und genossen eine privilegierte Verehrung und damit auch Annehmlichkeiten.
    Annehmlichkeiten wollen bewahrt werden und auch den Menschen der Steinzeit darf eine diesbezügliche Kreativität unterstellt werden. . Denke es ist nicht unplausibel das daraus der Schamanismus mit all seinen Folgeerscheinungen seinen Anfang nahm.

    • Vielen Dank für Ihre Anfrage, @Rolf Kurtz 🙏🤔

      Ja, die Bedeutung der Kontrolle von Feuer 🔥 ist in der Evolution des Menschen nicht hoch genug einzuschätzen und wurde hier auf „Natur des Glaubens“ bereits 2010 vorgestellt und diskutiert:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/das-kochen-mit-feuer-in-der-evolution-des-menschen/

      Besonders zu betonen ist, dass die Anwendung von Feuer unseren Vorfahrinnen und Vorfahren nicht nur die bessere Zubereitung von Fleisch ermöglichte, sondern vor allem die Genießbarmachung und bessere Verdauung zahlreicher Pflanzenarten wie zum Beispiel Knollen. Nicht zufällig gehört ja auch der Salat – oft Kartoffelsalat – auch heute noch zu zumal geselligen Fleischspeisen, sowohl daheim wie in Restaurants und am Grill.

      Auch deswegen kann ich Ihre Annahme nicht teilen, die „Feuerbeherrschung“ (Feuer-Be-Herrschung!) wäre exklusiv von „Männern“ ausgeübt worden. Alle vorliegenden Befunde sprechen dagegen und auch etwa die römischen Vestalinnen als Feuerhüterinnen oder die patriarchale Zuweisung von Frauen an „Herd“ & „Herdfeuer“ spricht dagegen. Gerade auch das von Ihnen angeführte Fleischgrillen verweist auf die öffentliche Rolle im Petromaskulinismus und war m.W. nie mit einem Verbot an Frauen verknüpft, im Heim zu kochen, auch zu grillen, Salat beizusteuern u.v.m. Hier bestehen verblüffend große Übereinstimmungen zwischen der menschlichen Feuer- als Kultur- mit der Religionsgeschichte.

      Auch das von Ihnen angeführte Schamanentum kannte und kennt ausdrücklich schamanistische Rollen für Frauen, Männer und Diverse. Auch archäologische Befunde wie auch das Abschmelzen der Größenunterschiede zwischen unseren hominiden Vorfahrinnen und Vorfahren (sog. Dimorphismus) unterstreichen m.E. den Wert von Zusammenarbeit in Vielfalt. Das Feuer verbindet die Evolutionsgeschichte der menschlichen Geschlechter.

      Vielen Dank für Ihr Interesse, bitte bleiben Sie mutig und auch feurig mit uns allen dran!

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