Big Gods von Ara Norenzayan. Evolutionsforschung zur Religion – und zur Säkularisierung
BLOG: Natur des Glaubens
Ara Norenzayan ist einer der führenden Wissenschafler auf dem Feld der interdisziplinären Evolutionsforschung. Dabei verbindet er eine breite Kenntnis evolutionärer Arbeiten mit genial gestalteten Experimenten der Sozialpsychologie. In fruchtbarer Zusammenarbeit mit anderen jungen und hungrigen Forschern erschienen Norenzayans Artikel bereits in führenden Journalen einschließlich der “Science” und wurden auch in Magazinen wie dem SPIEGEL weltweit aufgegriffen. Mit “Big Gods. How Religion transformed Cooperation and Conflict” veröffentlicht der Psychologieprofessor an der Universität von British Columbia seine Synthese evolutionärer und kognitionspsychologischer Erkenntnisse.
Das Werk ist ein Durchbruch mit dem Potential, die wissenschaftliche Perspektive einer Generation auf Religion und Säkularismus zu verändern!
Lassen Sie uns mit dem Stil beginnen: “Big Gods” ist pure, empirische Wissenschaft. Norenzayan dient sich weder religiösen noch atheistischen Erwartungen an, noch betätigt er sich philosophisch oder inszeniert Schlachten mit Kollegen. Was er über seine persönliche Motivation preisgibt ist seine Kindheit in Beirut im Libanon. Hier erlebte er sowohl die sozialen wie gewaltbereiten Potentiale menschlicher Psychologie und religiösen Glaubens. Statt vorgefertigten Annahmen und Vorurteilen zu folgen, schleppte er diese zur empirischen Überprüfung ins Labor, bis er ein haltbares, evolutionäres Bild von Religion geschaffen hatte.
Damit kann Norenzayan einen weiter vervollständigten, kognitiven Ansatz von Religiosität präsentieren, der diese als biokulturelles Werkzeug von Vergemeinschaftung erfasst. Er argumentiert, dass es als ein Nebenprodukt menschlicher Kognitionen wie der Überwahrnehmung von Wesenhaftigkeit (agency detection) und Mentalisierung (dem Erstellen von Theories of Mind) begann, die schließlich zu einer Welt voller mythologischer Akteure wie weiterwirkender Ahnen, beobachtender Geister und, später, Götter führte.
Da “beobachtete Menschen nette Menschen” seien, evolvierte Religiosität zu einem sozialen Werkzeug, um die Kooperation innerhalb der Gruppe zu stärken. Um Trittbrettfahrer abzuwehren, hätten religiöse Netzwerke und Gruppen begonnen, Tätigkeiten zu adoptieren, die glaubwürdiger als bloße Worte seien: Credibility-enhancing displays (CREDs), deutsch etwa: Glaubwürdigkeit steigernde Darbietungen wie Gebete, Opfer und kostspielige Gebote, die “echte Gläubige” von denen unterscheiden, die bestenfalls Lippenbekenntnisse ablegen.
Norenzayans Thesen stimmen mit archäologischen und ethnologischen Befunden zur Ko-Evolution zunehmend mächtiger und moralisierender Gottheiten mit größeren Gruppen und agrarischen Siedlungen überein. Gleichzeitig werden beide Seiten der religiösen Medaille sichtbar: Während religiöse Gläubige befähigt wurden, stärkere, größere und beständigere Gemeinschaften zu errichten, wurden sie auch zunehmend intolerant gegenüber Außenstehenden und vermuteten Abweichlern. Indem Norenzayan eine Reihe von Experimenten zu anti-atheistischen Vorurteilen präsentiert, kann er zeigen, dass Nichtglaubenden auch in heutigen Gesellschaften häufiger mit Mißtrauen begegnet wird. Weitere historische wie psychologische Studien zeigen auf, dass religiöse Traditionen sowohl Konflikt- wie Friedensbereitschaft fördern können.
Schon jetzt wäre Norenzayans Werk eine mehr als bemerkenswerte Ergänzung zu bestehenden Definitionen und Thesen gewesen; doch er hat noch weit mehr zu bieten! In seinen abschließenden Kapiteln widmet er sich neuen, empirischen Befunden – von denen einige auch hier auf dem Blog schon vorgestellt wurden – zum Abschmelzen religiösen Glaubens in sicheren, wohlhabenden und gebildeten Gesellschaften sowie dem folgenden Aufstieg von Säkularismus und Atheismus. Kurz gesagt kann Norenzayan zeigen, dass wohlmeinende und vertrauenswürdige “big Governments” in der Lage sind, die “big Gods” in vielerlei Hinsicht zu ersetzen. “Gemeinsam mit säkularen Institutionen, die die kooperativen Mechanismen am Laufen halten, wird existentielle Sicherheit zum Nemesis der Religion” (S. 186). In einer kraftvollen Metapher, die geeignet ist, weithin zitiert zu werden, formuliert Norenzayan dass “säkulare Gesellschaften die Leiter der Religion herauf kletterten und dann verwarfen.” (S. 172)
Schließlich ist der Wissenschaftler ehrlich genug, um “die Achillesferse der Säkularisten” zu benennen: Die religiöse Demografie (S. 192). So weit wir zurück schauen können haben es nur religiöse Gemeinschaften geschafft, Geburtenraten oberhalb der Bestandserhaltungsgrenze beizubehalten. Wo immer sich religiöse Glaubenssysteme auflösten folgte auch der Niedergang von Familienstrukturen. Daher werden zukünftige Debatten und Studien wohl das Rätsel menschlicher Motivation behandeln. Es scheint, dass wir kognitiv Gebote (wie Gemeinschaften beizutreten oder kostspielige Kinder zu haben) eher von bewussten Wesen als von bewusstlosen Prozessen annehmen.
Ohne Zweifel ist “Big Gods” ein wissenschaftlich wegweisendes und herausragendes Buch, das das psychologische und evolutionäre Verständnis von Glauben und Säkularisierung zu neuen Höhen und Fragen katapultiert. Ich kann es wirklich nur allen empfehlen, die sich für die Evolution des Menschen, für Psychologie und Religionswissenschaft interessieren.
* Eine englische Version dieser Rezension erscheint auf “Evolution: This View of Life”.
Spannend
Hab das Buch auch gerade auf meinem Nachttisch liegen. Bin schon ganz versessen darauf, es zu beenden. Hoffe, dass es mir hilft, meine weltanschaulichen Affekte noch ein wenig weiter zu zügeln und finde auch, dass es ein ausgesprochen einleuchtendes und großartiges Stück Arbeit ist.
Auf der anderen Seite hab ich mir den aktuellen PNAS-Artikel von Peter Turchin (War, space and the evolution of Old World complex societes) daneben gelegt, der sogar noch in der „Supporting Discussion“ herrlich anregend ist.
Und dann gibt es noch diesen aktuellen Artikel in der Science (Reading Literary Fiction Improves Theory of Mind), bei dem mich vor allem der letzte Satz des Abstracts zum Nachdenken angeregt hat „More broadly, they suggest that ToM may be influenced by engagement with works of art.“
Wenn ich mir als interessierter Laie diese aktuelle Forschung auf der Zunge zergehen lasse, frage ich mich, ob man die kulturelle Evolution der „Big Gods“, der Institutionalisierung der Gesellschaft und auch der Kunst aber auch geographische Bedingtheiten überhaupt getrennt voneinander betrachten sollte (kann?), wenn man die Entstehung großer, relativ stabiler Gesellschaften realistisch beschreiben will.
Bin total gespannt, wo wir in 10 Jahren stehen! Das geht ja alles derzeit so zügig voran!
@Tom
Ja, das trifft es (und ohne zuviel zu verraten: Norenzayan nutzt für einige Experimente sogar bereits Kunstwerke! 😉 )!
Tatsächlich erleben wir derzeit nach Jahrzehnten weitgehender Stagnation geradezu eine Explosion evolutionären und empirischen Fortschritts in der Religionswissenschaft. “Big Gods“ markiert dabei auf jeden Fall einen neuen Meilenstein.Ob und wie schnell sich diese Befunde durchsetzen und wohin die Reise weiter geht – ich bin glücklich, in dieser Zeit leben und (mit-)arbeiten zu können. 🙂
Die Erkenntnis hier scheint ja nicht weit von Dan Dennetts “Breaking the Spell” zu liegen. Religion, geboren aus unserem natürlichen Hang, Akteure zu suchen, werden zu wichtigen Nuklei der Gesellschaft, motivieren zu Leistungen, die weit über ein Menschenleben hinaus weisen und ermöglichen die Entmenschlichung “Ungläubiger” bzw. Andersgläubiger die ebensoweit über das normale Maß hinaus geht.
No need for gods any more
Ein Michael Bond (nicht Blume, auch nicht 007) schreibt im New Scientist unter dem Titel No need for gods any more über das oben vorgestellte Buch von Ara Norenzayan und bringt noch einen interessanten Aspekt hinein, nämlich den, dass es auch Ausnahmen gibt, was die Säkularisierung der fortgeschrittenen Gesellschaften angeht. Eine solche Ausnahme ist die USA:
“None of this explains why the US, one of the most economically developed countries in the world, is still among the most religious, where more than 90 per cent of people believe in God and close to half in a literal interpretation of Genesis. The US, an outlier in this, is a reminder that religion is about more than cooperation, that belief thrives perhaps because it eases deep existential anxieties where reason and logic cannot help.”
@Peter Jakobs
Ja, diese Grundskizze findet sich ja schon bei Charles Darwin. Was jetzt dazu kommt, sind die empirisch und v.a. auch experimentell geklärten Details: Welche Anreize führen zur Wahrnehmung und Mythologisierung von höheren Wesen? Warum sind Frauen durchschnittlich religiöser als Männer? Welche Aspekte religiösen Verhaltens wirken auf (In-)Toleranz? Unter welchen Bedingungen fassen Menschen Vertrauen bzw. schotten sich ab? Und schließlich: Wenn wir doch geborene Homo religiosus sind, wie kommt es dann zu so schnellen Sakularisierungsprozessen?
Das Darwin-Dennett-Bild kriegt nun endlich 3D – samt neuer Diskussionsverläufe und Fragen, z.B. zur Demografie! 🙂
wo liegt das Problem
Wo liegt eigentlich das Problem, das säkuläre Gesellschaften, auch wenn es noch nie wirklich welche gab, weniger Kinder produzieren? Vielleicht ist man sich ja in einer halbwegs säkulären Gesellschaft bewußt, das die Erde nur endlich Ressourcen bietet, die kein höheres Etwas ersetzen kann.Aussterben wird die Menschheit, dadurch in absehbarer Zeit zumindest durch zu wenig Kinder, nicht.
@Maitol
Problematisch ist der bislang ausnahmslose Kindermangel von Säkularen tatsächlich wohl nur für diejenigen, die von einer völlig religionslosen und dennoch zukunftsfähigen Gesellschaft träumen. Und evolutionär ist der differentielle Reproduktionserfolg über mehrere Generationen hinweg schlicht der Goldstandard der Fitness: Religiosität erweist sich damit als potentiell adaptiv.
Ob das Ganze zu einer Polarisierung religiöser und säkularer Milieus führt oder zu versöhnter Vielfalt könnte eine der Grundfragen des 21. Jahrhunderts werden – oder schon vorbewusst sein.
@Martin Holzherr: USA
Ja, auch die US-Daten passen dann prima ins Bild, wenn man den Grad der existentiellen Unsicherheit (durch Einkommensgefälle, fehlende Krankenversicherung, Kriminalität) einbezieht. Die entsprechenden Korrelationen sind sogar im Vergleich zwischen US-Staaten sichtbar!
Und damit wird dann auch klar, warum die radikale Rechte so verbissen gegen Obamacare kämpft – verbesserte Sozialsysteme führen auch dort zur Schwächung oder gar Auflösung staatsfernerer Gemeinschaften und gelten als Vorstufe zum Sozialismus! Die Old Order Amish haben sich daher von Anfang an – erfolgreich – den staatlichen Systeme verweigert.
Das Problem bei dieser Aussage ist halt, dass es areligiöse Gesellschaften nie in einem für die Gegendarstellung notwendigen Maß gab, und das wissen Sie auch, Herr Dr. Blume, zumindest deshalb, weil es Ihnen bereits vom Schreiber dieser Zeilen mitgeteilt worden ist.
Wenn Sie dahingehend konform gehen könnten, dass auch die Bindung an zivilisatorische Standards letztlich durch eine Art Glaubensentscheid zu erfolgen hat (Hume’s “Gesetz” folgend), dann müssten Sie und Ihr Kommentatorenfreund nun warten und bspw. bestimmte weitgehend areligiöse Gesellschaften beobachten, um erst später zu beurteilen.
MFG
Dr. W
Das ist leider einfach falsch, lieber @Webbär.
Entschieden atheistische Bewegungen sind schon für die griechische und indische Antike belegt. Allein im 19. Jahrhundert fanden in den USA Dutzende säkulare (sozialistische, humanistische, anarchistische usw.) Versuche statt – sogar in Bayern gab es solche Kommunen.
Vom 20. Jahrhundert dann ganz zu schweigen!
Gerade aber die Kurzlebigkeit all dieser Versuche hat dazu geführt, dass sie im historischen Gedächtnis kaum präsent sind – jeder kennt die Mormonen, kaum jemand die Ikarier…
Mehr als 50% aller Menschen, die seit Christi Geburt auf die Welt gekommen sind, leben heute noch.
Die oft wiederholte Aussage von Michael Blume:
bekommt damit einen ganz anderen Sinn:
1) worauf Dr. Webbaer schon hingewiesen hat: Die heutige Situation ist einmalig und lässt sich mit keiner Vergangenheit vergleichen.
2) Die ungeheure Menschenvermehrung in den letzten beiden Jahrhunderten ist nicht durch die Religion sondern durch Entwicklungen in der säkularen Gesellschaft zustande gekommen. Sie ist vor allem den Wissenschaftlern und Technikern zu verdanken. Und diese sind typischerweise keine grossen Kirchgänger
3) Vor allem die stark religiösen Gemeinschaften haben viele Kinder. Nicht selten leben die meisten Mitglieder solcher Gemeinschaften von der Sozialhilfe. Die säkulare Gesellschaft hilft diesen Sekten also dabei, ihren Bestand zu vergrössern
4) Nicht wenige stark religiöse Gemeinschaften sind von unserer von Wissenschaft und Technik geprägten Gesellschaft entfremdet. Sie sind keine verantwortlichen Citoyen, sondern gefährden die “Zivilisation”.
5) Das Bestreben die Population zu vergrössern gab es bis vor kurzem auch unter Nichtreligiösen, wobei die Motivation der Glaube an einen Machtgewinn durch ein grösseres Volk war. China war das erste grosse Land, das nicht mehr daran glaubte. Im Iran aber verbindet der Ayatollah das Bevölkerungswachstum immer noch mit Machtzuwachs. Seine Aufforderung zur Vermehrung ist wohl letzlich der Wunsch nach Suprematie des iranischen Volkes über seine Nachbarn. Auch Erdogan hat wohl dieses klassische Motiv, wenn er seine Landsleute auffordert mindestens 3 Kinder zu haben. Wenn das Motiv für eine stark reproduzierende Bevölkerung der Machtgewinn ist, dann werden Menschen als Machtmittel eingesetzt und Krieg und Eroberungszüge werden in Kauf genommen oder sogar angestrebt.
6) Die Werte der westlichen Gesellschaften mit der Betonung von individueller Freiheit, Erfüllung in der Arbeit und im Konsum sind ebenfalls einmalig in der menschlichen Geschichte. Sie sind ein wichtiger Grund für die geringe Reproduktionsrate. Diese Lebensorientierung ist aber nicht nachhaltig und muss irgendwann durch etwas vernünftigeres abgelöst werden.
Aber eben doch Gruppen überschaubarer Größe, bei geringer Teilnehmerzahl also; kleine Gruppen haben grundsätzlich Persistenzprobleme.
Jetzt aber kann bspw. auf Ostdeutschland, Tschechien und China geschaut werden, wie sich diese Gesellschaften entwickeln.
BTW, die Fertilitätsraten des Irans, der Türkei und Ägyptens gehen auch in den Keller, schaun’S mal beim Google Data Explorer nach.
Von einer Säkularisierung der genannten drei Gesellschaften kann kaum gesprochen werden, was dann aber nicht für die Theorie spricht, dass die Bestandserhaltung der Primaten die Religion benötigt.
MFG
Dr. W
Was mich bei der Korrelation von Geburten und Religiösität stört ist, es gibt so viele Korrelationen zwischen Glauben und Umgebung z.B Land vs Stadt, Familienbild, Einkommen, Werte e.t.c. Das es schwer ist da das richtige rauszupicken.
@ Michael Blume – Anfrage
In Ihren Blöggen geht es immer wieder mal um die Evolution der Religion. Wo liegen hier offiziell die Wurzeln?
Eine Variante wird hier angeboten: http://www.welt.de/wissenschaft/article114696979/Was-Religion-mit-Intelligenz-zu-tun-hat.html .
Hier wird mehr auf unsere Zeit eingegangen: https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/woran-glauben-sie-br-film-und-blog-zur-evolution-der-religion/ .
Eine andere Variante wird hier beschrieben: http://community.zeit.de/user/diego448/beitrag/2011/01/05/die-wahren-wurzeln-der-religionen-evolution-und-religionen-der-gr%C3%B6%C3%9F
@Webbär beachten Sie den logischen Zirkel: Dass Sie sich auf die “überschaubare Größe” bislang aller nichtreligiösen Versuche berufen, liegt ja gerade daran, dass deren Erfolg stets von kurzer Dauer war. Auch die Mormonen fingen mit einer Handvoll an – die Ikarier gar mit mehreren Hundert… Dass einige Religionen zur kinderreichen Millionengrösse anwuchsen, die nichtreligiösen Zeitgenossen aber nie, ist doch genau der erwähnte Befund!
Die heutigen Daten auch der erwähnten postsozialistischen Regionen sind sehr eindeutig und je weit unter der Bestandserhaltungsgrenze.
Der massive Geburtenrückgang in der islamischen Welt war auf dem Blog mehrfach Thema, Sie haben dazu auch jeweils kommentiert. Ebenso wurden die komplett kinderlosen Shaker vorgestellt. Beachten Sie bitte, dass religiöse Bewegungen sich demografisch sehr unterschiedlich bewähren und niemand behauptet, sie wären allesamt gleichermaßen erfolgreich. Die Beobachtung ist: Religionen können demografisch mehr oder weniger erfolgreich sein, nichtreligiöse Populationen scheiterten bislang immer…
Ja, der Mensch ist schon ein besonderer Primat, u.a. ein sinnsuchender Homo religiosus! 😀
@Zoran Jovic
Sie sagen es! Und im Blog kann man immer nur Einzelaspekte darstellen und diskutieren. Ich hoffe, in Zukunft einmal etwas Umfassenderes vorstellen zu können.
@Klaus Deistung
Hier auf meinem Blog stelle ich jeweils den Forschungs- und Diskussionsstand der wissenschaftlichen Evolutionsforschung dar, zu dessen internationalen und interdisziplinären Netzwerken ich ja auch selbst beitrage. Der o.g. Prof. Norenzayan vertritt also nicht nur eine Einzelmeinung, sondern einen zunehmend stark begründeten Konsens der beteiligten Forschenden. Und selbstverständlich ist dieses Bild nie “fertig” – das ist Evolutionsforschung nie, sie entwickelt sich immer weiter. Aber für die kommenden Jahre dürfte Norenzayan m.E. die Benchmark sein.
Tja, da war er wieder, der lästige Unterschied zwischen Korrelation und Ursache 😉
Herr Dr. Blume
Und wenn dieser Sinn verloren geht, klappt es auch nicht mehr mit dem Kinderkriegen, was naheliegend scheint.
Allerdings, allerdings, sind es nicht nur Religionen, sondern auch Weltanschauungen, die sinnstiftend sein können. So haben bspw. beide ehemals in D bestehenden Sozialismen wenig Probleme gehabt mit dem Bestandserhalt, auch heute stammen noch viele aus der “Ein Kind für den Führer”[1]-Generation und tragen passende Vornamen.
Ausgeweitet auf Weltanschauungen, haben bspw. der Liberalismus, der die modernen aufklärerischen Gesellschaftssysteme im Kern bestimmt hat, und der Sozialismus Zähigkeit bewiesen.
Aber gut, Sie sind nicht so-o für die Aussage erreichbar, dass bzgl. des Bestandserhalts areligiöser Gesellschaften erst einmal abgewartet werden sollte. [2]
Das ist nun verstanden worden.
MFG
Dr. W
[1] das hieß wirklich so früher
[2] bevor in diese Richtung weitergehend theoretisiert wird
Lieber @Webbär,
klar haben wir uns auch politische Bewegungen wie den Sozialismus, Nationalsozialismus etc. angeschaut. Und ganz abgesehen davon, dass diese Regime je kein Jahrhundert überdauerten, waren Sozialismen allenfalls erfolgreich darin, Geburtenraten “zu senken” (z.B. in China). Wo sie sich in der Steigerung von Geburtenraten versuchten – z.B. in Rumänien unter Ceaucescu – waren die Ergebnisse verheerend!
Aber selbstverständlich haben Sie Recht, dass sich in Zukunft immer auch andere Befunde ergeben können. Sie liegen bislang nur einfach nicht vor und bislang konnte mir noch niemand eine auch nur einigermaßen vielversprechende nichtreligiöse und zugleich kinderreiche Bewegung benennen. Aber ich habe dennoch klar gestellt, dass es sich hier “nicht um ein Naturgesetz, sondern nur einen historischen Befund” handele:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/kinderflaute-bei-den-s-kularen-religionsdemografie-im-diesseits/
Herr Dr. Blume,
wenn der Schreiber dieser Zeilen richtig in Erinnerung hat, befürworten Sie auch Veranstaltungen wie die Stiftung Weltethos [1], damit die Leutz überhaupt an etwas glauben. – Ohne jetzt warme Worte für das genannte Vorhaben finden zu wollen: Wichtig ist es schon, dass nach Sinn gesucht wird; gerne auch areligiös.
MFG
Dr. W
[1] eigentlich mögen Sie unter den Religionen nur den traditionalistischen Katholizismus nicht so-o, wie kommt’s?, oder Scientology…
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