Blume & Ince 6: Alevitentum in Deutschland

Prof. Dr. Inan Ince und ich freuen uns über immer mehr Rückmeldungen zu unserem Podcast, auch immer mehr Kommentare auf diesem Blog. Aus einem in den Drukos geäußerten Vorurteil gegenüber Alevitinnen und Aleviten entstand daher auch die Idee zu einer Doppelfolge über unsere beiden religiösen Traditionen – über Alevitentum und Protestantismus. Heute gingen wir mit “Alevitentum in Deutschland” online.

Af einem Holztisch liegt ein blauschimmerndes Armband mit sorgfältig aufgeklebten Gesichtern vom Namensgeber der Aleviten, Ali ibn Abi Talib, Nachfahren von ihm und einem undeutlichen, verborgenen Imam.

Das im Podcast besprochene, alevitische Armband aus Filderstadt mit Ali ibn Abi Talib, Nachfahren (“Imamen”) und einem verborgenen bzw. wiederkommenden Imam.
Foto: Michael Blume

Diesmal war mein Mikrofon etwas dominant, aber Inan arbeitet schon daran, dass wir in den kommenden Folgen auch da wieder Parität hinbekommen. Uns ist es aber wichtig, dass der Charakter des spontanen Dialoges erhalten bleibt. 

Fotokachel mit Dr. Michael Blume (links) und Prof. Dr. Inan Ince (rechts) für den Podcast "Blume & Ince"

Blume & Ince Folge 6: Alevitentum in Deutschland. Foto: Inan Ince

Über Kommentare, Anregungen und Fragen im Hinblick auf kommende Folgen freuen wir uns sehr!

Avatar-Foto

Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

4 Kommentare

  1. @Podcast Nr. 6

    Das Alevitentum scheint ja recht modern. Keine Buchstabengläubigkeit, Wissenserwerb, Eigenverantwortung, Anerkennung Andersgläubiger und Dialogfähigkeit sind ja nun alles Pluspunkte.

    Insbesondere die Kombination von Eigenverantwortung und insbesondere weltlichem Wissenserwerb sind nun ganz aktuell auch ganz wichtig. Unser Klimaproblem lässt sich nicht wegbeten, beten könnte man hier höchstens dafür, dass die Menschen ihre eigene Wissenschaft ernst nehmen.

    Darüber hinaus bin ich auch gegen eine „Flache Kultur“, das wäre mehr als nur langweilig. Die Wissenschaft hat es noch lange nicht geschafft, auch Geisteswelten auszumachen und genauer zu beschreiben. Hier ist Platz für Überlieferungen, das dann aber besser ohne Konkurrenz bis aufs Messer, sondern lieber als eine Basis für weiterführende Überlegungen.

    Ein Gott, der nicht eingreift, ist insofern unpraktikabel, wenn man denn auch Inspirationen aller Art als ein Eingreifen ansieht. Darüber hinaus könnte man die eigentliche Substanz unseres Bewusstseins als eine geistige Entität ansehen, die im Gehirn nur eine materielle Seite in Beschlag nimmt, ohne selbst reines Material zu sein.

    So z.B. stelle ich mir einen Dialog vor, wie man aus Überlieferung etwas Modernes machen könnte.

    Insbesondere die Eigenverantwortung ist wiederum eine Basis dafür, sich wirklich in einem Thema kundig zu machen, und entsprechend genau zu wissen, was jetzt als vernünftige Maßnahme sinnvoll ist. Wenn dann die Verbindung zum ganzen Kosmos dazukommt, dann steigen die Chancen, dass das einerseits auch tatsächlich gemacht wird, und andererseits auch noch von Geisteswelten selber unterstützt wird, soweit das möglich ist zumindest.

    Sich einfach nur mutmaßlich gottgefällig zu bewegen, um dann im Jenseits besser dazustehen, ist glaube ich nicht wirklich viel. Wenn dann noch buchstabengenaue Schriften ohne weitere Prüfungen an der aktuellen Realität herangezogen werden, dann kommt da nichts Gutes dabei heraus, fürchte ich.

    Angesichts der Vielfalt der religiösen Varianten ergibt das weder prinzipiell etwas Einheitliches, noch eine angemessene Reaktion auf aktuelle Probleme, und natürlich jede Menge Anlass zu dualistisch motivierten Glaubenskriegen.

  2. Dr. Webbaer hat gerne in den sog. Podcast reingehört, dankt Herrn Dr. Inan Ince für seine Erläuterungen [1], kennt das Alevitentum, aus eigener Erfahrung, Aleviten in persona kennend oder besser : gekannt habend, abär vglw. intensiv, die (diese Erfahrung) sich mit dem dankenswerterweise Berichteten deckt, ergänzt wird nun so :

    1.)
    Der Schreiber dieser Zeilen schrieb von einem ‘großen Ajatollah’, der Aleviten und Alawiten dem Schiismus zugeordnet hat, nicht von einem Großajatollah.
    Auch sind keine Vorurteile entstanden, die per se ablehnungsbedürftig wären, sondern begründete, substantiierte Zwischenurteile. [2]

    2.)
    Aleviten handeln nicht im Rahmen der Scharia und nicht dschijadistisch; neigen als verfolgte Minderheit auch zur diesbezüglichen Vorsicht.

    3.)
    Die Neigung zu Musik und Tanz, auch zur Bebilderung ist gegeben.

    4.)
    Moscheen gibt es nicht, es gibt kein regelmäßiges zusammenes Beten, sondern Gemeinschaftshäuser, wobei der Hang sich persönlich zu treffen nicht sehr stark ausgeprägt ist.

    5.)
    Insofern könnte (oder : solte) das Alevitentum dem Islam zugeordnet werden, aber dann womöglich einer günstigen Beschau.

    6.)
    Persönliche Erfahrungen des Schreibers dieser Zeilen gab es en masse, sie werden “ganz locker und ohne allgemeine Richtigkeit behauptend” nun so in einer Unterliste beigebracht :

    a) Aleviten sind nicht konfrontativ, sie neigen, in neuer Umgebung sozusagen, zum Kollektivismus und zum Sozialismus.
    b) Ihre selbst jahrhundertelang erlebte Verfolgungserfahrung führt sie oft nicht zur Ablehnung strenger anderer islamischer Sichten.
    c) Sie sind nicht selten streng in Rollenbildern sozial gefangen und haben nicht durchgehend ein positives Verhältnis zur wie hier gemeinten Aufnahmegesellschaft.
    d) Das Frauenbild und auch weitere Bilder, Ideen, die dort getragen werden, entsprechen nicht, widersprechen, den heutigen Bildern moderner liberaler Demokratie.
    e) Was (siehe “d”) nicht sonderlich schlimm sein muss, aber kritisiert werden könnte, insbes. wenn heutzutage sozusagen politisch korrekte und sozusagen woke Zeit ansteht und (ein kleines lol an dieser Stelle) nicht mehr weg gehen wird.
    Vielleicht kann hier passend mit christlichen sogenannten Pietismus verglichen werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    [1]
    Und für die Erläuerungen des werten hiesigen Religionswissenschaftlers.

    [2]
    Urteile, Endurteile, soll denjenigen überlassen bleiben, die meinen sich so passend erheben zu können.
    In dieser zweiten Fußnote plädiert Dr. Webbaer also auch hier für Zwischenurteile, im Rahmen der Erkenntnis, die nicht (absolutes) Wissen meint.

    • Lieber @Webbaer,

      wenn Sie tatsächlich das Alevitentum schon kannten und mit der Formulierung vom „großen Ayatollah“ nicht irrtümlich vom Rang eines Grossayatollahs ausgingen, so muss ich Ihnen in aller Verbundenheit sagen: Die Lust am sprachlichen Zündeln 🔥 rechtfertigt weder die Verunglimpfung religiöser Minderheiten noch das Anpreisen von Diktatoren, Massenmördern und Antisemiten als „groß“. Alevit:innen erfahren reale Diskriminierungen und im Iran werden Menschen – vor allem auch aufbegehrende Frauen – unterdrückt, gefoltert und ermordet.

      Mit Wissen geht darüber auch eine Verantwortung einher, @Webbaer. An diese möchte ich Sie gerne freundlich, aber bestimmt erinnern.

      Mit dialogisch-monistischen Grüßen

      Michael Blume

      • Dr. W würde ja auch kritisch zu strengen, bibeltreuen Christen vortragen, stets (aus eigener Sicht) um Fairness bemüht, um Angemessenheit (vs. ‘Zündeln’ (und die ‘Lust’ dazu)), sicherlich gibt es auch Christenverfolgung.
        Oder zu Hindus oder zum Dalai Lama, dessen Buddhismus nicht mit “unseren” Ideen und Werten übereinstimmen, gerade auch die Frauen meinend – und hat so auch bereits getan.
        Auf jeden Fall vielen Dank für die Freischaltung des Kommentars, lieber Herr Michael Blume! – Dr. W hat sich so auch mit einigen Jesiden (Liegt dort ein Kastensystem vor?) und eben (vglw. vielen) Aleviten auseinandergesetzt.
        Wobei Dr. W jetzt nicht in die Defensivität gelangen wollte, er es Ihnen zuliebe, sozusagen, abär getan hat.

        Wenn Sie kritische Nachricht zum sozusagen Postreligiösen wünschen, könnte Dr. W auch hier “nachkarten”, “nachhaken” und “nagen”.
        Es gibt da schon, aus liberaler Sicht, die sich aufklärerisch dünkt, Kritikpunkte.

        Mit freundlichen Grüßen und weiterhin viel Erfolg, vielen Dank für diesen “Podcast”, gerne so auch an Herrn Dr. Inan Ince weitergeben
        Dr. Webbaer (der halt ein Schwätzer ist)

Schreibe einen Kommentar