Verschwörungsfragen 22: Antisemitismus auf Amazon und das Werk von Elie Wiesel

Bereits letztes Jahr hatte ich die menschenfeindlichen Entgleisungen auf Facebook – auch als Folge von dessen Geschäftsmodell – angesprochen. Diese Debatte hat inzwischen auch den Konzern selbst erreicht. Doch die digitale Radikalisierung des Buchmarktes via Amazon ist vielleicht “leiser”, aber deswegen nicht ungefährlicher. In dieser Podcast-Folge frage ich, wie glaubwürdig es ist, dass die Werke des Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel inzwischen auf Deutsch weitgehend vergriffen sind – aber gleichzeitig antisemitische Werke, die auch ihn verhöhnen, digital beworben werden. Ich bitte um mehr Unterstützung für entsprechende Empfehlungen im Landtagsbericht BW gegen Antisemitismus – und für lauteres Eintreten für zivilen Anstand auch gegenüber großen Konzernen.

Die Podcast-Folge 22 finden Sie wie immer hier auf podigee sowie via Spotify, Deezer, iTunes und YouTube.

Eine pdf-Textversion von Verschwörungsfragen 22 finden Sie zum kostenfreien Download hier – und die Episode im Folgenden auch als Blog-Fließtext:

Lassen Sie mich trotz des schweren Themas diese Folge positiv beginnen. Als ich letztes Jahr meinen Facebook-Account schloss, sorgte dies noch für Aufsehen und ging hinauf bis in die nationalen Nachrichten. Viele Menschen hatten noch nie davon gehört, wie der Internet-Konzern unseren lokalen Medien Aufmerksamkeit und Werbeeinnahmen auch dadurch entzog, dass er Radikalisierung und Hass duldete. Für mich persönlich war die Grenze erreicht, als Facebook die rechtsextreme Seite BreitbartNews nicht nur hofierte, sondern wie seriöse Medien auch an Werbeeinnahmen beteiligte. Noch im Juni 2020 teilte US-Präsident Donald Trump per Twitter einen antisemitischen Breitbart-Verschwörungsvorwurf gegen den jüdischen Milliardär und Holocaust-Überlebenden George Soros.

Gleichzeitig bewirkt das Schwinden lokaler Medien, dass sich sehr viele ehrenamtlich Aktive in Städten und Gemeinden, in Vereinen, Religionsgemeinschaften und kleinen Unternehmen medial gar nicht mehr „wiederfinden“. Die demokratische Grunderfahrung der Selbstwirksamkeit geht der Kommunalpolitik verloren. Der Ort vor Ort, an dem das reale Leben stattfindet und sich Politik nicht als Ideologie, sondern in der täglichen Praxis bewährt, fällt aus der Wahrnehmung. Aus US-Regionen ohne lokale Medien wissen wir, dass die Beteiligungen an Wahlen und Kandidaturen sinken und die politischen Lager extremer werden. Im Landtagsbericht gegen Antisemitismus habe ich bereits laut darauf hingewiesen: Wenn die lokalen Medien sterben, nimmt die kommunale Demokratie mit ihnen Schaden und Verschwörungsglauben gegen „die da oben“ greift um sich. Den Wert seriöser, lokaler Medien begreifen viele leider erst dann, wenn es sie nicht mehr gibt.

Doch wachsende Teile der Zivilgesellschaft und auch Kundschaft sind aufgewacht. So erhielt der „Borat“-Komiker Sacha Baron Cohen für eine massiv kritische Rede bei der Anti-Defamation League (ADL) gegenüber Facebook und Mark Zuckerberg breite Zustimmung. Inzwischen wenden sich auch Mitarbeiter und immer mehr Werbekunden gegen den pseudo-liberalen Ansatz des Konzerns, der an der Verbreitung von Hass weltweit verdient und die demokratische Zivilgesellschaft dann auch noch zynisch zu „Counter-Speech“ aufruft.

Für den Schaden, den es anrichtet, muss sich Facebook mehr und mehr verantworten. Und Twitter hat zum Beispiel zu Recht begonnen, auch Falschnachrichten prominenter Politiker zu markieren und die Accounts von Antisemiten wie des österreichischen Identitären Martin Sellner still zu legen. Watson.de berichtet von einem ganzen national-extremistischen Netzwerk, das von Twitter stillgelegt worden sei. Entsprechend gibt es Ausweichbewegungen zu anderen Netzanbietern wie Mastodon, Telegram und BitChute. Zivilgesellschaften, Rechtsstaaten und Unternehmen sind eben „nicht“ machtlos gegen den Hass.

Doch stellen Sie sich bitte einen Moment vor, in Ihrer örtlichen Buchhandlung gäbe es eine Ecke für Antisemitismus und Rechtsextremismus. Dort würde die widerlichste Literatur etwa der Holocaust-Umdeutung und –Leugnung nicht nur aktiv angeboten, sondern auch beworben.

Und mehr noch: Die müffelnde Kundschaft dieser blaubraunen Ecke würde geradezu ermutigt, andere Kundinnen und Kunden Ihrer Buchhandlung anzusprechen und die Werke demokratischer, insbesondere weiblicher und jüdischer AutorInnen schlecht zu machen.

In den meisten Städten und Gemeinden unseres Landes mit einer lebendigen demokratischen Zivilgesellschaft würde eine solchermaßen rechtsextrem agierende Buchhandlung Proteste auslösen und zu Recht den großen Teil ihrer vernünftigen Kundschaft verlieren.

Doch der Internet-Milliardenkonzern Amazon plättet nicht mehr nur immer mehr lokale Buchhandlungen, sondern bietet auch genau solche Ecken des Antisemitismus an.

Schon in Folge 9 dieses Podcasts konnten Sie das Rothschild-Verschwörungswerk des gebürtigen Württembergers und libertären Antisemiten Tilman Knechtel kennenlernen. Darin behauptet er, dass die jüdische Bankiersfamilie Rothschild selbst die beiden Weltkriege und auch den Holocaust herbeigeführt habe, um die Gründung des Staates Israel zu erzwingen. Im Anhang des Buches werden weitere, antisemitische Werke etwa von Holger Kalweit beworben, die die Existenz einer Reptiloiden-Verschwörung und von Nazi-Reichsflugscheiben verkünden, vgl. Folge 21. Sogar der selbst weit nach rechts gedriftete Henryk Broder protestierte erfolglos gegen die antisemitische Niedertracht des Knechtel-Werkes.   

Doch auf Amazon ist dieses antisemitische Machwerk nicht nur erhältlich, es wird sogar aktiv beworben – derzeit beispielsweise als kostenloses Hörbuch-Lockangebot durch Audible. Längst hat eine extrem antisemitische Blase Hunderte positiver Rezensionen eingestellt und manipuliert damit Empfehlungen und Algorithmen.

Unfassbar – Amazon.de bewirbt ein Kostenlos-Lockangebot des libertär-antisemitischen “Die Rothschilds” von Tilman Knechtel als Hörbuch. Screenshot vom 13.07.2020: Michael Blume

Und mehr noch: Viele der Rezensierenden feuern sich auch gegenseitig an, nicht nur rechtsextreme Literatur aufzuwerten, sondern auch Bücher von Demokratinnen, Juden und generell seriöse Wissenschaft runterzuwerten. Auch unter meinen Büchern können Sie sich einige solcher Fake-Rezensionen anschauen.

Hier geht es also gar nicht mehr nur um eine inhaltliche Radikalisierung. Extremistische und konkret antisemitische Umtriebe werden aktiv verbreitet und finanziert. Gleichzeitig wird die Bedrohung und auch Schädigung demokratischer Akteurinnen zynisch hingenommen.

Dass Amazon gleichzeitig den lokalen Buch- und Einzelhandel bedrängt, Steuern international minimiert, Mitarbeitende ausbeutet und Zwischenhändler übervorteilt passt zur Ideologie eines zynischen Sozialdarwinismus. Durch die Übernahme liberaler Medien wie der „Washington Post“ kaufte sich Jeff Bezos zudem bei möglichen Kritikern strategisch ein. Laut der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL wächst nun aber auch im Konzern das Unbehagen an der brutalen Expansion, gibt es erste Aussagen und auch Kündigungen. Teile des US-Kongresses und der Europäischen Kommission versuchen die Geschäftspraktiken des Konzerns, der in Zeiten der Covid19-Pandemie weiter gewachsen ist, kritischer aufzuarbeiten.

In meiner Perspektive verbindet sich die Krise des Buchmarktes und der Antisemitismus auf Amazon mit dem Namen des Holocaust-Überlebenden Elie Wiesel. Dieser große Zeuge des 20. Jahrhunderts wurde mit seiner Familie aus Rumänien in deutsche Konzentrationslager deportiert, verlor nächste Angehörige und überlebte knapp. Als französischer Journalist folgte er der Empfehlung des Literaten Franḉois Mauriac und wagte sich an die zunächst jiddische Verschriftung seiner Erinnerungen. Er ging als Hochschullehrer in die USA, wo er auch deutsche Studierende unter seine Fittiche nahm. Zu ihnen gehörte zum Beispiel der katholische Religionspädagoge Reinhold Boschki, der sich um Wiesels Werk verdient machte.

Er gehört heute auch zu meinem Expertenrat gegen Antisemitismus bei der Landesregierung B.-W.

1986 erhielt Wiesel für sein Lebenswerk den Friedensnobelpreis. Zur Jahrtausendwende sprach er im Deutschen Bundestag und 2009 in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald anläßlich des gemeinsamen Besuches des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama und der bundesdeutschen Kanzlerin Angela Merkel. In den USA wird zudem seine Rede über die Gefahren der Indifferenz – „Perils of Indifference“ – sehr hoch gehalten, die er 1999 auf Einladung von Bill und Hillary Clinton im Weißen Haus hielt.

Im deutschen Kontext überaus wirkungsvoll war der Auftritt Wiesels beim Katholikentag in Karlsruhe 1992 vor 1500 Jugendlichen, von denen viele aktiv für den christlich-jüdischen Dialog, für Nächstenliebe und gegen Antisemitismus und Rassismus wurden. Die Rechte für seine Werke in deutscher Sprache vertraute Wiesel dem Freiburger Herder-Verlag an. Für mich persönlich wurden vor allem späterer Werke wie sein „Die Weisheit des Talmud“ und „Noah oder die Verwandlung der Angst“ zu Augenöffnern, die das Judentum nicht nur als Opfer, sondern als lebendige Tradition, als Gesprächs- und Wegpartner sichtbar machten. Ich schöpfe bis heute aus ihnen, auch für diesen Podcast. Wiesel selbst starb 2016.

Entsprechend bat ich den Landtag, die Landesregierung und die Zivilgesellschaft von Baden-Württemberg in meinem Antisemitismusbericht, die Werke Wiesels wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Es wäre aus meiner Sicht peinlich und unglaubwürdig, wenn wir 2021 mit dem Bundespräsidenten in Köln 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, die Woche der christlich-jüdischen Brüderlichkeit in Stuttgart sowie einen Kirchentag in Karlsruhe feiern würden, während gleichzeitig die Werke dieses Zeugen ausgerechnet in deutscher Sprache nicht mehr verfügbar wären.

Entsprechend traf mich nun eine neue Buchwerbung von Amazon wie ein Schlag in die Magengrube. Der Internet-Konzern vertreibt inzwischen gleich mehrere Bücher des Antisemiten Germar Rudolf, der bereits 1995 vom Landgericht Stuttgart wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Beleidigung und Aufstachelung zum Rassenhass zu einer Haftstrafte verurteilt worden war. 2007 erfolgte eine zweite Verurteilung in Mannheim wegen der Leugnung historischer Tatsachen mit Bezug auf die Schoah und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe auch in Heidelberg, Ulm und Rottenburg setzte sich Rudolf zu seiner zweiten Frau in die USA ab, von wo aus er über den von ihm gegründeten Castle Hill Verlag unter mehreren Pseudonymen weiter Holocaust-Relativierung betreibt und Antisemitismus verbreitet.

Man sollte nun vielleicht hoffen, dass Amazon wenigstens vor den Werken eines mehrfach rechtsstaatlich verurteilten Holocaust-Relativierers zurückschrecken würde. Doch stattdessen ist nun auch auf Deutsch das niederträchtige „Elie Wiesel, Heiliger des Holokaust“ erhältlich, in dem der Friedensnobelpreisträger aufs Übelste verunglimpft wird. Gemeinsam mit dem katholischen Literaten Franḉois Mauriac habe Wiesel einen weltweiten Plan zur jüdischen Manipulation der Geschichte und Unterwanderung der katholischen Kirche durch eine „Holokaust-Religion“ durchgeführt, in der Wiesel als Lügner und „Hohepriester“ fungiere. Auf dem Cover wird er entsprechend als Mittelpunkt und Kontrolleur mehrerer US-amerikanischer Präsidenten wie Barack Obama dargestellt.

Da Amazon, Audible und YouTube bisher auch alle Proteste gegen die antisemitischen Machwerke von Tilman Knechtel und Oliver Janich ignoriert haben, kann ich alle verstehen, die auch im Hinblick auf Germar Rudolf resignieren wollen. Zudem ist mir bewusst, wie mächtig Amazon inzwischen geworden ist und wie viele Autorinnen und Autoren sich also gar nicht mehr trauen, dagegen die Stimme zu erheben. Und doch bin ich nicht bereit, in ein Jahr 2021 zu gehen, in dem die Werke von Elie Wiesel vergriffen bleiben, seine antisemitische Verhöhnung aber vermarktet werden soll.

Nicht nur Amazon und Audible, nicht nur Facebook, Twitter, YouTube, Discord und Telegram haben eine Verantwortung – sondern auch wir alle als Bürgerinnen und Bürger, als Kundinnen und Kunden sowie als öffentliche Stimmen. Ich bitte Sie daher, mit mir gemeinsam laut zu werden, um den Vormarsch von menschenverachtendem Sozialdarwinismus und libertärem Antisemitismus gerade auch im Buchhandel zu stoppen. Wo die bedeutenden Bücher großer Zeugen wie Eliezer Wiesel verschwinden, zugleich aber Antisemiten das wichtigste Medium unserer Zivilisation an sich zu reißen versuchen, da besteht sie – die Gefahr der Indifferenz.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Bitte bleiben Sie gesund.

Quellen:

Wiesel, Eli (1992): Die Weisheit des Talmud. Herder

Wiesel, Eli (2000): Noah, oder die Verwandlung der Angst. Herder

Boschki, Reinhold (2018): Elie Wiesel. Erinnerungen eines Weggefährten. Patmos

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

29 Kommentare

  1. Dafür, daß der Herder-Verlag zu blöde ist, Wiesels Werke über Book on demand und also auch über entsprechende Plattformen der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu halten, kann ja aber Amazon erst mal nichts. Ich ärgere mich über die evolutionäre Überlebensunfähigkeit der Holzmedien seit Jahren. Wenn sie aber auch noch Google daran hindern, Werke, die sie Im Internetzeitalter weiterhin zu monetarisieren sich als unfähig erweisen, der Öffentlichkeit gemäß des amerikanischen fair use zur Verfügung zu stellen, dann werde ich echt sauer.

    • Wiesels Werke sehe ich als Teil des europäischen und insbesondere deutschen Kulturgedächtnisses. Wenn sich die höchsten Repräsentanten unseres Staates zur Jahrtausendwende mit diesem Friedensnobelpreisträger schmückten, so wäre es das Mindeste, eine Werkausgabe zum Beispiel auch für Schul- und Studienzwecke verfügbar zu halten. Es gibt Bücher & Lebenswerke, die mehr sind als Handelsware.

  2. In einer normalen, gesunden Welt sollte es erlaubt sein, auch Bücher wie „Die Rothschilds – eine Familie beherrscht die Welt“ zu veröffentlichen. Doch wir leben nicht in einer normalen, gesunden Welt, besonders nicht was den Antisemitismus angeht. Antisemitismus taucht in vielerlei Formen auf und wird von Antisemiten oft selbst nicht als solcher erkannt. Beispiel: ein Arbeitskollege sagte mir einfach so ohne irgend einen Anlass, Israel 🇮🇱 passe nicht in den nahen Osten. „Soll Israel etwa nach Norwegen oder Grönland verpflanzt werden„ war meine nicht überdachte Antwort. Im Nachhinein hätte ich ihn eher fragen sollen warum denn Saudi-Arabien , der Iran, Libyen oder der Irak so viel besser dorthin passten.
    Die meisten Leute, auch intelligente und reflektierende Menschen (z.B. Leute wie Günter Grass) würden eine solche Aussage wie „Israel passt nicht in den Nahen Osten“ gar nicht als antisemitisch betrachten. Doch diese Aussage passt in ein Bündel von ähnlichen Aussagen, die zusammengenommen eben gut in eine letztlich antisemitische Weltsicht passen.

    Antisemitismus in verschiedensten, oft kaum erkannten Formen, ist tatsächlich so weit verbreitet, dass jedes Buch, jede Äusserung eines Prominenten in diese Richtung auf fruchtbaren Boden fällt, ja als Verstärker eines bereits existierenden Brandes wirkt. Deshalb gehören explizit antisemitische Bücher tatsächlich auf den Index.

    • Lieben Dank, @Martin Holzherr.

      Mir geht es zunächst gar nicht mal – sofern nicht ohnehin Strafgesetze verletzt werden – um Verbote, sondern um Verantwortung. Jemand mag üble Bücher veröffentlichen – müssen kleine und große Buchhandlungen diese dann auch noch vertreiben, ja bewerben?

      Ich schalte hier jeden Kommentar nach Prüfung frei – und Amazon findet nichts dabei, ein antisemitisches Machwerk als Kostenfrei-Abo-Hörbuch zu promoten? Bei so etwas kann m.E. auch ein reflektierter Liberaler nur noch mit Entsetzen reagieren…

  3. Sehr geehrter Herr Blume, dies ist ein guter und wichtiger Beitrag gegen Oberflächlichkeit und Gleichgültigkeit, die scheinbar immer mehr Menschen befällt. Die großen (amerikanischen) Internet/Medien-Konzerne haben tatsächlich eine Macht erreicht, mit der sie unbequeme politische Äußerungen von Autoren weit weg von den USA mit wirtschaftlichen Sanktionen unterdrücken können. Dies alles passiert in einer Zeit, in der in Deutschland und auch in vielen anderen Staaten Menschen immer häufiger gegenüber jüdischen Mitbürgern und Einrichtungen Gewalt ausüben. Deshalb sind solche Beiträge wichtiger als je zuvor. Vielen Dank für Ihr Engagement.

    • Vielen Dank für Ihre Unterstützung, @Hans-Peter Reuter. Ja, diese mediale Macht- und Geld-Konzentration bei gleichzeitiger Vermeidung von Steuern und Verantwortung macht mir große Sorgen. Immerhin erleben wir, dass öffentlicher Druck durch Kundschaft auch hier Wirkung erzielen kann… ✊

  4. Ich sehe Amazon eher als ein Unternehmen, daß sich um Moral wohl wenig schert wie das womöglich viele andere Unternehmen auch nicht machen. Andererseits gibt es mit den Empfehlungen von Amazon schon seltsame Verbindungen zwischen verschiedenen Themen. Ich suchte bei Amazon nach Büchern mit den Stichworten Einstein und Voigt (Wolemar Voigt hat vor Einstein aus der Betrachtung zum Dopplereffekt eine ähnliche Transformation wie Einstein entwickelt). Bei dieser Suche fand ich dann ein Buch, indem Einstein als Plagiator dargestellt wurde. Interessanterweise wurden dann auch unter Rubrik : “Interessenten für dieses Buch lesen auch folgende Bücher” eindeutig antisemitische Bücher (Weltherrschaft der Juden etc) genannt.

    Gruß
    Rudi Knoth

    • Ganz genau, @Rudi Knoth. Welche seriöse, lokale Buchhändlerin würde Ihnen solchen antisemitischen Schund empfehlen? Und das sollen wir also nun akzeptieren, weil von einem US-Konzern? Amazon macht sich derzeit der Verbreitung, Förderung und Finanzierung von Antisemitismus & Hass schuldig… 🤯

  5. Drei Nachrichten zum Thema:

    Das Amazon-Geschäft hat von Corona derart profitiert, daß der Konzern zeitweise überfordert war – Und ausgerechnet den Bücher-Lieferdienst einschränkte.

    Twitter hat nicht nur Sellner gesperrt, sondern den ganzen IB ausgeräuchert samt Subs wie einprozent. Allerdings nicht alle, und wohl nicht aufgrund von Druck aus Europa, sondern aus den USA.

    Facebook hat wenig bis gar nichts dergleichen getan. Und wird nun empfindlich abgestraft seitens der Werbeindustrie.

    • Wir hatten ja schon verschiedentlich einen Schlagabtausch darüber. Ich persönlich bin digital sozialisiert und politisiert von den PIRATEN und dee Freien Software-Bewegung. Und ich sehe das Problem richtig gestellt, aber falsch gelöst: Facebook, Twitter, YouTube & Co haben anders als dieser Blog hier sowieso, aber auch anders als Welt.de oder taz.de eine Größenordnung und Reichweite, die nicht mehr über privates Hausrecht zu regulieren ist. Hier müssen öffentliche Gremien ran, ohne die Gerichte zusätzlich zu überlasten. Mein Vergleich ist stets: Diesen Blog hier sehe ich als digitales Wohnzimmer, eine Leserbriefabteilung einer Zeitung als Diskothek, wo man auch noch mit privaten Türstehern operieren mag; die großen Plattformen aber sind Fußgängerzone, wo erst mal grundsätzlich jeder seine Bude aufmachen können sollte.

      Aber hier ist besser, wenn sich erst einmal das Falsche tut, als gar nichts. Gerichte werden das klären.

  6. @Datendiebe

    Ich hab sowieso nie Lust auf Amazon, Twitter, Facebook, Wattsapp gehabt. Weil da so viel schnelllebiger Schrott angeboten wird, und ich mir auch nicht gerne meine digitalen Daten klauen lassen möchte. Deshalb versuche auch Mikrosoft möglichst zu vermeiden.

    Neben Wikipedia bevorzuge ich mittelgroße Webseiten wie spektrum.de oder wdr.de um mich zu informieren, und hier auch zu Kommunizieren. Der Rest läuft über Email und die kleinen Webseiten, die von kleinen Akteuren direkt betrieben werden. Inclusive meine eigenen Webseiten.

  7. Herzlichen Glückwunsch – Herr Blume – zum Erfolg Ihres Diskussionsbeitrags Ende 2019.
    Diese Meldung las ich heute in der WAZ (16.07.2020).
    Anbei der Link zum Artikel der Uni Bochum:
    https://www.waz.de/staedte/bochum/ruhr-uni-bochum-keine-pruefungen-an-religioesen-feiertagen-id229521624.html
    Das ist doch ein Gegenpool zu allen Verschwörungsgeschichten. (-Mythen)
    Juden warten auf das Kommen des Messias.
    Christen auf die Wiederkunft Jesus Christus – Sohn Gottes.
    Andere Religionen auf einen Welterlöser.
    Auf wen warten eigentlich Esoteriker, Atheisten u. a.?
    M. f. G.

    • Vielen Dank, @W. Bulten. Ja, über die damalige Veranstaltung auf Einladung von Professorin Isolde Karle, die folgenden Diskussionen u.a. mit Volker Beck und nun die Entscheidung der RUB habe ich mich sehr gefreut. 🤓🌈

  8. Ein Buch wie „Die Rothschilds – eine Familie beherrscht die Welt“ bedient die unterste Ebene des Antisemitismus (Juden wollen Macht durch Geld). Doch das Motiv „Weltbeherrrschung“ und „Weltgefährdung“ wird Juden und Israel in etwas gehobenerer Form auch von (angehenden) Akademikern gemacht wie Ahmad Mansours NZZ-Artikel Woher kommt diese Besessenheit in der Israelkritik? zeigt. Dort liest man:

    Bei einer Diskussion mit jungen Politikstudenten an einer deutschen Universität bekam ich zu hören, Israel begehe einen «Genozid» an den Palästinensern und sei Verursacher der meisten Konflikte in der Welt. Auf meine Frage an die Gruppe, wie viele arabische Opfer es nach ihrer Schätzung seit der Gründung Israels durch den arabisch-israelischen Konflikt gab, waren sie schnell mit Zahlen bei der Hand. Einige mutmassten: «So um die 3 bis 4 Millionen.» Andere erklärten: «Bestimmt 6 Millionen Tote!» Ich klärte sie darüber auf, dass offizielle Statistiken von etwa 100 000 Toten seit 1948 ausgehen – und dass es allein im syrischen Bürgerkrieg seit acht Jahren fast eine halbe Million Todesopfer gab. Dazu noch fast 90 Millionen Tote weltweit durch Kriege und Konflikte seit 1948. «Und woran erinnert euch die Zahl ‹6 Millionen›?», fragte ich noch. Mein Eindruck war, dass einige vor Scham nicht mehr aufgeblickt haben.

    Die hier erwähnten jungen deutschen Politikstudenten haben allein schon von ihrem Alter her keine direkte Beziehung mehr zur deutschen Vergangenheit. Interessanterweise kommen trotzdem einige von Ihnen auf die Idee Israel müsse mindestens für 6 Millionen tote Palästinenser verantwortlich sein. Tatsächlich kann die Zahl 6 Millionen kaum ein Zufall sein, denn jeder Politikinteressierte verbindet damit die Anzahl der während des dritten Reichs getöteten Juden. Damit stellt sich die Frage ob auch junge deutsche Politikstudenten das Bedürfnis haben, dass die Israeli genau so schlimm sind wie die Deutschen während der Nazi-Zeit. Schuld wird also auch bei ganz Jungen durch Schuld kompensiert. Schon interessant und vielleicht ein Hinweis darauf, dass auch in der areligiösen oder wenig religiösen Jetztzeit Kategorien wie Schuld immer noch eine wichtige Rolle spielen.

    • Vielen Dank, @Martin Holzherr – und volle Zustimmung!

      Mit Ahmad Mansour bin ich gut bekannt, wir konnten schon verschiedentlich zusammenarbeiten und planen auch Weiteres.

  9. … des Konzerns, der an der Verbreitung von Hass weltweit verdient und die demokratische Zivilgesellschaft dann auch noch zynisch zu „Counter-Speech“ aufruft.

    Höre ich da ein Eingeständnis, dass Gegenrede auf den Plattformen der Vertreter der Aufmerksamkeitsökonomie nicht funktionieren kann?

    Wenn Twittermoderatoren Falschnachrichten markieren, dann ist die entscheidende Wirkung, dass so markierte Nachrichten nicht mehr trenden können. D.h. nur die Follower sehen überhaupt noch solche Nachrichten. Aus Leaks der FB-Moderationsregeln ist bekannt, dass auch die FB-Moderatoren sehr fein abstufen können, in welchem Maß ein Beitrag noch trenden kann.

    FB mag sich da zwar im Moment etwas schlechter darstellen als Twitter (wobei ich davon ausgehe, dass FB sehr viel mehr Aufwand an Moderation treibt), aber das Problem bleibt, dass Moderation und Accountsperrungen untaugliche Feigenblätter sind, die darüber hinwegtäuschen sollen, dass das eigentliche Problem die Trendalgorithmen sind, die Inhalte mit Angst, Hass und Gewalt überproportional verstärken, weil diese Inhalte die meiste Aufmerksamkeit generieren.

    Wer Trends bzw. ein eigenes Informationsangebot aus Userbeiträgen erzeugt, sollte wie jeder Publisher dafür inhaltlich zur Verantwortung gezogen werden. Ganz genau so, wie man auch eine Zeitungsredaktion für abgedruckte Leserbriefe in die Pflicht nimmt.
    Das kann man im Prinzip auch auf Amazon übertragen. Wenn man dort Algorithmen installiert, die auf Grund von Userbeiträgen aktiv Vorschläge für rechtswidrige Produkte machen, dann sollte man Amazon dafür genau so zur Verantwortung ziehen wie Twitter, das einen rechtswidrigen Beitrag in den Trend aufnimmt.

    Die aktuellen öffentlichkeitswirksamen Accountsperrungen und Moderationen muss man wohl eher im Lichte der anstehenden US-Wahlen sehen und sollte da keine vermeintliche Herstellung von Rechtsstaatlichkeit hineininterpretieren.

    • Ja, @Schall und Rauch, ich sehe da ein zweiseitiges Problem der „Aufmerksamkeitsökonomie“: Einerseits ziehen extreme Beiträge aller Art Aufmerksamkeit auf sich, die vernünftigeren Positionen dadurch entgeht. Und andererseits leben werbefinanzierte Plattformen ja davon, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erzeugen und zu binden. Nicht zufällig nennt Ebner die sog. sozialen Medien „Radikalisierungsmaschinen“.

      In „Verschwörungsmythen“ schreibe ich daher von der Aufmerksamkeitsfalle, die ja i.Ü. nicht nur von Extremen, sondern auch von tatsächlichen Terroristen gestellt wird. M.E. könnten daher technologische Antworten ein Teil der Lösung sein – aber vielfach fehlt hierzu noch der Wille von Unternehmen und Gesetzgebern.

      • Wie bekommen Sie diese Erkenntnisse und Ihre Twitter-Nutzung unter einen Hut?

        Aus meiner Sicht tragen Sie sich damit selbst zu den Problemen bei, die sie thematisieren und nehmen Ihren Argumenten ein Teil Glaubwürdigkeit.

        • Nun, um die Rückkehr auf Twitter und Instagram bin ich ausdrücklich gebeten worden. Instagram habe ich abgelehnt, Facebook ohnehin, aber den stillgelegten Twitter-Account habe ich reaktiviert. Ich verstehe zudem gerne, worüber ich spreche und schreibe.

          Ihre Argumentationsweise erinnert mich an das Holier-than-thou aus den Ernährungsdebatten. Seitdem ich Vegetarier bin, begegne ich auch immer wieder Leuten, die z.B. meinen, man dürfte auch keine Fleischersatzprodukte nachfragen oder “Milchtrinken ist Mord”. Nur absolute, ideologische Linientreue sei “glaubwürdig”.

          Ich bekenne mich dagegen klar zur philosophischen Haltung des Pragmatismus, die zwischen Idealen und Wirklichkeiten zu unterscheiden weiß. So bin ich beispielsweise ein Gegner von Krieg und Gewalt, habe aber dennoch meinen Wehrdienst geleistet, weil wir eben noch nicht im Paradies angelangt sind. Heiligkeitswettbewerbe überlasse ich gerne anderen. 🙂

  10. Da es hier um Rassismus geht, denn meiner Meinung nach sind Antisemitismus, Islamophobie, Arabophobie, Sinophobie und alle anderen erbärmlichen Phobien dieser Art im Prinzip nichts anderes als Formen des Rassismus, hier ein paar Worte vom Biologen.

    Warum es keine menschlichen „Rassen“ gibt

    Es ist traurig aber wahr, auch die Biologie war früher eine äußerst rassistische Wissenschaft.

    Zur Zeit des Kolonialismus (das heißt noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts)wurden sogenannte „Rassentheorien“ von praktisch allen Biologen und Medizinern vertreten. Diese dienten als Instrument und angeblich „wissenschaftliche“ Begründung für eine zusammenfantasierte „Überlegenheit“ der europäischen Kolonisatoren gegenüber den „unterlegenen“ kolonisierten Völkern.

    Selbst Lamarck und leider auch Darwin wurden noch bisweilen vom „Gespenst des rassistischen Biologismus“ heimgesucht und wenn man heute bei Trisomie 21 vom „Down-Syndrom“ oder von „Mongolismus“ spricht (was vor allem Mediziner leider gelegentlich immer noch zu tun pflegen) sollte man sich eigentlich auf die Zunge beißen, denn der britische Arzt John Longdon Down, nach dem dieser Gendefekt benannt wurde, war ein äußerst übler Rassist, der davon überzeugt war, dass asiatische Menschen „primitiver“ seien als Europäer und behauptete allen Ernstes, dass dieser genetische Defekt ein sogenannter „Atavismus“, also ein Rückfall des Menschen in ein primitiveres –sprich asiatisches- Entwicklungsstadium des Menschen sei.

    Dieses, schon fast an eine Massenpsychose erinnernde, Selbstbild der ehemaligen europäischen Kolonialmächte (Europäer = überlegen, hochentwickelt, erhaben, Kolonialbevölkerung = unterlegen, unterentwickelt, minderwertig) diente einerseits zur Abgrenzung gegenüber den Beherrschten (Apartheid, Segregation, Diskriminierung) andererseits als Pseudolegitimation für Ausbeutung, Unterdrückung, Zwangschristianisierung, Zerstörung von ganzen Kulturen und Genozid.

    Obwohl sich die Zeiten und Weltbilder (zumindest bei den Wissenschaftlern) inzwischen gebessert haben – Kein seriöser Biologe, Anthropologe oder Mediziner vertritt heute noch irgendwelche obskuren „Rassentheorien“- existiert der „Rassebegriff“ doch leider noch in einer nebulösen, unterbewussten Form in den Köpfen vieler Menschen weiter.

    Menschen verschiedener Regionen der Erde haben nun einmal verschieden Haut- und Haarfarben und da das menschliche Bewusstsein leider zur Simplifikation tendiert und möglichst „einfachen“ Erklärungen den Vorzug gegenüber komplexeren Erklärungen gibt, versuchen viele Menschen die geradezu erschreckende Komplexität dieser (naturwissenschaftlich gerade noch fassbaren)Welt auf einfachste Kategorien zu reduzieren.

    Die Wahrnehmung bzw. Beobachtung (z. B. Afrikaner sind dunkel pigmentiert, Europäer hell) wird dabei leider nicht selten rassistisch geprägten Kategorien zugeordnet.

    Interkulturelle Prägung, tradierte Erziehungsmuster, soziales Feedback führen dazu, dass viele Menschen (auch solche, die keine ausgesprochenen und extremen Rassisten sind) leider trotz aller Aufklärung dazu neigen, Menschen aufgrund ihres Erscheinungsbildes in unterschiedliche Gruppen einzuteilen und gegeneinander abzugrenzen.

    Dies ist ein ERLERNTER und kein ANGEBORENER sozialpsychologischer Mechanismus.

    Nun aber zurück zur Ausgangsfrage „Warum gibt es keine menschlichen Rassen?“:

    Die Einteilung der Menschheit in sogenannte „Rassen“ ist nicht wissenschaftlich begründbar weil der traditionelle Begriff von „Rassen“ noch nicht einmal ansatzweise dazu geeignet ist, die unglaubliche genetische Vielfalt der Spezies Homo sapiens (die einzige Menschenspezies übrigens, die Menschheit ist phylogenetisch betrachtet EINE EINZIGE ART) zu erklären.

    In der modernen Biologie ist der „Rassebegriff“ inzwischen genauso überholt wie das ptolemäisch-aristotelische geozentrische Weltbild der Antike und des Mittelalters oder der Glaube an Hexen und Zauberer.

    Argument #1 Unabhängige Variation von früher so bezeichneten „Rassemerkmalen“

    Merkmale, wie die Körpergröße, Gesichts-, Lippen-, Augenform, Haar- und Hautfarbe variieren vollkommen unabhängig voneinander innerhalb verschiedener ethnischer Gruppen.
    Ein einfaches Beispiel: Nehmen wir beispielsweise eine bestimmte ethnische Gruppe. Zum Beispiel Navajo-Indianer. Man findet dort hellpigmentierte und dunkler pigmentierte, vollkommen schwarzhaarige aber auch brünette, kleine und große Menschen, praktisch sämtliche erdenklichen Gesichts-, Lippen-, Stirnformen. Kurz: So etwas, wie einen „rassetypischen Navajoindianer“ gibt es nicht. Genausowenig wie einen „rassespezifischen Türken, Juden, Araber „ oder sonst etwas dergleichen:

    Argument#2 Keine signifikanten genetischen Unterschiede

    Die durchschnittlichen genetischen Unterschiede zwischen den als “Rassen” definierten Gruppen sind geringer als die zwischen den Individuen innerhalb der als Rasse aufgefassten Gruppe. Schon damit stellt sich die Einteilung in Rassen als willkürlich und sinnlos heraus.

    Argument#3 Fließende Übergänge zwischen genetischen Merkmalen ethnischer Gruppen

    Zwischen unterschiedenen geoethnologischen Gruppen bestehen fließende Übergänge der Verteilung genetischer Marker. Es ist damit vollkommen ausgeschlossen, dass sogenannte „Rassen“ durch Vermischung anderer „Rassen“ entstanden sind, wie von Rassisten gerne behauptet wird (Beispielsweise, dass Araber oder Latinos „Mischlinge“ von Afrikanern und Europäern seien). Diese stufenartigen genetischen Übergänge beruhen nicht auf einer „Vermischung“ ursprünglich unterschiedlicher “Rassen”, sondern sind selbst als ursprünglich anzusehen. Scharfe Grenzen zwischen den Bevölkerungen waren nie vorhanden. Deshalb ist auch die traditionelle Einteilung in sogenannte “Großrassen” hinfällig, da die Menschheit schon immer auch über die Grenzen der Kontinente hinweg genetisch verbunden ist.

    Argument# 4 Globale genetische Marker und vollkommenes Fehlen von „Reproduktionsbarrieren“

    Die meisten Gene bzw. Allele finden sich global verteilt überall und in jeden Ethnien (nur deren Kombinationen unterscheiden sich). Ferner gibt es keinerlei „Fortpflanzungsbarrieren“ zwischen Menschen – egal woher sie stammen.
    Bei Tier- oder Pflanzenrassen ist das anders. Dort beobachtet man extrem spezifizierte genetische Muster. Viele Allele kommen ausschließlich bei einer Tier- oder Pflanzenrasse vor. Daneben existieren bei vielen Tier- oder Pflanzenrassen auch sogenannte Reproduktionsbarrieren (Bei Hunderassen ist es oft die z. T. extremen Unterschiede der Körpergröße z. B. Chihuahua/Irischer Hirtenhund, welche eine Fortpflanzung verhindern. Bei Singvögeln sind es unterschlieche „Balzgesänge“, z. B. sind die Nachtigall und der sogenannte „Sprosser“ zwei Vogelrassen ein und der gleichen Art. Sie paaren sich nicht miteinander, weil sie ihre „Brautwerbegesänge nicht verstehen. Bei Pflanzenrassen oft die sogenannte Pollensterilität)

    Es gibt keine menschlichen Rassen.

    Die Menschheit ist EINE EINZIGE SPEZIES. Die moderne Biologie und Anthropologie unterteilt die Spezies Homo sapiens weder in „Subspezies“, „Cultivariariationen“ oder „Rassen“

    Wir leben alle auf diesem einen Planeten und stammen alle von gemeinsamen Vorfahren (die übrigens ursprünglich aus Afrika stammten).

    Im Grunde genommen sind wir alle Afrikaner, das sollte man allen Rassisten klarmachen.

    Black lives matter and Black lives/White lives are all the same

    Rassismus ist nicht bloß menschenverachtend, grausam und boshaft sondern auch vollkommen unwissenschaftlich, dumm, primitiv und gefährlich.

      • Lieber Dr. Blume,

        Vielen Dank für den interessanten link, ich hatte ihn bislang noch nicht gelesen. Ich finde es toll, wie engagiert sie gegen diese gefährlichen und leider sehr hartnäckigen Mythen vorgehen.

        Der Grund dafür, weshalb ich mich so in die Materie „hineingekniet“ hatte, war, dass ich vor wenigen Tagen auf einem Biologie-Forum einen, zum Schluss etwas „ausgearteten“ Disput mit einem sehr jungen (und offenbar sehr verwirrten) jungen Mann hatte, der (wie sich im weiteren Verlauf des Dialogs herausstellte) ein Mitglied der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ ist.
        Der Dialog ergab sich, weil besagter junger Mann zunächst eine Frage in diesem Forum postete „Ist es möglich einen Menschenaffen mit einem Menschen zu kreuzen?“.

        Ich dachte mir zunächst nichts Besonderes dabei. Auf diesem Forum stellen auch oft Schüler irgendwelche Fragen, die etwas naiv formuliert sind, und ich gebe denen dann immer wissenschaftlich fundierte Antworten.

        Ich antwortete ihm darauf, dass dies unmöglich sei. Das Genom von Schimpansen, Gorillas, Bonobos ist zwar dem menschlichen Genom ähnlich (95-98% Homologie), aber höher entwickelte Primaten haben dennoch ein Chromosomenpaar mehr als Menschen (man vermutet, das im menschlichen Genom 2 ursprüngliche kleinere Chromosomen zu einem großen Chromosom fusioniert sind). Außerdem fehlen die biochemischen Mechanismen, welche den weiblichen und den männlichen Vorkern bei einer Befruchtung miteinander verschmelzen, so dass, selbst dann wenn ein männlicher Primaten-Vorkern in eine weibliche Oocyte eindringen könnte, es dennoch nicht zur Zygotenbildung kommen kann.

        Noch nicht einmal das Eindringen des Spermienkopfes in eine Oocyte ist möglich, da die sogenannte „Akrosomen-Reaktion“ (diese bewirkt überhaupt erst einmal, das Spermatozoon mit der Membran der Oocyte Kontakt aufnimmt) bei einer Primaten-Mensch-Insemination schlicht und einfach nicht klappt.

        Auf meine Antwort(und weitere Fragen des betreffenden jungen Mannes) hin erhielt ich dann ein umfassendes und erschreckendes Bild von der wirren Gedankenwelt des Jungen.

        Er war wohl davon überzeugt (und hoffte offensichtlich, dass er in diesem Biologie Forum eine Antwort erhalten würde, die seine absurde These stützen würde), dass Schwarzafrikaner das Resultat einer „Kreuzung“ von „Affenmenschen“ mit „richtigen Menschen“ (damit meinte er wohl Europäer oder „Arier“) seien.

        Er war sehr eingeschnappt, als ich versuchte wissenschaftlich dagegen zu argumentieren.

        Ich habe dann wirklichmit Engelsgeduld versucht, Wissenschaft seinem Fanatismus entgegenzuhalten und so einen kleinen Einblick in sein erschreckendes Weltbild erhalten.

        Er scheint wohl davon überzeugt zu sein, dass die Menschheit eigentlich aus archaischen „Stämmen“ besteht, die sich zum Teil „vermischt“ haben und sieht das einzige Heil der Menschheit darin, dies wieder rückgängig zu machen und die (nur in seiner Fantasie bestehenden) „ursprünglichen „Stammesstrukturen“ durch strenge Segregation wieder her zu stellen.

        Eines meiner Vorbilder ist die Journalistin Mo Asumang (eine tolle Frau finde ich), die gezielt den Kontakt mit rechtsradikalen Jugendlichen sucht und versucht diese von ihrem unguten Weg abzubringen.

        Aber sie können sich gar nicht vorstellen (sorry, vermutlich können sie das doch sehr gut), wie schwer es ist mit Fanatikern zu kommunizieren. Nachdem der Dialog immer bizarrer (und von der Seite des Jungen auch immer beleidigender) wurde, hielt ich es schließlich für ratsam, den Dialog abzubrechen.

        Machen sie weiter so, ich habe die Hoffnung dennoch nicht aufgegeben, dass Vernunft, Logik und Aufklärung starke Mittel im Kampf gegen Unwissenheit und Fanatismus sind.

        • Vielen Dank für den Einblick in die erschreckende, gerade auch digitale Radikalisierung leider vieler Menschen, @Wolfgang Seidel-Guyenot.

          Ja, ich kämpfe auch im Digitalen so gut wie irgend möglich dagegen an. Alle werden wir nicht mehr erreichen, aber ggf. manche Radikalisierung noch verhindern können, auch durch die Information und Stärkung des Umfeldes.

      • Wenn es sie interessiert können sie sich meinen “Disput” mit dem Jungen Mann (er heißt übrigens Jan-Niklas) auf “Biologie-Lexikon/Biologie-Forum” ansehen.

        Sie müssten sich dazu dort registrieren (das geht aber ganz schnell).
        Teilweise wurden Kommentare von Jan-Niklas von der Moderation entfernt (die fehlen halt, waren einfach von der Formulierung her untragbar). Mein dortiger Username ist “Cigouri”.

        Sie finden den Dialog unter “Anthropologie: Kreuzung in der Familie der Menschenartigen”.

        Habe ich vielleicht etwas falsch gemacht? War ich (als erfahrenerer und älterer Mensch vielleicht doch etwas zu harsch mit diesem offenbar sehr jungen und ziemlich verirrten/verwirrten Jungen?

        Ich hätte gerne etwas “Licht ins Dunkel” von Jan-Niklas’ Weltbild gebracht, habe aber wohl offenbar versagt.

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