Hochwasser statt Weißer Weihnacht – Wie die Wasserkrise unsere Jahreszeiten verändert

Meine Schwester und ich liebten den Schnee und niemand musste uns erzählen, warum Leute zu Weihnachten über “Stille Nacht – Heilige Nacht” sangen: Das zu wundersamen Kristallen gefrorene Wasser schluckte und dämpfte alles Laute, knirschte aber auch prächtig. Auch mit meinen Kindern zog ich noch zum Schlittenfahren und Schneemannbauen aus – was jedoch leider immer seltener möglich wurde und inzwischen zu einer sehnsüchtigen Erinnerung geworden ist.

Der damals 5-jährige Michael auf Schnee-Schlittenfahrt, Winter 1981. Foto: Falko Blume

Auch gestern Abend erwarteten uns zum Kirchgang wieder Regen und Wind, aber keine einzige Schneeflocke mehr. Wer wissenschaftlich weiß, erfährt, fühlt und spürt die Veränderungen.

Der wunderbare Weihnachtsgottesdienst des Jugendwerks in der evangelischen Anthonaliuskirche zu Filderstadt-Plattenhardt bot Trost und Hoffnung. Denn wie Hans Blumenberg gewohnt trocken (!) in “Die Sorge geht über den Fluss” (!!) formulierte (Suhrkamp 1987 / 2022, S. 154):

“Man vergesse nicht, daß Sackgassen der Evolution, das Aussterben ganzer Klassen von Lebewesen in der Erdvergangenheit, erst eine jüngere Entdeckung der Forschung gewesen sind.”

Die meisten Leserinnen und Leser von “Natur des Glaubens” kennen den häufigsten Bestätigungsfehler zur Klimakrise längst: Viele Menschen glauben, dass die globale Erhitzung durch Treibhausgase wie CO2 und Methan insgesamt zu weniger Niederschlägen führen müsste. Entsprechend klammern sich einige Dualisten und Verschwörungsgläubige noch immer an den Trotz, Regen und Hochwasser würden die Klimaforschung widerlegen. Doch das Gegenteil trifft zu: Warme Luft nimmt mehr Wasser auf als kalte – und deswegen erhöhen sich auch die Regenmengen.

Zu Dürren und vertrocknenden Flüssen kommt es, weil das Wasser immer seltener als Schnee und Eis gespeichert wird. Wo früher große Mengen auch für “weiße Weihnachten” sorgten und danach über Wochen und Monate hinweg langsam abtauten, erleben wir jetzt immer häufiger Starkregen und Hochwasser, dann gefolgt von Monaten mit zunehmenden (Fluss-)Wassermangel. Das ist es, worüber derzeit der NDR nicht nur aus Niedersachsen berichtet.

Auch die Grundwasserspeicher können sich aufgrund der Klima- und Wasserkrise immer schlechter auffüllen, zumal riesige Flächen zugebaut und verdichtet (versiegelt) sind, das Wasser abrauschen lassen. Kreise und Städte mit Zukunft werden zunehmend Schwammstädte sein, die niedergehendes, im Grunde ja kostbares Wasser etwa über Bäume und Zisternen möglichst lange halten und speichern. Gerade auch wegweisende Kommunalpolitik braucht mehr Solarpunk!

Selbstverständlich wünschen sich Zehra und ich, mit unseren Kindern und vielleicht einmal Enkeln doch noch hin und wieder weiße Weihnachten und pudrig Stille Nächte zu erleben. Aber die durchschnittliche Erwärmung in Gebirgsregionen wie dem Alpenraum beträgt bereits über 2 Grad Celsius und steigt Jahr für Jahr weiter an. Der eurasische Gürtel wird schon jetzt zunehmend durch Hitzemord-Gewalt geprägt.

Wir sind die Generationen, die die Folgen der verbreiteten Gier nach Kohle, Öl und Gas sowie nach Fleisch aus industrieller Massentierhaltung live miterleben – zumal auch die Angriffe gegen die Ukraine und Israel fossil finanziert werden.

Die Hirten auf dem Felde zu Bethlehem, Ochs und Esel (aus apokryphen Evangelien) im Tierstall an der Weihnachtskrippe – auch der Weihnachtsmythos weist darauf hin, dass wir im Guten wie im Schlechten nicht nur in einer bühnenhaften Umwelt, sondern in einer wechselwirkenden Mitwelt leben.

Ihnen allen noch besinnliche Weihnachtsfeiertage!  

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

10 Kommentare

  1. die globale Erhitzung durch Treibhausgase..

    ..führt hier im Rheinland besonders auffällig zu vermehrt Hageltagen im Winter, also in der Zeit, da bis vor gar nicht lange schlicht zu wenig Energie in den Luftmassen enthalten war, um die entstehenden Körner immer wieder zum Weiterwachsen hochzutreiben.
    Grad letzten Donnerstag, frühabends eingeparkt nach der K&K-Rückfahrt (Kerpen→Köln), just den Schlüssel nach dem Abschließen abgezogen – da fing es übergangslos an munter zu hageln, zum Glück im sub-Zentimeter-Format. Und bevor die Tür zur AutoSchutzhütte wieder offen wa, war es auch schon wieder vorbei und ich stand in einer daumendicken Hagelschicht…

    Ebenfalls noch fröhlich-besinnliche Feiertage und einen (übertragen)glatten Übergang ins nächste Kalenderjahr!

    • Danke, @rolak 🙏🌨️🤔

      Für ihr kurzfristiges Profitstreben haben uns die Reaktanten & fossilen Lobbyisten nicht nur Ressourcenfluch-Kriege, sondern auch eskalierende Extremwetter-Schäden buchstäblich eingebrockt…

  2. Der erste große Erwärmungsschub im Winter welchen die Klimakatastrophe ausgelöst hat fand mit den 3 aufeinanderfolgenden Supermildwintern 1987/88 bis 1989/90 statt. Danach war eigentlich nichts mehr wie es mal war. Vereinzelt noch mal ein winterlicher Gruß um die Weihnachtszeit. Aber im großen und Ganzen immer feucht-mild oder trocken-mild. Und seit 13 Jahren ist endgültig Schluss: Das letzte Mal Schnee zu Weihnachten im Großteil des deutschen Flachlands gab es 2010. Ich lebe mittlerweile auf knapp 1000m Seehöhe am Alpenrand. Aber auch hier sind die Winter nur noch ein Schatten der Vergangenheit. Es fallen zwar auch heute noch schnell mal 50-100cm Schnee. Aber nach 2,3 Tagen kommt meist schon die nächste große Wärmeperiode und der Schnee schmilzt innerhalb von wenigen Tagen fast oder komplett dahin. Längere Kälteperioden mit ein paar Wochen durchgehender Schneedecke am Stück gibt es auch hier oben nicht mehr.

    • Vielen Dank, @Andreas 🙏❄️

      Wie erwartet fällt es leider vielen Menschen schwer, sich ehrlich trauernd dem Schwinden des Schnees und dessen Folgen zu stellen. Manche leugnen noch immer die Klimakrise, viele misstrauen den eigenen Erinnerungen und „anekdotischer Evidenz“. Dabei bestätigen sich hier wissenschaftliche Daten und biografische Erinnerungen wie bei Ihnen – was ja für sich genommen schon zeigt, wie atemberaubend schnell die globale Erhitzung um sich greift.

      Ich halte das Zulassen von Trauer für psychologisch sehr wichtig – sei es heute um den verstorbenen und bedeutenden Bundespolitiker Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) oder eben auch um die Jahreszeiten unserer Kindheit. Wer nicht auch trauert, kann auch gute Gefühle der Dankbarkeit nicht zulassen, meine ich.

      • Leider sah ich heute von der Hochhalde Trages aus, dass das erste deutsche PV-Grosskraftwerk (3 MW, gebaut 2003) massiv durch Schneedruck beschädigt wurde. Natürlich gibt es da Normen für die Statik der Montierungen. Dazu gibt es auch Schneelastzonen. Nur hat der nasse Schnee vom 23.12. sich nicht mehr an diese Erfahrungswerte gehalten. Tragischer Weise wurde die Montierung erst vor 2 oder 3 Jahren erneuert. Die Module, vor 20 Jahren in einer ehemaligen Waffenschmiede der DDR bei Gera gebaut, waren noch voll in Ordnung. Die Klimaschäden realisieren sich Monat für Monat ganz konkret monitaer.

          • Es gibt keine Reden oder Musik. Wir ziehen in Trauerkleidung und mit schwarzem Regenschirm, sowie einer grünen Gießkanne auf den Gehwegen durch die Stadt und legen an toten Stadtbäumen, und die gibts mittlerweile genug, Trauerkränze nieder. Der zweite und dritte Trauerzug diesen Jahres stand unter dem Motto “Ich steh allein hier im Stein”. Dazu machte mir ein befreundeter bildender Künstler Plakate, die für mit der Behörde abgestimmte 4 Tage an passenden Bäumen zu sehen waren. Beim dritten Trauerzug hatte ich für ein A4-großes weißes Kommentarfeld gesorgt. Die Reaktionen waren spannend. Der nächste Trauerzug findet am 17. Mai 16 Uhr in Chemnitz beginnend an der “Sachsenallee”, die Heinrich Schütz-Straße bis zum Gelände des Bethanien-Krankenhauses hinauf, statt. Die Forderungen sind, das stark versiegelte Gelände des “Terra Nova campus” mit Photovoltaik zu überdachen und eine Zisterne zu bauen, um die ständig wieder sterbenden Bäume auf diesem Campus mit zusätzlichem Wasser versorgen zu können. Vorstand und ein Aufsichtsrat der Volksbank-Energiegenossenschaft Chemnitz sahen sich das auf meine Einladung im August schon an und befanden es für wirtschaftlich sinnvoll. Allerdings befand der Vorstand ein Projekt auf einem Objekt der Stadtverwaltung Chemnitz für schwierig zu realisieren, da diese gewöhnlich träge und unwillig sei, solchen Saqchen gegenüber.
            Im Jahr 2024 werden 4 solche Trauerzüge stattfinden in Chemnitz. 2025 haben wir Kulturhauptstadt-Jahr. Da werden es in der europäischen Öffentlichkeit 5 sein. Dann ist das Kunstprojekt “Florian Baum” beendet.

          • Wow, @Eckehard Erben – das finde ich eine buchstäblich bewegende Idee! Danke für Ihr Engagement, gerade auch in Chemnitz! 🙏🇩🇪🇪🇺🖖

  3. Seien Sie dabei am 17.5. in Chemnitz. Bringen Sie ein Schild mit, auf dem steht, um welche Ihrer vertrauten Bäume Sie trauern. Es sollte mich sehr wundern, es gäbe keine. Ich habe ganz konkret einen Spitzahorn, der die letzten 4 Jahre einige 100 Liter bekommen hat, nun aufgeben müssen.Allerdings auch eine Hainbuche recht nachhaltig gerettet, die am Gehen war. Wenn Sie kommen, Stelle ich Ihnen beide vor, vorausgesetzt der Spitzahorn wird nicht bis Mai vom Grünflächenamt gefällt.

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