Blume & Ince 9 zur Wirtschafts-Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom

Der 4. November ist für mich kein leichtes Thema, da an diesem Tag (#onthisday) des Jahres 1995 eine große Hoffnung meiner Jugend von einem Nationalreligiösen ermordet wurde: Der einstige israelische General, dann Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger Yitzhak Rabin (1922 – 1995).

Der auf X tapfer Erinnerungsarbeit leistende Felix Bohr erinnerte an ihn mit einem wichtigen, auch im Hinblick auf die Hamas-Terrormorde vom 7.10.2023 fast prophetisches Zitat Rabins:

“Wann immer sich Rassismus und Antisemitismus unkontrolliert entwickeln, ist die Tragödie nicht nur eine jüdische. Es ist eine Tragödie für jedermann, wo immer sie geschieht.”

Felix Bohr zitiert den am 4.11.1995 in Tel Aviv ermordeten israelischen MP Yitzhak Rabin: "Wann immer sich Rassismus und Antisemitismus unkontrolliert entwickeln, ist die Tragödie nicht nur eine jüdische. Es ist eine Tragödie für jedermann, wo immer sie geschieht."Erinnerung an den Hoffnungsträger, Ministerpräsident & Friedensnobelpreisträger Yitzhak Rabin (1922 – 1995). Screenshot: Michael Blume, mfG

Eine Hoffnungsträgerin und Wirtschaftsnobelpreisträgerin, über die ich schon einige Male gebloggt hatte, war und ist die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin Elinor Ostrom (1933 – 2012). Inan hatte sich als Wirtschaftswissenschaftler vor allem mit ihren Arbeiten zur “Tragedy of the Commons”, deutsch etwa “Die Tragödie der Allmende-Gemeingüter” befasst – ich wiederum den Wert ihres Buches “Jenseits von Markt und Staat” (Reclam 2022) auch für die Religions- und Politikwissenschaft betont.

Elinor Ostrom: "Jenseits von Markt und Staat. Über das Potential gemeinsamen Handelns", erschienen bei Reclam 2022

Für mich persönlich steht Elinor Ostrom wie zuvor auch etwa Antoinette Brown Blackwell (1825 – 1921) in der Tradition starker Frauen, die ihren Wissenschaften neue Paradigmen eröffnen konnten – aber viel zu oft und viel zu lange ignoriert wurden (und werden!).

Und so diskutierten Prof. Dr. Inan Ince und ich – nach einer Würdigung Rabins – über die Frage, welchen auch historischen Platz die Wirtschaftswissenschaft in den Sozialwissenschaften habe und wo Ostroms Widerspruch zum Markt-Staat-Dualismus weiterzugehen ist.

Podcast-Kachel mit einem Foto von Dr. Michael Blume und Prof. Dr. Inan IncePodcast-Folge 9 von Blume & Ince: “Elinor Ostrom und der Umgang mit Gemeingütern”

Zum Nachschauen hier auch noch einmal die vier Güterklassen, die Ostrom der allzu einfachen Unterscheidung von Privat- und Staatsgütern entgegensetzte:

  1. Gemeinressourcen wie Wasser, Luft, Sonnenlicht, Wälder usw., die vorgefunden wurden und deren Nutzung zu regeln ist.
  2. Öffentliche Güter wie Verteidigung, Wettervorhersagen oder Wissenschaft, die von einigen erstellt, aber möglichst allen Menschen zugänglich werden sollten.
  3. Privatgüter wie Obst oder Fleisch, Kleidung, Häuser, Autos, Schallplatten usw.
  4. Mautgüter, zu denen mehrere Zahlende Zugang haben wie Vereinssport, Theateraufführungen, Kinderbetreuung, Musik und Filme von Streaming-Anbietern.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

4 Kommentare

  1. @Podcast 9

    Eine Mystifizierung der Wirtschaft ist in der Tat unangebracht. Die Wirtschaft gehört zur Soziologie, und kann soziologisch bearbeitet werden.

    Was sich der konkrete Mensch wünscht, das ist genauso wichtig wie die eigene Verantwortung. Viele Menschen wünschen sich weniger Arbeitszeiten, und haben durchaus ein Verständnis dafür, dass wir z.B. die Energiewende viel schneller hinbekommen können, wenn wir unseren Konsum überprüfen und alles Überflüssige einfach mal weglassen.

    Jetzt hat etwa einer ausgerechnet, was dabei rauskommt, wenn man die Arbeitsstunden, die man braucht, um sein eigenes Auto zu finanzieren, einfach mal auf die Fahrzeiten anrechnet. Und kam dann auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von nur noch 7 Km/h. Offenbar ist hier das Fahrrad in etwa doppelt so schnell, und braucht auch noch deutlich weniger Verkehrsfläche.

    Diese schlechte Bilanz gilt genauso auch für Elektroautos. Erst Elektroautos im Carsharing könnten hier etwas besser da stehen. Aber ans Fahrrad kommen auch die nicht ran.

    Stets maximale Wirtschaftstätigkeit ist offenbar ein Ideal europäischer Politik. Muss aber gar nicht. Wenn wir soviel Wirtschaftsvolumen haben, dass jeder soviel Arbeit bekommen kann, wie er haben will, dann genügt dies doch. Wir müssen keinen ewigen Exportüberschuss haben, und es macht auch nur begrenzt Sinn, so viele Arbeitsplätze frei zu haben, dass wir Einwanderer brauchen.

    Vermutlich haben wir einfach nur einen handfesten Geldrausch bei einigen Wenigen, die hier ständig versuchen, die Geschäftigkeit anzutreiben.

    Eine Verlagerung der Aktivitäten in Richtung Erhaltung der Gemeinressourcen und die Schaffung Öffentlicher Güter macht eben auch Sinn. Und man kann auch einfach auf Fahrradtour gehen, und sich die Welt angucken. Das wäre ein 5. Bereich, der in der Liste der Güterklassen noch fehlt. Also Tätigkeiten, die ganz für sich selber Sinn machen, ob nun gemeinsam oder ganz alleine.

  2. Die westliche Ökonomie ist geprägt durch Milton Friedmann und die Chicagoer Schule. Selbst Frankreich unter Macron und auch autoritäre Entwicklungen übernehmen sie jetzt.
    Geprägt wird sie vor allem durch etliche Wirtschafts-Nobel-Gedächtnispreise.
    Die westliche Ökonomie ist aber auch durch Kolonialismus und Verursacher der Erreichung der Grenzen des Erdsystems verantwortlich.
    Ich frage mich immer,wann die Ökonomen sich selbst infrage stellen und erkennen,wann genug genug ist?
    Ich frage mich immer,wann die Ökonomen erkennen,wann auf sie setzende Politik erkennt,dass es Alternativen zu einem weiter so gibt.
    Ich frage mich immer,was es braucht für eine alternative Umsetzung?
    Andere Staaten sind ja auch nicht doof und verfolgen Erkenntnisgewinn.
    Es verfestigt aber gerade durch Autoritarismus und Totalitarismus dieser Dualismus wieder.
    Da muss man sich schon fragen,warum dieser Dualismus nicht zu verhindern ist.
    Möglicherweise liegt es trotz Gewaltenteilung im Machtgefälle und – gefüge.
    Wenn ich lese,am Rande, der Mörder Ghandis wird jetzt mehr gefeiert,als Ghandi selbst,dann geht das momentan alles wieder in einen Versorger-Führer-Mechanismus.
    Ostrom verlangt Individualverantwortung. Mir macht es zunehmend den Eindruck, die Masse mag diese nicht.

  3. Um das auf den Punkt zu bringen: Demokratie Richtung Ostrom zu bringen überfordert die Masse. Sie will keine Selbstverantwortung.

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