Antoinette Brown Blackwell als Starke Frau entdeckt
Seit vielen Jahren kämpfe ich mit Texten und Worten relativ erfolglos darum, Antoinette Brown Blackwell (1825 – 1921) dem Vergessen zu entreißen. Sie fehlte in praktisch keinem meiner Bücher, “Warum der Antisemitismus uns alle bedroht” war ihr gemeinsam mit Meinhard Tenne (1923 – 2015) sogar gewidmet. Doch erst als ich in der Hoaxilla-Folge “Verschwörungsmythen” mit einiger Emotion über ABB gesprochen hatte, kam Bewegung in die Sache.
Auf erfreuliche Nachfragen stellte ich mein altes, längst aus dem Handel genommenes eBook “Antoinette Brown Blackwell – Die erste Evolutionsforscherin” kostenfrei als pdf zur Verfügung – hiermit auch gerne & aus Überzeugung auf dem scilog. Greift gerne – Klick! – zu und baut bitte darauf auf!
Genau das haben die wundervollen Podcasterinnen Cathrin Jacob und Kim Seidler in “Starke Frauen” gemacht. Eine bessere Digital-Umgebung als genau diesen Podcast hätte ich mir für die Wiederentdeckung von ABB auch als Vorbild z.B. für meine Kinder nicht erträumen können. Danke!
Inhaltlich habe ich an dieser gelungenen Podcast-Folge null auszusetzen und nichts hinzuzufügen. Gleichwohl möchte ich die Frage der beiden Podcasterinnen gerne aufgreifen: Warum ist mir diese Person der Geschichte auch emotional so wichtig?
Das hat – soweit ich mich selbst verstehen kann – drei Gründe:
- Antoinette Brown Blackwell steht für mich als eine nicht fehlerlose, aber genau deswegen vorbildliche Kämpferin für Gerechtigkeit: Sie kämpfte als “Suffragette” für das Wahlrecht auch der Frauen, als “Temperantialistin” gegen Alkoholismus und Gewalt in Familien, als “Abolitionisten” für die Abschaffung der Sklaverei und schließlich als Pastorin und Wissenschaftlerin für die Öffnung der Religion zur Gleichberechtigung und zur empirischen Wissenschaft, konkret der Evolutionstheorie. Ich behaupte: Wenn nicht eine Ehefrau und mehrfache Mutter, sondern irgendein Mann auch nur die Hälfte dieser Kämpfe erfolgreich gefochten hätte, wären ihm Statuen errichtet und Filme gewidmet worden. Dass ABB dagegen weitgehend in Vergessenheit geriet, empfinde ich als zutiefst ungerecht.
- Antoinette Brown Blackwell steht für mich damit auch für die verzerrten Wahrnehmungen zwischen Deutschland und den USA. Viele US-AmerikanerInnen kennen vom Deutschland des 19. Jahrhunderts wenig mehr als ein Pickelhauben-Kaiserreich und Friedrich Nietzsche. Und umgekehrt kennen viele Deutsche von den USA des 19. Jahrhunderts wenig mehr als den Bürgerkrieg und den KuKluxKlan. Wie großartig wäre es, wenn wir gegenseitig auch unsere besseren Traditionen kennenlernen und einander darin bestärken würden? Deutschland hat eine Bundeskanzlerin, die USA endlich die erste Vizepräsidentin. Wann, wenn nicht jetzt? Warum sollten wir nicht jetzt unsere Kenntnisse und Zivilreligionen im Dialog miteinander weiterentwickeln?
- ABB steht für mich zudem dafür, dass empirische Wissenschaften völlig unabhängig von Geschlechtern, Hautfarben und Regierungen funktionieren. Sie war keine “Widersacherin Darwins” in dem Sinne, dass sie die Evolutionstheorie abgelehnt hätte, im Gegenteil: Antoinette Brown Blackwell entdeckte einen Fehler in Darwins Argumentationen zur sexuellen Selektion beim Menschen, der bis heute nachwirkende Folgen hatte. Wieviel besser wäre auch die Geschichte der Wissenschaften verlaufen, wenn Darwin und andere ihr “The Sexes throughout Nature” gelesen und ernstgenommen hätten? Oder andersherum formuliert: Die Frauenfeindlichkeit gegenüber ihrer beeindruckenden Arbeit erwies – und erweist – sich auch als Wissensfeindlichkeit. Diskriminierung zwischen Menschen schadet der Erkenntnis, die wir als Menschheit (wohl zu langsam) gewinnen.
Auch in meinen KIT-Seminarvortrag zu Karl Popper 2021 und unserem Zeitalter der Falsifikation hatte ich Antoinette Brown Blackwell aufgenommen. Wenn starke Frauen den Kampf nie aufgegeben haben, warum sollte ich es tun? Danke an die PodcasterInnen von Hoaxilla und Starke Frauen für die Unterstützung bei der Wiederentdeckung von ABB!
Lieber Michael,
nicht nur sind Kim und ich gerührt von Deinen Worten, wir freuen uns wahnsinnig, dass unsere ABB-Folge mit dazu beiträgt, dass diese tolle Frau ein kleines Stückchen aus der Vergessenheit geholt wird.
Wir sind immer wieder erstaunt über all diese Frauen, die uns vorgeschlagen werden, seien es Wissenschaftlerinnen, Autorinnen, Politikerinnen, Künstlerlinnen oder Aktivistinnen. Viele davon lernen wir erst in unserer Recherche besser kennen. Und wissen dann einmal mehr, warum wir diesen Podcast machen. Herzlichst, Cathrin Jacob
Liebe Cathrin,
auch noch nach vielen Jahren kann ich immer wieder auf Euren wundervollen Podcast “Starke Frauen” und konkret die Folge zu Antoinette Brown Blackwell verlinken. Das bedeutet mir sehr viel, für die engagierte Person, die sie war, für unser aller Geschichte und für die Erkenntnistheorie.
Danke für Dein und Euer Engagement, nach wie vor!
“Julia’s Garland” (fr. Guirlande de Julie)