Röhm-Massaker statt Röhm-Putsch. Zum Weiterleben von NS-Jargon sogar auf Wikipedia

Lassen Sie mich bitte zunächst positiv und anerkennend einsteigen: Ich bin ein großer Fan des Fediversums einschließlich Wikipedia und daher auch seit Jahren bewusst zahlendes Mitglied der Wikimedia Deutschland.

Und viele Mitwirkende, “wir”, haben auch bereits viel erreicht: Vom höhnisch-verharmlosenden NS-Begriff der Reichskristallnacht werden Wikipedia-User längst auf das sachrichtige “Novemberpogrome 1938” zur Reichspogromnacht umgeleitet. Zum gerade auch im Hinblick auf den Antisemitismus sachlich falschen Begriff der “Verschwörungstheorie” gibt es präzisere Bezeichnungen wie Verschwörungsmythos immerhin schon mal als Unterkategorie. Die allzu späte Reform der vom Nationalsozialismus antisemitisch “arisierten” Buchstabiertafel durch das DIN-Institut wurde auch auf Wikipedia umgesetzt. Und gerade heute legte der rührige Jens Bolm deutschsprachige Wikipedia Ressourcen zum vielsagenden, antisemitischen Massaker von Lissabon (1506) an.

Umso mehr schmerzt es mich, dass das nationalsozialistische Röhm-Massaker von Juni/Juli 1934 dort noch immer mit der NS-Verschwörungslüge des “Röhm-Putsch” hinterlegt ist. Sogar wenn ich wie heute auf Mastodon und X zur Diskussion über die mörderischen Gefahren des Antisemitismus und Nationalsozialismus einlade, spielt mir Wikipedia den sachlich falschen, NS-mythologischen Begriff ein!

Wikipedia spielt Stand 31.10.2023 die Fotografie drei grinsender Nationalsozialisten über dem auch sachlich falschen NS-Propagandabegriff "Röhm-Putsch" ein, hier auf Mastodon.

Liebes Wikipedia-Team, so geht das nicht weiter. Der falsche NS-Begriff des Röhm-Putsch statt Röhm-Massakers unter der Fotografie feixender Nationalsozialisten wird auch heute noch ausgespielt, hier auf Mastodon. Screenshot: Michael Blume

Historisch längst geklärt: Es gab keinen Putsch, gegen den sich das Hitler-Regime gewehrt hätte – sondern die kaltblütige Hinrichtung nationalsozialistischer und rechtskonservativer “Weggefährten” zwecks Einschüchterung jeder auch innerparteilicher Opposition. Die Bezeichnung des Röhm-Massakers als -Putsch reproduziert antisemitische, dualistische, totalitäre NS-Propaganda.

Dies zu verstehen ist wichtig, weil der Antisemitismus uns alle bedroht – sogar die Antisemiten und Dualistinnen selbst, auch heute.

Aus meiner Sicht wäre eine intensive Aufklärung über die auch selbstzerstörerische Wirkung des Antisemitismus also dringend notwendig. Selbst wenn auch dies nicht dazu führen wird, dass alle Antisemiten und Verschwörungsgläubigen aus ihren Wahnwelten finden, so könnte es auf Dauer doch dazu beitragen, dass weniger Menschen auf religiöse und politische Dualisten, auf Verschwörungssekten und Verschwörungsunternehmer hereinfallen.

Und immerhin: Auf meine Nachfrage auf Mastodon und X von heute morgen, ob und welche Aspekte denn Leserinnen und Leser am Röhm-Massaker interessieren würden, wurde (und werde) ich mit konstruktiven Fragen geradezu überschüttet. So benannte beispielsweise Alon Posener auf X als aufzuklärenden Aspekt:

“Dass es gegen links (die SA und die Befürworter einer “zweiten Revolution”) und rechts ging (Schleicher, von Papen, Brüning).”

Und ein Kommentator auf Mastodon assoziierte – m.E. mythologisch zutreffend! – den verschwörungsmythologischen Dualismus der faschistischen Star-Wars-Sith:

“Die Dunklen Lords haben eine Historie sich gegenseitig in ihrer Machtgier in den Rücken zu fallen. Und Graf Dooku, der eben noch Rachepläne gegen Verbündete und Feinde gleichermaßen hegte wird plötzlich von seinem eigenen Meister verraten…
Und auf einmal wird ihm klar, dass er ein zweischneidiges Schwert führt, denn:
“Verrat ist die Natur der Sith.”

Ich überlege nun ernsthaft, eine Blogpostreihe oder ein eBooklet zum Röhm- und Hamas-Fatah-Massaker zu schreiben, um die Niedertracht und Gefahren des Antisemitismus auch jenen vor Augen zu führen, die bisher noch diesen menschenverachtenden Verschwörungsmythen anhängen. Selbst wenn dies kaum mehr alle dieser Verschwörungsgläubigen erreichen wird – so wird dann doch niemand mehr sagen können, er oder sie habe es ja nicht wissen können.

Ich bitte also um Ihre gerade auch digitale Mithilfe: Lassen Sie uns das Röhm- und Hamas-Fatah-Massaker unter dem je richtigen Begriff an so vielen Stellen wie möglich ansprechen! Lassen Sie uns aufzeigen, dass nicht nur jeder Antisemitismus uns alle bedroht und dass auch die Antisemiten der Hamas nicht besänftigt werden können, sondern besiegt werden müssen, weil sie durch antisemitischen Vernichtungswillen samt Terror, Folter und Mord motiviert sind. Lassen Sie uns gegen Antisemitismus auch bei uns selbst, im Fedi- und Wikiversum vorgehen. Es stimmt einfach nicht, dass mensch nichts gegen Antisemitismus und für mehr Bildung tun könnte!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

42 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Dr. Blume,
    Ihr Vorhaben in allen Ehren. Natürlich kann jeder von uns einen Artikel etc. zu diesem Thema schreiben.
    Ein Begriff wie “Röhm-Putsch” lässt sich bei Wikipedia schnell ändern. Ich bin auch Ihrer Meinung, dass der passendere Begriff ins öffentliche Bewusstsein rücken sollte.
    Jetzt komme ich zu meinen Bedenken und fange zunächst mit einer Frage an: Da Sie m.W. kein Historiker sind, auf welche Autoren werden Sie zurückgreifen? Auf welche aktuellen Veröffentlichungen? Görtemakers Heß Biographie ist neu auf dem Buchmarkt.
    Dieses Massaker auf die These zu “reduzieren”, dass Antisemiten andere Antisemiten umgebracht haben, halte ich für bedenklich.
    Auch die Folgen des Massakers für die Männer, die Männer lieben, waren fürchterlich. Viele Künstler waren homosexuell. Sagt Ihnen der Name Kurt von Ruffin etwas? Diese Menschen haben fürchterlich gelitten. Gründgens bekam es aufgrund der Ereignisse mit der Angst zu tun und bot Göring seinen Rücktritt an. Vorsichtshalber heiratete er schließlich.
    Ob Kurt von Schleicher und seine Frau Antisemiten waren, kann ich nicht beurteilen. Das steht mir auch nicht zu. Die Tochter verlor Stiefvater und Mutter durch den Mord.
    Eines weiß ich durch jahrelange Lektüre (Bracher; Herbert; Jäckel, Haffner…) über das Dritte Reich: Vergleiche sind mit Vorsicht zu genießen.
    Überzeugen Sie mich vom Gegenteil und hoffentlich nehmen Sie mir meine Offenheit nicht übel.

    • Liebe @Marie H.,

      Danke – ich verstehe Sie also so, dass Sie keinen Vergleich zwischen den antisemitischen Massakern und Ideologien der Nationalsozialisten und der Hamas lesen wollen? Und dass Sie mir also nahelegen, dazu lieber nichts mehr zu schreiben?

      Oder hatten auch Sie einfach die Begrifflichkeiten von Gleichsetzung und historischem Vergleich durcheinander geworfen, wie es ja leider gerade auch in deutschsprachigen Diskussionen noch allzu häufig geschieht? Vgl.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/verschwoerungsfragen-41-von-ns-gleichsetzungen-und-vergleichen-sophie-scholl-und-roland-baader/

      Mich würde es sehr freuen, wenn sich der Wikipedia-Eintrag schnell ändern würde und Ihre These Recht behielte: “Natürlich kann jeder von uns einen Artikel etc. zu diesem Thema schreiben.”

      Denn wenn das so wäre und so getan würde – dann könnte ich mich tatsächlich anderen Themen widmen!

      So kommen wir also zu dem interessanten Schluss, dass Sie mir vom Schreiben dazu abraten, wogegen ich Sie ausdrücklich dazu aufrufe!

      • Nein, ich will Sie nicht vom Schreiben abhalten. So vermessen bin ich nicht. Und der Unterschied von Gleichsetzung und historischem Vergleich ist mir durchaus bewusst. Und ob ICH etwas von Ihnen lesen möchte, ist meine Entscheidung. So wie Sie entscheiden, worüber Sie schreiben wollen. Ich glaube, wir “reden” hier aneinander vorbei. Da mich Ihre Interpretation interessiert, werde ich sie auch lesen.

        • Danke, @Marie H.

          Ich möchte Ihnen umgekehrt Recht geben: Sollte der NS-Begriff zeitnah in der deutschsprachigen Wikipedia korrigiert werden und sollten weitere, lesenswerte Artikel zum Röhm-Massaker erscheinen – so werde ich mich gerne anderen Themen zuwenden. Es gibt ja fast endlos viel zu tun und ich empfinde Ihren Rat auch als Entlastung.

      • > die Begrifflichkeiten von Gleichsetzung und historischem Vergleich durcheinander geworfen, …

        Wenn Sie konsequent von Anfang an (bevor sich die Assoziationen zu diesem Projekt verfestigt haben) den Begriff “vergleichende Gegenüberstellung” verwenden, wird diese leicht passierende Fehlauffassung vermieden. Das “gegenüber” betont die Unterschiede.

  2. Ist es nur mein laienhafter Eindruck oder liegt es nicht automatisch in der Natur jeder Ideologie, die so extremistisch ist, dass sie die Vernichtung ihrer Feinde zum Ziel hat, dass auch die Hemmschwelle im Umgang mit allen anderen Gegnern kaum noch vorhanden ist?

    • Ja, @Mark W. – das halte ich für durchaus gut beobachtet!

      (Auch) Rabbi Jonathan Sacks, sel. Ang., benannte überzogenes Freund-Feind-Denken als “Dualismus”, der die Grundlage aller (!) Formen des Extremismus bilde. Und wenn die Einteilung der Welt in die vermeintlich zu verteidigende Eigengruppe und die vermeintlich verschwörerische Feindgruppe überschießt, dann steht auch schnell jede interne Abweichung unter dem Verdacht des Hochverrates. Zur Dualismus-These:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/freund-feind-dualismus-statt-rinks-lechts-hufeisen-theorie-eine-wuerdigung-von-rabbi-sacks-sel-ang/

      Das Röhm-Massaker ist tatsächlich ein historisch starkes Beispiel für die mörderische Eskalation des dualistischen Antisemitismus. Hier im Blog und im Podcast “Verschwörungsfragen” hatte ich beispielsweise bereits auch das Schicksal des Palästinensers Rami Aman aus Gaza geschildert, der von Hamas-Kräften verhaftet, verurteilt und inzwischen nach Ägypten abgeschoben wurde – weil er es gewagt hatte, mit Israelis zu skypen (!). Vgl.

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/verschwoerungsfragen-42-den-israel-palaestina-konflikt-mit-dem-historizismus-entschluesseln/

      Es würde mich sehr freuen, wenn sich die Gefahren von Dualismus und Antisemitismus auch über die Fachkreise hinaus schneller herumsprechen würden. Daher nochmal Dank für Ihren nach Selbsteinschätzung “laienhaften Eindruck”, der aber m.E. bereits in die völlig richtige Richtung weist.

      • Danke für die ausführliche Antwort.
        Der Dualismus ist mir als spezifischer Fachbegriff für solche Phänomene bislang noch nicht begegnet, obwohl ich mich für sehr interessiert halte und u.a. Ihnen auf Social Media folge.
        Jetzt weiß ich, wo ich nachschauen muss, wenn ich tiefer ins Thema einsteigen will.

  3. ‘Röhm-Massaker’ könnte eine gewisse Empathie für die Ermordeten durchschauen lassen?
    Wären in der Folge auch Leninsche (Lenin hat den Roten Terror erfunden) und Stalinische Säuberungen (Stalin den Großen Terror) anders zu benennen?

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    • Ja, @Webbaer – ich finde gerade auch den Euphemismus von “Säuberungen” für Morde und Massenmorde verharmlosend und unangemessen. Stalin hat fast die gesamte KP-und Armee-Spitze der Sowjetunion einschließlich Trotzki nicht “gesäubert” – er hat Abertausende Menschen verfolgen, foltern, ermorden lassen. Und auch die Hamas hat mit ihren Morden an Fatah-Anhängern nicht Gaza “gesäubert” – sondern eine antisemitische und also mörderische Terror-Diktatur ohne jede legale Opposition durchgesetzt. Ob die Ermordeten Ihnen oder mir nun je im Einzelfall sympathisch sind oder nicht sollte die historische Beschreibung dieser Verbrechen nicht bestimmen. Morde, Massaker und Terrorismus sind gerade keine willkürlichen Begriffe.

      • Vielen Dank für Ihre Reaktion, Herr Dr. Michael Blume.

        Es lagen seinerzeit bei Lenin (“Roter Terror“) und Stalin (“Großer Terror“) jeweils politisch gemeinte Massenmorde vor, die, wie einige meinen, notwendig waren, oft auch an (möglicherweise fehlgeleiteten) Funktionären, also Mittätern.

        Lenin und Stalin wollten so “Zug” ins System kriegen, ahnten wohl, dass der sogenannte real existierende Sozialismus Terror eine besondere innere Zuchtmaßnahme benötigt.

        “Trotzki” musste wohl weg wegen seiner sozusagen neulinken Denkweise, auch die sog. permanente Revolution meinend.
        Stalin mochte es sozusagen geordneter.

        Röhm mit seiner SA, den “Millionen Rabauken”, Zitat Röhm, wurde aus ähnlich systemischen Gründen vom “Führer” sozusagen neutralisiert.

        Wenn Sie bessere, passendere Bezeichnungen haben, nur zu !

        Dr. W würde beim sog. Röhm-Putsch von innenpolitisch motivierten Massentötungen sprechen bis reden wollen.

        BTW, im Islam gibt es ähnlich, das dortige Fachwort ist : Takfir(ismus).
        Es gab ihn auch, vergleichbar mit unseren kommunistischen Sportsfreunden, im sogenannten Islamischen Staat, auch dort gab es wie gemeinte politische Gegner und wie gemeinte Endbehandlung.

        Denkbarerweise ist dem Kollektivismus generell so eigen.

        Mit freundlichem Grüßen
        Dr. Webbaer (der, mit dem i.p. Wortwahl stets verhandelt werden kann. bloße Wörter meinend)

        • Jein, @Webbaer – den Begriff der “Massentötung” hatte ich ebenfalls kurz erwogen, aber wegen der Unschärfe verworfen: Es wurden ja gerade nicht einfach willkürliche “Massen” ermordet, sondern Menschen anhand von verschwörungsmythologisch motivierten Listen verhaftet und massakriert.

          Zu Ihrem Lieblings-Feindbild Islam habe ich der österreichischen Furche die Frage beantwortet:

          “Ist der Islam antisemitisch?”

          Da ich allerdings auch dort differenziere und auch die fossilen Fehlentscheidungen nicht nur westlicher Hobby-Strategen entlarve, müssen Sie sich das nicht antun:

          https://www.furche.at/religion/ist-der-islam-antisemitisch-12084797

          Dass ein kollektivistisches und dualistisches Freund-Feind-Denken gefährlich ist – stimmt völlig, aber eben nicht nur für andere, lieber @Webbaer…

        • Sie könnten an diesen Blogpost und einige der Kommentare dazu interessant finden:

          https://www.astralcodexten.com/p/a-cyclic-theory-of-subcultures, https://www.astralcodexten.com/p/highlights-from-the-comments-on-subcultures, besonders https://astralcodexten.substack.com/p/a-cyclic-theory-of-subcultures/comment/8287676

          Der/das Röhm-X sollte unbedingt auch unter dem Gesichtspunkt der “purity spiral” betrachtet werden. Eine v.a. nach innen gerichtete Dynamik des Ein/Ausgrenzens und Überbietens, die man bei vielen politischen und religiösen Bewegungen findet.

          • Nun, @Noch‘n Wort – Sie könnten auch einfacher mit Karl Popper beobachten: Wissenschaften wie auch offene Gesellschaften zeichnen sich durch den Mut aus, eigene Traditionen immer wieder zu hinterfragen und weiter zu entwickeln. Auch dafür liebe ich meine Heimat 🇩🇪🇪🇺, empirische Wissenschaft und übrigens auch meine (evangelische) Kirche. ⛪️☺️🖖

  4. Erst mal Anerkennung für den Mut die Geschichte “upzudaten”.
    Mit dem Wort Putsch hat es die Clique um Hitler, Heydrich , Goebbels und Göhring geschafft aus einem Mordkomplott eine notwendige und ehrenhafte Großtat zu machen.
    Das Wort Putsch verfälscht den tatsächlichen Ablauf an dem Massaker an der Führungsclique um Ernst Röhm.
    Und was ganz verdrängt wird, ist, dass sich SA und SS einig waren im Kampf gegen die Juden.

    Wie sich die Geschichte wiederholt, die Hamas und die Fatah sind sich auch einig im Kampf gegen Israel und trotzdem bekämpfen sie sich.

    Der israelische UN-Botschafter hat es auf den Punkt gebracht, indem er sich einen Judenstern angeheftet hat.

    Vielleicht setzt sich Ihre Bezeichnung durch, Herr Blume.

    • Von Herzen Dank, @Neumann !

      Auch der Furche.at-Artikel endet ja mit dem Appell:

      “Wir haben noch lange Kämpfe mit antisemitischer Propaganda und Gewalt vor uns – die wir nur gewinnen werden, wenn wir uns auch selbst in Frage stellen und verändern.”

      https://www.furche.at/religion/ist-der-islam-antisemitisch-12084797

      Ich höre jedoch via X, dass sich in Wikipedia-Foren bereits eine typisch deutsche Diskussion über die Frage bürokratischer Vorschriften ergibt – die sich die Crowd ja selbst gegeben hat und selbst auslegt. Bin sehr gespannt, ob sich da (entsprechend der Hoffnung von @Marie H.) medienethische Stimmen durchsetzen, die auch einfach mal Verantwortung übernehmen – oder ob wir noch Jahre des Fremdschämens vor uns haben. Weil, “wegen der Vorschriften” ließ sich ja auch hier mal wieder nichts gegen den Nationalsozialismus und Antisemitismus tun, leider-leider…

      Hoffentlich bleibt uns das in 2023 ff. erspart…

    • Danke, @Ein Leser

      Schade, aber so ist eben der aktuelle Stand deutscher Kultur…

      Hätten wir damals nicht gewagt, Vorschriften auszulegen oder einfach neu zu entwerfen, dann hätte auch das Sonderkontingent für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus Kurdistan-Irak nie funktioniert.

      Aber leider stehen wir uns in den DACH-Ländern eben doch regelmäßig qua selbst auferlegter Schranken und Verantwortungsdiffusion selbst im Weg… 🤷‍♂️

      Nun ja, die Hoffnung stirbt zuletzt.

  5. Es wird immer mal wieder versucht, die öffentliche Diktion zu verändern, indem Wikipedia-Artikel umgeschrieben werden. Es funktioniert aber umgekehrt: *zuerst* verwendet die Gesellschaft ein neues Wort (Reichskristallnacht —> Reichspogromnacht, Киев —> Київ, french fries —> freedom fries), *dann* nimmt Wikipedia es auf. Wir wollen, dass die Artikel gefunden und gelesen weeden, nicht den Leser zu anderer Sprache erziehen.

    Für weniger gebräuchliche Synonyme und andere Schreibweisen hat Wikipedia Weiterleitungen. “Röhm-Putsch” etwa wird auch “Nacht der langen Messer” genannt – in 63 anderen Sprachen ist das die Hauptbezeichnung. Wir haben ausserdem noch Weiterleitungen von Röhmputsch (ohne Bindestrich), Röhm-Morde, Massaker von Bad Wiessee, Röhmrevolte, Entmachtung der SA, Röhm-Affäre, Röhmmorde, Röhm-Revolte, Röhm-Aktion, und… Röhm-Massaker.

    Zur “deutschen Kultur” noch die Anmerkung, dass de.wikipedia.org – die Wikipedia in deutscher Sprache – auch österreichische, schweizerische, und Liechtensteiner Autor: innen hat. Tatsächlich gibt es deutschsprechende Wikipedianer auf allen Kontinenten.

    • Danke, @Peter Köhler

      Ich bin ja wie geschrieben begeisterter Wikipedia- und Fediversum-Förderer. Gerade auch deswegen finde ich die bürokratische Passivität in dieser Frage schwach.

      Es liegt nun ein Blogpost eines promovierten Religions- und Politikwissenschaftlers auf einem renommierten Wissensportal vor, der klar aufzeigt, dass der NS-Verschwörungsmythos vom „Röhm-Putsch“ historisch widerlegt und sprachlich falsch ist. Dass ich zudem auf Vorschlag der jüdischen Religionsgemeinschaften und mit breiter Unterstützung unseres Landtags Beauftragter gegen Antisemitismus eines nicht völlig unbedeutenden Bundesland bin, kommt hinzu.

      Natürlich können DACH-Leute dennoch sagen: Nö, wir warten dennoch weiter passiv ab, bis weitere Klarstellungen auf Holz gedruckt wurden.

      Kann mensch machen, klar. Aber dann möchte ich auch keine Klagen mehr lesen, dass etwa der Ausbau Erneuerbarer Energien durch „Bürokratie“ aus Politik und Gerichten gebremst werde. Denn auch die deutschsprachige Wiki-Crowd gibt sich ihre Vorschriften und Auslegungen selbst.

    • Die Vorstellung, dass die Abbildung bestehenden Wissens in der Wikipedia nur auf einer (angeblichen) quantifizierbaren Häufigkeit beruhen würde, ist ein beliebtes Pseudo-Argument von Teilen der Wikipedia-Community. Während in den Naturwissenschaften neue Erkenntnisse in Artikel einfliessen, wird bei gesellschaftlichen Themen so lange verzögert, bis selbst rechtskonservative Historiker sich nicht mehr gegen eine aufgeklärtere Sicht auf die historische Realität wehren können (Quantität statt Qualität).

      Ob dies in voller Absicht oder aus schlichter blinder Befolgung von selbstgemachten und vorallem an anderen Stellen (siehe Naturwissenschaft) durchaus anwendbaren Regeln geschieht ist im Ergebnis egal. Fakt ist dann, dass die Wikipedia Begriffe der NS-Propaganda verwendet, obwohl es aus enzyklopädischer Sicht durchaus bessere Begriffe gäbe, im konkreten Fall z.B. Röhm-Morde.

  6. Das berechtigte Anliegen einer historisch korrekten Benennung, wie z.B. Röhm-Massaker oder Röhm-Morde, wird in der Diskussion zum Artikel nun als “Geifernde political correctness und sprachpolizeiliche Blockwartattitüde” bezeichnet.

    Es scheint nicht nur nette Ecken in der Wikipedia-Community zu geben.

    • Danke, @Ein Leser

      Wenn dieser Blogpost zum Röhm-Massaker nun auch noch zu einer Debatte über Qualität und Haltungen bei Wikipedia beiträgt. dann soll mir das sehr Recht sein. Auch bei der Diskussion um die Buchstabiertafel gab es ja zunächst verblüffende Anhänglichkeiten zum NS-Jargon.

  7. @Blume
    Nun, @Noch‘n Wort – Sie könnten auch einfacher mit Karl Popper beobachten: Wissenschaften wie auch offene Gesellschaften zeichnen sich durch den Mut aus, eigene Traditionen immer wieder zu hinterfragen und weiter zu entwickeln.

    Schon, schon. Aber das ist für das alltäglich Verstehen ‘von dem was da gerade abgeht’ eine viel zu hohe Abstraktionsebene. Mich interessiert das Wie und Warum beim taktischen Gerangel, Hauen und Stechen — nach Innerhalb wie nach Außerhalb. Wer besetzt und kam wie auf die Position des Häresiarchen? Wie kommt es zu Abspaltungen horizontal (etwa gleich liberal/liberal/fundamentalistisch, aber mit unterschiedlichen inhaltlichen Positionen) und vertikal (eher lockere Progressive [innerhalb der jew. Sache] vs. rigide Fundamentalisten? Warum werden offensichtlich der Sache schadende Radikalpositionen nach außen vertreten? (Es sind Signale im Positionsgerangel [“Ichbin der wirste von wir! Ich habe niemals Zweifel! Anders als die anderen Luschen!”]). Wie entsteht eine Radikalisierungsdrift und/oder Reinheitsspirale? (Das Analogon des ‘evaporative cooling’ hatte ich hier schon angesprochen.)

  8. Ein Leser schrieb (01.11.2023, 16:42 Uhr):
    > […] Es scheint nicht nur nette Ecken in der Wikipedia-Community zu geben.

    Und man stelle sich erst die Situation vor, in der es nicht bloß um Wortwahl geht (die sich doch durch entsprechende Wort-bezogene [[User:Option]]en in der Darstellung jedes einzelnen Wikipedia-Artikels mittlerweile hoffentlich zu jedes Lesers individueller Zufriedenheit anpassen lässt), sondern um Auseinandersetzungen in der Sache. …

    (Mein diesbezüglicher “Lieblings-Endgegner”:
    Die bestenfalls sachlich falsche, und ohne ausdrückliche Definition der [[Gangrate (einer Uhr)#Wie.die.Gangraten.zweier.voneinander.getrennter.Uhren.überhaupt.zu.vergleichen.sind]] sogar völlig Sinn-freie, aber um so heftiger wiedergekäute “bewegte Uhr”, der schlicht/simpliciter(!) angedichtet wird, “sie ginge langsamer”.

    (Traut sich jemand im Sinne des [[Komparativ (Grammatik)]]s zu fragen:
    “Langsamer … als … ??”
    ?
    Na, zweifellos:
    “Langsamer als eine Uhr, die genau so schnell ging, und weiterhin genau so schnell geht, wie die zuvor genannte Uhr.”,
    nicht wahr?.

    Vgl. auch https://arxiv.org/abs/2209.12654 )

    Jedenfalls habe ich meine zuvor ziemlich aktive, hoffnungsvolle Mitarbeit in einigen Wikipedia-Fragmenten wegen der Aussicht auf unbekömmliches “Anecken” seit 2006 ausdrücklich ruhen lassen, und verweigere auch jegliche persönlich zu verantwortende finanzielle Unterstützung für “Wikipedia & Co.” — wobei ich allerdings nicht sicher bin, in wie fern finanzielle Unterstützung z.Z. durch unseren allgemeinen Beitrag für kommunikative Teilhabe geleistet wird.

    (Im Interesse der vollständigen Offenlegung möchte ich hinzufügen, dass ich zwar dass Passwort zu meinem Wikipedia-Account noch weiß, meinen dabei verwendeten Username aber mittlerweile vergessen habe, und auch keinen Zugriff mehr auf die damals angegebene “Konto-Wiederherstellungs-Email-Adresse” habe.)

    Allerdings hege ich eine gewisse Hoffnung, dass “das Fediversum” dabei helfen könnte, die Geschmeidigkeit der individuellen Wikipedia [[User:Option]]s dahingehend weiterzuentwickeln, dass es (auch) mir (wieder) ermöglicht und erträglich sein würde, insbesondere zu den Themen [[Dauer]], [[Uhr]] und [[Gangrate (einer Uhr)]] enzyklopädisch beizutragen.

    Vielleicht rafft sich “das Fediversum” ja auch irgendwann mal dazu auf, Nutzern das Bloggen mit \(\LaTeX\)- (bzw. “mathjax”-)Unterstützung zu ermöglichen; oder — falls es zum Äußersten kommt — eine etwaige schon bestehende solche Möglichkeit zuzugeben, zu dokumentieren, oder gar zu bewerben. …

    p.s.
    Noch’n Wort schrieb (01.11.2023, 21:19 Uhr):
    > […] Wie entsteht eine Radikalisierungsdrift und/oder Reinheitsspirale?

    Erfahrungsgemäß: durch (unablässigen, Erbarmungs-losen) Schliff.
    (Wobei: “Nach scharf kommt weg.” … &)

  9. @Frank
    Zur Uhr: Vermutlich Genauigkeitsfanatiker, die die Relativitätstheorie mit einbezogen haben wollen. Ist technisch OK, sollte man aber dann auch dazu schreiben. Typisches Beispiel: RaumfahrerIn startet von der Erde, rast mit Wahnsinnsgeschwindigkeit durchs All, kommt zurück: Er/sie ist kaum gealtert, auf der Erde sind zwei Generationen vergangen.

    • Noch’n Wort schrieb (02.11.2023, 16:49 Uhr):
      > […] Vermutlich Genauigkeitsfanatiker […]

      Nee, nee: “Genauigkeits-Wertschätzer”.
      Sofern ich mir überhaupt irgendwelchen Fanatismus zuschreiben (lassen) würde, dann allenfalls als Nachvollziehbarkeitsfanatiker.

      (Ohne Nachvollziehbarkeit der zugrundeliegenden Definitionen wären bloße verschiedene Worte wie “Genauigkeit” (bzw. “Ungenauigkeit”) oder “Präzision” oder “Richtigkeit” gar nicht mit irgendwelchen haltbaren und mitteilbaren sachlichen Unterscheidungen in Verbindung zu bringen.)

      > die die Relativitätstheorie mit einbezogen haben wollen.

      Die RT “mit einbeziehen” ??
      Das verwechselt meines Erachtens sozusagen die epistemologische Mücke mit dem Elefanten.

      > Ist technisch OK, sollte man aber dann auch dazu schreiben.

      Naja — in den (“gefühlt”) ca. 15 Jahren meines SciLog-Kommentariats habe ich mich offenbar doch noch nicht allen Mit-Kommentierenden ganz ausführlich einschl. meines zweiten Vornamens vorgestellt — wenn ich’s hiermit nachholen dürfte (alias “Gestatten (Sie bitte)”):
      Frank “Mr. Relativity” Wappler.

      > Typisches Beispiel: RaumfahrerIn startet von der Erde, rast mit Wahnsinnsgeschwindigkeit durchs All,

      … typischer Weise versteht sich dabei “Wahnsinnsgeschwindigkeit” ausdrücklich als
      “Geschwindigkeit des Raumfahrzeugs bzw. der Erde == Geschwindigkeit der Erde bzgl. des Raumfahrzeugs ist im Vergleich zur Signalfront-Geschwindigkeit c nicht vernachlässigbar klein” …

      > kommt zurück:

      … Sicher: sie (Erde und RaumfahrerIn) treffen sich (irgendwann mal) wieder. Um eventuelle Einzelheiten in Betracht zu ziehen und ggf. in bestimmter Weise festzulegen (um ggf. “gültige Versuche” auswählen zu können) wäre allerdings zunächst das gerade zitierte “kommt” (alias “Beschleunigung” usw.) als Messgröße zu definieren …

      > […] auf der Erde sind zwei Generationen vergangen.

      Weil sich das zählen lässt, ist das ja hervorragend nachvollziehbar und unmissverständlich!
      Aber: Ob z.B. die nächsten zwei Generationen (der Menschen-Population der Erde) auch nur ungefähr jeweils die gleiche (“Lebens”-)Dauer haben bzw. auch nur ungefähr mit der gleichen Rate aufeinander folgen, wie, sagen wir mal, die durchschnittliche Rate der vorausgegangenen 30 Generationen ? …

      (Das lässt sich natürlich Modell-haft annehmen.
      Aber das kann/sollte/muss vor allem Versuch für Versuch Modell-unabhängig gemessen werden!)

      > Er/sie ist kaum gealtert

      Na “sie” ganz grundsätzlich nicht! — Nein, Scherz beiseite!, es käme Versuch für Versuch selbstverständlich auf die jeweilige individuelle Alterungs an (nachvollziehbar anhand der Anzahl/Zunahme von Leberflecken, der Anzahl/Abnahme von Kopfhaaren, Zähnen, Kollagen-Molekülen, usw. usf.)

      Wie gut (nachvollziehbar!), dass sich ganz (Modell-)unabhängig von wie-auch-immer-ausgeprägten Alterungen die Trennungs-Dauern (die Dauer der Raumfahrzeugs-reisenden Person, während Getrenntseins von der Erde; bzw. die Dauer der Erde, während Getrenntseins vom Raumfahrzeug) an sich miteinander vergleichen lassen!, nicht wahr?. [1]

      Auf dieser Grundlagen (und “genaugenommen” nur auf dieser Grundlagen) lassen sich dann auch die jeweiligen Raten der Alterung bzw. des Generationswechsels miteinander vergleichen.

      (Äußerst anständig, mal die Gelegenheit zu haben, diese Einzelheiten zumindest so weit SciLog-Gastbeitrag-artig darlegen zu können!, Vielen Dank!)

      [1 — Aber: Wie wäre das eigentlich im Einzelnen zu machen ?? Für Messungen nach “Märzke-Wheeler”, z.B., müsste man ja wiederum zunächst überhaupt mal messen/unterscheiden, ob, bzw. in wie fern, gewisse Bestandteile der Versuchsanordnung “frei” alias “unbeschleunigt” gewesen wären! … ]

  10. Die Epstein- Affäre war bis zu ihrer Aufdeckung auch eine “Antisemitische Verschwörungstheorie”.

    Seitdem wissen wir Bescheid.

    So machen sie unsere Politiker erpressbar um jüdische Interessen durchzusetzen.

    Keine Politik mehr auf dem Rücken von geschändeten Kindern!!

  11. Der Beitrag hier ist eine Frechheit.
    Wikipedia bildet bekanntes Wissen ab, also das, was die Fachbücher (kennen Sie die überhaupt, Blume?) drucken.
    Wikipedia schafft daher kein Wissen, das war nie dessen Auftrag.
    Wenn Blume also irgendwas schreiben möchte – dann bitte an entsprechende Historiker.
    Dann, erst dann kann Wikipedia das umändern.

    • “Danke”, @Quante

      Hätten Sie sich ernsthaft mit dem Thema befasst, statt hier Ihre Reaktanz auszukippen, dann wüssten Sie, dass ich Wikipedia auch finanziell seit Langem unterstütze – und übrigens auch schon Seminare dafür gegeben habe, wie jede/r dazu beitragen kann.

      Zudem wüssten Sie, dass ich promovierter Religionswissenschaftler und Politikwissenschaftler bin und bereits zahlreiche Fachbücher – auch zum Antisemitismus & Faschismus – geschrieben habe. Auch dass ich Medienethik am KIT Karlsruhe unterrichte, dürften Sie für einen Anhaltspunkt halten, dass ich Wikis nicht nur einfach gut finde, sondern in ihnen großes Potential (und damit auch große Verantwortung!) sehe.

      Selbstverständlich “schafft Wikipedia Wissen” – wie es auch jedes Lexikon, jede Lehrerin und jeder Lehrer tut, indem sie bestehendes Wissen aufgreifen, auswählen, kombinieren und präsentieren. Es gibt keine “neutrale” Abbildung von Wissen, sondern mindestens eine Auswahl und Neu-Kombination davon, jeden Tag. Und welchen “Auftrag” und Anspruch die Wikipedianer:innen an sich selbst stellen – bestimmen diese selbst.

      Konkret besteht das Röhm-Massaker sogar bereits als Lemma und es bräuchte nur wenige, mutige Stimmen, die zu ihrer freiwillig und ehrenhaft angenommenen Verantwortung stehen, um den NS-Verschwörungsmythos des Röhm-Putsches nicht länger nach vorne zu stellen.

      Sie könnten das. Es ist eine Frage des Wollens.

      • Michael Blume schrieb (05.11.2023, 12:45 Uhr):
        > […] Selbstverständlich “schafft Wikipedia Wissen” – wie es auch jedes Lexikon, jede Lehrerin und jeder Lehrer tut, indem sie bestehendes Wissen aufgreifen, auswählen, kombinieren und präsentieren.

        Ist dabei das Aufgreifen von schon in einem Wikipedia-Fragment bestehendem in einem (Teil eines) Artikel(s) verbalisiertem Wissen ausdrücklich inbegriffen ?

        Ist dabei das Aufgreifen des (bisherigen) Fehlens der Verbalisierung bestimmten Wissens innerhalb der Wikipedia ausdrücklich inbegriffen, das durch “rote Wikilinks” (also dem Fehlen eines konkreten Link-Targets, innerhalb des jeweiligen Wikipedia-Fragments, für die formal als Link formatierte Phrase) ausgedrückt und kenntlich gemacht werden kann ?

        Ist dabei das Aufgreifen von bestehendem Wissen ausdrücklich inbegriffen, das “Peers” womöglich zur Kenntnis nehmen, geschweige denn enzyklopädisch-neutral dargestellt sehen wollen ?

        Na, dann — schüfe Wikipedia Wissen!
        (Was ich, für meine Wenigkeit, übrigens begrüßen und ggf. sogar ausdrücklich finanziell fördern wollte.)

        > Konkret besteht das Röhm-Massaker sogar bereits als Lemma

        Aber offensichtlich z.Z.
        überhaupt nicht in Verbindung mit mit dieser (im obigen SciLog-Artikel) unterbreiteten Wortwahl.

        Und dabei erscheint es doch rein technisch ziemlich trivial, die individuell bevorzugte Wortwahl sowohl innerhalb des betreffenden Wikipedia-Artikels, als auch in Links zu diesem Artikel von anderen Wikipedia-Seiten als [[User:Option]] frei wählbar zu gestalten. Das ändert ja gar nichts am “Wikiom”, also dem durch Verwikilinkung repräsentieren Wissensbestand eines Wikipedia-Fragments, oder der Wikipedia insgesamt.

        > […] welchen “Auftrag” und Anspruch die Wikipedianer:innen an sich selbst stellen – bestimmen diese selbst.

        Das ist zwar “nur” ein frommer Wunsch, der womöglich nur durch (umfangreichen) Einsatz von [[User:Option]]en [[Prinzip der praktischen Konkordanz#Verwirklichung.von.Rechtsansprüchen|maßvolle Verwirklichung]] erfahren könnte, obwohl “die Wikipedianer:innen an sich” auch solche umfassen, die diesem Wunsch überhaupt keine Verwirklichung zugestehen wollen.

        > Es ist eine Frage des Wollens.

        Nach Planck [Link im Memo] pflegen sich Fragen wissenschaftlichen Wollens ja dadurch zu lösen, dass das Wollen hinreichend vieler (anders-)Wollender physisch erlischt.
        (Ohne damit etwaige Wollenderinnen ausnehmen zu wollen. … &)

        Ohne Einsatz von [[User:Option]]en laufen aber vermutlich sogar Fragen divergierenden Wollens hinsichtlich bloßer enzyklopädischer Darstellung auf Massaker hinaus. …

  12. Offen gesagt, ich verstehe nicht den Aufwand, Nazi-Morde an Nazi-Bonzen zur Machtverfestigung nach 90 Jahren von “Röhm-Putsch” ( Nazi-Sprech ) zu “Röhm-Massaker” umbenennen zu wollen. Laut Wikipedia ist ein Massaker ( … ) [ ist ] ein Massenmord unter besonders grausamen Umständen, ein Gemetzel oder Blutbad, häufig im Zusammenhang mit Motiven wie Hass oder Rache. In der Soziologie wird darunter ein „zumeist kollektives, auf die Vernichtung von Nichtkombattanten“ (Zivilisten oder entwaffnete Soldaten) zielendes Handeln verstanden. Aus meiner Sicht waren die Urheber nicht von Hass oder Rache getrieben, sondern von der Gier nach alleiniger Macht. Dazu hat “Röhm-Putsch” eine aktive Notation ( was ja wohl auch beabsichtigt war ), bei Röhm-Massaker ist nicht klar zu erkennen, ob das Massaker an Röhm verübt wurde oder Röhm das Massaker verübte. Angesichts dessen, dass nicht nur Röhm, sondern in diesem Zusammenhang zwischen 50 und 200 Personen ermordet wurden, wäre es wohl angesichts der Urheberschaft nicht falsch, von “Hitler-Morden” zu sprechen.

    • Die Behauptung, Röhm habe einen Putsch geplant, war & ist ein NS-Verschwörungsmythos, @Karl Maier. Ausgerechnet diesen immer weiter zu verbreiten finde ich unverantwortlich. Vgl. auch den früheren Begriff „Reichskristallnacht“ statt „Reichspogromnacht“…

      • Michael Blume
        07.11.2023, 06:35 Uhr

        Die Nazi-Verharmlosung der Pogromnacht ( und wie Sie sehen, vermeide ich auch die Benutzung der ansonsten gebräuchlichen Vorsilbe ) steht hier nicht zur Debatte, das ist ein anderes Thema.
        Die Kennzeichnung der Morde als “…-Putsch” war Nazi-Sprech zur Rechtfertigung der Untaten und wird heute wohl meistens aus Unachtsamkeit/Schlampigkeit genutzt. Die Kennzeichnung der Morde als “Massaker” hebt aber aus meiner Sicht die Untat auf eine Ebene, auf die sie nicht gehört, der Definition nach unschuldige Zivilisten waren die Ermordeten/Hingerichteten nicht ( was aber auch deren Ermordung nicht rechtfertigt ). Dazu ist der Name in Verbindung mit dem Wort Massaker sprachlich zweideutig, ohne Geschichtskenntnisse ist nicht klar, ob der Namens”geber” Opfer oder Täter war.

        • Nun habe ich den Begriff “Röhm-Massaker” auch in meiner Landtagsrede zum 9. November 2023 ausgeführt – und Standing Ovations aller demokratischen Fraktionen erhalten:

          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/im-landtag-bw-gegen-antisemitismus-meine-rede-zum-9-11-2023/

          Ob sich die Wikipedia-Crowd bewegen kann, wenn dieser Begriff also ab nächster Woche auch in den Plenar-Protokollen des demokratisch gewählten 17. Landtages von Baden-Württemberg auftaucht?

          Wir werden sehen…

  13. Mich beschäftigt in diesen Tagen etwas ganz anderes. Für die Terroranschläge am 11. September 2001 hat sich längst das amerikanische Kürzel / der Begriff 9/11 eingebürgert. Analog benutze ich provisorisch in den sozialen Medien 10/7 für den Hamas-Terror in Israel, bis sich da ebenfalls ein allgemeiner Begriff etabliert hat –

    Und der kommt aber nicht?

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