Sensationeller Alphabet-Fund in Lachisch, Israel – Glückwunsch an das ÖAI

Pünktlich vor meiner Keynote zur WissKon21 über Wissenschaftskommunikation und Antisemitismus zeigte Twitter, was es kann: Christian Bolliger machte mich auf eine sensationelle Entdeckung eines Teams des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) unter Leitung von Katharina Streit und Felix Höflmayer mit Haggai Misgav und Lyndelle Webster aufmerksam: In Lachisch – etwa 44 km südwestlich von Jerusalem im heutigen Israel – fanden sie eine Scherbe aus dem 15. Jahrhundert vor Christus mit Alphabet-Schriftzeichen.

Tweet von Christian Bolliger zum Alphabet-Fund von Lachisch, Retweet von Steven Pinker. Screenshot mit Dank und freundlichen Grüßen: Michael Blume

Auf den ersten Blick scheinen Fund und Auswertung von Scherben aus der Bronzezeit das Klischee weltentrückter und irrelevanter Studien zu unterstützen: Der Fund schließe doch “lediglich” einen “Missing Link” zwischen älteren Alphabet-Funden auf dem Sinai und jüngeren in Kanaan.

Doch auf den zweiten Blick wird deutlich, dass auch hier Scherben Glück bringen – also wie relevant der Fund auch für heutige Diskussionen ist: Dass “Semiten” weder eine “Rasse” noch eine besonders “inflexible Sprachgruppe” sind – wie Antisemit:innen auch in den Wissenschaften seit dem 19. Jahrhundert und bis heute behaupten – hat sich leider noch nicht überall herumgesprochen. Bis in die Antisemitismusforschung hinein begegnet mir eine große Ignoranz auch gegenüber den jüdischen Quellen selbst, die vom Talmud bis zur heutigen Auslegung betonen, dass Schem und sein Enkel Ewer (Eber, der erste “Hebräer”) das erste Alphabet-Lehrhaus in Jerusalem begründet hätten. Sie hätten dort das Alphabet, das Konzept von “Bildung” (aus der Thora: der Mensch sei “im Bilde G’ttes” geschaffen) und inhaltlich den Noah-Bund für alle Menschen gelehrt.

Der Alphabet-Fund von Lachisch bestätigt nun selbstverständlich nicht in einem plumpen Sinne “die Wahrheit des Talmud” – auch hier ist selbstverständlich zwischen historischer Geschichtswissenschaft und Mythos zu unterscheiden. Doch der Fund zeigt auf, dass es tatsächlich schon vor der ägyptischen Herrschaft eine Alphabetisierung im Bereich des heutigen Israel gegeben hat – und stärkt damit die Argumente derer, die den Semitismus als Medientradition ernstnehmen und erforschen.

Dass Alphabetschriften als Lautschriften mit weniger als 30 Buchstaben von Jungen und Mädchen aller Stände zu lernen waren und beispielsweise auch ein Arbeiterkind namens Jehoschua / Jesus im Alter von 12 Jahren Lesen und Schreiben konnte – das erklärt den Semitismus wie auch Neid und Verschwörungsmythen des Antisemitismus sehr viel präziser als verquaste Spekulationen über “Rassen” & Co.

In seinem berühmten Gemälde “Der zwölfjährige Jesus im Tempel” von 1879 entwarf der deutsch-jüdische Maler Max Liebermann (1847 – 1935) Jesus als jüdisches, alphabetisiertes und schrift-auslegendes Kind aus einer Handwerker-Familie. Nach heftigen Protesten gegen diese Darstellung als “Judenbengel” musste Liebermann “seinen” jüdischen Jesus mit weißer Haut, blonden Haaren, teurer Kleidung und Sandalen “arisieren”. Gemälde heute in der Hamburger Kunsthalle. Foto: Michael Blume

Längst haben weitere Forschende wie der Neuroanatom Detlef Linke (1945 – 2005) und der kürzlich leider verstorbene Rabbi Lord Jonathan Sacks (1948 – 2020) nicht nur die Bedeutung der Alphabetschrift, sondern auch die Unterschiede der vokalarmen (“semitischen”) und vollvokalisierten (“japhetitischen”) Alphabete entdeckt: Wo Vokale beim Lesen eingefügt werden müssen, steigt die Bedeutung von Lehrenden, wird die rechte Gehirnhälfte stark gefordert und werden Bilder und Musik entsprechend als störend empfunden. Die Einfügung von Vokalen ändert dagegen nicht nur die Schriftrichtung ins Rechtsläufige, sondern reduziert auch die Bedeutung von Lehrenden (vgl. die Klage des Sokrates über das griechische Alphabet im Phaidros) und führt zu neuer Sehnsucht nach Bildern, Musik, Passion. Detlef Linke fand hier nicht weniger als eine These von Marshall McLuhan (1911 – 1980) bestätigt: Die Übersetzung der hebräisch-aramäischen Bibel ins Griechische (Septuaginta) habe das Christentum medienpsychologisch grundgelegt.

Selbstverständlich ist all dies längst publiziert (so in “Gott, Gene und Gehirn”, Hirzel und “Warum der Antisemitismus uns alle bedroht”, Patmos), aber die Ausbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse dauert oft lange und scheitert nicht selten sogar ganz.

Auch deswegen möchte ich den österreichischen und israelischen Kolleg:innen herzliche Glückwünsche und auch Dank zurufen – der Alphabet-Fund von Lachisch hat über die Bedeutung für die Geschichtsschreibung (!) hinaus zweifelsohne auch heutige, interdisziplinäre Relevanz! Auch in den deutschsprachigen Medien und Wissenschaftsfeldern hoffe ich auf aktive Wahrnehmung – einschließlich der Entdeckung der Relevanz auch der jüdischen Traditionen des Talmud.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

49 Kommentare

  1. Alphabetische Schrift, die Phonographie (das Fachwort an dieser Stelle) generell ist gemeint, vielleicht 3.000 bis 3.500 Jahre alt, wie auch im dankenswerterweise bereit gestellten hiesigen Inhalt berichtet worden ist, ist cooler als die gegenständlich bemühte Schrift.

    Sie erlaubt mehr Nuancen, Feinkörnigkeit im Sprachlichen, wie dies in gegenständlich bemühter Schrift nicht möglich wäre.
    Cool an gegenständlicher Schrift ist, dass sie von allen (auf diesem Planeten) unabhängig von ihrer genauen Sprachlichkeit verstanden werden könnte, nach diesbezüglicher Einarbeitung, die in lokaler Sprache erfolgen kann, weniger cool ist ihre grundsätzliche Begrenzung in der Granularität der diesbezüglich möglichen Persistierung, die “nicht wirklich” feinkörnig ist.

    Vielleicht darf weiterhin von semitischen Sprachen geredet werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    • Danke, @Webbaer. Obwohl beispielsweise niemand Seriöses aus den Wissenschaften noch von “indoarischen Sprachen” sprechen würde, glaube ich nicht, dass der Begriff “semitische Sprachen” bald überwunden würde. Allerdings wünsche ich mir schon, dass die Abwertung des “Semitischen” wie auch die erste Benennung von “antisemitisch” im Kontext der Sprachwissenschaften reflektiert werden würde. Antisemitismus fand – und findet – sich eben keineswegs nur in den Naturwissenschaften…:
      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/1860-sprach-steinthal-von-antisemitismus/

      Hier würde stärkere, interdisziplinäre Reflektion auch uns deutschsprachigen Wissenschaftler:innen gut tun.

      • Dr. Webbaer wollte ja zuvörderst nur die Sprachlichkeit von der Schriftlichkeit abgetrennt wissen sehen wollen; die gegenständlich bemüht notierte Sprache, dann Schrift, trennt sie von der phonographischen Schrift dann ab.

        Gewisse Ähnlichkeiten der semitischen Sprache gegensätzlich zur sog. indogermanischen Sprache bestehen.

        In Fernost, China und so, wird die gegenständlich bemühte Schrift auch heute noch sehr angesehen, geübt, und so.

        MFG
        Wb

      • dass der Begriff “semitische Sprachen” bald überwunden würde

        Was wäre denn Ihr Alternativangebot, diese Sprachverwandtschaft/Sprachgemeinschaft zu bezeichnen? 😳🤔

        • Dazu etwas vorzuschlagen wäre m.E. Aufgabe der Sprachwissenschaft, lieber @Alubehüteter. Das Problem ist dort nach meiner Kenntnis wohl bekannt, aber gute Alternativen sind zumindest noch nicht im Gespräch.

  2. – wie Antisemit:innen auch […] –

    Möge der Verursacher dieser verhunzten Schreibe in der Schrifthölle schmoren!

    • Och, mich haben schon viele Extreme in die Hölle gewünscht. Mir gefällt die Schreibweise mit dem Doppelpunkt besser als die mit dem Binnen-I und ich übe meine Freiheiten auch hier auf meinem Wissenschaftsblog sehr gerne aus. 🙂

  3. Obwohl beispielsweise niemand Seriöses aus den Wissenschaften noch von “indoarischen Sprachen” sprechen würde

    Das mag altertümlich sein, man wird heute meist von „indoiranisch“ sprechen. Wobei „Iran“ auch nichts anderes bedeutet als „Land der Arier“. Gemeint ist einerseits das Altpersisch/-kurdische, andererseits Sanskrit.

    „Indoarisch“ als Alternative zur Gesamtbezeichnung „indogermanisch“ oder „indoeuropäisch“ (genauer urindogermanisch/protoindoeuropäisch, beides sehr unglückliche Begriffe für die ursprüngliche Sprechergemeinschaft) stand meines Wissens nie zur Debatte. Die ursprüngliche Bezeichnung war tatsächlich „japhetisch“. Man wollte allerdings zu dieser Zeit weg vom Buch Genesis als einziger oder erster Quelle zur Früh- und Vorgeschichte, da die Entdeckung der anderen Sprachen ja einher ging mit der Entdeckung anderer, teilweise für viel älter gehaltenen Quellen; unter anderem Max Müller, erster Übersetzer des Rigveda, schlug „arisch“ vor, andere dann „altarisch“ im Sinne von „alt-arisch“.

    Was meines Erachtens eigentlich immer noch richtig wäre. Man hat „Völker“ stets benannt nach dem ersten Stamm dieser Leute, dem man begegnete. Sie selber nennen sich „Hellenen“, alle Welt aber nennt sie „Griechen“ nach den „Graeca“, die den Römern als erstes begegneten. Kein Mensch weiß mehr so genau, wer diese „Germanen“ gewesen sein sollen. Und in diesem Sinne heißen die Deutschen bei Skandinaven und Italienern Deutsche (tiudiske, teodeske), bei Franzosen und Türken Allemannen, bei den Amerikanern Germanen und bei den Briten Hunnen. Die Urindogermanen als vorgeschichtliche Sprachgemeinschaft begegneten uns nun einmal zuerst bei den indoiranischen Ariern.

    Es entzieht sich dem Licht der Geschichte, ob „Arier“ („die Gastfreundschaft Gewährenden?“) sogar die oder eine Selbstbezeichnung dieser Leute insgesamt war; namentlich, ob sich auch Irland/Ireland ableiten läßt von „arisch“.

    „Arisch“ wäre meines Erachtens immer noch die sinnvollste Bezeichnung. Leider aus bekannten Gründen historisch verdorben.

    Wobei alternativ sogar „japhetisch“ vielleicht nicht falsch ist. Es gibt im Griechischen den Namen Iapetos, unter anderem ein Sohn des Atlas (?), und dabei scheint es sich zu handeln um eine sehr alte Form von Jupiter, also Vater Himmel (nicht „Vater im Himmel“, Gegenstück ist die Mutter Erde).

  4. Irgendeinen Namen muss diese (von den semitischen Sprachen herstammende) Sprachfamilie ja haben. “Indoarisch” ist verbrannt wegen der Arier (“Blond wie Hitler, schlank wie Göring, leichtfüssig wie Goebbels”), “indogermanisch” nicht zutreffend, “doch sind die meisten indogermanischen Sprachen weder germanisch noch indisch” wikipedia s.v. https://de.wikipedia.org/wiki/Indogermanische_Sprachen, indoeuropäisch falsch.
    Zur These der Abstammung von den semitischen Sprachen: wichtige Begriffe der Landwirtschaft sind semitischen Ursprungs: Wein (aus jajin), Sack (heb. saq) , Farren (v. far- Stier), Tal (Höhenunterschied, arab. tell- Hügel).
    Zum Lehrhaus in Jerusalem: O. Keel hat gute Gründe dafür angeführt, dass es schon lange vor David (zur Zeit Echnatons- 14 Jhd. v.Chr. )einen Tempel in Jerusalem gab, den David und Salomo einfach umwidmeten /umbauten. Gibt es da einen Zusammenhang?

    • Das wäre denkbar, @j. – wobei es zwischen Tempel(n) und Lehrhäusern, Priestern und Rabbinern auch durchaus immer wieder Spannungen gab. Dass Liebermann im o.g. Bild Jesus zwar im Tempel, aber inmitten von Laien-Schruftgelehrten auftreten ließ, war durchaus auch eine Ansage für die rabbinische Tradition.

      • @Michael Blume
        eine der größten Leistungen der alttestamentlichen Propheten ist in meinen Augen: sie haben die verbeamtete Kultfrömmigkeit unter der Aufsicht des Königs von der Laienfrömmigkeit getrennt. Siehe Amos 7, 14(muss man einfach auf hebräisch zitieren, diese großartige Lakonie) לֹא־נָבִ֣יא אָנֹ֔כִי וְלֹ֥א בֶן־נָבִ֖יא
        אָנֹ֑כִי כִּֽי־בֹוקֵ֥ר אָנֹ֖כִי וּבֹולֵ֥ס שִׁקְמִֽים

    • “doch sind die meisten indogermanischen Sprachen weder germanisch noch indisch” wikipedia

      Ich bin zu faul, das zu googeln. Die Idee war, einen Klammerbegriff zu schaffen als Abkürzung von indo-(avesto-slavo-balto-graeco-romano-hethito-usw.)germanisch. Keltisch nahm man zuerst raus, weil zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar war, ob die keltischen Idiome zu dieser Sprachfamilie gehören, sonst hätte sich womöglich indokeltisch durchgesetzt – Allerdings entdeckte man wenige Jahrzehnte später eine untergegangene Sprache auch noch in China, und jetzt noch mal auf tocharo-keltisch wechseln wollte man auch nicht. Also zieht man nicht einfach eine Ost-West-, sondern die weitentfernteste geographische Achse Ceylon–Island. Alle dazwischen gesprochene Idiome dieser Sprachfamilie sind eingeklammert mitgedacht.

    • ein Tempel in Jerusalem, den David und Salomo einfach umwidmeten /umbauten

      War nicht die Rede bei Salomon von zwei Tempeln, die er bauen ließ, einen für Herrn Jehova und einen weiteren für seine werte Frau Gemahlin? Der dann herabgewürdigt/bagatellisiert wurde zu „hat Salomon einer Gespielin zuliebe gebaut, war nicht so gemeint“.

      Man hat oft versucht, eine Verbindung zu ziehen vom Monotheismus des Echnaton zu dem des Judentums; meiner Kenntnis nach nie überzeugend.

      • @Alubehüteter
        vor dem babylonischen Exil waren Israel und Juda sicher nicht monotheistisch. Die Haltung war die einer Monolatrie (nur ein Gott wird verehrt, aber die Existenz anderer Götter wurde respektiert). Der Kampf der Propheten gegen die Verehrung anderer Götter (bei Hosea als Ehebruch bezeichnet) zeigt genau, wie wenig monotheistisch das Volk Israel damals war.

        • Ich bin da wirklich kein Experte. Aber nach meiner Kenntnis waren die historischen Könige David und Salomon schlicht Polytheisten. Es mag eine Bewegung gegeben haben, die Jahwe als exklusiven „National-“gott Israels angesehen hat, aber nicht auf staatlicher Ebene. Und wie gesagt, ein Zusammenhang gar zu Echnaton wurde nie nachgewiesen. Liegt zwar nahe, weil zu dessen Zeit „Palästina“ zum ägyptischen Reich gehörte, aber hat man so etwas in den Provinzen mitgekriegt?

          • @Alubehüteter
            ich denke eher, beide waren eher Opportunisten. David hat sicher den Kult um die Bundeslade mitgetragen (d.h. Jahwe) und die Lade dann auf der “Tenne des Arauna”- einem offenen Kultareal für den (Sonnengott) Salem abstellen lassen. Ziel war wohl, beide Kulte zu verschmelzen. Im Land herum hat man eher Baál verehrt. Den gleichen Trick haben die Omriden in Samaria versucht und wurden von der prophetischen Opposition um Elia und Elisa ausgebremst, obwohl die Omriden (v.a. Ahab) wirtschaftlich und militärisch sehr erfolgreich waren.
            Zum Zusammenhang mit Echnaton: mehr als die Nähe von Ps. 104 zum Sonnenhymnus haben wir nicht. Wer sich selber ein Bild machen will hier: https://geraldspitzner.wordpress.com/psalm-104/textvergleich-hymnus-des-echnaton-und-psalm-104/
            Einen echten Monotheismus können wir m.E. erst in Aristoteles Metaphysik nachweisen, im Buch λ der Metaphysik

  5. “… die vom Talmud bis zur heutigen Auslegung betonen, dass Schem und sein Enkel Ewer (Eber, der erste “Hebräer”) das erste Alphabet-Lehrhaus in Jerusalem begründet hätten. Sie hätten dort das Alphabet, das Konzept von “Bildung” (aus der Thora: der Mensch sei “im Bilde G’ttes” geschaffen) und inhaltlich den Noah-Bund für alle Menschen gelehrt.”

    Der Alphabet-Fund von Lachisch bestätigt nun selbstverständlich nicht in einem plumpen Sinne “die Wahrheit des Talmud” – auch hier ist selbstverständlich zwischen historischer Geschichtswissenschaft und Mythos zu unterscheiden.

    Die Wahrheit des Talmud wird nicht ansatzweise durch den verlinkten Artikel gestützt.
    In dem Artikel steht als Konklusion:

    Das frühe Alphabet entwickelte sich im 18. Jahrhundert v. Chr. In Zusammenarbeit mit westasiatischen (kanaanitischen) Bergleuten im Sinai (oder wurde zumindest von ihnen aufgegriffen) im mittleren ägyptischen Königreich. … Wir schlagen vor, dass sich die frühe alphabetische Schrift während der späten mittleren Bronzezeit auf die südliche Levante ausbreitete. … Die Ausbreitung in die südliche Levante erfolgte wahrscheinlich während der (späten) mittleren Bronzezeit und der zweiten ägyptischen Zwischenperiode, als eine Dynastie westasiatischen Ursprungs (die Hyksos) die nördlichen Teile Ägyptens regierte.

    Oder habe ich die Aussagen von Michael Blum völlig falsch verstanden?

    • Ja, @einer – im Versuch der Widerlegung haben Sie wieder Inhalte in den Text gelesen. ☺️ Weder der Talmud noch dieser Blog benennen Schem & Ewer als „Erfinder“ des Alphabetes. Die von Ihnen zitierten, älteren Funde vom Sinai sind im obigen Blogtext ausdrücklich erwähnt, ebenso Sokrates / Platon, die explizit auf Ägypten verweisen. Mythologisch berichtet wird gerade nicht eine Urheberschaft, sondern vielmehr eine Institutionalisierung zu Jerusalem.

      Wenn interdisziplinäre Wissenschaft Sie doch begeistert, warum nicht hier? Einfach entspannen und innere Vorbehalte überwinden, auch wenn es um jüdische bzw. semitische Traditionen geht. Niemand hier will Ihnen Böses. Freuen Sie sich mit! ☺️✍️✅🖖

      • Ewer ein Vorfahre Abrahams, der laut hebräischer Zeitrechnung um 1817 BCE gelebt haben soll, hat zu jener Zeit die erste Alphabetschule in Jerusalem begründet?

        Okay … Asche auf mein Haupt .. das hat mich zu sehr verwirrt.

        • Kein Problem, @einer – und auch keine Sühnerituale notwendig. Einfach die Unterschiede wie auch Bezüge zwischen religiösen Mythen und wissenschaftlichen Theorien mit Freude annehmen. Werde dazu bald auch nochmal einen Extra-Blogpost geben.

  6. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob die Erfindung der Alphabetschrift revolutionär positiv zu sehen sei, oder als eine Schwundform der vorherigen Symbol-Zeichen-/Piktogramm-Schrift ist.
    Um das zu beurteilen müsste man sich auch mit den Chinesen/Ostasiaten beschäftigen und einzuschätzen versuchen, ob ihre Schrift (die eine fortgeschrittene Piktogrammschrift ist) ihnen in welcher Hinsicht Vor- oder Nachteile einbringt.
    Es könnte sich herrausstellen, das eine Alphabetschrift nämlich Nachteile für die Erinnerungskapazität in Folge der vereinfachten Zuordnungsheuristik bei Alphabetschrift einbringt, was weil es eine Grundfunktion des Bewusstseins ist, sich in vielen Dingen auswirken kann, die unser alller Alltäglichkeit bedingen.

    Und das ich ihre Definition von “Semiten” nicht folgen will, liegt halt daran, das die Welt und die Wissenschaft dies (mehr oder weniger) objektiv definiert, nicht die Bibel oder das alte Testament. “Semit” ist eine Bezeichnung und hat wisenschaftlich vielleicht nichts mit der religiösen Überlieferung als Name zu tun, als die Herkunft des Namens aus den religiösen Überlieferungen ob der Plakativität und Assoziation auf eine Etnie oder Volksregion, die nicht nur Kanaan beinhaltet und man die Abstammunglinie seit Noah und Sem als Beispielhaft für viele Abstammungen erkennt. Das mag Antisemitismus triggern können, aber das ist kein Antisemitismus schlechthin.

    Insofern scheinen sie selbst nicht zwischen religiösen Mythen und Wirklichkeit (aka Wissenschaftlichen Theorien als Beschreibungsszenario) unterscheiden zu können, oder?

    • @demolog

      Oh, zwar immer noch negativ, aber auf der Sachebene bleibend… Da gehe ich doch gerne auf Ihre Anfragen ein.

      1. Auch China führte im 20. Jahrhundert eine vereinfachte Lautschrift auf Basis des lateinischen Alphabetes ein, das Hanyu Pinyin.
      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Pinyin

      Und da Sie auch Ihren eigenen Kommentar in Alphabetform abgaben, nehme ich an, dass diese also doch nicht ganz nutzlos ist. 😉💁‍♂️

      2. Ich weise darauf hin, dass die Verwendung des Begriffes „Semiten“ als „Rasse“ oder Sprachgruppe weder dem heutigen Kenntnisstand der Wissenschaften noch der Jahrtausende alten Auslegungstradition im Judentum besteht. Selbstverständlich können und sollen Wissenschaften Begriffe prägen. Wenn sie sich jedoch bei (hier: biblischen und talmudischen) Mythen bedienen, haben sie sich auch an deren Ausprägungen zu messen. Eine gezielte Enteignung der Mythologien durch die Wissenschaft fände ich unethisch und im Fall lange verfolgter Minderheiten auch geradezu niederträchtig…

      Ihnen alles Gute! 📚☺️🖖

      • Ich weise darauf hin, dass die Verwendung des Begriffes „Semiten“ als „Rasse“ oder Sprachgruppe weder dem heutigen Kenntnisstand der Wissenschaften noch der Jahrtausende alten Auslegungstradition im Judentum besteht.

        Ähm – Wikipedia hat einen ganzen Artikel über „Semitische Sprachen“? Die ganzen Lehrbücher und Standartwerke sind nun mal geschrieben und veralten auch nicht. Ich finde das sehr selten, daß in den Wissenschaften etablierte Begriffe noch einmal neu benannt werden. In der Archäologie benennt man neuerdings die Kurgan-Leute Jamnaja-Kultur, seitdem sich herausgestellt hat, daß sie (wie schon immer von vielen vermutet) identisch sind mit den Urindogermanen der Sprachwissenschaften – Kurgan-Leute war ein zu ideologisch geprägter Begriff (und zwar feministisch). Aber sonst fällt mir nichts ein in der Richtung.

        • Ja, @Alubehüteter – eine Umbenennung der Sprachgruppe sehe ich in naher Zeit auch nicht. Aber ein Bewusstsein dafür, dass die ursprünglich auch noch antisemitisch konnotierte Definition nach Renan nicht dem jüdischen Selbstverständnis bzw. der Auslegungstradition entspricht – das wünsche ich mir, das würde doch auch erst einmal reichen…

    • @Demolog
      Ihr Argument gegen die Alfabethschrift hat schon Plato vorgetragen.Es drang nicht durch.
      Das Argument, die Sprache komme “herunter” wurde auch schon vorgelegt.
      Klar: mit der Erfindung der Präpositionen wurde viele Verbformen (die Stämme) überflüssig. Sie haben sich im Deutschen noch in Resten gehalten: saugen; Kausativstamm: säugen (saugen machen); schlagern: Iterativform: schlägern;
      im Lateinischen hat sich die alte Form Romam statt der modernen Form ad Romam erhalten. Auch elisabethanisches Englisch (Shakespeare, King James Bibel, Common book of prayer) ist viel formenreicher als das moderne Englisch
      Arabisch ist da deutlich konservativer.
      Es mag sein, dass hier eine Selbstdomestikation des Menschen (Rechtsextreme nennen das “Verhausschweinung des Menschen”) vorliegt. Aber der gesamtgesellschaftliche Nutzen dürfte größer sein, als das starre Beibehalten der alten Formen.
      Ich habe den Verdacht, Sie reproduzieren hier den alten Mythos vom goldenen Zeitalter, von dem es immer bergab geht. Er findet sich ja schon im Danielbuch

      • @ j
        02.05.2021, 12:18 Uhr

        @Demolog
        Ihr Argument gegen die Alfabethschrift hat schon Plato vorgetragen.Es drang nicht durch.
        Das Argument, die Sprache komme “herunter” wurde auch schon vorgelegt.

        Nein, bei Platon geht es nicht um neue Alphabet- vs. alter Piktogrammschrift, sondern ganz grundsätzlich um die Frage, ob egal welche Schrift überhaupt eine so gute Idee ist. Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen, und muß es nicht erst lernen, geschweige denn verstehen.

        Koranschüler können mit 12 Jahren den gesamten Koran auswendig vortragen. Wobei sie nicht notwendig Arabisch dafür können müssen, das lernen sie unter Umständen erst später. Ilias und Odyssee konnten die Homeriden komplett auswendig, die daraus zu festlichen Gelegenheiten (gegen Geld) vortrugen, sind erst 200 Jahre nach Homer verschriftlicht worden. Das indische Rigveda wurde ein halbes Jahrtausend rein mündlich gelernt und weitergegeben.

        Wobei man bei Platon nie die Pointe aus den Augen verlieren darf: Wir kennen seine medienkritische Position – Denn er hat sie aufgeschrieben.

        Im Lateinischen hat sich die alte Form Romam statt der modernen Form ad Romam erhalten. Auch elisabethanisches Englisch (Shakespeare, King James Bibel, Common book of prayer) ist viel formenreicher als das moderne Englisch
        Arabisch ist da deutlich konservativer.

        Das hat ja aber mit Schrift nicht viel zu tun. Sprachen differenzieren sich aus, werden komplizierter – Irgendwann zu kompliziert, dann wird zernuschelt, Sprachen werden wieder einfacher. Wichtiger Faktor ist auch, wie viele Fremdsprachige die Sprache mitprägen. Je mehr Menschen Englisch sprechen, desto simpler wird die Sprache. Nietzsche hat mal ein sehr schönes Eigentor geschossen, über das nachzudenken viel lohnt: Da läßt sich endlich mal der liebe Gott dazu herab und schreibt endlich mal ein Buch, wie er denn das so alles sieht – Und dann in einem solch grottenschlechten Griechisch. Ein an Platon geschulter Nietzsche kann natürlich auf das Koine-Griechisch des Neuen Testamentes, überwiegend geschrieben von oder zumindest für Nicht-Muttersprachler, nur verächtlich und höhnend herabsehen.

        Das Arabische wiederum ist viel konservativer, weil es ja immer wieder zurückgebunden, re-formiert wird an das koranische Arabisch. (Bzw. was man dafür hält.)

        • @alubehüteter
          ich gehe nur ganz kurz auf nur auf die Argumente zum Arabischen ein und entschuldige mich für die Knappheit.
          Das dumme und blinde Auswendiglernen des Korans – ohne Arabisch zu können – ist eine Unsitte, gegen die ich zusammen mit befreundeten Muslimen angehe. “Verstehst du auch, was du liest?”(Apg. 8,30)gilt nicht nur im Christentum. (Ich darf das, denn ich unterrichte das Fach Religionspädagogik für Erzieherberufe. Dort geht es um den angemessenen Umgang mit dem Thema Religion). Den Koran auswendig zu lernen, ohne z.B. die Offenbarungsanlässe zu kennen, führt sehr leicht in religiöse Radikalisierung.
          Zur konservativen Morphologie des Arabischen: das ist deutlich älter als der Koran. Im vorkoranischen Arabisch (ca. 400- 622) haben sich noch Sprachformen erhalten, die in der hebräischen Bibel (d.h. spätestens ca. 300 v.Chr. ) längst aufgegeben waren. Noch konservativer ist wohl das Geéz, von dem ich aber keine Ahnung habe.

          • Nachtrag zum koine-Griechisch:
            offensichtlich hat Nietzsche nie den Hebräerbrief oder die Predigt des Stefanus im Original nie gelesen. Sonst hätte er sein Urteil revidieren müssen.
            Natürlich schreibt Plato ein Oberschichtengriechisch. Alltagsgriechisch haben wir eher bei Longos Daphnis und Chloe oder bei Aristophanes.

    • Die chinesiche Piktigrammschrift ist einer alphabetischen Lautschrift in sehr, sehr vielem überlegen, nur eben in einem nicht: Mit über 3000 Schriftzeichen alleine für den alltäglichen Gebrauch ist sie verdammt schwer zu erlernen.

      Vor allem aber funktioniert sie sprachübergreifend. Da sie ja keine Laute, sondern Dinge bezeichnet. Sie erschließen sich nicht nur dem, der kein Hochchinesisch spricht. Sie erschließt sich auch Koreanern oder Japanern, die überhaupt kein Chinesisch können. Sie können kein chinesisches Radio hören, sehr wohl aber chinesische Zeitungen lesen.

      Und das funktioniert nicht nur raum-, sondern auch zeitübergreifend. Laodse und Konfuzius lesen Chinesen so selbstverständlich wie die Tageszeitung. Mit Platon und Caesar geht das nicht.

      • Oh. Da muß ich kennzeichnen: Das ist jetzt nicht Wissen. Das meine ich, so mitgekriegt zu haben. Eher Versuchsballon. Bei begründetem Widerspruch bin ich sehr schnell rückzugsbereit.

        Ich trete ja oft auch bestimmt auf in dem, was ich zu wissen meine – Hier nicht.

  7. @ Michael Blume
    26.04.2021, 21:33 Uhr

    Bezeichnung der Sprachfamilie – Semitisch vs [Alternative]

    Ich weiß ja nicht, wo das Problem am Begriff “Semitisch” ist, wenn die ersten Alphabete genau dort entwickelt wurden, wie sie hier bekunden und diese Alphabete die Sprachen von Nordafrika bis nach Pakistan geprägt haben, dann böte sich der Begriff natürlich vor allem chronohistorisch an…

    • Ich will diese Frage an Herrn Blume noch viel einfacher stellen:

      Wie will man überhaupt von „semitischer“ Alphabetschrift sinnvoll sprechen, ohne zuvor anzuerkennen, daß die, die diese ersten Schriften erfunden haben, in irgendeinem Sinne – rassisch, sprachlich, ethnisch – „Semiten“ waren? (Meines Erachtens sprachlich.) Daß Juden ein halbes Jahrtausend später Geschichten erzählen über einen „Sem“, dem dann noch viel, viel, viel, viel später die Erfindung der Schrift mythisch zugeschrieben wird, kann ja keine ernsthafte wissenschaftliche Begründung sein.

      • Das ist einfach, @Alubehüteter: Weder der biblische noch der talmudische Sem-Mythos erzählen vom Ursprung, sondern nur von der Anwendung der (vokalarmen) Alphabete. Eine weitere talmudische Erzählung verbindet Japheth mit dem „schönen“, griechischen Alphabet. In jedem Fall haben wir es hier mit einer Definition der Anwendung von Medien zu tun, ausdrücklich nicht mit einem z.B. rassistischen Ursprungsmythos.

        • Entschuldigung, ich habe meine Frage nicht präzise genug gestellt.

          Warum sprechen wir von einer „semitischen“ Alphabetschrift? Warum benennen wir sie nicht schlicht nach ihrem Fundort, also „sinaitisch“/„protosinaitisch“? Schlicht, weil wir deren Erschaffer eine irgendwie geartete „semitische“ Identität unterstellen. Das sind „Semiten“, die sich das – noch vokalfreie – Alphabet ausgekaspert haben.

          Diese Identität leitet sich ja aber bei denen, die den Begriff vor über 200 Jahren geprägt und durchgesetzt haben, nicht ab von talmudischen Erzählungen. Das ist ein gelungener Coup von Ihnen, zu fragen: Wir sprechen von Antisemitismus, aber was soll denn der Semitismus sein, gegen den sich dieses Anti- richtet. Und dann fragen wir doch mal die, die das als erstes angeht. „Semitismus“ entstammt einer christlichen Aneignung der Bibel, die das für ein Geschichtsbuch hielt, das den Juden aus christlicher Sicht enteignet worden war. Und die Völkertafel der Genesis damals noch für einen historischen Tatsachenbericht hielt. Die These einer hamitischen Sprachgemeinschaft hat sich dann zerschlagen, die einer japhetischen hat man dann aus Gründen umbenannt in schließlich indogermanisch/indoeuropäisch, „semitisch“ hielt sich. Noch bevor es Antisemiten gab, die sich als solche benannten.

          Wenn wir von semitischer Alphabetschrift sprechen, dann reden wir

          weder vom biblischen noch dem talmudischen Sem-Mythos

          Sondern von Sprechern einer semitischen Sprache, die, um diese zu fixieren, ein Alphabet schufen.

          • Wenn es Ihnen nicht gelingt, anders als in diesen Bahnen zu denken – warum sollte dies anderen unmöglich sein, @Alubehüteter? Wir halten uns ja auch nicht mehr an Heidegger. 😉

      • Wie will man überhaupt von „semitischer“ Alphabetschrift sinnvoll sprechen…

        Weil mit den ältesten bekannten Fundes jener Alphabetschrift semitische Sprache kodiert wurde. Andere Kulturen hatten ggf. Silbenschrift o.ä. aber keine Alphabetschrift. Also macht das “semitisch” schon Sinn, man könnte einen anderen Namen wählen, weil “semitisch” ggf. durch Rassismus verbraucht ist .. es ist aber unwahrscheinlich, dass das passiert.

        Ob Alphabetschrift wirklich ein großer Vorteil vor anderen Schriftsystemen ist, kann man als Alphabetschriftnutzer, denke ich, sehr schwer entscheiden – man ist da ja quasi voreingenommen. Andere Schriftsysteme (Koreanisch, Japanisch und klassisches Chinesisch etc.) haben sich ja auch gehalten.
        In jedem Fall war ein Schreibschrift, die für Papyrus geeignet war, eine notwendige Entwicklung weg von aufwändig “gemalten” Zeichen (Hieroglyphen) oder Keilschrift, die schnell nur auf Ton funktioniert.

      • Naja, der Punkt ist, das Blume kritisiert, das “semit” von Sem abstammt, und aus dieser mythischen Person eine Begebenheit ableitet, das man die Nachfahren Sems nicht mit dem ganzen Gesinde drum herum (die Araber, Perser, Berber und so) in einen Topf schmeissen sollte. Diese sind ja biblisch gesehen nur Geistig verwand mit Sem, nicht biologisch und als Familie sehen sie sich auch nicht. Die Juden, die Sem und Noah und die ganze Historie in der Mythologie ernstnehmen und tatsächlich nach 2000 und mehr Jahren noch auf sich beziehen, wollen nicht Brüder sein. Würde ich auch nicht gerne sehen. Aber die Wirklichkeiten sind härter, als man manchmal auszuhalten willig oder fähig ist.

        Das Problem ist dabei ein ganz anderes: Es ist nicht in der Weise vor Gott heldenhaft, wenn man Sprache in die Welt brachte, die den Menschen immer mehr zum Werkzeug machte und sein spirituelles Innenleben zerstört. In dieser Weise will ich Einspruch gegen den Segen der Alphabetisierung erheben, weil der Sinn von Sprache, wie alles in der Welt, auch zweckentfremdet werden kann (und nach so einem obskuren Gesetzes auch wird…Morphy´s?).

        Wenn ich sowieso mit Sprache nicht zu meinem Willen kommen kann und wenn mich Sprache, die ich erlernen muß, spirituel entlehrt, dann .. stellt sich der Segen automatisch infrage. Insofern kann man den Juden/Kanaaniten oder wer da zuerst Alphabete entwickelte, nicht unbedingt beglückwünschen, wenn es diese Folgen hatte. Oder vielleicht ist eines die Folge vom Anderen? Also wenn man spitrituel entlehrt wird, dann folgt Spracherwerb, weil man sonst keine Heimat mehr hat, wenn die Seele wegfällt und man sich nach Aussen ins Extrinsische wenden muß?

        Sterbliche müssen um Vergebung flehen, während Unsterbliche wortlos herrschen.

        Und ich “höre” gerade nebenbei eine Doku, in der es um Nikola Tesla geht.
        Man staunt: Die Nazis haben Tesla ermodet. Weil er eine “Todeswaffe” entwickelt hat.

        Unglaublich.
        Das ist natürlich symptomatisch, wie Sprache missbraucht wird. Reisserisch, sensationsheischend….geradezu hetzend und emotionalisierend.

        Und dabei haben wir noch nicht mal analysiert, wieso Tesla möglicherweise getötet wurde. Und folglich auch von wem.

        Eine Todeswaffe / ein “Todesstrahl” … Irrsinn hoch Irrsinn. Überspitzung zum Wohle der Geheimhaltung.
        Wer sich mit Teslas Forschung beschäftigt (und auch nur oberflächlich) bekommt mit, das er auch mit hochfrequenten elektrischen Feldern zu tun hatte, die als Nebenprodukt seiner Hochspannungsversuche auftraten.
        Tesla muß (an sich selbst?) herrausgefunden haben, das sie neuronal wirksam ist. Und das hat dann eine Kette an Folgreaktionen ausgelösst, an deren Ende durchaus ein Mord an Tesla stehen könnte. Denn die neuronale Manipulation durch elektrische Hochfrequenz-Felder ist eine krasse Sache, die man als Technologie nicht als Verschwöhrung abtun sollte.

        Und sie könnte als wesendliche Ursache der modernen Gesellschaten stehen, weil man mit hochfrequnter Strahlung neurologische Konstitutionen erzeugen kann, die etwa unspezifische Angst erzeugen können, die dann uninterpretiert, weil unerklärich, als Folge der “Wikrlichkeiten” um einen herum gedeutet wird, was meint, das Angst dann auftritt, wenn man sich in die Öffentlichkeit begibt und die Öffentlichkeit selbst die Ursache sei.
        Naja, so kommen dann auch solche Ideen, wie die Gaia-Hypothese (alles ist belebt und miteinander verbunden) bei raus, wenn man keine andere Erklärung bekommt.

        Dabei ist es nur die dauerhafte elektromagnetische Strahlung, die uns neurologisch reizt, und die Folge davon zum Beispiel Angsterrregung ist oder auch mal Panik oder Gewaltausbrüche, die als Alternative von Panik durchaus denkbar sind.

        Und zudem einen Energieanteil ins Neuronale System einspeisst (oder durch elektrischer Reizung in den Zellen erzeugt/erhöht), der nicht zwingend zu Angsterregung und folgender Angststarre führt, sondern sich über die Gehirne weiterverbreitet, sodass dann doch wieder eine “Verbindung” existiert, die man esotherisch interpretiert wird, obwohl dafür genug physikalische Erklärungen hinreichen.

        Anyway, elektrische Potentiale wirken auf neuronale Systeme. Und Mobilfunkstrahlung ist so ein elektrisches Potential in der Atmosphäre. Wenn auch oberflächlich gesehen recht klein. Jedenfalls aus des Alltagsmenschen gesehen, der mit Millivolt nicht viel anfangen kann, wenn er immerzu vor 230 Volt gewarnt wird.

        • Ach, @demolog: Es fällt schwer, Ihren sprunghaften Assoziationen zu folgen. Aber auch umgekehrt scheinen Sie meine Positionen und Anliegen kaum erfassen zu können. So würde ich mit Bezug auf kein Volk dieser Erde je von “Gesinde drumherum” schreiben – genau gegen solche rassistischen Abwertungen richtet sich ja mein Einspruch gegen “rassische” Lesarten von Sem.
          https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/warum-semiten-keine-rasse-sind/

          Und dass Sie sich gerne als Opfer – hier auch der Alphabetisierung, die Sie gleichzeitig nutzen – verstehen, haben Sie nun auch wirklich oft genug formuliert. Ich denke, in Ihnen steckt mehr Potential als das…

          • Jaja, natürlich verstehe ich sie. Nur nicht so, wie sie fodern. Auch ihnen kann man es nicht recht machen. Das haben sie mit dem Rest der Menschen (ja, und mir wohl auch) gemein.

            Der Mensch lebt und wird Opfer desselben. Die statistiken der chronischen und anderen Krankheiten gibt mir da recht. Und auch die überall auf der Welt existierenden sozialen und wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse. Wieso also leugnen sie Opfer? Wieso leugnen sie Benachteiligung und Diskrimminierung? Wieso faktische Ungerechtigkeit und aktive Beschädigung?

            Ja, weil all das in ihrer kleinen Welt nicht verkraftbar ist, sie womöglich noch profitieren oder sie eben kein Richter sind, der darüber zu befinden hat und solange kein Richter ein Urteil gesprochen hat, existiert auch kein Unrecht (Ausrede).

            Das man es loben kann, das jemand “sprechen” kann, ist schon schlüssig. Aber das Überintellektuelle nimmt spiritualität und Innenwelt. Um so schlimmer, wenn sie durch Metallvergifungen subtil erzwungen wird. Und wäre mir die Spracherleuchtung 30 Jahre füher gekommen, wäre mein Leben anders verlaufen.

            Und das es andere Menschen gerne sähen, wenn ihre Mitmenschen zur besseren Verwerkzeugung besser “gebildet” wären, hat so sein eigenes Geschmäckle. Ich wünschte mir auch, das sie im Studium und im Leben besser aufgepasst hätten.

            Aber die Welt ist oft nicht so, wie man es lieber wollte. Das hat meine Mutter auch immer wieder feststellen müssen. Als Traumatisierte eines Alkoholikervaters hasste sie Männer und bekam dann leider … zwei Söhne. Und das mussten sie ihr ganzes Lebens lang büßen, die Söhne.
            Das unser Vater die Gunst der Mutter erhalten konnte, ist daher irgendwie auch vollkommen unerklärlich. Aber das rächte sich auch für ihn … und Mutter erwähnte ähnliches im Zuge der Rosenkriege und der Scheidung – man war sich also ziemlich einig.
            Irrationalität und Falschheit ist Teil meiner psychischen fundamente. Dafür habe ich ein Gespühr, was andere gerne leugnen wollen. Wer sieht sich schon gerne ertappt?

            Das ein solches Leben neurotisch macht, ist sicher auch für andere nachvollziehbar. Was aber nicht heisst, das ich deswegen Perfektionist bin (oder glaubte zu sein). Man erklärt subjektiv natürlich auch mal Dinge, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Auch das habe ich in meinem Umfeld unter den Menschen gelernt: Die Wahrheit ist eine vollkommen unzusammehängende Konstruktion, die es den Wahrsagenden ermöglicht, von jeder Schuld freigesprochen zu werden. Alles ist kaputt aber niemand ist Schuld.

            Was machen die Menschen dann? Sie geben sich den Mythologien und Fiktionen hin. Siehe Popkultur, Filmkunst und Fiktion, Religionen und Theologien, Klimawissenschaft, Antirassismus…usw… Die Existenz im “unwirklichen” als Rettung vor dem Schuldeingeständnis. Das ist der eigendliche Grund, wieso es vor allem im Westen allseits als so “innovativ” erklärt wird, das die Populationen zusammenbrechen: Man ist halt modern und Fortschrittlich… aber eben nur in der Auslegung der Krisen (Ausreden), die in den Gesellschaften schwehlen. Nicht in der Lösung derselben.

            Und zum Gesinde: das “Gesinde” hier in Deutschland hält uns ja selbst für ein solches. Also die Herrablassung ist legendär auf allen Seiten. Kommen sie mir nicht mit Rassismus dieser plakativen, banalen Art.

          • Danke, @demolog. Dass Sie – in einem der wohlhabendsten Länder der Erde geboren und gerade Bildung und moderne Computer nutzend – die Welt als Ort der „Schuld“ und „Metallvergiftung“ deuten, kann, wenn auch mit einigem Bedauern, respektieren. Allerdings frage ich mich schon, wie Sie andere Religionen und Weltanschauungen konsequent als Mythologien wahrnehmen können – nicht aber Ihre eigene. In Ihrem Universum scheint kein auch liebender Gott Platz zu finden (m.E. völlig okay), wohl aber ein Schuld zuweisendes Ich. Das mag Ihnen sinnhaft und mir traurig erscheinen, es ist jedoch eindeutig selbst auch eine Mythologie… 💁‍♂️✍️🌷

    • Ich weiß ja nicht, wo das Problem am Begriff “Semitisch” ist, wenn die ersten Alphabete genau dort entwickelt wurden

      Richtiger “ dort gefunden wurden” … die ältesten Funde eines Alphabets, wie man es dann später in “Israel”, Griechenland etc. verwendete, haben eher Ägypten o. Hyksos als Kontext. In diesen Funden wurden dann aber auch semitische Sprachen kodiert, ergo das Alphabet wurde vermutlich für die Kommunikation zwischen Ägypten und semitischen Volksgruppen von oder im Auftrag von Ägypten entwickelt.

      Eine zeitlang dachte man auch Hebräisch wäre die “Ursprache” der Menschen gewesen … was sicherlich seinen Ursprung in einem mekrgwürdigen Verständnis der Bibel hatte. (Turmbau zu Babel etc.)

      • “dort gefunden wurden”

        Und sonst auch in Ägypten und Hyksos in Verbindung zur neuen Schrift stehen.

        In Ägypten wird das mit kanaanitischen Gastarbeitern in Verbindung gebracht, die dort ihre eigene Schrift entwickelten, die erstmals abseits von Piktogrammen konstruiert war. Das habe ich mal so gehört.
        Aus sprachwissenschaftlicher Sicht sind die Regionen eben dadurch verbunden, das sie einen gemeinsamen Entwicklungsweg gegangen sind. Was nicht abwegig ist, wenn man ja abseits der vielen überlieferten Feeden und Kriegen trotzdem nicht ohne den Warentausch zwischen den Reichen auskam (ob man den in Form von unterworfenen Vasallenstaaten oder freiem Handel ermöglichte, spielt ja keine Rolle, sie mussten trotzdem Schrift- und Sprachkommunikation ermöglichen).
        Die Welt erbosst sich am “Semitischen”, weil eine fundamentale religiöse Überlieferung dem nicht gerecht wird, was die Sprachwissenschaft sich da ausgeknobelt hat. Oder umgekehrt.

        Und weil da dieser gehässige Vorwurf in der Welt ist über die Juden, der so, wie er da ist, überhaupt nicht zwingend zutrifft und man die Geschichte auch anders erzählen kann. Oder das beides wahr ist. Das Leid des Identitäts- und Souvernitätsverlustes und die Gunst der Weltherrschaft.

        Und wer sagt eigendlich ausrücklich, das Römer, Balkanesen (?) und Griechen keine Semiten sein können? Nur, weil sie die Sprache nicht sprechen? Aber da landen wir ja eindeutigst beim Rassismus. Und da schmerzt die Wunde. Nicht beim Hebräer allein.

        Und übrigens ist die Wissenschaft der Gottesforschung nun zum Schluß gekommen, das die Erfindung von (oder Erleuchtung über) Gott .. den einen Gott …aus der Region im äußersten Nordwesten Saudi-Arabiens stattfand. Und weil Kanaan nicht so weit weg ist…. so halt.

        Und weil die Wissenschaft gerade dieser Auffasssung ist, hat Saudi-Arabien auch sogkleich ein revolutionäres “Millenium-Projekt” in genau dieser Region geplant. Zumindest erstmal als Plan. Eine Stadt, die ihres Gleichen sucht und als erste das innovativste urbane Umfeld werden woll, wie die Städte der Zukunft überall auf der Welt sein werden. So die Ankündigungen.

        Also wieder eine “Innovation” aus der Region. Man fragt sich, wieso…. das nicht andere auch können?

        • Lieben Dank für Ihre hier konstruktiven Gedanken, @demolog.

          Nach der talmudischen Auslegung werden tatsächlich die Alphabete vom Sem (zunächst Hebräisch) und Japheth (zunächst Griechisch) – wertschätzend – unterschieden. So heißt es in Megillah 9b:

          “The mishna cites that Rabban Shimon ben Gamliel says: Even with regard to Torah scrolls, the Sages permitted them to be written only in Greek. Rabbi Abbahu said that Rabbi Yoḥanan said: The halakha is in accordance with the opinion of Rabban Shimon ben Gamliel. And Rabbi Yoḥanan said: What is the reason for the opinion of Rabban Shimon ben Gamliel? He based his opinion on an allusion in the Torah, as the verse states: “God shall enlarge Japheth, and He shall dwell in the tents of Shem” (Genesis 9:27), indicating that the words of Japheth shall be in the tents of Shem. The language of Javan, who is the forbear of the Greek nation and one of the descendants of Japheth, will also serve as a sacred language in the tents of Shem, where Torah is studied.”
          https://www.sefaria.org/Megillah.9b.4

          Für die Zukunft erhoffe ich mir da noch mehr Wahrnehmung und interdisziplinären Dialog, im deutschsprachigen Raum etwa über talmud.de

  8. Ich weiß jetzt, was ich an Alphabetschriften kritisch finde:
    Das sie sich vom “Bildlichen” oder Visuellen endgrenzen, ist ja auch positiv, aber das genau ist der Schaden über die Umstrukturierung im Bewusstsein:

    Angesichts Sheldon Coopers “Eidetisches Gedächtnis”, welches ich im Zusammenhnag mit seinem sonst gezeichneten Habitus und Charakter und Eigenschaft, für vollkommen unrealistisch halte, weil eidetische Erinnerungen sich nicht als ideeller Inhalt repräsentieren, sondern als bildliche Vision des Erlebten, und im bildlichen die Verbundehheit mit Wirklichkeiten der vergangenheit liegen, aber nicht im abstakten Wort, mit dem Sheldon die Zusammenhänge dann beschreibt. Was meint. Ein Sheldon Cooper ist womöglich vollkommen unmöglich, weil grundlegende Bedingungen der bewussten Inhalte (visuelle Eindrücke und Erinnerungen) nicht in alphabetische Bedeutungen übersetzt werden könne, ohne, das automatisch auch Fehler oder komplette Umdeutungen stattfnden, denn die Wandlung vom Visuellen zur abstakten Information hin erzwingt die Entgrenzung von Wirklichkeit, wie sie erlebt wurde, und ist damit nicht mehr das, was sie einst war, als sie erlebt wurde.

    Nur die visuelle Erinnerung ist verlässich, solange sie auch noch als die eigenen erinnert werden können.
    Und da liegt dann auch der Grund, wieso der Mensch überhaupt anfing überkomplex und überspezifisch zu reden: Weil die visuelle Verbindung zu seinen Erinnerungen verloren ging, muß es in Worten ergänzt werden, denn sonst bliebe eine Leerstelle in der Selbstrepräsentation übne die eigene erinnerte Biografie. Und mit dieser visuellen Verbundheit in seiner Biografie verschwindet auch die Verbundenheit mit dem, was uns ausmacht (etwa Gott oder der spirituelle Ebene).

    Auf Deutsch: wer derart eidetisch (kognitiv, anstatt visuel) veranlagt ist, ist nicht mehr der Mensch, wie er von Gott geschaffen wurde, sondern von der Wirklichkeit entgrenzt und enthoben. Entwurzelt. Und Entwurzelte Menschen haben keine verlässlichen Erinnerungen mehr.
    Eine der Günde, wieso es überhaupt einen verallgemeinernden monotheistischen Glauben gibt, der die Fehlerquote (auffälligkeit derer) dadurch reduzieren will (und kann), indem man die Wirklichkeit standartisiert und vereinfacht.

    Der missing Link hier: Visuel ist das Piktogramm, abstrakt und entgrenzt ist das Alphabet-Wort, aus dem ein Weiterleben in Entwurzellung nur möglich wird, weil man nur mit diesen Worten Erklärungen für seine Mangelempfindung findet.

    • Lieber @demolog,

      nun haben Sie selbst Alphabetschrift benutzt, um Juden und Griechen die Nutzung derselben als „Entwurzelung“ vorzuwerfen. Ließe sich diese Metapher ohne Alphabetschrift denn überhaupt vor-stellen?

      Ja, das Alphabet hat die kulturelle Evolution beschleunigt und tendenziell demokratisiert. Doch wer dies im Medium selbst beklagt, wendet sich auch gegen die eigenen Wurzeln, gegen „Bildung“ im weitesten Sinn.

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