Wer spricht für das Judentum, für Israel? Die Gewählten!

Der häufigste Trick, um sich selbst nicht mit eigenem Antisemitismus und Rassismus auseinander setzen zu müssen, besteht darin, passende, extreme, jüdische Stimmen zu organisieren. Israelbezogene Antisemit:innen – sog. Antizionisten – stützen sich dann auf BDS-Anhänger:innen. US-amerikanische und europäische Rechtsextremisten suchen den Schulterschluss mit jüdischen Ethnonationalisten: Der Rechtsextremist Benjamin Weinthal bedroht seit Jahren auch meine Familie und mich mit seinem Twitter-Profilbild des britischen Kriegsverbrechers Orde Wingate. Und auf iranisch-islamistisch organisierten Konferenzen und Al-Quds-Demonstrationen werden gerne Vertreter ultraorthodoxer Sekten gebeten, die die Republik Israel mit religiösen Begründungen als vor- oder gar wider-messianisch ablehnen. Voila, die Immunisierung des antisemitischen Dualismus: Da sich ja auch Juden in der Eigengruppe befänden, könne das je eigene links-, rechts- oder religiös-extreme Feindbild einer jüdischen bzw. zionistischen Weltverschwörung nicht mehr antisemitisch sein.

Dagegen hilft m.E. eine ganz einfache Grundlage, die wir doch selbstverständlich für jede andere Religionsgemeinschaft und jeden anderen Staat respektieren: Das Recht auf demokratische Selbstorganisation. Wer sich langjährig engagiert, sich Wahlen gestellt und diese gewonnen hat, spricht zu Recht im Namen der Religionsgemeinschaft oder Staates und kann dadurch wiederum auch andere – zum Beispiel Wissenschaftlerinnen, Gemeinderabbiner oder Diplomaten – demokratisch legitimieren. Hätte sich beispielsweise die documenta15 vom Zentralrat der Juden in Deutschland einige Expert:innen vorschlagen lassen, wäre der deutschen Kultur- und Kunstszene ein auch international beschämendes Desaster erspart geblieben.

Ausgezeichnet durch demokratisch Legitimierte: Überreichen der Otto-Hirsch-Auszeichnung 2022 an meine Frau Zehra (Blumenstrauß) & mich (Urkunde) durch Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper, Stuttgart (Mitte), GCJZ-Sprecherin Isabel Fezer (rechts) und die Vorstandssprecherin der jüdischen Landesgemeinde IRGW, Professorin Barbara Traub, links. Foto mfG: Stadt Stuttgart

In meiner Dankesrede zur Otto-Hirsch-Auszeichnung 2022 (hier als Text & Podcast-Folge verfügbar) hatte ich daher folgendes ausgeführt:

“Liebe Barbara Traub, als mehrfach wiedergewählte Vorstandssprecherin der IRG Württemberg sowie als Mitglied im Zentralrat der Juden wirst Du teilweise von den gleichen Rechtsaußen-Trollen verleumdet und angegriffen, die auch Zehra und mich attackieren. Ich sage Dir zu, dass wir als Land Baden-Württemberg und Republik Israel diesen Hass, diese Hetze, diese „Hotzaat Shem Ra“ – Verleumdung der Namen – nicht hinnehmen werden. Heute aber möchte Dir unser aller Dank für Dein großes und mutiges Engagement aussprechen!

In diesen Dank möchte ich auch die weiteren, gewählten und benannten Vertreter der jüdischen Gemeinden einschließen. Ich sehe Michael Kashi und Susanne Jakubowski, Mihail Rubinstein und Rami Suliman. Besonders wichtig ist mir auch die Anwesenheit befreundeter Rabbiner wie den Laudator Jehoschua Ahrens und den Stuttgarter Stadtrabbiner Yehuda Pushkin. Der Ulmer Stadtrabbiner Shneur Trebnik gehört mit seinem badischen Kollegen Moshe Flomenmann sogar zu den ersten beiden Polizeirabbinern in Deutschland; ein Erfolg, über den ich mich besonders freue. Danke, dass Ihr alle da seid!

Warum ist mir das so wichtig? Bevor die Nationalsozialisten Otto und Martha Hirsch ermordeten, vollzogen sie noch einen besonders ruchlosen Akt: Sie lösten die gewählte, jüdische Reichsvertretung auf und setzten die zuvor gewählten Präsidenten Rabbiner Leo Baeck und den leitenden Vorsitzenden Otto Hirsch durch einen Verwaltungsakt neu in ihre Ämter ein.

Das war eine gezielte Demütigung, die besagte: „Ihr habt kein Recht auf eine eigene Stimme. Wir bestimmen, wer für das Judentum spricht!“

Wir haben aber zuletzt auch beim Desaster der documenta15 in Kassel miterleben müssen, in welche Abgründe die Ignoranz gegenüber demokratisch gewählten Vertretungen immer wieder führt. Wie jede andere Religionsgemeinschaft hat auch das Judentum das Recht, durch genau die Stimmen repräsentiert zu werden, die sie selbst bestimmt haben. Auch für diese Würde der demokratischen Selbstorganisation stehen Rabbi Leo Baeck und Otto Hirsch. Ich danke von Herzen allen, die sich in Religionsgemeinschaften und Kirchen, in demokratischen Parteien, Parlamenten und Verbänden engagieren und wählen lassen und damit Verantwortung für das große Ganze übernehmen.”

Auch in Gesprächen mit Entscheidungsträger:innen in Kirchen, Medien und vor allem Politik empfehle ich konsequent, die demokratisch Gewählten zu stärken und das Spiel des Umweg-Antisemitismus über randständige Stimmen zu vermeiden.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

15 Kommentare

    • Vielen Dank, @Mussi!

      Ich möchte den Sommer über aus der Otto-Hirsch-Dankesrede noch ein paar Blogthemen auskoppeln & damit digital sichtbar setzen. Inhalte gegen die Verrohung setzen.

      Ihnen einen schönen Sommer!

  1. Dr. Webbaer ist da nicht ganz sicher, i.p. Repräsentation, es gibt auch Repräsentation durch Personen, die nicht gewählt sind, nun, zumindest nicht in regionalen oder gesamtstaatlichen Wahlen, vergleiche :

    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Neturei_Karta (relig.Antizionisten sind hier am Start, die Idee, dass ein weltlicher Staat Israel entstehen soll, entstanden ist, missfällt ihnen, denn derart auszurufen wäre dem jüdischen Gott überlassen – sie sind (oder waren) dann, aus diesseitiger Sich, ungünstig unterwegs um Freunde zu suchen)

    -> https://www.haaretz.com
    (Diesmal kommt jüdisches Antizionistisches von der politisch linken Seite)


    Zudem ist es aus diesseitiger Sicht so, dass, vergleiche mit – ‘Wer spricht für das Judentum, für Israel? Die Gewählten!’ [Artikelüberschrift] – auch anders, auch ohne Amt und Mandat, nicht einmal als Rabbi über das Judentum geredet werden darf, und dennoch wie gemeint behauptet werden darf.

    Die demokratische Wahl bedeutet ja keine “Maulsperre”, Dr. W grüßt an dieser Stelle gerne auch Leutz wie Rolf Verleger (R.I.P.), Noam Chomsky und Igor Levit.


    Kultur ist nicht sinnhaft rein demokratisch zu bearbeiten.
    Nicht gemeint ist so, dass Dr. W Ihnen, lieber Herr Dr. Michael Blume, bspw. i.p. “Documenta” (so wird wohl zurecht klein geschrieben, also : ‘documenta’), Antizionismus und im Religiösen und so.

    Hier, bei – ‘Wie jede andere Religionsgemeinschaft hat auch das Judentum das Recht, durch genau die Stimmen repräsentiert zu werden, die sie selbst bestimmt haben.’ – ist es auch so, dass Juden nicht nur eine ‘Religionsgemeinschaft’ sind.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    • Danke, lieber @Webbaer – aber ich bleibe hier bei meiner Aussage: Demokratisch gewählte Vertretungen können zum Beispiel Rabbiner einstellen und legitimieren. Umgekehrt bleibt Neturei Karta eine jüdisch-ultraorthodoxe Sekte und spricht genauso wenig für „das Judentum“ wie der Ku Klux Klan für „das Christentum“.

      Und dass das Judentum nicht nur eine Religionsgemeinschaft ist, trifft auf andere auch ethnische Gruppen wie Ezidentum und Alevitentum ebenso zu. Dennoch gilt auch für diese das Recht auf – möglichst demokratische – Selbstorganisation, wenn sie etwa mit dem Staat interagieren wollen. Dass der Gedanke der demokratischen Repräsentation Ethnonationalist:innen stört, spricht m.E. klar für ihn. Für mich werden Gewählte – und von den Gewählten Ernannte, zu denen ich ja auch selbst gehöre – immer eine höhere Legitimation haben als „Selbsternannte“.

      Ihnen beste Grüße!

      • Ohne hier, mehr als üblich, rechthaberisch wirken zu wollen, ist der Titel ‘Rabbi’, im ersten oder zweiten Jahrhundert vor Christi entstanden, erst, und er meint einen Meister.

        Einen wie gemeint geschulten, einen wie gemeint Eingeweihten und Vorredner.

        Nichts an so, von so allgemein beiklats(s)hender Menge war hier jemals ‘demokratisch’, denn es ging darum alte Ideologie, streng identitär auch,zu bewahren zu suchen.
        Um etwas, vielleicht ist Ihnen dies, lieber Herr Dr. Michael Blume, nicht umfänglich klar, nicht durch sozusagen nackte Personenwahl entschieden werden kann.

        Dies zum Judentum, dem Dr. Webbaer (bisher) nicht angehört.

        Verstanden bleiben darf es aus diesseitiger Sicht schon.

        Das Judentum, das orthodoxe, ist dann idF auch nicht ‘demokratisch’,
        Dr. W, sich hier ein wenig auskennen tun, kennt dann auch Leutz wie oben genannt :

        ‘Rolf Verleger (R.I.P.), Noam Chomsky und Igor Levit’

        No problemo hier.

        Mit freundlichen Grüßen + vielen Dank für Ihre Arbeit, Sie sorgen sich
        Dr, Webbaer

        • Lieber @Webbaer, doch – Rabbis sind sogar ein besonders gutes Beispiel. Es waren meist keine Priester, sondern „Ehrenamtliche“, die die Thora lernten, auslegten, lebten und lehrten. Und sie wurden – gewählt, vgl. auch die Jüngerschaft eines gewissen Rabbi Jehoschua von Nazareth. Auch heute noch wählen sich religiöse Jüdinnen und Juden die Rabbiner:innen ihres Vertrauens…

  2. Wenn ich mir überlege, welche Buchstabensuppe ich als Symbol Putins Zombie-Z entgegen stellen sollte, fällt mir NNN ein – vom alten, polnischen Wahlspruch, „Nic o nas bez nas“, „Nichts über uns ohne uns“. Hat mehr Fans in Diktaturen, wo man sich gegen Diktatoren auflehnt, als in Demokratien, wo die Mehrheit selbst der Diktator ist.

    Demokratie ist im Wesentlichen ein Deal – die Mehrheiten bekommen ihren Willen, damit sie nicht ihre zahlenmäßige Überlegenheit für Terrorismus gegen den Staat einsetzen. Damit sich die Minderheiten damit abfinden, bekommen sie Rechte garantiert, die auch für Mehrheiten unantastbar sind, diese Rechte werden von allen gemeinsam verteidigt. Schließlich ist jeder von uns eine Minderheit von 1, die auf eine Gemeinschaft angewiesen ist, die wiederum auf die Kooperation all der Minderheiten angewiesen ist. Weil aber die Gesellschaft, ob sie will oder nicht, kollektiven Druck auf das Individuum ausübt, braucht das Individuum eine kräftige Schale, um nicht zerquetscht zu werden. Gesellschaft wie Individuen müssen sich vor Individuen schützen, die sie von Innen zerkauen, indem sie sich durch die Schalen fressen. Wenn die Gesellschaft selbst anfängt, die Austern zu knacken, kann’s schnell passieren, dass die fette Sau an den Perlen erstickt.

    In der Praxis sehen wir meistens, dass die Minderheitenrechte nur auf dem Papier existieren, und von den Mehrheiten genauso mit Füßen getreten werden, wie von übermächtigen Individuen. Wenn Sie Bettler sind, haben Sie die Ochlokratie und die Plutokratie am Hals, Ihre Schale hält das nicht aus. Ein Individuum kann genug Gegendruck aufbauen, mit Geld, mit Gewalt, mit Manipulation der Mehrheiten – alles Dinge, die einem Bettler kaum zur Verfügung stehen. Außer vielleicht physischer Gewalt. Samuel Colt hat die Menschen gleich gemacht, indem er eine Fernbedienung für die Gleichheit baute, die schon Gott geschaffen hatte – die unserer Körper.

    Wenn die Starken sich wichtig machen, werden die Schwachen an den Rand gedrückt und müssen kräftig aufdrehen, um genug Gegendruck aufzubauen – sie radikalisieren sich, sind nur noch mit Schmackes dagegen. Einfache Physik, Verwandlung von Masse in Hitze durch Druck. Es steht also träge Masse der Masse gegen die Energie der freien Radikalen. In einer gesunden Gesellschaft betrifft das nur ein paar Knallköppe, die sich selbst für Gott halten und ausrasten, weil es Gott und die Welt nicht tun, vielleicht irgendwelche dahergelaufenen Paranoia-Putins, die vor sich selber Angst haben, Macht anhäufen, um sich zu wehren, dabei ihren Feind aber gleich mit mächtig machen, sodass er immer schrecklicher wird, je mächtiger sie werden, und je mehr sie der Umwelt damit auf den Sack gehen, desto mehr wehrt sie sich, sodass es damit endet, dass sie all ihre Albträume selbst wahr machen.

    Was aber passiert, wenn die Gesellschaft versagt, haben wir beim Aufstieg des Populismus gesehen: Die Wirtschaft ging in die Brüche, die Probleme bauten mehr und mehr Druck auf, mehr und mehr Leute bekamen Zweifel und blöde Ideen, was denn die Ursachen wären. Doch, statt die Probleme anzugehen, begnügten sich die Etablierten damit, jeden Kritiker in die rechte Ecke zu schieben. Dadurch wurde die rechte Ecke übermächtig, voller Leute, die mit Rechten eigentlich nichts am Aluhut haben, sondern eigentlich nur einen anständigen Lohn wollen und ein paar Blümchen zum dran schnuppern, statt Ground Black Zero, wo die Wirtschaft aus einem im Asche- und Feuerregen irre lachenden Skelett besteht, das immer schneller tanzen muss, um das Luftvolumen zu füllen, wo eigentlich sein Fleisch hingehört, um sich selbst vorzulügen, es wäre lebendig, fett und glücklich.

    Capitalypse Now, eng verwandt mit der Zombie-Apokalypse durch hungrige Psychopathen, die nur noch um Überreste kämpfen können, verstärkt durch die Klimapokalypse. Falls Ihnen langweilig ist, können Sie gern die Seuchen, die globale Senilität und was sonst noch so kommt dazu nehmen, willkürlich auf vier Gäule verteilen, die Epiphanie abhaken, sich aus Alu-Folie die Krone von Team Gog oder Team Magog basteln, je nach persönlichen Präferenzen, und dann auf Putins Tisch hüpfen. Was wäre das für eine Höllenparty ohne ein paar Stripper, Gladiatoren und Snacks?

    Sich was Besseres zu überlegen, wäre eigentlich nicht zu viel verlangt, finde ich, nur ist die Lösung nicht unbedingt, auch noch das Skelett zu Asche zu verbrennen. Die Rebellion ist der erste Schritt zur Lösung, wenn man darin verharrt, wird sie Teil des Problems.

    Wir haben uns die Populisten selbst gezüchtet, so wie sich Putin seinen Feind im Westen selbst züchtet. Haben Sie übrigens die Eskalation bemerkt, von Reagan über Dubbya und Trump zu diesem Osama bin Santis? Hitler war nicht so der Bringer, also haben wir uns eine regelrechte Raffinerie gebaut, eine Fabrik für den Antichristen. Demokratische Präsidenten versagen, weil sie nicht gegen die Konzerne ankommen, die Enttäuschung steigert den Frust, der Frust lässt Leute immer gefährlichere Ego-Bomben ins Weißhaus werfen, am Ende steht der Super-Terrorfürst mit der ganzen Macht von Army, Navy, Air Force. Die ganzen USA sind ein Selbstmordanschlag. Sie haben extra Kriege verloren, sich selbst eine Niederlage nach der anderen ins Haus geholt, um den Geist des religiösen Fanatismus übermächtig erscheinen zu lassen, kapitulieren zu können, sodass er jetzt ihr Land übernimmt und ein Kalifat errichtet. Amerika ist gefallen, den Demokraten bleibt nur die Alpenfestung, die Insel vor der Küste, die Arche Noah oder was sie sonst da haben. Wenn’s gut läuft, wird’s wie in World War Z von Max Brooks. Wenn’s schlecht läuft, wird’s wie in Sein oder Nichtsein von Mel Brooks, nur mit so tiefschwarzem Humor, wie es sich für Ground Black Zero gehört.

    Wenn die Mehrheiten von der Offensive zur Defensive wechseln müssen, radikalisieren auch sie sich. So kommen die heutigen Konflikte zwischen Masse und Energie, Totalitarismus und Anarchie, Leichenstarre und Leichensäure zustande, die immer mehr eskalieren, weil jedes als Heilmittel für das Andere gesehen und immer höher dosiert wird.

    Die Juden geraten in den Fokus, weil sie einst das globale Futter-Internet waren – sie verstreuten sich in alle Länder, machten sich überall verstärkt nützlich, um die religiösen Antipathien zu kompensieren, blieben in Kontakt, schrieben Briefe, handelten mit allem Möglichen, Hausrat, Geld, Wissen, Sklaven, was übrigens ein Problem für Leute wurde, die es längst nicht mehr taten, denn der gemeine Ukrainer hat ein langes Gedächtnis und rächt das Unrecht noch in der vierten Generation, Kredit in Gold, Rückzahlung in Blut, wie es gerade die ganze Welt erlebt – hat also nichts spezifisch mit dem Judentum zu tun, sondern mit menschlicher Natur. Wann immer die Welt was zu vergeben hatte, stand ein Jude am USB-Port und wurde in Massen installiert, wann immer sie was holen wollte, war er die Leitung, die gekappt werden musste, um sein Eigentum zu schützen. Ist wie im modernen Dienstleistungsgewerbe: Sie werden nie jemandem begegnen, der wirklich was für etwas kann, denn die wahren Mächtigen möchten ungestört Mist bauen und verstecken sich hinter Schaffnern, Polizisten, Ärzten, Opferböcken und Sündenlämmern, die die Konsequenzen aushalten müssen.

    Inzwischen darf jeder Jude spielen, die Sonderfunktion ging verloren, die Juden gehen in der Masse irgendwelcher dahergelaufenen auserwählten Völker unter, die auch keine Sau interessieren. Doch die Überreste der alten Systemsoftware sind da, der eingeübte Reflex – wenn dich die Welt frisst, zieh den Juden raus. Die neuen Konflikte, die langweilige Wald-und-Wiesen-Sorte, die daraus entsteht, dass zwei dahergelaufene Gangs irgendwelcher Arschlöcher dieselbe Wiese wollen und zu auserwählt sind, um mal eine Pause im Arschloch sein einzulegen und sich irgendwie zu einigen, überlagert sich damit, sodass sich beide Arten von Hass verstärken und zum neuen Antisemitismus verbinden.

    Wenn ich mir die Mächte anschaue, die uns heute aussaugen, finde ich keine Menschen – selbst die Profiteure des Systems sind Verlierer, Opfer der Fressmaschine, die sie gebaut haben. Dies ist keine Welt der Menschen, dies ist eine Welt der selbstorganisierenden Systeme, und die Dämonen, die wir gebaut haben, sind die Inkarnation unserer Gier. Sie haben kein Hirn, keinen Plan, es ist einfach nur das gebündelte, gefilterte Gefühl, der Hunger all jener, die mit Pixeln statt Brot gefüttert werden. Nächstes Mal, bevor wir uns ein System basteln, würde ich einen Ingenieur fragen, bevor ich wieder willkürlich Menschen zusammenstecke. Das ist was fürs Labor, wo die Legosteinchen Frankenstein nicht fressen können. Doch vorläufig sollten wir zusehen, dass wir den Amoklauf des Monsters überleben, das aus dem Labor entkommen ist.

    Nichts über uns ohne uns. Wenn das so einfach wäre. Ist keine Lösung. Aber ein guter Anfang, schätze ich. Jup, einen soliden Schuss in die Retorte und weiter geht’s. Immer auf den Bunsenbrenner achten, zu kalt ist tot, zu heiß explodiert. Das Süppchen brodelt, mal sehen, was diesmal heraus kriecht.

  3. Vielen Dank für Ihre Reaktionen, lieber Herr Dr. Michael Blume, sicherlich war weiter oben Ihr Kommentatorenfreund nicht in Bestform, Dr. Webbaer hält sich einstweilen wie folgt fest :

    A rabbi (/ˈræˌbaɪ/) is a spiritual leader or religious teacher in Judaism. One becomes a rabbi by being ordained by another rabbi – known as semikha – following a course of study of Jewish texts such as the Talmud. [Rabbi]

    Wie weiter beschaut werden kann, stehen Rabbis sozusagen in einer (nicht zwingenden) Erbschaftsnachfolge.

    Bei Rabbi Sacks scheint dies abweichend, siehe oben, zu sein,
    mit freundlichen Grüßen + weiterhin viel Erfolg
    Dr. Webbaer

    PS :
    Gerade hat sich Dr. W noch so angeschaut :
    -> https://www.chabad.org/library/article_cdo/aid/1933944/jewish/What-Is-a-Rabbi.htm (die Quelle ist womöglich bis hoffentlich iO)

    PPS :
    So schauts besser aus.
    Hoffentlich!
    Es fällt (einigen) nicht so-o leicht in sog. Textboxen zu sitzen, auch dann nicht, wenn sie erfahrene Programmier sind.

    • Klar wurde & wird man Rabbi durch Anerkennung – beurteilt wurden (und werden) Kenntnisse und Lebensführung. Nur: Mit dem Titel Rabbiner geht kein Anspruch auf Gefolgschaft einher. Umso mehr Rabbiner, umso mehr Auswahl… 💁‍♂️

  4. @Dr. Webbaer,
    der Titel “Rabbi” ist für das 1Jhd. u.Z breit bezeugt. Jesus lehnte ihn allerdings für seine Anhänger ab. Er selber wurde auch als Rabbi angesprochen und anerkannt, auch von seinen innerjüdischen Kontrahenten.
    Rabbi ist auch nicht der einzige Funktionsträger einer jüdischen Gemeinde mit spiritueller Befugnis: es gibt den Metzger (schochet) , den Vorsänger / Kantor (chasan) und einige mehr. Sie sind “Amtsleute”, haben aber keine besondere Weihegewalt.
    Der einzige religiöse Erbadel sind die Priester (kohanim) und die Leviten. Sie haben besondere zeremonielle Funktionen.

  5. Paul S.
    Deine Vorstellung von Gesellschaft stimmt einfach nicht.”Wenn ich mir die Mächte anschaue, die uns heute aussaugen”, und wo bleiben die Mächte, die dir Arbeit geben, die dir helfen, wenn du einen Unfall hast.?
    Das Wesentliche einer Gesellschaft/Gemeinschaft ist, dass sich die Menschen gegenseitig helfen. Oder etwas geschwollener ausgedrückt: Die Grundlagen einer Gemeinschaft sind Gerechtigkeit und Liebe.
    Und in so einer Gemeinschaft gibt es nicht nur die Mehrheit und die Minderheit, zusammen machen die beiden Gruppen noch nicht mal 50 % aus, dazwischen
    gibt es die “schweigende Mehrheit”, das ist der größte Teil einer Gemeinschaft.

    Wer sind jetzt die Wortführer ? Wem wird am meisten geglaubt, das sind die Leute, die sich engagieren, die Ämter übernehmen.

    Und woran orientieren sich die Leute noch, an den bestehenden Gesetzen, an der Religion, am Gewohnheitsrecht, an dem , was ihre Eltern vorher getan haben.

    Wer spricht für das Judentum ? Wer spricht für das Deutschtum ? Wer bricht eine Lanze für die Demokratie ? Wer spricht für die Ukraine?
    Du merkst, jetzt wird es kritisch, weil verschiedene Interessen auftauchen, die sich nicht wegreden lassen.
    Nur mal zum Nachdenken !

  6. Auch nicht-religiöse, “Reform”- und linke, “politisch korrekte” Juden haben nicht das Recht, sich als “Vertreter” aller Juden aufzuspielen. In Deutschland werden solche Juden aber regelmäßig hofiert und die zahlreichen konservativen, orthodoxen und “ultra-orthodoxen” Juden missachtet.

    • Mir begegnet auch umgekehrt auch oft die Sorge, dass orthodoxe bzw. ultraorthodoxe Juden in den Medien (z.B. SPIEGEL-Titelbildern) überwiegen würden, @Karina. Organisatorisch sind modern-Orthodoxe m.E. ganz gut aufgestellt: So gibt es zwei Rabbinerkonferenzen, je eine liberal-konservative (ARK) und eine orthodoxe (ORK). Einige liberale Gemeinden haben sich zudem in der Union progressiver Juden (UpJ) zusammengeschlossen, die jedoch auch medial sehr viel weniger Beachtung findet als der Zentralrat der Juden in Deutschland (ZdJ). Vereinzelt gibt es auch orthodoxe Abspaltungen, z.B. in Brandenburg. In einigen Städten wie z.B. Freiburg gibt es gleich mehrere, jüdische Gemeinen – etwa die IKG, Chabad und Liberale. Das ist insgesamt – und auch im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften – doch eine recht recht lebendige Selbstorganisation.

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