Otto-Hirsch-Auszeichnung 2022 – Die duale Dankesrede als Podcast & Text

Als mich die Nachricht erreichte, dass ich gemeinsam mit dem überaus verdienten Pfarrer Dr. Hartmut Metzger die Otto-Hirsch-Auszeichnung des Jahres 2022 erhalten sollte, war ich sehr glücklich. Doch zugleich sah die Regie vor, dass meine Dankesrede am Ende eines langen Abends direkt vor dem anschließenden Empfang und also unter strengem Zeitdruck geschehen sollte.

Informationen zum von den Nationalsozialisten ermordeten Otto Hirsch (1885 – 1941). Grafik mfG: Staatsministerium Baden-Württemberg. Link zum SWR2-Interview zur Auszeichnung

Was also tun? Ein schnelles Herunterrattern möglichst vieler Namen, ohne auf Otto und Martha Hirsch, den zu dankenden Anwesenden und den mit ihnen verbundenen Themen einzugehen? Oder ein gnadenloses Überziehen der Sprechzeit, was für alle Anwesenden eine Zumutung gewesen wäre und zudem auch noch kaum jemanden inhaltlich erreicht hätte?

Foto von der Otto-Hirsch-Auszeichnung 2022

V.l.n.r.: Der neugewählte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, Michael Kashi von der IRGW, Isabel Fezer von der GCJZ ,Prof.in Barbara Traub von der IRGW, Doris Metzger (Ehefrau von Pfr. Dr. Hartmut Metzger), Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper, Dr. Michael Blume, mein Laudator Rabbiner Dr. Jehoschua Ahrens. Foto mfG: Stadt Stuttgart. Link zum Skript der Dankesrede

So entschloss ich mich für das Umsetzen einer dritten, neuen und mit meinem Team entwickelten Option, mit der ich bereits einige Male z.B. im Tübinger Worthaus experimentiert hatte: Einer dualen Rede

Eine duale Rede wird ausführlich geschrieben und dann digital als Text und ggf. auch als Podcast-Folge veröffentlicht. Hier kann also auf Namen und Inhalte nachvollziehbar eingegangen werden. Gleichzeitig ist es möglich (und gestern auch geschehen) den Redetext zu kürzen und sich auch spontan auf die Redesituation, Beiträge vorheriger Redner:innen usw. einzustellen. Konkret: Während ich auf dem Podcast ca. 36 Minuten gesprochen habe, waren es am Abend – laut der Stoppuhr einer Kollegin – nur knapp 18 Minuten. Zudem war es möglich, tiefer Interessierte – etwa an der Geschichte von Otto und Martha Hirsch oder auf den Schlossplatz Stuttgart im Marvel-Film “Avengers” von 2012 – auf den Online-Redetext zu verweisen.

Aus der Begründung für die Verleihung der Otto-Hirsch-Auszeichnung an Dr. Michael Blume. Grafik mfG: Staatsministerium Baden-Württemberg. Link zur dualen Dankesrede “Martha & Otto Hirsch – Aufstehen gegen Amalek in Stuttgart”, 28.07.2022, Rathaus Stuttgart

Was meinen Sie zum Format der dualen Rede? Bringt Ihnen das Doppelformat etwas? Sollte ich dieses Format auch bei anderen Anlässen umzusetzen versuchen, oder etwas anders machen? Ich freue mich auf Ihre konstruktiven Kommentare!

Link zur Folge 49 des Podcast “Verschwörungsfragen”, der (dualen) Dankesrede zur Otto Hirsch-Auszeichnung. Grafik mfG: Staatsministerium Baden-Württemberg. Link zu Verschwörungsfragen auf podigee

Am Ende des Abends erreichte uns die Nachricht vom – uns überraschenden – Tod des früheren Otto-Hirsch-Ausgezeichneten und Stuttgarter Lehrhaus-Mitgründers Karl-Hermann Blickle (1950 – 2022). Karl-Hermann und seine Frau Lisbeth haben als Aktive, Fördernde und Stiftende den interreligiösen Dialog in Stuttgart, der Schweiz und in Israel unglaublich vorangebracht. Ich verneige mich in Dankbarkeit vor Karl-Hermanns Lebenswerk und bin anteilnehmend bei seiner trauernden Familie.

Und heute erreichte mich die Nachricht vom Tod der engagierten, österreichischen Landärztin Dr. Lisa-Maria Kellermair. Erst Ende Juni hatte ich mich mit ihr digital-öffentlich solidarisiert, als sie wegen Hass, Hetze und Trolling aus dem Umfeld von Querdenken-Gruppen ihre Praxis schließen musste. Auf einer bereits länger geplanten Veranstaltung zu “Digitaler Verrohung” am Montag, 1.8.2022, in Boxberg möchte ich an sie erinnern und freue mich über Zeichen der Solidarität für sie.

 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

2 Kommentare

  1. Ergänzung,
    in Stuttgart gibt es ja die Otto-Hirsch-Brücken. Die liegen im Hafengebiet und sind deshalb etwas abseits vom “Schuss”.
    Man sollte die Brücke zwischen Cannstatt und Berg nach ihm benennen, damit die Leute mehr an Otto Hirsch erinnert werden.
    Zur Information, zwischen Cannstatt und der Vorstadt sind gerade zwei Brücken wegen Einsturzgefahr gesperrt werden und müssen neu gebaut werden.
    Herr Blume, machen Sie ihren Einfluss gelten, damit man hier auch eine Erinnerung an verdiente Widerstandskämpfer stattfindet.
    Es gab auch Privatleute, die Juden versteckt haben.

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