Uruguay in der Wasserkatastrophe – Demokratie braucht monistische Medien

Die Republik Uruguay umfasst auf der Hälfte der Landfläche der Bundesrepublik Deutschland gerade einmal 3,5 Millionen Menschen und gilt als wasserreich. Eigentlich.

Doch das kostbare Süßwasser wurde und wird an riesige Herden von Rindern vergeudet, für deren Futtermittel quer durch Südamerika auch große Wildflächen gerodet und verdichtet wurden. Die Wasserverschwendung für ein Kilo Rindfleisch wird auf über 15.000 Liter Süßwasser veranschlagt! Zudem tragen die enormen Mengen an Treibhausgasen wie CO2 und Methan zur globalen Erhitzung bei, die längst auch die Amerikas erfasst hat. Und weder linke noch rechte Regierungen des Landes wagten es, sich je mit den Lobbies der industriellen Massentierhaltung anzulegen – und sahen bislang auch keine Notwendigkeit, rechtzeitig in die Wasser-Infrastruktur zu investieren

Nach Monaten der Dürre ist nun der Stausee, der die Hauptstadt Montevideo mit Wasser versorgte, trockengefallen. Von der Wasserkrise zur Wasserkatastrophe: Menschen müssen für horrende Preise Trinkwasser von Konzernen kaufen, vor allem Mütter mit kleinen Kindern leiden. Präsident Lacalle Pou hat inzwischen den Notstand über die Region verhängt, während wütende Menschen auf den Straßen demonstrieren. Die Stadt versucht, im Schnelldurchgang einen weiteren Stausee zu errichten. Kirchen riefen zu Gebeten für Regen auf und versuchen, Ärmere durch Spenden zu unterstützen.

Tweet zum Zusammenbruch der Wasserversorgung in Montevideo, Uruguay. Screenshot: Michael Blume

Beim Informieren über die globale Eskalation der Wasserkrise in 2023 auf Mastodon und Twitter war mir gleichwohl wichtig, nicht nur das Versagen des Staates – von Regierung (Exekutive), Parlament (Legislative) und Justiz (Judikative) – in den Blick zu nehmen, sondern auch die Bedeutung der Medien (Publikative). So schrieb ich:

Die nationalstaatliche Republik basierte auf Zeitung und Wirtschaftswachstum. Gemäßigt-Progressive und Gemäßigt-Konservative handelten Fortschrittstempos aus. Das ist nun mit Digitalisierung und Wasserkrise vorbei – nicht nur in Uruguay.

Als Hoffnung verlinkte ich auf einen NdG-Blogpost zur Bedeutung von Kommunalpolitik und Pflanzenkost.

Schon das Staatsmodell der “res publica” – öffentlichen Angelegenheiten, an denen jeder und später auch jede öffentlich teilhaben solle – geht von einer Medienwelt der Sprache und Tageszeitungen aus. Staaten sind Konstruktionen auf Basis von Medien. Und wenn die Menschen also nur Medien nachfragen, die entweder seichte Unterhaltung (Relativismus) oder feindselige Identitätspolitik (Dualismus) anbeiten, dann fallen die Sachthemen (die “res”) aus dem Diskurs. Wirtschaftskonglomeraten wie den Rindfleisch-Lobbies in Uruguay sowie extremistischen und korrupten Politikern waren und sind fehlinformierte, am Besten desinteressierte Bürgerinnen und Bürger dabei ganz Recht.

Bewusst habe ich also auch hier auf die Tageszeitung (eine Ausgabe der Stuttgarter Zeitung) verwiesen – denn auch in Deutschland liest nur noch eine kleine und weiter schrumpfende Minderheit der Menschen eine solche, haben es auch andere, monistische Medien schwer. Und selbst in den gebührenfinanzierten ÖRR-Medien laufen ständig Börsennachrichten für Reiche, während Berichte über die Grundwasser, Quellen und Flüsse unseres Lebens an den Rand rücken. Doch wer wirklich möchte, könnte sich auch weiterhin über die Wirklichkeit informieren – mitunter mit nur einem Klick.

Welche von Menschen bewohnte Gebiete also jeweils zu lebenswerten Arche-Regionen oder zu von Abwanderung und Gewalt geschüttelten Mad Max-Regionen werden, hängt weniger an der Performance einzelner Parteien oder Politikerinnen. Es wird vielmehr an der Qualität der Publikative geprägt, die die Diskursräume erst öffnet, in denen dann auch Politik stattfindet. Was nicht berichtet wird, geschieht dennoch, wird aber auch politisch nicht wahrgenommen.

Menschenwürde in einer Demokratie bedeutet eben auch: Die Verantwortung für den eigenen Medienkonsum, die eigene (religiöse oder nichtreligiöse) Weltanschauung und die eigene Ernährung zu übernehmen.

Ich schlage als Merksatz daher vor: Jene Medien & Politiker, die Dir nur seichte Unterhaltung (Relativismus) oder nur Identitätspolitik (Dualismus) anbieten, werden Dir auch kein Wasser bringen, wenn es dann fehlt… 

 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

12 Kommentare

  1. Das Volk hat kein Brot – soll’s doch Wasser trinken… Klingt nach der Erklärung dafür, warum der wütende AfD-Mob gerade eine Bastille gestürmt hat.

    Es scheint das passiert zu sein, was ich befürchtet hatte – die Klimakrise wird zur Religion. Putin hat den Krieg gegen die Nato, Polen hat den Nationalismus und den Krieg gegen Russland und Deutschland, Deutschland hat den Krieg gegen die Klimakatastrophe, was ja alles mehr oder weniger oder gar sehr real ist, aber ge- und missbraucht wird, um von anderen Problemen abzulenken. Solchen, die im Alltag dringlicher sind. Paraguay und Klimawandel sind nun mal immer weiter weg, als das leere Regal und die existenzbedrohende Wirtschaftskatastrophe, die sich gerade ereignet. Man nehme ein Bildungssystem, das die Bevölkerung zu Analphabeten erzieht, einen Haufen Migranten, die keine Bildung gebraucht haben, um welche zu werden, Sie kriegen einen Haufen Proleten, die nur noch den Abgrund vor sich sehen, aus Frust ausrasten und aufeinander einprügeln. Zombie-Apokalypse in vollem Gang, Wut frisst Hirn.

    Kampf gegen die Klimakrise, Energiewende, ökologisches Denken – ist ja alles richtig, bin ich voll dafür. Aber wenn es nicht in größere Reformen eingebettet wird, Wirtschaft, EU, dann ist all das bloß Aktionismus, Symbolhandlung, jedes Windrad wird zum Mo’ai, der den Untergang der Osterinsel nicht aufhalten kann. Und die Presse und Politik zum Vogelkult, der wie die Engel in den Wolken drüber kreist, und doch eher wie Geier handelt.

    Eine Art „Monismus“ in der Berichterstattung, der auf allein seligmachenden Scheuklappen von Adel und Bauern beruht, fällt wohl eher unter „zwei Dualismen im Blindflug“.

    • Es ist „lustig“, @Paul S, dass Sie selbst immer wieder Texte mit Wahrheitsanspruch formulieren – aber zugleich voller Wut gegen andere Medien- und Bildungsanbieter wettern. Alle faul außer Paul.

      Ehrlich gesagt sehe ich wenig Anzeichen dafür, dass sich der Rest der Welt vor Ihrer höchsten Einsicht niederwirft. Aber Sie könnten es ja einmal mit Dialog versuchen: andere gelten lassen, dazu eigenes einbringen.

      Ich weiß, das erfordert viel mehr Empathie und Charakter als das Monologisieren. Aber es bringt allen mehr, ist mit der Liebe der vielleicht wertvollste Teil menschlicher Potentiale.

      Beste Grüße!

      • Ich finde es gut, dass sich in diesem Kommentariat auch a bisserl ausgemärt werden kann, finde es gut, dass so ausgehalten wird.
        Kleiner Schmunzler zwischendurch : Wenn mal hier geschaut wird, hat selbst “Henk” so fehlgreifen können; Dr. Webbaer hat ihm seinerzeit geschrieben, dass er aus Mähren und ein H zu viel ist, was aber nicht gut ankam, womöglich auch unverstanden blieb.
        MFG
        WB

  2. Warum in die Ferne schweifen.
    Bei uns in Stuttgart ist die Abwasserleitung in der Straße 90 Jahre alt.
    Die wird nur repariert und bei Starkregen läuft das Wasser zurück in die Keller.
    (Vor der Abwasserleitung aus der Straße)

    • Danke, @irgendwer

      Von der Betrachtung des Fernen zum Bedenken des Eigenen gelangen – das freut mich, ist Monismus.

      Und, ja, auch in Deutschland 🇩🇪🇪🇺 wünsche ich mir mehr deutlich weniger industrielle Massentierhaltung und stattdessen mehr vorausschauende Investitionen in die Wasser-Infrastruktur!

  3. @Paul S. 30.06. 10:01

    „Aber wenn es nicht in größere Reformen eingebettet wird, Wirtschaft, EU, dann ist all das bloß Aktionismus, Symbolhandlung, jedes Windrad wird zum Mo’ai, der den Untergang der Osterinsel nicht aufhalten kann.“

    Mit den Archen kann ich mit wie gesagt auch nicht anfreunden. Ohne eine Lösung der globalen Armutskrise sehe ich auch keine Lösung der Klima- und Wasserkrise.

    Wir müssen m.E. gucken, wie die armen Länder an der Weltwirtschaft beteiligt werden, und wir werden dann auch nicht daran vorbeikommen, nicht mehr die halbe Welt mit hochpreisigen PKWs zu versorgen. Eine Lösung der globalen Armutskrise ginge damit einher, dass wir hier deutlich weniger produzieren müssen.

    Dann hätten wir auch weniger Arbeitsstress, und bräuchten auch keine weiteren Migranten, was dann auch die Wohungsnot beenden kann. Dass setzt natürlich voraus, dass sich die wirtschaftspolitischen Verhältnisse in den noch armen Ländern nachhaltig bessern. Wir müssen hier aktiver werden, sonst wird das nichts. Über eine Unterstützung von klimafreundlichen Investitionen in den armen Ländern hätten wir vielleicht einen Hebel, hier auch eine nachhaltige Entwicklung zu fördern.

    Ohne dem geht es dann eben nicht, und wir bleiben wirklich eine Archeregion, die wir eigentlich schon sind. Inmitten einer Welt, die die Energiewende eben nicht hinbekommt.

  4. Wir sollten, wir müssen……
    Der Spielraum der Politik ist klein geworden, seit die Interessenvertreter in den Parlamenten mitregieren.
    Und….die multinationalen Konzerne, die verlegen ihren Firmensitz ins Ausland, wenn der Handlungsspielraum bei uns zu eng wird.

    Ganz konkret, gestern haben die Weinbauern bei uns gespritzt, nicht sparsam, eine Wolke von Pflanzenschutzmittel zog über den Weinberg.
    Die wissen nicht, dass Stuttgart-Bad Cannstatt der Ort mit den meisten Mineralquellen nach Budapest ist.

      • ……und beeindruckend. In Tivat , Montenegro, haben russische Kapitalanleger einen Hafen für Yachten gebaut, samt Infrastruktur, Hinterland, Ladenzeilen, Gaststätten, fast ein neuer Ortsteil. Als ich den Eigner der Superyacht im Internet suchte, der war nicht bekannt.

        • @irgendwer

          Mich bewegt gerade der Gegensatz der Mythologien von Arche & Superyacht: Eine Arche ist aus Verantwortung von den Insassen selbst gebaut, aus Holz, für Menschen und Tiere, inklusiv und monistisch.

          Eine Superyacht ist aus Gier von Arbeitern gebaut, aus toten Metallen, für Crew, Angehörige, Geschäfts- & Sexualpartner:innen der Reichen, exklusiv und dualistisch.

          Auch was Sie beobachteten: Die Schönheit der Natur wird privatisiert & korrumpiert… 🤔🛥️🌈

          • Kain gründete die erste Stadt, sein Nachkomme Tubal-Kain wurde Stammvater der Schmiede.

            Interessanterweise wird in der Bibel die Entwicklung der Zivilisation und Technik mit dem Brudermörder in Verbindung gebracht, nicht mit Set.

            Das ist eine Analogie zu den Mythen der Weltzeitalter (vom Goldenen zum Eisernen Zeitalter), wo die Entwicklung der Zivilisation mit dem moralischen Verfall der Menschen parallelisiert wird.

          • Ja, @Paul Stefan – das scheint eine psychologische Konstante zu sein. Blumenberg schrieb ja: „Enge der Zeit ist die Wurzel des Bösen.“ und Goethe schuf das Wort „veloziferisch“ aus Eile (Velocitas) und luziferisch. Danke für Ihre konstruktiven Beobachtungen dazu!

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