Islam in der Krise ab heute im Buchhandel
BLOG: Natur des Glaubens
Nun ist es also soweit – heute ist das offizielle Erscheinungsdatum von “Islam in der Krise”, ab heute wird es gedruckt (und auch als eBook) an den Buchhandel ausgeliefert.
Die Erstauflage von “Islam in der Krise” ist nun gedruckt. Foto: Michael Blume
Buchtitel, -cover und -trailer haben bereits zu vielen Rückmeldungen und auch interessierten Anfragen geführt – und die kommenden Monate werden zeigen, ob sich die Debatte entfaltet, die ich mir so sehr wünsche. Die starke Resonanz auf ein erstes Interview mit Andreas Main im Deutschlandfunk dazu stimmt mich dabei schon einmal optimistisch, es gibt offensichtlich ein breites Interesse am Thema…
Screenshot Deutschlandfunk, mit freundlicher Genehmigung
Dabei rechne ich – auch dies zeichnet sich teilweise schon ab – mit neuerlichem Gegenwind sowohl von rechtsextremer wie islamistischer Seite, die jeweils kein Interesse daran haben, dass vertieftes Nachdenken an die Stelle von Verschwörungsglauben und schlichten Feindbildern tritt. Aber schon in der Vergangenheit habe ich Beschimpfungen durch Extremisten als Auszeichnung empfunden und bin sehr viel gespannter auf die Rückmeldungen und Nachfragen von an Neuem interessierten Leserinnen und Lesern.
Der Trailer zu “Islam in der Krise” mit der Vorstellung einiger Thesen und Beobachtungen
Entsprechend freue ich mich auch schon jetzt auf die Begegnungen mit Leserinnen und Lesern bei der Lesereise, die am 25.9.2017 im Hospitalhof Stuttgart startet und mich zum Beispiel am 10.10.2017 auch in die Stadtbibliothek Filderstadt führt, wo wir den Trailer drehen durften.
Gerne möchte ich die Gelegenheit dieses Blogposts schon mal nutzen, allen konstruktiv Kommentierenden und Diskutierenden der letzten Jahre zu danken, ohne die auch “Islam in der Krise” nicht so entstanden wäre. Der Dialog ist nicht immer leicht, das Miteinander von Alltagsbeobachtungen, Emotionen und wissenschaftlichen Argumenten nicht immer spannungsfrei. Aber gerade in diesen “Spannungen” liegen immer wieder Lernchancen – und so lerne ich durch Sie und Euch immer wieder Neues. Über die Themen, die Menschen und auch über mich selbst.
Danke.
wie es stets heißt: Fragen beinhalten Lösungen nicht die Antworten auf ungestellte Fragen.
Durch einen Zufall bin ich auf Ihre Publikation aufmerksam geworden, die Fragen formuliert in einer Welt voller Antworten.
Schon das macht “Islam in der Krise” zu einem wertvollen Beitrag zu Diskussionen zur Gegenwart.
Mit der Erosion sogenannter christlicher Werte korrespondiert ggf durchaus auch eine Erosion sogenannter islamischer Werte.
Früher hätte man ggf gesagt: wie Moderne mit ihrer Negation umzugehen bereit wirkt.
Heute ahnt man vlt: dass Moderne stets als unvollendetes Projekt betrachtet werden könnte in einer Welt voller vollendeter Vergangenheiten.
Ich freue mich sehr, dass Ihr Beitrag den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat und würde mich umso mehr freuen, wenn er dazu ermutigen könnte weiter zu fragen als sich mit vorfabriziert wirkenden Fakten zufrieden zu geben.
Bleiben wir also gespannt.
Mit besten Grüßen
Haben Sie herzlichen Dank, @donald mueller! Tatsächlich thematisiere ich im Buch u.a. die Widersprüche von “halbierten Modernen”. Wenn “Islam in der Krise” solche Reflektionen auch über den Islam hinaus auslösen würde, dann wären meine Hoffnungen deutlich übertroffen…
Mit freundlichen Grüßen
“Und heute ist vor allem das Ideal des evangelischen Pfarrhauses, dass man Kinder hat, aber die nicht mit Luxus überschüttet, sondern ihnen Bildung mitgibt, ist Allgemeingut geworden. Das ist sehr weit verbreitet. Und die meisten Menschen wissen gar nicht mehr, dass das christliche Wurzeln hat.” (Michael Blume im Interview im Deutschlandfunk)
Um das zu wissen, sind die meisten Menschen auch nicht mehr alt genug. Eigentlich gar niemand mehr. Aber wenn wir schon in die historischen Quellen sehen müssen, um etwas über die Vergangenheit zu erfahren, dann sollten wir das auch richtig machen:
Der christliche Umgang der römisch-katholischen Kirche mit der Schrift ist in den ersten Jahrhunderten durch Bücherverbrennungen gekennzeichnet. Ich mache es mir mal einfach und zitiere Wikipedia:
“Alphabetisierung in Europa
Im Römischen Reich einschließlich der Provinzen waren weite Teile der Bevölkerung alphabetisiert. Es existierte ein dreigliedriges staatliches Schulsystem, das auch einfache Bauern und Sklaven auf dem Land erfasste, sowie ein verbreitetes Bibliotheks- und Verlagswesen.[2] Mit dem Zerfall des römischen Reichs ging neben Schulen und Alphabetisierung auch das Gesamt der antiken Literatur fast vollständig verloren. Ein der Antike vergleichbares Niveau der Herstellung und Aneignung von Schrift wurde erst zum Ende des 18. Jahrhunderts wieder erreicht.”
Vor diesem Hintergrund den Alphabetisierungsgrad in Europa als aus christlichen Wurzeln stammend zu bezeichnen, erscheint mir etwas gehetzt. Es ist wohl eher ein Ideal der Renaissance bzw in deren Folge der Aufklärung, das erst gegen die Kirchen durchgesetzt werden musste, um im Christentum anzukommen.
Lieber @Frank Wohlgemuth,
die antiken, vor-monotheistischen Gesellschaften Roms und Griechenlands gingen nicht zuletzt aus demografischen Gründen unter – Bildung wurde lange Zeit v.a. unter Geistlichen und in Klöstern tradiert. Mehr dazu gerne hier:
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/warum-verfielen-die-antiken-g-tterkulte-und-siegte-der-eine/
Mit der Reformation wurde dieses Bildungs-Privileg der Geistlichen dann grundsätzlich in Frage gestellt, schon Luther (der beispielsweise durchaus noch an Hexerei und antijüdische Verschwörungsmythen glaubte) rief doch zur Eröffnung auch von Mädchenschulen auf. Entsprechend bitte ich, wenigstens die großen Konfessionen auch zu unterscheiden.
Wir beide benutzen übrigens gerade lateinische Buchstaben (tradiert via Kirchen) und arabische Ziffern (mit indisch-hinduistischen Wurzeln). Und selbst der Begriff der “Bildung” verweist auf die biblischen Aussage von der Ab”bild”lichkeit des Menschen zu Gott.
Auch wenn Sie das Christentum, den Islam und generell alle Religionen nicht mögen sollten, Bildungsgeschichte ist aufs Engste und komplex mit Religionsgeschichte und Religionsdemografie verknüpft.
Guten Abend Herr Blume,
Ihren Kommentar finde ich super, Lästerer gibt es zur Genüge.
M. f. G.
W. Bülten
Wenn man die Gesellschaften des Nahen Ostens der 60/70er Jahre mit heute vergleicht, frage ich mich, wie man hier allen ernstes eine “Säkularisierung” des Islam herauslesen kann.
Lieber @David,
ja – genau auch das 20. Jahrhundert hat eindrucksvoll gezeigt, dass Säkularisierung auch in der muslimischen Welt möglich und verbreitet war!
Der Aufstieg des politischen Islamismus hat vielerorts dazu geführt, dass Säkularisierung und Religionskritik unterdrückt und versteckt wurden, aber tatsächlich nicht verschwunden sind. So hat beispielsweise der frühere Baathist und Laizist Saddam Hussein in den letzten Jahren vor seinem Niedergang plötzlich einen “islamic turn” vollzogen und u.a. die irakische Flagge islamisiert. Dies bedeutet aber keineswegs, dass deswegen alle Iraker plötzlich wieder religiös fromm und praktizierend geworden wären – im Gegenteil. Der massive Missbrauch der Religion für politische, terroristische und kriegerische Zwecke hat bei vielen (Ex-)Muslimen die Glaubenszweifel und den “stillen Rückzug” verstärkt; wie es auch in Europa als Ergebnis des 30jährigen Krieges geschah.
Die zunehmend reichhaltigen Datensätze und Aussagen dazu finden Sie im Buch selbstverständlich je mit nachprüfbaren Quellen. Lassen Sie es mich hier mal plakativ zusammenfassen: Nicht jede Frau, die in den 70er Jahren in Kabul noch im Rock zu Studium und Arbeit gehen konnte, hat sich heute unter der von Islamisten aufgezwungenen Burka wieder zur wirklich “frommen Muslimin” gewandelt – oft geschah des Gegenteil. Und gerade in freiheitlichen Gesellschaften wird dieser Glaubensverlust zunehmend auch ausgesprochen und sichtbar. Umso wichtiger, dass das auch wahrgenommen wird!
Mit Dank für Ihr Interesse und besten Grüßen!
Hier im kontinentalen Westen ist die Idee eines “Islams in der Krise” kaum präsent – vor allem, wenn man mit “Islam in der Krise” meint, dass der Islam, vor allem der politische Islam, eine Art letztes Rückzugsgefecht inszeniert. Weit häufiger findet man hier ein Bedrohungsgefühl durch eine gefühlt starke Religion, für die die Menschen ihr Leben einsetzen und der die säkulare Gesellschaft nichts Starkes, die Leute mit sich Reissendes, entgegensetzen kann.
In England und im arabisch/islamischen Raum gibt es allerdings ein paar Leute und Bücher, die genau dieselbe Diagnose “The Crisis of Islam” schon zu Beginn des 21. Jahrhunderts (in den Nullerjahren ) gestellt haben und die sie heute wieder stellen wie etwa im Artikel Islam is in crisis in the Arab Weekly. Der Autor dort verweist insbesondere auf die fehlende Auseinandersetzung der islamischen Welt mit der Moderne, so dass wir es heute mit einer Relgiion zu tun hätten, für die gilt: the idea that Islam must be backwards looking and inordinately concerned with the past, rather than the future: a religion that does not value development or growth, viewing this as heresy.
Zitat Frank Wohlgemuth:
“Vor diesem Hintergrund den Alphabetisierungsgrad in Europa als aus christlichen Wurzeln stammend zu bezeichnen, erscheint mir etwas gehetzt. Es ist wohl eher ein Ideal der Renaissance bzw in deren Folge der Aufklärung, das erst gegen die Kirchen durchgesetzt werden musste, um im Christentum anzukommen.”
Wer nur dieses Buch bzw. die Darstellung von Michael Blume als Informationsquelle hätte, muss zu der Erkenntnis gelangen, dass unser heutiger kultueller Fortschritt sowohl technisch als auch gesellschaftlich die Ursache in der Reformation und den evangelischen Pfarrhäusern hätte, und dass Aufklärung, Wissenschaft und (reformierter) religiöser Glaube praktisch ein und dasselbe sind.
Doch Kant bezeichnet den Glauben an real existierende Götter als “Schwärrmerei und Frevel” und die moderne Wissenschaft ist genau dadurch zur modernen Wissenschaft geworden, indem sie den Glauben an übernatürliche Kräfte und Wesen radikal verbannt hat.
Das schließt natürlich nicht aus, dass im Mittelalter die Klöster ein Bildungsprivileg besaßen und uns darüber die lateinische Schrift usw. vermittelt wurde. Und es schließt auch nicht aus, dass Luther gegen seine eigene Religion rebellierte und dadurch natürlich verstärkt auf Denken und Bildung setzte.
Was durch die Klöster nicht tradiert wurde, sondern was erst durch die Renaissance der antiken Aufklärung in der Neuzeit wieder entstand, ist das kritische Denken. Und dazu gehört es etwa, Kritik nicht ohne jeglsiche weitere Begründung als “lästerhaft” wie von wi_bue2 zu bezeichnen. Das ist nämlich ein typisches Merkmal des dogmatischen religiösen Glaubens an übernatürliche Wesen.
In Jordanien erklärte uns ein Ägypter als Reiseleiter in gutem Deutsch (er hatte Germanistik und Archäologie in Deutschland studiert) den Bereich Petra und auch den Islam. Dabei stellte er die Verbindung von Judentum, Christentum und Islam als Bruderreligionen heraus.
Ich fragte ihn, warum die Muslime dann die Christen als Ungläubige betrachten. Das ist ihr niedriger Bildungsstand, den man auch nur schwer ausbauen kann, war seine zusammengefasste Antwort. Mit anderen Worten – die religiösen Führer haben in bestimmten Bereichen kein Interesse, ihren Anhängern die historische Wahrheit näher zu bringen.