Drogenpolitik: Wie es besser geht

Wie lange will sich die Gesellschaft noch den Milliarden verschwendenden Status quo leisten? Selbst Vertreter aus Polizei und Justiz zweifeln am Sinn der Verbote.

Im letzten Teil fassten wir den aktuellen Stand zum Cannabisgesetz zusammen. Insbesondere entlarvten wir übertriebene Warnungen vor Psychosen und anderen angeblichen Gesundheitsfolgen als heiße Luft. Außerdem kiffen heute schon Jahr für Jahr Millionen deutsche, doch unter illegalen und völlig unkontrollierten Bedingungen.

Das legt den Verdacht nahe, dass Innenpolitiker und Teile der Ärzteschaft nicht an Einfluss verlieren wollen: Denn je mehr Regeln es gibt, desto mehr Macht haben Behörden und Institutionen. Den folgenden Artikel stellte ich am 12. März fertig. Zurzeit steigt die Spannung, ob der Bundesrat das Cannabisgesetz am 22. März in den Vermittlungsausschuss schickt. Am 16. März kündigte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sogar an, das Gesetz mit Verfahrenstricks lahmzulegen:

Diese Vehemenz, mit der konservative Politiker am Verbot einer Pflanze festhalten wollen, sollte nicht nur Cannabiskonsumenten wundern. Wohlgemerkt, die Verfechter der Prohibition haben selbst keine Lösung zur Verbesserung des Status quo anzubieten. Wie absurd, teuer und gefährliche die heutige Lage ist, zeigt im Folgenden ein Blick auf die große Schattenseite der Verbotspolitik. Am Ende komme ich auf einen Ausweg aus der Misere zu sprechen.

Schäden der Verbotspolitik

Wer trotz aller inneren Widersprüche an der heutigen Verbotspolitik festhält, sollte ehrlicherweise einräumen: Die Kritiker des Cannabisgesetzes reden zwar Mantra-artig vom Jugend- und Gesundheitsschutz sowie dem Kampf gegen die Kriminalität. Doch diese Argumente richten sich vor allem gegen die heutige Gesetzeslage:

Erstens fehlt wegen des Verbots jegliche Qualitätskontrolle. Durch den Einsatz von potenziellen Giftstoffen (z.B. Pflanzenschutz- oder Streckmittel) wird der Substanzkonsum gerade gefährlicher. Ähnliches gilt, zweitens, durch Beimischungen anderer Drogen und die schwankende Potenz der Mittel. Wenn die Betroffenen nicht genau wissen, wie viel sie wovon zu sich nehmen, lassen sich die Folgen viel schwerer abschätzen. Gerade das macht die Opioid-Epidemie in den USA so tödlich.

Drittens kommen Konsumierende allen Pseudo-Warnungen vor “der Einstiegsdroge” zum Trotz gerade durch den Gang zu Dealern in Kontakt mit anderen Substanzen. In manchen Chatkanälen bekommt man sogar wöchentlich Angebote vieler Drogen, an die man selbst gar nicht gedacht hatte.

Viertens garantieren die Verbote den Kriminellen ihre Geschäfte, bei denen sie sich, fünftens, auch nicht um den Umweltschutz scheren müssen; Drogenabfall wird einfach in die Natur gekippt. Mit den Milliarden – Europol schätzte den Verkaufswert der Substanzen auf dem EU-Markt für 2021 erst kürzlich auf 31 Milliarden Euro – gehen aber nicht nur Risiken für Individuen und die Natur einher, sondern, sechstens, durch Korruption auch für die Unterwanderung des Staats.

Ein neuer Bericht von Europol schätzt das Volumen des EU-europäischen Drogenmarkts auf 31 Milliarden Euro. An erster Stelle steht dabei das Cannabis mit 12,1 Milliarden, dicht gefolgt von Kokain und etwas weiter abgeschlagen Heroin. (bn = englisch billion = Milliarde)

Individuelle und gesellschaftliche Kosten

Dazu kommen, siebtens, die schwer zu beziffernden öffentlichen Kosten für die Durchsetzung der Verbote. Für ein mittelgroßes Land wie Deutschland könnten diese – man denke nicht nur an Polizei und Justiz, sondern auch an Hilfsdienste etwa beim Räumen von Drogenlaboren oder das Gesundheitssystem – Jahr für Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag verschlingen. Dazu kommen, achtens und neuntens, indirekte Folgen für Gesundheit und Biografien von Bürger*innen: Durch die Verbote ist schließlich der Gang zum (Not-) Arzt schwieriger, wenn doch einmal etwas schief geht, und Verurteilungen für Besitzdelikte können bürgerliche Existenzen zerstören.

Ein besonderes moralisches Problem entsteht, zehntens, dadurch, dass Menschen mit traumatischen Erfahrungen und psychosozialen Problemen ein viel höheres Risiko für problematischen Substanzkonsum haben. Im Falle einer Strafverfolgung werden sie für ihr ohnehin schwereres Schicksal nochmals ausgegrenzt. Diese Tatsache sollte gerade die Angehörigen von Parteien mit “christlich” und “sozial” im Namen nachdenklich stimmen.

Schließlich muss, elftens, in einem liberalen Rechtsstaat nicht die Erlaubnis von etwas gut begründet werden, sondern im Gegenteil das Verbot. Das Freiheitsargument wurde bei all der Panik über Gesundheit beinahe vergessen. Zwölftens schadet es auch die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats, wenn er widersprüchliche und schlecht begründete Verbote durchsetzt – und damit dann auch noch scheitert.

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich lade die Leser*innen herzlich zur Ergänzung ein. Und noch einmal: Welche Alternative hätten die Gegner der Entkriminalisierung in den zahlreichen Diskussionen zum Thema denn vorgebracht?

Symptome, Ursachen und Wirkungen

Früher einmal waren allerlei Verbote in Mode, über die wir uns heute nur wundern: Man denke an Kuppelei (Unverheirateten eine Gelegenheit zum Geschlechtsverkehr zu verschaffen), Sex von Männern mit Männern, sogar Masturbation. Auch Letztere begründete man mit abstrusen Theorien über Gehirn- und Rückenmarkschwund. Man nehme dazu die Vorstellung vom lieben Gott, der alle Sünden sieht – et voilà, man hatte ein hervorragendes Instrument zur Kontrolle mit Bestrafung und Sühne von Menschen.

Nebenbei: Gerade im Februar publizierten schwedische Forscher in Science die Entdeckung, dass bestimmte Zellen im Penis, sogenannte Fibroblasten, für die männliche Erektion wichtig sind. Und ähnlich wie bei Muskeln führten häufige Erektionen zum Wachstum weiterer solcher Zellen. Das gilt zwar erst einmal nur bei Mäusen, lässt sich laut Fachleuten aber wahrscheinlich auf den Menschen übertragen.

Während Autoritäten also Propaganda von der Schädlichkeit von Masturbation verbreiteten (und in religiösen Kontexten mitunter immer noch verbreiten), könnte diese Aktivität – jedenfalls für Männer ohne Sexpartner – gerade ein Mittel zur Erhaltung der (sexuellen) Gesundheit sein!

Der Vergleich der Verbote von Cannabis und Masturbation ist noch in einem anderen Sinne interessant: Denn aufgrund der Tatsache, dass manche Menschen mit psychischen Problemen häufiger masturbierten, schlossen Psychiater und andere Ärzte früher auf einen Kausalzusammenhang: Onanie mache auch psychisch krank.

Die Macht des “klinischen Blicks”

Ähnlich geht es heute mit dem “klinischen Blick” für Cannabis und psychische Störungen, wie wir in einem früheren Teil der Artikelserie feststellten. Ärzt*innen sehen Menschen mit psychischen Problemen, die Drogen konsumieren – und sehen Letztere dann als Ursache für Erstere an.

So wetterte sogar noch in der wichtigen Bundestagsdebatte vom 23. Februar ein Vertreter der CSU gegen das Cannabisgesetz. Die Schädlichkeit der Substanz habe er ganz klar in seinem Medizinpraktikum gesehen. Ja, wozu brauchen wir die komplexe Wissenschaft, wenn schon Medizinstudenten direkt die Wahrheit sehen? (Derselbe CSU-Abgeordnete machte übrigens Wahlkampf mit Alkohol, den führende Suchtexperten für gefährlicher halten als Cannabis. Na dann prost!)

Wer nun den Substanzkonsum (oder die Masturbation) therapiert, der für die Betroffenen vielleicht nur ein Mittel zur Leidenslinderung ist, behandelt dann tatsächlich nur ein Symptom oder eine Bewältigungsstrategie, keine Krankheitsursache. Doch damit erkläre ich die Mittel nicht für gefahrlos.

Problematisch ist aber vor allem der extreme Konsum, so wie auch Extremsport mit mehr Gefahren einhergeht. Dabei ist starker Bewegungsdrang sogar ein offizielles Symptom von Depressionen. Auch damit können Menschen sich von ihren Problemen ablenken oder einen berauschenden “Kick” erfahren.

Blockadehaltung

Wie geht es nun mit dem Cannabisgesetz weiter und wie mit der Drogenpolitik insgesamt in Deutschland? Die Opposition im Bundesrat will die Initiative in einen Vermittlungsausschuss bringen und dort verzögern, aus Sicht der Hardliner am liebsten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Entscheidend wird für die Abstimmung am 22. März das Verhalten der Grünen auf Landesebene sein, besonders in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig Holstein, wo sie mit der CDU regieren. Doch auch in der SPD gibt es nach wie vor Zweifler.

Die Kritik, es gehe nun alles zu schnell, wirkt dabei wenig überzeugend. Schließlich war die Legalisierung schon ein Thema im Wahlkampf 2021 und dann ein gemeinsamer Punkt im Koalitionsvertrag. Wer wie der Innenpolitiker Sebastian Fiedler (SPD) die jetzige “Legalisierung light” ablehnt, weil man damit hinter dem gefassten Ziel zurückbleibt und es keine lizenzierten Fachgeschäfte geben werde, verkennt die rechtliche Realität. Weitergehenden Maßnahmen steht nämlich die EU-Gesetzgebung entgegen. Darum auf unbestimmte Zeit einfach nichts zu tun, ist auch keine Lösung.

Neben dem zu erwartenden Geplänkel, dass beispielsweise die freigestellten Mengen – bis zu 25g Cannabisprodukte mitführen, 50g zuhause bewahren – zu hoch seien, wirken insbesondere die Reaktionen aus Polizei und Justiz etwas janusköpfig: Einerseits seien die neuen Regeln kompliziert und darum schwer umsetzbar; dabei geht es bei der Entkriminalisierung gerade darum, dass die Polizei seltener wegen Cannabis einschreitet! Andererseits sei der Verwaltungsaufwand für die Justizbehörden nicht zu schaffen, da die Korrektur ergangener Urteile zu arbeitsintensiv sei.

Letzteres ist insofern eine ziemlich schräge Logik, als genau diese Justiz jährlich gegen eine sechsstellige Zahl von Bürger*innen ermittelt, nur weil sie psychoaktive die Blüten oder Extrakte der Cannabispflanze besitzen. Nach der Einsicht, dass hier keine Straftat vorliegt, ist eine Revision ergangener Urteile doch schon eine Frage des Anstands, von Rechtsstaatlichkeit ganz zu schweigen! Davon abgesehen gehen genug Rechtsexperten davon aus, dass sich hier eine pragmatische Lösung finden lässt.

Realismus

Es liegt auf der Hand, dass das Cannabisgesetz – ob es nun zum 1. April oder vielleicht doch erst mit einem halben Jahr Verspätung zum 1. Oktober 2024 in Kraft tritt – nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Das liegt allein schon daran, dass es keine praktische Lösung für Gelegenheitskonsumenten gibt. Denn wer einfach nur einmal spontan einen Joint rauchen oder ein Stück “Spacecake” essen will, wird nicht erst zuhause bis zu drei Pflanzen züchten oder sich bürokratisch in eine Cannabisvereinigung einschreiben.

Weitergehende Regelungen sind aber, wie gesagt, schwer mit dem EU-Recht zu vereinbaren. Beim Erstarken rechts-autoritärer Strömungen ist eine gemeinschaftliche Lösung der EU-Länder, insbesondere durch eine Anpassung des Schengenabkommens, eher unwahrscheinlich. Auch in den Niederlanden mit ihrer Coffeeshop-Kultur seit den 1970ern kündigt sich jetzt mit der größten Fraktion unter Geert Wilders neuer Widerstand an, während man mit dem “wietexperiment” nach zehn Jahren Vorbereitungszeit endlich eine vollständig legale Lösung finden wollte.

Substanzkonsum wird nicht einfach verschwinden. Er gehört zur Menschheitsgeschichte dazu. Sogar unter Tieren lässt er sich beobachten. Dazu kommt, dass es in der Geschichte kein gutes Beispiel für eine gelungene Prohibition gibt. Oberste Maxime sollte darum sein, die Bedürfnisse nach Rausch und psychoaktiver Einflussnahme in die sowohl individuell als auch gesellschaftlich am wenigsten schädliche Bahn zu lenken. In der Wissenschaft ist dieses Paradigma als “harm reduction” (Schadensminimierung) bekannt.

Eine realistische Einschätzung legt darum meiner Meinung nach die Zwischenlösung nahe, was wir heute als “soft drugs” bezeichnen zu entkriminalisieren – und Menschen sichere Wege zu bieten, diese Substanzen zu beziehen.

Das sollte durch Sozialarbeit und, wo nötig, Suchtmedizin begleitet werden. Dieser Ansatz hat sich für den Umgang mit Heroinabhängigkeit schon bewährt; dabei muss man wissen, dass selbst bei vielen “hard drugs” die allermeisten Konsumierenden keine Abhängigkeit im klinischen Sinn entwickeln.

Kontraproduktiv

Einfach nur nichts zu tun und laut “Prävention und Polizei!” zu rufen, wird die Situation aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verbessern. Dabei sollte man bedenken, dass aufgrund der demografischen Verschiebung auch die Stellenknappheit bei in Polizei und Justiz weiter zunehmen wird.

Das macht sich schon heute bemerkbar und wird in den nächsten Jahren schnell zunehmen. Wie lange sollen es sich die Staaten noch leisten, eine Drogenpolitik zu verfolgen, die in allen wesentlichen Punkten gescheitert ist?

Auch Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter erleben in ihrer Arbeit diese Sinnlosigkeit der Drogengesetzgebung. Die innere Logik der Strafverfolgung läuft letztlich darauf hinaus: Die Substanzen sind verboten, weil sie verboten sind. Um die Gesellschaft auf solche Missstände aufmerksam zu machen, haben einige – aktive wie ehemalige – Behördenvertreter die Law Enforcement Action Partnership (LEAP) gegründet. Auch in Deutschland setzen sich Angehörige von Polizei und Justiz für eine humanere Drogenpolitik ein.

Der frühere Undercover-Ermittler und LEAP-Mitglied Neil Woods erklärte kürzlich in einem Vortrag bei der Polizei im niederländischen Utrecht (englisch), wie sinnlos der wiederholte Einsatz seines Lebens war: Selbst gelungene Einsätze gegen gefährliche Drogenbanden hätten den Drogenmarkt höchstens für wenige Stunden gestört.

Schlimmer noch: Indem man einzelne Banden aus dem Verkehr ziehe, mache man deren Konkurrenten stärker. Schließlich könnten diese dann die frei gewordenen Marktanteile übernehmen. Auf lange Sicht erzeuge man damit Superkartelle wie in Südamerika.

Sein Leben mehrfach für kontraproduktive Ergebnisse aufs Spiel gesetzt zu haben, ist eine bittere Pille. Neil Woods schied schließlich mit posttraumatischem Stress aus dem Dienst aus und hat seine Erfahrungen als Polizeibeamter in der Unterwelt in lesenswerten Büchern aufgeschrieben.

Das Wesentliche wurde in dieser Artikelserie nun gesagt, teils mehrfach. Es liegt jetzt auch an uns Bürgerinnen und Bürgern, diese absurde drogenpolitische Situation zu verändern.

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Das neue Buch des Autors zum Thema Substanzkonsum ist hier als Gratis-Download verfügbar: Mental Health and Enhancement: Substance Use and Its Social Implications

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9 Kommentare

  1. Eine Legalisierung wäre auch ein ”Zugeständnis” gegenüber jenen, die Jahrzehnte lang mittels Kriminalisierung marginalisiert wurden. Stelle sie sich vor sie quälen Jahre lang ein Hund in einem Käfig und lassen diesen dann frei.

    Ich denke das Parteien wie die CDU/CSU und deren Kind AFD schon lange am ”Point of no Return” bezüglich der Cannabispolitik sind und niemals aufhören werden die Sache schlecht zu machen. Und zwar ausschließlich über die Deutungshoheit oder einseitig ausgelegter Fakten, sprich Halbwahrheiten.

    Was ich mir in der Debatte aber wirklich wünschen würde ist, dass die Menschen aufhören die CDU/CSU als unwissend darzustellen und glauben diese belehren zu können. Die sind nicht doof sondern haben ganz einfach andere Interessen.
    Die Drogenpolitik ist Teil eines Kulturkampfes und die Unaufgeklärtheit der Bevölkerung im Bezug auf psychoaktive Substanzen ist die Grundlage damit die Deutungshoheit überhaupt ihre Wirkung erzielen kann. Viele haben keine Erfahrungswerte, die sie falsche Behauptungen, Deutungen und Glaubenssätzen entgegensetzen könnten. Die lassen sich dann praktisch alles erzählen. Im Zweifel auch gegen den Angeklagten. In meinem Umkreis glaubt fast jeder, Alkohol wäre weniger gefährlich als illegale Substanzen. Wer David Nutt ist, wissen die meisten nicht, weil sie sich für das Thema ”Drogen”(Kampfbegriff) nicht interessieren. Warum auch, wenn man selber schon voll auf der harten Droge Alkohol ist, klar braucht man dann nicht noch zusätzlich eine zweite Substanz. Alkohol ist die Default-Droge in Deutschland und das merkt man am Bevölkerung-IQ und den Wahlumfragen.

    Manchmal wollen Politiker etwas populäres machen ohne selbst davon überzeugt zu sein und wissen ganz genau das dieses Vorhaben sowieso nicht umsetzbar ist. Dann bewerben sie ihr Vorhaben dennoch, um Wähler zu fangen und spekulieren dann darauf, dass sie von der Mehrheit im Bundestag blockiert werden. Dann können sie erstens behaupten, sie hätten ja alles versucht und zweitens das Scheitern des Vorhabens auf die anderen Parteien schieben.

    Das Gesetzt von Karl Lauterbauch ist so dermaßen realitätsfern und zeugt von einem Kontrollwahn in den sich Lauterbach schon seit einigen Jahren befindet das ich glaube er hat das Gesetzt bewusst so ”semi-professionell” entworfen damit es praktisch nur scheitern kann. Keiner will dieses Gesetzt. Keiner hat Clubs gefordert und es stand so auch nicht im Koalitionsvertrag. Das ist antidemokratisch. Manchmal müssen wir unser Ziel höher ansetzten damit es zum Durchbruch kommen kann. Eine halbherzige Lösung werden wir teuer bezahlten müssen.

    Die ”Abstandsregelungen” beispielsweise kennen wir aus Corona. Jetzt sollen genau solche Abstandsregelungen beim Cannabiskonsum eingeführt werden. Da merkt man die Handschrift des Epidemiologen. Das Gesetzt ist ”Wahnsinnig” und erzählt mehr über die subjektive Wahrnehmung von Lauterbauch als darüber, wie eine ordentliche Regelung von Cannabis aussehen könnte.

    Echte Legalisierungsfreunde haben sich auch in den USA über die pre-Legalisierung aka medizinische Legalisierung aufgeregt. Das dies nur ein Zwischenschritt war, war damals in den USA nicht offiziell. In Deutschland hingegen wurde klar kommuniziert das dieses Gesetzt nur ein Zwischenschritt ist. Karl Lauterbach glaub, dieses Gesetzt würde zur Akzeptanz in der Bevölkerung führen um dann den zweiten Schritt zur echten Legalisierung gehen zu können. Was er aber verkennt ist, dass schon die medizinische Legalisierung von Cannabis in den USA wesentlich liberaler war als die momentan in Deutschland vorgeschlagene ”Teil-Entkriminalisierung”. Das wird voll nach hinten losgehen, weil wir keine Shops haben.

    Der Schaden wird praktisch gar nicht so hoch sein, alles ist besser als die momentane Regelung, aber der Kulturkampf bläst Kleinigkeiten dermaßen auf, dass es unmöglich ist noch normal, rational und faktenbasiert über das ”Kampfthema” ”Drogen” zu debattieren ohne permanent mit Springerpropaganda und Todschlagargumente geflutet zu werden.

    Wer sich wirklich lange mit dem Thema Drogenpolitik, speziell Originalstoffabgaben für Abhängige oder die möglichen Regelungen des Marktes beschäftigt hat und sich die ganzen Diskussionen mal wieder ins Gedächtnis holt die wir seit Jahrzehnten geführt haben und sich dann dieses Gesetzt ansieht, sich ansieht was von den wissenschaftlichen Erkenntnissen überhaupt dort oben im Elfenbeinturm angekommen ist, dann fällt man doch vom Glauben ab.

    Wir sind wissenschaftlich und technologisch so dermaßen weit und zeitgleich ist ein Großteil der Bevölkerung geistig zurückgeblieben, weil dieser entweder kein Interesse an seiner Umwelt hat oder keinen Zugang zur Bildung findet.

  2. 7500 Personen sollen an einer Studie zu Cannabiskonsum im Kanton Zürich teilnehmen.

    Q.:+https://www.watson.ch/schweiz/zuerich/605182765-kanton-zuerich-groesste-schweizer-cannabis-studie
    vom18.03.2024
    Im Gegensatz zu Deutschland ist die Schweiz eine Demokratie. Die Legalisierung/Kriminalisierung von Cannabis könnte dort auch per Volksabstimmungen geregelt werden [vermute ich mal].

  3. so viel drama und am schluss bekomme icb es doch innerhalb 2h direkt an die tür geliefert, es ist paradox.

  4. Man sieht doch an den Zuständen an der amerikanischen Westküste, dass eine Legalisierung eben nicht funktioniert. Im progressiven Oregon hat man vor kurzem die Drogen wieder kriminalisiert, weil die Zustände unerträglich sind. San Francisco, Portland, LA, Vancouver – das waren früher die schönsten Städte der Welt – und jetzt sind sie Dystopien – alles, weil die Drogenkriminalität nicht mehr bekämpft wurde. Fentanyl wird an jeder Ecke genommen, Menschen sterben auf der Strasse und die Kriminalität und Gewalt nimmt überhand.

  5. @Jonas: (Ent)Kriminalisierung

    Was genau sieht man in Oregon? Cannabis ist von der Re-Kriminalisierung übrigens gar nicht betroffen. Daher zielt Ihr Einwurf schon einmal am Thema vorbei.

    Dass das Elend (z.B. Obdachlosigkeit, Rassismus, Tote durch Überdosierungen) dort groß ist, ganz unabhängig vom rechtlichen Status der “harten Drogen”, zeigt doch gerade, dass es hier eine tiefere soziale Ursache geben muss.

    Der Umgang mit Heroin, also z.B. das Methadonprogramm, wäre ein positives Beispiel gewesen. So etwas kostet natürlich Personal und Geld.

    Jetzt wird man für den Besitz solcher Substanzen bis zu einem halben Jahr ins Gefängnis kommen. Inwiefern löst das ein Problem? Wie hilft das den Betroffenen? Dann verelenden die Menschen eben hinter Gittern.

    Ausnahmen von der Bestrafung sieht das Gesetz vor, wenn jemand eine Therapie macht. Gute Therapien kosten aber auch Geld, die Plätze sind begrenzt – und werden den tendenziell eher privilegierten Bürgern zur Verfügung stehen:

    People with money, connections, or racial privilege will be most likely to get into limited treatment spaces. Black, brown, and low-income people will continue to be jailed at the highest rates. (Guardian)

    Immer profitieren aber diejenigen davon, die Gefängnis- und Therapieplätze anbieten.

    Die Schlussfolgerung scheint also eher zu sein: Wenn die miserablen sozialen Umstände Menschen erst einmal ins Drogenelend geführt haben, löst eine Entkriminalisierung alleine die Probleme nicht. Wer hätte das gedacht?!

  6. Da ja jetzt über diese Protokollerklärung von Herrn Lauterbach nochmal Hoffnung auf nachträgliche Ausweitung der Abstandsregelungen erzeugt wurde, kam mir dazu noch ein Aspekt in den Sinn, über den ich bisher nirgendwo was gelesen habe. Mal ehrlich, wenn heute vormittags in der Nähe einer Schule öffentlich Leute Cannabis konsumieren, sind das dann nicht in ca. 99% der Fälle Schüler dieser Schule? Und wenn nun die Abstände vergrößert werden, kommt es dann nicht zwangsläufig zu mehr Verspätungen, da die große Pause irgendwann nicht mehr ausreicht, um solche Distanzen zu überwinden (Bei solchen Schülern gehe ich davon aus, dass ein größeres Suchtproblem besteht und ein Verzicht eher nicht passieren wird.)? 🤣

  7. @Mimi: Das wäre doch einmal ein Thema für Markus Lanz: “Gefahr zunehmender Verspätungen wegen zu großer Abstandsregeln!” Melden Sie sich beim ZDF.

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