Cannabisfreigabe: Die scheinheiligen Argumente vom Jugendschutz

Wird die Drogenpolitik irgendwann von Vernunft geleitet werden?

Deutschland. Wir schreiben das Jahr 2023. Die rot-grün-gelbe Bundesregierung will endlich ihr Wahlversprechen einlösen und psychoaktive Cannabisprodukte legalisieren.

Geschichte

Fassen wir einmal zusammen: Waren im 19. Jahrhundert die Kolonialmächte noch selbst die größten Drogendealer und führten sie im Zweifelsfall sogar Krieg, um ihre Handelsinteressen durchzusetzen, wandte sich im 20. Jahrhundert das Blatt. Auf einmal sollten Drogen etwas Böses, ja Dämonisches sein. Über mehrere völkerrechtliche Verträge und mithilfe der Vereinten Nationen wurde so, vor allem auf Betreiben der USA, der Grundstein unserer heutigen Verbotspolitik gelegt.

Stichwort Dämonisierung: Als “Höllenkraut” im wörtlichen Sinne verteufelte dieses Beispiel der Anti-Drogen-Kampagne in den USA der 1930er Cannabisprodukte. “Bizarre Orgien, wilde Partys, entfesselte Leidenschaft” wollte man der amerikanischen Öffentlichkeit nicht zumuten. (Abbildung aus Mike Jay, 2010, High Society: Mind-Altering Drugs in History and Culture. Thames & Hudson.)

Praktischerweise konnte man mit solchen Verboten unliebsame Minderheiten unterdrücken: Chinesischen Gastarbeitern gefiel es so gut in Übersee, dass sie nach dem mühsamen Bau der Eisenbahnstrecken dortbleiben wollten? Wegen ihrer Vorliebe fürs Opium, den absurderweise die Briten dem Volk vorher mit Waffengewalt aufgezwungen hatten, konnte man einige von ihnen nun einsperren.

Passenderweise wurde vor allem das bei den Chinesen beliebtere Rauchen des Stoffs als Problem gesehen, weniger die vielen Opiumtinkturen (auch: Opiumwein), die die Apotheker gewinnbringend für allerlei Wehwehchen im Angebot hatten. Dabei war der Wirkstoff derselbe: Opium ist also nicht immer gleich Opium.

Bei Latinos oder Afroamerikanern fand man vielleicht einen Joint in der Tasche. Und Hippies, die es gewagt hatten, für den Frieden zu demonstrieren, nahmen gerne – das von 1938/1943 vom Schweizer Pharmakologen Albert Hofmann (1906-2008) entdeckte – LSD. So wurden aus Bürgerinnen und Bürgern auf einmal Kriminelle, die man einsperren konnte (Mit Drogenpolitik wird Sozial- und Migrationspolitik gemacht).

“Opium wurde damals in den USA vor allem von Chinesen konsumiert. Dagegen richteten sich die Gesetze. Aus heutiger Sicht verwundert die Offenheit, mit der sich das in Gesetzestexten nachvollziehen lässt. Anfangs blieb der Opiumkonsum sogar für die einheimische Bevölkerung noch erlaubt. An diesem Beispiel sieht man, dass die Drogenpolitik sehr vielschichtig sein kann und wichtige Faktoren manchmal eher emotionaler als rationaler Natur sind. In der wissenschaftlichen Literatur wird auch der Standpunkt vertreten, dass sich das Verbot von Cannabis in ähnlicher Weise wie beim Opium vor allem gegen mexikanische Einwanderer und afroamerikanische Bevölkerungsteile richtete. Später haben die Vereinigten Staaten dann auch auf andere Länder Druck ausgeübt, Drogen stärker zu regulieren.”

Jan Fährmann, Experte für Drogengesetzgebung (Mit Drogenpolitik wird Sozial- und Migrationspolitik gemacht)

Gegenwart

Diese Verbotspolitik war – wie schon die Prohibition von Alkohol in den USA (1920-1933) – ein fruchtbarer Boden für die organisierte Kriminalität. In Belgien oder den Niederlanden, wo die Drogenmafia in jüngerer Zeit so manchen Mord begangen hat und zurzeit Sprengstoffanschläge in Wohnhäusern ein beliebtes Mittel zur Einschüchterung von Abtrünnigen sind, kann man ein Lied davon singen. Doch auch Deutschland ist für sie ein attraktiver Markt und der Hamburger Hafen, wie allseits bekannt, ein wichtiger Umschlagplatz.

Da es kein überzeugendes historisches Beispiel dafür gibt, dass eine einmal verbreitete psychoaktive Substanz durch Verbote erfolgreich wieder abgeschafft werden könnte, ist der Alltag für Bürgerinnen und Bürger: Legal oder nicht, sie finden doch Wege zum Mittel ihrer Wahl.

In manchen Großstädten ist die Bestellung per Messenger-App gar so einfach wie die Lieferung einer Pizza. Und auch viele Jugendliche sind nicht auf den Kopf gefallen oder beherrschen das Spiel vielleicht sogar noch besser als die Erwachsenen.

Kurzum, Menschen konsumieren das, was sie konsumieren wollen. Und warum wollen sie konsumieren? Weil für sie das Erzielen eines bestimmten Bewusstseinszustands mithilfe der Mittel von Bedeutung ist (Die Droge als Instrument). Hierfür gibt es psychosoziale Ursachen, deren nähere Diskussion den Rahmen dieses Beitrags sprengt.

“Eine Antwort auf diese Frage ist, dass eine Droge von den meisten Nutzern wie ein Instrument konsumiert wird. Um das zu verstehen, sollte man sich zunächst einmal vor Augen führen, was denn überhaupt ein Instrument ist. Man könnte ein Instrument wie folgt definieren: Es ist etwas, das hilft, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, welches ohne Zuhilfenahme nicht oder nur mit erheblich mehr Aufwand erreichbar wäre. Bei dem Vorhaben beispielsweise, einen Nagel in ein Holzbrett zu schlagen, wäre das ohne weitere Hilfsmittel relativ schwierig, eventuell schmerzhaft oder schlicht nicht möglich. Nutzen wir aber als Instrument einen Hammer, ist das Einschlagen eines Nagels eine relativ einfach zu bewerkstelligende Tätigkeit.”

Prof. Dr. Christian P. Müller, Experte für Suchtmedizin am Universitätsklinikum Erlangen (Die Droge als Instrument)

Nebenbei: Das Blühen der Kriminalität liefert eben diesen Hardlinern, die so laut “Verbot!” rufen, die Rechtfertigung für weiteres hartes Durchgreifen. Wie praktisch, dass der eigentlich offensichtliche Zusammenhang zwischen Verbot und Kriminalität den Denkhorizont vieler Bürgerinnen und Bürger übersteigt. So ergibt sich ein Kreislauf von Verboten, die kriminelles Handeln überhaupt erst lukrativ machen, und dem Wahlversprechen für “Mehr Sicherheit”.

Um jedenfalls einen Teil dieses sinnlosen und sozial schädlichen Räuber-und-Gendarme-Spiels zu beenden, haben viele Staatsanwaltschaften und Gerichte bereits die Strafverfolgung beziehungsweise Verurteilung beim Besitz geringer Mengen eingestellt. Doch Vorsicht, gesetzestreuer Bürger! Einen Rechtsanspruch gibt es darauf nicht. Vermutet hier etwa jemand Willkür?

Jugendschutz

Wenigstens soll diese paradoxale Situation nun für Cannabisprodukte – wahrscheinlich seit Jahrtausenden von Menschen konsumiert – beseitigt werden. Wären da nicht die völker- und europarechtlichen Verträge! Wie absurd, dass die USA, die uns die Verbotspolitik überhaupt erst eingebrockt haben, in vielen Staaten davon abrücken; währenddessen sind wir EU-Europäer noch im Schengenabkommen und seinen drogenpolitischen Konsequenzen verheddert. (Hintergrund: Die Übereinkunft für offene Grenzen setzt Maßnahmen zur Unterbindung des Drogenhandels im Inneren voraus; Internationales Recht: Cannabis-Legalisierung gescheitert?)

Diese ohnehin schon verzwickte Situation wäre vielleicht noch psychisch erträglich (jedenfalls ohne Drogen), würden ihre Urheber nun nicht mit scheinheiligen Argumenten den praktischen Lösungsversuch der Ampelkoalition torpedieren. Gemeint sind natürlich die angeblich christlichen Parteien. Deren Angehörige schreien “Jugendschutz!” Dabei muss man wissen, was Jugendschutz in Deutschland bedeutet: dass beispielsweise Vierzehnjährige im Beisein von Erziehungsberechtigten öffentlich Bier oder Wein trinken dürfen (§9 Jugendschutzgesetz). Na dann mal Prost!

Manche geben sich modern und argumentieren mit der Gehirnentwicklung. Diese sei erst mit 25 abgeschlossen. Vorher sei jeder Joint eine besondere Gefahr. Doch, liebe selbsternannten Neuropäpstinnen und -Päpste, das Gehirn eures Nachwuchses kümmert sich wenig um eure Pseudowissenschaft und entwickelt sich auch nach dem 25. Geburtstag fröhlich weiter (Stichwort: Neuroplastizität).

Gefährlichkeit

Eine Legalisierung von Cannabis wäre unverantwortlich, schwadroniert ihr nun, weil dann immer mehr Jugendliche mit ihren anfälligen Gehirnen kiffen würden. Ja, schaut euch an, was im Nachbarland Niederlande passierte, wo in den 1970ern die Coffeeshops eröffnet wurden. (Nebenbei: Das Erstarken der Drogenkriminalität erklärt man nun gerade damit, dass Cannabis damals nicht vollständig legalisiert wurde.) Der schlagende Beweis für all die geschädigten niederländischen Gehirne ist natürlich nicht nur die komische Aussprache deutscher Worte, sondern insbesondere, dass das Land noch nie Fußballweltmeister geworden ist.

Demgegenüber sind die deutschen Jugendlichen natürlich alle zu blöde, bei zwielichtigen Gestalten in Seitenstraßen, wie wir früher (1994-1996), oder heute einfach bequem im Internet Haschisch zu erwerben. Dank eurer Verbotspolitik werden sie zudem effizient vor der mit Streckmitteln – zum Beispiel Blei, Sand oder Talkum – verunreinigten Droge geschützt. Von verbotenen Pflanzenschutzmitteln und Schimmeln ganz zu schweigen. Und weil es eine effiziente staatliche Kontrolle gibt, gibt es auch keine extremen Schwankungen des Wirkstoffgehalts, die Nebenwirkungen und Drogensucht begünstigen.

Nein, wir sind euch alle so dankbar, die ihr unsere Gesundheit mit Verboten schützt. Natürlich ist es auch nicht so, dass Menschen mit Ausgrenzungserfahrungen oder Traumata häufiger zu Drogen greifen, um ihr Schicksal erträglicher zu machen; und dass darum in Untersuchungen der angeblichen Folgen von Drogenkonsum viele Menschen mit erfahrener Ausgrenzung und Traumata – sowie den weiteren biopsychosozialen Folgen, die damit einhergehen – auftauchen. Eure Logik ist berauschend und überhaupt nicht konfundiert.

Also gebt uns bitte immer mehr Verbote – am Morgen, Mittag und am Abend – und vergesst vor allem nicht, endlich das Sterben zu verbieten! Nur dann werden wir wieder ruhig und ohne Sorgen, also auch ohne pharmazeutische Schlaf- und Schmerzmittel schlafen können. Amen.

P.S. Vernunft

Und wo ich im Untertitel schon von einer “vernunftgeleiteten Drogenpolitik” sprach, will ich noch einige konstruktive Gedanken beisteuern: Natürlich gibt es Gesundheitsrisiken. Schon Paracelsus (1493/94-1541) wusste, dass vor allem die Dosis das Gift macht.

Fakt ist nun einmal, dass Drogen uns in unserer Kulturgeschichte schon sehr lange begleiten, ja Drogenkonsum sogar auch im Tierreich vorkommt. Die psychoaktiven Substanzen wären demnach Teil unserer zweiten Natur. Das ist ein weiterer Grund dafür, warum die Verbotspolitik dem Kampf gegen die Hydra gleicht, der für jeden abgeschlagenen Kopf ein paar neue wachsen.

Das leitende Ziel darf nicht das völlige Verbot sein, sondern muss Gesundheitsschutz heißen. Gerade darum wäre in vielen fällen die staatlich regulierte Abgabe viel sinnvoller. Wir kennen das von der weltweit beliebtesten Droge: Alkohol.

Man wird nicht alle Härtefälle verhindern können; doch dämpfen könnte man sie schon, vor allem mit ehrlicher Aufklärung und aktiver Sozialarbeit. Drogen und ihre Konsumenten aber immer wieder wie den Teufel an die Wand zu malen, hat gegenteilige Effekte: Wenn die Stigmatisierung (soziale Ausgrenzung) zu groß ist, wird gerade keine Hilfe angeboten und in Anspruch genommen. Dann zeigt die Sucht ihr hässlichstes Gesicht – und sterben die meisten Menschen.

Irre ich mich? Sind Sie anderer Meinung? Erklären Sie es dann in den Kommentaren.

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47 Kommentare

  1. Ich bin d’ accord. Ich möchte nur einen Hinweis auf neue psychoaktive Substanzen (NPS) bzw. sogenannte ‘Legal Highs’ machen. Anscheinend wird auf diese als Alternative immer noch zurückgegriffen ob diverser Gesetzeslagen.

  2. @Paul K.: Das mit den “legal Highs” ist doch ein Katz- und Maus-Spiel. Es gibt – oder gab bis vor Kurzem – sogar legale LSD-Varianten. Wer’s will, findest es wohl auch illegal.

    Wie soll man denn Ihrer Meinung nach damit umgehen?

  3. @ Stephan Schleim

    Ich denke, dass sich das Katz- und Maus Spiel mit den “legal Highs” nichts so schnell ändern könnte und diese weiterhin niedrigschwellig und szs. legal erhältlich bleiben. Wenn Cannabis legal erhältlich ist, mindert sich möglicherweise Anreiz und Nachfrage nach synthetischen Cannabinoidformen als “legal Highs”. “Legal Highs” profitieren in der Nachfrage auch von gesetzlichen Verboten der gängigen Drogen. Aufklärung und Prävention sind wahrscheinlich die wirksamsten Mittel. Vielleicht sollten auch Foren und Messenger, in denen “legal Highs” quasi zelebriert werden, wissenschaftlich mehr beachtet werden bzw. bieten sie vielleicht Ansatzpunkte für Aufklärung und Prävention.

  4. Unsere Gehirnfunktionen wurden in den letzten 200000 Jahren sorgfältig optimiert.
    Jede Veränderung dieser Gehirnfunktionen kann nur zu einer Verschlechterung führen.
    Die Steigerung von Teilleistungen oder vom Wohlbefinden ändert daran nichts.
    Natürlich hat jeder das Recht, sich selbst zu schaden.

  5. @Paul K.: Ja, ich sehe das ähnlich – wir können aber auch nicht alles verhindern. Wer z.B. Klebstoff schnüffeln will (auch ein “legal High”) oder aus einer öligen Pfütze trinken oder den nächstbesten Pilz essen, den er im Wald findet, den können wir i.d.R. davon nicht abhalten, jedenfalls nicht langfristig. Die einzige 100% sichere Alternative wäre wohl Isolationshaft in einer Gummizelle (“Freiheit stirbt mit Sicherheit”); das ist für mich keine wünschenswerte Alternative.

    Kurzum, die allermeisten Menschen verhalten sich meist doch recht vernünftig; und für (oder gegen?) den Rest lassen sich auch vernünftige Maßnahmen treffen.

  6. @Bednarik: Gehirn, Evolution & Drogen

    Das ist aber nur eine Seite der Medaille.

    Mit Aufputschmitteln (einschließlich der Tasse Kaffee) lässt sich Wachheit zumindest verteilen; d.h., man ist, in Maßen, einen Moment lang wacher, dafür dann vielleicht einen Moment später müder (dann greifen viele freilich zur nächsten Tasse oder Stärkerem usw.).

    Und für Psychedelika, die wirklich andere Wahrnehmungen ermöglichen, geht Ihre Rechnung nicht auf; wobei der “Nutzen” solcher Erfahrungen ein Thema für sich ist. Dazu demnächst einmal mehr aus persönlicher Erfahrung.

  7. Was bleibt denn den Cannabis Konsumenten anderes übrig als sich ihr Weed auf der Straße zu kaufen und damit Gerahr zu laufen verunreinigtes zu bekommen? Das ist doch die Duldung eines viel größeren Gefahr. Ich frage mich, warum in Holland Cofee Shops erlaubt sind, es aber in Deutschland unmöglich ist, in lizenzierten Geschäften, den Verkauf von sauberem Cannabis zu ermöglichen?

  8. Macht ist auch eine Droge, und jedes aufgehobene Verbot setzt die Politik auf Entzug. Sachlich sinnlose Verbote haben durchaus ihren Sinn und Zweck, als Machtdemonstration: Ich kann dir den Spaß verderben, ohne jeden Grund, als dass ich gerade Bock dazu habe, und du kannst überhaupt nichts dagegen tun. Ich bin Gott, du bist ein Wurm. Das gilt aber auch für Gläubige bestimmter Politsekten, euphemistisch als Stammwähler bestimmter Parteien bezeichnet: Wenn ihre Religion ein Verbot als Gebot verhängt hat, gefährdet der Sieg der Ketzerei die Theokratie, die Ungläubigen überrennen die Heilige Stadt. Religion ist immer, und sie funktioniert auch immer gleich. Ganz egal, unter welchem Namen sie gehandelt wird. Und weil es dem lieben Gott herzlich egal ist, welche Religion wir haben, muss jede davon den Einzig Wahren Blitze aus dem heiteren Himmel selbst regnen lassen, um ihre Einzige Wahrheit zu beweisen.

    Saufen ist legal, Kiffen verboten – Kiffen wird legal, wenn die Mehrheit es macht. Hier sehen Sie, dass auch die Demokratie allzu gern in eine Tyrannei der Mehrheiten ausartet, die sich selbst jeden Spaß gönnen, aber Minderheiten und Schwachen jeden verbieten. Politische Debatten zu führen, ohne den Machtfaktor und seine Eigenheiten zu berücksichtigen, ist, wie eine Debatte über Cannabis zu führen, bei der alle so tun, als würde so was wie Cannabis gar nicht existieren.

    CSUCDU fhtagn verbietet, weil sie es kann. Die Grünen legalisieren, weil sie es können. Jeder setzt seinen Glauben durch. Ob’s Sinn macht oder nicht. Dass da jeder saufen oder kiffen muss, um eine solche Welt zu ertragen, unabhängig der politischen Couleur, versteht sich von selbst. Und gerade, weil Drogen fast so wichtig sind wie Wasser und Luft und das täglich Brot, ist die Macht über sie wichtig für den Machtgewinn.

  9. @Mirabelle: Ja, durch das Verbot steigt das Risiko für die Verschmutzung mit Giften, Schwermetallen, Krankheitserregern und so weiter; das den Bürgerinnen und Bürgern auch noch als “Gesundheitsschutz” zu verkaufen, grenzt schon ziemlich an Ironie, wenn nicht gar Selbstbetrug.

    Ich will gar nicht wissen, was wir uns früher, als Heranwachsende, in die Lunge inhalieren mussten.

  10. @Paul S: Die Rechtfertigung des Verbots…

    …ist ein Problem für sich. Je länger ich darüber nachdenke, desto größer wird mein Widerstand. Das lässt sich wohl auch in meinen Texten zum Thema über die Jahre nachvollziehen.

    Man wird hier wahrscheinlich über die Suchtgefahr argumentieren müssen; allerdings wird selbst bei harten Drogen nur eine Minderheit abhängig (über die wissenschaftlichen Details hierzu gerne ein anderes Mal mehr). Aber diejenigen mit der größten Suchtgefahr – wegen ihres biopsychosozialen Profils – werden wohl auch diejenigen sein mit der größten Motivation, die Verbote zu umgehen.

    Es geht hier vor allem um Moral. Früher waren z.B. auch die Masturbation und andere sexuelle Praktiken verboten, die heute als völlig normal angesehen werden. Den Verstoß sah “Gott” immer. Zur Vergebung der Sünde musste man sich einer Machtinstitution unterwerfen.

  11. was mich interessieren würde, ist, wie weit dieses vorgehen mit den bestehenden Konsequenzen geplant war. nixon und reagan, kinder der prohibition, drogenkriege ausfechtend wie das englische empire, das kreieren von narko staaten während man sich selbst als Schutz und Ordnung inszeniert.
    Oder ob es sich um systemische zsmhänge handelt, die immer dann wenn zu viel Ordnung die Balance zerstört, sich etablieren, unabhängig davon was die Ordnung etabliert.

    es zeigt aber auch die egozentriertheit der menschen, “ich kann ja damit umgehen, aber die da unten… die sind so dumm die schütze ich ja wenn ich nein zu ihnen sage”.
    oder wie wenig menschen sich gegenseitig verstehen, während sie sich so verdammt ähnlich sind.

  12. @Markus Scherzkeks: Strategie & Kontrolle

    Drogenkriege wurden im 19. und 20. Jahrhundert aber mit umgekehrtem Vorzeichen geführt! Man sieht, wenn man der Bevölkerung weismacht, Drogen seien dämonisch, dann kann man damit sogar Militärinterventionen rechtfertigen. Dabei ist kein Geheimnis, dass die USA neben sich selbst keine andere Großmacht auf dem Kontinent (am liebsten: in der Welt) wollen.

    Soziale Stigmatisierung ist ein Mittel zur sozialen Kontrolle: Wenn sich dann einmal jemand unerwünscht verhält, findet man vielleicht ein Tütchen Kokain oder eine sexuelle Affäre oder Vorliebe, die nicht so ins allgemeine Bild passen, oder oder oder. Noch in den 1980er-Jahren konnte in Deutschland ein Vier-Sterne-General mit dem (wohl falschen) Vorwurf der Homosexualität zumindest vorübergehend kaltgestellt werden; Hitler und die Seinen hatten so ja die SA (Röhm & Co.) gleichgeschaltet. Vergessen wir auch nicht, dass mit und nach der Prohibition die Zwangssterilisierung sogenannter “Alkoholkranker” in vielen Gesellschaften für normal gehalten wurde – immerhin seien sie Erbkrank, wie einflussreiche Wissenschaftler behaupteten, auch wenn sie wohl eher psychosozial benachteiligt gewesen waren und das mit dem Suff kompensieren wollten.

  13. Stephan Schleim
    14.04.2023, 08:09 Uhr

    Und für Psychedelika, die wirklich andere Wahrnehmungen ermöglichen, geht Ihre Rechnung nicht auf; wobei der “Nutzen” solcher Erfahrungen ein Thema für sich ist.

    Definiere “Wahrnehmung” …
    Worin liegt der Sinn, mittels überhöhter Zufuhr von Neurotransmittern ( technisch gesehen ) übersteuerte Funktionen in der Datenverarbeitung auszulösen? Die Umwelt ändert sich kein Jota, nur die Repräsentation der Umwelt wird verformt.

  14. Eine Wiederholung zum Gesundheitsthema:
    Das Rauchen von Cannabis oder von Tabak ist mit
    Sicherheit schädlicher als das Essen oder Trinken davon.
    Noch weniger schädlich wären Tabletten mit kontrollierten
    Mengen der Reinsubstanzen.
    Natürlich können auch die Reinsubstanzen schädliche Wirkungen haben.

  15. Mir macht das Angst mit der Cannabisfreigabe. Wir haben hier im Haus eine Drogenabhängige Polizeibeamtin. Und mehrere Starkraucher von Zigaretten. Das macht was mit den gesundheits-bewußten Nachbarn! Ich (Asthmatikerin und Lungenemphysem), zudem Nichtraucherin, 2 Zigaretten als 14jährige geraucht, hatte im Dezember 2023 nur noch 52%. Sauerstoff im Blut und überhöhtes Kohlendioxid. Zudem Lähmungserscheinungen im Rachen, wenn wieder einmal Drogengeruch in meine Wohnung zog.

  16. @Hilgerdenaar: Substanzkonsum

    Wie “Abhängig” Ihre Nachbarin wirklich ist, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen – und sollte man ohnehin nicht einfach so sagen. Dafür gibt es medizinische Tests.

    Wenn Sie so stark auf den Geruch allein reagieren, klingt das für mich eher nach einer psychischen (Abwehr-) Reaktion; an ein paar Molekülen Tabakrauch ist meines Wissens noch niemand erstickt.

    Ich habe hier im Haus (3. Stock) auch jemanden, der im 1. Stock auf dem Balkon raucht. Angenehm finde ich das nicht. Aber deswegen rufe ich nicht gleich nach der Polizei. (Und eigentlich unnötig anzumerken: Wenn es eine Polizistin ist, die “kifft”, dann sagt das doch auch etwas Deutliches über die Effektivität der Verbotspolitik.)

  17. @Hauptartikel

    Kann uns der Staat nicht einfach in Ruhe lassen? Rauchen ist extrem teuer, Alkohol auch nicht billig, und illegale Drogen nicht nur auch teuer, sondern auch noch unkontrollierbar mit unbekanntem Inhalt gemischt.

    Ich kenne einige Heroinabhängige, und die träumen einfach nur noch davon, endlich ihre Ruhe zu haben, und sich bezahlbares sauberes Zeug leisten zu können. Die meisten könnten sogar arbeiten, wenn sie vernünftig mit ihrer Droge versorgt wären.

    Für wen macht man das alles? Für die Menschen offenbar nicht.

    Das einzige was billig ist, ist wohl Klebstoff schnüffeln. Nicht das jetzt Klebstoff auch noch entdeckt wird, und die Tube auf einmal 200 Euro kostet. Dann wird Kleben aber teuer.

    Zu meiner Zeit war in der Schule das Thema legale und illegale Drogen fast nie Thema. Niemand hat mir gesagt, das Tabak schon nach einer Zigarette hoffnungslos abhängig macht. Das musste ich dann selber herausfinden, dann war es leider zu spät. Wenn man hier mal ansetzen würde, da käme wirklich was bei herum, insbesondere für den Jugendschutz.

    Die Vor- und Nachteile der verschiedensten Drogen nachhaltig unter die Leute zu bringen, bevor Abhängigkeiten entstehen, dass würde wirklich helfen. So ist ja z.B. Kaffee überwiegend unproblematisch, Alkohol wird auch reichlich nur in Maßen konsumiert und gerade bei Cannabis gibt es viele Nutzer, die nur selten mal was rauchen, und überhaupt nicht wirklich süchtig sind. LSD ist auch noch ein Kandidat, der überhaupt nicht süchtig macht.

    Und was macht man mit Nikotinabhängigen, die erfolgreich auf die vergleichsweise unschädlichen Dampfer umgestiegen sind? Da hat die Ampelkoalition es endlich geschafft, die auch noch finanziell zu ruinieren. Vollkommen sinnfrei, einfach nur zum abkassieren, auch wenn jetzt viele wieder auf richtigen Tabak umsteigen, weil man mit Dampfen jetzt kein Geld mehr sparen kann. Und Tabakwerbung gibts immer noch.

    Und das Widerlichste an der ganzen Geschichte ist, dass man überwiegend sozial Schwache damit trifft, die sowieso schon eher knapp bei Kasse sind, und auch sonst nicht ganz soviel vom Gutem im Leben abbekommen. Da kann es fast ein Trost sein, dass sich eine Gesellschaft, die so mit ihren Mitgliedern umgeht, es auch nicht schafft, ohne Krieg auszukommen.

  18. Stephan Schleim
    14.04.2023, 20:14 Uhr

    Psychedelika

    Ach, Selbstwahrnehmung ist also keine “Datenverarbeitung”?
    Es bleibt doch immer nur, dass sich an der Situation selbst nichts ändert, nur an der Art der Wahrnehmung=Datenverarbeitung im Gehirn.

  19. Frau Hilgerdenaar hat völlig richtig auf das Gesundheitsrisiko
    der unbeteiligten und unfreiwilligen Mitraucher hingewiesen.
    Deutsche Wikipedia: Passivrauchen.
    Zugabe: Der Rauch von den ach so umweltfreundlichen Holzheizungen
    zieht leider ebenfalls ätzend durch meine Wohnung. Hust.
    Deutsche Wikipedia: Feinstaub.

  20. @P.S. Hilgerdenaar: Polizistin

    Und bevor man Mitmenschen als Drogenabhängige oder Junkies verunglimpft, könnte man einmal darüber nachdenken, ob deren Leben andere Start- und Rahmenbedingungen hat als das eigene.

    In meinem Bekanntenkreis habe ich einige Polizistinnen kennengelernt, die mir aus ihrem Alltag berichteten: wie man beispielsweise bei Unfall- und Gewaltszenen Körperteile einsammeln muss, wenn es sich nicht gleich um ganze Leichen handelt; Wut, Aggression, Beleidigungen; und als Staatsdiener wird von einem Perfektion erwartet und darf man keine Fehler machen.

    Wenn dann jemand mit einem Feierabendjoint zur Ruhe kommen will, kann ich das dem-/derjenigen nicht verdenken. Ich würde es selbst z.B. bei Schlafproblemen erst einmal mit natürlichem und sauberem Haschisch aus dem Coffeeshop probieren als mit der wirklich süchtig machenden Chemie aus der Apotheke, die über die Abwässer zudem die Umwelt vergiftet. (Womit ich nicht bestreite, dass es nützliche und wichtige Medikamente gibt, wie Antibiotika, Impfungen usw.)

  21. @Maier: “Ach, Selbstwahrnehmung ist also keine “Datenverarbeitung”?”

    Nein?!

    Haben Sie vergessen, dass man solche Metapher eingeführt hat, weil man die natürlichen Vorgänge nicht besser beschreiben konnte…

    …jetzt sehen Sie nur noch die Metapher.

  22. Man benötigt keine Chemie aus der Apotheke, denn dort
    bekommt man zahlreiche saubere Cannabis-Präparate.
    Deutsche Wikipedia: Cannabis und Cannabinoide als Arzneimittel.

  23. Stephan Schleim
    16.04.2023, 07:26 Uhr

    Nein?!

    Worte …
    Wenn ich mir einen Film aus den 1929er Jahren anschaue, mache ich zwar eine “Zeitreise”, aber ich mache eben keine Zeitreise.
    Und selbst wenn ich diese “Zeitreise” mache, ändert das nicht an der Vergangenheit und ( vermutlich in Ihrem und meinem Fall ) auch nichts an der Gegenwart.
    Selbst, wenn ich versuchte, mich in jene Zeit zurück zu versetzen, könnte ich das nur auf der Basis meine aktuellen Da-Seins, es bleibt also alles nur Simulation oder Spekulation.
    Und so sehe ich das auch beim “Wirken” von extern zugeführten Neurotransmittern.

  24. @Maier: DV

    Suchen Sie doch einfach mal in einem Wörterbuch nach einer Bedeutung von Datum/Daten, die zu dem passt, was Sie hier ausdrücken wollen.

    Van verwendete solche Begriffe (wie Datenverarbeitung, Information, Code) aus der Nachrichtentechnik/Kybernetik/Informatik metaphorisch, um die Arbeitsweise des Nervensystems zu beschreiben – und nicht anders herum.

    Und jetzt halten Sie sich doch bitte ans Thema.

  25. @Karl Maier

    “Worin liegt der Sinn, mittels überhöhter Zufuhr von Neurotransmittern ( technisch gesehen ) übersteuerte Funktionen in der Datenverarbeitung auszulösen? Die Umwelt ändert sich kein Jota, nur die Repräsentation der Umwelt wird verformt.”

    Die Fragestellung ist schon tendenziös. Wenn man sturzbetrunken ist und doppelt sieht oder “Karussell” fährt, dann ist definitiv die Wahrnehmung durch die Substanz beeinträchtigt und verformt. Aber es gibt auch einen Bereich, in dem sich die Wahrnehmung nur etwas “verschiebt”. Ihr Gehirn oder Ihre Psyche filtert unablässig vermeintlich unwichtige Informationen aus der Realität heraus, ohne dass Sie es merken. Das ist nötig, damit es nicht zur Reizüberflutung kommt. Wenn Sie durch eine Substanz diese Filter etwas verändern, ändert sich dadurch selbstverständlich nicht die Realität um Sie herum, aber der Teil der Realität, den Sie bewusst wahrnehmen. D.h. Sie nehmen weiterhin nur das wahr, was auch tatsächlich vorhanden ist, aber eben mit Nuancen, die Ihnen normalerweise verborgen bleiben. Das ist der Grund, warum Alkohol, Cannabis und andere Drogen bei Künstlern und Kreativen so beliebt sind.

    Um mal ein ganz blödes, aber möglichst alltägliches Beispiel zu nennen, wie solche Filter funktionieren: Sie können normalerweise Ihren Mund- und Körpergeruch nicht wahrnehmen, weil Ihr Gehirn diese Wahrnehmung ausblendet. Dieser Geruch umgibt Sie ständig und selbstverständlich nehmen Sie ihn unterbewusst auch sensorisch wahr, aber er wird von Ihrem Gehirn sozusagen als “Standard” gesetzt und Sie riechen bewusst nur noch Abweichungen von diesem Standard. So weit so gut – und es hat ja auch einen Sinn, siehe Reizüberflutung. Trotzdem könnte es doch für Sie persönlich sehr aufschlussreich sein, Ihren Mundgeruch auch mal selbst zu riechen, oder nicht?

  26. Stephan Schleim
    16.04.2023, 16:05 Uhr

    Und jetzt halten Sie sich doch bitte ans Thema

    Der kulturelle Erbgang beim homo sapiens sapiens hat den Vorteil, dass sich Wissen anhäuft. Das sollte aber nicht daran hindern, von Zeit zu Zeit auch die Autoritäten ( positive wie negative ) in Frage zu stellen, angesichts neuer Zeiten und neuer Erkenntnisse zu überprüfen.
    Es ist zwar einfacher, einen Guru als Beweis für eine eigene Aussage zu zitieren als eigene Gedanken ( gegen den Mainstream womöglich ) zu vertreten, ich habe aber in einigen Fällen durchaus ( technisch ) Erfolg damit gehabt, den “alternativlosen” Vorgaben nicht bedenkenlos zu folgen. Und ich werde mich auch in Zukunft weigern, irgendwelchen Dingen metaphysische Mäntelchen umzuhängen anstatt zu sagen “weiß ich ( noch ) nicht”. Daher bezeichne ich auch weiterhin die Vorgänge im menschlichen Gehirn als “Datenverarbeitung”.

  27. Frank
    16.04.2023, 16:59 Uhr

    wie solche Filter funktionieren

    Das haben David Dunning und Justin Kruger im Jahr 1999 auch schon festgestellt …

  28. Zu den Wahrnehmungs-Filtern:
    Das Rauchen der Friedenspfeife verhindert, dass man
    den störenden Geruch anderer Personen wahrnimmt.
    Alkohol verhindert, dass man störende Eigenschaften
    von anderen Personen wahrnimmt.

  29. @Karl Maier – “Und ich werde mich auch in Zukunft weigern, irgendwelchen Dingen metaphysische Mäntelchen umzuhängen anstatt zu sagen “weiß ich ( noch ) nicht”. Daher bezeichne ich auch weiterhin die Vorgänge im menschlichen Gehirn als “Datenverarbeitung”.
    Das ist ja auch vollkommen in Ordnung.

    Allerdings können Drogen tatsächlich die Datenverarbeitung auf eine Weise verändern, dass es zu einer Änderung der Lebensumstände kommt: Wenn nämlich “Glaubenssätze” erkannt werden und danach geändert. Weil sie z.B. bewusst nicht mehr aufrecht gehalten werden können.

    Einen Depressiven von außen darauf hinzuweisen, wie egozentrisch seine Gefühle sind ist schlicht grausam und uneffektiv, egal, wie “wahr” diese Feststellung sein möge.
    Erkennt er allerdings selber, wie sehr er sich zum “Zentrum seines Erlebens” macht, kann sich dies auch positiv werten lassen; als Ansatz, sich selbst wahr- und damit “ernst” – oder vielleicht sogar “leichter” zu nehmen.

  30. Jemand könnte dann aber auch erkennen,
    dass das Leben auf reinem Zufall beruht,
    dass das Leben objektiv sinnlos ist,
    dass das Leben immer mit dem Tod endet,
    dass das Leben dem Universum völlig gleichgültig ist,
    und sich darüber nicht sehr freuen.

  31. @Karl Bednarik – “und sich darüber nicht sehr freuen.”
    Ui, auf die Idee, unsere Drogenpolitik als “aktive Suizidprophylaxe” zu sehen wär ich jetzt nicht gekommen.

    Aber du stimmst mir doch sicher darin zu, dass alles oben genannte sowieso so ist, auch ganz ohne Drogen, oder?

    Ich persönlich ziehe es vor an Weltschmerz zu leiden als darunter, dass Kompensation mich nicht glücklich macht.
    ————————-
    @Karl Maier – “Definiere “Wahrnehmung” …
    Die Umwelt ändert sich kein Jota, nur die Repräsentation der Umwelt wird verformt”

    Es ist doch vollkommen egal, ob sich die Umwelt geändert hat, wenn sich das diese Umwelt wahrnehmende Organ ändert, sprich, ein anderes Programm auf der Festplatte installiert wurde.
    Vom Subjekt (oder dem datenverarbeitenden Objekt), wird eine andere Welt wahrgenommen als vorher.

    Ich versteh deinen Punkt nicht; gerade wenn man das Hirn als datenverarbeitendes Organ sieht muss einem das doch einleuchten. (Wo ist der Denkfehler?)

    “Glaubenssätze” mittels Therapie, bzw. Beziehungen zu ändern, also “zu Fuß”, ist doch deutlich schwerer, weil “Beziehungsarbeit” (so nennt sich das in der Therapie) die nötige “Programmiersprache” ja nur intuitiv erfasst.
    —————–
    Das möge nicht als “Plädoyer für Drogen” gelesen werden. Ich gehe seit Jahrzehnten mit dem Spruch “die Dosis macht das Gift” – und für mich bedeutet das schon immer, dass Substanzen, die “gut wirken”, also als Heilmittel eingesetzt werden können, dann automatisch umso schneller als Gift wirken.
    Je stärker etwas wirkt, desto größer die Verantwortung, das nötige Maß an Kontrolle. (Wenn es also um “heilen” geht, steh ich mehr auf “so wenig wie möglich und so viel wie nötig”.)

    @Karl Maier – Danke, ich hab ja nie “Einsicht” als eine Art menschliche Programmiersprache gesehen, aber durch deinen Einwand hat sich das gerade geändert.

    Aber eine geänderte Selbstwahrnehmung ist natürlich – für den Menschen als subjektives Objekt – mit einer “anderen Welt” gleichzusetzen.
    Würdest du behaupten, in der gleichen Welt zu leben wie ich? Nicht ernsthaft, oder?
    (In derselben, aber wir sehen sie ja unterschiedlich, obwohl sie “gleich” ist.)

    “nicht daran hindern, von Zeit zu Zeit auch die Autoritäten ( positive wie negative ) in Frage zu stellen”
    Noch ein anderes Bild: die Einnahme von Drogen führt dazu, die “eigene Autorität”, also sich selbst, in Frage stellen zu können (rsp. müssen, was in meinen Augen der fragwürdige Teil ist.)
    Denn der Mensch ist ja tatsächlich eben kein Computer – eine alte Einsicht als “falsch” einstufen zu können ist nur ein erster Schritt – welche Qualität das “neue Programm” hat, steht in den Sternen (bzw. ist von anderen “Beziehungen” abhängig.)

  32. @Bednarik 11:23

    „Jemand könnte dann aber auch erkennen, dass das Leben auf reinem Zufall beruht,“

    Oder erkennen, dass der Zufall genial sein kann,

    „dass das Leben objektiv sinnlos ist,“

    dass das Leben sich nur innerhalb von Sinn bewegt,

    „dass das Leben immer mit dem Tod endet,“

    dass das persönliche Geistesleben sich mit dem Tod im kosmischem Geist wieder auflöst, anstatt einfach zu verschwinden,

    „dass das Leben dem Universum völlig gleichgültig ist,“

    dass das ganze Universum nur für das Leben geschaffen ist,

    „und sich darüber nicht sehr freuen.“

    und sich darüber auch dann noch freuen, wenn aufgrund negativer Einstellungen hier vorübergehend alles den Bach runter geht.

    Nein, wenn hier Drogen dabei helfen können, die Geisteswelten zu sehen, und wie man eben nicht verlassen in allgemeiner Sinnlosigkeit verharren muss, dann ist auch das einen Versuch wert.

    Und wenn Wissenschaft einerseits es ermöglicht, auf diesem Planeten so zu leben, dass hier das Leben weitergehen kann, und andererseits Wissenschaft aber auch den Menschen ihr eigenes Geistesleben lässt. Auch wenn Wissenschaft derzeit (noch) nicht in der Lage zu sein scheint, selbst die Geisteswelten zu erkennen.

  33. @Bednarik: Realitätsschock?!

    Das ist nun einmal die conditio humana, seit hunderttausenden von Jahren. Vielleicht sollte man das einmal wieder mehr ins Bewusstsein der Leute rücken, damit sie ihre Zeit nicht so vertrödeln.

    Ein Schelm, wer denkt, dass die Mehrheitsgesellschaft rein zufällig zu viel Bewusstseinserweiterung verbietet.

  34. Viktualia
    17.04.2023, 09:33 Uhr
    Viktualia
    17.04.2023, 12:55 Uhr

    Aus meiner Sicht vermengen wir zu oft Sachverhalte, die nichts miteinander zu tun haben.

    Um einen “Blick auf mich selbst” zu werfen gäbe es, ohne irgendwelche Ingredienzien einzuwerfen, genügend Meditationsverfahren, aber das ist mühsam, man braucht einen Lehrer=Meister und man muss sehr viel und manchmal lange üben, um den “Geist zu leeren”, aber es gibt ja auch den Spott, dass “jede Tugend erlernbar” sei, “wenn man sie nur lange genug heuchelt”.

    Mittels Chemie ( im weitestens Sinne ) geht das schneller und ohne viele Mühe, was den Erfolg angeht, mögen Zweifel angebracht sein. Ein Glas Wein mag entspannend wirken, eine Flasche Schnaps eher weniger.

    Ein guter Teil der eingeworfenen “Chemie” dient aber wohl weniger der Selbsterkenntnis als vielmehr dem Vergessen machen der manchmal elenden Umstände des täglichen Lebens, aber dadurch wird es auch nicht ( real ) besser.

    Dazu kommt ein weiterer Punkt, dass wir nämlich den Mitteln aus entfernten Regionen der Welt mehr Wirksamkeit zuschreiben als den naheliegenden, was die Wirkung von Pflanzen angeht, so braucht man im Grund nur einen Blick in die gängigen Kräuterbücher zu werfen, alles, was dort als “beruhigend”, “entspannend” und “krampflösend” notiert ist, wirkt ( mehr oder weniger ) und wächst um die Ecke.

    Dazu können sicher auch Gesänge ( gregorianische Choräle, Marschlieder ), Tänze ( Sufi, … ) und Musik/Trommeln mehr oder weniger meditative Wirkung entfalten.

    Nur, was nützt mir im Grunde die Erkenntnis der Lösung aller Probleme dieser Welt, wenn am nächsten Morgen um 04:30 der Wecker klingelt und um 06:00 die Schicht beginnt?

  35. @Karl Maier – Aus meiner Sicht vermengen wir zu oft Sachverhalte, die nichts miteinander zu tun haben.
    Mit Verlaub, warum hast du denn dann Alkohol und Pilze vermischt?
    Oder warum sind deine datenverarbeitenden Geschöpfe plötzlich so inaktiv?

    Kamille, Baldrian und Melisse mit Pilzen, Hanf und Alkohol zu vergleichen passt auch nicht wirklich zu deinem Eingangssatz. (Es ignoriert auch “Ethnobotanik”; es hat Gründe, warum in weniger gemäßigten Klimazonen Pflanzen mit stärkeren Wirkstoffen existieren. Das reißen auch “Tollkirschen” nicht raus.)

    “Nur, was nützt mir im Grunde die Erkenntnis der Lösung aller Probleme dieser Welt, wenn am nächsten Morgen um 04:30 der Wecker klingelt und um 06:00 die Schicht beginnt?”
    Das ist doch ein Klassiker, anzunehmen, dass die Einnahme bewusstseinserweiternder Drogen dazu führt, dass man sich seinem Arbeitgeber nicht mehr so willig hingibt und der Staat sie darum verbietet.

    Wer seine eigenen Daten verarbeiten kann, kann auch mit weniger Geld gut leben.

    “aber es gibt ja auch den Spott, dass “jede Tugend erlernbar” sei, “wenn man sie nur lange genug heuchelt”. Was denkst du wohl, warum man bei der “Meditation” einen Meister braucht? (Man braucht ja eigentlich nur einen Volkshochschulkurs, aber ich schätze, du wolltest auf “Achtsamkeit” hinaus, also eine evidenzbasierte Methode, oder DBT https://de.wikipedia.org/wiki/Dialektisch-Behaviorale_Therapie)

    Wegen der “Autorität”. Darum habe ich ja schon angesprochen, dass wir (als datenverarbeitende Geschöpfe), das zwar theoretisch selber können, aber nicht automatisch wollen.

    Bewusstseinserweiternde Drogen haben nun mal an sich, die Illusion, man könne auch als erwachsener Mensch seine Verantwortung an eine “höhere Instanz” abgeben, zu schwächen. Also an eine Vaterfigur, wie den lieben Gott, den Kaiser oder den Chef.
    Was immer passiert ist individuell, aber es wird doch genau an dieser Schraube gedreht, denn man erlebt sich selbst als die Mitte des eigenen Universums. Was “der Realität” (zumindest unserer Datenverarbeitung) näher kommt als unsere unreflektierten Vorstellungen von Verantwortung und “Autorität”.
    ————————-
    (P.S.: “Marschlieder“? Zur Meditation? Bei Tango wär ich ja noch mitgekommen, aber da stürzen meine Programme ab.)

  36. @Maier, Viktualia: Meditation vs. “Chemie”

    Es gibt hunderte von Meditationstechniken – und selbst wenn man eine passende gefunden hat, braucht man dafür viel Geduld, vielleicht Jahre bis Jahrzehnte.

    Z.B. Pilze – oder man denke auch an das Ayahuasca-Gebräu – als “Chemie” zu bezeichnen, entspricht nicht dem üblichen Sprachgebrauch.

    Auch Psychedelika sind meiner Meinung nach kein Wundermittel. Dazu hatte ich gerade eine Online-Vorlesung und Artikel. Es gibt inzwischen aber zahlreiche Berichte über bedeutende Einsichten, die Menschen im Leben weitergeholfen haben. Warum soll man die Suche von Menschen nach einem besseren Leben kriminalisieren oder stigmatisieren?

    Ich denke, dass weder Psychedelika Meditation ersetzen können, noch umgekehrt. In der liberalen Konsumgesellschaft räumen wir den (erwachsenen) Menschen aber doch die Freiheit ein, dass sie für sich selbst die besten Entscheidungen treffen können; das ist gewissermaßen der Grundpfeiler des politischen Liberalismus. Warum soll dieses Grundprinzip bei Psychedelika auf einmal nicht mehr gelten?

  37. @Stephan Schleim – Warum soll dieses Grundprinzip bei Psychedelika auf einmal nicht mehr gelten?

    Ich kann es mir jetzt nicht verkneifen, eine Antwort aus dem schlichten Tausch der Fettung zu kreieren:
    “In der liberalen Konsumgesellschaft räumen wir den (erwachsenen) Menschen aber doch die Freiheit ein, dass sie für sich selbst die besten Entscheidungen treffen können; das ist gewissermaßen der Grundpfeiler des politischen Liberalismus.”

    Weil wir uns für “die Konsumgüter” und nicht “für Freiheit von Kompensation” entscheiden können sollen.

    Der “politische Liberalismus” hat sich nach dem zweiten Weltkrieg für das Wirtschaftswunder entschieden, die “Banalität des Bösen” blieb unbearbeitet. Zumindest in meinen Augen.

  38. Stephan Schleim
    18.04.2023, 09:32 Uhr

    entspricht nicht dem üblichen Sprachgebrauch

    Ich verwende öfter Begriffe/Worte nicht im üblichen Sprachgebrauch, auch das ist eine Methode, die zu neuen Erkenntnissen führen kann.

    Um hier mal etwas extremer zu argumentrieren:
    In der Vergangenheit wurde das Verbot von und die Strafverfolgung des Drogen”konsums” mit ~ 1000 Drogentoten/a begründet. Im gleichen Zeitabschnitt hatten wir mehrere 1000 Tote im Straßenverkehr zu beklagen …
    Ein Messer ist auch ein “dual use”-Artikel, viele nutzen es, um Möhren zu schnippeln …
    Ich wende mich hier ( und nicht nur hier ) nur gegen allzu legere “Begründungen”, wir sollten da doch deutlicher differenzieren.

  39. Viktualia
    18.04.2023, 08:32 Uhr

    Marschlieder
    Ich schließe mal kühn aus Ihrem Nick, dass Sie noch nie die segensreiche Wirkung von Marschliedern bei eintönigen langen Märschen verspürt haben. Es bildet sich eine Art “Trance” aus und die Zeit vergeht “wie im Flug” – und schon ist man da.

  40. Karl Maier
    18.04.2023, 18:36 Uhr
    Viktualia
    18.04.2023, 08:32 Uhr

    Nachtrag
    “Marschlieder” sind vielleicht etwas entfernt von den üblichen Vorstellungen.
    Wie wäre es mit “Arbeitslieder”, denen der Sklaven auf den Baumwollfeldern oder denen, die von den treidelnden Menschen Gesungen wurden ( siehe “Wolgaschlepper” ) …

  41. @Karl Maier – na, da sind wir aber gleich bei “Musik als Droge” – und es schließt sich der Kreis. Oder?

    Natürlich sind “Rhythmen” psychoaktiv, ich wäre die letzte, dies zu bestreiten.
    (Obwohl sie richtig erkannt haben, dass ich eher der “16 Tons” Typ bin.)

  42. Die Diskussion um die Freigabe von Cannabis wird oft von scheinheiligen Argumenten zum Jugendschutz begleitet. Gegner der Cannabisfreigabe behaupten, dass eine Legalisierung zu einem Anstieg des Cannabisgebrauchs unter Jugendlichen führen würde. Diese Argumentation ist jedoch unehrlich und inkonsequent.

    Erstens ist der Zugang zu Cannabis für Jugendliche bereits heute relativ einfach, da der illegale Markt keine Altersbeschränkungen hat. Eine Regulierung und Kontrolle durch den Staat könnte tatsächlich zu einer effektiveren Begrenzung des Zugangs für Jugendliche führen. Dazu könnten beispielsweise Altersbeschränkungen beim Verkauf und strenge Kontrollen bei lizenzierten Verkaufsstellen gehören.

    Zweitens werden Alkohol und Tabak, zwei legale und gesellschaftlich akzeptierte Substanzen, ebenfalls von Jugendlichen konsumiert, obwohl ihr Verkauf an Minderjährige verboten ist. Diejenigen, die gegen die Cannabisfreigabe argumentieren, müssen erklären, warum sie diese Doppelmoral akzeptieren und nicht gleichermaßen für ein Verbot von Alkohol und Tabak eintreten.

    Schließlich gibt es Beispiele aus anderen Ländern, in denen eine kontrollierte Cannabisfreigabe eingeführt wurde, ohne dass es zu einem signifikanten Anstieg des Konsums bei Jugendlichen gekommen ist. Länder wie Uruguay und Teile der USA haben gezeigt, dass eine regulierte Cannabisindustrie tatsächlich bessere Möglichkeiten bietet, den Jugendschutz zu gewährleisten.

    Insgesamt sind die Argumente zum Jugendschutz gegen die Cannabisfreigabe scheinheilig. Eine Regulierung und Kontrolle des Marktes könnte tatsächlich zu einer besseren Begrenzung des Zugangs für Jugendliche führen und somit deren Schutz stärken.

  43. Am Ende geht es ja nur um Geld. Mit illegalen Drogen sind die Margen weitaus höher als bei legalen. Deswegen gibt es immer ein hohes Interesse von mächtigen Leuten so viele Substanzen wie möglich für illegal zu erklären um damit richtig viel Geld zu verdienen.
    Natürlich wird nicht jeder Politiker direkt von einem Drogenhändler bezahlt, aber das organisierte Verbrechen bezieht einen großen Teil seiner Einnahmen aus dem Drogenhandel – und nutzt dieses Geld zur Einflussnahme.

    Es gibt keine andere Erklärung warum irgendeine Droge nicht legal sein sollte. Warum sollte ein mündiger Bürger eines demokratischen Rechtsstaates nicht dass Recht auf die Droge seiner Wahl haben?
    Warum ist man immer auf Landes, Politik und Kultur typische Drogen beschränkt?

    Natürlich würde es Sinn machen jede Art von Droge unter ärztliche Aufsicht zu stellen. Ärzte sollten ihre Patienten hinsichtlich deren Konsum zur Seite stehen und beraten. Dieser Bereich sollte in der Medizin viel stärker ausgebaut werden. Es hat sich nämlich erwiesen, dass Prävention (und speziell ärztlicher Rat) das wirksamste Instrument gegen Drogenmissbrauch und Sucht ist. Immerhin gibt es da bei der tödlichsten Droge der Welt, Alkohol, mittlerweile ganz gute Fortschritte und Initiativen.
    Und es erübrigt sich natürlich für jede Art von Drogen (und Medizin) Werbung zu machen, das setzt sowieso dem ganzen die Krone auf, wenn ein Alkohol Hersteller einen Fußballverein sponsort.

    Man stelle sich eine Welt vor in der alle Drogen legal verfügbar, aber verpönt sind. Womit würde die Mafia dann noch Geld verdienen?

    Ja ich weiß, Prostitution, Menschenhandel, Waffen…

  44. @Dennis: Ich hoffe, dass das, was Sie hier schreiben, eher für Länder Mittel- und Südamerikas gilt als für Europa…

    …aber mit Sicherheit ausschließen kann ich es auch nicht.

    P.S. Sie haben hier auf einen Artikel vom April 2023 reagiert. In der Regel ist v.a. beim neuesten Beitrag die Diskussion am aktivsten.

    P.P.S. Menschenhandel (mitunter schwer nachzuweisen?) und Waffenhandel (hoffentlich eher im kleinen Maßstab?) sind schon verboten; bei Prostitution geht die Diskussion wieder in diese Richtung.

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