Verursacht Cannabiskonsum Psychosen und Schizophrenie?
Ärzte warnen aufgrund ihrer “klinischen Erfahrung” vor Gefahren. Was wissenschaftliche Studien dazu sagen
Im ersten Teil erfuhren wir, dass die SPD gerade interne Probleme bei der Durchsetzung der – im Wahlprogramm und Koalitionsvertrag festgelegten – Cannabisgesetzgebung hat. Dem Anschein nach plagen einige Abgeordnete Gesundheitssorgen. Tatsächlich läuteten Ärzte mehrfach die Alarmsirenen.
Wir haben das Beispiel von Rainer Matthias Holm-Hadulla, Facharzt für Psychiatrie und früher Professor an der Universität Heidelberg, im Wissenschaftsteil der F.A.Z. vom 13. Dezember 2023 aufgegriffen. Im Artikel warnte er eindringlich vor gravierenden Folgen der Legalisierung. (Die in Deutschland erst einmal nur eine Entkriminalisierung wäre.)
Mit Blick auf die USA behauptete er sogar, dass durch Cannabis die Opioid-Epidemie tödlicher geworden sei. Am Ende des letzten Teils sahen wir aber, dass der problematische Schmerzmittelkonsum schon lange vor den Gesetzeslockerungen in einigen US-Staaten begann. Jetzt fahren wir mit der heutigen Situation fort.
Bisher tödlichste Phase
Die vierte und bisher letzte sowie tödlichste Phase der Opioid-Epidemie begann 2019. Diese zeichnet sich durch die wilde Vermischung der Straßendrogen aus, vor allem von Psychostimulanzien und Opioiden. Besonders gefährlich ist das aus der Tiermedizin bekannte, bei der Anwendung am Menschen auch “Zombie-Droge” genannte Xylazin.
Dieses lässt die Verzweifelten und Abhängigen zwar in einen angenehmen Schlaf fallen und ihre missliche Lage und psychischen wie körperlichen Schmerzen für eine Weile vergessen; sie kann aber leider auch das Gewebe angreifen und zu Verletzungen führen. Diese können die Betroffenen weiter entstellen. (Tja, und was nimmt man gegen die damit verbundenen körperlichen Schmerzen? Noch mehr Opioide?)
Beschreibung: Auf Grundlage der Statistiken von US-Behörden hat Toine Pieters, Professor für Pharmakologie an der Universität Utrecht (Niederlande) hier die vier Phasen der Opioid-Epidemie unterschieden. Quelle: Pieters, 2023, Psychoactives. Lizenz: CC BY 4.0
Cannabis statt Opioiden?
Aber natürlich weiß man es als Fachmann mit genug “klinischer Erfahrung”, wie F.A.Z.-Gastautor Holm-Hadulla, besser: Es sei das – in realistischerweise konsumierten Mengen gar nicht tödliche – Cannabis, das die Opioid-Epidemie noch gefährlicher mache! Nicht etwa die Gier mancher Pharma-Unternehmer, Ärzte und Apotheker oder das Versagen der Drogenpolitik sollen daran Schuld sein; und schon gar nicht die prekäre Lage vieler Amerikaner*innen, die in der Coronaviruspandemie nochmals verstärkt wurde.
Es sind also auch keine “deaths of despair” (Verzweiflungstode), wie in den USA ausführlich diskutiert wird. Nein, es soll ein Problem der liberaleren Cannabisgesetzgebung in wenigen US-Bundesstaaten sein, wenn nun in den gesamten USA wegen Suiziden und hartem Drogenkonsums die landesweite Lebenserwartung sinkt.
Würden doch die Amerikaner nur auf deutsche Psychiater mit genug “klinischer Erfahrung” hören! Doch vielleicht tun sie gut daran, stattdessen wissenschaftliche Studien ganz zu lesen und nicht nur, wie scheinbar Holm-Hadulla, reißerische Überschriften. Denn zu dem vermuteten Zusammenhang von Cannabis und (insbesondere tödlichem) Opioid-Konsum gibt es passende Studien.
Umkehrung des Effekts
Es wäre für die Cannabis-Lobby schön gewesen, wenn der ursprüngliche Befund von Bachhuber von der University of Pennsylvania in Philadelphia und Kollegen aus dem Jahr 2014 bestätigt worden wäre. Die Forscher berichteten für den Zeitraum von 1999 bis 2010 nämlich eine Abnahme der Sterblichkeit von Opioiden nach der Zulassung von medizinischem Cannabis in einigen Staaten.
Die neuere Untersuchung von Chelsea Shover von der Stanford University und Kollegen aus dem Jahr 2019 fand allerdings eine Umkehrung dieses Zusammenhangs nach 2014. Machte Cannabis die Opiate bis 2010 weniger gefährlich, ab 2014 aber gefährlicher? Die Antwort der Forscher: “Eine plausiblere Interpretation ist, dass dieser Zusammenhang zufällig ist.”
Zudem sei die Datenlage nicht sehr gut und damit die Schlussfolgerung vorläufig. Doch auch mit mehr Informationen sei allenfalls ein schwacher Zusammenhang zu erwarten. Kurzum, Holm-Hadulla und andere begehen einen “ökologischen Fehlschluss”. Sie ignorieren andere Faktoren der äußerst komplexen Opioid-Epidemie, und verwechseln zufälliges gemeinsames Auftreten mit einem Kausalzusammenhang.
Dass Cannabis-Verkäufer in den USA trotzdem mit den älteren, jetzt überholten Ergebnissen für die angeblichen Gesundheitsvorteile ihrer Produkte werben, das kann und soll man ihnen durchaus vorwerfen!
Kausalität oder Korrelation?
Doch die deutsche Medizin kennt noch mehr Wunder: Ärzte erwerben hier nach Jahrzehnten der “klinischen Erfahrung” besondere Fähigkeiten, die ernsthaften Wissenschaftlern fehlen. Sie sehen komplexe Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, also Kausalität, direkt. Das heißt, wenn drogenkonsumierende Patienten mit psychischen Problemen in ihre Kliniken kommen, dann wissen diese Experten sofort, dass nicht Menschen mit schweren Problemen mehr psychoaktive Substanzen konsumieren (Problem → Droge), sondern Substanzkonsum zu mehr Problemen führt (Droge → Problem).
Dabei ist sogar bei den hier immer wieder ins Spiel gebrachten Psychosen (z.B. Wahnvorstellungen; manche Konsumierende nennen es “bad Trip”) die Diskussion über den Kausalitätspfeil noch gar nicht abgeschlossen. So hatte zum Beispiel das American Journal of Psychiatry erst im Januar 2022 eine Sonderausgabe zur “Kausalitätsfrage” bei Cannabis. In der erst kürzlich erschienenen Neuauflage des Standardwerks “Marijuana and Madness” (Cambridge University Press) heißt es dementsprechend aus Forschers Hand:
“Ob der Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und Psychosen ursächlich ist, bleibt umstritten. Studien deuten darauf hin, dass der Zusammenhang möglicherweise in beiden Richtungen besteht und das genetische Risiko für Psychosen auch das Risiko des Cannabiskonsums erhöht.”
Radhakrishnan et al., 2023, Cannabis and Psychosis Proneness, S. 145
Diese Fachleute, darunter der renommierte Schizophrenieforscher Jim van Os, Forschungsdirektor an der Universitätsklinik Utrecht und zuvor Gast hier bei MENSCHEN-BILDER, bringen demnach zwei weitere Möglichkeiten ins Spiel: Psychoserisiko und Cannabiskonsum bedingen einander (Problem ←→ Droge); oder es gibt eine dritte, zum Beispiel genetische Ursache (Gen → Problem und Gen → Droge).
Wichtig: In beiden Fällen findet man ein gemeinsames Auftreten von Substanzkonsum und Psychosen. Ist das ein Beweis für Kausalität? Im ersten Fall nur zum Teil, im zweiten gar nicht. Das lernt man im Statistik-Grundkurs. Doch wer braucht so etwas schon, wenn er genug “klinische Erfahrung” hat?
Schizophrenie
Es ist freilich vielfach belegt, dass insbesondere starker und regelmäßiger Cannabiskonsum häufiger mit Psychosen auftritt. Doch auch hier räumen Forscher ein, dass die Richtung des Kausalitätspfeils nicht feststeht: “…ein Kausalzusammenhang kann nicht eindeutig hergestellt werden”, schlussfolgerten beispielsweise Arianna und Marconi und Kollegen in einer Meta-Analyse mit den Daten von 66.816 Personen aus 18 Studien.
Anstatt schiere Panik zu verbreiten, hilft ein Blick auf echte Daten. Holm-Hadulla greift eine aktuelle Studie dänischer Forscher auf, doch stellt deren Ergebnisse in seinem F.A.Z.-Artikel völlig falsch dar. Schauen wir uns an, was unstrittig ist:
Von knapp 7 Millionen Patient*innen, wurde bei 60.563 oder 0,9 Prozent schwerer Cannabismissbrauch (in Fachsprache: Cannabis Use Disorder) ärztlich diagnostiziert. Zehn Jahre später hatten 10 Prozent von ihnen – also 6.050 Personen beziehungsweise 0,09 Prozent der Stichprobe – auch die Diagnose Schizophrenie.
Schizophrenie bezeichnet, vereinfach gesagt, eine länger vorliegende Kombination von sogenannten “Positivsymptomen” wie Wahnzuständen, Paranoia oder Stimmenhören und “Negativsymptomen” wie kognitiven Defiziten. Typischerweise tritt sie in Schüben auf, kann die Symptomatik also wieder abebben. Zudem kann die Schwere der Symptome variieren und die Problematik oft mit Medikamenten verbessert werden. Vielfach bestätigte Einflussfaktoren sind: Stress, Leben in einer Stadt und/oder Migrationserfahrung.
Die genannten dänischen Forscher – Carsten Hjorthøj von der Universität Kopenhagen und Kollegen – sagen wortwörtlich, im Gegensatz zu Holm-Hadullas Falschdarstellung, dass der Kausalzusammenhang zwischen schwerem Cannabismissbrauch und Schizophrenie nur eine Annahme ist. Als reine Beobachtungsstudie können die Daten auch prinzipiell gar nichts anderes hergeben. Doch, wie gesagt, mit genug “klinischer Erfahrung” sieht man Kausalität einfach (also Droge → Problem).
Andere Faktoren
Gegen einen starken Kausalzusammenhang – davon bei Holm-Hadulla freilich kein Wort – sprechen harte Fakten: So war der (man erinnere sich: eher bescheidene) statistische Zusammenhang bei viel kiffenden Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen mit derselben Diagnose. Das deutet auf andere Einflussfaktoren, beispielsweise das psychosoziale Umfeld oder, wie von den Forschern selbst diskutiert, eine genetische Vermittlung.
Auffällig war, dass der Effekt im Laufe der Zeit zunahm. Das erklären die Forscher durch die Steigerung des THC-Gehalts im Cannabis. Holm-Hadulla strickt daraus freilich ein Argument gegen eine Legalisierung. Dabei liegt es im Gegenteil gerade an der Prohibition, dass der THC-Gehalt nicht unabhängig kontrolliert werden kann. Die Konsumierenden müssen dann das Risiko gefährlicheren “Stoffs” von den Dealern in Kauf nehmen.
Beschreibung: Zur Verdeutlichung der Größenverhältnisse, hier eine Visualisierung der Daten von Carsten Hjorthøj und Kollegen (2023). Von den knapp 7 Millionen erfassten Patient*innen bekämen – bei Annahme einer Häufigkeit von 1,5 Prozent – rund 104.000 im Laufe ihres Lebens die Diagnose Schizophrenie (SCHZ). Nun diagnostizierten Ärzte bei rund 61.000 Personen schweren Cannabismissbrauch (Cannabis Use Disorder, CUD). Zehn Jahre später hatten rund 6.000 von ihnen die Diagnose Schizophrenie (SCHZ). Wenn CUD eine Teilmenge von SCHZ ist, wäre der Zusammenhang rein zufällig. Diese Frage wird weiter erforscht. So oder so scheint aber auch starker Cannabiskonsum keine Schizophrenie-Epidemie auszulösen.
Und die Dänen haben – abgesehen von etwas Cannabis für den medizinischen Gebrauch – gar keine Legalisierung. Außerdem: Wieso würde man die Substanz ausgerechnet Kranken verschreiben, wenn sie dadurch noch kränker – obendrein psychotisch oder gar schizophren – würden? Für das Nachvollziehen solcher “Logik” fehlt mir wohl die “klinische Erfahrung”.
Zwischenfazit
In der Diskussion um Cannabis werden von Kritikern nach wie Gesundheitsrisiken als Einwand gegen eine Entkriminalisierung angeführt. Am häufigsten wird dabei das Psychose- oder Schizophrenierisiko genannt. Im ersten Teil sahen wir, dass führende Fachleute Cannabis für vergleichbar mit Tabak halten – oder sogar für weniger gefährlich.
In diesem Teil fanden wir heraus, dass der Zusammenhang mit Psychosen sehr komplex ist und die Forschung hierzu weiterläuft. Oft werden Korrelation und Kausalität miteinander verwechselt – und verbreiten Experten mit “klinischer Erfahrung” Ansichten, die wissenschaftlich fragwürdig sind. Wegen des Zusammenhangs mit der THC-Konzentration scheint die Prohibition und darum fehlende Kontrolle die Cannabisprodukte sogar gefährlicher zu machen.
Im dritten Teil der Serie schauen wir auch noch einmal auf andere Risiken, beispielsweise für die Intelligenz und im Straßenverkehr.
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Referenzen
- Bachhuber, M. A., Saloner, B., Cunningham, C. O., & Barry, C. L. (2014). Medical cannabis laws and opioid analgesic overdose mortality in the United States, 1999-2010. JAMA internal medicine, 174(10), 1668-1673.
- D’Souza, D. C., Castle, D., & Murray, R. (Eds.) (2023). Marijuana and madness. Cambridge University Press.
- Hjorthøj, C., Compton, W., Starzer, M., Nordholm, D., Einstein, E., Erlangsen, A., … & Han, B. (2023). Association between cannabis use disorder and schizophrenia stronger in young males than in females. Psychological Medicine, 1-7.
- Marconi, A., Di Forti, M., Lewis, C. M., Murray, R. M., & Vassos, E. (2016). Meta-analysis of the association between the level of cannabis use and risk of psychosis. Schizophrenia Bulletin, 42(5), 1262-1269.
- Shover, C. L., Davis, C. S., Gordon, S. C., & Humphreys, K. (2019). Association between medical cannabis laws and opioid overdose mortality has reversed over time. Proceedings of the National Academy of Sciences, 116(26), 12624-12626.
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Der Channel ist von Gerhard Gründer (Leiter der Abteilung für Molekulare Neuroimaging am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim).
Bei 8:44 Minuten geht es um Cannabiskonsum / Psychosen / Genetik.
Ich hoffe das Cannabis bald legal ist. Selbstmedikationen mit Stoff vom Schwarzmarkt funktionieren in der Regel nicht. Wenn sie eine manisch depressive Person sind, dann vertragen sie nur bestimmte Sorten in bestimmten Dosierungen. Auch das Wechseln der Sorte führt bei Personen mit Hirnstoffwechselstörungen zu massiven Problemen. Wir hätten Menschen mit Hirnstoffwechselstörungen oder Angststörungen eine Originalstoffabgabe gewähren müssen um sie aus der Kriminalisierung zu entbinden. Dealer wechseln oft die Sorte um ihren Umsatz zu erhöhen. Wenn die Person unter optimalen Konsumbedinungen trotzdem keine Linderung ihrer Störungssymptome erfährt oder ungewollte Nebenwirkungen hat, dann kann sie viel leichter von der ”Selbsttherapie mit Cannabis” abstand nehmen und ist wieder offener für andere Therapien statt auf ihr Cannabis zu bestehen. Diese Erfahrung lassen wir aber aus Dogma nicht zu.
Hätten wir mehr Zwillingsstudien von Zwillingen bei denen der einer Cannabis konsumiert und der andere nicht, dann wäre das Bild von Cannabiskonsum anders.
Wenn sie Cannabis konsumieren und ihr Zwillingsbruder nicht, sie aber beide ziemlich Zeitgleich eine psychiatrische Störung entwickeln wüssten sie, dass der Konsum nicht der entscheidende Faktor war.
Leider haben die meisten Personen kein Zwillingsgeschwisterchen so das jeder Arzt immer davon ausgeht das ihre Krankheit durch den Cannabiskonsum kommt und sie aufhören müssen. Dabei hätten er es ihnen im Ramen einer psychosozialen Therapie verschreiben müssen.
In Deutschland werden Suchtpatienten falsch behandelt. Krankheiten die eine Sucht begünstigen (Trauma, Depressionen e.t.c), können allerdings relativ gut behandelt werden. Dies kann große Erfolge bringen aber die Fakten, z.B die Rückfallquoten sind so schlecht das der Vorwurf in Deutschland werden Suchtpatienten falsch behandelt durchaus belastbar ist. Wer so tut als könnte er Substanzstörungen gut behandeln lügt, verharmlost diese Störungen und untergräbt die Notwendigkeit der Entwicklung von anschlagenden Präventionskonzepten und adäquaten Hilfen. Nur die Hälfte der Abhängigen geht in eine Entzugstherapie. Davon wird die größte Mehrheit wieder Rückfällig. Nur ein ganz kleiner Prozentteil der Patienten wird langfristig clean. Leider gehören zu diesen minimalen Prozentteil auch Prominente, die dann in der Öffentlichkeit sowas erzählen wie ”holt euch Hilfe, wenn ihr ein Problem mit Alkohol e.t.c habt” und verharmlosen diese Störungen damit fahrlässiger weise. Der Alkohollobby gefällt sowas, weil sie keine Markt/Werbe-Einschränkungen befürchten muss, wenn alle denken die Alkoholsucht wäre einfach wieder mit Therapie rückgängig zu machen. ”Stop it, get some Help” -Michael Jordan. Alle Abhängigen die ich kenne sind nicht clean. Die Ex-Heroinabhängigen nehmen nun Substitutionsstoffe ein. Ex-Cannabiskonsumierende ADHSler nehmen nun Ritalin ein. Andere verlagern ihre Sucht in exzessive Verhaltensweisen (Sport, Sex oder Computerspielen e.t.c). Ein Workaholic gilt nicht mal als krank, weil er gesellschaftskonformer ist als beispielsweise ein Cannabiskonsument. Auch Menschen die eine emotionale Abhängigkeit haben, werden nicht als Problem gesehen solange sie ihren Ehepartner noch nicht auf dem Gewissen haben.
Ärzte gehen immer vom Wahrscheinlichsten aus (was auch gut ist, andersrum wäre es fatal). Am Ende ihrer Arztkarriere können diese dann Bilanz ziehen und feststellen, dass sie in den meisten Fällen die richtige Diagnose erteilt aber damit werden die Ärzte bestimmten Patienten nicht gerecht.
Menschen die im Zusammenhang mit Cannabiskonsum vor Psychosen warnen (besonders Politiker) wissen in der Regel gar nicht was eine Psychose ist oder welche Arten von Psychosen es gibt. Viele können sogar von alleine verheilen (drogeninduzierte Psychosen heilen oft wieder aus). Die Warnung vor Psychosen hält niemanden vom Cannabiskonsum ab, weil diese viel zu selten sind b.z.w viel zu oft auch bei Personen entstehen die nie Cannabis konsumiert haben. Auch abschreckende Sätze wie ”Nehme niemals LSD, sonst denkst du du könntest fliegen und fällst aus dem Fenster” sind keine nachhaltigen Präventionsmaßnahmen, weil die sozialen Medien voll mit Erfahrungsberichten sind und sowas viel zu selten vorkommt.
Die Politik und die meisten älteren Menschen (50+) haben nicht ansatzweise eine Ahnung was heute abgeht (Darknet und die dadurch erhöhte Zugänglichkeit zu psychoaktiven Substanzen) und sind mindestens 50 Jahre mit ihren Maßnahmen und Empfehlungen hinterher. Die argumentieren praktisch nur führ ihre eigene Altersgruppe und merken nicht das sie schon drei oder viermal von neueren Generationen überrundet worden sind. Viele ältere Menschen, glauben immer noch es müsse vor Psychosen gewarnt werden dabei haben diejenigen, die gewarnt werden sollen viel mehr Ahnung davon als die Warnenden. Vor etwas zu warnen obwohl es keinen kausalen Zusammenhang gibt ist sowieso total daneben und passt nicht in die aufgeklärte Zeit von heute.
Aber politisch verfangen die falschen Warnungen. !Cannabis = Psychose!.
Obwohl Alkohol öfters Psychosen auslöst und die meisten Menschen die eine Psychose haben niemals irgendwelche Substanzen konsumiert haben assoziieren die Menschen Cannabis mit Psychosen. Dank der CDU/CSU Propaganda die der einzige Grund dafür ist weshalb die Kriminalisierung von Schutzbefohlenen Menschen immer noch demokratisch legitimiert ist. Prost.
Q.:+https://www.deutschlandfunkkultur.de/psychiatrie-und-religion-zwischen-glaube-und-wahn-100.html
Psychische Störungen-Cannabis
Psychische Störungen-Religion
Bei beiden Paarungen weiß man nicht was Ursache und was Wirkung ist. Leute im Religionsgeschäft sehen möglicherweise die Gefahr, daß Religion durch Cannabis substituiert wird. Daher der Widerstand der religiösen Politiker.
@Alex: Danke für den Link. Bei den Medizinern an der RWTH Aachen habe ich auch schon vorgetragen, zum Thema “Gehirndoping“. Ich bin gerade bei drei bis vier Minuten. Dort wird erklärt, dass es z.B. für die Verminderung der Hirnsubstanz durch Cannabiskonsum auch eines bestimmten Genotyps bedarf.
Ich habe gerade ein zweistündiges Interview (über Willensfreiheit) gegeben – und bin ermüdet. Ich lese mir den Rest Ihres Kommentars in Kürze durch.
@Alex: Interessant ist die Folie bei 8:30 Minuten. Da heißt es, wer mit 18 Jahren mit dem Cannabiskonsum anfange, habe ein Risiko von 4,7% für eine “schizophreniforme Störung“; wer aber schon mit 15 anfange, von 10,3%. (leider ohne Quellenangabe)
Die Frage ist aber doch: Warum fängt jemand schon mit 15 an, nicht erst mit 18? Wenn das am höheren Schizophrenierisiko liegt – oder an ungünstigeren psychosozialen und/oder genetischen Faktoren – dann zeigt der Kausalitätspfeil eben in eine andere Richtung!
Zum Einfluss des frühen Cannabiskonsums auf das Psychorisiko:
Das ist eine Studie von 2005. Es wäre natürlich zu viel verlangt, wenn “klinische Experten” im Jahr 2023 den Forschungsstand von 2005 zur Kenntnis nehmen müssten.
Die “klinisch Erfahrung” ist ein Paradebeispiel für den Selection Bias. Der Kliniker sieht nur die kranken Fälle. Die (statistisch so genannte) “Grundgesamtheit”, d.h. hier, die Gesamtheit aller, auch der gesund bleibenden, Nutzer, hat er nicht im Blick.
https://databasecamp.de/statistik/selection-bias
Der “klinisch Erfahrene” KANN also gar keine sinnvolle Aussage aus seiner klinische Erfahrung über die Gesamtbevölkerung treffen — dazu müsste er als Epidemiologe und Statistiker kompetent sein (und sollte sich dann auch so bezeichnen, wenn er Eindruck schinden will).
Der “klinisch Erfahrene” ist daher inhaltlich nicht ernst zu nehmen.
Gefährlich wird er aber, wenn er mit seiner Dummheit und ideologischen Verbohrtheit versucht, Politik zu verbrechen.
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Etwas ab vom Thema, aber relevant:
https://www.astralcodexten.com/p/the-psychopolitics-of-trauma
und Korrekturen:
https://www.astralcodexten.com/p/open-thread-313
Daraus, dass eine Kausalität nicht nachweisbar ist, lässt sich aber auch nicht umgekehrt schließen, dass sie nicht besteht.
@Ben: Beweislast
Ja, sehr schlau! (absence of evidence is no evidence of absence)
In der Wissenschaft gilt aber: Die Beweislast trägt, wer eine positive Aussage trifft. D.h. wer eine Kausalität behauptet, muss das hinreichend beweisen; ansonsten ist das unwissenschaftlich. 🤷🏻♂️
(Grüße übrigens aus einem Polizeihauptquartier, von einem Kongress über Drogenpolitik. Hier gibt’s viele vernünftige Menschen, die sich für die Entkriminalisierung vieler Substanzen aussprechen.)
Was ist denn, wenn es eines gibt, das Ergebnis der Konferenz?
Stephan Schleim,
“Entkriminalisierung”, das ist der richtige Weg. Kriminell , das hängt von der Definition ab. Also muss man Öffentlichkeitsarbeit betreiben, wie Sie das tun und man sollte von dem Wort Cannabis abkommen, wie wäre es stattdessen mit “Hanf”, das hört sich doch gleich deutsch und vertraut an.
Nachdem man das Wort “Atomkraftwerk” durch Kernkraftwerk ersetzt hatte, war ja ein richtiger Bauboom für Kernkraftwerke ausgebrochen. Nur als Rückblick.
@Mussi: In aller Kürze: Unter den Anwesenden (darunter auch viele aus Polizei und Justiz) schien ein Konsens vorzuherrschen, dass
* die Durchsetzung der Prohibition rund 50% der Kapazitäten von Polizei & Justiz beansprucht, doch im Ergebnis wenig Positives bringt und vielleicht sogar viel Negatives;
* das – alles zusammen – den niederländischen Steuerzahler jährlich einen einstelligen Milliardenbetrag kostet (in Deutschland dürfte es zweistellig sein);
* auch ein dort vorgestellter Bericht hoher Beamter (Drugs de baas) zum Ergebnis kommt, Hanf und Ecstasy könne man am besten legal reguliert verfügbar machen.
@Nicker: Begriffe
Guter Punkt. Die Wahl des Latino-Worts “Marijuana” war den USA aktiver Teil der Propaganda gegen Hanf.
@ Schleim
Danke.
Eher bürokratische Gedanken.
Mussi, St. Schleim,
Wir haben unser Haus unter dem Dach mit Hanfmatten isoliert, riecht übrigens sehr angenehm.
Dabei kann man keine negativen Gedanken entwickeln.
Beim Parfum entscheidet der richtige Name über Erfolg oder Vergessen.
Also, was vermutlich allen klar ist: Cannabis kann für ein paar Stunden ziemlich wildes Assoziieren, eine wahre Flut subjektiv als sehr lustig, abgedreht oder sonst irgendwie aufregend wahrgenommener Gedanken und vor allem bei hohem THC-Gehalt auch Halluzinationen hervorrufen. Ich hab das früher alles schon ab und zu erlebt, wobei mir aber immer zu 100% klar war, dass ich halt bekifft bin, das vorbei geht, und ich nie das Gefühl hatte, schwerer zwischen Realität und Fantasie/Halluzination unterscheiden zu können als nüchtern, hab mir mein eigenes Kopfkino also mehr wie einen Film angeschaut und meistens genossen und das war’s. Ich kenne aber auch Menschen, die von sich sagen, dass sie schlechte Trips hatten und durch Cannabis bleibende Psychosen entwickelt haben. In mindestens einem Fall bin ich aber sicher, dass die betreffende Person davor schon etwas von der Rolle war und Schwierigkeiten mit der Selbstreflexion (entwickelt) hatte. Ist nur so ein Bauchgefühl als nichtprofessionelle klinische Beobachtung, aber es sah für mich nicht so aus, als ob die Wirkung des Kiffens an sich sich bei dieser Person verändert hätte, nur wie das Kopfkino beurteilt wurde. Wenn man ohnehin Schwierigkeiten hat, Realität und Fantasie zu unterscheiden, kann ich mir vorstellen, dass sowas beängstigend sein kann. Vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel außerdem. Werde ich fleißig teilen.
@Mimi: Danke fürs Teilen der Erfahrung. Ich glaube schon, dass psychische Probleme und (massiver) Substanzkonsum einander verstärken können. Oft stecken dahinter aber auch psychosoziale Ursachen bzw. Traumata. Dass man den Betreffenden dann mit einer Verurteilung und Strafen hilft, also mit weiteren psychosozialen Problemen, wage ich zu bezweifeln.
Und was ist mit der Freiheit der großen Mehrheit, die die Substanzen ohne Probleme – für sich und andere – verwendet?
@Stephan Schleim: Ja, da bin ich ganz Deiner Meinung. Man macht Betroffenen völlig unnötig zusätzliche Probleme und lässt sie mit den wahren Problemen allein, wenn man alles auf die “Droge” schiebt. Auch dafür tauge ich wahrscheinlich selbst als bestes Beispiel, aber noch kann man das ja nicht so öffentlich rausposaunen. Ich wusste nicht, dass man meinen Kommentar auch anders verstehen konnte. War ein Versuch, diesen Widerspruch aufzulösen, dass empirische Daten einerseits Schlüsse auf einen kausalen Zusammenhang in Richtung Konsum -> Problem (zumindest in dem leider oft behaupteten Ausmaß) nicht hergeben, anderseits viele Betroffene und Behandler sicher sind, es erlebt zu haben, z. T. sogar Ärzte, die in Statistik aufgepasst haben. Teile Deine Artikel fleißig und bin begeistert von Deinem Engagement und Deinem klaren Blick.
@MIMI: Es ist ein großes Problem, dass Leute darüber Entscheidungen treffen, die das gar nicht aus der eigenen Erfahrung kennen.
P.S. Die Diskussion ist beim aktuellsten Artikel des Blogs immer am aktivsten; ich habe das hier nur zufällig gesehen. Danke für’s Lob und Teilen!