Wie die Verschwörungsmythen um Seth Rich die Anhängerschaft von Donald Trump stabilisieren

In meiner liberal-demokratischen Akademikerblase ist man sich wieder ziemlich sicher: Donald Trump sei erkennbar überfordert und habe sich schon im Wahlkampf so tief mit den Russen eingelassen, dass es bald zur Amtsabsetzung (zum “Impeachment”) kommen werde. Manche(r) wundert sich dann, wenn ich diesen Abgesang für vorschnell halte, sondern daran erinnere, dass Trumps Anhängerschaft gerade auch unter US-Republikanern noch immer sehr hoch ist – und nicht wenige seiner Fans in ihrer eigenen, überwiegend digitalen und mit Verschwörungsmythen abgedichteten “Medienblase” leben.

Ein aktuelles Beispiel für das weitere Funktionieren dieser “alternativen Fakten” als Basis einer rechtspopulistischen Verschwörungsglaubens sind die vor allem von Fox-News und digitalen Medien befeuerte Verschwörungsmythen rund um Seth Rich (1989 – 2016). Der 27jährige Mitarbeiter der demokratischen Partei (des Democratic National Committee) aus einer jüdischen Familie wurde in der Nacht des 10. Juli 2016 auf dem Heimweg von einer Bar in Washington erschossen. Die Täter konnten bislang nicht gefasst werden, die Sicherheitsbehörden gehen von einem fehlgeschlagenen Raub aus. Hillary Clinton gedachte des Ermordeten und kritisierte die allzu leichte Verfügbarkeit von Waffen in den USA. So weit, so traurig.

Doch schon am 09. August 2016 (und also mitten im US-Wahlkampf) twitterte @wikileaks ohne nähere Erläuterungen eine “Belohnung” von 20.000 USD für Hinweise aus, die zur “Aufklärung des Mordes an DNC Mitarbeiter Seth Rich” dienen könnten. Quelle: Twitter

Auch später deutete Julian Assange an, dass nicht etwa russische Hacker, sondern Rich die Datenquelle von Wikileaks aus dem demokratischen Hauptquartier gewesen sein “könnte” – ohne sich aber eindeutig festzulegen. Zuletzt twitterte er gestern bemerkenswert mehrdeutig:

Quelle: Twitter

Sicher ahnen Sie schon, was – trotz der zunehmend verzweifelten Proteste von Richs Familie, die sogar Anwälte einschaltete – schnell passierte: Rechtsgerichtete Medien wie Fox News sowie Dutzende Verschwörungsportale und Netzakteure wie Kim Dotcom griffen die (“alternative”) Story auf: Nicht russische Hacker, sondern ein junger Aktivist hätten demnach das (alles?) Datenmaterial der Demokraten “geleakt” – und deswegen sei Rich dann auch hingerichtet worden! Perfide und effektiv schließt das Narrativ damit auch an historische Ritualmordlegenden an: “Man” wisse doch, dass “die” zu so etwas fähig wären. Der für die US-amerikanische Demokratie und die Partei der Demokraten aktive Seth Rich wurde so nachträglich zum antidemokratischen Mem und Symbol von Verschwörungsglauben umgedeutet.

Auch die russische Botschaft in Großbritannien setzte am Freitag einen entsprechenden Tweet ab. Man beachte die Kombination aus unbelegter Behauptung (“Wikileaks informer”), vermeintlich offener Frage (“Who killed Seth Rich?”) und der bedrohlich einmontierten Hillary Clinton!

Quelle: Twitter

Während der liberale, akademisch geprägte Teil der Bevölkerungen sowohl in den USA wie auch in Europa also recht einmütig kommentiert, wie russische Akteure durch Hacker- und Desinformationskampagnen in westliche Wahlkämpfe eingreifen und sich Trumps Team immer tiefer in Russland-Connections verheddert – fühlen und glauben viele seiner Anhänger, dass die “eigentliche” Superverschwörung von US-Demokraten ausginge, die auch vor Mord an den eigenen Aktivisten nicht zurückschreckten und nun eben Trump stürzen wollten. Erneut etablieren sich unterschiedliche, auch digitale Medienblasen mit getrennten Wahrnehmung der Realität. Die Fragen nach “Wahrheit” und dem Vertrauen in demokratische Institutionen oder autoritäre Populisten (u.a. Thema meines letzten Seminars beim KIT in Karlsruhe) sind im Zeitalter neuer, digitaler Medien noch lange nicht vorbei. Ob es um Fragen von Evolution und Glauben, um Chemtrails oder eben um vermeintliche Superverschwörungen in der Politik geht – die diskutierende Öffentlichkeit zersplittert noch immer in voneinander abgeschottete Mikromilieus. Wenn Xavier Naidoo demokratisch gewählte Politikerinnen und Politiker als “Marionetten” besingt, so bestärkt er damit durchaus auch in Deutschland bestehende Stimmungen und Strömungen.

Credit: Michael Blume, Daten aus: “Die enthemmte Mitte”, Universität Leipzig 2016

Verschwörungsglauben gibt es seit Jahrzehntausenden und er wird ausgerechnet durch neue Medien immer wieder mächtig und zur Gefahr für bestehende Institutionen, für demokratisch organisierte Gesellschaften – und also letztlich für Menschen.

Avatar-Foto

Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

49 Kommentare

  1. In meiner liberal-demokratischen Akademikerblase ist man sich wieder ziemlich sicher: Donald Trump sei erkennbar überfordert (…)
    dass Trumps Anhängerschaft gerade auch unter US-Republikanern noch immer sehr hoch ist – und diese in ihrer eigenen, überwiegend digitalen und mit Verschwörungsmythen abgedichteten „Medienblase“ leben.

    Es ist dem Schreiber dieser Zeilen sehr unklar, wie heutzutage, wenn im Web doch international / global sehr gut informiert wird, vergleichsweise, verglichen mit früheren Zeiten, dieses Blasen-Denken derart kultiviert wird.

    “Kim Dotcom” hat da mal was raus gehauen, es geht ja auch um seinen eigenen Latz und diese Nachricht muss nicht substanzieller sein, als wenn bspw. Hollywood-Größen mal so oder so befinden, politisch.

    In etwa so, wie Sie sich, lieber Herr Dr. Blume, in keiner “Medien-Blase” zu befinden scheinen, jedenfalls in keiner abschließenden, müssten sich auch US-Republikaner nicht so befinden.


    Insgesamt, dies würde Dr. W abär gerne konstatieren wollen, haben sich die traditionellen und ehemaligen Print-Medien leider wohl schon ein wenig von der Berichterstattung abgewandt und neigen womöglich schon dazu im Auftrag von Werbekunden und Inhaberverhältnisse meinend, wirtschaftlich ungewohnten, neuen Interessen von Verlagen zu folgen, zu verlautbaren, primär zu kommentieren. [1]
    Wobei hier das internationalistische, globale Finanzkapital eine Rolle spielt.

    Dieses hat bestimmtes Interesse und warum soll es sich nicht, vergleichsweise : kostengünstig, der ehemaligen Print-Medien bemächtigen?
    Bemächtigt haben.

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    Die Nachrichtenagenturen, AFP, Reuters, AP, DNA etc. scheinen “neoliberal” im Griff.
    Vorsichtshalber angemerkt : Dr. Webbaer ist selbst ordo-liberal oder “neoliberal”, am besten formuliert “sozial-liberal”, im besten Sinne.
    ‘Neoliberal’ ist wohl heutzutage eher eine Art Beschimpfung und von der Begriffsbedeutung weggehend.
    Opi W hat’s mal so mit dem “neoliberal” formuliert, weil so zumindest die bundesdeutsche Menge versteht, was gemeint ist.

    • Lieber @Webbaer,

      diese Medien- und Wahrnehmungsblasen sind nicht neu, sondern begannen bereits, als sich unsere Vorfahren rund um Lagerfeuer gruppenbezogene Weltanschauungen zusammensprachen. Ob wir reden, schreiben, Bücher drucken oder Blogs kommentieren – wir alle (auch Sie) tun dies im Rahmen unserer Identitäten, Weltanschauungen und Interessen. Vgl. ausführlich:
      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/files/StudienbriefKITMedienBerufsethikBlume2017-1.pdf

      Entsprechend gibt es auch kein “früher”, in dem “die Medien” eine völlig objektive “Berichterstattung” geboten hätten – immer schon waren sie durch formelle und informelle Regeln eingeschränkt. In liberalen Demokratien sind diese deutlich weiter als in autoritären Systemen, aber selbstverständlich weiterhin existent.

      Zum Verschwörungsglauben wird das Ganze, wenn man hinter “den” Medienakteuren wiederum eine geschlossene, übermenschlich begabte Verschwörergruppe vermutet, in Ihrem Falle “das internationalistische, globale Finanzkapital”. Damit wird aber nicht nur impliziert, dass russische und mexikanische Oligarchen, Rupert Murdoch, Goldman Sachs, George Soros und Fondsmanager der Deutschen Bank (u.v.m.) weitgehend identische Interessen hätten, sondern dass sie zudem auch (super-)verschwörerisch abgestimmt agieren würden. Gleichzeitig ist eine solcherart “globale” Theorie nicht mehr widerlegbar – also ein Mythos.

      Mir ist völlig klar, dass es psychologisch und sozialpsychologisch sehr einfach und attraktiv ist, “die Medien” entsprechend zu deuten. Es wird aber dadurch nicht sachrichtig und trägt zur Erosion liberaler und demokratischer Überzeugungen bei.

      • Werter Herr Dr. Blume, nur kurz hierzu noch :

        Zum Verschwörungsglauben wird das Ganze, wenn man hinter „den“ Medienakteuren wiederum eine geschlossene, übermenschlich begabte Verschwörergruppe vermutet, in Ihrem Falle „das internationalistische, globale Finanzkapital“.

        Nun, das ‘internationalistische, globale Finanzkapital’ existiert ja und hat aus Sicht Vieler in der zuletzt zunehmend globalisierten Welt an Bedeutung gewonnen.
        Eine ‘geschlossene’ Gruppe ist nicht behauptet worden.
        Erst recht nichts ‘Übermenschliches’ oder ‘Verschwörung’.

        Das internationalistische, globale Finanzkapital hat halt bestimmte Interessen, handelt amoralisch (vs. unmoralisch) und versucht Ertrag zu generieren, diesbezüglich zu optimieren.
        Es ist sicherlich an Medien dran und auch bestimmte Stiftungen und NGOs werden so zunehmend finanziert und gelenkt.
        Stellen Sie diese Aussage in Frage?

        Ihnen ist schon klar, dass in einer i.p. Bevölkerung schrumpfenden BRD “harte” Wirtschaftswerte wie Immobilen, Märkte und insbes. der Mac-Sektor des Arbeitsmarktes aus Sicht dieses internationalistischen, globalen Finanzkapitals in Gefahr gerieten?
        So dass das internationalistische, globale Finanzkapital sich hier medial-politisch engagiert (witzigerweise i.p. antiselektive und mengenmäßig ungesteuerter Immigration auch politisch Linke, womöglich als “nützliche Idioten” bewirtet)?

        MFG
        Dr. Webbaer (der auf konkrete Beispiele noch verzichtet, weil diese wohl nicht benötigt werden, hier aber liefern könnte)

        • Lieber @Webbaer,

          ja, ich bestreite die Existenz eines global einheitlich und letztlich verschwörerisch agierenden “internationalen Finanzkapitals” ebenso wie die Existenz zum Beispiel einer “internationalen Arbeiterklasse”. Selbstverständlich gibt es Finanzmanager bzw. Arbeiter mit auch teilweise gemeinsamen Interessen – doch können sie als Menschen in ihrer Vielfalt nicht einheitlich und planvoll agieren. Wohl gibt es immer wieder Verschwörer (z.B. Betrüger) in beiden Milieus, aber eben keine belastbaren Hinweise auf sie steuernde Superverschwörer.

          • Genau, lieber Herr Dr. Blume, es gibt internationalistisch tätiges Finanzkapital [1] mit bestimmten Interessen, das in seinem Verlangen und seinen Vorhaben nicht als ‘verschwörerisch’ und auch nicht als allgemein abgestimmt zu verstehen ist.

            Allerdings wie beschrieben wirkt.

            MFG
            Dr. Webbaer

            [1]
            ‘internationales Finanzkapital’ ginge auch, das ‘internationalistisch’ soll betonen, dass dieses Kapital durchdacht und mit Plan (aber nicht verschwörerisch und abgestimmt) auf Nationalstaaten einwirkt, nicht zu deren Gunsten.
            Steuervermeidung und die Verlagerung von Unternehmensgewinnen in Niedrigsteuerländer ist in diesem Zusammenhang als Motivationsimperativ ebenfalls zu notieren.
            So etwas geht am besten, wenn Nationalstaaten geschwächt sind und die internationalen Handelsverträge nicht zu Gunsten dieser Länder ausfallen.

          • Lieber @Webbaer,

            vielen Dank, machen wir es doch einfach konkret: Wo sehen Sie das “internationalistische Zusammenwirken” zum Beispiel von Rupert Murdoch, Bill Gates und George Soros? Obwohl sie jeweils sehr reich sind, nehme ich doch ganz unterschiedliche Akteure wahr – von weiteren Akteuren wie Carlo Slim Helu oder Jack Ma ganz zu schweigen…

            Ich frage deswegen so aufmerksam nach, da Sie selbst sich doch immer sehr stark gegen “Kollektivierungen” gestemmt haben…

            Mit interessierten Grüßen

            Michael Blume

          • Lieber Herr Dr. Blume,
            ein ‘Zusammenwirken’ war nicht gemeint, Sie führen diesen Begriff jetzt als Erster ein.
            Gemeint war, dass internation(istisches) Finanzkapital besonderes Interessen entwickelt, entwickeln muss, denn es will ja amoralisch (vs. unmoralisch) die Wertschöpfung sicherstellen bis optimieren, auch i.p. Steuervermeidung (andere Beispiele für politisches Handeln des Finanzkapitals sind weiter oben genannt worden) für sich.

            Dieses Handeln dieser Akteure geht dann oft in eine bestimmte Richtung, nämlich Richtung Internationalismus (das nicht gerne genannte Antonym zum Nationalismus – beide Ismen sind in extremer Ausprägung sehr gefährlich für aufklärerische Gesellschaften, in moderater Form : ungefährlich bis gut), Dr. Webbaer bringt gerne Beispiele bei, will abär das ‘Zusammenwirken’ zuvor raus haben.
            Ein koordiniertes konzertiertes ‘Zusammenwirken’ der hier gemeinten Akteure gibt es nicht oder besser : ist nicht nachweisbar.
            (Diesbezüglich wird Dr. Webbaer also in keine Falle laufen.)

            MFG
            Dr. Webbaer

          • Naja, @Webbaer, Sie hatten u.a. geschrieben, “dass das internationalistische, globale Finanzkapital sich hier medial-politisch engagiert (witzigerweise i.p. antiselektive und mengenmäßig ungesteuerter Immigration auch politisch Linke, womöglich als „nützliche Idioten“ bewirtet)”, also aus einer disparaten, verstreuten Gruppe einen Akteur gemacht. Analog zur Marxschen Arbeiterklasse… 😉 🙂

          • Lieber Herr Dr. Michael Blume,
            Schwamm drüber, geht vom dankenswerterweise bereit gestellten Topic weg, polit(olog)ische Analyse ist nicht mit Verschwörungsglauben zu verwechseln, das Wetter ist gut, Ihr Kommentatorenfreund dankt, schätzt Sie (mittlerweile wieder) sehr, wie anfänglich sozusagen, und will sich gerne zu diesem Topic vertagen, um dann wieder zu kommen, wenn Sie ausdrücklich bestimmte Fragen polit(olog)isch erörtert zu sehen wünschen.
            MFG + schöne Woche noch,
            Dr. Webbaer

  2. “Rechtsgerichtete Medien wie Fox News sowie Dutzende Verschwörungsportale und Netzakteure wie Kim Dotcom griffen die („alternative“) Story auf”

    “Der für die US-amerikanische Demokratie und die Partei der Demokraten aktive Seth Rich wurde so nachträglich zum antidemokratischen Mem und Symbol von Verschwörungsglauben umgedeutet.”
    “nachträglich(sic!)”

    Das ist schlicht falsch. Die Theorie, dass Seth Rich Wikileaks die belastenden Dokumente über die DNC zugespielt hatte, gibt es schon seitdem er ermordet wurde. Dass erst jetzt eine Verschwörung gestrickt werde, stimmt also nicht.

    Zudem ist es eine valide Theorie, dass er die Quelle des Leaks war und seine Ermordung etwas damit zu tun hat. Von einer Superverschwörungstheorie kann keine Rede sein. Dass Sie das gleich mit Chemtrails etc. in Verbindung bringen ist ein rhetorischer Trick aus der unteresten Schublade.

    “und sich Trumps Team immer tiefer in Russland-Connections verheddert”
    Wer ist hier der wahre Verschwörungstheoretiker?

    • Sehr geehrter Herr Lauert,

      oha, danke für die Bestätigung, dass das #SethRich-Narrativ auch bereits von Deutschsprachigen vertreten wird…

      Sie schrieben: “Die Theorie, dass Seth Rich Wikileaks die belastenden Dokumente über die DNC zugespielt hatte, gibt es schon seitdem er ermordet wurde. Dass erst jetzt eine Verschwörung gestrickt werde, stimmt also nicht.”

      Bitte verzichten Sie darauf, Aussagen zu “widerlegen”, die ich gar nicht getan habe. Im obigen Blogpost weise ich u.a. ausdrücklich auf den Wikileaks-Tweet vom August 2016 hin. Wie bei Verschwörungsmythen üblich werden diese über die Zeit hinweg immer weiter ausgebaut und ausgedeutet. Dies beschreibe ich (und demonstrieren Sie).

      “Zudem ist es eine valide Theorie, dass er die Quelle des Leaks war und seine Ermordung etwas damit zu tun hat.”

      Eine “valide Theorie” müsste sich auf überprüfbare Belege stützen – und zwar auf umso stärkere, umso massiver die darauf gründenden Behauptungen sind. Für die wahrhaft monströse These, dass demokratische Politiker im aufziehenden Wahlkampf die Ermordung eines Aktivisten durchgeführt, dies gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden vertuscht und stattdessen zu Unrecht russische Hacker der Leaks beschuldigt hätten, gibt es dagegen bislang keinerlei überprüfbare Belege. Dass es sich für Sie ggf. glaubwürdig “anfühlt” hängt allein mit Ihrer Wahrnehmung der US-Demokraten und der US-Institutionen zusammen, die Sie sich in ausgesuchten, sozialen Netzen bestätigen lassen.

      “Von einer Superverschwörungstheorie kann keine Rede sein.”

      Deswegen benutze ich diesen Begriff auch nicht, sondern schreibe präzise vom Verschwörungsmythos. Worterklärungen sind verlinkt und werden auch im Audioblog vorgenommen.

      “Dass Sie das gleich mit Chemtrails etc. in Verbindung bringen ist ein rhetorischer Trick aus der unteresten Schublade.”

      Das hängt selbstverständlich von der jeweiligen Glaubensperspektive ab: Chemtrail-Gläubige sind ebenso wie Sie der Meinung, “validen Theorien” von Superverschwörungen durch US-Regierungen auf der Spur zu sein. Und auch sie sammeln sich im Netz dazu vermeintliche “Belege” und bekräftigende Stimmen zusammen. Die Psychologie der Narrative ist sehr gut vergleichbar, deswegen weise ich auf die Parallelen hin.

  3. Sehr geehrter Herr Blume,

    “Bitte verzichten Sie darauf, Aussagen zu „widerlegen“, die ich gar nicht getan habe. Im obigen Blogpost weise ich u.a. auf den Wikileaks-Tweet vom August 2016 hin.”

    Dann forumlieren Sie genauer. Die entsprechenden missverständlichen Stellen habe ich Ihnen ja zitiert.

    “Eine „valide Theorie“ müsste sich auf überprüfbare Belege stützen”
    Wenn es überprüfbare Belege gibt, ist es keine Theorie mehr, sondern Fakt. Daher ist ja eine Theorie.
    Valide ist sie, weil es verschiedene Indizien gibt, die sie plausibel machen:

    – Julien Assange und Wikileaks deuten an, dass er die Quelle ist. Wikileaks hat sich durch einen guten Track-Record als zuverlässig erwiesen. Dass diese Plattformen vielen Liberalen jetzt nicht mehr passt, seitdem sie belastendes Material zur Zusammenarbeit der DNC mit der Presse veröffentlicht hat, das die Sabotage der Kampagne von Bernie Sanders beweist (und damit auch Trump geholfen haben dürfte), ändert daran nichts.

    – Seine Ermordung korreliert zeitlich mit dem Leak.

    – Seine Ermordung wirft Fragen auf. Er wurde von hinten erschossen, dann wiederum scheint seine Leiche Spuren eines Kampfes aufzuweisen (wirkt nachträglich zugefügt). Die Story des Raubmordes passt nicht, da nichts entwendet wurde (Geldbeutel war noch da). Weiterhin hat sich die Polizei anscheinend weder für Überwachungsvideos der Bar noch für Zeugen aus der Bar interessiert.

    Wie gesagt, plausible Indizien, und daher eine valide Theorie. Nur weil die Zeitungen, die Sie vielleicht gerne lesen, diese für Unfug halten, raubt ihr das nicht die Validität.

    “umso massiver die darauf gründenden Behauptungen sind”
    Wer bestimmt, wie massiv eine Behauptung ist? Sie?

    “Für die wahrhaft monströse These, dass demokratische Politiker im aufziehenden Wahlkampf die Ermordung eines Aktivisten durchgeführt, dies gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden vertuscht und stattdessen zu Unrecht russische Hacker beschuldigt hätten, gibt es bislang keinerlei überprüfbare Belege.”

    Hier würfel[n] Sie einfach verschiedenes zusammen. Z.B. würde es die Ermordung nicht ausschließen, wenn es Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden [nicht] gibt.

    “Dass es sich für Sie ggf. glaubwürdig „anfühlt“”

    Danke, dass Sie gleich eine Analyse meiner Psyche mitliefern. Ich fühle nur, Sie wissen Bescheid. Die Trump-Russland-Connection halte ich übrigens bisher ebenso für eine valide Theorie. Ich verzichte darauf, diese als Verschwörungstheorie abzutun und Andersmeinende gleich zu psychologisieren.

    “Deswegen benutze ich diesen Begriff auch nicht, sondern schreibe präzise vom Verschwörungsmythos.”

    Zitat:
    “fühlen und glauben viele seiner Anhänger, dass die „eigentliche“ Superverschwörung von den US-Demokraten ausginge, die auch vor Mord an den eigenen Aktivisten nicht zurückschreckten”
    “Ob es um Fragen von Evolution und Glauben, um Chemtrails oder eben um vermeintliche Superverschwörungen in der Politik geht ”

    “Das hängt selbstverständlich von der jeweiligen Glaubensperspektive ab. Chemtrail-Gläubige sind ebenso wie Sie der Meinung, Superverschwörungen durch US-Regierungen auf der Spur zu sein. Die Psychologie der Narrative ist sehr gut vergleichbar, deswegen weise ich auf die Parallelen hin.”

    Nein, ist sie nicht, und daher ist der Vergleich völlig falsch. Für Chemtrails gibt es keine plausiblen Indizien, daher ist es keine valide Theorie, sondern Humbug. Außerdem schreiben Sie schon wieder von der Superverschwörung, obwohl Sie doch der Meinung waren, diesen Begriff nicht zu benutzen. Legen Sie sich doch mal fest.

    • Sehr geehrter Herr Lauert,

      wie erbeten habe ich die Schreibfehler mit […] korrigiert.

      Und ansonsten kann ich Ihnen – ohne für mich selbst Unfehlbarkeit in Anspruch nehmen zu können – beim besten Willen nur empfehlen, sorgfältiger zu lesen. Ich unterschiede hier auf dem Blog, im Buch und Video etc. sehr bewusst zwischen Verschwörungstheorie und Verschwörungsmythos, belegbaren Verschwörungen und quasi-religiösen Superverschwörungen. Es ist alles auch online verfügbar: Bitte haben Sie jedoch Verständnis, dass ich beim besten Willen nicht in erläuternde Einzelseminare einsteigen kann. Erlauben Sie mir allenfalls den Hinweis, dass auch die Wahrnehmung von Texten (samt dem Hineininterpretieren von Nicht-Geschriebenem) ein Schlüssel sein kann, um die eigenen Dispositionen zu überprüfen.

      Und auch wenn Sie zum Beispiel empfinden, dass Wikileaks einen “guten Track-Rekord” habe, so würde ich darauf hinweisen, dass dieser “Track” sehr auffallend einseitig war und ist und Assange eben nur “andeutet”, was doch leicht zu belegen wäre… Das Nach- und Überdenken Ihrer Wahrnehmung kann und will ich Ihnen nicht abnehmen. Hier ist alles nur ein freundliches Angebot – ein Kann, kein Muss. Das eben ist einer der Vorzüge einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung. 🙂

      Ihnen alles Gute!

    • Bernd Lauert:
      “Wenn es überprüfbare Belege gibt, ist es keine Theorie mehr, sondern Fakt. Daher ist ja eine Theorie.”

      Das ist falsch. Eine Theorie ist etwas grundsätzlich anderes als ein Fakt. Eine Theorie bringt verschiedene Fakten in einen Erklärungszusammenhang. Eine Theorie selbst wird niemals Fakt. Worum es bei Seth Rich geht, ist bestenfalls eine unbelegte Vermutung von sehr geringer Plausibilität.

  4. Sehr geehrter Herr Blume,

    da Sie auf meinen Anmerkungen gar nicht eingehen, gehe ich davon aus, dass Ihnen die Munition ausgegangen ist.

    “Erlauben Sie mir allenfalls den Hinweis, dass auch die Wahrnehmung von Texten (samt dem Hineininterpretieren von Nicht-Geschriebenem) ein Schlüssel sein kann, um die eigenen Dispositionen zu überprüfen.”

    Insofern nicht weiter verwunderlich, dass Sie es dabei belassen, zu psychologisieren, was ich begründeter Weise als Unterstellung rationaler Defizite meinerseits verstehen kann. Da ich hierauf nicht weiter eingehen werde, wünsche ich auch Ihnen alles Gute. Bitte wundern Sie sich jedenfalls auch in Zukunft nicht, warum immer mehr Menschen diesen albernen Superverschwörungen wie z.B. der Seth Rich-Geschichte Glauben schenken und nicht der reinen Wahrheit folgen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Bernd Lauert

    • Sehr geehrter Herr Lauert,

      vielen Dank für Ihr Verständnis.

      Erlauben Sie mir nur noch die ergänzende Information, dass ich keinesfalls nur Ihnen “rationale Defizite” unterstellen würde – sondern als Religionswissenschaftler streng davon ausgehe, dass wir Menschen grundsätzlich nur teilweise rational wahrnehmen, diskutieren, glauben usw. Davon nehme ich weder mich selbst noch mein eigenes Umfeld aus (wie Sie schon am obigen, ironisierenden Eingangssatz festmachen können). Wir alle wissen (wenig) und glauben (viel) und organisieren uns in Milieus, Gemeinschaften und Netzwerken, die zu wissen glauben. Wenn wir als Gesellschaft nicht in völlig abgeschottete Medienblasen zersplittern wollen, dann führt m.E. kein Weg darum herum, dass wir (auch Sie, auch ich) uns der Begrenzungen unserer Rationalitäten und Wahrnehmungen bewusst werden. Genau dafür steht auch dieser Blogpost, oder z.B. dieser Vortrag mit Datengrafiken:
      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/ringen-wir-noch-um-wahrheit-evolution-religion-debatten-in-postfaktischen-zeiten/

      Ihnen auch freundliche Grüße!

      Michael Blume

  5. Danke Hr. Lauert.
    Ich denke eher das der Verfasser dieses Artikels in einer realitätsfremden Blase (wie leider noch so viele) lebt.

    • Ja, @M.S. – das denken und glauben (auch) Sie, wie Generationen von Gnostikern (“Wissende”) gegen die etablierten Institutionen und “Wahrheiten” vor und mit Ihnen. Sie sind sich sehr sicher, verschwörerisch unterdrückte Wahrheiten erkannt zu haben und hoffen, dass “bald” auch noch viel mehr Menschen an der “Apokalypse” (wörtlich: Entschleierung) teilhaben. Im Netz finden Sie andere “Wissende” und unterstützen einander, Sie erfahren Gemeinschaft und Sinn. Gemeinsam hoffen Sie auf den Zusammenbruch des Bestehenden und die revolutionäre Entstehung von etwas Besserem. Was früher eine Angelegenheit kleiner, elitärer Zirkel war, wird durch das Internet zum – auch gezielt befeuerten – Massensport, vgl.
      http://www.spektrum.de/kolumne/meinung-verschwoerungsglaube-ist-ein-religioeses-problem/1418857

      Vielen Dank für Ihr – ggf. erkenntnisoffenes – Interesse! 🙂

  6. Sehr geehrter Herr Blume,

    vielen Dank für die Klarstellung.

    Ich teile Ihre Meinung. Jeder Mensch tendiert dazu, eher das eine oder das andere zu glauben bzw. eher Tatsachenbehauptungen zu akzeptieren, die in bereits ausgetretene Pfade der eigenen Gedankenwelt passen.

    Die Frage, die für mich verbleibt, ist: Nehmen Sie sich hiervon aus? Sie scheinen ja (jedenfalls nach Lektüre dieses Blog-Beitrages) überzeugt zu sein, dass die Seth-Rich-Geschichte eine Superverschwörung (oder ein Verschwörungsmyhtos) der “Gegenmedien” sei, demgegenüber aber das “liberale, akademisch geprägte Amerika” (vermeintlich) einhellig die Russland-Connection akzeptiert – also richtig liegt?

    Wenn dem so ist: wie kommen Sie dazu? Sie haben ja ein sehr klares Statement gemacht (mE) – hier die Vernunft, da die Verschwörungstheorie. Wer so ein Statement tätigt, muss der Sache doch sehr viel Recherche- und Überlegungszeit gewidmet haben… Oder ist es eine Verschwörungstheorie, einfach weil sie nicht von den “richtigen” Kanälen propagiert wird?

    Mit freundlichen Grüßen
    Bernd Lauert

    • Sehr geehrter Herr Lauert,

      nun ist zwischen uns doch noch ein konstruktiver Dialog entstanden, vielen Dank auch Ihnen dafür!

      Und gerne nochmal: Ich halte die begrenzte Rationalität und religionspsychologischen Mechanismen für allgemein menschlich und nehme mich da auch selbst also in keiner Weise aus! Mir ist, wie ja auch gleich im Eingangssatz des Blogposts oder auch in meinem KIT-Vortrag sogar mehrfach formuliert völlig klar, dass wir alle als Menschen Teil des Geschehens sind.

      Entsprechend fussen auch meine Überzeugungen selbstverständlich auf geglaubten Annahmen und begrenzten Erkenntnissen – und ich kann beispielsweise schon logisch nicht völlig ausschließen, dass wir in einer simulierten Matrix leben, Hexerei doch im Verborgenen funktioniert oder die Clinton bereits früher unterstellte #Pizzagate oder ein Auftragsmord an #SethRich doch stattgefunden hat. Denkbar (und unwiderlegbar) ist bis hin zu reptiloiden Aliens sehr vieles.

      Meine Überzeugungen fussen dagegen jedoch auf dem lebensweltlich und evolutionstheoretisch begründeten Glauben (!), dass wir Menschen trotz all unserer beschränkten Rationalität und Erkenntnisfähigkeiten immer wieder kollektiv bewährte Regeln (“Institutionen”) zur Annäherung an eine echte Realität finden konnten, sprich: Dialog, die Methoden der Wissenschaft, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit (samt Recht auf eine ordentliche Verteidigung), Freiheits- und Wahlrechte auch im Hinblick auf eine Vielfalt an Medien und Parteien. Ich halte daher das liberale, demokratische System nicht für perfekt (und die Menschen darin schon gar nicht!), aber für weit besser als jedes autoritäre und illiberale System. Entsprechend schätze ich beispielsweise die deutschen, öffentlich-rechtlichen Medien tatsächlich für insgesamt glaubwürdiger ein als z.B. russische Staatsmedien.

      Und entsprechend versuche ich auch, einerseits Mythen von überprüfbaren Theorien zu unterscheiden, aber auch immer für neue Erkenntnisse offen zu bleiben. Konkret erlebe ich beispielsweise, dass die lange als nahezu unangefochten vertretene Out-of-Africa-Theorie zur Evolution des Menschen durch neue Befunde und Datierungen herausgefordert wird, vgl. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/anthropologie-forscher-verlegen-wiege-der-menschheit-von-afrika-nach-europa-a-1148788.html

      Von denkbaren – und ja auch vielfach belegten – realen Verschwörungen (z.B. Libor- oder Dieselmanipulationen) unterscheide ich daher mythologische Superverschwörungen, die so fantastisch und zugleich schwach belegt sind, dass sie nur funktionieren, wenn man den vermeintlichen Verschwörern übermenschliche Fähigkeiten zuschriebe. Das #SethRich-Verschwörungsnarrativ verortet sich m.E. ganz klar in diesem mythologischen Bereich, zumal es ein über Monate hinweg abgestimmtes Vorgehen US-demokratischer Spitzenakteure, Mitarbeiter, Verbrecher und von US-Sicherheitsbehörden über Monate hinweg impliziert.

      Ich hoffe aber, dass angekommen ist, dass ich mit dieser Einschätzung Ihre Person und Ihre intellektuellen Fähigkeiten nicht herabwürdige. Umgekehrt haben Sie ja vielleicht auch Verständnis für meine christlich-liberalen Überzeugungen, die selbstverständlich ebenso auf mythologischer Grundlage bestehen (und sich als solche auch in der aufgeklärten Theologie kenntlich machen). Wir glauben alle – und was wir jeweils glauben, wirkt sich auf unser Leben und unsere Umwelt aus.

      Ihnen alles Gute und einen schönen Abend!

  7. Bernd Lauert,
    ….US-Russland connection,
    etwas besseres könnte es doch gar nicht geben. warum wird das als negativ angesehen?
    Die Trumps kommen und gehen, aber so eine connection wäre ein Garant für die Erde insgesamt.

  8. Hm .. also ich persönlich traue Julian Assange mehr als dem (fachlich) unqualifizierten “Russian Hacker”-Verschwörungstheorien die in Teilen der MSM verbreitet werden.
    Zudem ist nachgewiesen, daß auch der Reddit Account von Seth Rich nach seinem Tod manipuliert wurden (posts gelöscht).
    Insgesamt ist die Informationslage unübersichtlich, allerdings ist ein politisch motivierter Mord im Bereich des Möglichen weshalb ich eine Disqualifizierung als “Verschwörungstheorie” für übertrieben halte. Bewiesen ist nichts aber es stinkt schon etwas ..

    • @R. Möller

      Nur auch an Sie der kurze Hinweis, dass m.E. an überprüfbaren Verschwörungs”theorien” gar nichts auszusetzen ist – jeder Staatsanwalt, jede investigative Journalistin erstellt und überprüft solche.

      Problematisch wird es jedoch, wenn starke Gefühle, Vorüberzeugungen und auch gezielte Manipulationen zu Verschwörungsmythen führen – also zu Verschwörungsvorwürfen, die schwach belegt sind und dennoch nicht mehr widerlegt werden können.

  9. 1. Aus technischer Perspektive: Es ist nahezu unmöglich nachzuweisen woher Hackerangriffe stammen. Alle Spuren eines Hackerangriffs lassen sich fingieren. Demnach ist auch jede Meldung “Man wüsse genau woher der Angriff kam” anzuzweifeln, es sei denn man hat es auf anderem Wege herausgefunden. Demnach tappen Sie genauso im Dunkeln wie alle anderen auch.

    2. Schreiben Sie doch mal eine Artikelserie über MKUltra. Ein Projekt wie aus einem Horrorfilm. Selbst Infowars, Trump und Wikileaks hätten niemals daran geglaubt, dass sie wahr sind.

  10. Sehr geehrter Herr Blume,

    Die Behauptung, die Demokratische Partei (oder Hillary Clinton höchstpersönlich) habe die Ermordung von Seth Rich in Auftrag gegeben, kann man mit nachvollziehbaren Gründen eine Verschwörungstheorie nennen.

    Sie wissen aber, dass Julian Assange im August in einem Interview davon gesprochen hat, dass die Informanten von Wikileaks Risiken eingehen, und dass er dann von sich aus Seth Rich erwähnt hat:
    https://www.youtube.com/watch?v=Kp7FkLBRpKg

    Dass man diese Aussage so versteht, dass Seth Rich ein Informant von Wikileaks war, ist mehr als naheliegend.
    Julian Assange suggeriert ja sogar, Seth Rich sei aus diesem Grund ermordet worden.

    Ihr Text liest sich aber so, als sei klar, dass “die Russen” die Mails der Demokratischen Partei gehackt hätten, weil es abwegig sei, zu glauben, die Demokratische Partei habe Seth Rich ermordet.

    Das ähnelt ein wenig der Argumentation im Zusammenhang mit “Pizzagate”, das Sie in einer Antwort erwähnen.
    Dort gab es am Anfang einige geleakte E-Mails mit unverständlichem Inhalt. Dieser unverständliche Inhalt klang wie ein Code.
    Dann haben Leute diesen Code mit Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht und Hillary Clinton zur Leiterin eines Rings von Kinderschändern erklärt. Die lauten Protagonisten dieser Theorie wirken verblendet von Hass und argumentieren oft wirr.

    Die Reaktion war: Der Vorwurf des Kinderschänderrings kommt von Spinnern. Und damit darf man sich mit dem vorgeblichen Code in den Mails nicht mehr beschäftigen – sonst unterstützt man die Spinner.

    Oder beim 9. November: aus ungeklärten Fragen schließen einige, dass die US-Regierung die Anschläge beauftragt haben.
    Auch hier wirken die lauten Protagonisten verblendet und verbreiten zum Teil offensichtlichen Unsinn. Und deshalb darf man sich mit den offenen Fragen nicht mehr beschäftigen – sonst unterstützt man diese gefährlichen Spinner.

    Meine Verschwörungstheorie dazu:

    Um die offenen Fragen des 9. November nicht beantworten zu müssen,
    um den Code in den Mails nicht hinterfragen zu lassen,
    um die Urheberschaft “der Russen” an den geleakten Mails nicht in Frage zu stellen,
    werden Verschwörungstheorien kreiert, die die Beschäftigung mit den Themen zum Tabu zu erklären.

    In dem von Ihnen genannten Fall käme dann die Theorie, die Demokratische Partei habe Seth Rich umgebracht, aus dem Umfeld der Demokratischen Partei.

    Viele Grüße
    Joachim Keitel

    • Sehr geehrter Herr Keitel,

      ich denke, Sie sprechen da ein erkenntnistheoretisch zentrales Problem an: Wenn es außer dem subjektiven Gefühl kaum mehr Wahrheitskriterien gibt, zersplittert auch die “Verschwörungsglaubensszene”. Für #Chemtrail-Anhänger erscheint dann ggf. #Pizzagate als eine verschwörerische Ablenkung, eine Vertreterin der #SethRich-Verschwörungsszenarien glaubt vielleicht, dass auch der #IS eine False Flag-Operation wäre usw. Und während einige Donald Trump als Vorkämpfer gegen den “tiefen Staat” halten, meinen andere, er sei dessen Produkt und Placebo. Steuern die Bilderberger die “Weisen von Zion” oder stecken reptiloide Aliens hinter den Illuminaten? Und hat der CIA den obigen Verschwörungsmord-Tweet der russischen Botschaft veranlasst?

      Meines Erschtens drohen nicht nur Beliebigkeit, sondern tatsächlich Verwirrung und Desorientierung, wenn nicht reflektiert wird. Die sorgfältige Unterscheidung zwischen überprüfbaren Verschwörungstheorien einerseits und nicht mehr überprüfbaren Verschwörungsmythen andererseits wäre ein Anfang.

      • Sehr geehrter Herr Blume,

        ihre Betrachtungen sind meiner Meinung nach oft zu allgemeiner Art. Ständig vermischen Sie Verschwörungstheorien verschiedenster Art in ihrer Argumentation und bleiben dabei zu oberflächlich. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die von Ihnen vorgenommene begriffliche Unterscheidung von (Super)Verschwörungstheorien oder Verschwörungsmythen zu einer klareren Sichtweise beitragen kann, denn die Trennschärfe der Begriffe erschließt sich mir nicht. Ob eine Theorie sich als “wahr” herausstellt, muss doch immer noch am Detail geklärt werden. Also bei der Seth Rich-Ermordung könnte dies beispielsweise an einem überprüfbaren Überwachungsvideo vom Tatort geschehen.
        Aus dem Gesamtzusammenhang der Indizien, die Herr Keitel und Herr Lauert oben ja ganz richtig dargelegt haben, ergibt sich für mich momentan eher das Bild, dass die Anhänger dieser Theorie vermutlich recht haben und dass die Ermordung tatsächlich politisch motiviert gewesen ist.
        Noch interessanter finde ich allerdings die Frage, weshalb die großen Medien in den USA und auch in Deutschland überhaupt nicht an einer Aufklärung des Falls interessiert sind sondern vielmehr einstimmig in den Chor der “Russia-Hack” Argumentierer einstimmen, dessen Plausibilität sich mir bisweilen weitestgehend entzogen hat. Dieses Argument wird ad nauseam seit Monaten immer weiter geführt und bereitwillig wird jedem neuen Geschehnis im und um das Weiße Haus und Trump ein journalistischer Spin in diese Richtung gegeben. Dieser Umstand weist für mich auf starke antidemokratische Abhängigkeiten der Medien zu Größen in der Politik und Wirtschaft hin, die leider beinahe schon systemimmanent scheinen.

        Ich danke Ihnen jedoch für den offenen und erkenntnisfördernden Diskurs hier in den Kommentaren.

        Mit freundlichen Grüßen,
        Robert Schneider

        • Sehr geehrter Herr Schneider,

          es erscheint mir völlig logisch, dass Sie und andere Wert darauf legen, nicht mit der Anhänger jeweils anderer Verschwörungsmythen in einen Topf geworfen zu werden. So erscheint Ihnen die Annahme, die Regierungen der Welt würden über Abertausende Flugzeuge Giftstoffe versprühen, vermutlich genauso absurd wie mir der #Pizzagate-Vorwurf an Hillary Clinton. Wir beide wären wohl erst dann bereit, uns nicht ansprechende Verschwörungsnarrative als real geschehen anzunehmen, wenn uns dafür überzeugende und nachprüfbare Belege über glaubwürdige Medien präsentiert würden.

          Bezüglich des #SethRich-Verschwörungsmordvorwurfes kommen Sie gleichwohl ebenfalls zu dem Ergebnis, dass “Anhänger dieser Theorie vermutlich recht haben” und sehen dafür einen “Gesamtzusammenhang der Indizien”. Dass es an überprüfbaren Belegen bisher fehlt, führen Sie auf eine Verschwörung der “großen Medien” sowie auf den Einfluss von “Größen in der Politik und Wirtschaft” hin, die freilich auch ermittelnde Sicherheitsbehörden fernsteuern müssten. Dass Misstrauen gegen die (hier: US-amerikanischen) Institutionen leitet also Ihre Annahmen zur Plausibilität der “Indizien”.

          Ohne Sie mit #Chemtrail-Verschwörungsgläubigen in eine Schublade packen zu wollen, möchte ich doch auf das völlig gleichgeartete Indizien-Argument zum Beispiel von @DieWahrheit in einem Blogkommentar hier verweisen. Auch er beruft sich auf ein Mißtrauen gegen US-amerikanische wie auch deutsche Institutionen, darüber hinaus aber auch auf persönliche, subjektive Wahrnehmungen. So schreibt er:

          Ich sehe dass die Kondensstreifen der Flugzeuge sich ‚verbreiten’/ausdehnen und den Himmel dauerhaft verschleiern. Dies war früher so nicht zu sehen. Somit schließe ich darauf, dass die Flugzeuge inzwischen andere Partikel ausstoßen, die dies bewirken.

          Meine bzw. unsere Hinweise auf fehlende Belege bis hin zu ausdrücklich gegenseitigen Befunden in Wissenschaft und Medien kann @DieWahrheit stets mit dem Argument wegwischen, diese seien eben alle Teil der (Super-)Verschwörung – wie es auch die Anhänger der #SethRich-Conspiracy tun. Das Verschwörungsnarrativ ist damit gegen Einwände immunisiert worden – aus der noch überprüfbaren Verschwörungstheorie ist ein nicht mehr überprüfbarer Verschwörungsmythos geworden.

          Wenn wir Wissenschaftler eine Theorie formulieren, so sind wir gehalten, auch jeweils kenntlich zu machen, welche Art von Befunden unsere jeweilige Theorie denn klar widerlegen würde. Vielleicht hilft Ihnen dieser Ansatz ja weiter – wenn Sie für sich klären, ob und welche Art von Belegen Sie denn überhaupt noch davon überzeugen könnten, dass Seth Rich nicht Opfer eines Verschwörungsmordes wurde. Denn positive Belege für diese “These” gibt es bislang schlichtweg nicht und sogar FoxNews hat einen entsprechenden Bericht inzwischen zurückgezogen (wie auch @Axel Krüger verlinkte):
          http://edition.cnn.com/2017/05/24/us/seth-rich-dnc-wikileaks-theories/

          Und so landen wir eben beim erkenntnistheoretischen Unterschied: Würden glaubwürdige Institutionen tatsächlich Belege auf einen Auftragsmord an Seth Rich treffen, so würde dies meine Weltanschauung erschüttern – ich würde es jedoch schmerzhaft akzeptieren und eine Bestrafung der Schuldigen einfordern. Fragen Sie sich bitte umgekehrt: Würden Sie ebenso die Verhaftung der räuberischen Täter Richs als Beleg anerkennen – oder eher doch davon ausgehen, dass auch dies nur ein weiterer Zug der Superverschwörer sein könnte? Ist Ihre Weltsicht damit überhaupt noch widerlegbar oder stehen “Gut” und “Böse” wie in jedem Mythos nicht eigentlich schon immer wieder fest?

          Lassen Sie mich abschließend auch noch darauf hinweisen, dass längst auch Varianten des #SethRich-Mythos im Netz vagabundieren, nach denen nicht die US-Demokraten, sondern Russland hinter dem Verschwörungsmord stünden, die damit ihren Hack vertuschen wollten…
          http://www.dailymail.co.uk/news/article-4264558/GOP-lobbyist-claims-Russia-murder-Seth-Rich.html

          Sie sehen also: Im Verschwörungsglauben kommen wir den komplexen Wahrheiten nicht näher, sondern folgen letztlich unseren Gefühlen und Feindbildern…

          Ihnen, lieber Herr Schneider, einen schönen und erholsamen Feiertag!

          • Sehr geehrter Herr Blume,

            Ihre Argumentationskette kann ich so nicht gelten lassen. Ich versuche immer nüchtern und analytisch an die Dinge heranzugehen.
            Ihre Parallelen, die Sie zu dem von Ihnen zitierten Anhänger der Chemtrail-Verschwörung ziehen, sind in meinen Augen so nicht richtig.
            Ich bin nicht Anhänger der Verschwörungstheorie von der Ermordung von Seth Rich weil ich ein Misstrauen gegenüber Regierung und Medien habe. Es ist gerade anders herum. Auf Grundlage der Fakten, die zwar die Theorie nicht zweifelsohne beweisen, tendiere ich dazu, an einen politischen Mord von Seth Rich zu glauben. Aus diesen Implikationen und dem Umgang der Medien im Zusammenhang mit diesem Mord wächst bei mir das Misstrauen, welches (gerade gegenüber den Medien) zugegebenermaßen schon vorher in Teilen vorhanden war. (Nebenbei gesagt halte ich eine gesunde Portion von Misstrauen bei der Analyse aber generell für sehr wichtig und erkenntnisfördernd.)
            Ich wäre übrigens gerne bereit, alle Argumente als Unfug anzuerkennen und Gegenbeweise anzunehmen. Dann könnte ich nämlich mein bisheriges Weltbild beibehalten…
            Aber vielleicht können wir wenigstens bezüglich einer Sache doch einmal ins Detail gehen:
            Warum bringt Julian Assange die Ermordung von Seth Rich von sich aus in ein Interview ein und weshalb lobt Wikileaks ein Kopfgeld für die Ergreifung seiner Mörder aus? Dieser Punkt ist für mich der gravierendste und derjenige, über den ich nicht einfach weggehen kann. Wikileaks hat sich seit Jahren eine in meinen Augen wirklich hohe Glaubwürdigkeit aufgebaut. Es wurde ja auch nie der Inhalt der DNC-Leaks angezweifelt sondern lediglich die angebliche Art und Weise. Weshalb sollte Wikileaks diese Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen, indem sie hier eine falsche Fährte legen?
            Ich habe auch noch weitere, brennende Fragen zur Gesamtthematik. Aber vielleicht können Sie mir bezüglich dieser einen Frage einmal Ihre eigene Ansicht darlegen?

            Die Tatsache, dass Fox News den Artikel über Seth Rich zurückgezogen hat, spricht in der Tat gegen einen politischen Mord. Allerdings gibt es da dann auch noch Sean Hannity, der offenbar gerade gewillt ist, seine jahrzentelange Karriere diesbezüglich aufs Spiel zu setzen, was wieder in die andere Richtung deutet.

            Bezüglich Ihrer angesprochenen Theorie, dass die Russen es gewesen seien: Diese Plausibilität erschließt sich mir nach Lektüre des von Ihnen verlinkten Artikels nicht.

            Wie Sie vielleicht sehen können, lieber Herr Blume, zähle ich mich nicht zu den fanatischen Anhängern eines Mythos, sondern bin gerne bereit, über offene Fragen zu diskutieren. Dann aber wirklich am Detail und nicht, indem man ganze Theorien (meinetwegen auch Mythen) mit dem Verweis auf die “wilde Anhängerschaft” für unwiderlegbar und damit falsch abtut. Sonst ist man am Ende noch selbst einem Mythos aufgesessen.

            Ich wünsche Ihnen noch ein angenehmes Wochenende. Beste Grüße,

            Robert Schneider

          • Sehr geehrter Herr Schneider,

            leider dreht sich die Debatte im Kreis. Daher schlage ich vor, dass ich im Folgenden einfach die sichtbaren Parallelen der #SethRich-, des #Pizzagate und des #Chentrail-Verschwörungsmythen aufzeige – und Sie bitte, den kategorialen Ubterschied zu benennen:

            1. Alle drei Verschwörungsmythen gehen davon aus, dass sich demokratische Politiker in einer großen Superverschwörung gegen ihre eigenen Völker richteten.

            2. Beide gehen davon aus, dass dabei die Gewaltenteilung ausgehebelt worden sei und also Politik, Sicherheitsbehörden, Medien etc. in der Superverschwörung zusammenarbeiteten.

            3. Das Fehlen offizieller Belege für die Verschwörungsannahmem gilt also nicht als Widerlegung, sondern als Beleg für die Größe der Superverschwörung.

            4. Statt auf die offiziellen Medien sei daher Vertrauen in
            neue Internetmedien zu setzen. Aber eben auch nur in diese, die die je eigene Verschwörungsversion vertreten (und nicht z.B. wiederum die Russen oder reptiloide Aliens beschuldigen).

            5. Über die Plausibilitätsannahmen der #SethRich- und #Pizzagate-Mythen hinaus berufen sich #Chemtrail-Glaubende sogar noch auf den eigenen Augenschein und persönliche Erinnerungen.

            Ich kann also nur noch einmal feststellen, dass die “offizielle Version” widerlegbar ist – beispielsweise, wenn das FBI tatsächlich demokratische Täter in den #SethRich- oder #Pizzagate-Fällen ermitteln würde. Dagegen haben #SethRich-Verschwörungsmord-, #Pizzagate- und #Chemtrail-Glaubende ihre Mythen durch die Behauptung der Superverschwörung gegen Widerlegungen immunisiert. Grundsätzliche, kategoriale Unterschiede kann ich zwischen diesen dreien und weiteren Verschwörungsmythen aber beim besten Willen nicht erkennen, es sind m.E. verschiedene (und durchaus kombinierbare) Ausprägungen des gleichen Verschwörungsglaubens. Oder könnten Sie ggf. klare, kategoriale Unterschiede benennen?

            Mit herzlichen Grüßen und den besten Wünschen für die kommende Woche!

            Michael Blume

  11. Axel Krüger,
    ……danke für den Link. Er bringt doch etwas Klarheit in den Nebel.
    früher hat man bei den Zeitungen klar getrennt zwischen Meldung und Kommentar.
    Bei den Blogs sollte man diesen Standard wieder einführen und bei jedem Beitrag den Zusatz
    “Meldung” oder “Kommentar” oder “persönliche Meinung” einfordern.

  12. @Robert Schneider
    Zu Ihrem Zitat: “Dieser Umstand weist für mich auf starke antidemokratische Abhängigkeiten der Medien zu Größen in der Politik und Wirtschaft hin, die leider beinahe schon systemimmanent scheinen.”

    Noam Chomsky ist der starken Meinung, dass dies zumindest in der USA genauso ist. Zusammen mit Edward Herman hat er in den spät 80er Jahren auch ein sogenanntes Propaganda-Modell für westlich demokratische Gesellschaften formuliert. Hier die Kurzfassung.

    https://chomsky.info/consent01/

    Man könnte argumentieren, dass die Theorie etwas alt ist, aber abgesehen vom fünften Kontrollfilter des Antikommunismus, das man in heutiger Zeit getrost mit Antiterrorismus ersetzen kann, halte ich das Modell immer noch für relevant.

    • Nun, @Xiaolei Mu – auch diese “Thesen” lassen sich auf zwei Weisen lesen: Als empirische Beschreibung sind sie schwach, da selbstverständlich jede Gesellschaft immer wieder ihre Weltsichten, Meinungen und Grenzen aushandelt. Mit einem Federstrich wirft Chomsky jedoch autoritäre “Staatsbürokratien” (wie damals die Sowjetunion, China etc.) mit freieren und vielfältigeren Systemen in einen Topf.

      Und so erfolgt dann auch der nahtlose Übergang zur zweiten Lesart, zum nicht mehr überprüfbaren Mythos: Die Superverschwörung sei so groß, dass sie sogar die Beteiligten – z.B. Journalisten – selbst zu täuschen vermöge. Wer also einen Unterschied zwischen autoritären und liberalen Systemen behaupte – bestätige damit die Verschwörung…

      Es ist ein geschlossenes – und damit eben auch nicht mehr erkenntnisoffenes – Denksystem, das sich nicht über überprüfbare Empirie, sondern über Feindbilder ausweist. Entsprechend kann es problemlos sowohl von Links- wie Rechtsextremen und auch von religiösen Extremisten aufgegriffen werden. Sie alle eint der antiliberale Verschwörungsglauben…

  13. Kann man sich darauf einigen, das Wort “Verschwörungstheorie” im Diskurs nicht mehr zu verwenden?
    Die von den öffentlichen Stellen der USA über die Medien verbreiteten Meldungen sind ALLE durch den Filter der Geheimdienste gewandert. Ganz zu schweigen von jenen Nachrichten, die von den 20000 ausschließlich zu diesem Zweck angestellten Mitarbeitern des Pentagon verfasst werden.
    Kein Journalist hat die Ressourcen, hinterher zu recherchieren.
    Ich glaube eher den Millionen politikinteressierten Internetnutzern, von denen viele wesentlich mehr Zeit und einen wesentlich unvoreingenommeneren Zugang zu der riesigen Daten- und Informationsmenge im Internet haben.
    Da Sie davon leben, solchen irrelevanten unbrauchbaren Rotz abzusondern, kann ich aber Ihren Artikel akzeptieren.

    • Liebe/r/s @tutnichtszurSache,

      bislang kannte ich die Forderung nach Begriffsverboten vor allem aus dem linksextremen Bereich… Allerdings stimme ich Ihnen insofern zu, dass der Begriff der “Verschwörungstheorie” so unbestimmt ist, dass er (auch) hier in V-theorien, -mythen und-glauben aufgegliedert wird. Vielleicht finden Sie ja die Kapazität, sich damit ernsthaft auseinander zu setzen?

      Bezüglich Ihrer rational-sachlichen Unterstellungen zu “irrelevantem, unbrauchbarem Rotz”, von dem ich “leben” solle, beschränke ich mich gerne auf die Klarstellung: Das hiesige Bloggen leiste ich gerne und unbezahlt sowie ganz ohne Weisung ehrenamtlich. Die einzige “Bezahlung” liegt in der Aufmerksamkeit und den Kommentaren, die jedoch jeweils ebenfalls freiwillig sind. Wenn es Sie (warum auch immer) stresst, ignorieren Sie es doch einfach. 🙂

  14. tutnichtszursache,
    …….Filter der Geheimdienste,
    übertreiben Sie da nicht ein wenig? Die Leute , die dort arbeiten, sind genaus so dumm oder intelligent wie wir.
    So viele Leute kann man gar nicht beschäftigen, dass jede Nachricht gefiltert werden kann. Die Suchmaschinen reagieren nur auf Suchbegriffe . Sobald eine Umschreibung gemacht wurde, kann der Computer nicht darauf reagieren.
    Wir und Sie profitieren doch auch von dieser Technik. Google ist das Musterbeispiel. Ich habe neulich ein Foto von einer kleinen Kirche ins Internet gestellt. Nach nur einem Tag hatte Google sie entdeckt. Und jeder , der den richtigen Suchbegriff eingibt, kann sie sich anschauen, weltweit.
    http://www.kleinekirchen.de

  15. @bote17
    Das ist sicher keine Übertreibung:
    Diese Angestellten schreiben doch nicht ihre persönliche Überzeugungen, die werden dafür bezahlt – als Lohnarbeit – bestimmte Narrative in den Medien unterzubringen.
    Es gibt weltweit 4 große Nachrichtenagenturen, die für 80% der Nachrichtenmeldungen verantwortlich zeichnen (AP und Reuters für den anglikanen Sprachraum, DPA für den deutschen, AFP für den französischen). Es genügt, die linientreu konnotierten Meldungen dort unterzubringen.
    Der Vergleich mit dem Kirchenfoto ist bullshit.

    • @tutnichtszurSache

      Ja, auch in freien Gesellschaften setzen sich auf Märkten häufiger wenige Medienanbieter durch, deren Produkte (wie alle Medienprodukte) nie mehr als mehr oder weniger gelungene Annäherungen an die Realität sein können. Der Unterschied zwischen einer freiheitlichen und autoritären Gesellschaft ist jedoch, dass Sie – gerne auch mit Mitstreitenden – jederzeit ein eigenes Medienunternehmen gründen und Ihre Versionen des Weltgeschehens anbieten können. Sie können zum Beispiel einen Verlag, eine Zeitung, einen Blog, einen Radiosender u.v.m. gründen und dort Ihre Sicht der Dinge verbreiten. Dies ist zum Beispiel in Europa möglich und wird auch täglich gelebt, in Russland und China jedoch kaum. Entsprechend nutzen die Propagandisten der autoritären Systeme gerne jene Freiheiten, die sie ihren eigenen Bürgerinnen und Bürgern verwehren.

      • Und die kritischen Verlage, Magazine und Blogs werden dann mit den hierfür neu erfundenen Siegeln “hate speech” oder “fake news” abqualifiziert.
        Die Deutung der genannten Begriffe übernehmen dann linksfaschistische Gruppen wie die Amadeu Antonio Stiftung oder das aus Vertretern bzw Mitarbeitern der großen Medienkonzerne zusammengesetzte Correctiv.

        Wenn ich überlege, wie wohl die Nationalsozialisten die Kontrolle über die Deutungshoheit in sämtlichen Medien übernommen haben, dann überkommt mich ein eisiger Schauder angesicht der oben genannten Entwicklungen.

        • Ihr – wohl unvermeidlicher – NS-Vergleich zeigt dann eben den Mangel an historischem Verständnis, @tutnichtszursache. Die Nationalsozialisten haben abweichende Meinungen mit Gewalt unterdrückt – so, wie es heute noch in China, Russland, der Türkei etc. geschieht. Und so, wie es viele Rechts- und Linksextreme auch heute gerne tun würden, gäben wir ihnen die Macht dazu. (Vgl. Polen, Ungarn…)

          Sie jammern dagegen darüber, dass Populisten und Verschwörungsgläubige immer wieder im friedlichen Meinungsstreit unterliegen – vor allem dann, wenn sie (v.a. wissenschaftlich) überprüfbare Sachverhalte leugnen. Klar sind uns allen nur Annäherungen an die Realität möglich – wenn man aber Täuschern folgt, kommen Trump, Brexit und Co. dabei heraus. Und so dumm sind die meisten Menschen nicht unbegrenzt oft… 😉

          Ihnen frohe und erholsame Feiertage!

  16. Herr Blume,
    wie der Herr zu Tode gekommen, das weiß ich nicht. Ehrlich keine Ahnung. Die Demokraten sollen ihn getötet haben? Kommt mir unwahrscheinlich vor. Waren die Enthüllungen wirklich so brisant?
    Wie aufregend, Grabenkämpfe in Parteien, welch neue Erkenntnis.
    “Feind, Todfeind, Parteifreund” so lautet die sarkastische Steigerung, gehört in Bayern.
    Aber ich entdecke die Tendenz, anderen Meinungen immer häufiger mit dem Abwehrargument ” Verschwörungstheorie”entgegen zutreten ( und auch ich ertappe mich dabei).

    Mal ehrlich : Hätten Sie gedacht, dass VW diese Software entwickelt und einbaut ( was ich darüber denke, verkneife ich mir lieber). Ich nie.
    Oder der Casus G. Mollath. Eine Bank macht organisiert krumme Geschäfte. Vor 10 Jahren in weiten Kreisen undenkbar. Drum sollte der Herr u.a. in die geschlossene Psychiatrie.( der Hauptgrund war ein anderer, aber das wurde auch als Beleg für eine psychatrische Erkrankung angeführt).

    Fazit: Für mich wird eine VT zu schnell ins Feld geführt. Es gibt keine Verpflichtung jeden Unfug rational zu widerlegen. Wenn aber man widerlegt, sollte das Ergebnis VT am Ende einer begründeten Kausalkette stehen.

    Und nochmal: Mord durch die Demokratische Partei der USA, für mich nicht vorstellbar, aber es gibt soviele unglaubliche Räubergeschichten , die doch wahr sind ( und ich mache jetzt einen schweren Fehler, ich munkele düster rum, ob nicht doch was dran ist.Man weiß ja nie. Der Punkt ist, wir wurden schon so häufig belogen, es ging dabei Vertrauen und Verstand verloren).

    • Lieber @anderer Michael,

      nun, genau deswegen hinterfrage ich den Begriff der Verschwörungstheorie kritisch und spalte ihn auf (vgl. zu Verschwörungsmythen, Verschwörungsglauben).

      Die von Ihnen angeführten Beispiele belegen m.E. eindrucksvoll, dass freiheitliche Systeme durch verschiedenste Institutionen wie Medien, Staatsanwälte, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Untersuchungsausschüsse usw. immer wieder Fehler und Verschwörungen aufdecken. Autoritäre Systeme tun dies nicht. Sinnigerweise schließen jedoch einige Menschen daraus, dass man freiheitlichen Demokratien misstrauen und sich lieber autoritären Systemen unterwerfen sollte…

      Freut mich, dass Sie hier mitdenken, herzliche Grüße!

  17. “Der Unterschied zwischen einer freiheitlichen und autoritären Gesellschaft ist jedoch, dass Sie – gerne auch mit Mitstreitenden – jederzeit ein eigenes Medienunternehmen gründen und Ihre Versionen des Weltgeschehens anbieten können. ”

    Genau das wird getan. Seit es Internet gibt, ist dazu nicht mehr viel Kapital erforderlich. Und siehe da, die Bestrebungen, den Informationsfluss einzuschränken sind seither unüberhörbar (“fake news”,”Verschwörungstheorien” etc.), so als sei die Verbreitung von Falschmeldungen ein neues Phänomen, das nur durch das Internet und dessen Möglichkeiten Wirklichkeit wurde. Seit die etablierten Medien ihre Narrative nicht mehr so mühelos etablieren können und ihre Gatekeeperfunktion teilweise verloren haben, scheint das Hohelied der freien Meinungsäusserung nicht mehr all zu populär zu sein.

    Wurden Sie in jungen Jahren in der DDR sozialisiert? Sie ähneln in ihrer harschen Kritik und in ihrer Abneigung gegen Russland dem ehemaligen Bundespräsidenten Gauck, der sich unter Freiheit nicht mehr als “Abwesenheit der DDR” vorstellen konnte.

    Noch kurz etwas zu Verschwörungstheorien: Die zeichnen sich insbesondere dadruch aus, dass behauptet wird, die Dinge seien ganz anders als es scheint, d.h der Schein trügt, was durchaus möglich ist. Meine erste Hypothese ist in der Regel, dass die Dinge genau so sind, wie sie scheinen und erst, wenn gewichtige Gründe und Indizien dagegen sprechen, ich mich nach alternativen Sachverhalten erkundige. Ich kenne aber einige Menschen, die genau anders rum denken: Der Schein trügt, nichts ist so wie es scheint. Von hier bis zur fantasievollen Verschwörungstheorie ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Im Fall von Seth Rich heisst das, dass ich einen fehlgeschlagenen Raubüberfall für die wahrscheinlichste aller Theorien halte, aber eben nur für wahrscheinlich. Zu dieser Überzeugung kann ich aber nur gelangen, wenn ich mir alternative Theorien anhöre und diese nicht reflexartig als Unsinn verdamme und mit dem Etikett und politischen Kampfbegriff “Verschwörungstheorie” versehe. Das tun Sie leider regelmässig und übernehmen jeweils gerade das, was Ihnen opportun erscheint.

    • Lieber Herr Bosshard,

      tja, da bin ich durchaus weit bei Ihnen: Dass durch das Internet die Schranken zur Etablierung neuer Medienangebote stark gesunken ist, führt zu positiven wie auch zu negativen Effekten. Als Blogger und Autor auch von eBooks nehme ich aktiv an den Möglichkeiten teil, ohne die Missbrauchsmöglichkeiten z.B. durch Fake-News, fehlende Entlohnung für Qualitätsarbeit etc. zu bestreiten.

      Schade, dass Sie dann doch wieder zur Küchenpsychologie greifen, statt ernsthaft zu lesen… In Kürze: 1. Nein, ich wuchs nicht in der DDR auf, im Gegenteil. 2. Offensichtlich haben Sie noch nicht einmal versucht zu erfassen, was ich am Begriff der “Verschwörungstheorie” bemängele und warum ich diesen also aufspalte.

      Erlauben Sie mir daher den Hinweis: Vorurteile und Scheuklappen haben nun einmal nicht immer nur die anderen. Vielleicht versuchen Sie es noch einmal mit echtem Interesse? 🤓👍

  18. Pingback:Bundestagswahl im Visier? Lehren aus Frankreich und den USA - atlantische-initiative.org

Schreibe einen Kommentar