Cannabis und Psychosen: Suchtmedizinerin Vanessa Graßnickel und Markus Lanz im Faktencheck

Ein Gespenst geht um in Deutschland. Es ist das der Cannabis-induzierten Psychosen und Schizophrenien. Am 12. März tauchte es in der beliebten ZDF-Talkshow auf. Was sagt die wissenschaftliche Studie wirklich?

In der Sendung von Markus Lanz gab es am 12. März 2024 eine merkwürdige Themenkombination: In der ersten Hälfte wurden die Bauernproteste diskutiert, in der zweiten die (angeblichen) Risiken von Cannabis- und Alkoholkonsum. Ab ca. 49:00 Minuten erhält Vanessa Graßnickel das Wort, Ärztin zur Behandlung von problematischem Substanzkonsum an einer Privatklinik. Sie sagt:

Vanessa Graßnickel: “Es gibt schöne Studien, dass wenn Jugendliche zwischen 15 und 16 nur fünfmal kiffen, [sie] bis zum 30. Lebensjahr ein dreifach erhöhtes Risiko haben, eine Psychose zu bekommen.”

Markus Lanz: [hakt interessiert nach] “Ein wieviel? Ein…”

Graßnickel: “Ein dreifach erhöhtes Risiko.”

Lanz: “Dreifach höher!”

Graßnickel: [nickt bedeutungsschwer]

Lanz: “Und das will man nicht. Das ist katastrophal. Wegen fünfmal!”

Graßnickel: “Für die, die’s machen, ist fünfmal nix, so ungefähr. Aber da gibt es eine schöne Untersuchung von, das hat Herr Professor Heinz jetzt beim Psychiatrie-Update […] vorgestellt wieder. Das sind zahlen, die sind erdrückend.”

Das “Psychiatrie-Update”

Das hier besagte “Psychiatrie-Update” war eine kommerzielle Fortbildungsveranstaltung für Ärztinnen am 8. und 9. März dieses Jahres in Mainz. Was Andreas Heinz von der Berliner Charité referierte, steckt hinter einer (hohen) Bezahlschranke.

Allerdings finden wir einen Beitrag von Heinz (mit seinem Kollegen Tomislav Maji) im Deutschen Ärzteblatt über das Thema “Therapie bei Patienten mit Psychosen und Abhängigkeitserkrankungen”. Darin schlussfolgerten die Autoren:

“Ein wesentlicher Schritt [der Therapie] besteht aber schon darin, die doppelte Belastung der Patienten zu erkennen und dabei die eine Erkrankung nicht als Sekundärfolge der jeweils anderen anzusehen. Vielmehr ist es entscheidend, das Nebeneinander der beiden Erkrankungen und die daraus resultierenden wechselseitigen Bezüge aufeinander als eigenständiges Problem zu begreifen.”

Heinz & Maji, 2015

In normalem Deutsch: Man soll weder die Psychose als Folge des Substanzkonsums darstellen, noch den Substanzkonsum als Folge der Psychose. Dem widerspricht Graßnickel. Aber es kann ja sein, dass Heinz sich 2024 anders äußert als 2015, weil es inzwischen vielleicht bessere Daten gibt.

Die wissenschaftliche Studie

Machen wir uns also auf die Suche nach der wissenschaftlichen Studie. Graßnickel sprach im Plural von “schönen Studien”. Tatsächlich fand ich eine. Es geht bei ihrer Aussage zweifellos um die 2018 im British Journal of Psychiatry erschienene Untersuchung von Antti Mustonen von der Universität Oulu in Finnland und Kollegen.

Dafür wurde der nordfinnische Geburtsjahrgang von 1986 (n = 6534) im Alter von 15 bis 16 Jahren befragt. Dabei ging es um Psychose-ähnliche Symptome, Substanzkonsum und allgemeine soziodemografische Variablen. Bis zum Alter von 30 Jahren (also bis einschließlich 2016) wurden für diese Personen dann die Gesundheitsdaten ausgewertet.

Wie schon bei der zuvor besprochenen dänischen Studie über Cannabis und Schizophrenie, hat man in den nordischen Ländern geringere Datenschutzbedenken. Für die Forschung ist das ein Vorteil.

Faktenfehler

Was zeigt nun die finnische Studie? Unter anderem sollten die befragten Jugendlichen angeben, wie häufig sie Cannabis konsumiert hatten: nie, einmal, zwei- bis viermal, mindestens fünfmal oder regelmäßig. Daraus ergibt sich ein erster Faktenfehler: Über Personen, die “nur fünfmal kiffen”, wie Graßnickel behauptete und Lanz interessiert nachfragte, sagt die Studie überhaupt nichts aus. Und zwischen “nur fünfmal kiffen” und “mindestens fünfmal kiffen” können Welten liegen.

Zu den Ergebnissen merken die finnischen Forscher*innen an, dass die beiden wichtigsten Optionen, also “mindestens fünfmal” und “regelmäßig”, zusammen ausgewertet wurden. Warum? Weil diese Optionen zu selten angegeben wurden, nämlich zusammen gerade einmal Sechsundsechzigmal. Wohlgemerkt, von 6534 Befragten!

Die Wissenschaftler schreiben dann auch ehrlicherweise, dass die geringe Anzahl von “Kiffern” die Aussagekraft ihrer Studie einschränkt. Ist sie also vielleicht doch nicht so schön, wie Frau Doktor Graßnickel dem Millionenpublikum im ZDF erzählte?

Psychose-ähnliche Symptome

An der Studie ist besonders, dass die Jugendlichen nach Psychose-ähnlichen Symptomen innerhalb des letzten halben Jahres befragt wurden. Das waren beispielsweise Fragen, ob sie das Gefühl hätten, es gehe etwas Merkwürdiges oder Unerklärliches in ihnen oder der Umgebung vor; ob sie sich verfolgt oder auf besondere Art beeinflusst fühlten; oder ob sie Gedankenrasen hätten.

Hier könnte man witzeln, dass die Veränderungen während der Pubertät merkwürdig sind und Influencer (“Beeinflusser”) heute gerade bei Jugendlichen ein begehrter Beruf ist. Doch bleiben wir ernsthaft.

Unter der genannten Einschränkung ergab die Auswertung dann tatsächlich ein dreifaches Risiko für die spätere Diagnose einer Psychose, wenn – nach eigenen Angaben – mindestens fünfmal Cannabis konsumiert worden war. Dabei wurde für die vorherigen Psychose-ähnlichen Symptome, anderen Substanzkonsum (insb. Alkohol und Tabak) sowie das Vorkommen von Psychosen bei den Eltern kontrolliert.

Doch Obacht! Wegen der geringen Anzahl an Kiffern schwankt das Ergebnis mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 1,14- und 7,98-fachem Risiko. Man stelle sich vor, wie Lanz ähnlich erstaunt dazwischenruft: “Einskommaeinsvierfach!” Anders gesagt: Die Studie ist in diesem Punkt aufgrund methodischer Mängel gar nicht aussagekräftig. Auch das kann man Frau Graßnickel als Faktenfehler vorwerfen.

Fehlschlüsse

Doch damit sind wir noch nicht am Ende. Allgemein gilt, wie wir schon zigmal wiederholten, dass Korrelation (gemeinsames Auftreten) kein Beweis für Kausalität ist. Insbesondere ist es eine Binsenweisheit, die man bestimmt auch im Medizinstudium einmal gehört hat, dass Beobachtungsstudien keine Schlüsse auf Ursache-Wirkungs-Beziehungen zulassen. Das ist hier nicht nur ein theoretischer – und trotzdem verbindlicher – Punkt, sondern lässt sich an den konkreten Daten veranschaulichen:

Ein zentraler Grund, warum Beobachtungsstudien überhaupt keinen Kausalzusammenhang zeigen können, ist nämlich die fehlende Kontrolle von Einflussfaktoren. Schaut man beispielsweise nur auf die Antwort “mindestens fünfmal gekifft”, dann schwankt das Risiko für eine diagnostizierte Psychose zwischen 3,01- und 13,91-fach. Hätte Lanz gerufen, “Dreizehnkommaneuneinsfach!”, dann wäre die Einschaltquote sicher um Millionen in die Höhe geschnellt.

So einfach ist es aber nicht. Kontrolliert man nämlich für die Faktoren Psychose-ähnliche Symptome und anderen Substanzkonsum, schmilz das Risiko auf 1,21- bis 8,29-fach. Zieht man noch Psychosen der Eltern hinzu, kommt man auf das erwähnte 1,14- bis 7,98-fache Risiko.

Prinzipiell kann keine Beobachtungsstudie alle Faktoren berücksichtigen. Darum ist für die letztlich nur 59 in der Auswertung verbleibenden Kiffer davon auszugehen, dass diese sich auch in anderen Eigenschaften von den Tausenden Jahrgangsgenossen unterscheiden. Das übrig gebliebene 1,14- bis 7,98-fache Risiko einfach dem Cannabiskonsum in die Schuhe zu schieben, ist für eine Fernsehsendung wohlfeil. Trotzdem ist es wissenschaftlich-statistisch falsch. Auch das muss man Vanessa Graßnickel als Fehler vorwerfen.

Willkür

Noch ein weiterer Kritikpunkt sticht ins Auge: An anderer Stelle werden Ärzt*innen es nicht müde, den heiligen Gral der evidenzbasierten Medizin – oder, weil das inzwischen etwas abgelutscht ist, der Präzisionsmedizin – anzupreisen. Für hohe wissenschaftliche Standards bräuchte man aber randomisierte kontrollierte Versuche (englisch: RCTs) und Meta-Analysen.

Für so einen Versuch hätte man die 1986 geborenen 6534 Finn*innen nach dem Zufallsprinzip in eine Kiffer- und eine Nicht-Kiffer-Gruppe aufteilen müssen. Bei diesem Vorgehen könnte man nach 30 Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass gefundene Unterschiede bei Psychosen auch wirklich mit dem Faktor Kiffen zu tun haben. So eine Studie wäre aber allein schon aus ethischen und rechtlichen Gründen unmöglich. Dann kann man aber nicht einfach so tun, als handle es sich bei dem in der Beobachtungsstudie gefundenen Zusammenhang um einen überzeugenden Beweis.

Wie wir bereits anmerkten, ist die “schöne Studie” gar nicht so schön, weil es einfach viel zu wenige Cannabiskonsumenten gab, jedenfalls im Alter bei der Befragung. Diesen Einwand könnte man relativieren, indem man viele solcher Studien zusammengefasst auswertet. Das haben beispielsweise Megan Farris von der Universität Calgary in Kanada und Kollegen getan.

Das Ergebnis der Analyse von sieben Studien, in denen der Cannabiskonsum bei Personen mit einem hohen Psychoserisiko untersucht wurde, fällt ernüchternd aus: Das Risiko für das tatsächliche Auftreten einer Psychose lag hier gerade einmal zwischen 0,85- und 1,31-fach und war statistisch nicht signifikant.

Gegenbeweis

Wohlgemerkt, bei vier der sieben Studien ging der Cannabiskonsum sogar mit einem geringeren Psychoserisiko einher! Dieses Ergebnis ist auf Abbildung 4 der Übersichtsstudie dargestellt:

Abbildung: Die Übersichtsarbeit von Farris und Kollegen zeigt, wie die Ergebnisse der Einzelstudien um die “Nulllinie” schwanken: Wenn ein Wert genau bei 1 liegt, gibt es gar keinen statistischen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und dem Auftreten von Psychosen. Interessanterweise sieht man in der erste Zeile einen extremen Ausreißer (Kristensen, 2007) mit einem zehnfach(!) erhöhten Risiko. Diese Studie war aber, wie die ausführlicher besprochene finnische Studie, wegen geringer Personenzahl nicht aussagekräftig.

Die Autor*innen einer der besseren Studien schlussfolgern beispielsweise Folgendes. Dabei ging es, wohlgemerkt, in der Untersuchung spezifisch um Personen, die aufgrund ihrer Vorgeschichte schon ein höheres Risiko für Psychosen aufwiesen:

“Obwohl die überwiegende Mehrheit der Befragten irgendwann einmal Cannabis probiert hatte, davon mehr als die Hälfte häufig, entwickelten die meisten Teilnehmer mit Cannabiskonsum in der Vorgeschichte keine psychotische Störung. Die Wahrscheinlichkeit hierfür war auch nicht höher als bei denen, die nie Cannabis probiert hatten.”

Valmaggia et al., 2014, S. 2510; meine Übersetzung

Warum werden solche Funde in der Diskussion um das Cannabisgesetz nie berücksichtigt? Warum werden zurzeit nur “Experten” in solche Sendungen eingeladen, die Gesundheitspanik verbreiten?

Liegt das vielleicht daran, dass man für Opposition gegen ein Gesetz der Regierung mehr Aufmerksamkeit bekommt? Wenn Sie das genauso bedenklich finden wie ich, dann teilen Sie dem ZDF gerne unter info@zdf.de diese Meinung mit (Betreff z.B. “Faktenfehler in Markus Lanz-Sendung vom 12. März”).

Schlusspunkt

Gänzlich absurd wird das Ganze, wenn man einen bisher noch unberücksichtigten Punkt aufgreift: Denn natürlich war Cannabiskonsum in Finnland im Erhebungszeitraum der Studie illegal. Das heißt, dass der (angebliche) Risikofaktor auch eine Eigenschaft des Drogenverbots ist.

Es wird doch immer wieder gesagt, dass Cannabis- und anderer Drogenkonsum durch die fehlenden Qualitätskontrollen gefährlicher wird. Dabei geht es nicht nur um mögliche Verunreinigungen mit anderen Stoffen, sondern auch die schwierigere Dosierbarkeit. Mit anderen Worten: Selbst wenn die betroffenen Jugendlichen durch den Substanzkonsum eine Psychose bekamen, ist mitnichten bewiesen, dass das durch Cannabis beziehungsweise seinen psychoaktiven Wirkstoff THC ausgelöst wurde. So ehrlich muss man in einer Diskussion um Drogenpolitik schon sein.

Die Sendung wird nicht besser, wo sie, bei seit den 1970ern kontinuierlich fallendem Alkoholkonsum, ein härteres Vorgehen gegen diese Substanz fordert. Je weniger Menschen trinken, desto gefährlicher wird Alkohol? Dabei sekundiert der Ärztin Graßnickel die Influencerin Nathalie Stüben, die mit dem Anpreisen von Abstinenz ihr Geld verdient – und mit mir zusammen in der 13 Fragen-Sendung zum Thema Alkoholverbot war.

Die Gründe für den Substanzkonsum – sei es Alkohol oder Cannabis – wurden dabei noch gar nicht thematisiert. Oft geht es darum, sich besser zu fühlen. Wenn die Betroffenen durch die Lanz-Sendung weniger trinken oder kiffen, dafür dann aber beispielsweise Klebstoff schnüffeln – was wäre dann aus Sicht der Gesundheit gewonnen? Auch das verdeutlicht die Naivität, mit der das Thema diskutiert wurde.

Um unsere Untersuchung mit einem sinnvollen Gedanken zu schließen: Man darf die Legalisierung in so einer Diskussion nicht mit der Utopie (oder eher Dystopie?) der Abstinenz vergleichen. Vielmehr muss man den Ist-Zustand zum Vergleich herziehen. Die korrekte frage ist also nicht, ob Cannabiskonsum das Psychoserisiko erhöht; die korrekte Frage ist nur, ob es bei einer (Teil-) Legalisierung zu mehr oder weniger Psychosen kommt. Dazu sagen die hier zitierten Studien gar nichts aus.

Postscriptum: Erdrückende Ergebnisse?

Für Liebhaber der Kritik sei hier noch eine zusätzliche Anmerkung zu der “schönen” finnischen Studie gemacht: Abbildung 2 zeigt das Auftreten der Diagnose Psychose im Zeitverlauf für vier Gruppen:

Das sind Cannabiskonsum und Psychose-ähnliche Symptome im Alter von 15-16 Jahren (n = 13); Cannabiskonsum ohne die Symptome (n = 5); Psychose-ähnliche Symptome ohne Cannabiskonsum (n = 54); und weder Cannabiskonsum noch Symptome (n = 62). Auch wenn bei den 13 der ersten Gruppe das Psychoserisiko in etwa doppelt so groß war, hatten doch 116 von 134 Personen mit der Diagnose Psychose gar kein Cannabis in der Jugend konsumiert. Das sind rund 87 Prozent.

Mit anderen Worten: Bis zum Alter von 30 Jahren wurden sechs von sieben Psychosen gar nicht mit dem Cannabiskonsum in Zusammenhang gebracht! Was sagte Frau Doktor Graßnickel noch einmal darüber? “Das sind zahlen, die sind erdrückend.” Und Lanz? “Das ist katastrophal!”

Geht es noch unredlicher? Von 6534 im Jahr 1986 geborenen Finn*innen stand die Diagnose Psychose bei gerade einmal achtzehn(!) Personen vielleicht im Zusammenhang mit jugendlichem Cannabiskonsum. Das sind 0,3 Prozent aller Personen und 13 Prozent aller Betroffenen mit einer Psychose.

Worüber streitet man sich hier? Der Trick besteht, wie so oft, darüber, sich mit abstrusen Risiken zu überbieten, anstatt einen realistischen Blick auf die absoluten Zahlen zu werfen. Ein anderer Trick ist, den Nutzen des Substanzkonsums einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Gegen diesen müsste man ehrlicherweise die Risiken abwägen.

Wer die “schöne” Studie liest, dem fallen übrigens Lücken in der Erklärung der Abbildung auf. Das wurde auch in einem Leserbrief von anderen Forschern moniert. Die Antwort der Autoren: Es soll halt gezeigt werden, “dass Cannabiskonsum für Personen mit früheren psychotischen Erfahrungen schädlicher sein könnte.” Aha. Gut, dass wir darüber geredet haben.

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48 Kommentare

  1. (1)Das sind Cannabiskonsum und Psychose-ähnliche Symptome im Alter von 15-16 Jahren (n = 13);(2) Cannabiskonsum ohne die Symptome (n = 5);(3) Psychose-ähnliche Symptome ohne Cannabiskonsum (n = 54); und (4)weder Cannabiskonsum noch Symptome (n = 62). Auch wenn bei den 13 der ersten Gruppe das Psychoserisiko in etwa doppelt so groß war, hatten doch 106 von 134 Personen mit der Diagnose Psychose gar kein Cannabis in der Jugend konsumiert.

    Da scheint ein Rechenfehler vorzuliegen.
    (1) 13 + (3) 54 = 67 mit Psychose
    (2) 5 + (4) 62 = 67 ohne Psychose

  2. @uwe: kein Fehler

    Danke fürs Nachrechnen, doch da ist kein Fehler.

    Diese dort abgebildeten 134 Personen hatten alle bis zum 30. Lebensjahr die Diagnose Psychose; ein Teil hatte schon von 15-16 Psychose-ähnliche Symptome angegeben. Daher rührt der Irrtum.

    Ist’s jetzt klar?

  3. Ich hab die Sortierung immer noch nicht verstanden. Welche Gruppen haben Sie addiert um auf 106 zu kommen?

  4. uwe: Entschuldigung, es müssen 116 statt 106 sein. Das verschiebt das Argument übrigens noch mehr in meine Richtung.

    Und mit 116 + 13 + 5 kommt man auch auf die Summe der 134.

  5. Bereits seit etwas länger als die erwähnten zwei Tage bis zur Sendung, genauer etwa seit 40y, kommt bei mir bei gewissen statements zu Drogen’fakten’ im Allgemeinen und Hanf’Fakten’ im Besonderen die Frage auf, inwieweit den Referent:innen die jeweiligen statments bereits als deutliches Symptom einer Psychose anzukreiden sind…

    Oder als Indiz für eine faktenbefreite Agenda – doch laut Hanlon’s razor ist ja vorab eine andere Erklärung wahrscheinlicher.

  6. @rolak: Expert*innen

    Es dürfte Agenturen geben, die hinter den Kulissen ihre “Expert*innen” für solche Formate in Stellung bringen; wenn man deren Arbeit versteht, versteht man wahrscheinlich auch die Entscheidungen.

    Und zu Böswilligkeit vs. Dummheit: Schon der Buddha soll gesagt haben, dass die Ursache jeglichen Leids die Unwissenheit ist.

  7. Bei Pubmed gibt es 145 Ergebnisse zur Suche “cannabis & psychosis”, auf systematische Reviews eingeschränkt.

    2020 eine größere Arbeit von Hasan et al., die lt. abstract 26 systematische Reviews und Metaanalysen einbezogen hat: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31563981/

    “The scientific literature indicates that psychotic illness arises more frequently in cannabis users compared to non-users, cannabis use is associated with a dose-dependent risk of developing psychotic illness, and cannabis users have an earlier onset of psychotic illness compared to non-users.”

    Mit dem Thema wird einem nicht langweilig.

  8. “…Für so einen Versuch hätte man die 1986 geborenen 6534 Finn*innen nach dem Zufallsprinzip in eine Kiffer- und eine Nicht-Kiffer-Gruppe aufteilen müssen.”
    _____________________________________________________________________

    Also ZUERST (zufällig) aufteilen, und DANN die eine Gruppe kiffen lassen, und die andere nicht?
    Zum Schluss dann beide Gruppen auf Unterschiede bez Psychosen etc untersuchen
    Versteh ich das so richtig?

    Das erschiene mir eine zwingende Voraussetzung, um wirklich eine Kausalität (und um die geht es ja) zu erkennen.

  9. “merkwürdige Themenkombination: In der ersten Hälfte wurden die Bauernproteste diskutiert, in der zweiten die (angeblichen) Risiken von Cannabis- und Alkoholkonsum. ”
    Naja wenn ich mir manche (!) Bauern so ansehe….
    Lanz ist eine Wundertüte, der hat manchmal Leute, die richtig gut sind, und dann wieder das genaue Gegenteil, für ihn selber gilt dasselbe.
    Dieses “Eintreten” für Menschen mit Psychosen hat noch eine weitere, ziemlich fiese Seite. Hier wird so getan, als ob man Psychosen vermeiden wolle, tatsächlich geht es nur um Cannabis-Bashing mit offenbar unseriösen Zahlen.
    Medizinisches Gutmenschentum, man macht auf Moral, benutzt die “unterstützte” Gruppe aber nur für die eigene ideologische Sichtweise.

  10. ” dass die beiden wichtigsten Optionen, also “mindestens fünfmal” und “regelmäßig”, zusammen ausgewertet wurden.”
    _____________________________________________________
    Daraus ein Risiko für 5 maliges Kiffen abzuleiten, wäre in der Tat ein Riesendenkfehler.

    Eigentlich schon mehr als ein Fehler.
    Das grenzt schon haarscharf an einer faustdicken Lüge.

    Danke an den Autor für diesen Faktencheck!

    Bin übrigens Nicht-Kiffer. Ärgere mich aber grundsätzlich, wenn ich mich verschaukelt fühle.

  11. Es gibt Untersuchungen über Passivraucher-Sterblichkeit, die so große Fehlermargen haben, dass das Passivrauchen genauso gut Tote wieder auferwecken könnte (Rauchen auf dem Friedhof als Ursache der Zombie-Apokalypse?). Aus Osteuropa sind mehr Frauen in die Zwangsprostitution verschleppt worden, als es in Osteuropa je Frauen gab (wirkt Russland deswegen wie ein Zaren-Harem aus Eunuchen?). Wissenschaft hat heute in unseren Köpfen Religion verdrängt, und unsere Köpfe scheren sich nicht um den Unterschied – sie verarbeiten sie, als wäre sie Religion. Und seit jeher hält sich der handelsübliche Wald- und Wiesen-Kazike einen Hofzauberer, Hohepriester, Papst als Haustier – den Erklär-Bär, der all seine Entscheidungen aus Schafseingeweiden, Sternen, Korans und Bibeln herleitet, um sie als den Willen der Götter zu verkaufen. Heute hat halt die Statistik die Rolle der Schafseingeweide übernommen.

    Was neu ist, ist die Skala der Demokratisierung – heute kann sich jeder seinen Auguren leisten. Es gibt regelrechte Statistik-Bordelle, die Ihnen für Geld alle Wissenschaft fabrizieren, die Ihr Herz begehrt. Wissenschaft und Statistik sind wie wahre Liebe und der Straßenstrich – das Original hat viel zu hohe Investitionskosten, das löst man durch Inflation, man druckt Falschgeld. In manchen Formen ist diese Mimikry-Wissenschaft nützlich, weil sie der echten Wissenschaft dient, ihr Ansehen mehrt, für Finanzierung sorgt, schließlich wollen die Leute einen Papst in schrillem Clown-Outfit sehen, der auf einem Ball balanciert und Zirkuselefanten jongliert, Zeichen und Wunder, wer Magie verkaufen will, braucht die Zaubershow, selbst wenn die Magie selbst echt ist. Aber es gibt halt in jeder Religion Leute wie den einzigen Televangelisten, den sich Polen leisten kann – Rydzyk, den Zuhälter der Jungfrau Maria. Tja, jeder Puff ist voller Jungfrauen, und die sind alle recycling-fähig und wiederverwendbar.

    Ich weiß nicht mal, ob ich dem Wort „renommiert“ trauen kann. Heißt ja nur, dass die Kundschaft sehr mit den Diensten des Instituts zufrieden war, und das Institut ist sicherlich auch sehr zufrieden damit, immer und immer wieder beauftragt zu werden. Dass das Ganze ein Overkill für die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft ist, und Populismus und Verschwörungsmythen auf der Welle der Empörung der immer wieder und wieder ausgetricksten Gläubigen reiten, ist klar.

    Wenn Menschen für sich selbst denken, ist das Resultat halt meist erbärmlich. Wenn die Leute, die für sie denken sollen, das schamlos ausnutzen, indem sie einen McDonalds für Selbstdenker aufmachen, spielt Denken keine Rolle mehr.

    Das Blöde ist, ob Passivrauchen tötet oder nicht, erfahre ich nie, weil’s den Leuten, die Rauchverbote verhängen wollten, auch scheißegal ist, ob sich rationale Argumente dafür finden lassen oder nicht – die versuchen’s nicht mal mehr mit Ehrlichkeit. It’s the Age of Trump – Chuzpe schlägt Hirn, Hirn scheidet aus und muss nach Hause fahren. Also – Probieren geht über Studieren. Noch verrückter als jetzt können wir auch von Kiffen nicht mehr werden.

  12. @Kuhn: Reviews

    Solche Papers gibt’s wie Sand am Meer. Aber ja, wenn der Name Wayne Hall daraufsteht, dann ist die Qualität schon gut; hatte gerade letzte Woche mit ihm kurz E-Mail-Korrespondenz (wegen eines Aufsatzes über die Alkoholprohibition).

    Ich kenne die Studie von Hasan et al., 2020. Das ändert aber an den prinzipiellen Problemen nichts: z.B. basiert auf Selbstbefragungen; keine Kontrolle für Selbstmedikation (z.B. psychotischer Symptome nach Traumata etc.); somit keine Aussage über die Richtung des Kausalitätspfeils.

    Aus der Arbeit ein paar interessante Zitate:

    Eine der Studien “…also found ‘strong evidence consistent with a causal effect of schizophrenia risk on likelihood of cannabis initiation'” (p. 409)

    “from our findings a causal relationship between cannabis use/abuse and the onset or worsening of psychoses cannot be concluded” (p. 410)

    “We see the urgent need for the following types of research: (1) more longitudinal studies that control for important confounding variables [e.g., age of onset of cannabis use, effects of other drugs, effects of other environmental factors (e.g., migration, trauma)] to better characterize the relationship between cannabis use and development of psychoses…” (p. 410)

    Diese Fragen sind alle noch gar nicht schlüssig beantwortet. Warum tun bestimmte “Experten” dann trotzdem immer so, als wären sie es?!

    P.S. Dass es sowas wie Paradigmen in der Wissenschaft gibt und Forscher, die die Risiken von Substanzkonsum erforschen mehr Geld bekommen als diejenigen, die dessen Nutzen erforschen, mehr Forschungsgeld bekommen, sollte man auch nicht vergessen.

  13. @Frankfurter: randomisierte kontrollierte Studien

    Ja, genau so müsste man es machen! Denn dann könnte man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass “Störeinflüsse” (z.B. Anzahl und Schwere traumatischer Erfahrungen) über die Gruppen gleich verteilt sind; jedenfalls dann, wenn genug Personen daran teilnehmen.

    Bei Medikamentenforschung ist das Standard. So ein Experiment mit Cannabis wäre aber wegen der Verbote undenkbar.

  14. P.S. Kuhn: Psychoserisiko

    Aber der Fund in einem systematischen Review, dass es in Personen mit besonderem Psychoserisiko keinen signifikanten Effekt von Cannabiskonsum auf Psychosen gibt (siehe Haupttext), kann man doch nicht einfach so wegdiskutieren.

    Nachteil dieser Studien wäre vielleicht, dass meiner Erinnerung nach nur bis zwei Jahre nach dem Konsum ausgewertet wurde.

    Ich bestreite übrigens nicht, dass schwerer regelmäßiger Konsum zu psychischen Problemen führen kann. Das habe ich im Alter von 14 bis 16 sogar am eigenen Leib erlebt. Darum habe ich mit dem Kiffen wieder aufgehört. Es war einfach nicht mehr schön.

  15. @DH: Suchtmedizin

    Man hätte diese Suchtmedizinerin mit ihrem Abstinenzfetisch noch auf ganz anderer Flanke angreifen können: Völliger Verzicht ist für viele Menschen mit problematischem Substanzkonsum einfach nicht realistisch. Da können sie die Ärzt*innen noch so viel Quälen oder aus der Therapie/Klinik werfen, wie sie wollen.

    So löst man keine Probleme, sondern erzeugt neue bzw. hält sie in Stand.

  16. @Frankfurter: Fakten-Check

    Diese Ärztin ist immerhin transparent darüber, dass sie die Studie nie gelesen hat, sondern nur in einer Fortbildung davon gehört hat. (Und entweder hat Andreas Heinz sie nicht richtig dargestellt oder Frau Graßnickel hat Gedächtnislücken.)

    Da hätte man in der Gesprächsrunde kritisch nachhaken müssen. Aber ja, sobald jemand sagt, “es gibt da eine schöne wissenschaftliche Studie”, wird offenbar nicht mehr nachgefragt.

    In dem Beispiel dieses Psychiatrieprofessoren in der F.A.Z. vor einer Weile war es schlimmer: Der hatte die dänische Studie auch nie gelesen, doch tat einfach so, als wüsste er alles. Dabei hatte er nur schlecht vom Internet abgeschrieben.

  17. Der Vergleich mit dem Alkohol geht ja vielen Gegnern gegen den Strich, aber wenn man sich anschaut, mit welcher Energie jetzt versucht wird, die Umsetzung einer 1994 vom Bundesverfassungsgericht geforderten und nun endlich mit großer Mehrheit ordentlich demokratisch beschlossenen Entscheidung auf Biegen und Brechen zu verhindern oder wenigstens zu verzögern, verwundert es doch noch mehr, dass vor einem Disneyfilm im Kino im 21. Jahrhundert Werbung für Hochprozentiges läuft ohne den geringsten Aufschrei (so erlebt im Cineplex Münster im Jahr 2023).

  18. @ Stephan Schleim:

    Je realistischer die Cannabis-Legalisierung wurde, desto mehr ist sie von einem drogenpolitischen Projekt zu einem identitätspolitischen Projekt geworden, und die vorhandene oder nicht vorhandene Evidenz zum Spielball der unterschiedlichen Positionen.

    Wie nebenan schon mal gesagt: Ich bin auf die Evaluation gespannt, auch auf deren Design. Und darauf, ob für eine gute Evaluation überhaupt genug Geld da ist.

  19. @Mimi: Ethanol vs. THC

    Ich finde es nicht gut, diese Substanzen so gegeneinander auszuspielen; aber ich kann den Frust derjenigen, die lieber Cannabisprodukte konsumieren, persönlich nachvollziehen. In einer freien demokratischen Gesellschaft müssten doch beide Substanzen nebeneinander harmonieren können.

    Wie ich schon im Text andeutete, ist mir das heutige Kommunikationsmuster suspekt: Je weniger die Menschen trinken, desto gefährlicher soll Alkohol sein? Nein, das scheint mir vielmehr mit Gesundheitspanik und Regulierungswut zusammenzuhängen.

    Auch beim Alkohol ist es so, dass die allermeisten Konsumierenden damit gut umgehen können; und diejenigen, die z.B. die angeblichen jährlichen Todeszahlen verbreiten, haben das Zustandekommen dieser Schätzungen gar nicht verstanden.

  20. @Kuhn: Geld & Evaluation

    Na ja, mehr als ein paar Milliönchen würde das doch nicht kosten; und viele demografische Gesundheitsdaten werden sowieso erhoben. Dazu kommen auch Daten aus Nordamerika, wo es schon vor Jahren (teils weitgehendere) Legalisierungen gab.

    Interessant ist, dass die DGPPN nur wenige Minuten nach dem Bundestagsbeschluss vom 23. Februar – sogar noch schneller, als ich meinen Beitrag verfassen konnte – eine umfangreiche Pressemitteilung aus der Schublade zauberte, womit sie sich für diese Gelder in Stellung brachte.

    Ich weiß nicht, ob man ausgerechnet Psychiater diese Untersuchungen durchführen lassen sollte. Deren Vorurteile sind offenkundig. Warum nicht Soziologen? Da gibt’s ja auch welche, die sich mit Gesundheitsforschung beschäftigen.

  21. @Stephan Schleim: Ah, wieder was gelernt. Finde die Kommerzialisierung von Substanzen mit Suchtpotential trotzdem problematisch (Quengelgasse, Alkoholwerbung im Disneyfilm, mit welchen Methoden Opioide in den USA vermarktet wurden, wenn man da Wikipedia glauben kann…). Gibt’s dazu auch irgendwo was von Dir? Auch beim Cannabis finde ich es vernünftig, dass man das in Deutschland vermeidet. Ist beim Alkohol natürlich schwieriger wegen der Gefahr, bei der Herstellung Fehler zu machen, aber was spricht gegen ein Werbeverbot oder bestimmte Einschränkungen?

  22. @ Stephan Schleim:

    “Na ja, mehr als ein paar Milliönchen würde das doch nicht kosten”

    So ist es. In der Begründung des Gesetzes steht auf S. 82: “Für diese umfangreichen, multidisziplinären Evaluationsvorhaben fallen für den Bundeshaushalt im Jahr 2024 und den Folgejahren bis einschließlich 2027 Kosten in Höhe von 1 Million Euro jährlich an.”

    Aber auch das muss im Haushalt gedeckt sein. Und Lindner will kürzen.

  23. @ Mimi

    Ich drehe das mal um: treffen wir bei vollem Bewusstsein immer die richtigen Entscheidungen?
    Wenn ich mir die Diskussion um die Ursachen und Wirkungen des Anthropozäns und die selbstgemachten Umstände zu Todesursachen anschaue, dann kann ich jeden verstehen, der sich da mal kurzzeitig wegbeamt.

  24. @Mimi: Alkohol & Werbung

    Das war tatsächlich genau mein Kompromissvorschlag in der 13 Fragen-Sendung über Alkohol, dass man ihn z.B. nicht im Wartebereich an der Kasse anbietet oder auch keinen (harten) Alkohol in Tankstellen und 24h-Kiosken. Hier in den Niederlanden ist das so und wird alles >Bier/Wein sowieso nur in Fachgeschäften mit begrenzten Öffnungszeiten verkauft.

    So ein Gedanke ging der Alkohol-Abstinenzlerin aber natürlich nicht weit genug. Ich stand dann am Ende auch als einziger im Kompromissfeld. 🤷🏻‍♂️

    P.S. Ich würde mich sogar freuen, wenn man alle Werbung verbietet; dann wäre ich viel weniger genervt. Das ist rechtlich in einer “freien” Marktwirtschaft aber wohl nicht umsetzbar. Jugend- oder Gesundheitsschutz werden mitunter zur Begründung für Ausnahmen herangeholt.

  25. @Kuhn: Eine Million ist im Bundeshaushalt nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein – und bei so einem öffentlichkeitswirksamen Thema (Prävention/Jugendschutz) wird sich da auch niemand heran trauen.

  26. @Stephan Schleim
    “Völliger Verzicht ist für viele Menschen mit problematischem Substanzkonsum einfach nicht realistisch. Da können sie die Ärzt*innen noch so viel Quälen oder aus der Therapie/Klinik werfen, wie sie wollen.”
    Dem kann ich nur zustimmen, speziell natürlich bei harten Drogen, wo man lange rumgeeiert hat aus ideologischen Gründen, bis endlich Methadon und Co. ausgegeben wurden. Wie immer beim Wasser-Wein-Denken, predigen solche Leute nie den Verzicht bei einer Klientel, die ihnen selber oft nahe steht, den Konsumenten der jeweiligen Volksdroge, bei uns Alkohol. Dabei wäre hier schonmal angezeigt, besser auf Folgen hinzuweisen. Ohne für Abstinenz oder für Puritanismus einzutreten, hierzulande wird da oft verharmlost, die Konsumenten von Drogen, die sozial schlecht bis gar nicht akzeptiert sind, dienen da oft zur Ablenkung.
    Und dann gibts natürlich die Sichtweise des Weltbilds die Sie selber mehrfach angesprochen haben, gerade Cannabis wird gerne mit “irgendwie links”, oder mit “Chaoten” u.ä., in Verbindung gebracht (ich guck manchmal trash-TV, da gibts diese Polizeidokus mit echten Polizisten. Fantastisch und durchaus unterhaltsam was da so für Klischees abgearbeitet werden….)
    Längst nicht mehr aktuell, wie oft hab ich schon völlig breit gekiffte HipHop-Typen gesehen, die in ihrer politischen Einstellung, wenn sie denn eine haben, meist bieder bis reaktionär daherkommen…

  27. @ Stephan Schleim:

    “Eine Million ist im Bundeshaushalt nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein”

    Ein Tröpfchen.

    “bei so einem öffentlichkeitswirksamen Thema (Prävention/Jugendschutz) wird sich da auch niemand heran trauen.”

    2024 gab es für das Thema Cannabis sogar einen Zuschlag: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/147370/Sechs-Millionen-Euro-fuer-Cannabispraevention-Nachtragshaushalt-2021-gekippt.

    Aber bleibt das? Und wird davon 1 Mio. pro Jahr für die Evaluation eingesetzt? Wie gesagt: ich bin gespannt.

  28. Es ist erstaunlich, dass bisher hier niemandem aufgefallen ist, dass sechstausendundnochwas Leute keinen kompletten Geburtsjahrgang Finnlands ausmachen.
    Es ist aber immerhin ein beachtlicher Bruchteil.

  29. @Mussi: Ich war als Jugendliche schwer depressiv, habe 2-3 Jahre nachdem ich erstmals u.a. wegen schwerer Schlafstörungen bei verschiedenen Ärzten war als Alternative zum Suizid/Suizid auf Raten meinen ersten Joint geraucht, woraufhin familiäre Konflikte völlig eskaliert sind, wurde dem deutschen Jugendhilfesystem überlassen, wo diese nicht ansatzweise besprochen wurden, weil der Feind (Drogen natürlich) von Anfang an klar war, ich zumindest verbal eindeutig sexuelle Grenzüberschreitungen erlebt habe (grundlose Zimmerdurchsuchungen mit besonderer Aufmerksamkeit bei der getragenen Unterwäsche und widerlichen Bemerkungen z. B.), habe dann ein paar Jahre lang jeden Dreck geraucht, den ich kriegen konnte, bin vom Gymnasium geflogen, habe alle möglichen anderen Sachen ausprobiert, die Jahrtausendwende im Heroinrausch verschlafen, hab mich wieder gefangen nachdem ich durch Erreichen der Volljährigkeit das Gefühl ein Stück zurück erlangt habe, Kontrolle über mein Leben zu haben, habe Kinder bekommen und später ein 1er-Fachabi gemacht und studiert. Aus anderen Gründen bin ich seit ein paar Jahren wegen einen schweren PTBS in Behandlung, mag aber nicht nach einem BTM-Rezept fragen und kann es kaum erwarten, dass ich mir hier endlich eine CBD-reiche, THC-arme Sorte legal selbst ziehen kann. Die Lampe dafür ist schon gekauft. Nur falls ich mich da nochmal mißverständlich ausdrücken sollte. 😅

  30. @wereatheist: Finnland

    Danke für den Hinweis. Tatsächlich ging es um Nordfinnland. Und natürlich ist die Teilnahme an solchen Studien freiwillig. Ich habe es im Text angepasst.

    Bleiben Sie kritisch!

  31. @Mussi: Warum möchten Sie wissen, was ich studiert habe? Nachdem ich hier im Schutz der Anonymität meine Drogenkarriere so ausführlich beschrieben und Münster erwähnt habe, wäre ich darüber ziemlich leicht zu identifizieren für Leute, die mich zufällig kennen.

  32. @Mimi: Lebenswege

    Schön erst einmal, dass du bei uns geblieben bist.

    Auf den Gedanken, dass das Drogenverbot ein Grund sein kann, um Teenager-Mädeln an die Wäsche zu gehen, war ich selbst noch gar nicht gekommen. Aber ich kann mir das vorstellen, zumal man in solchen Erziehungseinrichtungen schon am Rande der Gesellschaft (also besonders isoliert und damit verwundbar) ist.

    Ich habe übrigens Behördenversagen am eigenen Leib miterlebt, wenn auch vielleicht nicht so extrem, und sollte vom Gymnasium fliegen. Es kam dann anders.

    Zufällig war ich im November zusammen mit Janita-Marja Juvonen auf einer Tagung (Prävention) in Stuttgart. Wir saßen auch nebeneinander auf dem Podium. Über ihren Lebensweg – auch zum Thema “Heroin” – hat sie in ihrem Buch Einmal Absturz und zurück geschrieben.

    Das passt sogar zum Thema “Finnland” hier im Artikel: Da ihre finnische Mutter aufgrund großer psychosozialer Probleme nicht für sie sorgen konnte, wurde sie in eine deutsche Pflegefamilie adoptiert. Dort sei sie jahrelang misshandelt worden. Wenn sie weglief, hätten die Behörden sie mit der Empfehlung “sei froh, dass du überhaupt eine Familie hast”, wieder zurückgebracht. Ab 16 hätte man sie nicht mehr suchen müssen. So landete sie auf der Straße.

  33. @Mussi, Mimi: Die individuelle Studienentscheidung ist hier auch nicht Thema des Beitrags (Diskussionsregeln) und in der Tat hat jede(r) das Recht, hier anonym zu diskutieren.

  34. @ Mussi

    Verständlich! Es war Interesse, was aus persönlichen Erfahrungen eventuell zur Berufung geführt hat.
    Weiterhin Freude im Leben!

    [Okay. So kann man’s auf’s Thema beziehen. Nichts für Ungut. St. S.]

  35. P.S. Mimi: Probleme und Lösungen

    Nachdem ich mich so lange mit Traumata beschäftigt habe – teils persönlich, teils aus wissenschaftlicher Sicht – denke ich auch, dass manche Menschen so beschädigt wurden, dass eine 100%-Lösung nicht realistisch ist.

    Wie siehst du das?

    Das kann man sich so vorstellen wie eine Bergwanderung, bei der ein paar Teilnehmer*innen mit einem Rucksack mit schweren Steinen mitlaufen; oder mit kaputten Schuhen. Die müssen halt öfter Pausen machen und brauchen länger. Vielleicht schaffen sie es auch gar nicht zum Ziel.

    Darum sollte es meiner Meinung nach vor allem darum gehen, Leiden nicht zu vergrößern; insbesondere sollten Behörden/der Staat nicht Leute, die schon benachteiligt sind, weiter ins Abseits drängen. Die heutige Drogenpolitik dient leider als Negativbeispiel. Das ist übrigens meine persönliche Motivation für die Behandlung dieses Themas, auch wenn ich gar keine verbotenen Substanzen mehr konsumiere.

  36. @Stephan Schleim und Mussi: Vielen Dank. Ja, auch der illegale Drogenhandel wird ja stark von Männern dominiert (habe zumindest nie eine weibliche Dealerin getroffen). Ich bin zum Glück nie so weit abgerutscht, dass ich mich prostituiert hätte, um an Geld zu kommen, habe aber einige Male erlebt, dass Dealer Druck auf mich ausgeübt haben, sexuelle Gegenleistungen dafür zu erbringen, mir etwas zu verkaufen.

  37. @Stephan Schleim: Wie gesagt, finde ich es einfach wunderbar, wie Du Dich da engagierst, und wenn die Legalisierung nächsten Freitag durchgeht, was ich sehr hoffe, denke ich, haben wir das sicher zu einem beachtlichen Teil Deiner Arbeit zu verdanken. Und wenn die Welt danach auch immernoch nicht perfekt ist, so ist meine kleine Welt doch mit Sicherheit um einiges besser. Und wer Steine in seinem Rucksack hat, der baut mit dem richtigen Proteinfutter auch mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Muskeln auf, die ihn spielend leicht über die Stöckchen auf dem Weg hüpfen lassen, sobald die Steine weniger werden. 😅 🤷🏽‍♀️

  38. @ Schleim / Mimi

    Gehen Ihre Wünsche, Bedürfnisse und Erkenntnisse in ERFÜLLUNG! 😉

  39. @Mimi: Positives Denken…

    …ist sicher eine wichtige Fähigkeit, um im Leben weiter zu kommen; gerade auch dann, wenn man mit vielen Widerständen zu kämpfen hat. In unklaren Situationen wähle ich immer lieber die positive Interpretation.

    Aber bleiben wir auch realistisch, dass z.B. jemand in einem schweren Burn-out oder einer schweren depressiven Phase damit nicht immer geholfen ist. Im Gegenteil fühlt man sich dann vielleicht sogar noch schlechter, weil damit auch gesagt wird: “Du musst nur anders über deine Probleme denken, dann ist’s gut.”

    Idealerweise bleibt auch einmal einer der anderen Wanderer stehen und holt vielleicht ein paar Steine aus dem Rucksack; das heißt “Gemeinschaft”.

    P.S. Ich glaube nicht, dass meine Kommunikation einen Einfluss auf die Entscheidung des Bundesrats hat. Aber gemäß alter indischer Weisheit (z.B. der Bhagavad-Gītā) tue ich das, was ich aus tiefster Überzeugung für richtig halte; über die tatsächlichen Folgen sollen sich andere den Kopf zerbrechen. 🤷🏻‍♂️

  40. @Mimi 16.03. 10:30

    „…,dass ich mir hier endlich eine CBD-reiche, THC-arme Sorte legal selbst ziehen kann.“

    Nicht nur weil man keinen Dealer mehr kennt, der härtere Sachen im Angebot hat, könnte die Cannabislegalisierung zu weniger härteren Drogen führen. Man kann sich jetzt kostengünstig genau das Kraut ziehen, dass man rauchen möchte. Das reduziert den Bedarf nach Anderem, u.a. auch nach Alkohol.

    Dennoch wäre es für die betroffenen Menschen eine wahre Wohltat, wenn bei nachgewiesener Sucht auch härtere Drogen in guter Qualität zu bezahlbaren Preisen beziehbar wären. Langwierige Therapien sind zu teuer und zu unwirksam, das lohnt sich oft einfach nicht. Warum kann man die Menschen nicht einfach in Ruhe lassen?

    Sind hier die Mediziner einfach eifersüchtig? Nach dem Motto: Wenn hier einer Drogen verschreibt, dann sind wir das?

    Dann sollen die das eben tun dürfen. Das wäre ja auch eine Option gegen die organisierte Kriminalität und die ziemlich sinnlose und überaus teure Beschäftigung des Justizsystems mit Drogendelikten und Beschaffungskriminalität.

  41. @Stephan Schleim: Die Steine im Rucksack waren natürlich nur eine Metapher, aber wenn wir hier immernoch beim Thema Cannabislegalisierung sind, bedeutet die Herausnahme von Steinen aus dem Rucksack ja nicht nur eine gedankliche Verbesserung, für mich den Zugang zu einem sehr wirksamen Heilmittel. Habe mir ein wenig den Kopf zerbrochen, aber an dieser Stelle wird es bestimmt schnell sehr philosophisch, was ich auch spannend finde, aber eher bei Schmuddelherbstwetter. Daher bedanke ich mich nochmal für Deinen Beitrag und für diese Unterhaltung und verabschiede mich für heute.

  42. @Mimi: Im Bild wäre es wohl so, dass Staatsbeamte vorbeikommen und denen, die ohnehin schon viele Steine im Rucksack haben, wenn sie kiffen, noch ein paar Steine zusätzlich hereinlegen (z.B. durch Eröffnung eines Strafverfahrens).

    Ein schönes Wochenende – und dann bis spätestens im Herbst. 😉

  43. also “mindestens fünfmal” und “regelmäßig”, zusammen ausgewertet 

    Wenn jemand immer nur an seinem Geburtstag kifft, das wäre auch regelmäßig, selbst wenn es der 29. Februar wär.

    Psychose-ähnlichen Symptomen innerhalb des letzten halben Jahres befragt wurden.

    Auch der Befragungszeitraum könnte eine Rolle spielen. In Nordfinnland ist es im Winter 20 Stunden pro Tag dunkel, da sind die Leute anders drauf als im Sommer, wenn es 20 Stunden pro Tag hell ist.

  44. @Uwe: Ja, gut angemerkt. Mit jeder Fragestellung trifft man eine Vorauswahl. Die Sache mit “mindestens fünfmal” und “regelmäßig” wollte ich nicht auch noch diskutieren, zumal der Artikel schon lang ist.

    Das alles spricht weiter dafür, die Aussagen solcher Studien vorsichtig zu interpretieren.

  45. Keine Person in der Sendung bei Lanz wusste überhaupt was eine Psychose ist, welche Formen es gibt, wielange sie anhalten, welche z.B durch Abstinenz von alleine ausheilen oder wie sie z.B mittels Psychotherapie oder Medikamenten behandelt werden können. Und solange das niemand wirklich erklärt, ist den Menschen mit diesem fast schon Kampfbegriff ”Psychose” schön leicht Angst zu machen.

    und denkt immer dranan,
    wenn ihr euch 3 mal selbstbefriedigt, dann werdet ihr blind!.

  46. @Alex: Psychosen

    So ist es. In vielen Fällen dürfte es um das gehen, was Konsumierende einen “bad trip” nennen. Viele haben unter Drogeneinfluss zum Beispiel schon einmal paranoide Gedanken oder Angst erlebt. (Tja, und für wie viele z.B. Impfgegner galt das in der Pandemie, auch ohne Drogen?)

    Wie bei einer Schneekugel (dem Weihnachtsgeschenk) sieht man nichts mehr, wenn man viel schüttelt; und kommt das Bild von selbst wieder zur Ruhe, wenn man es in Ruhe lässt.

  47. Die Tiefe der bereitgestellten Erkenntnisse ist wirklich lobenswert; Ihre großzügige Bereitschaft, solch wertvolle Informationen weiterzugeben, wird nicht nur geschätzt, sondern auch zutiefst respektiert. Ihr Engagement für die Wissensverbreitung dient uns allen als Inspiration.

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