sciebooks enden im Juni 2019 – Rückblick auf eine intensive und entdeckungsreiche Zeit

Nachdem ich 2012 das Skript für die Biographie “Evolution und Gottesfrage. Charles Darwin als Theologe” (Herder) abgegeben hatte, kehrte das Gefühl bald wieder, das viele Autorinnen und Autoren sehr gut kennen: Nach dem Schreiben ist vor dem Schreiben. Doch was sollte das nächste Projekt werden?

Gerne hätte ich einmal ein eBook versucht, doch wollte ich keinen einzelnen Digital-Monopolisten füttern und einen eBook-Verlag kannte ich nicht. Eine Lösung fand meine Frau Zehra. Sie war wegen unseres dritten Kindes gerade in Elternzeit – und forderte mich auf, zu schreiben. Den Verlag sciebooks (eine Abkürzung von science eBooks) baute sie selber auf.

Das Logo des sciebooks-Verlags von Zehra Blume

So entstand eine ganze eBook-Reihe, an der ich unglaublich Freude hatte. Auf dem frühen Höhepunkt der Entwicklung im Jahr 2013 gingen monatlich über 500 Bücher als Datei oder auch Amazon-Taschenbuch raus. Auch einige andere Autorinnen und Autoren stiegen mit Werken ein.

Allerdings näherte sich der eBook-Aufschwung bereits 2014 seinem Ende: Die deutsche Buchpreisbindung und die auf eBooks erhobene, erhöhte Mehrwertsteuer behinderten die Entstehung einer digitalen Lesekultur in Deutschland. Jene Deutschsprachigen, die sich dennoch einen eBook-Reader gekauft hatten, hatten diesen schnell mit sehr viel Literatur vollgesogen (auch mir selbst ging es so). Und: Das digitale Lesen wurde von den meisten (auch von mir) als schneller und leichter, aber auch als flüchtiger, weniger haptisch und weniger einprägsam erfahren. Ich ertappte mich selbst dabei, als eBooks vor allem Romane und Kurzgeschichten zu lesen, aber Sachbücher wieder in Papier nachzufragen. Schließlich begeisterte ich mich mehr und mehr für Hörbücher.

Der gleiche Trend zeigte sich in der Gesamtnachfrage: Bei insgesamt sinkendem Absatz wurden mehr und mehr sciebooks-Taschenbücher bei Amazon geordert – was nett war, aber nicht der ursprünglichen Idee entsprach.

Immer mehr Nachfrage nach sciebooks-Taschenbüchern war erfreulich, entsprach aber nicht der Grundidee. Foto: Michael Blume

Bald schon gingen mehr und mehr Bestellungen klassischer Buchhandlungen bei den sciebooks ein. Der Verwaltungs- und Steueraufwand wurde dabei jedoch immer größer – denn im Gegensatz zu den internationalen Digitalkonzernen versteuert sciebooks jeden Cent und jeden Yen (ja, es gab erstaunlich viele Bestellungen auch aus Japan). Aber längst war Zehra wieder berufstätig – und mir fiel es nach der Leitung des Sonderkontingents für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak zeitlich immer schwerer, noch neue eBooks zu schreiben.

Stattdessen startete ich bei Patmos mit “Islam in der Krise” und “Warum der Antisemitismus uns alle bedroht” eine klassische Sachbuchreihe, die sehr gut angenommen wurde. Die Zusammenarbeit mit einem klassischen Verlag und Team sowie die Stärkung der lokalen Buchhandlungen gegenüber anonymen Konzernen fühlte sich richtig und gut an. Und zuletzt konnte ich mit Patmos auch beide Bücher als Hörbücher veröffentlichen. Dabei halte ich das Hören nicht nur für ein weiteres Medium, um Menschen Wissen anzubieten und mit ihnen in den Dialog zu treten – sondern sogar für das ursprüngliche und urtümliche Medium, in dem unsere Vorfahren zu Menschen evolvierten. Deswegen möchte ich auch in Zukunft versuchen, die Hörbücher selbst einzulesen.

Neue und klassische Medien verschränken sich in immer neuen, faszinierenden Varianten. Hier ein Radio-Interview bei SWR1 Leute, das wiederum aufgezeichnet und auf YouTube eingestellt wurde.

So werden also die sciebooks zum Juni 2019 den Betrieb wieder einstellen. Es war ein geniales, gemeinsames Projekt, mit dem Zehra und ich unheimlich viel Freude, Entdeckungen und auch Leserinnen und Leser gewinnen konnten. Beim Schreiben und Diskutieren der sciebooks habe ich selbst unglaublich viel gelernt.

Und nein, trotz der freundlichen, “kostenlosen” Möglichkeiten, werde ich die sciebooks nicht bei Amazon vorrätig halten. Ich halte das auf Monopole und Steuervermeidung zielende Vorpreschen der großen Digitalkonzerne für sehr problematisch und möchte mein geistiges Eigentum in kein digitales Silo sperren lassen. Stattdessen hoffe ich, in den kommenden Jahren weitere Sachbücher bei Patmos veröffentlichen zu können, die ebenfalls auch als eBooks und Hörbücher nicht-monopolistisch verfügbar sein und bleiben sollen.

Wenn es also noch sciebooks geben sollte, die Sie interessieren könnten, so müssten Sie in den nächsten Tagen zugreifen. Ab Juni gehen sie vom Netz.

Es war eine wundervolle Zeit und wir danken allen, die ein Stück dieses Weges mit uns gegangen sind!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

2 Kommentare

  1. @Michael Blume
    Ihren Zorn auf Amazon wegen deren Steueroptimierungsstrategie kann ich nachvollziehen, aber ich hätte Ihre Bücher ohne Amazon nie gefunden. Wahrscheinlich hätte ich nicht einmal den Patmos Verlag besucht. So aber habe ich acht gelesen und, obwohl ich weiß Gott nicht immer gleicher Meinung war, sehr viel daraus gelernt. Bei kleineren Verlagen mag es durchaus ebenfalls gute Bücher geben, aber letzten Endes geht man doch immer wieder da hin, wo man einmal erfolgreich fündig wurde. Meine Bibliothek umfasst zu 95% E-Books, die ich immer und überall bei mir haben kann und daher auch mal zwischendurch lesen kann. Ich werde versuchen Ihren weiteren Werdegang nicht aus den Augen zu verlieren, da ich gerne noch mehr lernen möchte.

    • Vielen Dank für die interessante und ermutigende Rückmeldung, @Jo Stritzelberger.

      Tatsächlich habe ich auf Amazon keinen „Zorn“, bin selbst dort guter Kunde – u.a. derzeit mit Game of Thrones – und werde auch zukünftig meine Bücher gerne dort anbieten.

      Allerdings unterstütze ich Schritte gegen das digitale Steuerdumping und lehne vor allem den Aufbau von Monopolen ab. Deswegen kam und kommt es für mich nicht in Frage, eBooks nur über Amazon anzubieten – obwohl die Plattform dafür kostenfrei gute Services anbietet. Aber ich sehe dabei eine doppelte Gefahr sowohl für den lokalen Buchhandel wie auch für eine bunte Verlagslandschaft.

      Danke, dass Sie auf dem Blog vorbeigeschaut und Ihre wertvollen Beobachtungen geteilt haben! Ich hoffe, wir bleiben in „Kontakt“. 😊📚👍🌈

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