Ritalin in den Abwasserkanälen von Universitätsstädten

Forscher des niederländischen Instituts für Gesundheit und Umwelt (RIVM) haben das Abwasser von drei Städten auf Rückstände bestimmter psychoaktiver Substanzen untersucht. Was sagt uns das über den Substanzkonsum von Studierenden?

In den letzten 20 Jahren hat der Konsum von leistungssteigernden Substanzen durch Menschen und insbesondere durch Studierende sowohl in der Wissenschaft als auch in den Medien immer wieder für Aufmerksamkeit gesorgt. Dieses Verhalten wird manchmal als “Neuroenhancement” oder “Gehirndoping” bezeichnet. Vor Kurzem haben die niederländische Regierung und das Parlament dieses Problem als “unsachgemäßen Gebrauch” (niederländisch: oneigenlijk gebruik) von Arzneimitteln bezeichnet, insbesondere von solchen Substanzen, die häufig zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verschrieben werden.

Als Reaktion auf die Initiative der Regierung untersuchten Forscher des niederländischen Instituts für öffentliche Gesundheit und Umwelt (RIVM) die Abwässer in drei niederländischen Universitätsstädten: Amsterdam, Eindhoven und Utrecht. Das Team um den leitenden wissenschaftlichen Mitarbeiter Bastiaan J. Venhuis machte sich die Tatsache zunutze, dass der Körper Methylphenidat, den psychoaktiven Inhaltsstoff des bekannten Medikaments Ritalin, zu einem bestimmten Anteil in Ritalinsäure (C13H17NO2) umwandelt.

Die Messung der Ritalinsäurekonzentration im Abwassersystem ermöglichte es ihnen, die verbrauchte Menge an Ritalin in diesen Städten zu schätzen. Und diese geschätzte Menge konnte dann mit den Verschreibungsraten verglichen werden: Was wäre auf der Grundlage der Rezepte von Ärzten in diesen Gebieten zu erwarten?

Um sich ein vollständiges Bild zu machen, entnahmen die Forscher an sieben aufeinanderfolgenden Tagen im Herbst 2022 mehrere Proben aus dem Abwasser in jeder der Städte. Die im Abwasser gefundenen Konzentrationen schwankten zwischen 0,4 und 1,2 µg (Mikrogramm) pro Liter (Bakker-‘t Hart et al., 2023). In Utrecht waren sie am Wochenende niedriger, in Amsterdam am Sonntag und Montag.

Laut den Forschern entsprechen diese Zahlen dem, was man anhand der Verschreibungsdaten erwarten würde, also wie viel Methylphenidat aus medizinischen Gründen verschrieben wird. Dies würde zeigen, so Venhuis und sein Team, dass der “unsachgemäße Gebrauch” dieses Medikaments auf ärztlich verschriebenes Ritalin und ähnliche Medikamente zurückzuführen ist, die ohne Rezept an Menschen weitergegeben werden. Demnach würden keine illegal hergestellten oder aus dem Ausland importierten Substanzen konsumiert.

Aber wie verbreitet ist “Gehirndoping” eigentlich?

Die im Abwasser gefundenen Ritalinsäuremoleküle sagen aber nichts darüber aus, ob sie aus medizinischem oder “unsachgemäßen” Gebrauch stammen (Letzteres ist formal ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz). Und hier liegt meines Erachtens ein Problem in der Argumentation der RIVM-Forscher:

Die Einnahme von leistungssteigernden Medikamenten wird immer wieder gehypt, wobei oft suggeriert wird, dass “Gehirndoping” oder “unsachgemäßer Gebrauch” weit verbreitet ist. So wurde beispielsweise die nicht repräsentative Umfrage meines Kollegen Anselm Fuermaier mit der Behauptung zitiert, dass bereits 16 % der Studierenden dopen (Fuermaier et al., 2021). Bei genauerer Betrachtung der Ergebnisse zeigt sich jedoch, dass zwar 170 von 1071 Studierenden (also 16 %) angaben, solche Substanzen mindestens einmal in ihrem Leben nicht-medizinisch konsumiert zu haben. Aber nur 2 von 1071 (also 0,2 %) gaben an, dies regelmäßig zu tun. Außerdem beschrieb die Mehrheit dieser Studierenden ihren Konsum als Freizeitbeschäftigung und nicht als studienbezogen.

Jüngste repräsentative Umfragen, die durch das Interesse der Regierung und des Parlaments an diesem Thema initiiert wurden, bestätigen die Zusammenfassung internationaler Umfragedaten (z. B. Schleim & Quednow, 2018), dass “Gehirndoping” zwar existiert, aber nicht auf extrem hohem Niveau. In den Niederlanden gaben nur 2 % der Studierenden an, im letzten Monat mindestens einmal nicht-medizinisch verschreibungspflichtige Stimulanzien eingenommen zu haben (IVM, 2022). Dementsprechend informierte der niederländische Gesundheitsminister Ernst Kuipers das Parlament wie folgt:

“Im Allgemeinen finde ich es nicht wünschenswert, dass einige Studierenden manchmal zu diesen Mitteln greifen. Gleichzeitig zeigen die Zahlen, dass dies glücklicherweise keine gängige Praxis ist.”

Ernst Kuipers in seinem Brief an das Parlament vom 30. Juni 2022; deutsche Übersetzung

Es kann also durchaus sein, dass einige Studierende gelegentlich eine solche Pille von ihren Freunden oder Geschwistern bekommen. Aber das scheint nicht so häufig vorzukommen, dass man einen großen Einfluss auf die im Abwasser gefundene Menge erwarten würde. Die Reinigung des Abwassers von Drogenrückständen wird für die Kläranlagen zu einer immer größeren Herausforderung. Aber das ist ein Thema für eine andere Gelegenheit.

Ist “Gehirndoping” wirklich ein neuer Trend?

Für die Leserinnen und Leser von MENSCHEN-BILDER gab es über die Jahre hinweg immer wieder Texte zum “Gehirndoping”. Während das Phänomen in vielen Medien als neu und steigend dargestellt wird, ist es nachweislich schon in den 1930ern in Fachzeitschriften behandelt worden. Auch damals ging es um eine der heute verschreibungspflichtigen stimulierenden Substanzen, nämlich Amphetamin, das von Studierenden verwendet wurde.

Tatsächlich nimmt der nicht-medizinische Konsum von Amphetamin (Straßenname “Speed”) in Bildungseinrichtungen wohl seit den 1980ern kontinuierlich ab (vgl. Schleim, 2023, Kap. 3). Das könnte damit erklärt werden, dass die Diagnose von ADHS – die überhaupt erst 1980/1987 in ihrer heutigen Form eingeführt wurde – seitdem stark steigt. Als Behandlung dieses Störungsbilds werden dann häufig Stimulanzien wie Amphetamin oder Ritalin (Methylphenidat) verschrieben.

Da die Diagnosekriterien im Laufe der Zeit aufgeweicht wurden, wurde es auch immer einfacher, eine ADHS-Diagnose zu bekommen. Diese geht in Lernkontexten mit Vorteilen einher, wie etwa längerer Zeit in Klausuren. Die Diagnose kann Kinder aber auch zur Zielscheibe für Mobbing machen.

Umstrittene ADHS-Diagnose

Laut dem international einflussreichen Diagnosehandbuch DSM der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung ist ADHS eine neuronale Entwicklungsstörung. Die angebliche Gehirnstörung, die dem auffälligen Verhalten – wie Ablenkbarkeit oder Impulsivität – unterliegen soll, wurde in bald 100-jähriger Forschung aber nie gefunden. Deshalb wurden frühere medizinische Bezeichnungen für ähnliche Störungsbilder von Kindern wie “Minimaler Gehirnschaden” (Minimal Brain Damage, MBD) oder “Minimale Gehirnstörung” (Minimal Brain Disorder, MBD) aufgrund von Protesten aufgegeben.

Aufgrund fehlender neurobiologischer Diagnosekriterien wird ADHS nach wie vor mit Fragebögen oder durch Verhaltensbeobachtung festgestellt. Dabei ist das Auftreten der Konzentrations- oder Verhaltensprobleme in der frühen Kindheit von besonderer Bedeutung. Während diese Schwierigkeiten im Erwachsenenalter oft abnehmen, ist inzwischen umgekehrt auch die Variante Erwachsenen-ADHS allgemein anerkannt. Diese wird insbesondere bei jüngeren Erwachsenen diagnostiziert.

Meine theoretische Sichtweise bestreitet nicht die Existenz des Störungsbildes. Ich weise allerdings daraufhin, dass die psychiatrische Diagnose ADHS das Problem in einen medizinischen Kontext bringt. In diesem wird häufig allein das Kind als Problem gesehen, nicht seine schulische oder familiäre Umgebung. Diese Individualisierung ist eine allgemeine Folge der Psychologisierung oder Psychiatrisierung von Problemen, wie wir sie in vielen Situationen beobachten können.

Meine Kollegin an der Universität Groningen, die Pädagogikprofessorin Laura Batstra, entwickelt seit vielen Jahren und mit zunehmendem Erfolg eine alternative Sichtweise auf das Störungsbild. Diese kommt ohne die Diagnose ADHS aus und nimmt sowohl das Verhalten des Kindes als auch seine Umgebung in den Blick. Batstra berichtete darüber bereits hier bei MENSCHEN-BILDER im Interview (“Nein, Ihr Kind ist nicht krank!”).

Diejenigen, die ADHS für eine objektive medizinische Kategorie halten, sollten ein paar Tatsachen bedenken: Die Diagnosekriterien verändern sich im Laufe der Zeit und lassen heute ganze 116.220 Varianten von ADHS zu (Schleim, 2022). Der größte bekannte Risikofaktor ist das Alter eines Kindes im Vergleich zu anderen: Wer beispielsweise aufgrund der Stichtage für die Einschulung zu den Jüngsten einer Klasse gehört, bekommt die Diagnose mit größter Wahrscheinlichkeit. Dazu gibt es regionale Unterschiede und werden etwa in Würzburg und Umgebung fast doppelt so viele Kinder und Jugendliche diagnostiziert als in Darmstadt oder Frankfurt.

Instrumenteller Substanzkonsum

Auch wenn “Gehirndoping” seit 20 Jahren vor allem ein Konstrukt der Medien ist, ist die Verwendung psychoaktiver Substanzen im Alltag ein sehr verbreitetes Phänomen. Unsere “Genussmittel” Kaffee (Koffein), Tabak (Nikotin) und alkoholische Getränke erfüllen auch bestimmte Zwecke: Beispielsweise lassen sich damit Müdigkeit und Langeweile bis zu einem gewissen Grad überbrücken oder Stress und Schüchternheit reduzieren. Auch diese Mittel waren im Laufe unserer Kulturgeschichte mal mehr oder weniger umstritten.

Insofern könnte man die Verwendung verschreibungspflichtiger Stimulanzien ohne Rezept allgemeiner als “instrumentellen Substanzkonsum” verstehen. Auch mit diesen Mitteln wurde bisher nicht gezeigt, beispielsweise den Intelligenzquotienten einer Versuchsperson zu erhöhen. Vielmehr scheinen sie – bei gesunden Menschen – vor allem die Arbeitsmotivation zu erhöhen und Müdigkeitserscheinungen zu reduzieren.

Sehr viel häufiger als das “Neuroenhancement” zur Verbesserung der Studienleistung dürfte unter Studierenden wohl der Cannabiskonsum sein: um nach einem stressigen Tag an der Uni besser abzuschalten oder besser zu schlafen. Die Verwendung psychoaktiver Substanzen – je nach Perspektive als Genussmittel, Medikament oder Droge – ist jedenfalls seit Jahrtausenden Teil unserer Kultur. Manche behaupten sogar, dass dieser Fähigkeit in unserer Evolution eine wichtige Bedeutung zukam.

Kombiniert man all diese Sichtweisen, kommt man zu einer alternativen Schlussfolgerung: Psychische Störungen sind keine Erkrankungen im medizinischen Sinn, sondern bestimmte Abweichungen von einer Norm. Durch Substanzkonsum werden – mit oder ohne Diagnose – mitunter mit denselben Stoffen dieselben psychischen Effekte erzielt. Nur nennt man das auf Rezept eines Arztes “Therapie”, bei eigener Entscheidung “Drogenkonsum”.

So ergibt auch der “Drogenkonsum” vieler Menschen Sinn, beispielsweise als Selbstmedikation. Wie sinnvoll es ist, dagegen mit Polizei und Staatsanwalt vorzugehen, stelle ich hier zur Diskussion.

Hier erfahren Sie mehr über “Gehirndoping”

Stephan Schleim beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren mit “Neuroenhancement” oder “Gehirndoping”. An der Universität Groningen hat er kürzlich einen kompakten “Gehirndoping-Bericht” in drei Sprachen (Deutsch, Englisch, Niederländisch) sowie das Open-Access-Buch “Mental Health and Enhancement: Substance Use and Its Social Implications” als Teil eines vom Niederländischen Forschungsrat (NWO) finanzierten Forschungsprojekts über Neuroethik publiziert.

Das könnte Sie auch interessieren:

Referenzen

Bakker-’t Hart et al. (2023). Studiedoping vooral door doorsluizen van voorgeschreven ADHD-medicatie. Pharmaceutisch Weekblad, 158(37), 12-15.

Fuermaier, A. B., Tucha, O., Koerts, J., Tucha, L., Thome, J., & Faltraco, F. (2021). Feigning ADHD and stimulant misuse among Dutch university students. Journal of Neural Transmission, 1-6.

IVM [Instituut Verantwoord Mecidijngebruik] (2022). Gezonde focus: terugdringen van oneigenlijk gebruik van ADHD-medicatie. Utrecht.

Schleim, S., & Quednow, B. B. (2018). How realistic are the scientific assumptions of the neuroenhancement debate? Assessing the pharmacological optimism and neuroenhancement prevalence hypotheses. Frontiers in Pharmacology, 9, 3.

Folgen Sie Stephan Schleim auf Twitter. Titelgrafik: PublicDomainPictures auf Pixabay. Teile dieses Artikels erschienen vorher in englischer Sprache auf dem Blog Mindwise.

Avatar-Foto

Die Diskussionen hier sind frei und werden grundsätzlich nicht moderiert. Gehen Sie respektvoll miteinander um, orientieren Sie sich am Thema der Blogbeiträge und vermeiden Sie Wiederholungen oder Monologe. Bei Zuwiderhandlung können Kommentare gekürzt, gelöscht und/oder die Diskussion gesperrt werden. Nähere Details finden Sie in "Über das Blog". Stephan Schleim ist studierter Philosoph und promovierter Kognitionswissenschaftler. Seit 2009 ist er an der Universität Groningen in den Niederlanden tätig, zurzeit als Assoziierter Professor für Theorie und Geschichte der Psychologie.

17 Kommentare

  1. @Hauptartikel

    „dass die psychiatrische Diagnose ADHS das Problem in einen medizinischen Kontext bringt. In diesem wird häufig allein das Kind als Problem gesehen, nicht seine schulische oder familiäre Umgebung.“

    Die Zumutung in den Schulen ist nun auch für alle Kinder eine Herausforderung. Man muss hier stillsitzen und alles pauken, was im Lehrplan steht. Ob es nun interessiert oder nicht. Gute Lehrer verstehen es, bei den meisten Schülern wirkliches Interesse zu wecken, und viele Schüler finden selber Wege, sich am Lernstoff zu interessieren. Wenn es aber schiefgeht, dann wird es quälend.

    Dazu kommen noch individuell verschiedene Interessen und ganz verschiedenen Lerngeschwindigkeiten in verschiedenen Fächern und überhaupt, je nach individuellem Lernvermögen. Aber eben auch je nach wirklichen Interessen und natürlicher Neugier.

    Das ausschließliche Lernen im Klassenverband ist alles andere als optimal. Es sollte viel mehr Raum geben, schnellen Schülern mehr Stoff anzubieten und langsameren Schülern mehr Zeit mit den Themen zu geben. Und dass eben nicht nur über alle Fächer, sondern je nach Interessenlage auch in jedem Fach extra.

    Die Aufteilung auf 3 weitere Schulformen ist viel zu grob, und wird zur Zumutung in beide Richtungen. Die einen langweilen sich viel, andere kommen nur schwer hinterher.

    Es bleibt zu hoffen, dass die neuen digitalen Möglichkeiten auch diese Probleme wesentlich entschärfen können. Wenn die Vorträge nicht mehr nur vom Lehrer immer wieder neu gehalten werden, sondern zentral als Video zur Verfügung stehen, dann hat der Lehrer Zeit, sich um individuelle Schwächen zu kümmern, und die besseren Schüler können sich zusätzlichen Inhalten zuwenden, statt sich zu langweilen. Und das in jedem Fach für sich.

    So könnte man auch wirkliche Gesamtschulen realisieren, und dennoch jedem Schüler individuell gerecht werden. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass hier so auch eine ADHS-Problematik abnimmt.

    „Diese Individualisierung ist eine allgemeine Folge der Psychologisierung oder Psychiatrisierung von Problemen, wie wir sie in vielen Situationen beobachten können.“

    So ist auch ein Zuviel an Konkurrenz unter den Menschen eine Ursache für nicht so gute Umgangsformen und für eine Vereinsamung, die schmerzhaft werden kann. Wer weniger leistungsfähig ist, ist dann auch schnell von Arbeitslosigkeit betroffen, obwohl eigentlich nur der Arbeitsmarkt hierfür ungünstig ist. Anstatt hier die Arbeitslosen weiterzubilden oder gar abzuschreiben, könnte man auch gucken, wie man den Arbeitsmarkt selbst anpassen kann.

    Etwa würde eine Reduzierung der Arbeitszeiten am Ende auch bei den weniger Qualifizierten ankommen, und die Möglichkeiten einer Beschäftigung verbessern. Und sogar die Löhne im Niedriglohnbereich könnten so steigen, was dann wiederum nicht nur der sozialen Gerechtigkeit zugute käme, sondern auch die Motivation der Arbeiternehmer fördern könnte.

  2. @Tobias: Reduktion der Arbeitszeiten

    Ich schreibe ja aus den Niederlanden, dem Teilzeit-Land-Nummer-1 Europas. Wer es sich leisten kann und nicht ganz mit seiner Arbeit verheiratet ist, arbeitet nur vier Tage oder weniger.

    Tja. Gleichzeitig herrscht Fachkräfte- und auch immer allgemeiner Arbeitskräftemangel. Und die Hauptwelle der Baby-Boomer, die in den Ruhestand wechseln, kommt erst noch.

  3. Was sagt uns das über den Substanzkonsum von Studierenden?

    Nicht viel. Da hätte man zweckmäßigerweise das Abwasser einer Universität mit dem eines Industriebetriebes vergleichen sollen.

  4. @Stephan 05.10. 17:17

    „Tja. Gleichzeitig herrscht Fachkräfte- und auch immer allgemeiner Arbeitskräftemangel. Und die Hauptwelle der Baby-Boomer, die in den Ruhestand wechseln, kommt erst noch.“

    Optimal scheint mir ein mäßiger Mangel an Arbeitskräften zu sein. Das stärkt die Position des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber hat schon genug Macht. Aber in Maßen, sonst bleiben hinterher noch Regale leer.

    Die Zukunft verspricht allerdings mehreres.

    Erst einmal kann KI wohl immer mehr, dann können wir ziemlich vieles bürokratisch Sinnloses vermeiden, und auch z.B. im Gesundheitswesen mal die Kostenstrukturen so gestalten, dass es keine Anreize für überflüssige Behandlungen setzt.

    Dann können wir angesichts des Klimawandels gerne auch eine gewisse Konsumzurückhaltung probieren. Insbesondere gucken, ob es nicht auch ohne eigenes Auto geht, man nicht Urlaub auch auf Campingplätzen in der Region verbringen kann, und manch einer kann auch in eine kleinere Wohnung umziehen, und muss sich nur mal aufraffen, dies umzusetzen.

    Das schafft alles Arbeitsplätze ab, was sogar so weit gehen kann, dass man weniger Migranten nachfragen kann. Was dann langfristig noch den Bedarf an Neubauten reduziert, und sich so durchaus dauerhaft ziemlich wenig Beschäftigung etablieren könnte.

    Dem entgegen steht, dass wir in die Energiewende und ins Militär investieren müssen, das erfordert dann mehr Arbeitseinsatz. Und es gibt eine Menge Menschen in Not, die wir hier aufnehmen können, die brauchen Arbeitsplätze, und die können auch einen Arbeitskräftemangel ausgleichen, insbesondere, wenn die schneller integriert werden, indem sie zügig Deutsch lernen.

    Allerdings sind die meisten hier Einwandernden wirklich hauptsächlich zum Arbeiten hier. Wenn sich der Bedarf danach reduziert, kehren viele wieder nach hause zurück, das betrifft vor allem EU-Ausländer.

    Wir müssen aber auch nicht diese Exportüberschüsse haben. Wenn hier manche Produktion abwandert, dann hilft das doch auch sogar weiter. Nicht nur hier, dass es den Arbeitskräftemangel entschärft, auch wenn die Produktion in Regionen abwandert, wo hohe Arbeitslosigkeit herrscht, dann hilft es da dann ganz entscheidend.

    Es ist einfach Quatsch, immer nur zu gucken, hier möglichst viel zu produzieren, zu verdienen und zu arbeiten.

  5. Die Abwässer (Scheiße) bringt es an den Tag: In dieser Oberwelt ist vieles nur geheuchelte Fassade. Hinter dem schönen bunten Schein verbergen sich Überleben-und Existenzkämpfe und Versuche mit Drogen den Normen der Gesellschaft gerecht zu werden. Wer diesem Leistungsanspruch nicht gerecht wird, dröhnt sich zu um nicht durch das Raster der Versager zu fallen . In Erfurt, Chemnitz und Dresden hat man übrigens in den Abwässern starke Rückstände von Crystal festgestellt. Bleibt abzuwarten ob die Kanalratten irgendwann auch unter Drogenstress stehen werden , ihre Population sich dabei vermehrt oder
    ob ihr Gehirndoping auch psychische Abnormitäten produziert. Auf jeden Fall werden Ratten nicht freiwillig Drogen nehmen und bei Börsencrachs auch nicht freiwillig aus dem Fenster springen . Irgendwie haben sie vielleicht auch noch einen gesunden “Menschenverstand”.

  6. @Skeptiker: Ost/West

    In Ostdeutschland soll es mehr Crystal Meth geben, dafür weniger Cannabis, weil dort die tscheschischen(?) Drogenlabore in der Nähe sind. Übrigens steht “Meth” hier für “Methamphetamin”, war dieser Stoff in der deutschen Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs durchaus beliebt (z.B. als “Panzerschokolade”) – und ist zwar stärker, aber meiner Einschätzung nach nicht wesentlich anders als die oft verschriebene ADHS-Medikation. (Durch die stärkere Wirkung und wahrscheinlich höhere Dosierung kommt es wohl eher zu einem “High” bzw. “Kick”.)

    In anderen Großstädten finden sich durchaus auch hohe Mengen von Kokainrückständen im Abwasser. So viel zum Stichwort “Überlebens- und Existenzkämpfe und Versuche mit Drogen den Normen der Gesellschaft gerecht zu werden”.

    P.S. Wahrscheinlich werden die Ratten noch lange Zeit Gedeihen, wenn es irgendwann keine Menschen mehr auf der Erde gibt.

  7. Mir hat eine Ärztin erzählt, dass die früher nach dem 2. Weltkrieg oft mit Pervitin Medizin studiert haben. Steigende Verordnungen für Ritalin und steigende Diagnosen bei Erwachsenen darf man nicht für bar nehmen. Von Methylphenidat und Co. profitiert eine Patientengruppe in der Depressionsbehandlung und mglw. auch bei Fatigue im Rahmen von Rheuma und Co. Zur Abrechenbarkeit wird dann die ADHS-Diagnose gegeben und zur sachgerechten Behandlung halt auch sowas verordnet. Natürlich als Reservestrategie.

  8. Gibt es solche Untersuchungen für die Abwässer des Bundestages ? Aber sachlich: Im Prinzip ist dieses doch kein Gehirndoping denn wir betäuben damit doch das was wir unsere “Persönlichkeit” nennen, nämlich unser wahres Wesen. Doping ist es da wir das Nervensystem hochfahren um es zu Höchstleistungen zu zwingen oder andere unliebsame ,schmerzende Emotionen in uns zu betäuben. Unter solchen “Persönlichkeitsstörungen” leidet die Masse und diese Störungen werde erst zu Störungen wenn das Individium sich diesen erst bewusst wird, also “leidet”. So gesehen laufen viele mit Persönlichkeitsstörungen in Politik, Wirtschaft, Kunst etc. herum ohne es zu wissen. Das Gehirn wird meiner Ansicht nach nicht gedopt sondern die Muster die und treiben oder krank machen .

  9. @Skeptiker, man vergibt die Diagnose Persönlichkeitsstörung nicht ohne Berücksichtigung des Kontextes. (s. Fiedler et al. Das heißt, einem Berufspolitiker, der zweifelsohne bestimmte Persönlichkeitszüge benötigt, um in der Politik bestehen zu können, diagnostiziert man nicht ohne Weiteres als persönlichkeitsgestört. Gegenbeispiel Trump für malignen Narzissmus.

    Man geht in der Diskussion um Enhancement weniger normativ um, so Herpertz-Dahlmann jedenfalls. Das sind Fragen, die gesellschaftlich debattiert werden muss. Ich bin froh, wenn etwa Medikamente zur Linderung schrecklicher Erkrankungen unter Einsatz von Doping entwickelt wurden. Man darf das nicht alles so normativ einfärben und so tun als wohnte die Menschheit im Schlaraffenland. Die Menschheit hat viele Probleme und Nöte zu bewältigen, und das geschieht mitunter unter Einsatz von Enhancement. Und das ist ok.

    Als Selbstmedikation würde ich nur die Verwendungen verstehen wollen, in denen handfeste klinische Störungen infolge von schweren Traumatisierungen mittels BTM selbst behandelt werden. Interessanterweise geben neue Studien den Leuten, die früher gern Pilze „gefressen“ haben, recht oder etwas Rückenwind. Wissenschaftlich finde ich besonders die Rekonstruktion von Konsum harten Drogen (Heroin usw) als Selbstmedikation interessant und die Frage, ob man einem therapieresistenten Kern das nicht als Therapie zubilligt. Ich wäre nicht geneigt, Christiane Vera F. jetzt abermals zigmal noch zu substituieren, sondern würde dann Therapie mit Heroin anerkennen in Übereinstimmung mit fachlich-wissenschaftlichen Standpunkten und Projekten.

    Drogengenuss zur Stressreduktion würde ich nicht als Selbstmedikation bezeichnen wollen, sondern einfach ein Bedürfnis anerkennen, abzuspannen und das mehr als Lifestyle sehen. Man muss schauen, dass sich in die Semantik nicht (heuchlerische) Abstinenzideale einschleichen; heuchlerisch, weil Alkohol als Genussmittel gilt, aber Opioid- und GABA-Wirkung entfaltet, also eigentlich eine potente schmerzlindernde Droge ist, wenn man es pharmakologisch betrachtet. Wenn man das kulturell richtig aufarbeiten würde, stünden die Alkoholgenießenden unter erheblichen Rechtfertigungsdruck.

  10. @Nando: Ein Bekannter erzählte mir erst kürzlich, dass man im Pharmakologiestudium auch so manches “gemixt” hat. Na ja: Viel hängt ja auch von den Erwartungen ab (Placebo bzw. Set & Setting).

    Jedenfalls sollte inzwischen klar sein, dass Amphetamine aus einem keinen Einstein machen, wenn man nicht schon einer ist. (Keinstein?)

  11. @Skeptiker: Dass es beim “Gehirndoping” nicht um eine (direkte) Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit geht, wie man gerne behauptet, sondern eher um subjektiv-emotionale Effekte (z.B. Kompensation von Müdigkeit; höhere Motivation), ist ja gerade Ergebnis meiner Forschung.

    Aber indirekt ist es dann doch wieder eine (indirekte) Leistungssteigerung – die aber wohl mit ziemlicher Sicherheit einen späteren Preis nach sich zieht.

  12. @Nando: Selbstmedikation

    Das ist, denke ich, Ansichtssache; übrigens werden auch die Grenzen dessen, was für Traumata die Diagnose einer PTSS rechtfertigen, unterschiedlich gezogen.

    Ob man es jetzt “Selbstmedikation” oder “Coping” (Bewältigungsstrategie) nennt, ist erst einmal eine begriffliche Frage. Für mich stellt es sich so dar, dass manche (viele?) Menschen psychoaktive Substanzen konsumieren (einschließlich Alkohols), um bestimmte negative Gefühle nicht fühlen zu müssen: z.B. Angst, Unsicherheit, Schmerz (körperlich & seelisch).

    Falls Sie es nicht schon getan haben, werfen Sie gerne mal einen Blick in mein Buch – und dann vor allem Kapitel 4 (gratis über den Link).

  13. @Stefan Schleim

    Ja richtig, Amphetamin macht aus einem Keinstein keinen Einstein.

    Die Effekte psychologischer Interventionen und Psychotherapie sind aber auch begrenzt.

    Wissenschaftler können aber profitieren, mit Preis und Risiken.
    Pervitin möchte ich nach dem 2. Weltkrieg zum Medizinstudium bei Hunger in Schutt und Asche nicht kritisch bewerten. Das könnte dekadent sein.

    Ja, Substanzkonsum dient häufig Affektregulation. Anthropologisch ist der Mensch ein affektiv instabiles Wesen, affektive Stabilisierung Daueraufgabe. Was folgt aber daraus? Wollen Sie das kritisieren und vertreten die These, man könne alles psychologisch oder politisch lösen oder wollten Sie das nur affektregulatorisch einordnen?

    Zur Selbstmedikation: ja, teils kann man das auf begriffliche Unterscheidung zurückführen. Mir geht’s um harte Fälle, Depravation infolge von frühkindlichem Missbrauch und Vergewaltigung usw. Mir geht’s nicht um Mittelschicht-Wegwehchen. Mir geht’s nicht um Zweifelsfälle. Das Leid will ich nicht leugnen, da bin ich auch empathisch, aber ich will lieber richtige Lösungen für die ärmsten der Armen, die recht- und schutzlos waren als Babys, Kinder, die von ihren Eltern angefixt wurden, die körperlich schwer krank sind – Depravation eben oder in der Nähe davon. Man kann bei Christian Vera F. sagen, sie ist kriminell, aber man kann mal lieber die Gesellschaft nach ihrer sittlichen Substanz fragen, vor aller Augen Babystrichs zu kultivieren. Da sollte man mal anfangen. Glauben Sie jenseits von medizinischem Heroin an eine Therapie für sie u.ä. Fälle?

  14. @Stefan Schleim

    Soweit ich den Artikel erfasst habe, haben wir parallele Einschätzungen, was etwa die Pandemie betrifft.

    Und ich will noch ein Gegengewicht setzen, zu den liberalen Statements unter Wissenschaftlern: Kokain ist jenseits paarmaliger Einnahmen – etwa Zufall Oktoberfest ( da gab es ja mal ein lustiges Video zu) hochproblematisch wegen Vasokonstriktion und irreversibler dissozialer Persönlichkeitstendenzen (sittlicher Gewissensverfall), hohe Paranoia-Gefahr bei regelmäßigem Ego-Booster-Konsum. Das ist also relativ indiskutabel.

    Dann muss man klarstellen: vieles hängt von den Leuten ab. Soweit ich gesehen habe, haben liegt die Neigung zum Alkoholismus nicht im Alkohol, sondern in den Organismen begründet: sie respektieren besonders drauf. (Für mich nur wissenschaftlich verständlich) Und so wird es auch bei anderen Sachen sein.

    Ein Faktor ist die kulturelle Einbettung und Sinnzuschreibung; Zwecksetzung; spirituell-emotionales Reflektieren oder in der Schule oder im Bus einfach was einwerfen.

    Es ist fraglich, ob. Sie Highperformer Wissenschaftler ins Interview bekommen. Natürlich sollte man dem naiven, faulen Dummchen klarmachen, dass es als Keinstein niemals ein Einstein wird. Aber nicht ausschließen und negativ bewerten, dass Spitzenforschung und -Leistungen damit erbracht werden mit Preis. Es ist eine Abwägung und gesellschaftliche Aushandlung. Ich sag mal so: der Preis für eine promovierte Forscherin für Enhancement dürfte geringer sein als der einer sozial schwachen Frau, die sich dick schießen lässt und dann entweder während oder nach der Schwangerschaft verlassen wird (das Risiko ist statisch signifikant grundsätzlich erhöht; Alleinerziehendenstatus Armutsgarantie und Problemgarantie!) und an alle Illusionisten: die Depressivitätsskala für werdende Eltern geht dann erstmal in die Höhe, die Partnerschaftsqualität nimmt ab, stetes Verlassensrisiko für die Frau mit Depressionsgefahr und Vernachlässigung des Kindes mit Entfremdung von E und K, der weibliche Körper altert schneller um paar Jahre usw. Also wenn, dann bitte richtig Tacheles reden. Ich würde mal sagen, der Preis der letztgenannten Frau ist höher. Und sie zahlt nur, hat nur Probleme, Das gehört zum vollen Bild dazu! Die andere Frau nimmt Urlaub, ist sozial abgesichert und anerkannt usw. So ist das Leben!

  15. Die Altersarmut und Rollenüberlastung und hohe soziale Wertschätzung sind dieser Alleinerziehenden auch garantiert. So eine Keinsteinmutter wird sich dann sicher damit trösten wollen, dass sie kein Enhancement macht und Kinder bekommen hat (das einzige, was sie kann) und nie die Chance einer Einsteinfrau hatte. Statt Drogen finden wir dann promiskes rumgehure. In der Gesamtbilanz dürfte die Keinsteinmutter den höheren Preis zahlen. Alles schon statistisch nahezu garantiert, aber gerade Frauen denken, ausgerechnet sie träfe es nicht. Keinsteine halt.

Schreibe einen Kommentar