Wenn Männer Götter machen – “Gott” von Reza Aslan

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Vor einigen Jahren begeisterte mich die englische Version von “Zelot”, dem Jesus-Buch von Reza Aslan. Der aus Iran stammende US-Amerikaner wandte sich in jungen Jahren einem evangelisch-baptistischen Christentum zu, bevor er zum Islam zurückkehrte. Im brillant geschriebenen “Zelot” konnte er aufzeigen, dass die gängige Interpretation von Jesus als harmlosen Reform-Rabbi wesentliche Aspekte seiner Umgebung, seiner Aussagen und erst Recht seiner wachsenden – erst viel später “christlichen” – Nachfolgeschaft ausblendete. Das Buch bediente weder christliche noch islamische Dogmatiken, sondern sprengte deren Grenzen auf wissenschaftlicher Basis. Großartig!

Reza Aslan wird “Gott”

Umso gespannter war ich auf Aslans neues Buch mit dem Titel “Gott. Eine Geschichte des Menschen” – und verschenkte sogar schon ein Exemplar, bevor ich es selbst zu Ende gelesen hatte.

Doch zu meiner tiefen Verblüffung hat Aslan mit “Gott” die Seiten gewechselt – diesmal nicht nur religiös (er ist vom Islam zum Pantheismus weitergewandert), sondern auch schriftstellerisch vom Wissenschaftler zum Glaubensverkünder.

Nach wie vor schreibt Aslan dabei schwungvoll (und diesmal scheint auch die Übersetzung ins Deutsche gelungen zu sein) – doch diesmal wählt er die Fakten aus und lässt all jene weg, die seinem Narrativ im Wege stehen.

(Nur) Männer werden Götter

Und dieses lautet, kurz gefasst: Menschen, also Männer (Frauen werden eher mitgeschleift) haben sich einen männlichen Gott erdacht, bevor sie selbst erkannten, dass sie Gott sind.

Entsprechend widmet Aslan im ersten Kapitel zur Religion in der Steinzeit viele Seiten und Abbildungen männlichen Darstellungen des Göttlichen wie dem “Herrn der Tiere” vom steinzeitlichen Frankreich bis zum alten Ägypten. Doch die sehr viel älteren und häufigeren Darstellungen weiblicher Gottheiten wie der sog. “Venus-Figurinen” streift er kaum! Seine knappe Auswahl der längst reichen, steinzeitlichen Befundlange läuft auf die These zu: “Auf diese Weise entsteht allmählich eine Jagd-Mythologie, die darum kreist, Leben zu opfern, um so die Geister zufriedenzustellen, die Hilfe der Götter zu erflehen und vielleicht sogar zur Vergebung der Sünden.”

Nicht weniger gravierend fällt auch seine Auswahl der Religionswissenschaftler – nahezu ausnahmslos Männer vom Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts, die Studierende der Religionswissenschaft im Grundstudium kennenlernen: F. Max Müller, Emile Durkheim, Robert Marrett, Edward B. Tylor. Weibliche Stimmen wie Antoinette Brown Blackwell werden wieder ignoriert. Auch die oft wegweisenden, empirischen Studien der letzten Jahrzehnte kommen bei Aslan überhaupt nicht vor: Richard Sosis, Jesse Bering oder Ara Norenzayan und David Sloan Wilson werden vereinzelt in Fußnoten abgetan, Forscherinnen wie Sarah Blaffer Hrdy oder Ina Wunn finden gar keine Erwähnung. So bleibt Aslan auf einem völlig veralteten und empirisch schlicht widerlegten Stand der Nebenprodukt-Diskussion stehen, die seiner Vorannahme entspricht: Männer haben sich Götter ausgedacht, weil sie noch nicht so weit waren wie die Männer heute.

Auf dieser Basis deutet Aslan sodann die Religionsgeschichte als Geschichte von großen Männern, die zunehmend erkennen, dass sie Gott sind. Das steigert sich dann ins Glaubensbekenntnis: “Ich bin, in der Tiefe meines Wesens, Gott in manifestierter Form. Wir alle sind es.” (S. 197)

Daraus folgt: “Glauben Sie an Gott oder nicht. Definieren Sie Gott, wie Sie wollen. Lernen Sie, so oder so, von unseren mythologischen Vorfahren Adam und Eva und essen Sie die verbotene Frucht. Gott brauchen Sie jedenfalls nicht zu fürchten. Sie sind Gott.”

Ach, wirklich? Klar, das klingt toll und schmeichelt dem heute so geförderten Du-kannst-alles-Ego. Doch es beantwortet wesentliche Fragen nicht. Wenn ich Gott “bin”, warum bin ich dann bloß ein Wissenschaftler und nicht von vornherein allwissend? Und wenn ich Gott “bin”, warum kann ich dann als Mann alleine kein Leben hervorbringen, sondern nur gemeinsam mit meiner Frau und also jenem Geschlecht und Gegenüber, das Aslan so konsequent verdrängt? Wenn der Mann schon immer Gott “ist”, warum sollte Er dann überhaupt noch Liebe, Sinn, Wissen, Erfahrung suchen?

Weder empirisch noch philosophisch auf der Höhe

Selbst der Pantheismus lässt sich inzwischen stärker argumentieren, beispielsweise über den graduellen Panpsychismus und als Panentheismus: Ein Universum, das sich über Jahrmilliarden der Evolution Seiner Selbst bewusst wird – nicht zuletzt auch in der Vielfalt des Menschseins und der Geschlechter. Die reichen Befunde der Evolutionsforschung und Religionswissenschaft begründen keine Theologien – können und sollten aber durchaus Anwendung finden, um Entwürfe und Verkündigungen kritisch zu hinterfragen. Und sie sprechen eher gegen einen “Gott”, der kaum mehr wäre als ein erweitertes, männliches Ego.


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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

40 Kommentare

  1. Zuerst einmal sind auch Frauen “Gott”!
    Zum anderen: “… warum bin ich dann bloß ein Wissenschaftler …?”, weil “Gott” da eine Evolution eingebaut hat, besonders der geistigen Evolution hat “Gott” eine der Vorsehung entsprechende Sicherung “wie im Himmel all so auf Erden” auferlegt – soll heißen: Wenn “Gott” / Mensch diese seinem Ursprung / Geist entsprechende Sicherung nicht überwindet, dann passiert eben alles so wie in der Vorsehung beschrieben. Und das meint dumm gelaufen, bzw. im Falle der Apokalypse heute oder gleich morgen früh, bleibst Du eben nur Wissenschaftler, anstatt … 😎

    • @hto

      Wenn ich Sie richtig verstehe, dann wären Menschen – Frauen und Männer – einerseits „Gott“, würden dies aufgrund noch nicht vollendeter „geistiger Evolution“ aber noch nicht erkennen.

      Das ist natürlich bereits antike Gnosis (Gott fällt als „Seelenfunke“ in alle Materie, um diese wieder zur Erkenntnis der Ureinheit zu führen), aber m.E. noch nicht sehr überzeugend:

      1. Wenn eh alle Menschen „Gott“ sind, wen liebt oder straft „Gott“ dann? Schöpfung als kosmische Selbstbefriedigung?

      2. Wer wäre denn konkret Schuld daran, dass wir uns nicht als „Gott“ erkennen? Jener selbst, oder eine böse Gegenmacht? 🤔

  2. Und wenn ich Gott “bin”, warum kann ich dann als Mann alleine kein Leben hervorbringen, sondern nur gemeinsam mit meiner Frau

    Zumindest diese Frage lässt sich leicht beantworten: Man(n) kann derzeit noch nicht allein Leben hervorbringen. Letztlich ist das aber bloß ein technisches Problem, für das es in nicht allzu ferner Zukunft wahrscheinlich eine Lösung geben wird.

    Ich habe das Buch nicht gelesen und werde es wohl auch nicht tun, aber vielleicht meint Aslan Gott so? Jede Fähigkeit, die die Menschheit früher typischerweise Göttern zuschrieb, wird sie zu einem späteren Zeitpunkt selbst haben?

    • @Tim

      Ja, eine Position, nach der der Mensch noch nicht Gott „ist“, aber werden könne, hätte ich interessanter gefunden. Es gibt sie ja auch schon religiös, z.B. im Mormonentum.

      Aber Aslan beschreibt eigentlich nur das Aufdecken einer schon immer bestehenden Einheit des Seins, nicht des Werdens…

  3. @Gott sein

    Ich habe das hier kritisierte Buch nicht gelesen, und ich bin kein Religionswissenschaftler. Aber ich bin jetzt 55 Jahre alt, und beschäftige mich seit 30 Jahren immer wieder mal mit dem Thema.

    Die Aussage “Ich bin, in der Tiefe meines Wesens, Gott in manifestierter Form. Wir alle sind es.” erscheint mir übertrieben. Ich würde eher sagen: Mein lokales menschliches Bewusstsein ist eine Synthese aus kosmischem Geist mit meinem lokalem Gehirn.

    Mit Bewusstsein meine ich hier das innere Gewahrsein meines eigenen Augenblicks, der durch die Zeit wandert, meine Innenwelt, die meine Existenz ist. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das Gehirn alleine so etwas realisieren kann, deshalb vermute ich hier die Synthese mit dem kosmischen Bewusstsein.

    Aber bei aller kosmischen Perspektive bin ich größtenteils auf die Möglichkeiten meines Gehirns begrenzt, und meine geistigen Anteile sind nur ein sehr, sehr, sehr kleiner Teil des kosmischen Bewusstseins. Das aber auf jeden Fall. Ob hier durchaus eine Beziehung auf gewisser Augenhöhe mit dem Kosmos besteht, das kann ich nicht beurteilen, erscheint mir aber möglich.

    Frauen hier auszuklammern ist mir komplett unverständlich. Ich gehe davon aus, dass auch alle Tiere, die eine Innenwelt haben, genau wie der Mensch eine Synthese mit dem kosmischem Geist eingehen. Die sind dann aber auf ihre eigene weise durch ihr kleineres, tierische Gehirn begrenzt.

    Aber wenn es kosmisches Bewusstsein in den Lebewesen gibt, dann muss wohl auch im Raum zwischen den Lebewesen und darüber hinaus noch sehr viel mehr davon im ganzen Kosmos verteilt sein. Das wäre eine unvorstellbar große Menge an Geist. Das käme dem Begriff „Gott“ wohl näher. Sich damit auf einer gewissen Augenhöhe zu befinden, wäre schon fraglich, sich damit zu indentifizieren wäre aber wohl eher kompletter Unsinn.

    Inspiration – auch von „höchster“ Stelle – können wir erhoffen, aber alles was Früchte tragen soll, müssen wir verstehen und in unser Gehirn integrieren, wenn wir vernünftig damit arbeiten wollen. Irgendwelche Offenbarungen, auch wenn sie noch so faszinierend sind, sollten wir kritisch betrachten, und uns doch wenn irgend möglich mit dem befassen, womit wir uns wirklich auskennen. Wenn wir die Welt retten wollen, sollten wir unserer Technik nutzen, und den Klimawandel abwenden, und unsere Demokratie nutzen, um Atomkriege zu verhindern. Irgendwelche speziellen Religionen zu fördern, damit irgendwelche hypothetischen Götter dann zufrieden ist, und die dann unsere irdischen Probleme lösen, das ist doch komplett aussichtslos.

    Religiöse Aussagen, die gesicherten Wissenschaftlichen Fakten widersprechen, würde ich im Zweifelsfall verwerfen, auch wenn sie noch so trostspendend und schmeichelhaft sind. Mich irgendeiner Kirche anzuschließen, erscheint mir genauso überflüssig. Wahrheit kann man nicht organisieren. Glaube, der nicht verstanden wird, und von dem individuellen Menschen nicht integriert wird, ist und bleibt unwirksam.

    • @Tobias Jeckenburger

      Vielen lieben Dank für Ihren Kommentar!

      Philosophisch und theologisch scheinen Sie eine Kombination aus Panpsychismus – der derzeit tatsächlich stark im Kommen ist – und aus gnostischem Dualismus zu vertreten.

      Etwas unklar ist mir jedoch Ihr Verhältnis zu Gemeinschaft(en). Betrachten Sie „Bewusstsein“ nicht als emergentes Phänomen aus Myriaden Neuronen? Und entsteht es nicht immer auch in sozialen Interaktionen (ebenso wie Zellen, Familien usw.)? Sollte sich dann aber nicht auch „geistiges Bewusstsein“ in Symbolen, Ritualen und Gemeinschaften entfalten? Oder geht es doch eher um die Erkenntnisfähigkeit von Einzelpersonen, gar von „Genies“?

      Mit interessierten Grüßen!

  4. “Gott ist Geist und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.” Johannes 4,24

    Eine deutlichere Bibelstelle habe ich jetzt nicht im Kopf, und nachschlagen ist mir hierfür zu mühsam.

    Was die vollendete geistige Evolution angeht, da empfehle ich mal so: Matthäus, Der verdorrte Feigenbaum

    Die Schöpfung läuft wie ein Computer-Programm – am Ende dieses Programms, sollte der Geist (von dem wir alle im SELBEN Maße “durchströmt” sind!) ein neues Wesen im Freien Willen hervorbringen. Wozu das gut sein soll, das ist angesichts der Probleme Mensch als eins / geistig-heilendes Selbst- und Massenbewusstsein zu fusionieren, …!?

    Liebe, Strafe, Schuld – Es ist unsere Bewusstseinsschwäche in Angst, Gewalt und “Individualbewusstsein” die Konzepte der Unwahrheit entwickelt und wirklich-wahrhaftige Erkenntnisse klein und unbedeutend hält – die Hölle ist menschgemacht, denn das Programm kennt nur Wiedergeburt und den absoluten Tod (der eine Gnade und keine Strafe ist), dazu gibt es einige Bibelstellen. 😎

    • @hto

      Klar, Bibelstellen lassen sich für und gegen sehr vieles finden.

      Wenn Sie jedoch schreiben, „die Schöpfung läuft wie ein Computer-Programm“ – dann stellen sich mir 3 Fragen:

      1. Warum sollte Gott ein solches, leidvolles „Computerprogramm“ – unter anderem mit Millionen Gewaltopfern – ablaufen lassen?

      2. Wenn wir alle nur Codes in einem festgelegten Programm wären, hätten wir also keinen freien Willen?

      3. Wenn alle Abläufe schon feststehen und auf ein geistiges, evolutionäres Ziel zuliefen – warum fühlen Sie sich dann zum Kommentieren und Verkünden berufen? Es steht doch alles fest, oder?

      Über eine sachliche Antwort ohne die üblichen Beschimpfungen würde ich mich freuen. 😇

      Mit interessierten Grüßen!

  5. Also ich werde das Buch sicher nicht lesen, aber ich denke aufgrund der Geschichte hier: Da verhöhnt einer das “Christentum”.

  6. Ich denke, dass die frühen Naturreligionen(Animismus) das Leben der Menschen mit ihren damals gültigen Werten widerspiegelten. Dazu gehörte auch die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau als einer festen Ordnung in einer archaischen und feindlichen Umwelt . Männer bekamen da wohl eine dominante Rolle: Ernährer, Beschützer vor anderen Clans/Sippen, Krieger etc. Götter wurden von Menschen erschaffen, die Antworten auf die Probleme und Fragen ihrer Erdenwelt suchten: Jagdglück, Ängste wie Angst vor dem Tod, Sicherheit vor Naturgewalten etc…Götter wurden damit zu moralischen Instanzen/ungeschriebenen Gesetzen in einer gesetzlosen Zeit.
    Zu diesen Göttern gehörten bei diesen Naturreligionen aber auch Frauen – wie Göttin der Fruchtbarkeit , der Liebe (Eros) etc. Die Dominanz männlicher Götter hatte also wahrscheinlich reine Ursachen im Alltagsleben.

    • @Golzower

      Ja, tatsächlich spricht viel dafür, dass die Einführung der Landwirtschaft mit Folgen wie Verteidigungsbedarf für Güter und Land, Erbrecht etc. das Verhältnis der Geschlechter zum Patriarchat verschob. Gerade auch die Paradiesgeschichte mit Eva und Adam wird zunehmend als mythologische Erinnerungsspur dieser traumatischen Umwälzung verstanden.

  7. @Blume

    Das muss ich hier noch mal deutlich machen:
    Ich habe die Bibel erst richtig / wirklich lesen / verstehen können, nach meiner Ausserkörpererfahrung (ich war tot und hatte die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, es hätten vielleicht auch drei sein können, wenn ich denn …).
    Ein dickes Buch, mit viel Text über den man nicht großartig nachdenken muss, genial einfach in seiner doch klaren Botschaft, trotz der vielen Manipulationen, das Jahrtausende den Kreislauf des / unseres imperialistischen Faschismus überdauert hat, von “Gott” geschrieben, wenn man denn den “Funken der Inspiration” … 😎

  8. @Blume

    zu 1) Damit das Bewusstsein jedes “Einzelnen” zur Entwicklung von Vernunftbegabung zu Verantwortungsbewusstsein findet, geistig-heilend, zweifelsfrei-eindeutig, wirklich-wahrhaftig, im Sinne des Geistes fusionierend, “wie im Himmel all so auf Erden”.

    zu 2) Bis zu einem bestimmt-begrenzten Punkt haben wir einen Freien Willen, der hat aber mit der ganzen Kraft des Geistes nix zu tun, deshalb …

    zu 3) Nicht die Abläufe, sondern es stehen Abläufe die unser Bewusstsein verändern sollen fest. Das Ziel ist möglich, wenn Mensch wie oben gestaltet und die “Sicherung” und somit seine selbstverschuldete Apokalypse vor dem “Jüngsten Gericht” überwindet.
    Ich frage mich auch immerwieder warum ich das hier tue, aber im Grunde würde ich sogar noch viel mehr machen wollen, wenn ich denn …

    Jetzt mal eine Gegenfrage: Warum hast Du meine Meinung zur Seele nicht gebracht, oder ist das im Nirvana des Internet verschollen?? 😎

    • @hto

      Aha, demnach wäre Ihre Computer-Metapher im Sinne der “Fuzzy-Logik” zu verstehen: Gott hat ein “Computerprogramm” zum Laufen gebracht, in dessen Rahmen (“bis zu einem bestimmt-begrenzten Punkt”) aber Akteure “Freien Willen” ausleben können. Richtig?
      https://de.wikipedia.org/wiki/Fuzzylogik

      Gerne auch zu Ihrer “Gegenfrage: Warum hast Du meine Meinung zur Seele nicht gebracht, oder ist das im Nirvana des Internet verschollen??”

      Ganz einfach:
      1. Habe ich Ihnen kein “Du” angeboten. Sie haben zu oft Andersdenkende und Andersglaubende beschimpft und beleidigt.
      2. Schalte ich keine Kommentare mehr frei, die unsachlich auf mich als Person und meine (vermuteten, unterstellten usw.) Glaubenshaltungen zielen. Vor allem ältere Männer nutzen das Internet gerne – und gerne auch anonym – für Machtspiele. Aber hier ist nicht der Ort dafür, ich spiele das nicht mit. 🙂

      Für einen sachlichen und respektvollen Dialog werden Sie hier immer Platz finden. Für Geduze, Machtspiele und Beschimpfungen nutze ich aber die Löschtaste. Mein Blog, meine Regeln. 🙂

  9. Lieber Herr Blume,

    ich danke Ihnen für diese Nicht-Empfehlung. Obwohl ich mir vorstellen könnte, dass ich den Autor etwas anders verstehe als Sie, ist das, was Sie schreiben, abschreckend genug. Ein weiteres Buch, das ich nicht lesen muss.

    Ein Universum, das sich über Jahrmilliarden der Evolution Seiner Selbst bewusst wird”.

    Genau. Als ich vor sehr langer Zeit Spinoza für mich entdeckte, war seine pantheistische Herangehensweise für mich sehr attraktiv. Sie ist es auch geblieben, und hat die Gottesvorstellungen, die man mir dargereicht hat, sehr schnell verdrängt.
    Und es war mein Einstieg in die Philosophie.
    Mir scheint seitdem, dass wir Götter nicht brauchen, und dass, wenn wir dennoch einen verehren, das letztendlich zahlreiche Probleme mit sich bringt, die mehr schaden als nützen.
    Vielleicht schwingt dieser Gedanke bei Reza Aslan mit, und es geht ihm gar nicht um Männer, sondern er hätte genauso gut Frauen in der Vordergrund stellen können, ohne dass es an seiner Aussage viel geändert hätte?
    Aber klar, ich müsste das Buch erstmal lesen.
    Viele Grüße an Sie.

    • @Alisier

      Lieben Dank für Ihre Gedanken!

      Spinoza war ein großer Denker, aber lebensförderliche Gemeinschaften, Familien etc. bildeten sich doch eher mit Bezug auf einen personalen Gott.

      Bei Aslan störte mich vor allem die willkürliche Auswahl der archäologischen Befunde. Ein evolutionäres Gottesbild mit Jägermythen „an den Venusfigurinen vorbei“ zu entwickeln finde ich gerade auch religionswissenschaftlich schwach. Wissenschaft sollte m.E. nicht als Steinbruch für Beliebigkeit herhalten.

  10. Der Pantheismus bleibt stabil, Reza Aslan war dies womöglich nie, auf genauere Einschätzung soll an dieser Stelle verzichtet werden.

    Zum Pantheismus noch eine Überlegung : Was würde Gott machen, wenn es keine erkennenden Subjekte gäbe, die ihn schätzten und anriefen? – A: Er stände dann ganz allein und selbst die Sprachlichkeit, die den Gottesbegriff kennt, würde fehlen, so dass er sich in seinen Gedanken, die keine Sprachlichkeit benötigen, die Sprache dient der Kommunikation, ein Gott kommuniziert nicht mit sich selbst, verlieren würde.

    Gott benötigt also Rezipienz, so dass ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis von Gläubigen und Göttern besteht, Terry Pratchett stellte dies so dar, dass in seiner erdachten magischen Welt Götter, die zahlenmäßig an Gläubigen verloren, körperlich kleiner wurden und sich bei Fortbestand dieser Entwicklung der abnehmenden Anhängerschaft irgendwann gänzlich auflösten.

    MFG + Allaf und helau!
    Dr. Webbaer

    • @Webbaer

      Interessant, vielen Dank!

      Wäre demnach also Ihres Erachtens die Sprachlichkeit die Grundlage von „Existenz“? Bei Gottheiten, Staaten, Rechten, Einhörnern? 🤔

      Nachdenklich-interessierte Grüße!

  11. @Michael Blume 03.03.19. 17:51

    Panpsychismus habe ich bei Wikipedia gefunden, dass passt ganz gut zu dem, was ich mir so denke. Aber was ist gnostischer Dualismus?

    Zu meinem Verhältnis zu Gemeinschaften:

    So weit es die materielle Seite betrifft, ist Bewusstsein tatsächlich ein Gemeinschaftswerk von Myriaden Neuronen. Genauso ist Kultur generell ein Gemeinschaftswerk von sehr vielen Menschen. Meine Gedankenwelten beinhalten auch christlich bedingte Einzelheiten, weil ich in dieser Kultur groß geworden bin. Aber ich mach mir doch mein eigenes Bild von der Welt, in die ich hineingewachsen bin.

    Bildung, Ausbildung und Weiterbildung sind wichtig. Die ganze Kultur ist meine Grundlage. Eigene spirituelle Erfahrungen, wie überhaupt persönliche Erfahrungen mit der Welt und mit mir selbst, sind mir aber auch wichtig. Letztlich muss ich verstehen, was mir widerfährt, muss das in mir integrieren, will ich vernünftig auf die Welt und mein persönliches Umfeld reagieren und meine eigenen Projekte voranbringen.

    Zum Stichwort Gemeinschaft fällt mir erst mal der deutsche Staat und mein eigenes soziales Netz ein. Ich bin in der Selbsthilfe aktiv und betreue mehrere Webseiten, wir machen eine jährliche Vereinszeitung, haben im letztes Jahr ein Buch über psychische Krankheiten heraus gebracht, und ich helfe Anderen im privaten Umfeld beim Veröffentlichen ihrer Texte. Das ist schon mal ein wesentliches Miteinander, dazu kommt noch Skat und Doppelkopf, und unser Projekt Finanzkrisenkochbuch.

    Die Interessengemeinschaft Nation, und vielleicht sogar Europa, hat auch was von Gemeinschaft, finde ich. Wobei mir eine gefühlte Weltgemeinschaft auch irgendwie präsent ist, auch wenn diese noch kaum mit politischen Strukturen realisiert ist.

    Generell denke ich, dass wir natürlich von der Seite der Teilhabe am kosmischen Bewusstsein her miteinander spürbar verbunden sind. Das müsste in jedem Fall wirksam sein, egal was wir glauben. Wenn man das auch so denkt, und in sein Lebenskonzept integriert hat, hat man dann wohl noch mehr Gemeinschaftsgefühl, im persönlichen Miteinander wie mit der Weltgemeinschaft. Die Motivation sich entsprechend sozial und umweltfreundlich zu verhalten, wird stärker, und man fühlt sich so auch mehr miteinander verbunden. Beides verstärkt sich gegenseitig. So kann ich dann auch auf Glaubensgemeinschaften alle Art verzichten. Die praktizierte Verbindung ist mir genug.

    Glaubensgemeinschaften haben mich sicherlich inspiriert, und liefern auch einen Teil meiner Kulturgrundlage. Aber das reicht mir schon, diese Inspiration. Mit Weihnachten, Karneval und Ostern kann ich schon lange nichts mehr anfangen. Predigten, Oblatenkommunion und Beichte vermisse ich nicht. Dafür träume ich gerne von Exoplaneten, wenn ich in den Sternenhimmel schaue und stelle mir gerne die Weiten des Kosmos vor, wenn ich nachts im Bett liege und noch nicht einschlafen kann.

    Ich habe was von Laotse, Alister Crowley und von Naturreligionen gelesen, das war auch interessant, insbesondere die Erkenntnis, dass man auch in Glaubensfragen seinen Verstand benutzen sollte. Der Erfahrungsschatz der Wissenschaft hat mich aber mehr geprägt und inspiriert als die Religionen. Deshalb ist es mir auch wichtig, dass auch die geistigen Ansätze in meinem Selbstkonzept sich mit gesicherten wissenschaftlichen Fakten vertragen. Und deshalb bin ich auch auf der Suche danach, wie sich geistige Effekte so denken lassen, das sie zu den Erkenntnissen der Physik passen.

    • Vielen Dank, @Tobias Jeckenburger!

      Zu Ihrer Nachfrage: Im Dualismus wird eine Unterscheidung zwischen Materiellem und Geistigem angenommen (im Gegensatz zum Beispiel zum Monismus oder Emergentismus). „Gnostisch“ heißt „wissend“ und bezieht sich auf Lehren, die nur wenigen „Eingeweihten“ zugänglich sind.

      Allerdings deutet Ihr letzter Kommentar eher darauf hin, dass Sie sich auf panpsychischer Grundlage etwas ganz Eigenes – m.E. Interessantes – gebaut haben…

      Vielen Dank nochmal und gerne bis bald einmal wieder! 🙂

  12. Man muss es mal klar aussprechen, Aslans ist sich seiner Größe bewusst.
    Gegen ihn ist ja Richard Dawkins richtiggehend rational. Für Dawkins ist Gott eine Projektion menschlichen Denkens, und deshalb abzulehnen.
    Aslans ist dagegen von dem Gedanken beseelt, selbst Gott zu sein, die Evolution ist nur noch nicht so weit gekommen. Aber Geduld, der Mensch schafft es noch zum Gott.
    Hto
    du verteidigst wenigstens die Sicht der Juden und Christen, dass Gott kategorial etwas anderes ist als der Mensch.
    Wenn du da den Gedanken des Nirvana mit einbeziehst, dann ändert das nicht die Tatsache, dass Gott die Welt erschaffen hat.
    Dawkins überlässt das der Ervolution und Aslans macht dazu keine Aussage.

  13. Lieber Herr Dr. Blume,
    gerne auf diese Ihrige Frage eingehend noch kurz :

    Wäre demnach also Ihres Erachtens die Sprachlichkeit die Grundlage von „Existenz“?

    Ja.
    Der Existenz-Begriff, das so gemeinte Aus-Sich-Heraus-Sein oder Aus-Sich-Heraus-Stellen, ist aus philosophisch-konstruktivistischer Sicht eine Feststellung, die erkennenden Subjekten obliegt, die derart sinnhaft feststellen, für sich, so dass die Existenz “nur” ein Konzept Erkennender ist und sein kann, also aus konstruktivistischer Sicht (nur). Es kann auch anders geglaubt werden, beispielsweise im Sinne eines Realismus.
    Ähnlich gilt es für die moderne, ergebnisoffene und skeptizistische Naturwissenschaft, es wird dort ja aus gutem Grund nicht mehr verifiziert, sondern die Falsifikation von Idee / Theorie gesucht, die eine Veranstaltung ist.
    Andere Lebewesen würden womöglich oder gar zwingend zu anderer Naturwissenschaftlichkeit gelangen, bei anderem Anspruch und anderen Sinnesorganen.
    Aus pantheistischer Sicht ist Gott der Weltbetrieb, und beweist sich sozusagen jeden Tag selbst, wobei ihm nachgespürt werden soll, gerne der szientifischen Methode folgend, gerne abär auch spirituell.

    MFG
    Dr. Webbaer (der streng genommen natürlich Atheist bleibt, was sog. außer- oder überempirische Akteure betrifft)

  14. @ Michael Blume

    “Spinoza war ein großer Denker, aber lebensförderliche Gemeinschaften, Familien etc. bildeten sich doch eher mit Bezug auf einen personalen Gott.”

    Genau da werden wir uns wohl zumindest teilweise einander nicht annähern können, so sehr ich Ihre Gedanken auch schätze.
    Bei der willkürlichen Auswahl der archäologischen Befunde im Falle Aslans bin ich ganz bei Ihnen.
    Den südamerikanischen Hochkulturen oder der chinesischen Hochkultur keine lebensförderlichen Gemeinschaften oder funktionierende Familienverbände zu unterstellen, fiele mir jetzt aber nicht ein. Einen personalen Gott hatten die, soweit ich informiert bin, nicht.
    Und China existiert zudem immer noch.
    Wie bauen sie die chinesische Gemeinschaft mit ihren zahlreichen Mitgliedern in Ihre Theorie des notwendigen personalen Gottes ein? Den Kaiser als Gottersatz möchte ich Ihnen ungern durchgehen lassen, den er erfüllt eine ganz andere Funktion als ein personaler Gott.
    Und ich bin ehrlich interessiert: Sie haben öfter sehr originelle Ideen, die neue Perspektiven ermöglichen, auch wenn sie zumindest mich zum Widerspruch reizen.
    Mit sehr freundlichen Grüßen,
    Francois B.

    • Lieber @Alisier,

      vielen lieben Dank!

      Selbstverständlich hatten sowohl die südamerikanischen wie auch die chinesischen Religionen zahlreiche, personale Gottheiten wie Quetzalcouatl, Lord Tao usw.! (Dass ich in der Einzahl schrieb bezog sich auf den innerjüdischen Diskurs mit und nach Spinoza.)

      Und völlig im Einklang mit den religionsdemografischen Befunden verzeichnete das sozialistische China einen massiven Geburtenrückgang sowie auch das Fehlen von Millionen Mädchen und Frauen. Derzeit versucht die KP – bislang erfolglos -, den absehbaren Absturz wieder umzukehren.

      Gerade also China ist ein Paradebeispiel für die demografischen Folgen (auch) des verordneten Atheismus…

  15. Nein, nicht einverstanden. Auch und gerade nicht mit dem Umgang mit Fakten. Da habe ich doch wesentlich mehr erwartet.
    Danke für Ihre Antworten.
    Bis zum nächsten Mal
    Viele Grüße.

  16. Bote:”Aber Geduld, der Mensch schafft es noch zum Gott..”

    Mit der Geduld von über 2000 Jahren kann man feststellen, dass der Mensch die christliche Religion stets in seinem egoistischen Sinne ausgelegt und prostituiert hat. So kommen unzählige Kriege auf das Konto von Menschen, die unter dem Deckmantel der Verteidigung christlicher Werte eigentlich nur in geheuschelter Doppelmoral ihre Gier nach Macht durchsetzten. Siehe die Kreuzzüge, die Eroberung Amerikas durch die Spanier, der Dreißigjährige Krieg etc. Immer war es der Mensch mit seinem unstillbaren Ego, der die Bibel nach seinen eigenen Vorteilen bzw. eigener Vorteilnahme auslegte und Gott als Feigenblatt(Alibi) seiner Sucht nach Schätzen, Gold, Landnahme, Gewinnmaximierung etc. nutzte. Der Mensch sollte sich seiner Unvollkommenheit vor diesem Gott bewusst werden ! Die Missbrauchsskandale in der Kath. Kirche zeigen, dass dieses Wesen ,was so gottgleich sein will, nicht einmal die kleinste Kraft hat, seine eigenen primitiven Triebe in den Griff zu bekommen.

    • Oh ja, @Golzower – und dennoch (und deswegen!) wollen wir Menschen meist lieber hören, wir wären „von Natur aus gut“ und eben keine „geborenen Sünder“… :-/ #Menschenbilder #Realismus

  17. Dr. W ist ja in gewissem Sinne Pantheist, aber so nicht :

    Glauben Sie an Gott oder nicht. Definieren Sie Gott, wie Sie wollen. Lernen Sie, so oder so, von unseren mythologischen Vorfahren Adam und Eva und essen Sie die verbotene Frucht. Gott brauchen Sie jedenfalls nicht zu fürchten. Sie sind Gott.

    Also, es gibt ja den Motor der Physik sozusagen, die “kosmische Intelligenz” (von Einstein gemopst), die allerdings außerhalb des erkennenden Subjekts steht, denn diese Welt ist wohl nicht magisch, das Erkenntnissubjekt hat wohl keinen Einfluss auf den Weltbetrieb, auf dessen Logik sozusagen, auch wenn dies, verglichen werden darf hier mit der “Rolle des Beobachters”, Zeilinger hat hierzu einiges gesagt, wohl nicht gänzlich klar ist.

    MFG
    Dr. Webbaer (der bei solchen Überlegungen gerne Michael Blume folgt und Reza Aslan nicht)

  18. Wenn man diesen (oder einen anderen) Gott als biologistisches Phänomen sieht, dann mag die These, Männer hätten erkannt, dass sie Gott seien, stimmig sein. Das auch nur, wenn man Allmächtigkeit darin erkennt, das es von Machen kommt. Und dann fragt sich noch, inwiefern welche Taten gerade als hinreichend und ideel als erwünscht “gemacht” werden sollen.

    Das Phänomen Gott als kulturalistisches Phänomen gesehen liesse dann auch offen, wer oder was diese Göttlichkeit dann repräsentieren könnte.
    Die These, Gott ist eine Frau, weil sie “Leben spendet”, viele dann zwar auch in eine biologistische Perspektive/Kategorie, aber im Sinne von “Kultivierung” könnte man jeden Menschen zum Gott machen. Also auch eine Frau, einen Mann oder ein Kind oder einen Eisbären.

    Und zukünftig wohl auch einen Quantencomputer mit künstlichem Bewusstsein.

    Und ansonsten, weil alle Systeme, die in der Theorie gedacht werden können, in der Praxis nie dauerhaft optimal/ideal existieren, muß Gott als temporäres Phänomen erkannt werden, das situationsbedingt aus individuen hervorgehen kann, aber wegen der Gesamtbedingungen dann wieder verschwindet und woanders auftritt.

    Biologistisch gesehen entsteht die “göttliche” Potenz aus fundamentalem Bedürfnis. Kultivierte Bedürfnisse können aber durchaus ebenso allmächtige Wirkungen haben.
    Das ist der Grund, warum zuweilen der Kapitalismus zutiefst als unnatürlich abgelehnt wird. Weil die Wirkkräfte zum Kapitalismus den Anschein erwecken, es handle sich um künstliche Bedürfnisse.
    Was nicht ganz falsch ist, aber konkret müsste man dann auch viele andere unauffällige, künstliche Bedürfnisse ablehnen. Aber das täte unmittelbar am Freiheitsideal rütteln. Zwickmühle eben.

    • Lieben Dank, @demolog. Gerne möchte ich nachfragen, ob Ihre Annahmen über die nur zeitliche, biokulturelle Konstruktion von „Gott“ ebenso auf Wissenschaften und das Selbst anzuwenden wäre? Und damit letztlich auf jede Art von Erkenntnis? 🤔

      Mit interessierten Grüßen!

  19. Lieber Michael muss dich leider ein wenig kritisieren,

    1. Wir wissen nicht ob die Venus Figuren Göttinnen sind oder steinzeitliche “Masturbationsvorlagen”.

    2. Die Phallus Darstellungen sind auch sehr häufig, erwähnen tust du sie nicht.

    3. Ob es in der Steinzeit matriarchalisch, patriarchalisch oder gleichberechtigt zuging wissen wir nicht. Gesellschaftsordnungen lassen sich nur schwer durch archeologische Ausgrabungen aufzeigen.

    Ich wollte dich fragen hast du mal dir Gedanken gemacht zur Frage “Religion und nationale Identität”. Weil das mich brennend interessiert und ich einen Teil meiner Doktorarbeit diesem Thema widmen.

    LG Zoran

    • Lieber Zoran,

      Danke für Deinen interessanten Kommentar. So wird deutlich, dass immer noch veraltete Überzeugungen herumspuken.

      1. Wie Du im verlinkten Blogpost sehen kannst, gab es auch Venus-Figurinen, die Frauen bei der Geburt darstellen. Zudem dienen entsprechende Statuetten bis heute religiösen Zwecken. Die Deutung als „Masturbationsvorlage“ ist also überholt, auch wenn sie von einigen Männern immer wieder reanimiert wird. 😉

      2. Ja, Phallusdaratellungen gibt es später auch. Aber verstehe ich Dich richtig, dass wir Venusfigurinen als Erotika abwerten, Penisse aber religiös aufwerten sollen? 😆 Ernsthaft: Wenn Jahrzehntausende lang Fruchtbarkeit auch religiös zelebriert wurde – wäre dann eine Entdeckung und Betonung des männlichen Anteils daran nicht zu erwarten?

      3. Wo genau ging es hier um Matriarchat versus Patriarchat? Einen so plumpen Gegensatz habe ich nie vertreten… Falls Du mehr dazu lesen magst, gerne z.B. hier:
      http://www.blume-religionswissenschaft.de/pdf/FrauEvolutionReligionBlume.pdf

      Herzliche Grüße und gerne bis bald! 📚👍

  20. Lieber Michael,

    ich werde mich mal durchlesen.

    Im Jahr 2010 wurde an der univie bei einer Vorlesung noch extrem gestritten ob die Venus und Phallussymbole jetzt Sexspielzeug oder kultische Gegenstände sind und das die Phallusdarstellungen jüngeren Datum sind, wusste ich nicht.

    • Vielen Dank für Dein Interesse, lieber @Zoran! Und das Ganze erinnert doch auch wieder daran, wie langsam sich wissenschaftliche Erkenntnisse öffentlich ausbreiten, wenn überhaupt…

      Dankbare & nachdenkliche Grüße!

  21. Das ist doch keine veraltete Überzeugung, daß wir schlicht nicht wissen, was diese Venusfigürchen im Einzelnen bedeutet haben. Wir sehen, welche Bedeutungsvielfalt das Motiv „Mutter mit männlichem Säugling“ hat von Isis bis Maria, und das sind überschaubare Jahrtausende. Hier haben wir es mit verschiedensten Kulturen, Sprachen, Kontinenten über Jahrzehntausende zu tun von Hohlenfelse bis Malkiya in Israel. Konkret in Hohlenfelse berichten Sie selber, daß in der Nähe auch ein Phallus gefunden wurde, der auch als Werkzeug zum Klingenschleifen genutzt wurde. Also mutmaßlich weniger eine kultische Bedeutung hatte wie der griechische Phallos oder das indische Lingam, vielmehr dürfte er eher der Damenwelt als Spielzeug gedient haben.

    Venusfigurinnen dürften in einigen Kulturen als Amulette in der Schwangerschaft benutzt worden sein, in anderen wurden sie verehrt als Muttergöttinen, in wieder anderen wurden sie übernommen schlicht als Masturbationsvorlagen. Was jeweils konkret, das wissen wir nicht mehr und können es auch nicht erfragen. Das gilt auch für die „Herren der Jagd“, die man meint, in Höhlenmalereien ausfindig machen zu können. Faustregeln der Archäologen wie Was man nicht erklären kann, das sehe man als kultisch an bieten da auch nur Näherungswerte.

    • Tatsächlich würde ich sogar noch einen Schritt weitergehen und bezweifeln, dass die gleichen Gegenstände über Generationen hinweg die gleiche Bedeutung gehabt haben müssen. Gleichwohl dürften die Prozesse der biokulturellen Evolution und Religionsdemografie damals bereits genauso gewirkt haben – und entsprechend pronatale Mythen und Symbole häufiger erfolgreich gewesen sein. Mehr Annahme ist m.E. gar nicht nötig.

  22. Es macht ja z.B. einen Riesenunterschied, ob ich in einer polytheistischen oder einer gottlosen Religion lebe, etwa einer tengristischen. Letzteres z.B. die Indoeuropäer. Bei den Griechen meint atheoi keineswegs Menschen, die die Existenz von Göttern leugnen, sondern zurückgebliebene Barbaren, die noch nie von Göttern gehört haben, gar nicht auf die Idee gekommen sind, es könne welche geben. Aus Dodona gibt es eine Erzählung, die erinnert, daß die Griechen selber einst solche gottlosen Barbaren waren. Bei solchen muß eine solche Venus eine andere Bedeutung haben als bei Polytheisten, die in ihr eine Göttin zu sehen vermögen.

  23. Entschuldigung, zum Tengrismus der Protoindoeuropäer hätte ich die Quelle nennen müssen, liefere sie hiermit nach: Otto Schrader Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde, 1. Aufl. 1901 Kapitel „Religion“ hier online abrufbar, noch genauer: Hier.

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