Drogen: Warum wurden psychoaktive Substanzen überhaupt verboten?

Nach wissenschaftlichen Studien über Cannabis behandeln wir jetzt die Geschichte und Funktion der Drogenpolitik

Diese Artikelserie hat sich bisher mit dem Stand der Wissenschaft befasst. Inzwischen sollte klar sein, dass die Entkriminalisierung von Cannabis nicht der Anfang vom Ende der Welt ist: Führende Fachleute vergleichen die Risiken mit denen von Nikotin (Teil 1), das Schizophrenierisiko wird oft übertrieben (Teil 2) und man wird von ein paar Joints auch nicht gleich dümmer (Teil 3).

Wie für alle anderen Substanzen gilt auch für Cannabis: Die Dosis macht das Gift. So weit war Paracelsus schon im 16. Jahrhundert. Dass man das immer wieder erwähnen muss, sagt etwas über den Zustand der Diskussion aus. Insbesondere bei starkem und häufigem Konsum drohen Gesundheitsschäden; das gilt vor allem für Personen mit einer genetischen Veranlagung.

Insofern ist die jetzt für den 1. April 2024 avisierte Entkriminalisierung kein großer Schritt nach vorne, sondern eher die Behebung eines drogenpolitischen Rückschritts. Dabei sind wir hier nicht wieder auf die großen individuellen und gesellschaftlichen Schäden der Prohibition eingegangen, beispielsweise wegen verunreinigter Substanzen mit stark schwankendem Wirkstoffgehalt.

19. und 20. Jahrhundert

In der Diskussion kam die berechtigte Frage auf: Warum das alles? Für die Antwort hilft ein kurzer historischer Abriss:

Im frühen 20. Jahrhundert entstand insbesondere auf Betreiben der USA – unter Leitung des protestantischen Bischofs Charles Henry Brent – die Opiumkommission. Nach dem gewonnenen Ersten Weltkrieg konnte die Siegermacht ihre drogenpolitischen Vorstellungen stärker international durchsetzen. Andere Länder verdienten teils gut am Handel mit psychoaktiven Substanzen und waren nicht erpicht auf Verbote.

Zur Veranschaulichung dieser Interessen sei hier an die Opiumkriege erinnert: 1839 bis 1842 führte die Kolonialmacht Großbritannien für die Öffnung des Drogenmarktes Krieg gegen das Kaiserreich China; 1856 bis 1860 folgte ein zweiter Krieg unter Beteiligung Frankreichs. Einige Jahrzehnte später lobbyierte dann eine andere Westmacht, die USA, international gegen dieselbe Substanz.

Wie der Name “Opiumkommission” schon sagt, wurde vor allem der berauschende Extrakt der Mohnblume problematisiert. Dazu kam später auch sein stärkeres Derivat Heroin sowie Kokain.

Doch dann setzte sich die ägyptische Delegation unter Leitung von Dr. Muhammad El Guindy mit dem Wunsch durch, auch Cannabisprodukte auf die Verbotsliste zu setzen. Historischen Studien zufolge war der dortigen intellektuellen Elite der Hanfrausch nicht geheuer – und wollte das nordafrikanische Land seine Emanzipation von den Kolonialmächten beweisen: Die Unabhängigkeit kam 1923, die zweite Opiumkonferenz 1925.

Holländisches Händlervolk

Der Drogenhistoriker Stephen Snelders von der Universität Utrecht hat die oft zwiespältige, doch für bestimmte Zwecke auch funktionale Umsetzung der Drogenverbote anhand mehrerer Beispiele aus dem Königreich Niederlande aufgezeigt. So habe der niederländische Handel im frühen 20. Jahrhundert stark von den Dampfschiffen abgehangen. Gemäß damals verbreiteter rassistischer Vorstellungen habe man die harte – und ungesunde, nicht ungefährliche – Arbeit mit der Kohle in den Maschinenräumen lieber chinesischen Gastarbeitern überlassen.

Unter diesen war Opium beliebt, das es damals als Tinktur für den häuslichen Gebrauch in der Apotheke gab. Die chinesischen Arbeiter rauchten es lieber in natürlicher Form. Wahrscheinlich konnten sie damit die harte Arbeit leichter ertragen. Bei strikter Durchsetzung des Verbots hätte man aber eine andere Lösung für die Dampfmaschine gebraucht.

Das Cannabisverbot ist laut Snelders zuerst (um 1930) in den niederländischen Kolonien durchgesetzt worden. Die entspannende Substanz sei vor allem unter hindustanischen Gastarbeitern – das Indien im heutigen Sinne entstand erst mit der Unabhängigkeit 1947 – populär gewesen. Doch im Hanfrausch hätten diese weniger Lust auf die harte Arbeit auf den Plantagen der Kolonialherren gehabt. Da kam ein Verbot zur Produktivitätssteigerung gelegen.

Offener Rassismus

Aus heutiger Sicht kann man sich den offenen Rassismus jener Gesetze und ihrer Anwendung kaum noch vorstellen. Es gibt jedoch zahlreiche einschlägige Beispiele dafür, wie mit Drogenpolitik Sozial- und Migrationspolitik gemacht wird. Der Pharmakologie-Professor Carl Hart an der renommierten Columbia University in New York, nach eigenen Angaben der erste Schwarze in dieser hohen Position, zeigt das auch für die heutigen USA auf:

Aufgrund vermuteten Cannabisgeruchs könnten Polizeibeamte Bürger*innen weitreichenden Maßnahmen unterziehen. Insbesondere für Latinos und Schwarze ende das mitunter tödlich. So erklärt Hart auch den starken Widerstand tendenziell rassistischer US-Bundesstaaten wie Texas gegen Liberalisierungsbestrebungen.

Auch hier lohnt sich ein Blick in die Geschichte: Das Ende der Alkohol-Prohibition in Amerika (1920-1933), die ebenfalls von frommen Protestanten durchgesetzt worden war, fiel praktischerweise mit den neuen Drogenverboten der zweiten Opiumkonferenz zusammen. Damals kehrte der US-Beamte Harry J. Anslinger mit internationalen Erfahrungen im Kampf gegen Drogen – unter anderem in Deutschland, Japan und Venezuela – zurück. Er wurde zum Leiter des Federal Bureau of Narcotics und lancierte gleich Kampagnen gegen “Marihuana”.

Staatliche Kampagnen

Die Verwendung des Fremdworts aus Latino-Sprache war kein Zufall. Denn so ließen sich die Bürgerlichen leichter von der Gefährlichkeit der Hanfprodukte überzeugen. Während Cannabis in der (vor allem schwarzen) Jazzkultur als “Reefer” (Slang für “Joint”) beliebt war, waren Anslingers Methoden so einfach wie wirksam:

Er sammelte systematisch Daten zu Unfällen und Verbrechen, die zusammen mit dem Konsum des psychoaktiven Mittels auftraten. Dass sich sogar die Mehrheit der Ärzteschaft in der American Medical Association gegen ein Verbot aussprach, ignorierte er geflissentlich. Schließlich kulminierten seine Bemühungen in dem Propagandafilm Reefer Madness von 1936; man bemerke wieder die auffällige Verwendung von Slang-Sprache.

Der Film suggeriert, dass Jugendliche im Cannabisrausch ihre Eltern umbringen. Schon der Trailer bringt die psychoaktive Substanz mit zügelloser Sexualität, Sucht, Schlägereien, Wahnsinn, Suizid und Mord in Zusammenhang. Für Anslinger garantierte der erfolgreiche Wechsel vom Feindbild Alkohol zum “Teufelskraut” Marihuana das Fortbestehen seiner Behörde; für insgesamt 32 lange Jahr unter seiner Leitung.

Zehn Jahre vor Reefer Madness war bereits ein ähnliches Propagandawerk über Opium erschienen: Auch der Buchtitel Opium, the Demon Flower bediente sich der Dämonen- und Höllenbilder. Das 1926 veröffentlichte Buch von Sara Graham-Mulhall, ehemals in leitender Funktion bei der New Yorker Drogenbehörde, geht zwar nicht so weit wie Anslingers manipulatives Meisterstück. Doch wie ich in meinem Buch über Substanzkonsum (gratis) aufzeige, verbreitete auch sie offensichtliche Unwahrheiten etwa zur Suchtproblematik.

Zwei amerikanische Propagandawerke gegen Drogen aus dem frühen 20. Jahrhundert: Der Buchumschlag von Graham-Mulhalls Werk über die “dämonische Blume” Opium zeigte sich noch nüchtern. Es wurde für den Einsatz in Schulen empfohlen. Das Plakat für den offiziellen “Aufklärungsfilm” gegen Cannabis war peppiger und assoziierte die Substanz mit Wahnsinn und Tod. Lizenz: gemeinfrei

Von Medizin zur verbotenen Droge

Um 1930 hatten sowohl Opium als auch Cannabis Jahrhunderte, wenn nicht gar Jahrtausende der friedlichen medizinischen und zivilen Nutzung hinter sich. Auch die stärkeren Derivate von Opium, Heroin und Morphium, wurden vielfach als Arznei verwendet: Erstes war ein Markenname der “Farbenfabriken, vorm. Friedr. Bayer & Co.”, heute Bayer AG, und wurde zur Beruhigung und gegen Husten verkauft; Letzteres bewährte sich im Ersten Weltkrieg als Schmerzmittel für Kriegsverletzte.

Opiumtinkturen (“Laudanum”) wurden über Jahrhunderte in vielen Variationen medizinisch verwendet. Rechts sieht man ein Fläschchen Heroin “Made in Germany” vom Vorgänger der heutigen Bayer AG. Lizenz: links: vaidosa/Pixabay; rechts: gemeinfrei

Die Beispiele Anslingers und Graham-Mulhalls, die freilich nur die Spitze des Eisbergs darstellen, veranschaulichen die Umdeutung dieser Substanzen von Medikamenten zu gefährlichen Drogen. Später konnte der amerikanische Anwalt und Politiker John Ehrlichman, der Präsident Richard Nixon beim “Krieg gegen Drogen” beriet, in diese Fußstapfen treten. Im Jahr 1994 soll er darüber rückblickend gesagt haben:

“Die Präsidentschaftskampagne Nixons 1968 und das Weiße Haus unter ihm hatten zwei Feinde: die Antikriegslinke und die Schwarzen. Verstehen Sie, was ich sage? Wir wussten, dass wir nicht verbieten konnten, gegen den Krieg oder schwarz zu sein; aber indem wir die Öffentlichkeit dazu brachten, Hippies mit Marihuana und Schwarze mit Heroin zu verbinden und beides dann stark kriminalisierten, konnten wir diese Gemeinschaften zerschlagen. Wir konnten ihre Anführer verhaften, in ihren Häusern Razzien durchführen, ihre Versammlungen auflösen und sie Nacht für Nacht in den Abendnachrichten verunglimpfen. Ob wir wussten, dass wir über die Drogen lügen? Natürlich taten wir das.”

Von Kriegen und Kreuzzügen

Die Authentizität dieses Zitats ist zwar bis heute umstritten. Vertreter der Gegenposition klingen aber auch nicht gerade überzeugend: Nixons Rassismus war so offenkundig wie seine Ablehnung von Drogen; und dann musste er den Präsidentenposten wegen seiner Intrigen schon 1974 wieder räumen. Der Journalist German Lopez kommt zum Fazit, dass Nixons Initiative “nicht ausschließlich politisch oder rassistisch motiviert” gewesen sei. Stattdessen sei es dem Republikaner hauptsächlich um einen “Kreuzzug für die öffentliche Gesundheit” gegangen.

Dieses Zitat stammt zwar aus dem Jahr 2016. Doch schon damals ließen sich die vielen Toten des neuesten Kapitels dieses “Kreuzzugs” nicht mehr ignorieren: die Opioid-Epidemie. Und auch zu diesem Drogenproblem leistete die Verbotspolitik ihren unrühmlichen Beitrag. Für unsere Diskussion ist nun aber das Stichwort “Gesundheit” entscheidend.

Wie schon der französische Philosoph Michael Foucault argumentierte, regiert man in westlichen Demokratien nicht mehr von der Kanzel herab. Statt des Diktats einer höheren Macht (wie Kaiser, Führer, Gott) herrschen verschiedene Funktionsprinzipien, darunter die Gesundheit (Stichwort: Bio-Macht, Biopolitik). Will man heute ein bestimmtes Verhalten fördern, dann erzählt man den Bürger*innen, dass sie damit ihre Gesundheit optimieren.

Damit sind wir in der Gegenwart angekommen. Im nächsten und letzten Teil der Serie beschäftigen wir uns darum mit der Drogenpolitik in unserer heutigen Gesellschaft.

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20 Kommentare

  1. Sehr guter Beitrag zur Geschichte der Drogenverbote. Sie hätten jedoch auch die rein wirtschaftlichen Interessen der Papierindustrie der chem. Industrie und der Baumwollproduzenten am Verbot des Hanfs darstellen können. Insbesondere deren Verbindungen in die Politik. Es ging ja auch um die Verdrängung von Hanfseilen, Hanfpapier und Hanf für Textilien.

  2. @Grätsch: finanzielle Interessen

    Danke für die Ergänzung. Solche Online-Artikel werden ab einer gewissen Länge nicht mehr (ganz) gelesen. Da muss man abwägen.

    Außerdem habe ich in einem Gespräch mit Historikern kürzlich aufgeschnappt, dass unter den Erzählungen über finanzielle Interessen (z.B. von Anslinger selbst und seiner – angeblichen? – Beziehung zur Nylonproduktion) auch ein paar “urbane Mythen” sind.

    Es hat ja keine Eile. Ich will das genauer aufklären, bevor ich selbst darüber schreibe.

  3. “Statt des Diktats einer höheren Macht (wie Kaiser, Führer, Gott) herrschen verschiedene Funktionsprinzipien, darunter die Gesundheit (Stichwort: Bio-Macht, Biopolitik). Will man heute ein bestimmtes Verhalten fördern, dann erzählt man den Bürger*innen, dass sie damit ihre Gesundheit optimieren.”

    Einen Vorteil hat die Herrschaft über Funktionsprinzipien. Ob eine Maßnahme zur Gesundheit beiträgt ist der Erfahrung/empirischen Forschung zugänglich. Dies ermöglicht andere Formen der Kritik, im Vergleich zu höheren Macht, wie dieser Artikel ja auch zeigt.

  4. Zwischendurch(?) ein großes Lob für die Reihe! Kann so gesammelt und zusammengeheftet werden für eine 1A InfoBroschüre…

  5. @babbo: Herrschaft

    Ja, ich lebe auch lieber heute als in einem Gottes- oder Königsstaat (sofern ich nicht mindestens hoher Beamter wäre; mit Blick auf meine Herkunft in diesem Leben wäre ich wohl Knecht). Aber man kann sich ja auch an dem orientieren, was besser wäre als der Status quo!

    Und was nutzt uns das Funktionsprinzip “Gesundheit”, wenn Leute, die a) von Krankheit und/oder b) Gesundheitspanik profitieren großen Einfluss haben? Dazu im letzten Teil etwas mehr.

  6. Dass Staaten von Kontrollfreaks geleitet werden, die auch noch ständig nach Lust und Laune, wegen Karriere oder Volksstimmung oder schnödem Sadismus ohne Skrupel ihr Dafürhalten ändern, macht organisiertes Verbrechen zu einem notwendigen Übel. Natürlich ist die Mafia namens Mafia der Mafia namens Staat moralisch nicht unbedingt überlegen. Aber ein Staat, dem man vertrauen könnte, dürfte auch in jedem Keller gucken, ob da eine Natascha Kampusch steckt. So wird er in jedem Keller etwas finden, was er sich hübsch merkt, sodass der Eigentümer schon nach den nächsten Wahlen oder beim nächsten Sündenbock-Grillfest in den Knast kommen kann. Also muss er moralische Urteile nach eigenem Ermessen treffen, und braucht die Kriminellen, um sich die Freiheiten zu nehmen, die ihm verwehrt werden – zu Recht oder zu Unrecht. Wenn Menschen frei denken dürfen, kommt meist etwas auf dem geistigen Niveau Echsenmenschen-Weltverschwörung heraus, aber solange man sich damit nur selber das Leben kaputtmacht und nicht Anderen, ist das wohl besser, als zu seinem eigenen Besten vom Lynchmob bei der Echsenjagd auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden.

    Ein Staat oder eine Gesellschaft taugen eben nicht als moralische Autorität und haben im Privatleben nichts verloren, solange er nicht hinein gebeten werden, wie jeder andere Vampir. Was mich angeht, hört der Staat an der Haut auf, alles, was innen drin passiert, passiert in meinem privaten Königreich. Und die Macht muss so gestaffelt sein, dass ihre Macht umso mehr abnimmt und meine zunimmt, je näher sie meiner Haut kommen, und umgekehrt, je mehr ich mich in ihre Angelegenheiten einmische, denn schließlich führen wir eine Zwangs/Zweckehe, die für beide Seiten Rechte und Pflichten bedeutet und funktionieren muss. Wie man die Keller kontrolliert, um private Übergriffe gegen das Private zu verhindern, wäre allerdings trotzdem zu lösen.

  7. @Paul S: Freiheit & Gesellschaft

    Ich weiß nicht, ob ich “Echsenmenschentheorien” als Ausdruck von Freiheit sehen kann – oder eher von geistiger Verwirrung?

    Das ist ein komplexes Thema, das man nicht mit einem Satz beantwortet. Vor >20 Jahren kam “Die Linke” auf – und grenzte man sie als “Verfassungsfeinde” aus; vor >10 Jahren kam dann die “AfD” – und die beschimpfte man alle als “Nazis”. Gleichzeitig schotteten sich immer mehr Redaktionen im Internet von wütenden Leser*innen ab.

    Wenn man nicht mehr miteinander reden kann, driften offenbar immer mehr Menschen in extreme Ecken ab.

  8. @Kuhn: Opiumkriege

    Ich weiß nicht, ob ich die Frage verstehe.

    Im 19. Jh. kämpften Westmächte für den Verkauf von Opium (siehe hier zu den Kriegen); im 20. Jh. lobbyierten (v.a. andere) Westmächte gegen die Substanz.

    Das hätte man eigentlich auch noch einmal in den Haupttext aufnehmen können, genauso wie die Sache mit der Hanfindustrie.

    P.S. Ich habe gerade noch einen Absatz ergänzt; danke für den Hinweis.

  9. Bei den “Opiumkriegen” ging es um die Souveränität Chinas.
    Die Engländer gewannen beide Kriege und die Europäer waren die Nutznießer.
    Dabei war das Opium nur der Anlass, genauso wie damals bei der Boston Tea Party in den USA der Tee. Dort gewannen die USA und England verlor.
    Vielleicht waren die Opiumkriege eine verspätete Revanche, aber eben am falschen Gegner.

  10. @Nicker: Außenpolitik

    Die eine Erklärung schließt die andere nicht aus.

    Die meisten mir bekannten Historiker erklären die Opiumkriege ökonomisch: Großbritannien importierte vor allem Tee (und Seide?) aus China, konnte im Gegenzug aber nichts anbieten, was die Chinesen interessierte; die Einfuhren mussten also mit Silber bezahlt werden, was für die Briten zu einem Außenhandelsdefizit führte.

    Mit Opium hatte man schließlich eine passende Tauschware gefunden. Das setzte natürlich die entsprechende “Nachfrage” im Land voraus.

  11. Stephan Schleim
    Die ökonomische Seite war gleichbedeutend mit dem Anspruch Englands als Weltpolizist damals.
    Vergleichbar ist das mit der Situation heute. Afghanistan produziert die meisten Drogen , Opium und Heroin.
    Und als die Kosten für einen Krieg der USA gegen Afghanistan zu hoch wurden ,
    waren alle moralischen Bedenken bezüglich der Menschenrechte auf einmal
    zweitrangig. Heute sieht sich ja die USA als Weltpolizist.
    Also, die Geschichte wiederholt sich.

    Wer an einem Cannabisverbot jetzt verdient, da fehlt mir noch der Überblick.
    Aber es scheint so zu sein, eine perfekte Kontrolle wird zu teuer, also macht man Abstriche bei der “Gefährlichkeit”.

  12. @Nicker: Weltpolitik

    Sie dürfen Ihrer Meinung treu bleiben.

    Übrigens: Laut offiziellen Zahlen ging die Opiumproduktion in Afghanistan 2023 um satte 95 Prozent zurück. Vielleicht ist Mexiko jetzt die Nummer 1?

    P.S. Ihre Logik erschließt sich mir nicht ganz: Bei der Besetzung Afghanistans schloss man mit verschiedenen “Warlords” Vereinbarungen. Im Gegenzug für relative Sicherheit ließ man deren Opiumfelder in Ruhe, damit sie die mit dem Drogenhandel Geld verdienen konnten. Hin und wieder zerstörte man dann mit einer amerikanischen $10.000-Rakete ein aufgegebenes improvisiertes afghanisches Heroin-Labor im Werst von $50. Das war gut für die Statistik (und für die Produzenten der teuren Raketen).

  13. Die “Gefährlichkeit” von Drogen ist für mich das entscheidende Kriterium.
    Sofern eine Gesellschaft Alkohol, Nikotin und alle anderen Suchten als tolerabel einstuft, fällt für mich das Argument “gefährlich” für die immer noch kriminalisierten Substanzen komplett flach – speziell beim LSD ist es geradezu schädlich! Dieser Stoff hat längst zweifelsfrei bewiesen, daß er eine extrem wertvolle Arznei ist.
    Mein Fazit: Letzten Endes geht es bei all diesen Verboten ausschließlich um eine ideologisch dominierte Bevormundung mündiger Bürger – denn, wer konsumieren möchte, kann und macht dies. In der Quasi-Anonymität der Verbotszone sind ausschließlich die wirklichen Kriminellen, also Produzenten und Dealer, die Nutznießer – die Konsumenten definitiv die Verlierer!

  14. Vor ein paar Wochen zeigte ARTE eine aufschlussreiche Dokumentation zum Thema, in der erzählt wurde, dass auch nach Erlass der entsprechenden Gesetze in den 1920er Jahren, der Hauptproduzent von Heroin der Bayer – Konzern war. Dieser hat quasi mit mehreren Mafiagruppen zusammengearbeitet. Und ebenfalls Unmengen an Geld verdient. Zusätzlich sollen sich mindestens Holland und Frankreich in den 1940er und 1950er darum bemüht haben, Heroin in ihren asiatischen Kolonien unter der Arbeiterschaft zu verkaufen um einerseits Geld zu verdienen und andererseits die Arbeiter in noch stärkere Abhängigkeit zu bringen.Neben dem Erstarken der europäischen und US – Mafiagruppen, wurden später in Asien durch und mit Heroin ebensolche Organisationen begründet, die Schlafmohn angebaut und als Heroin verkauft haben und die den westlichen Staaten in den Kriegen gegen Korea, Vietnam und China halfen und später dann auch die US – und europäischen Märkte mit Heroin belieferten. Das „goldene Dreieck“ entstand dadurch und dabei.
    In Afghanistan soll schon zu britischen Kolonialzeiten Schlafmohn eingeführt und angebaut worden sein, das als Opium dann an China verkauft wurde, weil die Anbauflächen in Indien nicht mehr ausgereicht haben.
    Im Großen und Ganzen muss man eigentlich auch Schlussfolgern, dass die wirklich einträglichen Geschäfte mit Drogen erst so richtig funktionieren, wenn diese Drogen verboten sind.

  15. @Mayer: Gefahren

    Es wäre schon einmal ein Fortschritt, würde man die Gefährlichkeit nicht nur der Substanz, sondern auch

    a) der Art des Konsums (z.B. rauchen, essen, schniefen, injizieren…);

    b) dem Vertriebsweg (z.B. Verunreinigung, schwankende Dosierung vs. kontrollierte Qualität aus dem Fachgeschäft/der Apotheke);

    c) der Umgebung (“Setting”, z.B. im Park, auf der Straße vs. zuhause oder in einem Konsumraum); und

    d) der konsumierenden Person (“Set”, z.B. die eigenen Erwartungen, wie es einem körperlich und psychisch geht)

    zuschreiben.

    Tipp: Im Buch habe ich das Beispiel besprochen, dass GIs im Vietnamkrieg Heroin hoher Qualität zum kleinen Preis rauchten – und die allermeisten nach der Rückkehr in die USA auf sozial akzeptiertere Substanzen umstiegen (v.a. Alkohol und Cannabis).

    Die Minderheit, die Abhängig geworden war, konsumierte dann “schmutzigen” Stoff von der Straße, den man für ein vergleichbares High injizieren musste – mit allen Risiken, die das mit sich bringt; und die meisten dieser Personen waren psychosozial vorbelastet.

  16. Cannabis, Grenzwert für Fahruntüchtigkeit
    +https://www.spektrum.de/news/ein-neuer-grenzwert-fuer-cannabis-am-steuer/2207458

  17. @Uwe: Cannabis im Verkehr

    “Die Versuchspersonen rauchten bis zu drei Joints und haben sich dann direkt hinters Steuer gesetzt. Nach drei Stunden war die Fahrleistung wieder weitestgehend normal. Das war zwar nur eine kleine Studie, deckt sich aber mit internationalen Befunden.” (Quelle)

    Guter Hinweis! Danke.

    Ich fand kürzlich eine Studie, die bei 1,5 Stunden nach dem Konsum eine Selbstüberschätzung feststellte und bei 4,5 Stunden keinen Unterschied mehr.

    Diesen experimentellen Ansatz halte ich für wichtig. Durch ein strenges Verbot wird diese Forschung zur Verkehrssicherheit behindert.

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