Opioide: Wenn nicht Drogen, sondern Medikamente und die falsche Politik töten

Am Internationalen Tag gegen Überdosierung werfen wir einen Blick auf die USA und den Schmerzmittelskandal, der sich auch auf Europa auswirkt

Schlafmohn (Papaver somniferum) hat eine bewegte Kulturgeschichte: Menschen verwenden ihn wohl schon seit Jahrtausenden aufgrund seiner beruhigenden, schmerzstillenden und schlaffördernden Wirkung. Den psychoaktiven Saft seiner Fruchtkapseln nennen wir “Opium” (von gr. opos = Pflanzenmilch).

Beschreibung: Zeichnung des Schlafmohns aus einem Kräuterbuch des 16. Jahrhunderts

Doch was die Natur uns gibt, gebrauchen wir Menschen nicht immer zum Guten. Im 19. Jahrhundert waren die Briten es schließlich Leid, chinesischen Tee mit Silber bezahlen zu müssen. Ihr Außenhandelsdefizit wuchs und wuchs. Sie hatten keine vergleichbaren Waren, die die Chinesen interessiert hätten.

Doch dann kamen sie schließlich aufs Opium. Am Handel und Import aus Indien verdienten auch die Franzosen und Holländer gut mit. In China führte der Substanzkonsum aber zu immer mehr Problemen. Als die westlichen Händler – oder eher Schmuggler? – die chinesischen Behörden immer dreister provozierten, kam es schließlich zum Eklat:

Am 17. Juni 1839 schmissen chinesische Beamte das Opium der Briten kurzerhand ins Meer und zerstörten so fast eine ganze Jahreslieferung des Mittels. Für das Britische Empire war das ein Affront. So kam es zum ersten Opiumkrieg (1839-1842), gefolgt von einem zweiten (1856-1860), diesmal unter französischer Beteiligung. An dessen Ende musste China übrigens Hong Kong an die Briten abtreten, was bis heute Konsequenzen hat.

Doch die Kolonialmächte waren zufrieden. Schließlich konnten sie weiter ihre Drogengeschäfte tätigen. Und gut daran verdienen.

Ironie der Geschichte

Einige Jahrzehnte später kam es zur Ironie der Geschichte, als nämlich die Amerikaner das Opium verboten. Zwar waren auch dort zahlreiche Tinkturen aus Schlafmohn als Arzneimittel populär. Doch dass chinesische Einwanderer das Mittel einfach so rauchten, ließ sich drogenpolitisch gegen sie ausschlachten.

Flankiert von den üblichen rassistischen Angriffen – wie “Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg!” oder “Die Chinesen geben weißen Frauen Opium, um sie Abhängig zu machen und sexuell auszubeuten!” – wollte man die Immigranten vertreiben. Funktioniert hat es nicht, wie heute noch “China Towns” in mehreren US-Städten bezeugen, trotz der Dämonisierungskampagnen von Behörden und ihren Vertretern (sie z.B. das Buch “Opium, the Demon Flower”, das in den 1920ern sehr populär wurde und auch in amerikanischen Schulen auslag).

Ironisch an dieser Geschichte ist, dass Westmächte erst mit Waffengewalt den Opiumkonsum unter Chinesen durchsetzten – und ihn später polizeilich unterdrückten. Einmal diente das Handelsinteressen, ein andermal rassistischer Migrationspolitik. Über Opiumkonferenzen kam es schließlich zur heute noch problematischen Verbotspolitik, die gegenwärtig die Bestrebungen der Bundesregierung beim Cannabis behindert.

Was soll dieser historische Exkurs? Am heutigen Internationalen Tag gegen Überdosierung (International Overdose Awareness Day) will ich die Aufmerksamkeit auf die vielen Drogentoten in den USA lenken. Dort wurde Schmerz in den 1990ern intensiv als medizinisches Problem klassifiziert, für das es eine einfache medizinische Lösung gebe: Opioide.

Für Freunde der Soziologie: Das ist ein besonders einschlägiges Beispiel für den Vorgang, den wir seit vielen Jahrzehnten als “Medikalisierung” beschreiben.

Schmerz und Opioide

Opioid, Opiat, Opium – die Namensähnlichkeit ist nicht zufällig. “Opium” ist der Saft des Schlafmohns, beziehungsweise das weiterverarbeitete Naturprodukt. “Opiate” sind die psychoaktiven Stoffe des Opiums (pharmakologisch auch: Schlafmohnalkaloide). “Opioide” ist schließlich der Oberbegriff aller Stoffe mit diesen Eigenschaften, die über die Opioidrezeptoren des Nervensystems (von Mensch und Tier) wirken.

Und Opioide können ein großes Problem werden: Die verfeinerten, teils vollständig synthetisch hergestellten Stoffe sind nämlich um ein Vielfaches stärker als Opium. Dadurch vergrößert sich nicht nur das Abhängigkeitspotenzial, sondern auch die akute Lebensgefahr. Bei einer Überdosierung schläft man ein und wird schließlich die Atemmuskulatur gelähmt; ohne Gegenmittel (wie Naloxon) erstickt man – im Schlaf.

Bekannte Opioide sind Codein, Fentanyl, Heroin, Methadon, Oxycodon und Tilidin. Und einige dieser Kandidaten stehen nun im Zusammenhang mit großen gesellschaftspolitischen Problemen, vor allem in den USA.

Dort haben Ärztinnen und Ärzte nämlich besonders aggressiv Schmerzmittel verschrieben. Warnende stimmen wurden ignoriert oder mundtot gemacht. In medizinischen “Fortbildungen” brachte man den Fachleuten bei, Suchterscheinungen seien nicht ernstzunehmen, sondern “Pseudo-Sucht”. Und diese lasse sich womit behandeln? Natürlich mit noch mehr Opioiden.

Für die Sackler-Milliardärsfamilie und ihre Firma Purdue Pharma L.P. war das lange Zeit gewinnbringend. Ärzte und Apotheker verdienten gut mit.

Epidemie der Opioide

Schließlich, in etwa um das Jahr 2010, ließ sich die Krise, heute spricht man von einer “Epidemie”, nicht mehr länger leugnen. Übrigens haben auch einige US-Abgeordnete dank großzügiger Wahlkampfspenden daran mitverdient (hier nur ein Beispiel, siehe McCoy & Kanter, 2018). So ließen sich übereifrige Behördenvertreter, die gegen die problematische Verschreibungspraxis vorgingen, offiziell kaltstellen. Andere wechselten übrigens das Lager, von den Drogenbehörden zur Pharmaindustrie.

Die schließlich einsetzende stärkere Regulierung der Opioide machte aus den früheren Patientinnen und Patienten aber plötzlich Drogenabhängige. Die legale Quelle verschwand – die Abhängigkeit blieb. Und so nahm zwar nach 2010 der Opioidkonsum ab, doch stieg plötzlich die Zahl der Toten; und zwar dramatisch!

Beschreibung: Eine aktualisierte Abbildung aus meinem neuen Buch. Vor allem bei den jungen Erwachsenen (dunkelblaue Linie; in Prozent) sank die Zwölfmonatsprävalenz des Opioidkonsums nach 2010. Währenddessen stieg die Anzahl der Tode durch Überdosierungen rapide an (rote Linie; rechte Skala). Dargestellt sind hier die Todesfälle für synthetische Opioide außer Methadon, das als Heroinersatz verwendet wird; im Wesentlichen sind das Tote durch Fentanyl. Quellen: Monitoring the Future; US National Center on Health Statistics

Anstatt die Schmerzmittel weiter aus der Apotheke zu bekommen, mussten die stark Abhängigen plötzlich auf illegale Quellen umsteigen. Verzweifelte kochen dafür beispielsweise Opioidpflaster aus dem Krankenhausmüll aus. Dieser Sud lässt sich aber schwer dosieren. So wird der Konsum zum russischen Roulette.

Durch das Verbot nahm außerdem die Stigmatisierung zu sowie die Angst vor Strafverfolgung. Bei einer Überdosis zögert man dann mitunter länger, bis man Hilfe ruft. Denn dann kommt mit dem Notarzt vielleicht auch die Polizei. Wie man auf der Grafik sieht, steigt die Todeszahl immer noch, jedenfalls bis 2021. (Neuere Daten liegen mir noch nicht vor.)

Und so sieht man einmal mehr, wie unterschiedlich sich Substanzkonsum instrumentalisieren lässt: Manche verdienen, manche lindern ihre Schmerzen, manche fliehen vor einem perspektivlosen Leben. So viel steht aber fest: Was immer mehr Menschen umbrachte, war nicht der kontrollierte Konsum (vor 2010), sondern das drogenpolitisch verschlimmerte Chaos danach.

Nachspiel

Purdue Pharma ging übrigens bankrott. Die Sacklers haben praktischerweise ein paar Milliarden “offshore” in Sicherheit gebracht, wo es auch die US-Behörden nicht konfiszieren können. Erst im Mai dieses Jahres bestätigte ein Berufungsgericht in New York eine Zahlung aus dem Firmenvermögen in Höhe von Rund 6 Milliarden US-Dollar.

Rechnet man das auf die inzwischen über 500.000 Verstorbenen um, kommt man auf etwa 10.000 US-Dollar pro Menschenleben. Ist es das wert? Dabei ist der weitere soziale Schaden noch gar nicht mitgerechnet: Wie (Über-)Leben die Menschen in Abhängigkeit und Armut? Wie lebt es sich im Gefängnis, wenn man “zur Prävention” verurteilt wird? Auch das kostet den Steuerzahler. Und sogar Babys konsumierender Mütter kommen schon mit Opioidabhängigkeit aufs Leben.

Das Beispiel zeigt einmal mehr die fließenden Übergänge von Begriffen: Was ist “Medikament”, was ist “Droge”? Was ist “Gebrauch”, was “Missbrauch”? Was ist “Behandlung”, was “Abhängigkeit” oder “Sucht”? Ärzte scheinen einen Zauberstab zu haben, mit dem sie denselben chemischen Stoff, dieselbe Substanz – auf Rezept – von der Droge zum Medikament adeln.

Auf die Frage, was genau den Substanzkonsum zum Missbrauch mache, erhielt ich von einem “Prof. Dr. rer. nat.” gerade eine Antwort, die auch der Sphinx würdig wäre: “Psychologen und Psychiater haben hier sicher einen anderen Ansatz als zum Beispiel (forensische) Toxikologen, für die zum Beispiel eine Bewertung vor dem Hintergrund des Betäubungsmittelgesetzes wichtig ist.” Mit anderen Worten: Jede(r) verwendet die Definition, die für die eigenen Zwecke förderlich ist.

Medikamente oder Drogen?

Im englischen Sprachgebrauch steckt unser “Medikament” und “Droge” in einem Wort: drug. Je nach Kontext muss man ausformulieren, was man damit meint. Und das ist eben auch der springende Punkt meines neuen Buchs über psychische Gesundheit und Substanzkonsum: Es geht nicht so sehr um das Mittel, sondern darum, was wir damit machen.

Im frühen 20. Jahrhundert wurden kokain- und opiumbasierte Tinkturen intensiv als Medizin beworben. Insbesondere die deutsche Pharma-Industrie (z.B. Bayer) war für die Qualität und Reinheit ihrer Stoffe bekannt. Doch nicht allen gefiel das: Beispielsweise lancierten Apotheker in den USA Medienkampagnen, um diese Tinkturen nicht als “drug” (Medikament) zu bezeichnen; ohne Erfolg.

Auch Kokain- und Opiumwein (Laudanum) blieben lange Zeit populär. Woher “Coca Cola” ursprünglich seinen Namen hat, ist weitbekannt. Übrigens dachte man sich damals auch nicht viel dabei, Kindern diese Mittel (Drogen? Medikamente?) zu verabreichen. Heute würde das natürlich zum Aufschrei der Gerechtesten unter den Bürgern führen.

Am Opium lässt sich nun schon vom 19. bis 21. Jahrhundert unser wandelndes Verständnis von den psychoaktiven Substanzen nachvollziehen. Einige psychoaktive Verwandte des Schlafmohns sind übrigens als Zierpflanze zugelassen. Und der Kalifornische Mohn (Eschscholzia californica) färbt in dem US-Bundesstaat nicht nur ganze Felder orange, sondern ist sogar eines seiner offiziellen Symbole: Seine Gäste werden von fröhlich strahlenden Mohnblumen willkommen geheißen!

Fazit

Was haben wir gelernt? Drogenpolitik lässt sich hervorragend für handels-, sozial- und migrationspolitische Zwecke ausschlachten. Was aus einer psychoaktiven Substanz ein Medikament, ein Genussmittel oder eine Droge macht, liegt an ihrer Verwendung – und im Auge des Betrachters. Das letzte Wort haben der Gesetzgeber und die Behörden.

Als man anfing, die Fehler der aktuellen Dämonisierungswelle seit den 1970ern einzusehen, unterschied man “weiche” und “harte” Drogen. Doch auch hier spielen Art und Menge des Konsums eine entscheidende Rolle. Eine interessante philosophische Frage ist noch, was eine Substanz “psychoaktiv” macht. Ist Zucker es nicht eigentlich auch? Das heben wir uns für ein anderes Mal auf.

Klar geworden sollte vor allem sein, dass die falsche Drogenpolitik Probleme verschärfen und Menschenleben kosten kann. Dafür ist die Opioid-Epidemie in den USA ein anschauliches Beispiel. Schreiben wir uns das am heutigen Internationalen Tag gegen Überdosierung hinter die Ohren. Und hoffentlich lesen hier auch ein paar Entscheidungsträger mit.

Weiterführendes: Hartgesottene können sich die vierstündige Dokumentation “The Crime of the Century” (2021) anschauen, in der die beiden Wellen der Opioid-Epidemie ausführlich erklärt werden. Auf Netflix erschien kürzlich die Dokumentation “Painkiller” (2023). Auf Deutsch gibt es z.B. die Arte-Dokumentation “Fentanyl: Tödlichste Drogenwelle in der Geschichte der USA” (2022). Für die theoretischen Hintergründe gibt’s mein Buch als Gratis-Download.

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Jetzt als Gratis-Download verfügbar: Mental Health and Enhancement: Substance Use and Its Social Implications

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31 Kommentare

  1. Ein sehr interessanter Artikel, vielen Dank.
    Eine Anmerkung: Naloxon ist kein Opioid, sondern ein Opioidantagonist.

  2. @von Stein: Antagonisten

    Oh ja, natürlich – es ist das Gegenmittel.

    In der Tabelle von Opioiden, auf die ich schaute, steht es einfach dabei; beim Schreiben hatte ich kurz den Gedanken, dass da ‘was nicht stimmt, doch ich wollte schnell fertig werden.

    Für die Deutlichkeit habe ich’s korrigiert. Danke!

  3. P.S. Naloxon

    Ich las gerade auf Wikipedia, dass der Hersteller von Naloxon während der Epidemie die Preise für ein Doppelpack von 690 auf 4.500 US-Dollar anhob: 2.250 Dollar für ein Menschenleben! Auch dort hat man also kräftig mitverdient.

    Jetzt, nach Auslauf des Patentschutzes, kann man es – inflationsbereinigt – für 1/100 des Preises kaufen: 50 Dollar, im Doppelpack.

  4. Folgendes mag zutreffen (Zitat) „Drogenpolitik lässt sich hervorragend für handels-, sozial- und migrationspolitische Zwecke ausschlachten. „

    Letztlich ist die Drogenpolitik aber nur eine Reaktion auf den zunehmenden Gebrauch von immer mehr verschiedenartigen Drogen von denen die meisten insgesamt weder gesellschaftlich noch individuell eine gute Wirkung besitzen – ausser man zählt zu den Drogen auch Genussmittel wie Tee, Kaffee oder Schokolade, welche ja das gesellige Zusammensein ohne allzu grosse Nachteile fördern, etwas was man etwa von Alkohol bereits nicht mehr sagen kann obwohl auch der ein soziales Bindemittel sein kann.

    Wenn wir bei den alten Griechen starten, dann gab es dort gerade einmal Alkohol mit schon damals bekannten vereinzelt negativen Folgen. Erst eigentlich in der neueren Moderne tauchten eine Vielzahl von Drogen und nicht ungefährlichen Genussmittel wie Tabak auf. Auch in der neueren Moderne wurden zudem vermehrt bestimmte Arzneimittel wegen ihrer psychotropen Wirkung konsumiert.

    Heute nun leben wir geradezu in einem Drogendschungel. Das Angebot an Drogen ist so gross und der Konsum gewisser Drogen so verbreitet, dass man mit ähnlichen Entgleisungen rechnen muss wie wir sie in Europa mit dem Alkohol erlebt haben. Nur dass viele Drogen anders als Alkohol über viel kürzere Zeitspannen das Leben der davon Abhängigen radikal verändern.
    Die heutigen Opioid-Abhängigen wären vor 200 Jahren vielleicht Alkoholtrinker gewesen, heute aber geraten sie an Opioide und entgleisen anders als beim Alkohol innert weniger Monate.

    Heute muss es deshalb ein Ziel sein, zu verhindern, dass der Drogenkonsum eskaliert. Zudem sollte es einen gesellschaftliche Entwicklung geben, in der Drogen weniger konsumiert werden anstatt dass jeder nach der für ihn besten Droge sucht.

    Heute muss man eigentlich von einer Epidemiologie des Drogengebrauchs sprechen. Und tatsächlich gibt es etwa den „Epidemiologiebericht Sucht 2022 Illegale Drogen, Alkohol und Tabak“ des österreichischen Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Dort liest man etwa:

    Im Bereich illegale Drogen liegt der risikoreiche Drogenkonsum hauptsächlich bei Opiaten/Opio-iden. Diese werden vorrangig mit anderen legalen oder illegalen Suchtmitteln kombiniert. Die Situation wird in den letzten Jahren als stabil eingeschätzt. 2021 ist die Zahl der drogenbezogenen Todesfälle angestiegen. Dies könnte möglicherweise als erster Hinweis auf eine Verschärfung der Drogenproblematik gesehen werden oder als temporäre Folge der Belastungen durch die COVID-19-Pandemie.
    Rauchen ist die am weitesten verbreitete Sucht in Osterreich. Etwa jede fünfte Person gibt an, täglich zu rauchen, ein gutes Drittel davon hat vor Kurzem erfolglos versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Tabakrauchen ist in Österreich gemäß aktuellen Schätzungen für 16 Prozent aller Todesfälle verantwortlich.

    Tabak und illegale Drogen sind beides erst in der neueren Moderne zum Problem geworden. Ich bin überzeugt, wir lebten heute in einer besseren Welt, wenn es beides nicht gäbe.

  5. @Holzherr: Lösungen

    Nur dass viele Drogen anders als Alkohol über viel kürzere Zeitspannen das Leben der davon Abhängigen radikal verändern.

    Wir haben hier doch gerade das Beispiel vor Augen, dass selbst Opioide, die viele Male stärker sind als Heroin, über lange Zeiträume kontrolliert konsumiert werden können – und dass die Situation erst eskaliert, wenn die Versorgung zusammenbricht, etwa weil “der Staat hart durchgreift”.

    Kein Land hat seit den 1970ern kontinuierlich härter gegen Drogen gekämpft als die USA; kaum ein Land hat so ein großes Drogenproblem wie die USA?!

    Melden Sie sich doch einfach mit einem konkreten Verbesserungsvorschlag. Fakt ist nun einmal, dass auch in Europa und insbesondere auch in Ihrer Schweiz viele Menschen, die im Alltag gut und unauffällig funktionieren, regelmäßig psychoaktive Substanzen konsumieren (und damit meine ich nicht nur Koffein, Nikotin und Alkohol).

  6. Schauen Sie sich doch einmal diese dreiteilige Doku an, Der große Rausch, um zumindest ein paar Grundlagen zu verstehen.

    Dass ein islamischer Staat (Afghanistan), demzufolge Opium Sünde ist, der weltgrößte Opiumproduzent ist, sagt doch schon genug.

    Gegenfrage: Warum konsumieren so viele Menschen in den wohlhabenden Ländern die Substanzen?

  7. ^ Highlight daraus, nach 40-50 Jahren “Krieg gegen die Drogen“: Kolumbien produziert mehr Kokain denn je; Mexiko ist in unfassbarer Gewalt versunken & herrschen gute Arbeitsbedingungen für Bestatter (wenn man die Massengräber findet; ggf. müssen die Körperteile erst zusammengenäht werden); in Afghanistan bombardierten 400 Millionen Dollar teure Bomber Hütten (“Heroin-Labore) für 50 Dollar – und es bleibt trotzdem größtes Opiumland?!

  8. @Holzherr 31.08. 20:54

    „Tabak und illegale Drogen sind beides erst in der neueren Moderne zum Problem geworden. Ich bin überzeugt, wir lebten heute in einer besseren Welt, wenn es beides nicht gäbe.“

    Tja, das wäre zu überlegen. Aber es gibt die Drogen eben.

    Und ich weiß nicht recht. Cannabis kann manchem Spaß machen, und Opioide sind nun auch wichtige Schmerzmedikamente. Ich will auch keinem vorschreiben, niemals gelegentlich Extasy zu konsumieren, wenn die gleichen Substanzen an ADHS-Kinder verteilt werden. Und Psychedelika werden darauf untersucht, ob sie nicht bei psychischen Krankheiten inclusive Drogensucht entscheidend helfen können.

    Das meiste Destruktive an den Drogen entfaltet sich überwiegend erst mit der Kriminalisierung. Die ist das eigentliche Problem.

    Das Beispiel dieses Wahnsinns zeigt doch die Geschichte mit diesem Medikament, dass eben neben anderen Medikamenten einfach chronisch eingenommen werden muss, was etwas suboptimal war, aber niemanden umgebracht hat. Die 500.000 Toten kamen erst mit der Kriminalisierung dieser Substanz, und das besonders üble war ja, dass keiner vorher wissen konnte, in welche katastrophale Situation er hier hineinschlittert.

    Eigentlich hätte man die Ärzte zur Verantwortung ziehen müssen, die das Zeug verschrieben haben, aber auch das würde jetzt den Süchtigen nicht mehr helfen.

    Ansonsten ist klar, dass Tabak aus Nordamerika, Cannabis aus Nordafrika, Kokain aus Südamerika und Opium aus Asien kommt. Vorher gab es in Europa nichts dergleichen, höchsten Psylozibin, Fliegenpilz, Stechapfel und Bilsenkraut. Alles nur sehr mäßig attraktiv, wurde aber doch auch mal genutzt. Und Alkohol herzustellen war in größeren Mengen ziemlich limitiert, Schnapsbrennen kam auch erst später auf.

    Ohne die Globalisierung der attraktiven Substanzen wäre das Problem offenbar tatsächlich kleiner. Aber es nützt ja nichts, das Zeug ist da.

  9. @Holzherr, Tobias: Drogen als Instrumente

    Manchen scheint der Gedanke schwer zu fallen, dass psychoaktive Substanzen Instrumente sind, die man, wie ein Messer, für gesellschaftlich nützliche und unnütze Dinge verwenden kann.

    Die minimale verstandene Botschaft meiner – inzwischen doch recht zahlreichen – Artikel zum Thema sollte sein, dass es Stark vom Kontext der Nutzung abhängt, ob “Drogen” Positives oder Negatives bewirken.

    Dafür sind gerade Opioide ein gutes Beispiel: Schwer Krebskranke Menschen können damit Tumorschmerzen unterdrücken und mehr Lebensqualität gewinnen; perspektivenlose, ausgegrenzte Menschen können damit Trost erfahren (Eskapismus). Keine Opioide zu nehmen, bietet Letzteren übrigens auch nicht automatisch eine Perspektive, sonst bräuchten sie die Mittel ja erst gar nicht!

    In der oben verlinkten Doku ist zu sehen, wie Drogen im Laufe der Zeit auch bestimmte Nebenwirkungen des Kapitalismus “behandeln”; der Vergleich mit Therapie ist hier vielleicht gar nicht mal so schlecht – aber sie zielt eben auf die Symptome, nicht auf die Ursachen (z.B. Arbeitslosigkeit, mangelnde Integration, Hoffnungslosigkeit).

  10. @Tobias: ADHS & Amphetamine

    Es stimmt zwar, dass Ecstasy und MDMA zu den Amphetaminen zählen – ebenso wie Amphetamin und Methylphenidat.

    Mir ist aber nur bekannt, dass Letzere zur Behandlung von ADHS verschrieben werden; mit Ersteren experimentiert man nun vor allem mit Traumata/PTBS und Psychotherapie.

  11. @Tobias: Drogen um die Welt

    Das ist zu einfach. Zufällig liegt mir gerade die Karte in dem Rausch-Buch von 1999 vor (Helmuth Kiesel, Springer Verlag, S. 37), die ich hier aus Copyright-Gründen leider nicht uploaden kann. Dort sieht man, dass der Konsum der psychoaktiven Substanzen viel mit Klimazonen zu tun hat.

    Cannabis und Opium waren (und sind?) beispielsweise in Ostafrika, Nordostafrika, Südwest- und Südasien verbreitet.

    Der Fliegenpilz vor allem in Nordamerika und Nordasien – aber auch dem heutigen China und Indien.

    Die Griechen sollen ebenfalls Mutterkorn und Tollkirsche gehabt haben.*

    …und ich bin mir sicher, dass die Substanzen über den teils recht lebendigen Handel ausgetauscht wurden.

    Wohl insbesondere im Dionysos-Kult war Alkohol Standard, den man aus rituellen Gründen mit dem einen oder anderen Psychedelicum “aufpeppte” (das Reinheitsgebot kam erst viel später); ich meine mich zu erinnern, dass solche Riten gerade auch unter Frauen recht beliebt gewesen sein sollen.

  12. Fakt ist nun einmal, dass auch in Europa und insbesondere auch in Ihrer Schweiz viele Menschen, die im Alltag gut und unauffällig funktionieren, regelmäßig psychoaktive Substanzen konsumieren (und damit meine ich nicht nur Koffein, Nikotin und Alkohol).

    Keith Richards ist ein gutes Beispiel. Dank Einkommen und Connections war er nicht auf gepanschten Mist angewiesen. Wikipedia: “Laut eigener Aussage lebt er nur deshalb noch, weil er immer auf höchste pharmazeutische Qualität achtete und auch mit der Dosierung vorsichtig war.”

    der Konsum der psychoaktiven Substanzen viel mit Klimazonen zu tun hat

    Konsumiert wird halt am meisten, was durch kurze Handelswege am leichtesten verfügbar und am billigsten ist.

    Bei der Opioid-Epidemie der USA spielen auch Marktmechanismen eine Rolle. Durch die Cannabis-Legalisierung und die einsetzende Binnenproduktion brachen den südamerikanischen Drogenproduzenten Cannabis-Marktanteile weg. Sie reagierten mit einer Verlagerung der Produktion auf andere Substanzen, die dann den US-Markt in größeren Mengen als zuvor erreichten.

    Mehr User sahen sich nun vor der Alternative: Aufwand und Nerverei für ein Arzt-Rezept (besonders nach Einsetzen der Gegenreaktionen gegen leichtfertige Verschreibungen, und besonders bei echten Schmerzpatienten, die unter Simulationsverdacht gestellt wurden) und dazu einen hohen Kaufpreis (fehlende/ungenügende Krankenversicherung) — oder einfache Beschaffung beim Dealer um die Ecke für ein Drittel der Kosten. Da rutschen dann auch genuine Schmerzpatienten aus der ärztlichen Kontrolle.

  13. @Noch‘n Wort (Zitat): “Mehr User sahen sich nun vor der Alternative: Aufwand und Nerverei für ein Arzt-Rezept und dazu einen hohen Kaufpreis (fehlende/ungenügende Krankenversicherung) — oder einfache Beschaffung beim Dealer um die Ecke für ein Drittel der Kosten“

    Ja, die angeblich wegen Schmerzen zu Opioid-Konsumenten gewordenen, waren schwer abhängig von der Opioid-Wirkung. Jede verordnete Einschränkung ihres Konsums bedeutete für sie einfach, dass sie den Stoff oder etwas Äquivalentes über einen anderen Kanal erhalten mussten.

    Meine Schlussfolgerung: Die einzige Möglichkeit die Opioid-Krise in den USA einzuschränken wäre es gewesen, allen Opioid-Abhängigen den medizinisch kontrollierten Zugang zu einem Opioid zu gewähren und sie nicht als kriminell, sondern als krank zu behandeln.

  14. @Noch’n Wort: Da immer mehr Plantagen verwüstet wurden und werden, was übrigens teils verheerende Auswirkungen auf die Umwelt hat, steigen immer mehr Drogengangs auf Substanzen um, die sich rein chemisch, ohne pflanzliche Rohstoffe herstellen lassen.

    Da bleiben genug Drogen, mit denen sie Geld verdienen können.

  15. @Holzherr: Opioid-Epidemie

    … den medizinisch kontrollierten Zugang zu einem Opioid zu gewähren und sie nicht als kriminell, sondern als krank zu behandeln.

    Das ist doch mal ein Wort! Die Leute litten aber nicht nur an Schmerzmittelabhängigkeit – sondern viele auch an einem perspektivlosen Leben. Das kann man nicht so einfach “auf Rezept” beheben.

  16. Zitat 1 Stephan Schleim: “In der oben verlinkten Doku ist zu sehen, wie Drogen im Laufe der Zeit auch bestimmte Nebenwirkungen des Kapitalismus “behandeln”; der Vergleich mit Therapie ist hier vielleicht gar nicht mal so schlecht – aber sie zielt eben auf die Symptome, nicht auf die Ursachen (z.B. Arbeitslosigkeit, mangelnde Integration, Hoffnungslosigkeit).“

    Zitat 2 Stephan Schleim: “Dafür sind gerade Opioide ein gutes Beispiel: Schwer Krebskranke Menschen können damit Tumorschmerzen unterdrücken und mehr Lebensqualität gewinnen; perspektivenlose, ausgegrenzte Menschen können damit Trost erfahren (Eskapismus). Keine Opioide zu nehmen, bietet Letzteren übrigens auch nicht automatisch eine Perspektive, sonst bräuchten sie die Mittel ja erst gar nicht!

    Einwand: Nicht jeder der von etwas abhängig ist, behandelt damit ein psychisches Problem oder eine Schwierigkeit in seinem Leben.
    Man erinnere sich nur an die Zeit in der jeder Hollywood-Schauspieler eine Zigarette im Mund hatte oder etwa an den kürzlich gelaufenen Film Oppenheimer in dem selbst ein theoretischer Physiker ständig raucht – selbst während dem Sex.
    Es stimmt schlicht nicht, dass alle Nikotin-Abhängigen mit ihrer Sucht ein eigenes Problem „therapieren“. Vielmehr hat der Nikotin-Konsum überhaupt erst ein Problem geschaffen.

    Generell gilt: Fast alle Drogen haben ein Suchtpotential ganz unabhängig von den vorbestehenden Problemen des später Süchtigen. Und selbst wenn Drogen zur Selbsttherapie eingenommen werden, lindern sie die Probleme in den wenigsten Fällen. Viel häufiger verschlimmern sie die Probleme noch.

  17. @Holzherr: Substanzabhängigkeit

    Niemand hat hier behauptet, allen Substanzkonsum durch psychosoziale Probleme erklären zu können. Es gibt natürlich Moden; oder Ärzte, Apotheker und Pharma-Unternehmen, die noch mehr Geld verdienen wollen.

    Das Abhängigkeitspotenzial ergibt sich aber nicht nur aus den Eigenschaften der Substanz, sondern aus der Art des Konsums und den psychosozialen Umständen. Das haben wir hier oft genug diskutiert – und haben Sie etwa mein Buch immer noch nicht gelesen!? 😉

  18. “Das Abhängigkeitspotenzial ergibt sich aber nicht nur aus den Eigenschaften der Substanz, sondern aus der Art des Konsums und den psychosozialen Umständen.”

    Das ist die Kernaussage. Jetzt wäre es interessant zu wissen, wie groß die einzelnen Potenziale sind.
    Die Folgekosten von Rauchen und Trinken sollen zu 96 % den Sozialhaushalt belasten.

    Die Medikamente spielen also noch eine untergeordnete Rolle.
    Und unter denen sind Betablocker die am meisten verschriebenen.
    Bei den frei erhältlichen Medikamenten sind es die Schmerzmittel und fiebersenkenden Mittel.
    Bei Psychopharmaka fehlt mir der Einblick.

    Fazit: Unsere Gesellschaft ist also noch gesund, wenn man Alkoholgenuss und Rauchen ausklammert.

  19. …, steigen immer mehr Drogengangs auf Substanzen um, die sich rein chemisch, ohne pflanzliche Rohstoffe herstellen lassen.

    Deswegen “auch Marktmechanismen”. Die Größenordnungen der verschiedenen Faktoren wären schon interessant. Vermutlich ist aber niemand der nahe genug am Geschehen ist, daran interessiert, quantitative Angaben zu machen die nicht schwer verzerrt sind.

  20. @Neumann: drogenfreie Gesellschaft

    Wenn Sie an einer “drogenfreien Gesellschaft” interessiert sind, dann schauen Sie sich doch ein paar islamische Länder an; die schaffen das ganz gut.

    Frage: Wollen wir so leben? (Tipp: Da sind die Menschen noch viel stärker in familiäre und religiöse Strukturen eingebunden, gibt es stärker ausgeprägte Geschlechtsrollen usw.)

  21. @Neumann (Zitat): „Fazit: Unsere Gesellschaft ist also noch gesund, wenn man Alkoholgenuss und Rauchen ausklammert.“

    Sicher trifft das zu, wenn man etwa die Anzahl der in einer Gesellschaft verlorenen Lebensjahre infolge gesundheitsschädlicher Substanzen als Massstab nimmt. Doch man kann das auch anders betrachten, was ich am Beispiel des Tabak-Rauchens im Vergleich zum Crack-Rauchen demonstrieren möchte.

    Ein Ehepaar von starken Rauchern kann zusammen subjektiv ein tolles aufregendes Leben führen, das dann aber vielleicht mit dem vorzeitigen Tod eines der Partner infolge Lungenkrebs endet – aber womöglich erst nach 40 Jahren toller Ehe.
    Ein Ehepaar, das sich gemeinsam aufs Crack-Rauchen einlässt, wird es dagegen kaum je auf ein 40-jähriges Zusammenleben bringen, da das Crack-Rauchen ein normales Zusammenleben fast unmöglich macht, da alles andere als der Stoff sekundär wird.

    Es stimmt zwar, dass es sehr viel mehr Tabak-Raucher als Crack-Raucher gibt, nur verunmöglicht das Crack-Rauchen ein normales Leben so stark, dass man nicht nur die gesellschaftlich verlorenen Lebensjahre in die Betrachtung einbeziehen sollte, sondern auch die Auswirkungen der Sucht auf die Fähigkeit ein normales Leben zu führen. Macht man das, dann muss man das Crack-Rauchen anders gewichten als das Tabak-Rauchen.

  22. @Holzherr, Neuman: Das mit den “verlorenen Lebensjahren”…

    …ist eine Milchmädchenrechnung: Es geht hier nicht um lineare Prozesse, nach dem Motto 1+1=2.

    Man muss sich schon überlegen, was die Menschen stattdessen tun würden, rauchten und tränken sie weniger – oder gar nicht mehr. Vielleicht stiegen sie dann auf gefährliche Sportarten (z.B. “free climbing”) um – und stürben im Mittel noch früher?!

    Alle anderen Modelle sind einfach an der Realität vorbei.

  23. Stephan Schleim,
    mit dem Sammelbegriff “drogenfrei” kann man nicht diskutieren ebenso nicht mit dem Begriff “Substanzkonsum”.

    Wir leben innerhalb eines Kulturkreises , indem der Alkoholgenuss zelebriert wird, in Maßen zelebriert wird. Und darauf kommt es an, das richtige Maß.
    Im Übermaß wird der Alkoholkonsum geächtet, dem Autofahrer wird der Führerschein entzogen, Der Säufer wird ausgeschlossen bis hin zur Entzugsklinik.

    Das ist der erlaubte innere Widerspruch unseres Kulturkreises.

    Einen Vergleich mit dem islamischen Kulturkreis kann man anschließen.
    Alkohol wird geächtet, wenn der Islamangehörige im Ausland Urlaub macht, trinkt er Alkohol und isst z.Teil auch Schweinefleisch.
    Wir haben Moslems in der Verwandtschaft, die Heuchelei ist bei denen nicht anders wie bei uns.

    Was die allgemeine Einstellung zu Genussgiften betrifft, da vertrete ich die Meinung von Herrn Holzherr, die Genussgifte sind abzulehnen wenn es keinen vernünftigen Grund gibt sie einzunehmen.
    Der Volksmund drückt es so aus : Wer Sorgen hat, hat auch Likör”.
    Aus Langeweile Bier trinken ist einfach nur eine dumme Angewohnheit.

    Überhaupt sollte man den Gebrauch der Genussgifte unter dem Blickwinkel der Gewohnheit betrachten.

  24. Es ist durchaus nicht so, dass der Gebrauch von psychoaktiven Substanzen in islamischen Staaten nicht ebenso auf dem Vormarsch wäre wie im Rest der Welt:

    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8110685/

    Auch dort spielt das soziale und wirtschaftliche dabei die entscheidende Rolle.

    Erstaunlich wie sich die uralten Denkmuster eines komplett sinnbefreiten “war on drugs” so lange halten können. Der läuft seit gut 50 Jahren und der Gebrauch psychoaktiver Substanzen, legal oder illegal, wird global mehr und mehr.
    Vielleicht mal so eine Art “Westfälischen Frieden” mit den Drogen machen?

    Wo gab oder gibt es je eine Kultur ohne den Gebrauch psychoaktiver Substanzen? Wenn ich Substanz A schwer beschaffbar mache, weichen die Leute auf B aus usw. usw. Das geht bis zum Schnüffeln von Benzin oder sonstigen Lösungsmitteln.

    All das sei schädlich! Ach was?! (frei nach Loriot) Ist das so? Gibt es irgend einen Anwender solcher Substanzen der das NICHT weiss?

    Der erhobene Zeigefinger ist kein Ansatz um in einer guten und aufgeklärten Gesellschaft mit dem Phänomen umzugehen.
    Das Phänomen vermeintlichen Randgruppen in die Schuhe zu schieben hat auch nicht geklappt. Schimpfwörter (Säufer, Kiffer, Junkie, …) helfen auch nicht. Kriminalisierung hilft auch nicht (ausser den Drogenhändlern) usw.

    Was nun? Vielleicht doch mal an der Gesellschaft arbeiten, statt Menschen die nicht ganz in den neoliberalen Ansatz passen noch mehr auszugrenzen?

  25. @Neher: Danke für diese wichtige Ergänzung. Ich erinnere mich, dass als ich für das Buch kurz das Thema “Substanzkonsum in islamischen Ländern” anschnitt, dort konsistent niedrige Konsumzahlen fand.

    Natürlich gibt es zwischen diesen Ländern große psychosoziale und kulturelle Unterschiede. Afghanistan hat wohl ein großes Problem mit Heroinabhängigen – aber das Land war in den letzten Jahrzehnten fast permanent im Krieg (und ist wohl der weltweit größte Opiumproduzent?).

    P.S. Und aus meinem persönlichen Interesse für den Sufismus weiß ich, dass die Sufis mitunter dem Wein zugetan waren. Es gibt da eine schöne Anekdote über Rumi und seinen Lehrer, war sein Name Tabir? Dass der Lehrer will, dass Rumi einmal Wein ausprobiert, was den in einen Gewissenskonflikt führt (zwischen Autorität des Lehrers und vorherrschende Auslegung des Islams). Im Endeffekt vertraut Rumi, damals schon eine Berühmtheit, vollends dem Urteil seines Lehrers: Der besorgt einen Krug Wein und sagt im letzten Moment zu Rumi, er müsse ihn doch nicht trinken. (Und die Sufis standen, nach meinem Verständnis, in gewisser Weise außerhalb der Gesellschaft und konnten sich so manche Tabubrüche erlauben; manchmal wurden sie dafür aber auch verfolgt.)

  26. Drogen/Rauschmittel werden seit der Erfindung der Pharmazie (das geschah wahrscheinlich vor mehr als 10.000 Jahren) von Menschen genommen. Jeder Kulturkreis hat seine eigenen Rauschmittel. Jedes Rauschmittel wurde wahrscheinlich vor allem im Rahmen ritueller und/oder zu gesellschaftlich anerkannten Ereignissen genutzt.

    Das Problem heute ist aus meiner Sicht, dass Rauschmittel, vor allem so Dinge wie Opioide und daraus abgeleitete Schmerzmittel in großen Gesellschaften, die sich durch eine Entsolidarisierung auszeichnen, eben nicht mehr in einem klar gesteckten sozialen bzw. gesellschaftlichen Rahmen genutzt werden. Und dazu trägt auch bei, dass auf diese Rauschmittel zum Teil zu einfach zugegriffen werden kann (legal wie illegal).

    Hinzu kommt, dass in vielen Ländern die Zahl derer, die eben nicht fest und dauerhaft in gesellschaftliche Zusammenhänge eingebunden (insbesondere durch Arbeit, in welcher Weise auch immer) sind, deutlich zugenommen haben. Das trägt dazu bei, dass man sich eben sehr viel schneller dem Rausch hingibt, ohne sich selber Grenzen zu setzen oder von der umgebenden Gesellschaft Grenzen gesetzt zu bekommen. Wird dann die Nutzung von Rauschmitteln sogar in Teilen der “funktionierenden” Gesellschaft als schick gesehen oder stillschweigend/offen akzeptiert, wird es für die Personen gefährlich, die in irgendeiner Art und aus welchen Gründen auch immer suchtaffin sind.

  27. @all: Krass, diese Arte-Doku über Fentanyl:

    Dieses Opioid ist so stark, dass man allein über Hautkontakt abhängig werden – oder sogar an einer Überdosis sterben kann.

    Preis der Produktion in Mexico: $0,01 pro Pille. Straßenpreis: $10,00 pro Pille. Das ist eine Vertausendfachung!

    Die Drogenproduzenten können nun in solchen Mengen produzieren, dass sie die Ware gar nicht mehr aufwändig verstecken müssen. Wenn sie das massenweise verschicken, kommen immer noch genug Päckchen durch.

  28. @Tagedieb: psychosoziale Faktoren

    Ja, Sie sagen es!

    Die Programme z.B. der Anonymen Alkoholiker basieren meiner Meinung nach auch essenziell auf dem Gemeinschaftsgedanken.

    Tja, in was für einer Welt würden wir leben, wenn man die Milliarden und Abermilliarden für den “Krieg gegen die Drogen” stattdessen in die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der “Drogenländer” investiert hätte?

  29. Hab ich’s doch vermutet. “Muskateller-Salbei, Grapefruit, Rose und Jasmin setzen aus dem Thalamus Enkephaline (körpereigene Opioide) frei. Effekt: Wohlfühlen, Anheben der Stimmung.”

    Wir hatten einmal eine Duftrose, deren Duft so betäubend war, dass ich 40 DM für eine Pflanze bezahlte. Der Name der Rose : Rose de Reschd.

    Das gehört auch zu “suchtaffin “, die Wirkung von Duftstoffen.
    Übrigens, Opium flüssig riecht ungewöhnlich gut, mit Nichts zu vergleichen.

  30. @Neumann (Zitat): „ Übrigens, Opium flüssig riecht ungewöhnlich gut, mit Nichts zu vergleichen.“
    Man liest dazu: „Es hat einen ganz eigentümlichen Geruch, der an Holzrauch erinnert“,

    Und klar, es gibt Parfums, die „Opium“ heissen. Als Skandal empfunden wurde weitherum die Werbung von Sophie Dahl für Yves Saint Laurents Parfume Opium.

  31. Martin Holzherr,
    Es war bei der Bundesgartenschau in Rostock, dabei war ein Aussteller mit Duftölen und jeder konnte vorher mal riechen.
    An Rauch hat mich das Opium nicht erinnert, der Geruch war mir vollkommen neu, Nichts zum Zuordnen, und er war betörend.
    Wenn ich ein Ranking machen würde, käme er gleich nach der Rose.
    Gefolgt von blauem Flieder und dann die Maiglöckchen.
    Zu den Parfums kann ich nur als Laie antworten, manche Parfums riechen schon gut, manche sind brutal abschreckend.
    Kannst du dich noch an “Tosca” von 4711 erinnern, bei uns roch der ganze Karstadt danach.

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