Die Wissenschaft vom freien Willen: Wie Psychologie, Hirnforschung und gesellschaftliche Praxis zusammenpassen

Gerade entsteht ein neues Paradigma für Psychologie und Neurowissenschaften. Eine Geschenkidee zu Weihnachten für Neu(ro)gierige.

“Durch seine Entscheidungen, Handlungen und durch die Wahl eines bestimmten Umfelds gestaltet der Mensch seine eigene Entwicklung. Indem er die Kreise der Interaktion mit seiner natürlichen und sozialen Umwelt bewusst wählt und durchläuft, formt er auch sich selbst.”

Thomas Fuchs, 2023, S. 104-105

Willensfreiheit bleibt ein aktuelles Thema – in und jenseits der Wissenschaft. Die Diskussion geht inzwischen aber darüber hinaus, unsere Freiheit einfach als Ding der Unmöglichkeit darzustellen. Es hieß, unser Gehirn sei determiniert sei oder unbewusste Prozesse würden uns steuern. Anstatt solche extremen Meinungen zu vertreten, die die Medien gerne aufgreifen, diskutieren Wissenschaftler jetzt das Zusammenspiel unbewusster und bewusster Vorgänge in differenzierterer Weise (z.B. Maoz & Sinnott-Armstrong, 2022; Mudrik et al., 2022).

Tatsächlich erinnerte die Diskussion in den frühen 2000ern ans 19. Jahrhundert: Auch damals reduzierten Physiologen unser Wahrnehmen und Entscheiden auf Gehirnvorgänge, erklärten sie Willensfreiheit für unmöglich und forderten sie eine Revolution des Strafrechts. Mit Josef Hyrtl (1810-1894) reagierte ein bedeutender Anatom, Mediziner und ab 1864 Rektor der Universität Wien – als bekanntester Professor sollte der die Universität zu ihrem 500. Jubiläum nach außen vertreten – kritisch: Die Wissenschaft habe nichts Neues ergeben, um die materialistische Weltanschauung zu stützen; die Medien würden allerdings den extremsten Standpunkten die größte Aufmerksamkeit schenken (Hyrtl, 1864/1897).

Rund 150 Jahre später wiesen kanadische Forscher nach, dass die Medien die berühmten Libet-Experimente vor allem als Widerlegung der Willensfreiheit darstellen (Racine et al., 2017). Und das, obwohl der Neurowissenschaftler Benjamin Libet (1916-2007) selbst nie diesen Schluss aus seinen Versuchen zog! Im Gegenteil hatten er und seine Kollegen schon in den 1980ern erklärt, dass das Bereitschaftspotenzial im Gehirn nicht die vollständige Ursache der Bewegung der Versuchsperson sein könne. Vielmehr müsse es einen weiteren Prozess geben, der die eingeleitete Bewegung zur Ausführung bringe; und dieser könne bewusst oder unbewusst sein (Libet et al., 1983; Libet, 2004). (In Kapitel 6 werden diese Versuche ausführlich erklärt.)

Inzwischen hat sich die Neurowissenschaft der Volition als eigener Forschungszweig etabliert. Neuere Überblicksarbeiten zeigen auf, dass noch viele Fragen offen sind. Beispielsweise seien mehr als zwei Dutzend Hirnregionen an unseren Willensentscheidungen beteiligt, müsse man sich unsere Absichten eher als zeitlich ausgedehnte Prozesse vorstellen, nicht wie in vielen Experimenten üblich als punktuelle Ereignisse, und sollten die Forscher realistischere Szenarien untersuchen, die näher an unserem Alltag sind (z.B. Dominik et al., 2023; Nadra & Mangun, 2023; Nichelli & Grafman, 2023). Das ist völlig im Einklang mit dem vorliegenden Buch – wie auch mit meinen früheren Publikationen zum Thema (z.B. Schleim, 2011; 2012).

Sie lesen das Vorwort der voraussichtlich 2024 auf englisch erscheinenden Ausgabe von “Wissenschaft und Willensfreiheit” von Stephan Schleim. Die deutsche Ausgabe von 2023 ist über den Verlag oder im Buchhandel erhältlich.

Gehirn, Psyche und Gesellschaft

Im Buch wird an mehreren Stellen deutlich, dass das Willensfreiheitsproblem für unser Selbstverständnis als Menschen von zentraler Bedeutung ist. Im Gegensatz anderen Arbeiten wird hier aber der Standpunkt vertreten, dass unsere Willensentschlüsse – ebenso wie unsere meisten anderen psychischen Vorgänge – nicht einfach nur im Gehirn stattfinden. Vielmehr entstehen unsere Entscheidungen in einem dynamischen Wechselspiel von Organismus und Umgebung, Individuum und Gesellschaft. Kurz gesagt sind sie desto freier, je bewusster wir sie treffen (Kapitel 11). Und zur Erhöhung unserer Freiheit können wir nicht nur selbst mehr über die Einflüsse auf unsere psychischen Vorgänge lernen und aktiver über sie reflektieren, sondern auch die Randbedingungen unserer Entscheidungen verbessern.

Damit passt der hier vertretene Ansatz zu einem neuen Paradigma für Psychologie, Psychiatrie und die Kognitionswissenschaften: 4E Cognition (z.B. Fuchs, 2023; Newen et al., 2018). Unser Wahrnehmen, Denken und Entscheiden ist wesentlich verkörpert. Der lebendige Körper ist nicht nur ein Container, der das Gehirn mit Nährstoffen versorgt. Vielmehr ist er der Brennpunkt, von dem aus wir die Welt erleben und mit ihr in Beziehung treten. Körper und Umwelt beeinflussen und formen einander in einer endlosen, spiralförmigen Bewegung. Insbesondere wir Menschen bedienen uns kultureller sowie technologischer Mittel wie Sprache und Informationstechnologie. Damit realisieren wir geistige und körperliche Leistungen, die die Möglichkeiten anderer Spezies weit übersteigen.

Es ist einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass mir Anfang 2022 der Aufsatz des berühmten theoretischen Physikers Max Planck (1858-1947) über Willensfreiheit in die Hände fiel (Kapitel 3 und Anhang A). Die Auseinandersetzung damit verschaffte mir die Gelegenheit, meine Gedanken über Psyche und Gehirn, Mensch und Gesellschaft näher auszuformulieren. Diese sind im regen Austausch nicht nur mit Philosophen und Wissenschaftlern, sondern auch den zahlreichen Besuchern meines Blogs “MENSCHEN-BILDER” (seit 2007 bei den SciLogs/dem Spektrum Verlag) gereift.

Psychologie zuerst!

Demnach ist die Neurowissenschaft nicht die zentrale Wissenschaft vom Menschen, sondern die Psychologie. Das alte Leib-Seele- oder Reduktionismusproblem beruht vor allem auf einem begrifflichen Missverständnis: Unsere Fähigkeiten äußern sich direkt in unserem Verhalten in einer bestimmten Umgebung. Diese Fähigkeiten sind natürlich verkörpert, also auch im Nervensystem verankert. Der Psychologe Eric Turkheimer von der University of Virginia in Charlottesville nannte diese Sichtweise schon vor vielen Jahren “schwachen Biologismus” (Turkheimer, 1998).

Das Problem ist nicht, “den Geist” auf körperliche beziehungsweise Gehirnvorgänge zu reduzieren. Vielmehr müssen wir verstehen, wie unser lebendiger Körper “Geist” werden, also Erleben, Subjektivität und alle anderen psychischen Vorgänge erzeugen kann (Schleim, 2021). Darum müssen wir auch häufig unkritisch verwendete Begriffe wie “der Wille” hinterfragen und durch praktisch plausiblere Alternativen ersetzen (z.B. “Willensentschlüsse”, Kapitel 2). Als Orientierung für Psychologie und Neurowissenschaften dient unsere Lebenspraxis. Langjährigen Hoffnungen zum Trotz konnten auch die Neurowissenschaften kein “objektives” Fundament für die Psychologie liefern; aufgrund der hier vertretenen Sichtweise können sie das prinzipiell nicht.

So ist bis heute keine gehirnbasierte Lügendetektion möglich, lassen sich unsere Gedanken nicht mit den Verfahren der Hirnforschung lesen und stoßen sogar Gehirn-Computer-Schnittstellen in der praktischen Anwendung noch an Grenzen. Trotz sehr intensiver Forschung seit den 1980ern (z.B. Andreasen, 1984) lassen sich psychische Störungen weiterhin nicht neurobiologisch Diagnostizieren und stehen heute sogar die psychopharmakologischen Behandlungen wieder vermehrt in der Kritik (z.B. Moncrieff et al., 2023; Schleim, 2022; 2023). Die Situation wäre anders, gäbe es beispielsweise neurowissenschaftliche Lernverfahren oder Therapien, die den psychologischen oder psychotherapeutischen klar überlegen sind.

So einfach wie möglich, so komplex wie nötig

Der Reduktionismus in der Wissenschaft zehrt von dem Gedanken, dass wissenschaftliche Erklärungen so einfach wie möglich sein sollen. Sie dürfen aber nicht zu einfach sein, indem sie wesentliche Aspekte der Welt ausklammern. Bei uns Menschen sind das unsere Lebenswelt, unsere Subjektivität und unser kontinuierlicher Austausch mit der Umwelt, einschließlich der anderen Lebewesen in ihr. Damit sollte deutlich sein, dass eine Wissenschaft vom Menschen notwendigerweise eine Systemwissenschaft sein muss (z.B. Kotchoubey et al., 2016). Darum kann man im Hirnscanner höchstens einen Teil der Antwort finden.

Um dieser Komplexität von uns Menschen und insbesondere unserer Willensfreiheit gerecht zu werden, führt das vorliegende Buch den Leser von philosophischen, physikalischen und neurobiologischen Grundlagen schließlich zu einem konstruktiven Verständnis von Freiheit (Teil II). Die Abschnitte über Freiheit und Verantwortlichkeit in Moral und Recht (Kapitel 2 und 8) greifen vor allem die kontinentaleuropäische Tradition auf. Doch meines Wissens ist es in allen Rechtssystemen Standard, Menschen als rationale Personen für ihre Handlungen verantwortlich zu machen. Diese Praxis beruht im Alltag wie im Gerichtssaal nicht auf der Diskussion von Gehirndeterminismus oder Willensfreiheit. Vielmehr beruht sie auf der Annahme, dass wir in der Regel wissen, was erlaubt oder verboten ist – und nach dieser Einsicht handeln können (z.B. Morse, 2007).

Ich vertrete den Standpunkt, dass unsere normative Praxis praktisch nützlich und sinnvoll sein muss. Viele der weitreichenden Behauptungen mancher Neurowissenschaftler – insbesondere über die Unmöglichkeit von Willensfreiheit – haben sich als übertrieben oder unhaltbar herausgestellt und sind unnütz. Dort, wo Gesetze zur Verantwortlichkeit im Sinne eines “Neurorechts” tatsächlich schon geändert wurden, ist die wissenschaftliche Grundlage dafür fraglich (z.B. Schleim, 2020). Gerade dieses Beispiel macht deutlich: Man kann zwar theoretisch argumentieren, dass junge Erwachsene wegen ihrer Gehirnentwicklung weniger verantwortlich sind; in der gerichtlichen Praxis wird die Entscheidung aber am Verhalten und sozialen Funktionieren der Angeklagten festgemacht.

Und auch die Ergebnisse aus dem Genlabor oder Hirnscanner gelten nicht “objektiv”, sondern müssen von Menschen interpretiert werden. Darum ziehen verschiedene Neurowissenschaftler unterschiedliche Schlüsse aus denselben Daten (z.B. Botvinik-Nezer et al., 2020).

Das hier gezeichnete Bild passt zu einem kritischen Humanismus, der naturwissenschaftliche Erkenntnisse ernst nimmt – und in den größeren Wissensschatz der Menschheit einordnet. Im Einklang damit gibt es Physiker und Biologen, die Willensfreiheit für möglich oder sogar erwiesen halten (Kapitel 5 und 6). Insbesondere haben mit Hans Kornhuber (1928-2009) und Jose M. R. Delgado (1915-2011) zwei Hirnforscher zwar die Weichen für die Verbreitung des Gehirndeterminismus der letzten Jahrzehnte gestellt. Doch später im Leben nahmen sie, auch unter dem Eindruck ihrer bahnbrechenden neurowissenschaftlichen Forschung, schließlich eine rationale und humanistische Sichtweise auf den Menschen ein. Ich will hier aber nicht den Epilog vorwegnehmen, sondern wünsche viel Spaß bei der Lektüre!

Das neue Buch von Stephan Schleim erhalten Sie über den Verlag oder im Buchhandel. Aus dem Inhalt:

  • Vorwort: Warum das Problem wichtig ist
  • Teil I: Freiheit als Forschungsgegenstand
  • 1. Einleitung: Der Mensch als Natur- oder Kulturwesen
  • 2. Philosophische Vorbemerkungen zur Willensfreiheit
  • 3. Max Plancks Argument
  • 4. Determinismus und Kausalität
  • 5. Heutige Physiker*innen zur Willensfreiheit
  • 6. Willensfreiheit in Biologie und Neurowissenschaften
  • 7. Eine Zwischenbilanz
  • Teil II: Praktische Freiheit
  • 8. Freiheit und Verantwortung in Recht und Moral
  • 9. Wissenschaftler sind auch nur Menschen
  • 10. Allzumenschliche Neurofehlschlüsse
  • 11. Psychologie: Was wir positiv über Freiheit aussagen können
  • Epilog und Dank
  • Anhang A: Max Plancks Originalaufsatz aus dem Jahr 1939: Vom Wesen der Willensfreiheit
  • Anhang B: Anregungen zum Weiterdenken und für den Unterricht

Literatur

  • Andreasen, N. C. (1984). The Broken Brain: The biological revolution in psychiatry. New York: Harper & Row.
  • Botvinik-Nezer, R., Holzmeister, F., Camerer, C. F., Dreber, A., Huber, J., Johannesson, M., … & Rieck, J. R. (2020). Variability in the analysis of a single neuroimaging dataset by many teams. Nature, 582, 84-88.
  • Dominik, T., Mele, A., Schurger, A., & Maoz, U. (2023). Libet’s legacy: A primer to the neuroscience of volition. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 105503.
  • Fuchs, T. (2023). Psychiatrie als Beziehungsmedizin: Ein ökologisches Paradigma. Stuttgart: Kohlhammer Verlag.
  • Hyrtl, J. (1864/1897). Die Materialistische Weltanschauung unserer Zeit. Wien: Braumüller.
  • Kotchoubey, B., Tretter, F., Braun, H. A., Buchheim, T., Draguhn, A., Fuchs, T., … & Tschacher, W. (2016). Methodological problems on the way to integrative human neuroscience. Frontiers in Integrative Neuroscience, 10, 41.
  • Libet, B. (2004). Mind Time: The temporal factor in consciousness. Cambridge, MA: Harvard University Press.
  • Libet, B., Gleason, C. A., Wright, E. W., & Pearl, D. K. (1983). Time of conscious intention to act in relation to onset of cerebral activity (readiness-potential). The unconscious initiation of a freely voluntary act. Brain, 106, 623–642.
  • Maoz, U., & Sinnott-Armstrong, W. (Eds.) (2022). Free Will: Philosophers and neuroscientists in conversation. Oxford: Oxford University Press.
  • Moncrieff, J., Cooper, R. E., Stockmann, T., Amendola, S., Hengartner, M. P., & Horowitz, M. A. (2023). The serotonin theory of depression: a systematic umbrella review of the evidence. Molecular Psychiatry, 28, 3243-3256.
  • Morse, S. J. (2007). The non‐problem of free will in forensic psychiatry and psychology. Behavioral Sciences & the Law, 25, 203-220.
  • Mudrik, L., Arie, I. G., Amir, Y., Shir, Y., Hieronymi, P., Maoz, U., … & Roskies, A. (2022). Free will without consciousness? Trends in Cognitive Sciences, 26, 555-566.
  • Nadra, J. G., & Mangun, G. R. (2023). Placing willed attention in context: a review of attention and free will. Frontiers in Cognition, 2, 1205618.
  • Newen, A., De Bruin, L., & Gallagher, S. (Eds.) (2018). The Oxford Handbook of 4E Cognition. Oxford: Oxford University Press.
  • Nichelli, P. F., & Grafman, J. (2023). The Place of Free Will: The freedom of the prisoner. Neurological Sciences, 1-11.
  • Schleim, S. (2011). Die Neurogesellschaft: Wie die Hirnforschung Recht und Moral herausfordert. Hannover: Heise.
  • Schleim, S. (2012). Brains in context in the neurolaw debate: The examples of free will and “dangerous” brains. International Journal of Law and Psychiatry, 35, 104-111.
  • Schleim, S. (2020). Real neurolaw in the Netherlands: The role of the developing brain in the new adolescent criminal law. Frontiers in Psychology, 11, 1762.
  • Schleim, S. (2021). Gehirn, Psyche und Gesellschaft: Schlaglichter aus den Wissenschaften vom Menschen. Berlin: Springer.
  • Schleim, S. (2022). Why mental disorders are brain disorders. And why they are not: ADHD and the challenges of heterogeneity and reification. Frontiers in Psychiatry, 13, 943049.
  • Schleim, S. (2023). Mental Health and Enhancement: Substance use and its social implications. Cham: Palgrave Macmillan.
  • Turkheimer, E. (1998). Heritability and biological explanation. Psychological Review, 105, 782.

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213 Kommentare

  1. …Indem er die Kreise der Interaktion mit seiner natürlichen und sozialen Umwelt bewusst wählt und durchläuft, formt er auch sich selbst.”

    Die Möglichkeit der Wahl sind doch sehr eingeschränkt. Solange man von den Eltern abhängig ist, sind sie eher gering. Kindergarten, Schule, Wohnumfeld, Religion, Bezugspersonen sind vorgegeben. Irgendwann ist man erwachsen mit einer Prägung, die einem nicht immer bewußt ist. Das alles oder in Teilen abzuschütteln ist nicht einfach. Wenn überhaupt der Wunsch dazu entsteht.

  2. @Uwe: Veränderung beginnt im Denken

    Indem man so festgefahren denkt, macht man eine Veränderung wahrscheinlich eher nicht möglich.

    Haben Sie schon einmal von der Protestphase der Pubertät gehört? Manche passen sich langfristig wieder an. Andere gehen weiter eigene Wege.

    Dass Ihr Denken nicht stimmt sieht man schon daran, dass nicht alle Kinder von Ärzten Ärzte werden, nicht alle Kinder von Rechtsanwälten Anwälte, nicht alle Kinder von Christen Christen usw. usf.

    Eigene Wege zu gehen ist nicht immer leicht. Aber es ist immer möglich.

  3. Zitat: Körper und Umwelt beeinflussen und formen einander in einer endlosen, spiralförmigen Bewegung.

    Man sollte sagen: Körper (inkl. der Umwelt) und “Geist“ (Mentalität, Psyche, “Denke“, Bewusstsein) – mind – beeinflussen einander (gegenseitige Bedingung; Komplementarität). Oder: It is your mind that creates your world. Wobei der mind natürlich (meint: Von Natur aus) wiederum von der world beeinflusst wird. Wir haben aber Willens-/Entscheidungsfreiheit. Es ist jedoch nicht leicht sich von den natürlichen (!) Standardeinflüssen/-“gesetzen“ zu lösen. Statt spiralförmig könnte man auch kreisläufig [in sich wiederholenden Prozessen (trotz fortschreitender Evolution)] sagen.

    Zitat: Langjährigen Hoffnungen zum Trotz konnten auch die Neurowissenschaften kein “objektives” Fundament für die Psychologie liefern.

    Stimmt. Wiederum aber: Das “Fundament“ der Mentalität (aus dem sie hervorgegangen ist) ist die Welt.

    Zitat: Vielmehr beruht sie [die Rationalität] auf der Annahme, dass wir in der Regel wissen, was erlaubt oder verboten ist.

    Stimmt. Das steht ja in den (durchaus notwendigen) Gesetzen. Es gibt aber (wichtige) Dinge, die nicht in den Gesetzen angesprochen werden. Oder (Zitat): Vielmehr entstehen unsere Entscheidungen in einem dynamischen Wechselspiel von Organismus und Umgebung, Individuum und Gesellschaft. Kurz gesagt sind sie desto freier, je bewusster wir sie treffen. Stimmt. Das Bewusstsein/Wissen muss/sollte aber das Richtige sein. Und darüber was “wirklich“ richtig ist bestehen (naturgemäß) unterschiedliche (“relative“) Ansichten (unterschiedliche geografische und mentale Standpunkte).

  4. @Krüger: Körper & “Geist”

    Man sollte sagen: Körper (inkl. der Umwelt) und “Geist“ (Mentalität, Psyche, “Denke“, Bewusstsein) – mind – beeinflussen einander (gegenseitige Bedingung; Komplementarität).

    Ich will die beiden Zusammenführen bzw. ihre Trennung rückgängig machen (im Sinne von Körper ist Geist) – und Sie ziehen sie jetzt wieder auseinander?

    Die Spirale trägt der Tatsache Rechnung, dass man sozusagen nie zweimal in denselben Fluss steigen kann. Auch wenn sich etwas wiederholt, ist a) man selbst nicht mehr genau derselbe und b) die Welt auch nicht.

  5. Krüger: Freiheit

    Es ist jedoch nicht leicht sich von den natürlichen (!) Standardeinflüssen/-“gesetzen“ zu lösen.

    Was ist damit jetzt gemeint? Man kann natürlich nicht einfach so z.B. die Schwerkraft wegdefinieren; ihr kann man höchstens “ein Schnippchen schlagen” – z.B. mit einem Flugzeug.

    Wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Mit Gewohnheiten kann man aber brechen. Was uns dabei im Weg steht, sind wir meistens selbst.

  6. @Krüger: Gesetz & Moral

    Dass man einander die Hand gibt oder sogar in der Sommerhitze nicht (halb-) nackt herumläuft, steht auch in keinem Gesetz; trotzdem verhalten sich die allermeisten Menschen in den allermeisten Situationen so.

    Dass nicht alle Verhaltensregeln gesetzliche Regeln sind, ändert nichts an der Tatsache, dass wir alle – um die relevanten strafrechtlichen Begriffe zu bemühen – meist Einsichts- und Steuerungsfähig sind: Das heißt, wir verstehen i.d.R. Normen und können uns i.d.R. im Einklang mit ihnen verhalten.

  7. @ Stephan Schleim

    alle Kinder von Ärzten Ärzte werden, nicht alle Kinder von Rechtsanwälten Anwälte, nicht alle Kinder von Christen Christen

    Habe ich nie behauptet. Ich bin in einer Bergarbeitersiedlung groß geworden. Aus meiner Hauptschulklasse ist niemand Bergarbeiter geworden, aber auch niemand Arzt oder Anwalt. Mit 18 Jahren hatte ich eine Berufsausbildung, mit 20 hatte ich den Wehrdienst, den in meinem Milieu niemand in Frage gestellt hat, hinter mir. Nach ein paar Jahren Berufstätigkeit war mir klar, dass mein Leben in eine Richtung läuft, in die ich nicht hin wollte. Die Menschen, mit denen ich groß geworden bin, waren mir fremd geworden andere kannte ich nicht. Da den eigenen Standort festzustellen und ein neues, realistisches Ziel zu definieren war nicht einfach, ich weiß nicht mal ob mir dies gelungen ist.
    Seines eigenen Glückes Schmied zu sein, ist nur den wenigsten Menschen gegeben. Die meisten Menschen werden auf ein Gleis gesetzt dessen Richtung der Zufall bestimmt hat. An Bahnhöfen kann der Zug gewechselt werden, wenn er dort lange genug hält. Ob der neue Zug zum richtigen Bahnhof fährt, weiß man erst wenn man angekommen ist. Ein paar Stationen vorher auszusteigen wäre vielleicht besser gewesen.

  8. Der Rahmen in dem wir uns bewegen, den nennt man Kultur.
    “Zu Kultur zählt eigentlich alles, was vom Menschen geschaffen oder gestaltet wurde. Auch die Art und Weise, wie das Zusammenleben der Menschen gestaltet ist, gehört dazu. Als Kulturgüter bezeichnet man nicht nur „Dinge“, Kulturgüter können auch immateriell sein, z.B. Feste, Bräuche, Handwerkstechniken.

    Damit ist die Naturwissenschaft nicht die Kerndisziplin vom Menschen. Die Naturwissenschaft sorgt dafür , dass wir ein Auto haben. Wohin wir damit fahren, dass ist dann nicht mehr von der Naturwissenschaft abhängig, sondern von unserem Willen.

    So ist auch unser Lebensweg nicht von der Naturwissenschaft zwangsläufig dominiert, in erster Linie ist es der Mensch selbst mit seinem Willen, der die Richtung bestimmt. (so sollte es sein)

  9. @Uwe: Lebenswege

    Das liest sich sehr schön, beinahe literarisch, wenn nicht gar poetisch.

    Ich werde hier sicher nicht das Hohelied des Neoliberalismusjeder seines Glückes (und damit auch seines Peches) Schmid – singen; ich war übrigens selbst in der “Familie”, besser: dem Zustand, in dem ich aufwuchs, der Erste mit Abitur usw. usf.

    Klar, nicht jede(r) kann/wird Bundespräsident werden. Es ging hier aber darum, dass Änderung – und in diesem Sinne: Freiheit – möglich ist.

    Man kann z.B. einfach mit etwas aufhören, etwas nicht (mehr) tun; in ihrem Bild: aus dem Zug aussteigen. Das wird einem natürlich nicht leicht gemacht – und der Zug fährt von selbst weiter und weiter.

    Was man erst einmal braucht, das sind Zeit und Selbstreflexion. Das üben wir z.B. im Yoga/in der Meditationsstunde. Tipp: steht so in Kapitel 11.

  10. P.S. Uwe: Standort

    Da den eigenen Standort festzustellen und ein neues, realistisches Ziel zu definieren war nicht einfach, ich weiß nicht mal ob mir dies gelungen ist.

    Was ist denn Ihr Standort? Oder besser: Ihr Zielbahnhof?

  11. @Neumann: Natur vs. Kultur

    Das Beispiel mit dem Auto finde ich gut, doch würde ich eher von Technik reden: Die Technologie erlaubt uns, mit dem Auto zu fahren; wohin die Reise geht, bestimmt aber “die Psyche”. (Ähnlich verwende ich manchmal die Atombombe: ermöglicht durch Physik, doch der Knopfdruck für ihren Einsatz ist ein psychischer Vorgang.)

    Aber ich halte die Trennung von Natur und Kultur für nicht so hilfreich. Mitunter sagt man, dem Menschen sei die Kultur zur zweiten Natur geworden. Da ist ‘was dran.

    Dementsprechend behaupte ich ja auch, es möge irgendwann einmal eine naturwissenschaftliche Erklärung von Bewusstsein geben; doch es wird eine andere Naturwissenschaft sein müssen.

  12. @ Stephan Schleim

    Ihr Zielbahnhof?

    Der Tod. Den möchte ich mit einem Minimum an Unangenehmlichkeiten erreichen. Ich fahre gerne Fahrrad. Bei einer Fahrradtour tot vom Rad zu fallen, ist meine Idealvorstellung vom Sterben.
    Wenn sich vorher noch die eine oder andere Angenehmlichkeit bietet, werde ich ihr nicht aus dem Wege gehen. Darüberhinaus hab ich keine Ziele mehr.

  13. @ hauptschüler

    Meine Leseempfehlung mit der Einführung in Kapitel 11.

    Sie werden erkennen, dass die Meisten, auch die vielen (Spitzen-)Akademiker ‘eingefahren’ sind
    Ihr Gleis nie verlassen haben.

  14. @Uwe: Ziele

    Das muss doch möglich sein, Sie Glücklicher! Mir geht es ähnlich, doch vielleicht eher mit Tanz. Und noch ein paar soziale Dinge. Für die braucht man aber mindestens zwei.

    Nur wenn Sie möchten: Hätten Sie auch gerne einen anderen Zielbahnhof angesteuert, wenn Sie an einer früheren Haltestelle ausgestiegen wären?

  15. @ Neumann

    Da ist ein Kategorienfehler in Ihrer Argumentation:

    “Zur Kultur gehört alles,was vom Menschen geschaffen und gestaltet wurde”

    Warum spalten Sie dann mit “Naturwissenschaft sorgt dafür,dass wir ein Auto haben” ab?

    Das ist dann auch noch unlogisch!

  16. Mussi,
    der Widerspruch ist nur in der ungenauen Aussage zu suchen. Soviel Intelligenz sollten sie dem Schreiber schon zutrauen, dass mit dem alleskeine technischen Dinge gemeint waren. Übrigens, die Aussage war abkopiert.
    Die englischsprachige Welt benützt den Begriff “Zivilisation” anstelle von Kultur und der beinhaltet die Technik.

  17. @ Neumann – Ergänzung

    …wenn Mensch Teil der Natur ist…

    Das ist doch völlig …widersinnig!

  18. @Mussi: Streiten wir uns hier nicht endlos um Begriffe. Eine Naturwissenschaft, die auch die Kultur erklärt, schließe ich nicht prinzipiell aus; sie wird aber eine andere Naturwissenschaft sein müssen. Das ist, was ich (seit Jahren) sage.

    (Und auch nach heutigem Sprachgebrauch gibt es keinen Widerspruch, wenn man z.B. Technologie als Anwendung naturwissenschaftlichen Wissens begreift.)

  19. @ Stephan Schleim

    Hätten Sie auch gerne einen anderen Zielbahnhof angesteuert

    Sicherlich. Als ich jung war, hatte ich auch Träume. Die sind peu a peu den Bach runtergegangen. Für meine Träume zu kämpfen oder zu arbeiten war ich nie in der Lage. Also habe ich mich mit dem einfach Machbaren zufrieden gegeben. Den letzten Bahnhof hat bisher jeder erreicht. Ich werde es auch irgendwie schaffen. Am liebsten wäre es mir, erst gar nicht aufs Gleis gesetzt worden gewesen zu sein.

  20. Leute, Wille ist nur Strom. Strom ist Energie, von Natur aus auf ewiger Flucht: Sie will verändern, den Zustand wechseln, nur weg hier, Stillstand erzeugt die Singularität, die wir Schmerz nennen. Und das wär’s dann, genauer wird’s nicht.

    Dieser Wille fließt dann durch eine Maschine aus Materie. Und die Bauweise und Programmierung dieser Maschine konkretisieren den Willen. Ich will die Welt verändern, indem ich ein Brötchen esse. Indem ich schlafe. Indem ich Texte ins Internet schreibe. Indem ich jeden Tag das Gleiche tue, damit eine sich ewig verändernde Welt korrigiert wird und ewig gleich bleibt. Stillstand heißt Schmerz, dann Tod, indem man Wege, Sackgassen, Schleusen und Henker geschickt anordnet, werden die Säue durchs Dorf getrieben, sowohl im echten Leben, wie auch die in Ihrem Kopf.

    Wenn die Maschine putt geht, entsteht Chaos – die Bruchstücke wirbeln durcheinander und kombinieren sich neu, daraus kann dann – im eingeschränkten, von den Naturgesetzen vorgegebenen Rahmen – völlig Neues entstehen. Es ist ein völlig unbestimmter Zustand, in dem alles möglich ist. Den Rausch der Raserei, wenn etwas Neues entsteht, nennen wir Freiheit. Winzige Döschen von Zuckerbrot und Peitsche lenken uns durchs Leben. Unzählige Momente vo Schmerz und Befreiung.

    Die Christen haben Prometheus in zwei Lichtbringer gespalten – den freien Luzifer, die ungebundene Energie, die alles rücksichtslos verschlingt und verändert, den Herrn des Chaos. Und Jesus, die Energie, die gebändigt und gebündelt ist, um den Menschen zu dienen. Der Weltenbrand und die Fackel. Atombombe und Atomreaktor. Ihre Willensfreiheit erfordert Ingenieurskunst, der Strom muss fließen, doch Sie nicht töten, Neues schaffen, doch vom Alten erhalten, was wichtig ist, um die Maschine zu stabilisieren. Die, die Sie sind, und die, in der Sie leben.

    Am Ende haben Sie es mit unlösbaren Widersprüchen zu tun – der Mensch sehnt sich nach Freiheit der Energie, Sicherheit der Materie, der Ruhe des Nichts. Und kann all das nur erreichen, indem er alle drei Faktoren in Balance hält, um das gemeinsame Zentrum kreist, sodass er mal einem, mal dem anderen Wunsch nachgibt, aber nie ins Extrem verfällt. So navigieren wir durch Raum und Zeit, wie alle anderen Teilchen-Wellen auch.

    Der freie Wille peitscht die Sklaven, auch die in Ihrem Kopf. Wenn Sie an einer Kreuzung stehen, entscheidet die Kreuzung, wie frei Sie sind, aber das Chaos, der unbestimmte Zustand, bei dem alles herauskommen kann, trifft die Entscheidung. Treffen Sie die falsche, kratzen Sie ab, und so werden nach und nach alle aus dem Genpool aussortiert, deren Köpfe diesen Weg wählen konnten. Und so rennen Sie als willensfreier Sklave dorthin, wo die Physik Sie leitet und machen Evolution. Weil Sie der Sklave Ihres Willens sind, und er will frei sein, und dazu muss er fließen, wohin der Weg ihn auch führt. Sie sind nur eine Handpuppe, ein Wegwerf-Vehikel, ein spontan zusammengeschraubtes Auto, das Ihren Strom ein Stück seines ewigen Weges in die Unendlichkeit bringt. Sie werden gebaut, verbrannt und ungeduldig auf den Müll geworfen, zwecks Recycling.

    Wenn ich Energie wäre, würde ich mir ein anderes Universum wünschen, mit anderen Naturgesetzen. Als würde ich zwischen Mensch-ärgere-dich-nicht, Monopoly und Cluedo wählen. Die Regeln von Fressen-und-gefressen-werden tun zu sehr weh.

  21. @Uwe: Lebenspläne

    Natürlich kenne ich Ihre Situation nicht. Mir ist aber noch keine bessere Weisheit begegnet als die alte, dass man ändern soll, was man ändern kann; den Rest akzeptieren. Natürlich braucht man auch noch etwas Weisheit, zwischen den beiden Dingen zu unterscheiden. Oder man probiert es aus.

    Zugegeben, nicht alle Wünsche kann man in einem Menschenleben nachholen. Wenn man zum Beispiel ein erfülltes Familienleben wollte, doch damit von Anfang an Pech hatte, wird es schwer. Irgendwann ist man vielleicht nicht mehr in der passenden Lebensphase. Aber auch dann kann man sich so einen Wunsch womöglich noch im Kleinen erfüllen (vielleicht, um beim Beispiel zu bleiben, durch eine(n) Partner(in) mit Kindern, Bekannte oder ehrenamtliche Arbeit).

    Ansonsten radeln, radeln, radeln Sie – und wer weiß, wer oder was Ihnen dabei noch begegnet. Tatsächlich ist eine Exfreundin von mir im Frühling/Sommer durch viele europäische Länder über 8.000 km geradelt. Es hat ihr gut getan. Zwei-, dreimal hätte sie dabei sterben können. Es war ihre Entscheidung. Mein Leben ist das nicht.

  22. @ Schleim

    Sie scheinen ernsthaft so weit weg und sind doch so sinnhaft nah dran…

    Ui…Akzeptanz könnte helfen…

  23. Jeder Gedanke ist die kausale Folge der vorherigen Gedanken.
    Um diesen Determinismus nachzuweisen, benötigt man keinen Gehirnscanner.
    Auch wenn man bewusst das Gegenteil macht, ist das die kausale Folge der vorherigen Gedanken.

  24. @Bednarik: Gedanken & Verursachung

    Also ein bisschen könnten Sie auch einmal selbst reflektieren, ob das, was Sie schreiben, so stimmen kann:

    Wenn Ereignisse (z.B. Gedanken) A, B, C hintereinander auftreten, ist das nicht unbedingt eine Ursache-Wirkungs-Beziehung.

    Beispiel: Sie denken bei A an MENSCHEN-BILDER. Bei B läuft Ihnen eine alte Schulkameradin über den Weg. Dass Sie nun an sie denken, ist keine kausale Folge es Gedankens A.

    Noch einmal das Eingangszitat:

    “Durch seine Entscheidungen, Handlungen und durch die Wahl eines bestimmten Umfelds gestaltet der Mensch seine eigene Entwicklung. Indem er die Kreise der Interaktion mit seiner natürlichen und sozialen Umwelt bewusst wählt und durchläuft, formt er auch sich selbst.” (Thomas Fuchs, 2023, S. 104-105)

  25. Mussi,
    Kategorienfehler
    Wenn man davon ausgeht, dass es Wunder gibt, dass es Gott gibt, dass es eine menschliche Würde gibt, dann passen die nicht zur Naturwissenschaft, auch nicht ganz zu den Geisteswissenschaften.
    Auch der freie Wille passt nur zum Teil da hinein, denn der freie Wille enthält das Wort “frei”. Und wenn man das wörtlich nimmt, dann gehört er eben schon per Definition nicht dazu.
    Der freie Wille ist religiöser Natur. Er bestimmt, wie dein Leben nach dem Tode aussieht.Und wenn Karl Bednarik hier durch die Hintertür jeden Gedanken durch das Wort “kausal” knechten will, es bleibt dabei, der Gedanke ist frei.

  26. “Durch seine Entscheidungen, Handlungen und durch die Wahl eines bestimmten Umfelds gestaltet der Mensch seine eigene Entwicklung. Indem er die Kreise der Interaktion mit seiner natürlichen und sozialen Umwelt bewusst wählt und durchläuft, formt er auch sich selbst.” (Thomas Fuchs, 2023, S. 104-105)

    Bei dieser Feststellung fehlt die “Timeline”, es ist ja nicht von Anfang an so.
    Ein Kind “entscheidet” sich nicht für seine Eltern, es kommt – irgendwie – mit der Abhängigkeit klar, in die es hineingeboren wird, es reagiert.

    Und später ist es (sie/er) nicht nur in einer Sender/Empfänger Rolle den anderen gegenüber, es sendet, bzw. empfängt auch Signale, die sich auf seine eigene, frühere Prägung beziehen. (Bzw. es interpretiert, also deutet die empfangenen Signale entsprechend seiner Prägung.)

    Erstmal – zumindest theoretisch haben wir aber auch die Möglichkeit, diese “Signale” zu dekodieren und sie auf eine “andere”, objektivere Realität zu beziehen.
    Wir lernen im Laufe der Zeit nicht nur “die Welt” kennen, sondern auch uns selbst.
    Meiner unbescheidenen Meinung nach liegt da das Freiheits-Potential unseres Willens: in dieser Annäherung an “die Realität”, in der Möglichkeit, zu objektivieren.

    Zuerst, als Kinder, lernen wir, uns zu “beherrschen”, unseren Körper, die Sprache, die Kulturtechniken, “Benehmen”.
    Dann lernen wir, zumindest die Freieren unter uns, zu zweifeln, unsere Logik zu gebrauchen und uns vom schnöden “Glauben” zu emanzipieren – und dann können wir, wenn wir ganz viel Glück, bzw. “Freiheit” in uns haben, lernen, zu lieben: uns erwachsen damit auseinander zu setzen, dass es nicht um “Gut oder Böse” geht, sondern um eine Feinabstimmung.
    —————–
    “Determination” – Determiniert ist: “if you fokus on the pain, you will suffer; if you fokus on the lesson, you will grow.”

  27. Hallo Herr Schleim.
    Dass ich an die Schulkameradin denke, das ist aber eine
    kausale Folge von Erkennungs- und Erinnerungs-Vorgängen.
    Die Menschen-Bilder wurden durch den Erkennungs-Vorgang
    verdrängt, weil die neue Information interessanter ist.
    Daran sind auch Bewertung und Zielsetzungen beteiligt.
    Mit “kausale Folge” ist nicht eine lineare zeitliche Reihenfolge
    gemeint, sondern die kausale Wechselwirkungen vieler Gedanken.

  28. @Viktualia: Prägung

    Unsere Prägung ist natürlich – prägend.

    Aber ich erinnere noch einmal an meine Antwort @Uwe, dass Kinder auch oft andere/eigene Wege gehen.

    Wenn das aus einer “Anti-Haltung” heraus entsteht, kann man sich natürlich fragen, inwiefern das wirklich Freiheit im philosophischen Sinn ist.

  29. @Neumann // 19.12.2023, 09:00 Uhr

    » Der freie Wille ist religiöser Natur. «

    Ja, könnte man so sagen. Denn ohne die Freiheit der Menschen, sich “frei” für das Gute oder Böse entscheiden zu können, läge ja alles in Gottes allmächtiger Hand. Was definitiv schlecht für die Schuldfrage wäre.

  30. @Stephan Schleim – “Wenn das aus einer “Anti-Haltung” heraus entsteht, kann man sich natürlich fragen, inwiefern das wirklich Freiheit im philosophischen Sinn ist.”
    Da muss ich an die Bauspar-Werbung denken: “Wenn ich groß bin, werd ich Spießer”. https://www.youtube.com/watch?v=2pcE9nLqE2Y

    Nee, ich wollte eigentlich wirklich nur auf die Timeline hinaus, nicht auf eine Wertung, welches mind-set besser sei, das Alte oder das Neue.
    Meiner Ansicht nach liegt die “Freiheit” darin, im besten Falle sowohl den Lebensentwurf der Eltern als auch den eigenen reflektieren zu wollen, rsp. zu können. Und im Idealfall kann man dann
    die Kreise der Interaktion mit seiner natürlichen und sozialen Umwelt bewusst wählen und sich selbst formen.”

    Aber es ist, in meinen Augen, ein Vorgang und nicht etwas, das automatisch geschieht.
    Sich für “Gut oder Böse” entscheiden zu wollen ist Unsinn, dafür ist die Realität zu komplex.
    Ich kann mich “nur” für oder gegen Reflexion entscheiden – und das formt mein “Schicksal”, bestimmt dann mein Leben.

    Und die Tatsache, dass wir aus den Begegnungen mit anderen lernen – und nicht nur Bestätigung generieren – können, erscheint mir dabei besonders wichtig.

  31. @Balanus: Willensfreiheit, mal theologisch

    Tja, hättest du das Buch gelesen (Kapitel 2), dann wüsstest du, dass sich an dieser Streitfrage beinahe ein Bürgerkrieg entzündet hätte.

  32. @Viktualia: Entscheidungen

    Gut und Böse sind meiner Meinung nach menschliche Konstrukte.

    Ich kann mich “nur” für oder gegen Reflexion entscheiden – und das formt mein “Schicksal”, bestimmt dann mein Leben.

    Damit fängt es auch meiner Meinung nach an, ja.

    Interessant hierfür sind z.B. Beispiele aus dem Militär, dass Soldaten (ich denke an: früher in de DDR, heute in Israel) so einen vollen Stundenplan haben, dass keine Zeit zur Reflexion bleibt; und wenn der Plan abgearbeitet ist, fällt man ermüdet in den Schlaf. Next day: repeat.

  33. Mussi,
    jeder Mensch lebt sein eignes Leben. Und er “erlebt” sein eigenes Leben verschieden.
    Und so wie der eine eine Sahnetorte einer Rindsroulade vorzieht, so sieht ein anderer seine Umwelt ganz nüchtern ohne Wunder und der , der mit der Sahnetorte, der ist entzückt von dem Regenbogen, der lauscht dem Prasseln des Regens, der ihn zu einem Song inspiriert.
    Und Nu `?

  34. @Stephan Schleim: Militär/keine Zeit für Reflexion

    Das geht/ging doch schon bei der Grundausbildung los, dass die jungen Soldaten so mit Stress konfrontiert werden, dass ihre “Prägungsempfindlichkeit” erhöht wird; also die Wahrscheinlichkeit, dass die neu gelernte Verhaltensweise ganz, ganz tief in die Struktur der Person eingebettet werden kann – weil sie selber nichts dagegen zu setzen hat.

    “Teile und herrsche” funktioniert auch bei Einzelpersonen, die man “von sich selbst” entfernt.

    Gut und Böse sind meiner Meinung nach menschliche Konstrukte.
    Ja, dem stimme ich natürlich zu. Aber dennoch ist es wichtig, erkennen zu können, ob etwas “richtig oder falsch” (in seinem jeweiligen Kontext) ist.
    Dass da mAn. “zu viel oder zu wenig” (bzw. “passt”) völlig ausreichen würde, habe ich wahrscheinlich schon ein paarmal geschrieben.

    Was ich oben meinte war eher dass manche ihre Intention als Garantie für das, was dabei herauskommen möge nehmen, obwohl es höchstens zu einem “gut gemeint” reicht.
    Also nicht nur das Konstrukt Gut/Böse, sondern dessen Nutzen als Freifahrschein dafür, nur den Gedanken/die Intention, nicht aber die reale Auswirkung der Handlung reflektieren zu müssen.
    (Frei nach Hannah Arendt: “Niemand hat das Recht zu gehorchen”.)

  35. @Viktualia 19.12. 12:25

    „Ich kann mich “nur” für oder gegen Reflexion entscheiden – und das formt mein “Schicksal”, bestimmt dann mein Leben.“

    Was jetzt erst einmal grundlegend ist. Ohne dem kann das nichts werden.

    „Sich für “Gut oder Böse” entscheiden zu wollen ist Unsinn, dafür ist die Realität zu komplex.“

    Hier kann man allerdings auch durchaus den eigenen Horizont entdecken. Je nachdem, wie man den wirklich heranzieht. Was dann neben einem möglichen Gemeinsinn auch eine ganz andere persönliche Lebensperspektive einschließen kann.

    Wenn ich einen kosmischen Horizont realisiere, dann wird auch mein Mikrokosmos größer. Und wenn ich einen planetaren Horizont entwickle, dann kann ich auch z.B. verantwortlich mit meinen Beiträgen zur Energiewende umgehen.

    Gut und Böse in diesem Sinn, als Ziel eigenen Handelns und als Teilhabe an Größerem kann dann schon definierbar werden. Nicht in jeder Beziehung, aber es gibt da durchaus Möglichkeiten.

  36. @Tobias Jeckenburger – “Horizont”
    Sorry, da muss ich erstmal etwas unsachlich bemerken: “Manche Leute haben einen Horizont mit dem Radius Null – und nennen das dann ihren Standpunkt”.

    Nee, das mit Gut und Böse, dann meist noch im Kontext eines Entweder/Oder – ist eigentlich eher der Anfang vom Ende. Wie gesagt, zu viel, bzw. zu wenig und “passt” finde ich da um Längen objektiver.
    Gut/Böse sind, imA. zu sehr in der Tradition des Glaubens (an eine höhere Macht, die es schon regeln wird) verhaftet; kleben förmlich am (Selbst)Bestätigungskreislauf.

    (Und hey, “böse” als Ziel des eigenen Handelns? Oder der Teilhabe an Größerem? Krieg ich grad nicht in mein System rein, wer reflektiert sich denn so? So urteilt man, meiner Erfahrung nach, eher über andere…)
    Was mir da vorschwebt (bezüglich des freien Willens) ist eher eine andere Art der Fehlerkultur – und da ist es von existentieller Wichtigkeit, den bösen/dummen Fehler als Lernchance betrachten zu können. Eine Vorstufe des Richtigen und kein Gegenpart, wie bei Gut und Böse.

    Wenn ich einen kosmischen Horizont realisiere, dann wird auch mein Mikrokosmos größer. Und wenn ich einen planetaren Horizont entwickle, dann kann ich auch z.B. verantwortlich mit meinen Beiträgen zur Energiewende umgehen.
    Dem stimme ich zu.
    Aber ich schätze, das funktioniert nur, wenn man sich auch als “Teil von” empfindet und die Selbstwahrnehmung nicht allzu sehr darauf geeicht ist, dass “die bösen Kinder” nicht dazugehören können.
    Sonst geht es doch wieder nur darum, Recht zu haben und nicht darum, “das Richtige” zu tun.

    (Das Gut, bzw. Böse nicht definierbar seien, hab ich nie gesagt.
    Nur, dass die Realität zu komplex sei um neben der Handlungsgrundlage damit auch noch das Ergebnis einer Handlung bestimmen zu können.)

  37. Für mich war Willensfreiheit und rationales Handeln völlig selbstverständlich.

    Nachdenklich wurde ich erstmals, als eine junge Frau aus meiner ehemaligen Umgebung nach ihrer Scheidungsverhandlung von ihren Geschwistern verlangt hat, sollte sie jemals wieder auch nur „geringste Gedanken“ im Zusammenhang mit einer „Heirat“ äußern, sie sofort in eine „Zwangsjacke“ zu stecken und in ein „Narrenhaus“ einzuliefern. Das war echt drastisch.

    In meiner ehemaligen 68er WG mit Psychologiestudenten (aus dem deutschen Sprachraum) die hauptsächlich ihr Praktikum in einer repräsentativen sozialpsychiatrischen Einrichtung ableisteten, bekam ich einen tieferen Einblick.
    Es gibt, den „Normalos“ verborgene „Motivationen“, die das „unterbewusste“ Denken und Handeln bestimmen. Die sind den Psychologen teilweise bekannt.

    Zitat: „Inzwischen hat sich die Neurowissenschaft der Volition als eigener Forschungszweig etabliert. Neuere Überblicksarbeiten zeigen auf, dass noch viele Fragen offen sind. Beispielsweise seien mehr als zwei Dutzend Hirnregionen an unseren Willensentscheidungen beteiligt, müsse man sich unsere Absichten eher als zeitlich ausgedehnte Prozesse vorstellen, nicht wie in vielen Experimenten üblich als punktuelle Ereignisse, und sollten die Forscher realistischere Szenarien untersuchen, die näher an unserem Alltag sind“

    Psychologiestudenten kamen damals schon der Sichtweise im Zitat sehr nahe. Jedoch vermuteten sie, dass „Fehler“ (ungewöhnlich erscheinende Ergebnisse) auf noch zu wenig allgemein bekannte informell – physikalische Ursachen in der neuronalen Verarbeitung beruhen könnten.

    Erkenntnisse (auch) aus der KI vorweggenommen: Das Problem bei der „Musterverarbeitung“ hat 2 grundsätzliche „systemische“ Ursachen. Als 3. Möglichkeit „Hardwarefehler“.
    1. „Muster“ müssen nicht absolut übereinstimmen. Es gibt oft nur so etwas wie „Ähnlichkeiten“. Diese „Muster“ können z.B. auf abstrakter Ebene exakt (Dualität – Mathematik), oder allenfalls „annähernd“ oder „kreativ übereinstimmen“, oder eben überhaupt nicht übereinstimmen. Dann kommt Blödsinn heraus.

    2. Die „logischen Verknüpfungen“ (in den Neuronengatter McCulloch) entsprechen nicht der strengen „Boolschen Algebra“ sondern nur, grob gesagt „ungefähr“ den „logischen UND“ Verknüpfungen. „Qualifiziert viele“ korrekte Verknüpfungen sollten es jeweils sein.

    3. „Technische Störungen“ entsprechen „psychische Störungen“, die durch „defekte“ Neuronen, Synapsen oder bestimmte Prozesssteuerungen, letztlich so etwas wie „Hardwarefehler“, verursacht werden. Sie sind in der Technik relativ leicht messbar, aber nicht bei neuronalen Systemen. MRT Methoden haben zu wenig Auflösung, das neuronale Netz ist für Elektroden zu wenig „zugänglich“.

    C. v. d. Malsburg und W. Singer haben aus neurologischer Sicht mit ihrem „Assembly Konzept“ erforscht, wie die vielen „Hirnregionen“ die an unseren Willensentscheidungen beteiligt sind, geeignet mittels „zeitlicher Bindungen“ zusammenarbeiten.

    Die mathematischen Grundlagen werden hier erklärt.

    Ich hatte bei meinem Einstiegsjob (als Elektroniker) um 1967 mit so etwas wie einem elektronischen „Assembly Konzept“ zu tun, dass in der Technik damals völlig etabliert war, aber Neurologen scheint es auch noch heutzutage eher „mysteriös“.

    Allerdings war dieses Konzept in der Technik zu wenig flexibel, weil das Konzept der „synaptischen Verknüpfungen“ (E.Kandel) zwar für die Neurologie ideal scheint, aber technisch nicht sinnvoll zu realisieren war. Das Konzept wurde in der Technik bald darauf durch das v. Neumann Konzept höchst erfolgreich abgelöst.

  38. Mir ist beim Lesen in Texten populärwissenschaftlicher Zeitschriften aufgefallen, dass die Neuronen im Zusammenwirken mit den Synapsen gewisse Ähnlichkeiten mit Gatterfunktionen der Elektronik besitzen und W. McCulloch, A. Turing und E. Kandel (Synapsen) sich intensiv damit beschäftigt haben.

    Um „Gatterfunktionen“ (für eine Prozesssteuerung) zu realisieren, sind in der Technik im Prinzip „Transistoren“, Entkoppelungsdioden und Lötpunkte zur Verknüpfung der Gatter erforderlich. Das Neuron entspricht ungefähr einem Transistor mit einem Ausgang (Axon) und mehreren Eingängen (Dendriten). Die Synapse einer Diode und einen „passenden“ Lötpunkt. Das ist stark vereinfachtes Technikerwissen.

    Von W. Singer sind mir Texte „untergekommen“ die seine Neurologenkollegen eher etwas kritisch sehen, mich aber „begeistert“ haben. Es geht um seine Sicht des „Bindungsproblems“ und die Steuerung von „Assemblies“, wie er funktional besonders „zusammengehörige und zusammenarbeitende“ Neuronenverbände bezeichnet.

    Dieses Konzept hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem in der Elektronik zuletzt verwendeten Konzept, bevor das „Prozessorkonzept“ gemäß der „von Neumann Architektur“ den „Siegeszug“ antrat. Diese „neue“ Architektur ist praktisch nicht mehr mit neuronalen Systemen vergleichbar.

    Bei meinem Einstiegsjob als ehemaliger Elektroniker war meine erste Aufgabe (um 1967), eine gelegentlich auftretende „Verrücktheit“ einer noch in Entwicklung befindlichen komplexeren elektronischen Steuerung zu beheben. Da gab es noch Ähnlichkeiten mit dem Assembly Konzept von W. Singer und C.v. d. Malsburg.

    Die Systemdesigner hatten herausgefunden, dass die Probleme daran lagen, dass die elektrische „Betriebsspannung“ in bestimmten, sehr kleinen „Zeitschlitzen“ und an bestimmten Orten „zusammengebrochen“ ist und deshalb die partiellen Probleme auftraten, die sich im ganzen System massiv und eigentlich auch absurd (wie manche psychische Erkrankungen) ausgewirkt haben.

    Man musste, heute würde man sagen die „Tasksteuerung“, etwas umorganisieren um für eine „gleichmäßigere“ Energiezufuhr zu den Komponenten zu sorgen. Bestimmte „Assemblies“ mussten streng synchron aktiviert bleiben, andere „Assemblies“ konnten etwas (einige Millisekunden) später aktiviert werden, wann wieder mehr „Energie“ zur Verfügung stand.

    Das „Assembly“ Konzept, wie es W. Singer nennt, dass einerseits „Verarbeitungsschritte“ (z.B. Signalverknüpfungen) zeitlich „nacheinander“ in den „Assemblies“, aber auch „zeit(schlitz)gleich“ in anderen „Assemblies“ an verschiedenen Orten „verteilt ablaufen“ können und auch noch eine strikte „Synchronisation“ erforderlich sein kann, gab es auch schon in der (Gatter) Elektronik. So gesehen drängt sich ein Vergleich mit neuronale Systemen auf…..

    Das Assembly Konzept ist extrem flexibel und skalierbar auf neuronalen „Plattformen“, war aber in diesem Sinne praktisch nicht in der Elektronik zu realisieren. Es wurde von „Software“ gesteuerten Prozessorsystemen abgelöst.

    In der Technik erfolgte die Steuerung der „Ladungsverschiebungen“ (der „Nutzsignale“) über vom Systemtakt abgeleitete „Steuerungsimpulse“, in neuronalen Systemen über die „Gehirnwellen“. Diese „Ladungsverschiebungen“ steuern z.B. Muskel an und generieren die Sprache.

    In meinem ehemaligen Fall war die örtlich und zeitlich (durch „Überlastung“) zu geringe elektrische Spannung in bestimmten „Zeitschlitzen“ das Problem.

    Es geht einerseits um die korrekte „Struktur der Schaltung“ angepasst an die „Problemlage“, andererseits um die korrekte physikalisch/chemische Funktion. Auch in diesem Sinne dürfte die Technik mit neuronalen Systemen vergleichbar sein.

    Diese „Vergleichbarkeit“ von „Mustern“ sollte das Verständnis für neuronale Systeme immer mehr verbessern.

    Das Problem ist, dieses „elektronische Gatterkonzept“ wurde seit ungefähr 1970 kaum mehr weiter entwickelt, außer für besondere Zwecke, z.B. extrem schnelle „Hardware“. Ich bin ein „übrig gebliebenes Fossil“ dieser Zeit.

  39. Eine klassische symmetrische Balkenwaage
    muss völlig frei schwingen können.
    Nur dann wird durch die aufgelegten Gewichte
    determiniert, auf welche Seite sie ausschlagen wird.
    Mit dem freien Willen und der Wichtigkeit
    der Bedürfnisse verhält es sich ähnlich.
    Der freie Wille ist ein notwendiger Teil
    des determinierten Entscheidungsprozesses.
    Die Bedürfnisse stammen aus Vererbung,
    Erziehung, Umwelt, und deren Konsequenzen.
    Alle Gedanken haben kausale Ursachen.

  40. @ Karl Bednarik 20.12.2023, 04:15 Uhr

    Zitat: “Alle Gedanken haben kausale Ursachen.“

    Kann man vermutlich so sehen. Nur haben Sie kaum etwas davon, wenn sie die Kausalität nicht (mehr) wirklich nachvollziehen können.

    Bei „Gedanken“ gibt es von „Normalos“ nachvollziehbare „Kausalitäten“, z.B. dass jemand etwas trinkt wenn er seit 20 Stunden nichts mehr getrunken hat. Von Psychologen nachvollziehbare „Kausalitäten“, warum z.B. jemand immer wieder den „falschen“ Ehepartner wählt, oder eben „Denk System bedingte“ (vage Muster, unzureichend verknüpfende Logik, „Hardwarefehler“) praktisch nicht vorhersehbare Entscheidungen, wobei Kausalitäten nur schwer oder gar nicht erkannt werden können.

    Als „Gedankenexperiment“ (das Sie jederzeit „nachbauen“ könnten) ein elektronischer „Zufallsgenerator“ bestehend aus 2 Zählerschaltungen die mit elektrischen Impulsen von einem Quarzoszillator abgeleitet, gesteuert werden.

    Schwingt der Oszillator sehr langsam, so können sie nach einem „Reset“ und nach einem „Durchlauf“, die „Zufallszahlen“ genau voraussagen. Benutzen Sie aber 2 getrennte, möglichst nicht stabile Oszillatoren, werden die Zufallszahlen immer „zufälliger“, irgendwann können nicht einmal mehr Statistiker nicht „zufällige“ Muster erkennen. Es gibt zwar auch Kausalitäten, nur hat man sie nicht mehr „im Griff“.

    Es ist die Frage (an Physiker), ob es überhaupt Prozesse ohne absolut jegliche Kausalität geben kann?

  41. Karl Bednarik
    “Alle Gedanken haben kausale Ursachen.”

    Sie vergessen die Gedanken von Künstlern, die etwas Neues schaffen.
    Der Mensch ist auch ein irrationales Wesen, dass fähig ist, jede Logik zu durchbrechen.

    Letzte Frage, sind Sie verheiratet ? Das Zusammenleben von Menschen ist nicht immer rational. Denken Sie nur an die gegenwärtigen Kriege.
    Sie vergessen, dass Sie einmal jung waren und damals Entscheidungen getroffen haben die nicht kausal waren.

  42. Elektroniker
    “Es ist die Frage (an Physiker), ob es überhaupt Prozesse ohne absolut jegliche Kausalität geben kann? ”
    Antwort, die Sprache kann nicht für sich in Anspruch nehmen, “Alles” abzudecken.
    Nachtrag. Die Christen subsummieren alles unter “Gott”.
    Sie wollen alles unter “Kausalität” subsummieren.

  43. Aristoteles oder Platon? Spinoza oder Meister Eckhardt? Schopenhauer oder Metzinger? Damasio oder Yalom oder Edelman vielleicht? S. Hawking oder Einstein? Planck ?Oder Zeilinger? Heisenberg? Rovelli ? Vielleicht gar Nagarjuna ? Warum nicht.Die Liste lässt sich beliebig verlängern.

    Bleiben wir einfach bei Schopenhauer’ s ‘Weltknoten’.
    Er wird nicht gelöst werden, auch nicht von ihnen, Herr Schleim.

    Homo sapiens evolvierte nicht mit der Option absoluter Erkenntnisfähigkeit.
    Es ist doch so einfach.
    Ob uns AI unerwartet diesbezüglich übertreffen kann, ist derzeit völlig offen.

    Man kann in altmodische Demut gut damit leben und sterben, dass es nicht auf alles Antworten geben wird.
    Das bedeutet nicht, dass wir aufhören sollten mit unserem Bemühen, zu verstehen.
    Viel Spass dabei weiterhin.

  44. @ Stephan Schleim 19.12.2023, 07:54 Uhr
    @Bednarik: Gedanken & Verursachung

    Zitat: „Wenn Ereignisse (z.B. Gedanken) A, B, C hintereinander auftreten, ist das nicht unbedingt eine Ursache-Wirkungs-Beziehung.

    Beispiel: Sie denken bei A an MENSCHEN-BILDER. Bei B läuft Ihnen eine alte Schulkameradin über den Weg. Dass Sie nun an sie denken, ist keine kausale Folge es Gedankens A.“

    Es ist die Frage ob Herr Bednarik von einer „strikten Linearität“ der Gedanken ausgeht, dann stimmt Ihr Einwand.

    Das Gehirn ist baumartig und vernetzt organisierte. Dass man an B denkt ist keine zwingend kausale Folge des Gedanken A, aber möglicherweise sehr wohl eine Folge von X, einer in der Vergangenheit liegenden „heißen Nacht“.

  45. @Nescio: Danke für die Herausforderung. Meine Innovation besteht darin, erst einmal das Problem anders zu formulieren.

    Wie nahe wir der Lösung kommen, werden wir sehen.

  46. @ Neumann 20.12.2023, 11:16 Uhr

    Zitat: „…. die Sprache kann nicht für sich in Anspruch nehmen, “Alles” abzudecken.
    Nachtrag. Die Christen subsummieren alles unter “Gott”.
    Sie wollen alles unter “Kausalität” subsummieren.“

    Die „Sprache“ wird eben immer erweitert, um neue Sachverhalte formulieren zu können.

    Die Informatiker machen es vor, wie man immer wieder neue z.B. informelle Objekte „deklariert“ um die möglichst widerspruchsfrei verknüpfen zu können um Prozesse zu definieren. (Gilt sinngemäß auch für „reale Objekte“). Was deklariert und gespeichert ist, existiert jedenfalls auch. Es kann allenfalls die „universale Zweckmäßigkeit“ und der „Gültigkeitsbereich“ hinterfragt werden.

    Habe einmal die Pfingstpredigt eines katholischen Bischof gehört und soweit ich es verstanden habe, hat er „Gott“ im o.a. Sinne als eine Art von „transzendentes Objekt“ deklariert, dass eben genau so existiert wie es wirklich ist, letztlich Antworten auf alle Fragen subsummiert. Wir verstehen nicht alles, manches werden wir künftig verstehen, manches niemals.

    Ich möchte bei Prozessen nur möglichst genau die denkbaren Kausalitäten kennen um sie geistig nachvollziehen zu können. Das gelingt eben nicht immer, auch wenn es Kausalitäten geben dürfte.

  47. @Elektroniker 20.12. 10:05

    „Es ist die Frage (an Physiker), ob es überhaupt Prozesse ohne absolut jegliche Kausalität geben kann?“

    Naja, der Quantenzufall soll doch in sich selbst liegen. Mit welchen Ergebnissen jetzt genau die Wellenfunktionen zusammenbrechen, ist doch absolut unberechenbar. Man hat hiermit auch tatsächlich zu tun, etwa wie genau das Pixelrauschen einer Digitalaufnahme bei schlechten Lichtbedingungen aussieht. Wo hier genau welche Pixelaktivierung stattfindet, ist absolut unberechenbar.

    Entsprechend wirkt dies insbesondere beim Betrieb von Nervensystemen auch in größere Bereiche hinein. Entsprechend kann das konkrete Ergebnis einer bestimmten Überlegung davon mitbestimmt werden. So werden auch makroskopische Skalen vom Quantenzufall verändert.

    Und wenn der Quantenzufall dann doch von Geisteswelten auf seinen Einfluss im Makroskopischem hin gezielt gesetzt werden kann, dann haben wir hier zusätzlich eine ganz andere Welt von Kausalität realisiert.

    So basiert dann vieles auf „Gott“, wenn man es denn so nennen will. Und ist neben dem wirklichem Quantenzufall und der Systematik unserer Strukturen mit in der Rechnung.

    Insbesondere wenn es um Inspiration geht, wird dieses dann sogar zur alltäglichen Lebenspraxis. Nicht nur in der Kunst. Vielleicht auch in der Kunst des Lebens.

  48. @Stephan Schleim

    Fast das Editieren übersehen. Danke!

    Ich versuche zu lösen: glücklichen Menschen

  49. @Viktualia 19.12. 14:53 / 19:52

    „Was ich oben meinte war eher dass manche ihre Intention als Garantie für das, was dabei herauskommen möge nehmen, obwohl es höchstens zu einem “gut gemeint” reicht.“

    Sich der Ungewissheiten der wirklichen Realitäten bewusst zu sein ist offenbar sehr wichtig. Und die eigene Unkenntnis ist sehr zu beachten. Gerade auch, wenn es um soziale Beziehungen geht, ist man besser schön flexibel, und für viele Optionen offen.

    „Eine Vorstufe des Richtigen und kein Gegenpart, wie bei Gut und Böse.“

    Gut und Böse meine ich eigentlich im Sinne von vernünftig und unvernünftig, ohne hier an Religion zu denken. Klar lernt man hier mehr mit mehr Erfahrung. Vor allem im Umgang mit längerfristigen Beziehungen betrifft das nicht nur die eigenen Strategien, sondern zeigt sich auch als immer bessere Kenntnis des Anderen.

    „Aber ich schätze, das funktioniert nur, wenn man sich auch als “Teil von” empfindet und die Selbstwahrnehmung nicht allzu sehr darauf geeicht ist, dass “die bösen Kinder” nicht dazugehören können.“

    Horizonte sind nicht automatisch das, wozu man sich gehörig fühlt. Aber mit Blick auf den Kosmos oder auf den gemeinsamen Planeten ist dennoch öfter beides gleichzeitig anzutreffen. Und vor allem ist es überaus wünschenswert.

    Irgendwie ist entsprechende Zugehörigkeit doch so grundlegend, dass die meisten das sogar hin und wieder fühlen können. Ich denke da etwa an die Fotos von der aufgehenden Erde, die die Mondfahrer damals wieder mitgebracht haben. Das so eigentlich Gefühlte wird vielleicht einfach nur zu wenig beachtet. Der Horizont selbst findet sich eigentlich auch öfter von selber, insbesondere wenn man jungen Menschen einfach nur die Freiheit dazu lässt.

    Gerade hier kann Religion, die vor allem auf Gemeinschaft aus ist, sogar stören. Weltoffenheit wäre hier auch eine Sicht auf den ganzen Kosmos und den ganzen eigenen Planeten, was ich von religiösen Vorstellungen, die sich vernünftig nennen wollen, fordern würde.

  50. Hallo an alle, eine Sammel-Antwort:
    —–
    Jeder Gedanke ist die kausale Folge der vorherigen Gedanken.
    Das bedeutet nicht,
    dass es sich immer um einen einzigen vorherigen Gedanken handeln muss,
    dass immer alle vorherigen Gedanken daran beteiligt sein müssen,
    dass der Inhalt der Gedanken immer logisch oder praktisch richtig sein muss,
    dass der Inhalt der Gedanken nicht kreativ oder zufallsbestimmt sein kann.
    —–
    Es gibt keine Vorgänge ohne Ursachen.
    Wenn ein Atomkern zerfällt, dann ist das die Folge der
    Instabilität seines inneren Aufbaus.
    Der Zeitraum bist zu seinem Zerfall wird durch reinen
    quantenmechanischen Zufall bestimmt.
    Das kann man zur Erzeugung von echten Zufallszahlen verwenden.
    Etwas billiger ist die Verwendung des thermischen Rauschens dafür.
    —–
    In den Scilogs wurde bereits über dieses Thema diskutiert.
    Wenn man in diesem Artikel nach bedn sucht,
    dann findet man die guten Kommentare:
    https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/psychologie-der-freiheit-einmal-weitergedacht-mit-gratis-online-vortrag/
    —–
    Hier ist ein guter Artikel von Herrn Martin Bäker zu diesem Thema:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2013/02/19/willensfreiheit-und-determinismus-warum-ich-das-problem-nicht-verstehe/

  51. @Karl B.

    “Jeder Gedanke ist die kausale Folge der vorherigen Gedankens.” Wirklich?

    Könnte es sein,dass der apodiktische Anspruch ein wenig aus der Zeit gefallen ist? Wir haben Wesentliches überhaupt nicht verstanden.
    Verschränkung ? C.Rovelli und ‘seine’ relationale Quantenphysik.Mal bei Nagarjuna reinschauen. Es lohnt sich tatsächlich.Emergenz. Selbstorganisatin. Die vom Meister S. Hawking definierten Eigenschaften eines schwarzen Lochs? Wir können nicht einmal das hinreichend gut definieren,was Bewusstsein ist. Ist die Doppelnatur des Lichts wirklich verstanden? Gravitation ? Qualia?
    Auch das Kontinuum der Wissenschaft erfordert Vertrauen, um nicht zu sagen ‘Glauben’ – sonst degeneriert sie allzu schnell zu einer Variante von Ideologie.
    Unsere Überzeugungen und Weltbilder beruhen bis auf weiteres auf einem wackligem Fundament. Demut ist eine gute altmodische Tugend.

  52. @ Nescio

    Ich würde das ‘wackelige Fundament’ als helle Seite der Erkenntnis sehen. Mut zur Offenheit und Demut sind gute Begleiter.
    Wie würden Sie dann die dunkle Seite des Sein sehen,wenn wir denn doch schon mal da sind?

  53. @ Karl Bednarik 21.12.2023, 02:22 Uhr

    Zitat: „Es gibt keine Vorgänge ohne Ursachen.“

    Das ist auch meine Vermutung.

    Wenn es um „Zufälle“ geht, bringe ich mein „Geschichterl“ über die elektronischen Zufallsgeneratoren (Zähler mit variabel gekoppelten Oszillatoren) ein.

    Man kann gut aufzeigen, wie es abhängig von der zunehmenden Komplexität der Schaltung, zu Zahlenfolgen kommt die unterschiedlichen Betrachtern als „zufällig“ bzw. „nicht zufällig“ erscheinen.

    Salopp: Einem „Dummerchen“ scheinen sie bereits zufällig, wenn Normalos“, „Mathematikern“ oder darauf „spezialisierten Statistikern“ klar ist, dass die Zahlen determiniert sind.

    Mit immer mehr zunehmender Komplexität der Schaltung scheinen die „Zahlenfolgen“ den „Normalos“, dann den „Mathematikern“ „zufällig“ und als letztes den „spezialisierten Statistikern“.

    Die Determiniertheit wurde sozusagen mit der Komplexität „verschleiert“.

    Jetzt hätte ich die Frage, ob letztlich nicht auch, z.B. beim „thermischen Rauschen“ oder „Quantenprozessen“ letztlich die „Determiniertheit“ wegen der Komplexität der den Zufall generierenden Mechanismen, nur „verschleiert“ wird?

    @ Tobias Jeckenburger

    Mit ihrer Ihrer „alten Fernsehkarte“ können Sie zweifellos so etwas wie „Zufallsfolgen“ generieren.

    Nur ist jedem Fernsehtechniker klar, wie es dazu kommt.

    An der Antenne und am Eingang der Karte „überlagern“ sich unselektiv und gleichzeitig modulierte Signale von z.B. 100 Sendern und anderer Signalquellen die letztlich ein „Rauschen“ ergeben. Für einen Augenblick haben sie ein starkes Signal (also einen schwarzen Bildpunkt), oder ein schwaches Signal (weißer Bildpunkt).

    Die Vorgänge haben eine bestimmte, bekannte Ursache-Wirkungs-Beziehung, nur ist es praktisch unmöglich sie exakt zu Berechnen.

  54. ‘Die helle Seite der Erkenntnis’ ist die stets motivierende Überzeugung, auf dem Pfad der Wissenschaft ( wir haben nichts besseres) zur absoluten Wahrheit gelangen zu können. Das ist, mit Verlaub, eine infantile, völlig unaufgeklärte Vorstellung.
    Was ist ein Gedanke? Die 4 großen ‘W’ von Kant behalten ihre Bedeutung.Und seine Antinomien sollte man kennen.
    Die wirklich essenziellen Fragen sind lange schon ausformuliert,und trotz der erstaunlichen Karriere der Wissenschaft, unbeantwortet. Die Dimension der Fragen ist den meisten nicht bewusst. Und nicht jeder im wissenschaftlichen Denken herausragender Wissenschaftler ist gleichzeitig gesegnet mit der Fähigkeit zum tiefgründigen Denken. Es sind zwei unterschiedliche Schuhe. Auch das ist ein interessantes Phänomen. Nach Sloterdijk ist der Mensch stets ‘Asket'(= ein Übender). Jeder ist seine eigene Geschichte. Ein hyperkomplexes, sich unserem absoluten Verständnis verschließendes System.
    Was kann Sprache ? Was ist Sprache? Was ist sagbar und was unsagbar? Das ist von Bedeutung. Ohne die Reflektion und das in Rechnungstellen der Basis und der Grenzen unserer gattungsspezifischen Potenziale wird vieles schnell ‘flach’.
    Sisyphos ist schon ein gute Metapher nicht nur Lebenssinn, sondern auch für das Prinzip Wissenschaft. Der Stein muss auf den Berg. Leider bleibt er nie dort liegen.

  55. @ Nescio

    Was sind den die ‘W’s’ Kants,dessen Antimonien und die ausformulierten Fragen mit Dimension?
    Machen Sie es bewusst…so dass jeder Sysiphos werden kann?

  56. @ Nescio

    und meine Frage: wie erklären Sie es sich,dass Menschsein auf eine lineare homogene geschlossene Antwort darauf ‘sucht’?

  57. Kant : Was kann ich wissen? (Erkenntnis) Was soll ich tun?(Ethik) Was darf ich hoffen? (Glaube/ Transzendenz) Was ist der Mensch? ( ja was isser ?)

    Antinomien einfach googlen. Eine davon ist, dass der menschliche ‘Geist’ sich ‘endlich’ und ‘ unendlich’ nicht vorstellen kann. Weder auf die Zeit noch auch auf den Raum bezogen. Da hilft auch keine Quanten- und Astrophysik . . .

    „Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“

    – Immanuel Kant: AA IV, 7[2]

    Sisyphos steht für eine Lebenshaltung. Nie aufgeben, sich Mühe geben.Auch wenn das Ziel nicht erreicht werden kann. Es ist ‘ mein Stein’ den ich immer wieder hochwälze.
    Albert Camus : ” „Ich verlasse Sisyphos am Fuße des Berges! Seine Last findet man immer wieder. Sisyphos jedoch lehrt uns die höhere Treue, die die Götter leugnet und Felsen hebt. Dieses Universum, das nun keinen Herrn mehr kennt, kommt ihm weder unfruchtbar noch wertlos vor. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
    Man muss sich entscheiden, wie man die Welt sehen möchte. Es gibt viele Lösungen. Sucht man intensiv, kann man für sich eine adäquate Antwort finden.
    Man wird ruhig,dann. Der Weg ist anstrengend,kann ein halbes Jahrhundert dauern . . . viele kommen nie ans Ziel.

    Frohes Fest und guten Rutsch

  58. Gibt es den freien Willen?

    Eine Debatte wie um den freien Willen wäre in der Naturwissenschaft kaum möglich. Dort sind die Begriffe klar definiert und ebenso die Regeln, wie die Objekte sich verhalten.

    Während wir es in der Physik mit einer passiven Objektwelt zu tun haben, geht es in der Philosophie des Lebens um eine aktive Subjektwelt. Das erhöht die Unbestimmtheit und die Unbestimmbarkeit gegenüber der Objektwelt dramatisch. Denn während dort die Objekte definierten Gesetzmäßigkeiten gehorchen, lassen sich solche hier bestenfalls statistisch bestimmen.
    Wenn ich zum Beispiel mit einem Queue eine Billiardkugel anstoße, kann ich theoretisch exakt ihre Bahn berechnen. Wenn ich einem Menschen sage, er solle dies oder das tun, weiß ich nicht, ob er es tut, ob er es tun kann und ob er es tun will. Der Begriff des Determinismus, der hier gerne angeführt und aus der Physik entliehen wird, hat hier keinerlei Bedeutung. Die Subjekte verändern durch ihre Bewegung als Agent bereits die Ausgangsbedingungen so, dass die Folgen nicht mehr vorhersagbar sind. Eine Tatsache, die Physiker bzw. Physikalisten nicht einsehen möchten.

    Die Begriffe der Philosophie sind alles andere als klar definiert. Nehmen wir das Bewusstsein. Betrachtet man es als Substanz, als Zustand oder als etwas immaterielles, ist es eine Eigenschaft, die man im Gehirn detektiert oder weitet es sich über Körper und Umwelt aus. Die Entscheidung darüber richtet sich nach der epistemologischen Ausrichtung. Eine Diskussion ist dann schon kaum noch möglich, ohne schnell zu den Grundsatzfragen zu kommen und sich dort zu verfangen.

    Die Verwirrung ist so groß, dass man dazu neigt, Begriffe zu ontologisieren. Beispiel Leib-Seele-Problem. Leib und Seele werden dann als zwei Entitäten gesehen, wobei es unerheblich ist, ob es zwei Substanzen oder zwei sonstige Entitäten sind. Man vergißt, dass es nur einen einzigen Gegenstand gibt, über den man streitet, nämlich das Individuum. Die beiden Perspektiven, unter denen man dieses Individuum untersuchen kann, die physiologische oder die psychologische, werden nicht als Perspektiven gesehen, sondern als Gegenstände, zwischen denen sogar eine Kausalität existieren soll. In Wirklichkeit kann man aber lediglich Korrelationen herstellen.
    Der Satz, das physische Gehirn determiniert den Geist, ist so gesehen von vornherein falsch. Diese Einsicht widerspricht unserem zutiefst dualistischen Denken, das uns seit Jahrhunderten begleitet.

    Erkennen wir an, dass die selbst-aktive Subjektwelt, also alles Lebendige, anders funktioniert als die unbelebte passive Objektwelt der Physik, dann wäre es an der Zeit, diesem Umstand wissenschaftlich Rechnung zu tragen. Physikalische Regeln dürften dann nicht mehr eins zu eins auf Leben übertragen werden, sondern müssten transformiert werden.
    Beispiel: wenn in der Physik dynamischer Systeme von Attraktoren die Rede ist, auf welche das System wie auf einen Fixpunkt zuläuft, dann müsste ein transformiertes Konzept einen Attraktor annehmen, der selbst als Agent auftritt und damit die Bedingungen des Systems ständig verändert.

    Legt man dies zugrunde, gewinnt die Idee des freien Willens eine neue, fundiertere Bedeutung. Auch wenn das Subjekt eines freien Willens noch präzise beschrieben werden muss, zeigt sich, dass das Subjekt des Handelns, das Individuum, Freiheitgrade besitzt, die, je größer die Komplexität von Individuum und Umwelt, in zunehmendem Maße immer vorhanden sind. Ständig eröffnen sich Möglichkeits- bzw. Notwendigkeitsräume, die Entscheidungen ermöglichen bzw. erfordern. Der Wille, ursprünglich als Überlebenswille, wird immer wieder aufgefordert, Entscheidungen zu treffen.

  59. @ Stegemann

    Auch Sie trennen noch Physis vs Psyche.
    Schleim schlägt Physis = Psyche vor.
    Das haben Sie noch nicht erkannt.
    Ich erkenne in Schleim’s Vorschlag viel Substanz,auch wenn Necios schlussendlich fragend bleibt. Aber Schleim liefert viel,einen Schritt mehr,mehr zur Selbsterkenntnis.

  60. @Elektroniker 21.12. 11:24

    „An der Antenne und am Eingang der Karte „überlagern“ sich unselektiv und gleichzeitig modulierte Signale von z.B. 100 Sendern und anderer Signalquellen die letztlich ein „Rauschen“ ergeben.“

    Die Fernsehkarte ist doch auf eine bestimmte Frequenz eingestellt. Nur was auf der Frequenz ankommt, wird aufgenommen. Entscheidend ist hierbei, ob da Quantenzufall mit dabei ist, puren Quantenzufall brauchen wir gar nicht, um rein zufällige Ergebnisse aufzuzeichnen.

    Hier werden doch Funkwellen in digitale Informationen verwandelt, dieser Prozess kommt doch bereits in Gang, wenn wir ein zu schwaches Signal haben. Das ist schon unübersehbar, wenn wir einen schwachen Sender eingestellt haben und das Fernsehbild völlig verrauscht ist.

    Das will man nicht, wenn man Fernsehen gucken will, deswegen versucht man dann einen möglichst starken Sender einzustellen. Wenn ich die Fernsehkarte aber nutzen will, um Zufallszahlen mit Quantenzufallsanteil zu erzeugen, dann suche ich mir eine Frequenz, in der das Rauschen maximal ist.

  61. @Stegemann: Im Buch, das ich hier gerade beworben habe, äußern sich mehrere Physiker*innen (theoretische wie experimentelle) zur Willensfreiheit: beispielsweise mit Blick auf die (angebliche) kausale Geschlossenheit der Welt; oder ihre Notwendigkeit für sinnvolles Experimentieren (v.a. Kapitel 3 und 5).

    (P.S. Aus reduktionistischer Sicht, also wenn auch Willensvorgänge letztlich nichts sind als Gehirnprozesse und diese letztlich nichts sind als physikalische Prozesse, könnte man schon sagen, dass Physiker hier mindestens ein Wörtchen mitreden können, wenn sie nicht sogar das letzte Wort haben [siehe auch Sean Carroll]. Man könnte auch noch einmal von der Wortherkunft von “Physik” denken, nämlich: Natur.)

  62. Wer ist stärker, unser Wille oder die Physik.
    Alexander wird der Große genannt, weil er mit dem Schwert den Gordischen Knoten gelöst hat.
    Der Wille kommt dann zur Entscheidung, wenn die Argumente sich im Gleichgeweicht befinden.
    Er befindet sich nicht in Gegnerschaft zu physischen Gegebenheiten, aber im Gegensatz zu ihnen kann sich der freie Wille auch gegen jede Logik durchsetzen.

    Was hier über Sisyphos gesagt wird, dem gebührt die Krone des freien Willens, er setzt sich gegen die Götter durch und wird bestraft, immer das gleiche zu tun. Und das ist ja wohl die Höchststrafe für einen freien Geist. Und er tut es, aus freiem Willen. Oder doch nicht aus freiem Willen, aber dann ist es das Beharren am gleichen, was wiederum auf den freien Willen hinausläuft.

    .

  63. @ Tobias Jeckenburger 21.12.2023, 13:46 Uhr

    Zitat: „Die Fernsehkarte ist doch auf eine bestimmte Frequenz eingestellt. Nur was auf der Frequenz ankommt, wird aufgenommen.“

    Beim alten Analogfernsehen kommt ein Frequenzbereich (nicht eine einzige Frequenz) mit einer Bandbreite von 7 Mhz bei Ihrer Karte die die Signale umsetzt an. Es gilt das „Mischerprinzip“ („Überlagerung“) der Radiotechnik.

    Das bedeutet, an nichtlinearen Kennlinien von „Übertragungselementen“ (z.B. Transistoren) werden extrem viele Nutz- und Störsignale „gemischt“ und es treten sehr viele „Kombinationsfrequenzen“ auf. Je größer die Bandbreite um so mehr Signale.

    Da das alte Analogfernsehen abgeschaltet ist, können Sie nur mehr ein „Rauschen“ und „Mischprodukte“ von anderen „Funksignalen“ wahrnehmen.

    Diese Störquellen können auch zyklische Signale aussenden und so kommen Sie zu Ihren Bildern. Wenn Sie Filter, z.B. elektrische Schwingkreise in den Signalweg einbinden, so sollten Sie ihre Bilder verändern können, allenfalls verschwinden sie auch, wenn Sie tatsächlich nur mehr sehr wenige Frequenzen vom “Rauschen durchlassen“.

  64. @Mussi:
    Man kann einen Gegenstand legitimerweise aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Perspektive ist der Weg vom Beobachter zum Gegenstand. Der ist beim Physiologen anders als beim Psychologen oder Philosophen. Am Gegenstand ändert das aber nichts, der bleibt immer derselbe, im Fall des Leib-Seele Problems eben der Mensch. Das seit zweieinhalb tausend Jahren existierende Problem ist, dass man die Perspektive mit dem Gegenstand verwechselt, also zwei Gegenstände annimmt (Leib und Seele). Man macht aus der “Trennung” der Perspektive eine Trennung des Gegenstandes.

  65. @ Stegemann

    trennen und(wieder) zusammenführen kann auch eine Perspektive sein.
    Es kann sogar im Sinne Axel Krügers komplementär sein…

  66. @Nescio

    Danke, dass sie hier die leider in vielen Debatten zu selten vertretene Position einnehmen, dass wir a) nicht alles wissen können, b) nicht alles wissen müssen, und vor allem c) die ‘Wissenschaft’, wie wir sie aktuell betreiben, sich notorisch, oder sogar systemisch schwer damit tut, ihren ‘lamppost bias’ zu überwinden – das heisst zu selten über den eigenen eng gezogenen Horizont des akademisch aktuell Erlaubten und Erwünschten hinaus zu schauen.
    Dass Herr Schleim einerseits nach einer ‘anderen Naturwissenschaft’ ruft, aber gleichzeitig hier auch immer Angst vor der eigenen Courage hat, und gar nicht konsequent über den Lichtschein des eigenen Laternenpfahls hinaus blickt, ist für mich als regelmäßigem Leser aber schon lang überdeutlich.
    Dann bleibt das ‘Mikroskop bzw. Teleskop der Psyche’ allein aufgrund der Ignoranz und Kleingeistigkeit der Forschenden selbst eben weiterhin im Schrank, und verstaubt dort, während sie sich gegenseitig dafür auf die Schultern klopfen, dass sie doch angeblich ‘so gute Augen haben’, und keine solchen verpönten Hilfsmittel brauchen.

    Bzgl. a) und b) empfehle ich übrigens jedem die Beschäftigung mit dem, was John Keats die ‘negative capability’ nannte, d.h. den Zustand von Unsicherheit oder sogar prinzipieller Unbestimmtbarkeit nicht als Problem oder Ärgernis, sondern als die Urquelle aller Kreativität und letztlich allen Seins zu betrachten, und ihn nicht nur zu ertragen, sondern sogar ausdrücklich zu kultivieren. Oder wie es die Chaosforschung schon seit Jahrzehnten nahelegt, ohne dass sich die Wissenschaft in ihrer Bräsigkeit gross darum scheren würde: genau an der nicht anschließend bestimmbaren Grenze zwischen Ordnung und Chaos entsteht ‘die Welt’. Siehe dazu auch das schon lange überfällige Youtube Video von Sabine Hossenfelder zum Thema ‘Complexity’.

  67. @Elektroniker 21.12. 14:55

    „Diese Störquellen können auch zyklische Signale aussenden und so kommen Sie zu Ihren Bildern.“

    Nein, das mit Sicherheit nicht. Ich habe die Dateien mit der Aufnahme des Rauschens der Fernsehkarte vor der Verwendung einmal komplett mit normalen Pseudozufallszahlen mit einem festen Startwert bitweise addiert. Ich musste feststellen, das in den Videodateien sogar Programmtext dazwischen geschoben war. Die Addition entfernt dann komplett alle möglichen Artefakte, ohne dass die Unberechenbarkeit des enthaltenen Quantenzufalls dabei verloren geht.

    Dieses Verfahren ist durchaus geeignet, jegliche Formen von Quantenzufall, dem noch was anderes untergemischt ist, dennoch zu nutzen. Entweder um wirklich echten Zufall zu erhalten, der durch wirklich nichts determiniert ist, oder eben um geistige Anteile zu gewinnen.

  68. @Sonnenblume, führen Sie das hier

    Dass Herr Schleim einerseits nach einer ‘anderen Naturwissenschaft’ ruft, aber gleichzeitig hier auch immer Angst vor der eigenen Courage hat, und gar nicht konsequent über den Lichtschein des eigenen Laternenpfahls hinaus blickt, ist für mich als regelmäßigem Leser aber schon lang überdeutlich.

    doch einfach mal aus, anstatt hier nur zu polemisieren.

    P.S. Der Verweis auf Hossenfelder (siehe auch Kapitel 5 in meinem Buch) überzeugt mich jetzt nicht so.

  69. @ Tobias Jeckenburger 21.12.2023, 16:31 Uhr

    Ich bin kein Mathematiker und kann zu den von Ihnen manipulierten Zahlenfolgen nichts aussagen.

  70. @ Neumann @ Elektroniker

    Im übrigen denke ich, es ist die Spannung, die zur Sehnsucht linear homogenem geschlossenem Denkens führt: die Sehnsucht nach Einheit…

  71. Wir wissen nicht, wie das subjektive Bewusstsein entsteht.
    Ich schrieb deshalb immer von Gedanken, die Gedanken beeinflussen,
    und nicht von Gehirnfunktionen.
    –––––
    Ein deterministisches Chaos kann sehr unübersichtlich sein,
    aber es besteht aus deterministischen Einzelschritten.
    –––––
    Wenn es bei Quanten–Vorgängen verborgene Variablen geben würde,
    dann mussten sich zwei verschränkte Photonen in zwei verschieden
    eingestellten Polarisationsfiltern ganz anders verhalten.
    –––––
    Wenn jemand sein Verhalten oder seine Denkweise aus freiem Willen verändern will,
    dann hat er für diese Entscheidung wichtige Gründe,
    die zumeist in seinen vorigen Gedanken vorkommen.
    Natürlich kann man jemand auch Gedanken von außen aufdrängen,
    was seine Willensfreiheit stark einschränkt.

  72. @Karl Bednarik // 21.12.2023, 22:06

    »Jeder Gedanke ist die kausale Folge der vorherigen Gedanken. Das bedeutet nicht […] «

    Ob man es nun kausal nennt oder nicht: wichtiger scheint mir mit Blick auf die angebliche Willensfreiheit die Tatsache zu sein, auf die schon Nietzsche hingewiesen hat,

    „…nämlich, daß ein Gedanke kommt, wenn »er« will, und nicht wenn »ich« will;…“.

    (in: Jenseits von Gut und Böse, 1886)

  73. @ Sunflower:

    Bzgl. a) und b) empfehle ich übrigens jedem die Beschäftigung mit dem, was John Keats die ‘negative capability’ nannte, d.h. den Zustand von Unsicherheit oder sogar prinzipieller Unbestimmtbarkeit nicht als Problem oder Ärgernis, sondern als die Urquelle aller Kreativität und letztlich allen Seins zu betrachten, und ihn nicht nur zu ertragen, sondern sogar ausdrücklich zu kultivieren. Oder wie es die Chaosforschung schon seit Jahrzehnten nahelegt, ohne dass sich die Wissenschaft in ihrer Bräsigkeit gross darum scheren würde: genau an der nicht anschließend bestimmbaren Grenze zwischen Ordnung und Chaos entsteht ‘die Welt’. Siehe dazu auch das schon lange überfällige Youtube Video von Sabine Hossenfelder zum Thema ‘Complexity’.

    Die Chaostheorie hatte auch Auswirkungen auf die Neurowissenschaften. Insbesondere in den 1980er-Jahren gab es EEG und MEG Studien die Messungen aus der Chaostheorie auf die Analyse ihrer Daten anwendeten.

    Aber auch heute gibt es dazu nach wie vor viele Studien. Einfach beispielsweise auf pubmed nach “complexity”, “criticality”, “edge of chaos”, “fractals”, “fractality”, etc. im Verbund mit “brain” oder “neuronal activity” oder so suchen.

    Die Frage ob die Gehirndynamik chaotisch ist wurde aber wieder weitesgehend aufgegeben da es mit echten empirischen physiologischen Aufnahmen kaum bis gar nicht bestimmbar ist. Ich habe über Monate hinweg versucht die correlation dimension (CD oder D2 abgekürzt) bei Gehirnaktivität ordentlich zu messen (und final aufgegeben da es nicht ordentlich funktioniert). Das ist eine Messung im phase/state space (Phasenraum), quasi der “Spielplatz” vieler Rechnungen aus der Chaostheorie. Im Phasenraum lassen sich time-series Aufzeichnungen topologisch darstellen und dann werden dort Messungen durchgeführt. Der Phasenraum ist eine dritte Betrachtungsebene neben der time-domain und frequency-domain.

    Physiologische Aufnahmen sind meist relativ kurz, d.h. sie haben relativ wenig sampling points (Datenpunkte) verglichen zu manchen rein mathematischen Simulationen am Computer oder manchen Aufzeichnungen aus der Physik. Manche Messungen aus dem Bereich der Chaostheorie benötigen aber min. 1.000.000 sampling points (oder noch viel mehr) um valide berechnet werden zu können. Dazu kommt das Problem dass physiologische time-series häufig komplexer sind als physikalische (oder gar perfekt simulierte rein mathematische). Auch haben physiologische Aufzeichnungen von neuroimaging Daten häufig eine relativ schwache signal-to-noise ratio. D.h. im Signal stecken mehr Störsignale “Rauschen” die es weiter verhindern zu bestimmen ob die Dynamik chaotisch ist.

    Nicht alles was in der Mathematik und Physik funktionieren kann funktioniert zwangsweise vernünftig in anderen Wissenschaften die mit Daten operieren die eine komplett andere Natur haben.

  74. Was alles kann Gedanken verursachen?
    Die Gedanken davor, so funktioniert das Nachdenken,
    die Sinneseindrücke, so gelangen die Informationen hinein,
    die unbewussten Denkvorgänge, so entstehen die Einfälle,
    die angeborenen Bedürfnisse, zur biologischen Steuerung,
    die anerzogenen Regeln, zur sozialen Lenkung,
    die Erinnerungen, werden durch die Assoziationen abgerufen.
    —–
    Zufällige Veränderungen könnten bewirkt werden durch
    die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation,
    die Brownsche Molekularbewegung,
    durch Vergiftungen, zum Beispiel mit Alkohol,
    durch die biologische Alterung,
    und durch biologische Fehlbildungen.

  75. Mussi,
    die Sehnsucht nach Einheit. Das ist doch eine versöhnliche Aussage, passend zur Vorweihnachtszeit. Frohe Weihnachten !

  76. Man wird sich damit abfinden müssen, dass es Anhaltspunkte dafür gibt, einerseits einen „freien Willen“ zu haben, oder manchmal eben nicht.

    Wenn einer allein lebt, so kann er z.B. bestimmen, welches TV Programm er auswählt, oder was er essen möchte. Die Wünsche sind nur von der Realität abhängig, z.B was im Kühlschrank vorhanden ist, oder im Fernsehen angeboten wird.

    Es ist aber auch recht allgemein bekannt, dass viele Menschen sich im Nachhinein fragen, was sie bewogen haben könnte, eine bestimmte Entscheidung, z.B. in einer Partnerschaftsangelegenheit zu treffen, oder die womöglich an einem Suchtproblem leiden. Da mangelt es offensichtlich am „vernünftigen freien Willen“.

    Es dürften so etwas wie „Filter“, aus „qualifizierten UND Gattern“ (Synapsen und Neuronen) sein, die aus einer Vielzahl von Nutz- uns Störsignalen die besonders „qualifizierten“ Signale, so etwas wie „gelernte Weichenstellungen“ auswählen, die zweckmäßige Handlungen steuern.

    Vermutlich ist der Wille nicht wirklich frei, wenn dem Bewusstsein verborgene Prozesse, gemeinhin im „Unterbewusstsein“ ins Spiel kommen.

    Meine „Privatmeinung“ ist, dass bewusste Prozesse hauptsächlich an flächigen hautartigen Strukturen (z.B. Netzhaut, Hirnhaut,….), zur „Anzeige und Empfindung“ kommen.

    Beim „Unterbewusstsein“ könnte synchron (in bestimmten Zeitschlitzen an bestimmten Stellen) auch ohne „Haut“, in nur räumlichen Strukturen auftretende „Synchronizität von Signalen“ eine Rolle spielen?

    Damit könnten zwar auch Handlungen gesteuert werden, aber es erfolgt keine „explizite Anzeige“ auf einer Art von „Leinwand“ (hautartige Struktur). Auch wegen der dort eher fehlenden „Empfindungssensorik“ dürfte es auch keine unterbewussten Empfindungen geben. Außer es würde in derartigen Bereichen z.B. eine „Depressionen empfindende Sensorik“ geben, dann wären manche Depressionsarten erklärbar.

  77. Elektroniker,
    ganz klar ist unser biologischer Körper mit unserem Willen synchronisiert. Man erkennt an der Körpersprache, was das gegenüber vorhat. Das erklärt auch, warum man eine Gehirnsequenz schon messen kann, wenn wir willentlich noch gar nicht tätig waren.
    Unter Tieren ist die Körpersprache das Kommunikationsmittel.

    Das ist aber kein Beweis, dass unser Wille durch den Körper dominiert wird.
    Wie schon gesagt, wir können uns auch gegen unseren Körper entscheiden. Machen die Sportler, wenn sie den “Inneren Schweinehund” besiegen.

  78. Karl Bednarik // 22.12.2023, 04:56 Uhr

    04:56 Uhr ???

    »Zufällige Veränderungen könnten bewirkt werden durch…«

    In Bezug auf Gedanken und das Denken dürften insbesondere die (labilen) chemischen Bindungen in Biomolekülen (z. B. in Membranproteinen, Rezeptoren, Transportern) von gewisser Bedeutung sein (Stichwort: Spontanaktivität von Nervenzellen).

  79. @Elektroniker 22.12. 11:34

    „Vermutlich ist der Wille nicht wirklich frei, wenn dem Bewusstsein verborgene Prozesse, gemeinhin im „Unterbewusstsein“ ins Spiel kommen.“

    Was ja nicht zwangsläufig Unfreiheit wäre. Es ist ja immerhin das original eigene Unterbewusstsein.

    „Beim „Unterbewusstsein“ könnte synchron (in bestimmten Zeitschlitzen an bestimmten Stellen) auch ohne „Haut“, in nur räumlichen Strukturen auftretende „Synchronizität von Signalen“ eine Rolle spielen? „

    Man hat jetzt ein Mäusegehirn komplett kartiert, und dabei 5000 verschiedene Typen von Nervenzellen gefunden. Natürlich versteht man trotz Kartierung jetzt keinesfalls, wie das im Detail nun konkret funktioniert.

  80. @Neumann // S22.12.2023, 14:08 Uhr

    » Wie schon gesagt, wir können uns auch gegen unseren Körper entscheiden. «

    Da es hier ja um die Willensfreiheit geht, kann ich es mir nicht verkneifen, darauf hinzuweisen, dass das Gehirn Teil des Körpers ist—und zwar ganz und gar, ohne jegliche Abstriche.

  81. Balanus,
    Das Gehirn ist der Platz, wo das Denken entsteht.
    Es geht ja darum, dass nicht nur etwas gedacht wird, sondern es geht darum, was gedacht wird. Bei dir geht es ja in Richtung Morphologie , wo die Schädelform mit dem Denkvermögen gekoppelt ist. Beispiel , niedrige Stirn, zusammenegewachsene Augenbauen, stierer Blick.
    Das ist Psychologie auf archaischer Ebene. Was die Nazis nicht geschafft haben, das kommt jetzt durch die Hintertür, genannt Neurologie.

  82. @ Neumann 22.12.2023, 14:08 Uhr

    Zitat: „Das ist aber kein Beweis, dass unser Wille durch den Körper dominiert wird.“

    Das behaupte ich auch nicht.

    Das neuronale Netz ist hauptsächlich so „angelernt“ und von der Evolution „optimiert“, dass der Mensch (Tier) „funktioniert“. Dabei ist auch die „willentliche“ Handlungssteuerung die vom „Bewusstsein“ ausgeht, bedeutsam.

    Aber auch z.B. „Instinkte“ die einem gar nicht wirklich bewusst sind, „schlagen“ auf Handlungen durch.

    Damit ist es interessant wo die „Bewusstseinsinhalte“ (samt Empfindungen), aber auch die „unterbewussten Inhalte“, „realisiert“ werden, um eine Auswertung wie o.a. zu ermöglichen.

    Aus „elektronischen Verarbeitungsgründen“ ist es erforderlich (und auch logisch ganz selbstverständlich) dass die für die Entscheidung nötigen Informationen gleichzeitig an bestimmten „Punkten“, am besten auf einer Fläche, wie auf einem Bildschirm oder einer Leinwand, „abgebildet“ werden.

    Würden die für ein Bild zusammengehörigen Bildpunkte nicht gleichzeitig, sondern nach langen Zeitabständen, oder nicht auf einer Fläche „angezeigt“, so könnte man naheliegender Weise kein Bild erkennen, weil der nötige „Zusammenhang der Bildpixel“ fehlt.

    Bei der Netzhaut ist das völlig selbstverständlich und z.B. die Fernseh/Videotechnik beruht auf diesem Prinzip. Aber auch die ganze Digitaltechnik der Elektronik beruht darauf, dass es einen strikten Zusammenhang zwischen einzelnen „Informationsbits“ gibt.

    Beim „Unterbewusstsein“ könnte es ohne „Haut“ abgehen und die erforderliche Synchronität wird dadurch erreicht, indem „Gehirnwellen“ immer gleichzeitig an bestimmten Stellen in das neuronale Netz einkoppeln und so der erforderliche „Zusammenhang“ der Information abbildenden „Schaltzustände“ erreicht wird. Ich vermute auch, das hatte Prof. Singer bei seinem „Bindungsproblem“ im Auge, ist aber eine Unterstellung von mir, weil ich keine Möglichkeit hatte, auf seine Konzepte genauer einzugehen.

    Natürlich spielt auch die „Empfindungssensorik“, die auch mit Hautschichten verknüpft sein dürfte eine Rolle. Scheint auch ganz logisch, weil man so sehr schnell erkennen kann, dass man sich einen Nagel z.B. in die große Zehe eingetreten hat und entsprechend reagieren kann.

  83. @Neumann

    »Das Gehirn ist der Platz, wo das Denken entsteht.«

    Da sind wir uns einig!

    Aber uneins sind wir offensichtlich in dem, was aus dieser schlichten Tatsache folgt, ja folgen muss, in Bezug auf den Freien Willen.

    (Es sei denn, dass von einem Freien Willen bereits dann gesprochen werden kann, wenn es alternative Wahlmöglichkeiten gibt und man sich frei (ohne Zwang) für eine Sache entscheiden kann—also etwa für Kaffee statt Tee).

  84. Es ist gängig, dass einzelne Wissenschaftler gerade zu Beginn neuer Forschungsmöglichkeiten etwas über das Ziel hinaus schiessen. Als es experimentell einfacher wurde Gene zu sequenzieren, so Mitte Ende 80er, Anfang 90er gab es auf einmal “Gene für alles”. Für Intelligenz, für Alkoholismus, für dies und jenes. Das wurde dann im Laufe der Zeit alles wieder eingefangen. So war es wohl auch mit den experimentellen Neurowissenschaften. Kaum gab es hier etwas weiter verfügbare, bildgebende Verfahren, gab es auch Gehirnstrukturen für alles. Auf einmal konnte man scheinbar sehen, wo Gleichungen gelöst werden, Frust entsteht usw. Geschenkt.
    Wenn zu alledem auch noch verschwommen definierte Fragestellungen kommen, kann man schön diskutieren und kommt einem Ergebnis doch nie näher. Oder will hier jemand festlegen was er präzise meint, wenn er den freien Willen, das Bewusstsein, den Beginn des Lebens usw. nennt?

  85. @ Erwin Neher 22.12.2023, 16:58 Uhr

    Offensichtlich verhält es sich in der Biologie genau so, wie Sie es in Ihrem Beitrag beklagen.

    Das Problem ist nur, man musste praktisch auf Begriffe aufbauen die aus einer Zeit stammen als man nicht die geringste Ahnung über das tatsächliche Geschehen hatte.

    Allerdings meine ich, dass man zwar sehr langsam aber doch, der Realität immer näher kommt.

    Extrem wichtig war die Entwicklung der Patch-Clamp-Technik. Die vermutete Funktion der Neuronen konnte messtechnisch nachgewiesen und auch immer besser verstanden werden.

    Praktisch wurde das Konzept des „Perzeptron“ immer realer. Das scheint mir die Grundlage der Informationsverarbeitung, einerseits in der Biologie aber auch in der KI. (Auch wenn man sich über das XOR Problem streitet, ich würde das „ODER Gatterkonzept“ kurzerhand durch ein Konzept des „qualifizierten UND Gatters“ ersetzen).

    Die Erfolge der KI tragen dazu bei, auch die „biologische Informationsverarbeitung“ immer besser zu verstehen. Richtig „offen“ ist noch das Empfindungsphänomen.

    Viele Empfindungen emergieren vermutlich zu dem, was man „Bewusstsein“ nennt, wenn man nicht „bewusstlos“ ist. Das scheint ein zweckmäßiger, wenn auch kein präziser Ausgangspunkt….

  86. @ Erwin Neher

    Wenn zu alledem auch noch verschwommen definierte Fragestellungen kommen, kann man schön diskutieren und kommt einem Ergebnis doch nie näher. Oder will hier jemand festlegen was er präzise meint, wenn er den freien Willen, das Bewusstsein, den Beginn des Lebens usw. nennt?

    Volle Zustimmung. Im Jahre 2022 erschien übrigens eine komplette Überarbeitung von “Philosophical Foundations of Neuroscience” von Maxwell Bennett und Peter Hacker das in der Erstausgabe 2003 erschien. Auch das hier genannte Libetexperiment sowie das Thema freier Wille werden ausführlich diskutiert. Ich habe beide Ausgaben komplett gelesen. (Es dürfte übrigens klar sein dass das Buch wohl zu 90% von Hacker geschrieben wurde.)

    Das Buch diskutiert ausführlich wie philosophische Pseudoprobleme zu sinnlosen Fragen in den Neurowissenschaften führen um dann plötzlich in neuer Form als scheinbar empirisch-wissenschaftliche Probleme aufzutauchen, obwohl diese Probleme empirisch natürlich gar nicht lösbar sind (weil es, so Bennett und Hacker, philosophische Pseudoprobleme sind).

    Peter Hacker vertritt einen Parallelismus zwischen Philosophie und Neurowissenschaften. Kurzum: empirische Wissenschaften können philosophische Probleme nicht lösen. Weder die Physik noch die Neurowissenschaften. Und es ist die Aufgabe der Philosophie auf einem a priori analytischen Weg Pseudoprobleme als solche zu entwirren um ihre Sinnlosigkeit erkenntlich zu machen und sie somit aufzulösen. Das betrifft, so die Autoren, auch die Frage nach dem freien Willen.

    Auch muss man diesem beinharten Parallelismus nicht zustimmen um von dem Buch zu profitieren.

  87. Balanus,
    Nachdem wir uns über den Ort geeinigt haben, sollten wir festlegen, was mit Denken gemeint ist. Es ist ein Vorgang, dynamisch, wo Vergleiche angestellt werden, entweder analytisch oder assoziativ. Das sind die beiden großen Denkarten. Ein Naturwissenschaftler denkt analytisch, man kann auch sagen physikalisch oder mathematisch. Ein Künstler und Geisteswissenschaftler denkt auch noch analytisch. Er holt Beispiele aus der Vergangenheit, wie damals Menschen über eine Sache geurteilt haben. Und er versucht, dieses “alte” Wissen upzudaten und der modernen Lebnsweise anzupassen.
    Denken ist also ein Vorgang und der Gedanke ist ein “Bild” von Etwas.
    Also , ein Gedanke ist auf jeden Fall eine Abstraktion. Nicht die Wirklichkeit selber !

    Und deswegen ist das Denken auch ein biologisches “Ereignis” aber das Bild als Ergebnis dieses Ereignisses ist nicht materiell, weil Abstraktionen nicht materiell sein können.

    Frohe Weihnachten

  88. Wenn sich jemand völlig frei zwischen Kaffee und Tee entscheidet,
    dann ist auch diese Entscheidung eine Folge von vorigen Gedanken.
    Zum Beispiel:
    Subjektiv besserer Geschmack,
    stärkere Aufweckwirkung,
    bewährte Gewohnheit,
    niedrigerer Preis,
    Vorliebe für den Abgabeort,
    schnellere Besorgung,
    gesundheitliche Bedenken,
    geringere Magenschmerzen,
    Zufalls-Münze geworfen,
    aufdringlichere Werbung,
    und vieles anderes mehr.
    Der freie Wille ist zuerst ohne Ziele.
    Dann wählt er aus, welche Verhaltensweisen günstiger erscheinen.
    Die Entscheidung wird von den vermuteten Eigenschaften der Verhaltensweisen bestimmt.
    Dadurch ist das Ergebnis determiniert.
    Man benötigt den freien Willen, um zu ermitteln, welches Ergebnis determiniert ist.
    Wenn sich ein Sportler zum Training zwingt, dann
    vergleicht er die Unannehmlichkeiten des Trainings
    mit den Unannehmlichkeiten des Verlierens.
    Je nachdem welche Unannehmlichkeiten ihm stärker
    erscheinen, fällt seine Entscheidung aus.
    Er wählt frei zwischen zum Zeitpunkt seiner Wahl
    feststehenden Werten.

  89. Karl Bednarik
    gut ! “Der freie Wille ist zuerst ohne Ziele.”
    aber dann wählt er was er tuen soll und nicht was er will.
    Goethe: “Alles Wollen ist letztlich nur ein Sollen.”

    Wenn also der Wille auf ein transzendentes Ziel fokusiert ist, dann handelt der Mensch moralisch richtig. Ist er jetzt noch frei ? eigentlich nicht, denn wenn er sich gegen die Moral richtet , dann ist das falsch. Einige Engel am Weltenbeginn hattn sich gegen Gott entschieden , so sagt es die Bibel, und sind in Verdamniss gestürzt.

    Nach der Bibel ist der freie Wille die Voraussetzung für ein moralisch richtiges Handeln. Nach den Naturwissenschaften nicht, denn der Wille soll ja letztlich determiniert sein.

    Die Entscheidung , ob der Wille frei ist, hat also auch eine religiöse Seite.
    Machen Sie sich keinen Kopf, ob Sie zu Weihnachten eine Ente essen oder nur Kartoffelsalat mit Würstchen ist kein Prüfstein für den freien Willen.

    Frohe Weihnachten. !

  90. @Neher: Hypes in der Wissenschaft

    Der “Diagnose” stimme ich zu; aber man könnte sich doch schon einmal fragen, ob man, gerade als Wissenschaftler*in, nicht irgendwann einmal dazulernt und es anders machen kann:

    * Beispiel “Schwulen-Gen”: Dieses Missverständnis aufgrund von Gen-Euphorie in den 1990ern besteht bis heute; und verwirrt Menschen bis heute über den Ursprung ihrer sexuellen Vorlieben (zum Nachlesen, mit den Quellen darin: Genetik kann Sexualverhalten nicht erklären).

    * Beispiel: In Psychologie und Psychiatrie hat der Neuro-Fetisch viele andere Forschungsansätze platt gemacht; da blieb nach der Anschaffung der millionenteuren Scanner usw. halt kein Geld mehr übrig. Jetzt bricht die Gesellschaft mehr und mehr auseinander – und für Integration wichtige Disziplinen haben kaum mehr praxistaugliches Wissen zu bieten.

    * Beispiel Alzheimer: Das ist nicht mein Fachgebiet, doch ich hörte einige mehr oder weniger desillusionierte Forscher, die vor der Einseitigkeit der Ausrichtung der Forschung (es geht um die Plaques) warnen bzw. sogar selbst aufgehört haben, weil andere Ansätze keine realistische Chance auf Förderung mehr hatten. Nach wie vor steht man mit relativ leeren Händen da.

    * 2024 ist ja das 20. Jubiläum des “Manifests”. Da kann man noch einmal zurückblicken. In den 1990ern versprachen Neuro-Fetischisten das Lösen der Suchtproblematik. Verstanden ist das Problem lange nicht; im Gehirn allein wird man die Antwort nicht finden. Von den versprochenen Medikamenten gibt es… so gut wie nichts.

  91. @Philipp: Philosophical Foundations

    Danke für den Hinweis. Hacker gab auf meiner Konferenz “Imaging the Mind” 2011 in Amsterdam eine Keynote.

    Die Videos der Vorlesungen stehen dort immer noch online (leider nur vom zweiten Tag).

    Zu dem Ansatz: Das bessere Bewusstsein für die Sprache in der Hirnforschung ist natürlich wichtig; aber in Teilen wird von Hacker meiner Meinung nach auch die Bedeutung der Wortbedeutung überbewertet: Sprache ist selbst ein soziales Konstrukt und als einziges Kriterium für eine Ontologie ungeeignet.

  92. @ Stephan:

    Auch ich stimme Peter Hacker nicht in allem zu. Was mir nach dem Lesen seiner Bücher niemals klar wurde ist was für ihn Bewusstsein bzw. menschliches Erleben ist. Er schreibt immer dass es eine menschliche Fähigkeit (capability etc.) sei. Also die Form/Struktur angelehnt an Aristoteles. Ok, soweit verstehe ich es noch. Auch stellt er nicht alles menschliche Erleben mit “Bewusstsein” gleich (was für viele Menschen erst einmal komisch klingen mag, aber er erklärt es ja ausführlich).

    Es wird dann bezüglich des mereologischen Fehlschlusses immer argumentiert dass der Mensch bzw. das Lebewesen etwas erlebt, nicht das Gehirn. Auch das verstehe ich noch. Physiologische Aktivitiät sei für Erleben notwendig, aber sie ist nicht das Erleben (hier wird die Argumentation von Hacker für mich problematisch). Denn was Erleben dann empirisch betrachtet sein soll lässt Hacker immer offen. Dieser Punkt bleibt in all seinen Werken völlig unterdeterminiert. Denn immer zu sagen es sei eine Fähigkeit ist für eine wissenschaftliche Betrachtung einfach viel zu Abstrakt, egal wie schön er das über viele Sätze hinweg versucht zu beschreiben. Natürlich kann er sich rausreden indem er dann behauptet dass er keine empirische Beschreibung und Erklärung bieten möchte, sondern eine konzeptuell-philosophische Klarstellung. Aber er würde es sofort als “sprachlich verworren” (conceptually confused etc.) angreifen wenn jemand behauptet dass beispielsweise die physiologische Aktivität das Erleben sei. Aber dann stellt sich für mich immer wieder die Frage: Herr Hacker, was ist es dann, und sagen Sie bitte nicht wieder eine Fähigkeit, denn das ist zu abstrakt und leer.

    Das ist für mich die größte Schwachstelle an dem sonst super Buch.

  93. @Neumann

    »Nachdem wir uns über den Ort geeinigt haben, sollten wir festlegen, was mit Denken gemeint ist. «

    Nein, ich denke, das ist nicht nötig, da es hier ja um die „Willensfreiheit“ geht. Dass das Ergebnis des Denkens, also die Gedanken frei sind, ist ein anderes Thema. Da geht es um äußere Zwänge oder Einschränkungen und nicht um die inneren Voraussetzungen und Bedingungen.

    Gäbe es zum Beispiel die „Willensfreiheit“ in einem tieferen, elementaren Sinne, dann könnten Sie zum Beispiel frei darüber entscheiden, ob Sie an einen Gott glauben wollen oder nicht. Das wäre echte Willensfreiheit, meiner Ansicht nach.

    »Nach der Bibel ist der freie Wille die Voraussetzung für ein moralisch richtiges Handeln…«

    Ja, da kommt meines Wissens die Behauptung bzw. die Idee von der Existenz eines Freien Willens im Wesentlichen her.

    »…Nach den Naturwissenschaften nicht, denn der Wille soll ja letztlich determiniert sein. «

    Das klingt etwas schräg, dass der Wille „determiniert“ sein „soll“. Oder ist damit nur gemeint, dass Charakter und Persönlichkeit des Menschen, das heißt, seine im Laufe der Entwicklung entstandene, im Gehirn codierte „psychisch-mentale“ Verfasstheit, seinen Willen determinieren, also bestimmen? Damit wäre ich einverstanden.

    Frohe Weihnachten auch Ihnen!

  94. @Philipp: Sprache & Welt

    Hackers philosophische Methode läuft – nach meinem Verständnis – darauf hinaus, widerspruchsfrei über die Welt zu sprechen.

    Wie die Welt wirklich ist………?

  95. Balanus,
    nur zur Richtigstellung: “Das klingt etwas schräg, dass der Wille „determiniert“ sein „soll“

    Der Satz war so gemeint:”denn der Wille soll ja letztlich nach der Meinung der Naturwissenschaftler determiniert sein.

    Gruß

  96. @ Philipp 23.12.2023, 10:12 Uhr

    Zitat: „Es wird dann bezüglich des mereologischen Fehlschlusses immer argumentiert dass der Mensch bzw. das Lebewesen etwas erlebt, nicht das Gehirn.“

    Der Mainstream der Hirnforscher geht vermutlich davon aus, dass das „Denken“, wie auch die KI auf „Musterverarbeitung“ beruht. Damit haben Sie systemisch und zwingend (wegen der Muster) Probleme wegen der „mereologischen Fehlschlüsse“. (Die 2. Fehlerquelle beim Denken ist das „qualifizierte UND“, die 3.Fehlerquelle sind „Hardwarefehler“ die auch auf „fehlerhafte Schaltung“ beruhen können).

    Aus Sicht der Informatik gibt es die diskutierten Widersprüche deswegen, weil die „Begriffsobjekte“ fehlerhaft, oder gar nicht ernsthaft „deklariert“ sind. Das sind sie hauptsächlich deswegen nicht, weil man die zugrunde liegenden Sachverhalte zu wenig versteht.

    In der Technik ist es ganz einfach. Was mit einer Kamera als Bild (oder Video) aufgenommen wird, wird „gesehen“. Die Information wird in einem Speichersystem codiert gespeichert. Die Auswerteelektronik (Computer) greift immer wieder auf die Speicherinhalte zurück und wertet sie aus. Natürlich werden auch immer wieder neue „Zwischenergebnisse“ zwecks weiterer Auswertung gespeichert, damit letztlich z.B. ein autonomes Auto fahren kann. So ist die Realität.

    Kein Techniker käme auf die Idee sich zu fragen, ob nur das Auto „etwas sieht“, oder gar zu schließen, dass die Kamera „sieht“, aber dahinter muss eine weitere „Kamera mit Auto“ sein die wirklich „sieht“, dahinter womöglich immer eine weitere …..
    So wie manche Philosophen schließen, hinter dem Auge sitzt ein zweites „Menschlein“ das auswertet, was der „erste Mensch“ gesehen hat.

    Beim „Bewusstsein“ dürfte es allerdings sehr wohl im Zuge der teilweise baumartigen, teilweise linearen Auswertungskette, so etwas wie „Anfangs-, Zwischen- bzw. Endschichten“ auch abstrakter Art geben, auf denen „optische Objekte“ (z.B. im Auge), oder „informelle Objekte“ (z.B. Körperhaut,…) „abgebildet“ werden. Ausführlicher habe ich meine Sicht hier beschrieben.

    Technikern ist bewusst, dass die Sprache „Wischi Waschi“ ist, aber es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als damit „kreativ“ umzugehen…. Elektroniker sind da besonders „kreativ“, aber für sie ist die Sprache nur „Hilfsmittel“, „Wischi Waschi“ eben.

  97. @Balanus, Neumann: “der Wille”

    Die meisten Naturwissenschaftler können mit dem Begriff “der Wille” wahrscheinlich nicht einmal etwas anfangen; viele Psychologen und Philosophen übrigens auch nicht.

    Davon abgesehen bestreiten auch nicht alle Naturwissenschaftler, die sich dazu äußern, die Willensfreiheit, z.B. Martin Heisenberg (siehe Kap. 4 und 5 meines Buchs).

  98. Der o.a. Link funktioniert nicht.

    Ich habe meine Beiträge Elektroniker: 1,16, besonders 19, in diesem Blog gemeint.

  99. Stephan Schleim,
    wer bestreitet, dass es das Phänomen “Wille ” nicht gibt, der hat keine Kinder.
    Kleinkinder in der Trotzphase, was gibt es denn Eindringlicheres als diese
    Erfahrung.

    Sie versuchen auf begrifflichem Wege die Psychologie in ihre alten Rechte einzusetzen. Die Opioid Krise in den Staaten ist ja auch so eine Eindringlichkeit, die beweist, dass es ohne Psychologie nicht geht.

    Martin Heisenberg kommt auf meine Liste.

    Ein erfahrungsbringendes Weihnachtsfest.

  100. @Philipp 23.12. 10:12

    „Aber er würde es sofort als “sprachlich verworren” (conceptually confused etc.) angreifen wenn jemand behauptet dass beispielsweise die physiologische Aktivität das Erleben sei.“

    Die Frage, was Erleben ist und wie es entsteht ist sicher viel schwieriger als die Frage nach der Willensfreiheit.

    Es scheint mir ganz einfach zu sein. Man sucht eine Lösung für ein Problem, wenn man die gefunden hat, dann hat man auch seinen Willen gefunden. Meistens war die Lösung schon vorher da, man musste sie nur suchen. Und genau dieses Suchen ist der eigentliche Akt der Willensfreiheit. Auch wenn das Ergebnis in der Natur der Sache liegt, was nun mal meistens der Fall ist.

    Wirklich kreative Lösungen, auf die nicht jeder kommt, sind eher die Ausnahme, aber dann beachtlich. Willensfreiheit als Vorgang betrachtet ist aber immer vorhanden, wenn man Spielräume hat, und eben Lösungen suchen kann.

    Hat man nun seine Lösung, dann kommt hier noch der Faktor Willenskraft dazu. Die entscheidet in schwierigen Situationen, ob man seinen einmal gefundenen Willen auch in Taten umsetzten kann.

    Erlebnis ist das alles auch noch mal. Mitten im Leben stehen, mitten in unübersehbarer Komplexität unterwegs zu sein, macht dann das halbe Menschenleben aus. Was jetzt Erleben wirklich ist, ist mir auch nach 60 Lebensjahren unklar. Aber es existiert, soviel steht schon mal fest.

    Vielleicht kommen wir hier auf eine Idee, wenn wir KI bauen, die selber erlebt. Womöglich passiert uns das sogar ungewollt. Da wir nicht wissen, wie eigenes Erleben wirklich funktioniert, könnten wir es aus Versehen in eine KI einbauen. Unabhängig davon, ob einer solchen KI dann noch vertraut werden kann, können wir dann aber einfach gucken, was man hier konkret gebaut hat, und wieso hier jetzt wirkliches inneres Erleben in Gang gekommen ist.

    Der andere Weg wäre, die Details unserer Physiologie so gut aufzuklären, dass sich hier eine konkrete Idee zum inneren Erleben ergibt. Soweit sind wir offenbar noch keineswegs.

    Man hat hier ein Mäusegehirn kartiert, und dabei allein schon mal 5000 verschiedene Typen von Nervenzellen gefunden. Das kann noch dauern, bis da mal einer durchblickt. Aus meiner Sicht ist hier sogar noch Platz für wirkliche Geisteswelten. Die sähen dann noch mal etwas anders aus, auch was die zugehörigen physiologischen Verschaltungen betrifft.

  101. @Elektroniker

    Ich beklage das nicht, ich beschreibe es lediglich. Sie haben in nahezu jedem Bereich neuer Entwicklungen zu Beginn überschiessende Erwartungen, Hoffnungen, Hypes, Moden, nennen sie es wie sie möchten.

    Das Problem vergrößert sich an in dem Maße in welchem die Unschärfe der zu erklärenden Begriffe zunimmt. Weswegen es ja jahrelange Diskussionen um immer die gleichen Begriffe gibt.

    Die Funktion der Neuronen war auch schon vor der Patch-Clamp-Technik bekannt, nur konnte mit dieser eben einzelne Ionenkanäle gemessen werden.

    Ob die Technik Neuronaler Netze der Informationsverarbeitung biologischer Neuronennetze entspricht wird sich noch zeigen müssen. Es ist eine zunächst technische Näherung und erfüllt ja im Bereich ihrer Einsätze ihren Zweck.

    Auch beim Empfindungsphänomen ließen sich sicher Leute finden die das mit gestaffelten oder wie auch immer geschalteten Feedback-Schleifen erklären (backpropagation oder so etwas), und ja, Bewusstsein wäre dann die aus diesem Ansatz hervorgehende Emergenz.

    @Philipp

    Ich kenne nur die alte Ausgabe. was ist in der aktuellen das neue?
    Ich persönlich würde es nicht Pseudoprobleme nennen. Es sind natürlich den Menschen stark interessierende Fragen. Klar, wenn sie natürlich wischiwaschi formuleirt sind, kann man es Pseudoprobleme nennen. In sofern passt es.

    Ich würde sagen, dass zumindest sehr grundsätzliche Fragen der Philosophie von Naturwissenschaften nicht beantwortet werden. Das ist aber auch nicht deren Job. Das es manche Naturwissenschaftler dann doch versuchen, kann auch ein Phänomen einzelner Persönlichkeiten sein, und sei es nur um damit eine über den Fachbereich hinaus zielende Popularität zu erzielen.

    @Schleim

    selbstverständlich kann dazugelernt werden um es danach besser oder zumindest anders zu amchen. Das gilt für Naturwissenschaften und alles andere. Auch Michelangelo hat ja scheinbar viele Entwürfe wieder von der Decke geklopft.

    Ich sehe das Problem in der Hinsicht wie sie. Zum einen kann ein vorschnelles Urteilen einzelnen “betroffenen” starken Schaden zufügen, wenn Verhalten vermeintlich an Gene gekoppelt wird.
    Dazu kommt, dass Forschungsgelder oft unnötig begrenzt sind (lächerliche Größenordnungen verglichen mit anderen etats). Wenn dann einzelne Zweige sehr viel für sich veranschlagen, bleibt für andere Ansätze oft nur noch wenig. Hat man auch z.B. in Teilchenphysik.

    Und ja, Moden wechseln. Ich weiss nicht wie sehr sie mit der Parkinson-Forschung vertraut sind. Hier haben wir mehrere Rezeptorklassen die miteinander wechselwirken. Dopamin, Glutamat, divere Modulatoren usw. Jeder dieser einzelnen Bereiche lief und läuft durch seinen Hype. Manches half (ein bisschen), manches gar nicht und jedes mal stand man “kurz davor”.

  102. Der Begriff der Willenskraft wird oft einseitig verwendet.
    Wenn ein Sportler trainiert, dann sagt man, dass er Willenskraft hat.
    Wenn ein Sportler nicht trainiert, dann sagt man,
    dass er keine Willenskraft hat.
    Tatsächlich ist aber in diesem Falle sein Wille, nicht zu
    trainieren, stärker als sein Wille zu trainieren.
    Diese Seite seiner Willenskraft wird bloß von seiner
    Außenwelt als negativ bewertet.

  103. Karl Bednarik,
    wir können uns ja darauf einigen dass “Wille” zwei Seiten hat, eine Innere, die für die inneren Kämpfe zuständig ist, bis hin zur Lähmung jeglicher Aktivität und eine äußere Seite, die für die Handlungen zuständig ist, die wir als Entschlossenheit sehen und zu Gewissenskonflikte führen kann.
    Was die Sportler betrifft, das ist ja die Tragik der großen Talente, je größer die Begabung, desto bequemer wird der Schweinehund, trifft auch auf die Schüler zu.

    Ich sehe “Wille” nur als eine andere Bezeichnung für “Ich”, “Selbstbewusstsein”, “Geist”, “Ehrgeiz”, “Schaffenskraft”.
    Dahinter steht unausgesprochen auch die körperliche Aktivität, aber eben nicht nur. Der große Geist in einem schwachen Körper, der ist dann die Belohnung für die körperlich Benachteiligten.

  104. @ Schleim

    Falls es Sie interessiert:Helmuth Plessner, Hauptvertreter der Philosophischen Anthropologie sah auch die Verbindung zwischen Körper und Geist bzw. Körper ist Geist und hat übrigens in Groningen gelehrt.

  105. @Philipp

    Danke zu ihrem Ausführungen bzgl. Chaostheorie etc. die letztlich das bestätigen, was ich bzgl. Herrn Schleim mit ‘lamppost bias’ meinte: es gilt das Prinzip, dass das, was nicht ‘gesehen’, d.h. nicht wiederholbar gemessen werden kann, letztlich fallengelassen wird – oder von vorne herein komplett übersehen wird.
    Vor der Verfügbarkeit leistungsfähiger Visualisierungsmethoden auf Computern wurden die ganzen frühen Entdeckungen des Chaos und des Fraktalen von der akademischen Gemeinschaft lediglich als ärgerliche Störungen des euklidischen und deterministischen Weltbilds betrachtet und behandelt – als Störungen und Abberationen und Artefakte, die letztlich nicht relevant für unser Alltagsvertändnis der Welt sind. In Wahrheit trifft jedoch genau das Gegenteil zu, nur wollen wir es in vielen Bereichen schlicht nicht wahr haben, weil die Naturwissenschaft allgemein geradezu die gegenteilige Mentalität hat, die Keats mit ‘negative capability’ als wünschenswert beschreibt. Phänomene wir Unmessbarkeit, Unbestimmbarkeit und Einmaligkeit werden nicht maßgeblicher Teil der Realität begriffen, aus dem alles Messbare und Greifbare und Sichtbare und Verstehbare entspringt, sondern als Negation und Antagonismus, den man bestenfalls ignorieren, schlimmstenfalls bekämpfen muss.
    Dieser mentale ‘Klotz am Bein’ den die meisten Naturwissenschaftler höchstens mit ihrem schon immer unaufrichtigen Postulat der ewigen ‘Vorläufigkeit’ aller wissenschaftlichen Erkenntnis zu kaschieren versuchen, hindert uns seit langem an vielen möglichen Fortschritten.
    Letztlich ist der wissenschaftliche Positivmus sein eigener größter Feind, und wir befinden uns leider immer noch zu tief in der wissenschaftshistorischen Epoche der Überreaktion auf die vorigen Jahrhunderte, in denen ‘Wissenschaft’ nichts anderes als (Aber-) Glaube war.
    Solange das Pendel hier nicht deutlich wieder zurück schwingt und eben Platz lässt nicht nur für das noch-nicht-Gewusste, sondern das prinzipiell Un-wissbare sind wir lange noch nicht so erkenntnisfähig – oder nennen wir es direkter ‘weise’ – wie wir immer glauben.

  106. @ Erwin Neher:

    Ich kenne nur die alte Ausgabe. was ist in der aktuellen das neue?

    Wenn Sie die alte Ausgabe gelesen haben brauchen Sie die neue nicht unbedingt lesen. Es ist viele Jahe her das ich die alte Augabe las. Im Vorwort der neuen Ausgabe wird betont dass es sich um eine wirkliche Überarbeitung des Buches handelt und nicht nur hier und dort kleine Dinge verändert wurden. Soweit ich die erste Ausgabe noch im Kopf habe sind mir folgende Veränderungen aufgefallen:

    – Die lange Historie der Gehirnforschung, angefangen in der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit wurde in der neuen Ausgabe massiv gekürzt. Hier ist weniger Historie drin und man kommt schneller auf den Punkt bezüglich der heutigen kognitiven Neurowissenschaften.
    – Der IIT und GWT Bewusstseinstheorien wurden eigene Kapitel gewidmet. Wie zu erwarten übt Hacker auch hier seine Sprachphilosophische Kritik von oben bis unten durch und verwirft beide Theorien allein schon aufgrund ihrer sprachlichen Verwirrungen.
    – Es gibt einen Anhang in dem nacheinander auf die Kritik an Hacker von anderen Philosophen wie Dennett, Churchland und co eingegangen wird.

    Ansonsten ist das Buch nach wie vor eine endlose Aneinanderreihung sprachphilosophischer Kritik an den kognitiven Neurowissenschaften. Mit gefällt es, aber ich schätze die meisten meiner Kollegen würden das Buch nach 50 oder 100 Seiten genervt abbrechen.

    @ Sunflower:
    Bezüglich Ihrer Kritik: Zumindest in der Biologie und in den Neurowissenschaften ist das Thema complexity, fractals, etc. das Sie ansprechen lange angekommen. Der menschliche Körper ist voll von fraktalen morphologischen/anatomischen Strukturen und fraktalen temporal Prozessen/Dynamiken der Physiologie. Dazu gibt es auch viele wissenschaftliche Artikel sowie Bücher.

  107. @ Philipp

    Besten Dank für die Zusammenfassung der neuen Ausgabe. Dann werde ich mir diese sparen.

    Denke sie liegen richtig mit ihrer Einschätzung. Die meisten würden das Buch wohl nach ein paar Dutzend Seiten weglegen. Ist einfach trocken und etwas mühsam.

  108. @ Sunflower

    Ihre Ausführungen zum Wesen der Naturwissenschaften verwundern mich ein wenig. Die Betrachtung komplexer Systeme in den Naturwissenschaften ist nun schon viele Jahrzehnte alt und wurde ständig weiterentwickelt.
    Die Betrachtung desselben in den Massenmedien ist noch nicht so alt.
    Liegt vermutlich an der komplexen, nichtlinearen Natur dieser Systeme, was es schon mathematisch sehr viel schwieriger macht, solche Systeme zu erforschen. Da halfen einfach immer leistungsfähigere Computersysteme dieses zu berechnen (in numerischen Näherungen, exakte Lösungen kann es hierbei mathematisch nicht geben) und demzufolge zu visualisieren. Das hat nichts mit nicht wollen, oder Ergebnisse verwerfen zu tun.
    Kann mir aber gut vorstellen, wie dieses Missverständnis entsteht und ja, hier hätten vermutlich die Naturwissenschaften noch mehr an ihrer Didaktik arbeiten können.

  109. Hacker trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er sagt, dass die Unterscheidung zwischen Geist und Körper nicht eine ontologische, sondern eine grammatikalische Unterscheidung ist. Für ihn ist das Leib-Seele Problem ein Scheinproblem. Ähnlich formuliert es Richard Rorty.

    Die grammatikalische Differenz wird auf den Gegenstand übertragen und führt dort ein Eigenleben.
    Die tatsächliche Unterscheidung muss in jeder Einzeldisziplin (Physiologie auf der einen und Psychologie/Philosophie auf der anderen Seite) selbst formuliert werden.
    Eine übergreifende Sicht böte eine Systemtheorie des Subjekts als Metatheorie, die dann physiologisch bzw. psychologisch ausformuliert und miteinander korreliert werden könnte.

  110. @ Stegemann

    Ja, erst einmal ist es eine Frage von Disjunktion, Konjunktion und dann Adjunktion.

    Stellt sich die Frage, wo wir diese Wechselwirkung der Logik in der Physiologie wiederfinden? Ich meine im Elektomagnetismus, den Fundamentalen Wechselwirkungen(Grundkräften).

  111. @Sunflower // 24.12.2023, 10:03 Uhr

    Verstehe ich Sie richtig, dass sich die empirischen Wissenschaften mit Dingen beschäftigen sollten, die nicht beobachtbar sind?

    Wie soll das gehen?

  112. @Sunflower 24.12. 10:03

    „es gilt das Prinzip, dass das, was nicht ‘gesehen’, d.h. nicht wiederholbar gemessen werden kann, letztlich fallengelassen wird – oder von vorne herein komplett übersehen wird.“

    Entsprechend fallen alle Geisteswirkungen unter den Tisch. Auch wenn sie bei manchen Menschen das halbe Leben ausmachen. Naja, man kann sich ja gut auch jenseits von Wissenschaft bewegen.

    „Letztlich ist der wissenschaftliche Positivmus sein eigener größter Feind, und wir befinden uns leider immer noch zu tief in der wissenschaftshistorischen Epoche der Überreaktion auf die vorigen Jahrhunderte, in denen ‘Wissenschaft’ nichts anderes als (Aber-) Glaube war.“

    So manch einer kommt mir hier in erster Linie als Religionsflüchtling vor. In Abneigung gegenüber den durchaus wirklich unseligen Kirchen wirft man sicherheitshalber die ganze Spiritualität der Wirklichkeiten mit über Bord.

    @Stegemann 24.12. 12:48

    „Eine übergreifende Sicht böte eine Systemtheorie des Subjekts als Metatheorie, die dann physiologisch bzw. psychologisch ausformuliert und miteinander korreliert werden könnte.“

    Gute Idee, wobei ich mir hier durchaus dann da mittendrin eine Geisteswelt vorstellen kann. In jedem Fall begrüße ich ein solches Projekt, zumal auch mir ziemlich unklar ist, wie viel Geist genau hier zwischen der Physiologie verbaut ist.

    Und das ist ja auch alles bei der Weiterentwicklung von KI hilfreich. Warum keine KI mit eigener Seele bauen, wenn man denn wüsste, wie man das anfassen muss? Naja, nicht dass die Roboter dann noch einer Kirche beitreten, und mit in den Weihnachtsgottesdienst kommen wollen.

    @Balanus 24.12. 14:38

    „Verstehe ich Sie richtig, dass sich die empirischen Wissenschaften mit Dingen beschäftigen sollten, die nicht beobachtbar sind?“

    Alles was nur einmalig vorkommt, ist ja deswegen nicht unsichtbar. Es geht hier um Wiederholbarkeit, die eben von Geisteswelten nun mal wirklich nicht erwartet werden kann. Entsprechend blendet man die halbe Wirklichkeit aus, wenn man sich nur mit Wiederholbarem beschäftigt.

    Selbst die Einmaligkeit der eigene Seele fällt so schnell unter den Tisch. Was dann auch einem wirklichem Verständnis des einzelnem konkreten Menschen nicht näher kommt.

  113. @Mussi: Plessner u.a. (in Groningen/Utrecht z.B. Buytendijk, der Plessner bei der Flucht vor den Nazis geholfen hat) zählen zu einer Tradition, mit deren Denken ich mich durchaus anfreunden kann. Leider ist auch meine Lesezeit begrenzt.

  114. @Sunflower, Philipp: Man kann Positivismus…

    …auch einfach so verstehen, dass man sich eben auf das fokussiert, was man mit den vorhandenen wissenschaftlichen Methoden messen und aussagen kann.

    Man darf dann nur nicht den Fehler begehen (wie z.B. Materialisten, Naturalisten, Physikalisten…), daraus den Schluss zu ziehen, es gäbe nichts anderes.

    Das läuft im Wesentlichen auf das hinaus, was ich seit über 15(!) Jahren als Huxleys agnostisches Prinzip zitiere (z.B. hier). Dieses Prinzip der intellektuellen Redlichkeit halte ich für einen gemeinsamen Nenner von Wissenschaft und Philosophie.

  115. @Neher, Philipp: Philosophical Foundations of Neuroscience

    Man kann das Buch auch hervorragend kapitelweise verwenden, z.B. wenn einen gerade das Thema “Bewusstsein” interessiert. Das ist eben der Vorteil von so einem Kompendium.

    Wenn man Hackers sprachanalytische Methode verstanden hat, muss man auch nicht alle Kapitel studieren.

    P.S. Die kritische Auseinandersetzung mit Dennett und Searle war zwischenzeitlich schon als eigenes Büchlein erschienen. Praktisch – und konsequent, dass sie das jetzt ins Hauptwerk aufgenommen (und vielleicht etwas aktualisiert) haben.

  116. @Balanus, Sunflower: nicht beobachtbare Dinge

    Schon einmal von dunkler Materie und dunkler Energie gehört?

    P.S. Hätten sich die Naturwissenschaften nie mit bisher Unbeobachtetem beschäftigt, hätten sie die meisten Beobachtungen erst gar nicht gemacht! 🤭

  117. @Stephan

    »Schon einmal von dunkler Materie und dunkler Energie gehört? «

    Nee, was soll das sein? 😉

    Aber von der „dunklen Materie“ in der menschlichen DNA habe ich schon gelesen. Ist übrigens ein Beispiel dafür, dass auch in der Biologie nicht immer alles mit rechten Dingen zugeht—mit der Folge, dass in diesen Fällen nicht mehr wirklich von ‚Guter Wissenschaft‘ gesprochen werden kann.

    Die Entdeckung, dass es offenbar „dunkle“, also nicht sicht- und nur indirekt messbare Materie (im Kosmos) gibt, zeigt doch, dass @sunflowers Rede vom „lamppost bias“ unzutreffend ist (um es mal milde auszudrücken, ist ja noch Heilig Abend).

  118. @ Erwin Neher 23.12.2023, 17:06 Uhr
    @ Philipp

    Dass „Bewusstsein“ eine aus dem Empfindungsphänomen hervorgehende Emergenz sein könnte, mit diesem Ansatz „ernte“ ich nicht gerade viel Zustimmung.

    Um die KI „kreativer“ zu machen, beschäftigt mich der Gedanke, das nachstehende Konzept sozusagen „umzudrehen“ (eine Art von „Rückwärtssuche“).

    Normalerweise untersucht und erklärt die Wissenschaft ein Phänomen nach den üblichen Methoden, Z.B. mit Experimenten. Danach wird z.B. nach ähnlichen (dualistischen) Mustern und deren Gleichungen gesucht. Z.B. das Schwingen einer Feder und elektrische Schwingungen in einem Schwingkreis. Letztlich kann man Phänomene ausreichend erklären und auch nutzen (z.B Schwerkraft).

    Oder konkreter: Man scannt z.B. auf MRT Aufnahmen nach typischen Mustern für eine Krebserkrankung, wobei die KI inzwischen recht erfolgreich ist.

    Macht man das systematisch, so kommt man auf statistische Zusammenhänge zwischen Phänomen – (graphische Musterabbildungen) – Gleichungen.

    Man könnte umgekehrt aus graphischen (z.B. fraktalen) Mustern und den Gleichungen nach unbekannten Phänomenen suchen um so Erklärungen für (noch) unbekannte Phänomene zu finden?

    Konkreter: Mann scannt z.B. MRT Aufnahmen nach künstlich generierten Mustern und versucht statistische Korrelationen mit bestimmten Krankheiten zu finden?

    Der Vorteil wäre, dass man auch echte kausale Korrelationen finden könnte, die man zunächst gar nicht vermutet.

    Das könnte man ausweiten: Welche abstrakten Muster korrelieren (entsprechend kodiert), mit bestimmten Verhaltensmustern und wie korrelieren die gefundenen Verhaltensmuster mit Krankheiten?

    Das Konzept könnte man nochmals erweitern: Z.B. auf soziale Prozesse, oder womöglich auf allgemeine wissenschaftliche Fragestellungen?

    An sich scheint das Konzept banal, aber erst jetzt scheint es mit KI Methoden allgemein realisierbar, weil man die Möglichkeit hätte, vorhandene riesige „Datenfriedhöfe“ systematisch zu scannen.

    Bisher war man praktisch darauf angewiesen, dass „Forschern“ zufällig Zusammenhänge oder Korrelationen aufgefallen sind. Gutenberg ist z.B. aufgefallen, dass Gegenstände „Abdruckmuster“ beim Keltern hinterlassen und er hat das für den Buchdruck genutzt.

  119. @ Elektroniker:

    Was Sie ansprechen wird so oder so ähnlich schon sehr lange umgesetzt. Sie liegen natrlich richtig dass die KI heute dabei noch unterstützen kann und sicherlich Optionen bietet die es früher nicht gab (aber ich kenne mich mit KI nicht aus).

    Nur soviel: Sie können die Analyse von Daten beispielsweise sehr grob in theory-driven und data-driven Methoden unterscheiden.
    – Bei theory-driven nutzen Sie z.B. ein Modell um die Daten entsprechend auszuwerten, zu verarbeiten, bestimmte Aspekte des Signals hervorzuheben während Sie andere Aspekte des Signals gezielt unterdrücken.
    – Man weiß vielleicht nicht immer was man genau erwartet und wie etwas zu modelln ist. Data-driven approaches können dann sinnvoll sein. Ein Standardbeispiel für einen data-driven approach in Neuroimaging wäre z.B. die independet component analysis (ICA).

    Ihre grundsätzliche Idee ist also bereits sehr alt. Aber natürlich werden diese Methoden immer weiter entwickelt und es kommen neue Methoden hinzu.

  120. @Balanus, Sunflower: akademische Redlichkeit

    Ich gebe mal den frommen Wunsch mit auf den Weg, sich darauf zu besinnen, dass ein akademischer Kernwert die Redlichkeit ist, die beinhaltet, dass man einen Fehler auch einfach mal einräumt – anstatt z.B. permanent das Thema zu wechseln.

    Lese-Tipp: Özmen (2021) (Hrsg.). Wissenschaftsfreiheit im Konflikt: Grundlagen, Herausforderungen und Grenzen.

  121. … Kausalität – freier Wille …

    Auch freier Wille hat eine Ursache/einen Zusammenhang (entsteht nicht “aus heiterem Himmel“/zufällig – ist, insofern, determiniert/“kausaliert“). Trotzdem gibt es, m.M.n., einen freien Willen – wir können unser “Schicksal“ beeinflussen/ändern. Es ist jedoch sehr schwer sich von den (zusammenfassender Begriff) evolutionären Prägungen – die ja auch nicht alle falsch sind – zu lösen. Und: Diese meine (subjektive) Meinung hat natürlich auch einen Grund/Kontext (ist, wie gesagt, determiniert/beeinflusst). Und: Ein (nicht vorherbestimmter) Anfangs- bzw. Endzustand dieses Prozesses ist, meine ich, nicht zu erkennen (bzw. verliert sich in anfangs- bzw. endloser Raumzeit).

    Ein aktueller, nicht unpassender Beitrag zum Thema: https://www.nature.com/articles/d41586-023-04024-z.

  122. @ Philipp 25.12.2023, 11:48 Uhr

    Danke für die Antwort. Finde es sehr interessant, dass Sie direkt auf Ebene der „Signalverarbeitung“ an die Problemlösung herangehen.

  123. Axel Krüger,
    ergänzend zu deiner Vorstellung, dass ein freier Wille auch ursächlich sein kann, sei an den bi-tree in der Mathematik erinnert. Das ist eine Zahlenfolge, die sich bei jedem Schritt aufspaltet, so dass alle Möglichkeiten in ihrem Verlauf determiniert sind, die konkrete Zahlenfolge aber nicht. Und da Zahlenfolgen unendlich sein können, ist die gerade entstehende Zahlenfolge einzigartig und somit nicht determiniert. Wer behauptet, sie sei determiniert, der kann in die Zukunft schauen.

  124. @Krüger: Quanten & Determinismus

    Danke für den Hinweis; in meinem Buch schrieb ich auch über das Thema (siehe z.B. “Der liebe Gott würfelt nicht!” Einstein und der Determinismus).

    Dieser zum Nachdenken anregende Essay eines Wissenschaftsphilosophen in Nature zeigt einmal mehr, dass man sich das Universum deterministisch oder nicht-deterministisch vorstellen kann. Nach meinem Wissensstand lassen sich deterministische Theorien zwar widerspruchsfrei beschreiben, deuten die empirischen Funde aber auf echten Indeterminismus. Es liegt aber auch daran, ob man die Quanten-Unbestimmtheit ontologisch deutet, also als echten Indeterminismus, oder epistemisch, also als Grenze unseres Wissens.

    P.S. Wenn man, wie ich, den Standpunkt vertritt, dass die Determinismusfrage für die Frage nach freien Willensentschlüssen irrelevant ist, kann man auch sagen: Gut, dass wir darüber geredet haben!

  125. Stephan Schleim,
    nach google:“Freier Wille bedeutet, dass Menschen selbstbestimmt handeln. Ihre Wünsche und Absichten sind Ursachen ihrer Handlungen. So gesehen ist es nicht überraschend, dass sich Entscheidungen aus Reizmustern im Gehirn vorhersagen lassen. Denn dort sind auch unsere Wünsche und Absichten versteckt. „

    Das ist logisch und einsichtig. Menschen können sich gegenseitig einschätzen, wenn wir bei Einschätzen Fehler machen, dann gibt es Streit.
    Also, worin besteht dann die Freiheit.?
    Sie besteht darin, dass wir eine bestehende Ordnung aus Überzugung akzeptieren, nicht weill wir dazu gezwungen werden. Es ist ein Akt der Sozialisation.
    Und deshalb ist dieser Akt gesetzlich geschützt, Die Freiheit der Meinungsäußerung ist geschützt.
    Und das setzt wieder voraus, dass der Willensakt ohne äußeren Zwang stattfinden muss .
    Und es geht noch weiter, der freie Wille gehört zur Würde des Menschen..
    Die Würde des Menschen ist unantastbar., heißt es im Grundgesetz.
    Und im Umkehrschluss ist es deshalb fragwürdig, den Willen des Menschen mit Medikamenten zu beeinflussen.

    Das war jetzt einmal eine andere Sichtweise zum Thema freier Wille.

  126. @ Elektroniker:

    Danke für die Antwort. Finde es sehr interessant, dass Sie direkt auf Ebene der „Signalverarbeitung“ an die Problemlösung herangehen.

    Die “Signalverarbeitung” nannte ich weil Sie bei Daten zur Gehirnaktivität nichts anderes haben. Bei EEG haben Sie ein Signal bzw. eine Zeitreihe für jede Elektrode. In fMRI haben Sie eine Zeitreihe für jeden Voxel. Mehr haben Sie normalerweise nicht. Basierend darauf müssen Sie alles analysieren. Deshalb muss man heute so gut programmieren können. Die besten theoretischen Ideen bringen nichts wenn man Sie mit Python, Matlab oder was auch immer nicht programmieren kann um sie praktisch zu testen.

    Zu dem Thema des “freien Willen” können Analysen aus dem Bereich Neuroimaging meiner Ansicht nach nichts beitragen. Das Thema freier Wille ist ein metaphysisches der Philosophie. Es geht schon mit der Definition und den metaphyischen Prämissen los.

    Was anderes wären Themen wie “sense of agency (SOA)” oder “sense of ownership (SO)”. Hier kann man empirisch meiner Ansicht eher was sinnvolles machen.

  127. @Neumann: Das klingt dann schon sehr nach Kompatibilismus. Und diesen vertritt heute wohl die Mehrheit der Philosoph*innen. (D.h. eine Entscheidung ist genau dann frei, wenn sie, kurz gesagt, von einem selbst und im Einklang mit seinen Wünschen/Präferenzen getroffen wird.)

    Aber dass Hirnforscher in der freien Wildbahn Entscheidungen aus Gehirnaktivität hervorsagen können, das wäre mir neu. 😉

  128. Hallo Herr Schleim.
    Zu diesem Thema:
    Eine Entscheidung ist genau dann frei, wenn sie, von einem selbst
    und im Einklang mit seinen Wünschen oder Präferenzen getroffen wird.
    Dazu gibt es zwei Fragen:
    Was verursacht die Wünsche oder Präferenzen?
    Wie wirkt sich die relative Stärke zwischen den verschiedenen
    Wünschen oder Präferenzen aus?

  129. Stephan Schleim,
    Bei einem Heiratsschwindler kann eine Frau natürlich nicht aus der Körpersprache oder Mimik ablesen, was der Mann vorhat. Der Gehirnforscher, der könnte das eher, weil er wie ein Mann denkt. Ich denke, die Gehirnaktivität kann man im Gesicht lesen. Roter Kopf z.B, Stirnrunzeln, Zusammenziehen der Pupillen. Die Wahrsagerinnen mit der Glaskugel, die sollte man in diesem Zusammenhang mal befragen.
    Wenn es allerdings abstrakte Gedankengänge sind, dann funktioniert das nicht mehr. Oder wissenschaftlicher formuliert, bei rein rationalen Gedankengängen ist” Gedankenlesen” fast unmöglich, bei emotionalen Gedankengängen ist das Gedankenlesen eine Voraussetzung für eine glückliche Ehe.

    Weiterhin viel Freude beim Festtagsessen.

  130. Endlich haben wir’s, wir müssen kompatibel sein. Wir müssen uns anpassen können, damit wir uns in der Welt behaupten können. Das passt auch gut zur Erklärung der Evolution.
    Und mit dieser Einsicht gewappnet, begegnen wir unseren Mitmenschen unserer Umwelt und im Jungle auch unseren “Mit-tieren.

    So, und wo bleibt jetzt der freie Wille? Der muss auch kompatibel bleiben.
    Gegen einen Löwen kann man nicht willentlich gewinnen, dazu braucht es schon ein Gewehr.
    Also, was folgt daraus, freier Wille ohne Werkzeug , das funktioniert nicht. Der freie Wille muss gepaart sein mit Vernunft und die Einsicht in die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten.

    Wer sich dabei überschätzt, der scheitert.
    Wer sich unterschätzt, der bleibt unzufrieden.

  131. Hallo Herr Schleim.
    Die Wünsche können angeboren, anerzogen, oder erlernt sein, oder
    durch Wechselwirkungen der primären Wünsche mit der Umwelt entstehen.

  132. @ Philipp 25.12.2023, 21:55 Uhr

    Zitat: “Die “Signalverarbeitung” nannte ich weil Sie bei Daten zur Gehirnaktivität nichts anderes haben.“

    Das sehe ich ganz genau so. Sie müssen in Ihrem Job mit dieser Realität zurecht kommen. Die Elektroniker sind ehemals auf die Digitaltechnik umgestiegen und haben das Problem mit den verrauschten Signalpegeln behoben, weil sie nur mehr 2 definierte weit auseinander liegende Pegel nutzen (z.B. 0 Volt und 5 Volt). Es ist nur noch das „Kippproblem“ gelegentlich von Belang und die Elektronik muss neu „gestartet“ werden (Reset).

    In der Informatik gibt es das Problem der „Widersprüche“, die hauptsächlich dann auftreten, wenn die „Objekte“ nicht korrekt „deklariert oder verknüpft“ werden. Das Problem haben auch die Philosophen/Linguisten, von denen man „Beschreibungen von Sachverhalten“ erwartet, obwohl grundlegende Mechanismen (noch) nicht bekannt sind.

    Beim „freien Willen“ erwartet man, dass etwas „Gutes herauskommt“ er „vernünftig und auch frei“ ist. Er ist es aber nicht, weil die Informationsverarbeitung im Gehirn prinzipiell „Fehler behaftet“ und von „individuellen Einflüssen“ abhängig ist, die z.B. Psychologen/Hirnforscher nur teilweise besser verstehen, als „Normalos“.

    Andererseits vermute ich, dass eine Gesellschaft die von „strenger Logik“ und absoluter „Gleichschaltung“ und Ausschaltung aller „individuellen Einflüsse“ geprägt ist, gar nicht existenzfähig wäre. Zumindest wenn die Lebensumstände komplexer als im „Ameisenstaat“ sind.

  133. @Bednarik: Und vielleicht, ganz vielleicht können wir sogar bewusst darüber reflektieren – und dann auswählen, welchen wünschen wir nachgehen und welchen nicht; und vielleicht, ganz vielleicht hat dieses Abwägen und Auswählen sehr viel mit freien Willensentschlüssen zu tun.

  134. Hallo Herr Schleim.
    Die Aufgabe des freien Willens ist es ja gerade, zwischen den verschiedenen Wünschen auszuwählen.
    Jene Wünsche, für die gute Gründe sprechen, determinieren dann das Ergebnis.
    Der freie Wille ist ein notwendiger Teil des determinierten Entscheidungsprozesses.
    Man benötigt den freien Willen, um zu ermitteln, welches Ergebnis determiniert ist.

  135. @ Elektroniker:

    Die Elektroniker sind ehemals auf die Digitaltechnik umgestiegen und haben das Problem mit den verrauschten Signalpegeln behoben, weil sie nur mehr 2 definierte weit auseinander liegende Pegel nutzen (z.B. 0 Volt und 5 Volt).

    Bezüglich des Libetexperiments, dem Signal/Rauschen und dem freien Willen:
    Beispielsweise werden die sogenannten event-related potentials (ERPs) bei dem hier im Blog angesprochenen EEG Libetexperiment über viele trials/events (viele Wiederholung der Aufgabenstellung für den Probanden) gemittelt um so ein signifikantes Signal aus der laufenden Aktivität herauszufiltern. Was dann als Ergebnis präsentiert wird sind u.a. Mittelwerte über viele einzelne trials/events hinweg.

    Das was Libet als readiness potential gemessen hat war ein solcher Mittelwert über viele ERPs. Die Einzelwerte hatten eine sehr große Spannbreite bezüglich des Zeitabstands zur “bewussten” Willensentscheidung.

    Es gibt z.B. auch EEG Studien die sogar Signale aus dem Hirnstamm messen können, sogenannte auditory brain stem reponses. Dafür muss das event/trial ganze +-10.000x präsentiert bzw. wiederholt werden um ein signifikantes Signal aus der laufenden Aktivität herauszufiltern. Dem Probanden werden dann ganz schnelle Klickgeräusche abgespielt. Aber die Reaktion der Gehirnaktivität im Hirnstamm jene mit EEG messbar ist fällt bei jedem event/trial zu gering aus um sie aus dem Grundrauschen deutlich ermitteln zu können. Deshalb muss das Klickgeräusch ca.10.000x abgespielt werden sodass sich aus minimal messbaren Reaktionen nacher eine signifikante Mittelwertreaktion berechnen lässt.

  136. @Stephan 25.12. 17:47 / 26.12. 12:27

    „Es liegt aber auch daran, ob man die Quanten-Unbestimmtheit ontologisch deutet, also als echten Indeterminismus, oder epistemisch, also als Grenze unseres Wissens.“

    Was in der Praxis nicht so wichtig wäre. Ist der Quantenzufall aber eine Schnittstelle zu Geisteswelten, dann wäre das schon mehr. Inspirationen könnten dann etwas grundlegender sein, und sich auch auf den letztendlichen Willen auswirken.

    So oder so, der Willensbildungsprozess dürfte genau das sein, worauf es wirklich ankommt. Wird der von Anfang bis Ende vernünftig angegangen, dann kommt auch was Vernünftiges dabei heraus. Manchmal fehlt dafür einfach die Zeit, oder man ist denkfaul, dann jedenfalls macht man auch schnell mal Mist.

    „..und dann auswählen, welchen wünschen wir nachgehen und welchen nicht; und vielleicht, ganz vielleicht hat dieses Abwägen und Auswählen sehr viel mit freien Willensentschlüssen zu tun.“

    Ich denke mal auf jeden Fall. Wohin man sich überhaupt bewegen will, ist doch grundlegend, und es lohnt sich überaus, sich dafür wirklich Zeit für zu nehmen.

    Vernünftige Ideen, was man wie umsetzten kann, sind jetzt aber auch entscheidend. Hier kommt dann vielleicht auch mal Inspiration dazu. Manchmal bewegt man sich auch einfach dahin, wo man gut mit klarkommt.

  137. @ Bednarik

    Die Naturwissenschaften gehen mitlerweile von einer Selbstorganisation des Sein/der Wirklichkeit.
    Da stellt sich die Frage, wie der Impuls funktioniert und was Einfluss auf ihn hat.

    Wenn ich Sie richtig verstehe,dann sehen Sie Kausalität als Impulsserie.
    Was aber, wenn es zwei unterschiedliche ‘Anlässe’ für unterschiedliche Impulse gibt, die zumindest gedanklich eben nicht kausal sind?

    Im Grund haben wir null Ahnung, was Einfluss auf den Impuls hat. Manchmal das Ich, aber manchmal auch eben nicht. Oder?

  138. @ Philipp 26.12.2023, 14:53 Uhr

    Über einen sehr interessanten Zugang zu „Hirnsignalen“ hat Frau Anthes hier auf scilogs berichtet.

    Ich habe in einem Beitrag die Vermutung geäußert, dass man damit einen Zugang zum „sprachlichen Bewusstsein“ gefunden hat, zumal die Signale in relativ leicht zugänglichen Bereichen der Hirnhaut direkt abgegriffen wurden und mit KI ausgewertet wurden.

    Ich vermute dass Bewusstseinsinhalte hauptsächlich auf flachen, hautartigen Strukturen, wie auch der Hirnhaut zur „Abbildung“ (im mathematischen Sinn) kommen.

    Herr Bednarik und Herr Jeckenburger haben über andere Zugangsmöglichkeiten spekuliert.

    Beim „Unterbewusstsein“ könnte synchron (in bestimmten Zeitschlitzen an bestimmten Stellen) auch ohne „Haut“, in nur räumlichen Strukturen auftretende „Synchronizität von Signalen“ (verursacht durch Hirnwellen) eine Rolle spielen? Vermutlich sieht auch Prof. Singer (Bindungsproblem) die Sache ähnlich.

    Der Nachteil beim Blog der Frau Anthes ist nur, dass es nicht so „offen“ ist, was eine rege Diskussion praktisch unmöglich macht.

  139. @Karl Bednarik

    »Der freie Wille ist ein notwendiger Teil des determinierten Entscheidungsprozesses. «

    Was genau verstehen Sie unter „frei“ im Zusammenhang mit dem Willen? „Frei“ in Bezug auf was? „Frei“, weil Ihnen bei der Entscheidung keiner reinredet? Diese Art von „Freiheit“ steht bei willentlichen Entscheidungen doch eigentlich nicht zur Debatte, oder?

  140. Solange man garkeine Wünsche hat, hat man keinen
    Grund etwas zu denken oder zu tun.
    Wo die Wünsche herkommen, habe ich gerade oben beschrieben.
    Wenn man mehrere Wünsche hat, dann wählt
    der freie Wille zwischen ihnen aus.
    Natürlich bevorzugt der freie Wille die wichtigen Wünsche.
    Die Willensfreiheit ist der Determinismus
    durch die wichtig erscheinenden Gründe.

  141. @Karl Bednarik

    » Wenn man mehrere Wünsche hat, dann wählt der freie Wille zwischen ihnen aus.«

    Mein Wunsch wäre jetzt, eine Antwort auf meine oben gestellten Frage zu bekommen:

    Was genau verstehen Sie unter „frei“ im Zusammenhang mit dem Willen?

    Oder anders gefragt: Unter welchen Umständen muss der Wille als „frei“ bezeichnet werden?

    Oder nochmal ganz anders, ergänzen Sie bitte den Satz:

    Der menschliche Wille ist „frei“ genau dann, und nur dann, wenn … !

  142. @ Elektroniker:

    Ich habe in einem Beitrag die Vermutung geäußert, dass man damit einen Zugang zum „sprachlichen Bewusstsein“ gefunden hat, zumal die Signale in relativ leicht zugänglichen Bereichen der Hirnhaut direkt abgegriffen wurden und mit KI ausgewertet wurden.

    Ich vermute dass Bewusstseinsinhalte hauptsächlich auf flachen, hautartigen Strukturen, wie auch der Hirnhaut zur „Abbildung“ (im mathematischen Sinn) kommen.

    Entweder ich verstehe Sie falsch oder Sie haben etwas falsch verstanden. Die neuronale Aktivität findet nicht in der Hirnhaut statt (es gibt drei Hirnhäute, wobei die Dura mater die dickste und äußerste ist, ähnlich beschaffen wie feines und dünnes Leder). Bei EEG Aufnahmen wird Strom gemessen der durch die Hirnhäute und den Schädel hindurch auf die Kopfhaut übertragen wird. Aber durch die Hirnhaut und insbesondere durch den dicken Schädelknochen wird das Signal verschmiert, die signal-to-noise ratio wird geringer. Auch ist das Signal deshalb räumlich weniger genau lokalisierbar.

    Wenn Sie nun den Schädel aufschneiden können Sie Elektroden direkt auf die Hirnhaut legen und somit die Gehirnaktivität messen (ECoG Aufnahmen). Noch besser wird das Signal wenn man zusätzlich die Dura mater aufschneidet sodass die Elektroden direkt auf die Gehirnoberfläche gelegt werden können (statt auf die Dura). Davon spricht Lea Anthes in ihrem Blogbeitrag. Die Signale enstehen nicht in der Haut oder der Oberfläche des Gehirns, sondern sie stammen u.a. aus Dendriten der Hirnrinde die alle räumlich relativ ähnlich ausgerichtet sind sodass sich aus einzelnen Dendriten (die ein nicht messbares Signal hätten) über die Masse der Dendriten ein ausreichend starkes elektrisches Signal (elektrische Dipole) summiert das dann via den Elektroden messbar ist. Dabei wird weniger das Signal in den Sulci (den Furchen des Gehirns gemessen), da die elektrische Dipole hier “zur Seite” weg von den Elektroden zeigt, sondern das Signal oben auf den Gyri (auf den Windungen). Umgekehrt ist es mit MEG; MEG misst eher das Signal der Sulci, weniger der Gyri (da es die magnetischen Felder aufgreift die um 90° versetzt zu der elektrischen Dipole stehen).

    Deshalb: “freier Wille”, “Bewusstsein”, etc. wird nicht auf der Hirnhaut abgebildet, sondern korrespondiert mit der Aktivität im Gehirn, im Körper, etc.

  143. @ Philipp 27.12.2023, 12:35 Uhr

    Ich bin kein Mediziner und deswegen werde ich, wenn es um strukturelle Details geht sehr vage.

    Ich erinnere mich noch gut daran, wie ehemals Medizinstudenten strukturelle Details, angefangen von den zahlreichen Knöchelchen der Gliedmaßen bis hin zu den Strukturen im Gehirn lernen mussten und wenn ihnen nur ein „Knöchelchen“ bei der Prüfung nicht eingefallen ist, bei der Prüfung durch gerasselt sind.

    Zitat: „Ich habe in einem Beitrag die Vermutung geäußert, dass man damit einen Zugang zum „sprachlichen Bewusstsein“ gefunden hat, zumal die Signale in relativ leicht zugänglichen Bereichen der Hirnhaut direkt abgegriffen wurden und mit KI ausgewertet wurden.“

    Das sollte man mir durchgehen lassen. Diese Bereiche dürften gemäß dem „Brückenschaltungskonzept“ mit „Sprechwerkzeugen“ in „Wechselwirkung“ stehen.

    Zitat: „Ich vermute dass Bewusstseinsinhalte hauptsächlich auf flachen, hautartigen Strukturen, wie auch der Hirnhaut zur „Abbildung“ (im mathematischen Sinn) kommen.“

    „Auf hautartigen Strukturen“, da war ich ungenau und „daneben“. Die Haut ist in der Hauptsache eine „mechanische Tragschicht“.

    Allerdings dürften sich „besondere Zellen“, z.B. sensorische Zellen, oder Neuronen mit verschiedensten Aufgaben, vielleicht sogar „Empfindungen realisierende Zelltypen“ auch in diesen Bereichen (in der Nähe einer Haut) befinden. Im Bereich der Netzhaut (Zapfen, Stäbchen) dürfte es tatsächlich so sein.

    Auch ist es naheliegend, dass Sie „Strukturdetails“ wesentlich exakter formulieren als ich.

    Meine besondere Vermutung ist aber, dass nahe von Häuten oder Zwischenschichten, einerseits auf bestimmten Zellen Input „abgebildet“ wird, anderseits dort auch (auf anderen Zellen) der Output zur „Abbildung kommt“ und sozusagen „Zwischenergebnisse“ auf weiter Stufen koppeln können.

    Vor dem Auge befindet sich der „optischen Teil“ der Verarbeitung, dahinter beginnen sofort die „Neuronengatter“ zur Auswertung. Dieses Prinzip vermute ich an mehreren Stellen.

    Wesentlich dürfte, wie erwähnt, auch das „Brückenschaltungskonzept“ der Elektronik bedeutsam sein. Bedeutet, auf einer Seite das die Prozesse realisierende Netzwerk, dass in Wechselwirkung auf die andere Seite, die „Nachbildungsseite“ in Richtung Hirnhäute koppelt. (Ich habe gelesen, dass angenommen, Nervenreize auf der Ferse eine Entsprechung auf der Hirnhaut haben sollen).

    Im Auge („Netzhautbereich“) sind es visuelle Bewusstseinskomponenten, im Beispiel der Frau Antes, zur Sprache gehörige Komponenten. Es sind relevante Informationen, die „Sinn haben“ und fürs Bewusstsein „geeignet scheinen“. Die Verarbeitung der Signale erfolgt in den „Tiefen der Struktur“ in Verknüpfungen. Das sind so etwas wie „Zwischenrechnungen“ die weniger für das „Bewusstsein“ von Bedeutung sind.

    An den hautartigen Abgrenzungen sammeln sich hauptsächlich die relevanten Informationen, vergleichbar mit auf eine Wand geworfene Bildern. (Filmleinwand) . Es wäre auch naheliegend, dass an diesen Stellen verschieden Zellen jeweils bestimmte Aufgaben, z.B. sensorische oder empfindende oder weitere Prozesse steuernde Funktionen wahrnehmen. Z.B. befinden sich in der Nähe der Hautoberfläche der großen Zehe sensorische Zellen die wahrnehmen, dass man sich einen Nagel eingetreten hat. Korrespondierende Zellen im Gehirn werten die Situation aus und steuern die Reaktionen….

    Eine zweite Möglichkeit (statt „Haut nahe“ Bereiche, „tiefe“ Bereiche), sind durch Hirnwellen „aufgezwungene Synchronitäten“, weil diese „Hirnwellen“ an vielen Neuronen gleichzeitig ansetzen und bewirken dass Nutzsignale, wie von einer „breiten Baggerschaufel“ durch das System verschoben werden und Handlungen steuern.

    Ich glaube mich zu erinnern, dass Sie von spontanen „Oszillationen“ von einzelnen Neuronen bis zu Verbänden berichtet haben. Kann man sich vorstellen, wie verschieden breite „Baggerschaufeln“.

    Der „freie Wille“ ist das Ergebnis von Signal Verknüpfungen (synaptisch und neuronal), das stimmt immer.

    Bewusstsein „entsteht“ in bestimmten Zellen (z.B. sensorischen) die eher im Bereich von Haut- bzw. Zwischenschichten angeordnet sind und weniger in der Tiefe der neuronalen Verbände.

    Unterbewusstsein könnte eher in der Tiefe entstehen. Dort soll es weniger z.B. sensorische Zellen geben, die „Empfindungen/Bewusstsein“ generieren könnten.

  144. @ Elektroniker:

    Sie werfen zuviele Begriffe und Konzepte in den Raum, ich kann nicht mehr auf alles reagieren. Daher nur eine Antwort auf einen Punkt

    Ich glaube mich zu erinnern, dass Sie von spontanen „Oszillationen“ von einzelnen Neuronen bis zu Verbänden berichtet haben. Kann man sich vorstellen, wie verschieden breite „Baggerschaufeln“.

    Ca. 90-95% des Gehirnmetabolismus von Sauerstoff und Glucose geht für die Spontanaktivität (Eigenaktivität) des Gehirns drauf, ja. Das Gehirn ist wie das Herz immer und dauerhaft spontan aktiv. Es teilt sich mit dem Herzen sogar viele gleiche Typen von Ionenkanälen in den Neuronen die es ermöglich dass diese Neurone ohne externen Input von anderen Neuronen feuern können, also spontan bzw. selbstständig aktiv sind.

    Inputs aus dem Körper und aus der Umwelt machen umgekehr nur ca. 5-10% des Energieverbrauchs aus. Allein deshalb ist es empirisch betrachtet schon absurd zu behaupten dass das Gehirn durch die Welt determiniert sei.

    Das Gehirn ist bedingt durch seine Struktur und Physiologie ein komplexes System:
    – Es besitzt eine Eigenorganisation (self-organization). Für diese self-organization sitzt aber keine Zentraleinheit irgendwo im Gehirn die alles managed, sondern die self-organization entsteht u.a. durch die non-lineare Interaktion aller Einzelteile.
    – Durch diese non-lineare Interaktion alle Einzelteile auf der mikroskopischen Ebene entsteht auf der makroskopischen Ebene sowas wie Erleben und Verhalten das aber wiederum NICHT durch eine Analyse der mikroskopischen Ebene erklärbar ist.

    Deshalb muss so etwas wie die Eigensteuerung des Organismus (z.B. Verhaltensweisen die der Organismus zeigt) durch Prozesse erklärt werden jene aus der Interaktion riesiger Zellgruppen, Netzwerke, Dynamiken, etc. entsteht.

    Für diese self-organization ist z.B. das Konzept der Kritikalität (criticality) von Relevanz, da in einem schmalen Arbeitsbereich der Physiologie (weder zu stark sub- noch suprakritisch) alles vereinfacht ausgedrückt in einem Konzert miteinander arbeitet sodass z.B. Bewusstsein entsteht. Dafür muss z.B. eine Balance zwischen Integration (das was Sie mit synchron feuernden Neuronenverbänden angesprochen haben) und segmentation geben. Wenn alles synchron feuert würde man Bewusstsein verlieren, wenn gar nichts mehr synchron feuert ebenfalls.

    Die “niederen” Gehirnareale, also die jene direkter mit der Umwelt verbunden sind, also z.B. visueller oder auditory cortex, müssen mehr Arbeit bezüglich segmentation leisten. Diese sind dauerhaft inputs aus der Umwelt ausgesetzt. In der Umwelt können schnell wechselhafte Inputs vorliegen. Geräusche die sich schnell ändern, visuelle Szenen, etc. Diese müssen schnell gesampled werden, d.h. schnell aufgenommen und segmentiert. Dafür benötigen sie schnelle Frequenzen bzw. kurze Wellenlängen der neuronalen Aktivität. Sodass diese Areale schnell aufnahmefähig sind.

    Dafür transportieren diese Areale Information nur schlecht über die Zeit. Alles was Vorteile hat hat auch Nachteile. Hier kommen Gehirnareale ins Spiel die eher zentral liegen, höhere Netzwerke (higher-order regions wie man so schön sagt). Default-mode network etc. Diese Areale reagieren erst deutlich später d.h. langsamer auf Umweltinputs. Dafür integrieren sie viele Inputs über die Zeit. Sie leisten integration statt segmentation.

    Jetzt stellen sie sich eine anatomische und physiologische Hierarchie im Gehirn vor. Je weiter sie von den an die Umwelt gekoppelten Arealen hoch in der Hierachie gehen, umso mehr integration statt segmentation haben Sie. D.h. die inputs aus der Umwelt werden aufsteigend in der Hierachie abgepuffert, aber dafür zunehmend integriert. Irgendwann haben sie dann in höheren Arealen die visuellen und auditorischen inputs zusammen integriert.

    Alles in der Summe ist für Bewusstsein und bewusste Willensentscheidungen oder was auch immer notwendig.

  145. Danke, Karl Bednarik,

    für die Antwort.

    Wie ich sehe, haben Sie sich den Standpunkt der Kompatibilisten zu eigen gemacht.

    Das Problem dabei ist nur, dass für Kompatibilisten, soweit es um den Willen geht, „frei“ letzten Endes gleichbedeutend ist mit „bedingt“ und/oder „determiniert“.

    Das ergibt (für mich) keinen Sinn. Wobei der Einwand, es gäbe da ja noch das bewusste Abwägen der verschiedenen Determinanten (Gründe, Motive, Bedingtheiten), die Sache nicht besser macht, sondern das Problem mit der Freiheit nur verlagert.

  146. @ Philipp 28.12.2023, 09:20 Uhr

    Das Konzept der „Brückenschaltung“ ist in der „Gehirnelektronik“ derart bedeutsam, dass ich es ansprechen wollte. Aus technischer Sicht müssen sozusagen die „Leitungslängen“ kompensiert werden. Sie werden das Konzept vermutlich im Zusammenhang mit EEG Geräten kennen. Die haben einen „symmetrische Leitungseingang“ um „Störsignale“ zu kompensieren.

    An der „Schnittstelle zur Umwelt“, also im Bereich der Hautschichten, spielt sich einerseits das sensorische andererseits das motorische Geschehen hauptsächlich ab. An den „Hirnhaut nahen Bereichen“ ist das was Nachrichtentechniker „Nachbildung“ bezeichnen würden, bedeutsam. Das „Nachbildungs Netzwerk“ steht in Wechselbeziehung mit dem für die „Außenbeziehungen“ „zuständigen“ Netzwerk. Der „Balken“ (Corpus callosum) entspricht (auch) dem „Querzweig“ der Brückenschaltungen.

    In der „Nachbildung“ entsteht vor allem auch eine „informelle Zusammenfassung“ des Geschehen, das auch zum „Bewusstsein“ gehört.

    Die vielen Tausend neuronalen Zellarten dürften zusätzlich zu den üblichen neuronalen Funktionen, direkt oder in einer „Art Partnerschaft“ mit spezialisierten Zellen, Empfindungsfunktionen wahrnehmen.

    Auch in technischen Systemen, z.B. Radiosendern sind wenige Milliwatt für das sprachliche Nutzsignal und z.B. 100 Kilowatt für den “Träger“ erforderlich, um rund um die Welt senden zu können.

    Bei „rein technischen Systemen“ der Informationsverarbeitung wird angestrebt, dass sie rein „deterministisch“ arbeiten, bei gleichem Input stets gleiche Ergebnisse liefern.

    Das ist bei Systemen die auf Basis von „Musterverarbeitung“ arbeiten (wie z.B. das Gehirn, oder die KI) nicht möglich, weil „Muster“ in diesem Sinne eben nicht absolut gleich sind. Manche sprechen von „statistischer Determiniertheit“.

    Ich sehe praktisch alles wie Sie im Text. Nur verwende ich öfters etwas andere Begriffe. Z.B. „Aufspaltung“ statt „Segmentation“ und „Zusammenführen“ statt „Integration“. War halt so üblich als ich (um 1965) „geprägt“ wurde.

    „Bewusstsein“ hat einerseits jederzeit nachvollziehbare „informelle Komponenten“ und (derzeit) nicht nachvollziehbare „Empfindungskomponenten“. Man kennt noch nicht einmal sichere „physikalisch/chemische“ Korrelationen. Unter den Tausenden „Nervenzellen“ sollte man Korrelationen zwischen bestimmten Zelltypen mit jeweils bestimmten sensitiven „Empfindungen“ finden. Vielleicht könnten danach „Muster“ in der Dynamik bestimmter „Teilchen“ gefunden werden.

    Zitat: „– Durch diese non-lineare Interaktion alle Einzelteile auf der mikroskopischen Ebene entsteht auf der makroskopischen Ebene sowas wie Erleben und Verhalten das aber wiederum NICHT durch eine Analyse der mikroskopischen Ebene erklärbar ist.“

    Das ist derzeit das Problem.

    Zitat: „Deshalb muss so etwas wie die Eigensteuerung des Organismus (z.B. Verhaltensweisen die der Organismus zeigt) durch Prozesse erklärt werden jene aus der Interaktion riesiger Zellgruppen, Netzwerke, Dynamiken, etc. entsteht.“

    Auch so könnt eine Problemlösung aussehen.

    Sehe wie gesagt, praktisch alles fast wie Sie, nur sind mir, sozusagen wegen meiner Erfahrungen, „technische Aspekte“ wichtig. Wie z.B. das Konzept der „Brückenschaltung“, weil auf diese Art Techniker den Einfluss verschieden langer Leitungen (z.B. vom Auge ins „Gehirn“, oder von der großen Zehe ins „Gehirn“ auf gewisse Art „kompensieren“. Sonst würde der Einfluss der „Leitungen“ auf das tatsächliche „Messobjekt“ störend und zu groß. Den „theoretischen Rest“ können Sie leicht der Literatur entnehmen.

    „Paarweise auftretenden“ Augen, Ohren, ermöglichen es Entfernungen abzuschätzen….

  147. Bei „rein technischen Systemen“ der Informationsverarbeitung wird angestrebt, dass sie rein „deterministisch“ arbeiten, bei gleichem Input stets gleiche Ergebnisse liefern.

    Das ist bei Systemen die auf Basis von „Musterverarbeitung“ arbeiten (wie z.B. das Gehirn, oder die KI) nicht möglich, weil „Muster“ in diesem Sinne eben nicht absolut gleich sind. Manche sprechen von „statistischer Determiniertheit“.

    Es ist viel “schlimmer” bzw. komplizierter bei dem Gehirn.

    Das Gehirn verarbeitet inputs nicht passiv, rein basierend auf den absoluten oder auch nur statistischen Aspekten eines Stimulus, sondern in Relation zur vorherigen Spontanaktivität. D.h. wie ein Input verarbeitet wird hängt von der prä-stimulus Aktivität ab. Der eingehende extrinsische Input trifft nicht auf ein “leeres Gehirn”, sondern er trifft auf die stets laufende Spontanaktivität. Mit dieser muss er in Interaktion treten, in sie integriert werden.

    Deshalb kann man das Gehirn auch nicht mit einem technischen Gerät vergleichen, da es komplett anders funktioniert. Das wäre so als würde ein Computer bei dem ich das gleiche Programmierscript mehrmals laufen lassen immer andere Ergebnisse ausgeben, obwohl das Script identisch ist. So ein Computer wäre natürlich nicht nutzbar. Aber so funktioniert das Gehirn. Und diese Eigenaktivität muss man besser verstehen wenn man Bewusstsein verstehen will. Diese Eigenaktivität ist so “schlau” dass sie z.B. im Traum eine Form von Bewusstsein/Erleben schafft, mehr oder weniger unabhängig tatsächlicher Inputs von außen. 😉

  148. „Willensfreiheit“ nach Martin Heisenberg

    Weiter oben wurde eingeworfen, dass Heisenberg zu jenen Naturwissenschaftlern gehöre, die die Willensfreiheit nicht bestreiten.

    Das stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit. Für den Biologen Heisenberg bedeutet Freiheit, dass ein tierischer Organismus aus sich heraus, autonom, Verhaltensäußerungen spontan initiieren kann. Das kommt dem, was man gemeinhin mit dem menschlichen Willen bzw. der Willensfreiheit verbindet, ziemlich nah, wenn denn der Wille als die mentale Fähigkeit bzw. das Vermögen gilt, der Erstauslöser von Ereignissen zu sein, das heißt, er kann ohne Vorbedingungen eine neue Kausalreihe in Gang setzen.

    Nun fällt das Mentale (wörtlich verstanden) nicht unbedingt in das Fachgebiet der Biologie, folglich ist Heisenberg gezwungen, die Freiheit (zur Erstauslösung von Ereignissen) zu naturalisieren, damit alles im Einklang steht mit den physikalischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten. Wie er sich diese Naturalisierung der Freiheit vorstellt, ist in seinem Aufsatz von 2007*) nachzulesen. Im Wesentlichen geht es dabei, wie gesagt, um die Freiheit beim selbstbestimmten (autonomen) Verhalten von Tier und Mensch, weniger um die Freiheit des Willens im engeren Sinne. Wobei die Freiheit des Individuums auf deterministische Gesetzmäßigkeiten und dem quantenmechanischen Zufall beruht, denn beides ist notwendig für die Spontanaktivitäten im Nervensystem.

    Zusammengefasst kann man sagen, dass Martin Heisenberg am eigentlichen Problem vorbeiredet. Denn dass das Verhalten von Tieren und Menschen nicht von Anbeginn der Welt an festgelegt (determiniert) und insoweit „frei“ ist, wird keiner bestreiten, der bei Sinnen ist. Über die behauptete bzw. angebliche Freiheit des Willens ist damit aber nichts gesagt.

    *)Martin Heisenberg in Naturgeschichte der Freiheit,
    hrsg. von Jan-Christoph Heilinger, Berlin, New York 2007, S. 43–57.

  149. @ Philipp 28.12.2023, 22:53 Uhr

    Auch in diesem Text stimme ich, abgesehen vom “Gattervergleich” mit Ihnen überein.

    Man könne ein Gehirn nicht mit einem elektronischen Gattersystem vergleichen.

    Aber wenn man „irgend etwas“, auch das Gehirn so halbwegs verstehen will, ist man auf „Mustervergleiche“ angewiesen. Das Gehirn kann nichts anderes, als Muster zu vergleichen. Bei mir ist das entscheidende Muster das „qualifizierte UND Gatter”, wie ich es bezeichne.

    Über die Synapsen (so etwas wie die „Dioden“ bei den elektronischen Gatterschaltungen), werden die geeigneten Impulse gemäß der Hebbschen Regel auf die Dendriten der nachfolgenden Neuronen geschaltet.

    Das ist einerseits nötig, um annähernd (wie das Gehirn nun einmal ist), auf dem Boden der Boolschen Algebra zu stehen. Andererseits muss das Problem der vielen Störimpulse mit denen Sie sich „herumschlagen“ müssen behoben werden.

    Sie haben mir übrigens einmal zugestimmt, dass ein Neuron hauptsächlich dann „triggert“ wenn möglichst gleichzeitig, möglichst viele Impulse über die Dendriten eintreffen und aufintegriert werden.

    Das verhält sich letztlich so, wie es „Mathematiker/Physiker/Elektroniker der Frühzeit“ im Dunstkreis von N. Wiener erstmals vermutet haben und es vom Neurologen W. McCulloch und dem Mathematiker A. Turing offiziell in die Hirnforschung „eingebracht“ wurde.

    C v. d. Malsburg und W. Singer haben sich mit der zeitlichen Synchronisierung, dem Bindungsproblem beim „Assembly Konzept“ beschäftigt. Sie haben aber nicht unbedingt begeisterte allgemeine Zustimmung erfahren. Auch weil bei W. Singer die Sache mit dem freien Willen auf „wackeligem Boden“ steht, so wie auch das Gehirn nicht wirklich „determiniert“ arbeitet. „Wahrheiten“ werden den Menschen solange „eingetrichtert“, bis die Denkergebnisse halbwegs statistisch determiniert scheinen.

    Ich vertrete deswegen so „intensiv“ dieses Konzept, weil ich mich bei meinem Einstiegsjob (um 1967) mit vergleichbaren technischen Systemen beschäftigen musste, die normalerweise streng determiniert sind, aber weil einzelne “Assemblies“ nicht ausreichend Betriebsspannung abbekommen haben, nur recht „schizophren“ funktioniert haben.

    Die Sache mit der prä-stimulus Aktivität ist ein weiterer Einflussfaktor der die „Determiniertheit“ biologischer Systeme verringert.

    Das von Neumann Konzept (Prozessoren) hat die Gatter Elektronik, das Assembly Konzept für längere Zeit abgelöst. Allerdings sollen Informatiker neue Konzepte entwickeln, bei denen viele Prozessoren komplex, in so etwas wie „Assemblies“ angeordnet werden um extreme Leistungssteigerungen zu bewirken.

  150. Singer äußert sich heute in Interviews etwas milder zur Willensfreiheit als vor ca. 20 Jahren. Jedenfalls scheint mir das so.

    Sie haben mir übrigens einmal zugestimmt, dass ein Neuron hauptsächlich dann „triggert“ wenn möglichst gleichzeitig, möglichst viele Impulse über die Dendriten eintreffen und aufintegriert werden.

    Ja, das ist ja allgemein und schon ewig bekannt. Es muss eine bestimmte Schwelle überschritten werden damit ein Aktionspotenzial entsteht (all or nothing).

    Die Sache mit der prä-stimulus Aktivität ist ein weiterer Einflussfaktor der die „Determiniertheit“ biologischer Systeme verringert.

    Sehe ich auch so.
    Wenn der Input die neuronale Aktivität mehr oder weniger vollkommen bestimmen würde wären wir in der Tat durch die Umwelt determiniert. Dann wären wir wie ein Gummiball der durch Umweltstimuli sinnlos oder chaotisch durch die Gegend geworfen wird, so wie bei der brownschen Bewegung.

    Aber das ist eben nicht so. In niederen Arealen, also z.B. V1 oder A1, kann die Aktivität in der Tat relativ stark durch den Umweltinput bestimmt sein. Deshalb korreliert die Aktivität in diesen Arealen zwischen Menschen in den gleichen Untersuchungssettings, z.B. wenn Menschen den gleichen Film schauen, auch relativ stark. Studien dazu nennen sich u.a. “inter-subject correlation (ISC)”. Die erste Studie dazu gab es 2004 von Hasson et al.

    Aber in höheren Arealen korreliert die Aktivität nicht mehr signifkant oder gar nicht mehr messbar. Hier kommen mehr inter-individuelle Unterschiede zu tragen. Hier findet ein höherer Grad individueller Integration oder Verarbeitung statt. Und diese Areale haben häufig auch stärkere aber dafür langsamere Frequenzen. Mit stärker ist gemeint dass die Amplitude gemessen via EEG oder die Power gemessen wie fMRI höher ist als in niederen Arealen. Da ist mehr Eigenanteil vom Gehirn (wenn sie so wollen) und weniger direkter Umwelteinfluss. Und es ist eben diese Balance die das Gehirn für Bewusstsein braucht.

    Beispiel: schauen Sie sich mal die EEG Aktivität im REM Schlaf an (die Schlafphase in der wir gute visuelle und auditorische Träume haben können). Die elektrophysiologische Aktivität sieht hier fast aus wie im Wachzustand. D.h. eine Mischung aus schnellen und langsamen Frequenzen mit unterschiedlicher Stärke, ein wilder Mix. Man spricht vom sogenannten desynchronized EEG.

    Im Tiefschlaf, NREM 2 oder 3, ist das EEG synchronisiert. Hier entstehen sehr starke aber langsame und synchronisierte Frequenzen/Wellen. D.h. starke und langsame Wellen die im Takt ticken = Kein Bewusstsein. Es gibt zwar auch Träume im NREM Schlaf, aber die sind soweit man weiß weniger lebhaft, eher konzeptuell. Für lebhafte Träume braucht es eher den REM Schlaf der wie gesagt fast wie die Aktivität im Wachzustand aussieht.

    Deshalb eben die Balance für Bewusstsein: inputs müssen aus der Umwelt aufgenommen werden = schnelle und schwache Frequenzen. Gleichzeitig muss das Gehirn integration betreiben = langsame und starke Frequenzen in höheren Arealen.

  151. @Balanus

    Denn dass das Verhalten von Tieren und Menschen nicht von Anbeginn der Welt an festgelegt (determiniert) und insoweit „frei“ ist, wird keiner bestreiten, der bei Sinnen ist.

    Doch ich. Das werde ich bestreiten, solange ich noch bei Sinnen bin.

    Na gut, ob es einen Anbeginn der Welt überhaupt gab, darüber könnte ich am Ende vielleicht noch meine Meinung ändern.

    Guten Rutsch

  152. @Philipp 28.12. 22:53 / 29.12. 13:16

    „Und diese Eigenaktivität muss man besser verstehen wenn man Bewusstsein verstehen will. Diese Eigenaktivität ist so “schlau” dass sie z.B. im Traum eine Form von Bewusstsein/Erleben schafft, mehr oder weniger unabhängig tatsächlicher Inputs von außen. „

    So langsam kommen wir glaube ich der Sache näher. Wir sind ein eigener Mikrokosmos, der sich seinen inneren Film regelmäßig selber macht. Nicht nur im Traum, auch tagsüber grübelt man vor sich hin, stellt sich alles mögliche vor, und diskutiert auch mal mit sich selbst. Und wenn man Probleme zu lösen hat, etwa wie man mit Bus und Bahn in einen wenig bekannten Stadtteil kommt, dann jongliert man mit seinem inneren Stadtplan, und kann sich alle möglichen Wege lebhaft und konkret vorstellen, bis man einen Weg gefunden hat.

    Das ist dann der eigene Mikrokosmos in Aktion. Als Problemlösungsmachine, oder auch als nicht abstellbarer Vorgang, der ständig mit simulierten inneren Welten hantiert und hantieren muss.

    Wenn dann mal was auf einen zukommt, und etwa das Telefon geht, dann muss man seine aktuelle innere Arbeit unterbrechen, und sich dem Anrufer zuwenden. Die allgemeine innere Produktivität macht durchaus den Menschen und sein Leben aus, würde ich sagen.

    Und der eigene Wille gründet sich grundlegend auf diesen eigenen Mikrokosmos.

    „Deshalb eben die Balance für Bewusstsein: inputs müssen aus der Umwelt aufgenommen werden = schnelle und schwache Frequenzen. Gleichzeitig muss das Gehirn integration betreiben = langsame und starke Frequenzen in höheren Arealen.“

    Genau dies ist dann zusammen genommen unser ganz persönlicher Mikrokosmos.

  153. @ Philipp 29.12.2023, 13:16 Uhr

    Besonders von „Philosophen“ und „Mathematikern“ wären Sichtweisen zum Thema „Logik in neuronalen Systemen“ besonders interessant.

    Zitate: „Sie haben mir übrigens einmal zugestimmt, dass ein Neuron hauptsächlich dann „triggert“ wenn möglichst gleichzeitig, möglichst viele Impulse über die Dendriten eintreffen und aufintegriert werden.

    Ja, das ist ja allgemein und schon ewig bekannt. Es muss eine bestimmte Schwelle überschritten werden damit ein Aktionspotenzial entsteht (all or nothing).“

    Diese Realität, dass das neuronale „UND Gatter“ nur ein „qualifiziertes“ und kein „strenges Gatter“ im Sinne der Boolschen Algebra ist, ist auch ein Grund für ein gewisses „Elend“ der Hirnforschung.

    Soweit ich das sehe, hat man das Problem früher mit einem „ODER Gatter“ „unterm Tisch“ halten wollen („XOR Problem beim Perzeptron“) .

    Ich sehe der traurigen Realität ins Auge, dass es eben in neuronalen Systemen nur ein „qualifiziertes UND Gatter“ gibt. Damit muss man sich abfinden, es ist einfach so.

    Allerdings ist diese Einsicht für einen strengen Logiker ein Fiasko. Ein “bisschen logisch“ gibt es nicht. (Und absolute „logische Wahrheiten“ vermutlich auch nicht, außer im „Gärtchen“ dass sich die Mathematiker selbst angelegt haben, um auch „Wahrheiten ernten“ zu können).

    Leider scheint die „eingeschränkte Logik“ Realität. Betrachtet man nur die „halbe Wahrheit“, (wenn einem die „qualifiziert genug“ scheint) so kann es Kriege geben und Menschen fügen sich gegenseitig großes Leid zu.

    Vermutlich resultiert das Problem der menschlichen Unzulänglichkeit aus der besonderen Art der Informationsverarbeitung. Andererseits wäre der Mensch mit einer „streng exakten Informationsverarbeitung“ wie im Computer, vermutlich wegen der Widersprüche nicht existenzfähig?

  154. @Joker

    » Doch ich. Das werde ich bestreiten, solange ich noch bei Sinnen bin.«

    Wow!

    (Ich vergaß, du hattest dich ja schon des Öfteren als knallharter Old-School-Determinist geoutet…;-)

    Ebenfalls Guten Rutsch—bleib bei Sinnen!

  155. @Elektroniker // 29.12.2023, 12:30 Uhr

    » Die Sache mit der prä-stimulus Aktivität ist ein weiterer Einflussfaktor der die „Determiniertheit“ biologischer Systeme verringert. «

    Nun ja, kommt wohl darauf an, was man unter „Determiniertheit“ versteht.

    Ich zitiere mal, was unter dem Stichwort „Determination“ im Ethik-Lexikon von Otfried Höffe (Hrsg., 1997) u.a. ausgeführt wird:

    …die empirischen Wissenschaften gehen grundsätzlich von der Idee durchgängiger D., nämlich der prinzipiellen Erklärbarkeit aller Phänomene aus Ursachen u. Motiven, aus, wobei deren Gesetzmäßigkeiten — wie etwa im subatomaren Bereich — auch durch Wahrscheinlichkeits- u. Unbestimmtheitsbeziehungen (Heisenberg-Prinzip) ausgedrückt sein können. Die empirischen Wissenschaften vertreten insgesamt einen methodischen »Determinismus», nach dem sich für alles, auch die menschliche Praxis u. das ihr zugrundeliegende Wollen, im Prinzip (wenn auch nicht immer schon auf dem gegenwärtigen Forschungsstand) adäquate wissenschaftliche Erklärungen finden lassen.

    Ich finde, dem kann vorbehaltlos zugestimmt werden.

  156. @ Balanus 29.12.2023, 18:24 Uhr

    Zitat: „Nun ja, kommt wohl darauf an, was man unter „Determiniertheit“ versteht.

    Ich zitiere mal, was unter dem Stichwort „Determination“ im Ethik-Lexikon von Otfried Höffe (Hrsg., 1997) u.a. ausgeführt wird:

    …die empirischen Wissenschaften gehen grundsätzlich von der Idee durchgängiger D., nämlich der prinzipiellen Erklärbarkeit aller Phänomene aus Ursachen u. Motiven, aus, wobei deren Gesetzmäßigkeiten — wie etwa im subatomaren Bereich — auch durch Wahrscheinlichkeits- u. Unbestimmtheitsbeziehungen (Heisenberg-Prinzip) ausgedrückt sein können. Die empirischen Wissenschaften vertreten insgesamt einen methodischen »Determinismus», nach dem sich für alles, auch die menschliche Praxis u. das ihr zugrundeliegende Wollen, im Prinzip (wenn auch nicht immer schon auf dem gegenwärtigen Forschungsstand) adäquate wissenschaftliche Erklärungen finden lassen.“

    Hier wird nur ausgesagt, dass etwas „zufällig“ sein kann, oder eben nicht…. Es kann trotzdem „determiniert“ sein. Bin schon öfters mit meinem „elektronischen Zufallsgenerator Konzept“ darauf eingegangen.

    Ich bin zwar auch für die Idee der prinzipiellen Erklärbarkeit aller Phänomene aus Ursachen offen. Nur gibt es vermutlich praktische Grenzen. Kein Mensch und keine KI wird „alles“ Verstehen oder „auflösen“ können.

    Vor allem aber stört mich der gemeinsamer Begriff „Determiniertheit“, einerseits z.B. für praktisch und logisch sichere, definierte Ergebnisse einer „Computerrechnung“ (ohne KI), oder andererseits vager Ergebnisse die auf Musterverarbeitung, einer ungenauen Logik und weiterer „Fehlereinflüsse“ beruhen. Selbst wenn der menschliche Geist Großartiges geleistet hat.

    Aus der Informatik ist bekannt, dass „unsaubere“ Begriffsdeklarationen Widersprüche zur Folge haben können.

  157. @ Elektroniker:

    Diese Realität, dass das neuronale „UND Gatter“ nur ein „qualifiziertes“ und kein „strenges Gatter“ im Sinne der Boolschen Algebra ist, ist auch ein Grund für ein gewisses „Elend“ der Hirnforschung.

    Sie müssen mir erklären wovon Sie genau reden, ich habe keine Ahnung davon. Was meinen Sie genau mit Gatter in diesem Zusammenhang, und was mit Elend in der Hirnforschung?

    Ganz allgemein: “die Hirnforschung” gibt es nicht. Selbst wenn Sie nur den Bereich des Neuroimaging betrachten, also den Bereich in dem Gehirnaktivität mit EEG, MEG, fMRI und co erforscht wird: selbst das ist ein so endlos breiter Bereich in dem sich so unterschiedliche Leute mit völlig unterschiedlichen Ansichten, Wissen, Interessen, Fähigkeiten, etc. tummeln. Da weiß und versteht Neurowissenschaftler A nicht wovon Neurowissenschaftler B redet. Das Feld ist zu groß und zu komplex. Ansonsten ist es dort nicht anders als auch in der Philosophie, beispielsweise bezüglich der Frage nach dem freien Willen. Es weiß jeder alles besser (*grins*).

  158. Joker
    Wer über die Welt sinnieren kann, der ist nicht (nur)von dieser Welt. Du bist auch ein Geistwesen, außerhalb von Raum und Zeit und deshalb bist du frei.
    Ein Jahr 2024 wie du es Dir wünscht !

  159. @ Philipp 30.12.2023, 01:19 Uhr

    Zu Ihrer Frage: Es geht um die „Prädikatenlogik“ die, abgesehen von der Mathematik (Boolsche Schaltalgebra) auch in der Philosophie wichtig ist.

    Am einfachsten können es „Elektriker“ verstehen, oder Menschen denen völlig klar ist, was in einem „Lichtschalter“ geschieht. Es wird einfach ein „Stromkreis“ geschlossen, indem mittels Schalter ein durchgehender Stromkreis zwischen Stromquelle und z.B. Lampe geschlossen wird, so dass die Lampe leuchtet.

    Stellt man sich 2 Schalter die hintereinander geschaltet sind vor, so muss Schalter 1 UND Schalter 2 …… und allenfalls alle hintereinander liegenden Schalter geschlossen sein, damit die Lampe leuchtet. Das würde in der Schaltalgebra bedeuten, wenn Schalter „1“ ist „1“ (geschlossen) UND wenn Schalter „2“ ist „1“ (geschlossen) ….. so ist das Ergebnis „1“ (Lampe leuchtet).

    Sind die 2 (oder mehrere Schalter) in einem Stromkreis parallel geschaltet, so reicht es wenn entweder Schalter „1“ ODER Schalter „2“ …. geschlossen ist.

    Diese an sich einfache Grundlage muss man total „verinnerlichen“, danach sind die „Erweiterungen“ leichter verständlich.

    Bitte googeln Sie „Schaltalgebra Einführung

    Bitte fangen sie bei Seite 6 Kap. 1.5 Grundschaltungen an, sonst ist es verwirrend. Bitte beachten Sie: „0“ ist offener Schalter (es „fließt kein Strom), „1“ ist geschlossener Schalter (es fließt Strom).

    Eine Hürde im Verständnis ist, wenn man statt einen Lichtschalter einen Transistorschalter verwendet. Wenn man „abhängig vom Typ (pnp oder npn Transistor) eine kleine positive oder negative Spannung bei der „Emitterschaltung“ an die Basis anlegt, so „schaltet er zwischen Kollektor und Emitter durch“ (ähnlich wie ein Neuron).

    Allerdings gibt es beim Neuron keine „Phasendrehung“. Liegen am Eingang Signale an, Zustand „1“, so werden die aufintegrierten Signale beim Triggern am Axon als „1“ weitergegeben.

    Beim Transistor (Emitterschaltug) erfolgt eine Phasendrehung, aus „1“ wird „0“ und umgekehrt. Das bezeichnet man als „NICHT Funktion“. Die ist aus theoretische Gründen in der Boolschen Algebra wichtig. Da gibt es scheinbare Widersprüche zwischen Neurologie und Elektronik die sich aber auflösen lassen (z.B. Brückenschaltung).


    Für ein „UND Gatter“ reicht eine Schaltung aus Dioden und einen Widerstand.
    Allerdings sollte diese Spannung verstärkt werden. Dann „entsteht“ eine „NICHT UND“ (NAND= NOT AND) Funktion, die häufig genutzt wird. Besteht man auf ein „UND“ so wird einfach nochmals die Phase gedreht und man erhält das gewünschte „UND“. Beim Neuron erfolgt keine Phasendrehung, deswegen reicht hinter den Synapsen ein trigerndes Neuron.

    Hier wird ein NAND (NICHT UND) Gatter beschrieben.

    Transistorschaltung schalten so gut wie immer sicher und absolut korrekt, ein Neuron aber nur wenn möglichst viele Signale möglichst gleichzeitig über die Dendriten einlangen…. Das ist der Unterschied zwischen „strengen UND“ und „qualifiziertem UND“.

    In der Technik wird nur das absolut „strenge UND“ akzeptiert, die Hirnforscher müssen damit leben, dass 3 Verwaltungsjuristen 4 Rechtsmeinungen haben können…..

    Ich nehme an, auch die Mediziner, Psychologen, Neurologen müssen ihre unterschiedlichen Sichtweisen irgendwie unter „einem Hut“ bringen. Gerüchteweise soll es da mitunter recht „heiß zugehen“.

  160. @ Elektroniker: Danke.

    Ich nehme an, auch die Mediziner, Psychologen, Neurologen müssen ihre unterschiedlichen Sichtweisen irgendwie unter „einem Hut“ bringen. Gerüchteweise soll es da mitunter recht „heiß zugehen“.

    Ich kann Ihnen dazu kurz etwas schreiben. Letztendlich geht es ja darum Studien in möglichst guten Journalen zu publizieren. In den kognitiven Neurowissenschaften geht das heute in etwa so:

    – Sie packen sich ein Detail eines Themas bzw. einer Frage raus. D.h. Sie analysieren nicht die “großen Fragen” die beispielsweise in Blogs wie hier oft diskutiert werden, wo dann philosophisch weit ausgeholt wird und natürlich jeder seine eigene metaphysische Ansicht hat. Nein, es geht um ein Detail um eine spezifische Sache.

    – Diese spezifische Frage bzw. Sache untersuchen Sie dann in zig Schichten. D.h. sie bauen um diese Kernfrage mehrere Schichten von Analysen auf. Wie eine Zwiebel. In der Mitte steht die Kernfrage/Hypothese bzw. die Kernidee. Um diese herum basteln Sie dann immer mehr analysieren die alle zur Absicherung Ihrer Hauptbefunde gelten. D.h. die “großen Fragen” können Sie so empirisch gar nicht analysieren, besonders nicht innerhalb eines einzigen Artikels. Es muss ganz spezifisch und im Detail rangehen.

    – Dann müssen Sie die ganze Analyse, Ideen, Befunde so aufbereiten und darstellen dass Gutachter die sie wahrscheinlich bekommen werden diese auch verstehen. Man kann also gar nicht unbedingt so schreiben wie man es persönlich für am besten hält. Es muss so formuliert werden das es halbwegs in der Sprache der aktuellen Trends etc. liegt. Sodass Befunde z.B. in aktuelle Trends einbettbar sind.

    – Dann sollten Sie den Gutachtern die für ihre Studie in Frage kommt am besten nicht in die Quere kommen, sodass ihre Befunde noch Konkurrenz darstellen könnten.

    – Viele Gutachter haben keine Zeit und Lust Ihren Artikel wirklich zu verstehen. Die sehen die Befunde nicht in einem Gesamtbild innerhalb dessen Sie selbst Ihre Befunde vielleicht sehen. Die Gutachter kritiseren nur das was sie selbst verstehen und meinen besser zu wissen. Sie können eine top Studie gemacht haben. Wenn einem oder zwei Gutachter z.B. an der Methode etwas nicht passt, dann kann es sein dass die den ganzen Artikel nur wegen solchen Details zerreißen. Und dann wird er direkt rausgeworfen und Sie müssen es bei dem nächsten Journal versuchen.

    – Gerade bei dem Thema “Bewusstsein” weiß es jeder besser. Das ist wohl mit das schlimmste Feld das in den Neurowissenschaften gibt.

    Kurzum: “heiß zugehen” ist korrekt, das Feld ist mitunter halt reine Politik. Machtpositionen, Geld, Konkurrenz, etc.

  161. Du bist auch ein Geistwesen, außerhalb von Raum und Zeit und deshalb bist du frei.
    Ein Jahr 2024 wie du es Dir wünscht !

    Ein Jahr ohne Kommentar von Dir. Ich bin so frei, es mir zu wünschen.

    Aber nein, ich bin nicht frei, sondern gefangen in Raum und Zeit.

    Guten Rutsch.

    “Ich bin hier nicht mit euch eingesperrt, ihr seid hier mit mir eingesperrt!” (Watchmen, Rorschach)

  162. @ Philipp 30.12.2023, 14:58 Uhr

    Ich habe das „Treiben“ am „Wissenschaftsmarkt“ auch beobachtet und sehe es jetzt so wie Sie. Viele Studenten interessiert nur noch der „Schein“, sonst nichts.

    Früher haben „Elektroleute“ im Dunstkreis von N. Wiener versucht, ihre Erkenntnisse (es ging ihnen nur um Erkenntnisse), möglichst Neurologen zu vermitteln, die im Zentrum „der Analyse von Denkprozessen arbeiten“.

    Das sollen sie zuerst bei Freud versucht haben und rund 10 Jahre später bei W. McCulloch. Freud war zunächst begeistert, soll aber plötzlich diesen Ideen „abgeschworen“ haben, möglicherweise nicht ganz freiwillig. W. McCuloch und auch A. Turing sind diese Ideen letztlich auch nicht gut bekommen.

    Die Bedeutung dieser Ideen liegt darin, dass die Boolsche Algebra, letztlich die Prädikatenlogik, die Grundlage der technischen Informationsverarbeitung ist. Von der Beleuchtung über die Waschmaschine bis zu den komplexesten Steuerungen…. und den Computern.

    Bemerkenswert aber ist, dass Synapsen im Zusammenwirken mit Neuronen als Gatter, wenn auch keine „exakten Gatter“, gesehen werden können. Damit ist klar wie es zur Informationsverarbeitung in neuronalen Systemen kommt. Letztlich kann das System auch bestens skaliert werden.

    Es gibt zwar „Unklarheiten“, z.B. das XOR Problem, oder die „NICHT“ Funktion und natürlich auch dass es für strenge Logiker ein „in der statistischen Tendenz logisch“ nicht gibt. Aber beim Menschen gibt es derartiges, das beweisen letztlich auch die Kriege. Die Kontrahenten nutzen jeweils nur die „halbe Wahrheit“.

    Diese Unklarheiten können erklärt werden. Für das XOR Problem habe ich eine (recht brachiale) Lösung vorgeschlagen. Die „NICHT Funktion“ wurde damit erklärt, dass Neuronen einige Zeit nicht feuern können, wenn sie kurz vorher zum feuern „gezwungen“ wurden. Das ist ein hilfreicher Ansatz um mittels „Hirnschrittmacher“, Signalkaskaden die Epilepsie bewirken zu unterbinden.

    Allerdings nicht recht befriedigend als „NICHT Funktion“ im Sinne der Schaltalgebra. Die kann besser realisiert werden, über die „Brückenschaltungsfunktion“, wie beim „Flip-Flop“. Da sind die Ausgangspegel „komplementär“ also die Negation (NICHT Funktion) des jeweils anderen Ausgangs.

    Als die ehemaligen „Steinzeit Elektroniker“ von der banalen Neuronenfunktion erfahren haben, sind ihnen Ähnlichkeiten in der „Informationsverarbeitung“ sofort aufgefallen. Galt aber, ganz nüchtern gesagt, alles als „Spinnerei“.

    Erst jetzt, seit die „Klugschwätzer KI“ dabei ist sich zu etablieren, werden die Menschen beeindruckt und die grundlegenden Mechanismen der „Biologie Logik“ werden in der KI (“statistisch”) von Informatikern umgesetzt.

    Mein Anliegen ist nur (noch) interessierten Medizinern, Neurologen, diese relativ banalen Grundaspekte (die „schwache Form“ der Prädikatenlogik) zu vermitteln. Die ist Grundlage der im Vergleich zur elektronischen Informatik „schwachen Logik“ der neuronalen Informationsverarbeitung.

    Neurologen mussten ehemals bei Ihrer Ausbildung auch Kenntnisse über die „symmetrische Schaltungstechnik“ (Brückenschaltungen) erwerben. Allerdings bewegt sich deren Denke (als Mediziner) eher auf völlig anderen „vorgeprägten Bahnen“.

  163. Joker,
    es ist doch so einfach. Betrachte meine Texte nicht als Kommentar, sondern als Anregung. Ich bin doch hier derjenige, der neue Gedanken einführt und nicht auf jeden Scheiß reagiert.

    Auch als Anregung, Rutschen geht nur bergab, Guter Rutsch ist also ein gedankenloser Wunsch.

  164. @Neumann

    Rutschen geht nur bergab, Guter Rutsch ist also ein gedankenloser Wunsch.

    Die Bedeutung von ‘rutschen’ ist u.a., sich gleitend auf einer Fläche fortbewegen.

    Beispiele.: a) Er rutschte auf der Bank zur Seite, hin und her. b) Ein kalter Puck rutscht besser übers Eis. (Quelle Internet)

    Ein Beispiel für einen gedankenlosen Wunsch war, “Ein Jahr 2024 wie du es Dir wünscht !”

    Was tatsächlich gedankenlos bleibt, sind also deine Kommentare Anregungen und Wünsche. Da geht es dann wirklich bergab, die können das Niveau jeder Unterhaltung beliebig weit nach unten ziehen.

    Und nur um die Kurve zu kriegen, wer schon bei solchen Begriffen, wie dem ‘rutschen’ scheitert, sollte nicht meinen, so neu es auch erscheint, er könnte hier Gehaltvolles über ‘Wille’, ‘Freiheit’ und ‘Willensfreiheit’ beitragen.

    Ein sanftes hinübergleiten ins neue Jahr; kurz: Guten Rutsch.

  165. Joker
    “Sanft “ist gut “unmerklich” wäre besser. Und können wir uns überhaupt dem Hinübergleiten entziehen ? Schon wieder so ein Ereignis, dem wir willenlos folgen müssen.
    Ein Zeitengleiter

  166. Ich wünsche allen Menschen an allen Tagen alles Gute.
    Ich lege mich dabei nicht auf bestimmte Menschen,
    bestimmte Tage, oder bestimmtes Gutes fest.

  167. Nochmal was zum Thema dieses threads (*Freier Wille bzw. Determinismus bzw. Kausalität*). Ich bin gestern “zufällig” auf ein längeres buddhistisches “paper” (das ich bisher nur anfänglich gelesen habe) dazu gestoßen. Ich erlaube mir Mal eine Übersetzung (von DeepL) zu posten. Kann man sicher einiges dazu anmerken, aber nicht uninteressant ist es (m.M.n.) schon:

    Im Zentrum des buddhistischen Denkens, so wie es systematisiert wurde, steht die Vorstellung von der Welt als einer sich verändernden und vergänglichen Anordnung von Phänomenen. Es fehlt ein zugrundeliegendes physisches Substrat, das als gemeinsamer Faden dient, der die Momente der Phänomene zusammenhält. Die Welt und der, der sie wahrnimmt, werden als ein flüchtiger Fluss betrachtet, in dem die reale Existenz einfach als die Fähigkeit verstanden wird, eine nachfolgende Wirkung zu erzielen. Alle konditionierten materiellen und geistigen Phänomene vergehen also, sobald sie entstanden sind. Sie sind ihrem Wesen nach vergänglich, und es wird kein dauerhaftes und einheitliches Selbst erkannt. Es gibt nur ein Verhältnis kausaler Abhängigkeit, das die Übergänge zwischen den vorangehenden und nachfolgenden Momenten regelt, und dieses kausale Prinzip ist für die kohärenten Muster der materiellen und mentalen Phänomene verantwortlich. Dieses nahtlose Muster ist genau das, was die Illusion der Kontinuität aufrechterhält. Die Erscheinung der Kontinuität zwischen den Momenten erklärt sich daher durch die Ähnlichkeit der momentanen Zusammenhänge der Phänomene. Alle konditionierten Phänomene sind also durch Momenthaftigkeit in dem Sinne gekennzeichnet, dass sie in ständiger Abfolge entstehen und vergehen, während sie das Bild einer scheinbar statischen Existenz vermitteln.

    Ein gutes neues Jahr.

  168. @ Axel Krüger:

    Der historische Buddha hat soweit bekannt und korrekt überliefert die meisten metaphysischen Fragen nicht beantwortet bzw. keine Position bezogen da es weniger um metaphysische Spekulation (“freier Wille”) ging, sondern um die Verminderung von Leid etc. (also um eine pragmatische Ausrichtung).

    Was Sie übersetzt haben ist die Lehre vom abhängigen Entstehen und Vergehen der Phänomene. Im alten Buddhismus wird die Struktur über Entitäten gehoben (was bekannt ist und auch über den übersetzten Text von Ihnen sichtbar wird). Das steht im Gegensatz zu großen Teilen der westlichen Philosophie, in der häufiger von einer Substanz – oder Eigenschaftsmetaphysik ausgegangen wird (z.B. über die Frage was ist fundamental: Materie = Materialismus, Psyche = Idealismus). etc.

  169. @Axel Krüger 31.12. 07:44

    „Alle konditionierten Phänomene sind also durch Momenthaftigkeit in dem Sinne gekennzeichnet, dass sie in ständiger Abfolge entstehen und vergehen, während sie das Bild einer scheinbar statischen Existenz vermitteln.“

    Derweil es aber auch tatsächliche Kontinuität gibt. Der Kontostand ist recht beständig, und die unaufgeräumte Wohnung wartet lästig und penetrant darauf, aufgeräumt zu werden. Und der aktuelle Synapsenzustand des eigenen Gehirns ist definitiv gegeben, und ändert sich von Tag zu Tag nur wenig.

    Was bleibt ist Geld verdienen, die Wohnung aufräumen und sich weiterführende Gedanken zu machen.

  170. @ Sunflower 01.01.2024, 11:47 Uhr

    Zitat und Übersetzung der zusammengefassten Inhalte des Link: „Unser Gehirn produziert kein Bewusstsein, es „filtert“ es und Bewusstsein steht in Zusammenhang mit den höheren Dimensionen der Stringtheorie. In diesem zum Nachdenken anregenden Gespräch erklärt der angesehene Professor für Mathematik und Astronomie Bernard Carr seine Theorie des Bewusstseins und der Psi-Phänomene.“

    Zum Zusammenhang zwischen „höheren Dimensionen der Stringtheorie und dem Empfindungsphänomen“ kann ich nichts aussagen. Bin kein Physiker.

    Vielleicht besteht das „Bewusstsein“ letztlich nur aus „dynamischen Mustern von Teilchen“, womöglich nur in bestimmten (z.B. biologischen) Molekülen. Werden in sensorischen Zellen derartige Teilchen angeregt, dürften „Empfindungen“ entstehen die letztlich zum „Bewusstsein“ emergieren.

    Allerdings dürften auch „Repräsentationen“ der Muster (technisch, oder natürlich) „übertragen“ werden können. Bei der Sprache wird nur die „Sprachdynamik“ im Telefon auf die allgemein bekannte Art „elektrisch“ übertragen. Bei der Digitaltechnik nur die abstrakte mathematische Repräsentation der kodierten Sprachsignale. Beim TV ist es auch so.

    Bei der „blauen Bank“ im Park wird letztlich die die Farbe repräsentierende Frequenz des Lichtspektrums zum Auge übertragen und auch noch weitere Informationen die in den synaptisch – neuronalen Filtern ausgewertet werden.

    Im Auge könnten die visuellen „Muster“, nachdem sie das optische Filter passiert haben, direkt im Nahbereich der Netzhaut zur „Bewusstseinsanzeige“ kommen.

    In „Nahbereichen z.B. zur Hirnhaut“, können andere informelle Zusammenhänge, die auch aus früheren „Bewusstseinserlebnissen“ stammen können, zusammengeführt und neuerlich zur „Bewusstseinsanzeige“ kommen, indem „passende“ sensorische Zellen neuerlich „dynamisch“ aktiviert werden.

    Salopp gesagt, es könnten Komponenten des „gesamten Weltgeschehen“ (direkt z.B. Geruch, oder indirekt) übertragen, selektiert und am System der „Bewusstseinsanzeige Bildschirme“ zur „Wahrnehmung“ kommen.

  171. @Elektroniker

    Ich lese Ihre Beiträge regelmäßig und finde sie durchaus in sich schlüssig und nachvollziehbar. Allerdings bleiben Sie damit konsequent – um nicht zu sagen: penetrant 🙂 – auf der rein physikalistisch-materialistischen Erklärungs- und Erkenntnisebene, und wollen oder können sich offensichtlich nicht wirklich in Richtung ‘Meta-Physik’ bewegen, die eben erfordert, dass man über die reine 3. Person Perspektive hinaus kommt, und den maßgeblichen Anteil der 1. Person, d.h. der subjektiven Bewusstseinserfahrung an-erkennt. Genau darauf will Bernard Carr im oben empfohlenen Interview aber hinaus.
    Ich selbst bin ebenfalls davon überzeugt, dass wir die extreme Beschränktheit unseres derzeitigen menschlichen Blickwinkels gar nicht erkennen, geschweige denn jemals überwinden können, und solche physikalischen Grundprobleme wie die Vereinheitlichung von Relativitätstheorie und Quantenmechanik nicht bewältigen werden, wenn wir diese Beschränktheit nicht hinter uns lassen. Solange wir es nicht schaffen, das Objekte/Teilchen Modell, das bisher nach wie vor das absolute Primat der anerkannten wissenschaftlichen Forschung ist, zu erweitern, zu ergänzen oder zu womöglich sogar ganz zu ersetzen, hindern wir uns selbst am vielleicht wichtigsten Fortschritt, den die Menschheit je machen könnte. Ich empfehle nochmal, das GANZE Interview anzuhören. Nicht weil ich glaube, dass Carr mit allem recht hat. Davon geht er ja selbst nicht aus. Aber weil er, und andere Forscher und Denker, wie Donald Hoffman oder Bernardo Kastrup, hier einen Weg der Offenheit und geistigen Freiheit aufzeigen, ohne den wir ganz offensichtlich nicht vorwärts kommen – wie nicht zuletzt der nun schon Jahrzehnte andauernde Stillstand in der klassischen Physik nachdrücklich beweist.

  172. @ Phillip

    Sie haben mich mal als Troll bezeichnet.
    Wenn sunflower beiträgt und Sie in Ihrer Tätigkeit nicht offen sein können bzw nicht dürfen bzw Sie meinen Einschränkungen befürchten zu müssen, wie frei sind Sie dann wirklich?

  173. Philipp 1.1. – 11:12:

    Der historische Buddha hat soweit bekannt und korrekt überliefert die meisten metaphysischen Fragen nicht beantwortet bzw. keine Position bezogen da es weniger um metaphysische Spekulation (“freier Wille”) ging, sondern um die Verminderung von Leid etc. (also um eine pragmatische Ausrichtung).

    Stimmt. Der von mir zitierte paper-Text gehört auch mehr zum Abhidhamma, einer späteren, Art akademischen (“höheren“, scholastischeren) Form der Lehre.

    [..] die Lehre vom abhängigen Entstehen und Vergehen der Phänomene.

    Stimmt = *Bedingtes Entstehen* – der paṭicca-samuppāda. Oder Kausalnexus – also Kausalität bzw. Determiniertheit (Bedingungszusammenhang). Handlungen (wozu auch Denken gehört) haben Folgen. Wenn man aber richtig denkt/handelt, führt diese Kausalität (zwingend, also determiniert) zur Überwindung des “Leidens“. Dass darüber was “richtiges“ Denken und Handeln ist unterschiedliche Meinungen bestehen soll jetzt hier nicht das Thema sein (Stichwort Relativität). Materialismus (moderne Naturwissenschaft) – unsere Intelligenz – hat “aber” zu durchaus beeindruckenden Erkenntnissen/Fortschritten geführt.

    Tobias Jeckenburger 1.1. – 15:48:

    Die tatsächliche (realistische, logische) Kontinuität ist eben der paṭicca-samuppāda.

    Und der aktuelle Synapsenzustand des eigenen Gehirns ist definitiv gegeben, und ändert sich von Tag zu Tag nur wenig.

    Statt Synapsenzustand kann man auch Bewusstseins-/Denkzustand sagen. Und der ändert sich recht zügig (was man auch – positiv – als *das Leben ist spannend* assoziieren kann). Der Buddhismus hat da die Begriffe Vergänglichkeit, Unzuverlässigkeit. Und eben auch nicht wenig sich wiederholendes Leiden. Das IST aber so – natürlich/von Natur aus. Die Natur ist aber nicht nur “negativ“. Lt. Buddhismus darf/“muss“ man sogar dankbar sein als Mensch geboren zu sein. Weil man (insbesondere) in dieser “Existenzform“ die Möglichkeit hat die Dinge so zu erkennen wie sie “wirklich“ sind.

    Was bleibt ist Geld verdienen, die Wohnung aufräumen und sich weiterführende Gedanken zu machen.

    Letzteres ist sehr zwangsläufig, wenn man Mensch ist (und auch sinnvoll). Kommt aber halt darauf an was man denkt 😉. Geld verdienen, Wohnung aufräumen etc. sind OK (es gibt schlimmeres was man machen kann).

    Noch das (nicht esoterisch zu verstehen): https://www.youtube.com/watch?v=ka0YLB6nfT8just enjoy

  174. @ Sunflower 02.01.2024, 17:02 Uhr

    Ich bin durchaus penetrant, wenn ich meine „physikalische“ Erklärungs- und Erkenntnisebene vertrete. Vermutlich „lieferten“ Mathematiker und Physiker in der letzten Zeit die am besten fundierten Ergebnisse ab, wenn man von Spekulationen absieht.

    Die großen Erfolge der Elektronik und auch Informatik beruhen auf „handfeste“ Erkenntnisse der Physiker/Mathematiker.

    Als „Materialist“ sehe ich mich nicht. Ich bin begeisterter „Anhänger“ der Konzepte der Informatiker und da ist „Information“, (geistiges) sehr wichtig.

    Mit den Konzepten der Philosophie, z.B. der „subjektiven Bewusstseinserfahrung“ kann ich nur wenig anfangen. Ich habe schon öfter erwähnt, dass ich ehemals in einer „68 WG“ viel mit Psychologiestudenten diskutiert habe und ich mir dort mein „Menschenbild gestrickt“ habe.

    Auch ich bin ebenfalls davon überzeugt, dass wir wegen der Beschränktheit unserer „Denkprozesse“ noch zu wenig „wirklich erkennen“ können.

    Vermute aber, dass besonders die Informatiker, die streng logischen Konzepte der traditionellen Informationsverarbeitung und die Konzepte der KI zusammenführen können und immer mehr Fachwissen möglichst aller Wissenschaften, konzentriert bündeln, immer mehr erweitern und optimieren können. Die Segmentierung in den Wissenschaften scheint derzeit ein Problem.

    Vielleicht gelingt es, auch mit KI Einsatz, künstliche „Erklärungsmuster“ zu finden um auch grundlegende physikalische Prozess zu erklären und zu simulieren.

    Nach Korrelationen von grundlegenden, allenfalls quantenphysikalisch/chemischen „Mustern“, zumindest mit Aspekten des „Empfindungsphänomen“ sollte gesucht werden.

  175. @ Axel Krüger:

    Stimmt. Der von mir zitierte paper-Text gehört auch mehr zum Abhidhamma, einer späteren, Art akademischen (“höheren“, scholastischeren) Form der Lehre.

    Der Theravada Buddhismus bezieht sich u.a. auf Abhidhamma als Teil des Pali Kanon. Das ist die Form des Buddhismus die am nächsten dem alten Buddhismus nahekommt und der auch ich micht zugehörig fühle. Hier werden die ältesten buddhistischen Schriften behandelt die überliefert sind.

    Mein Verständnis ist dass zumindest hier eine Willensfreiheit oder Autonomie (ich will mich nicht über Begriffe streiten) zumindest insofern besteht als dass wir nicht komplett in unserem Denken und Verhalten determiniert sind. Ansonsten wäre der edle achtfache Pfad sinnlos; dann wäre dieser selbstwidersprüchlich bzw. würde jede Substanz verlieren wenn ohnehin alles inklusive wir durchdeterminiert wären.

    Die Natur ist aber nicht nur “negativ“. Lt. Buddhismus darf/“muss“ man sogar dankbar sein als Mensch geboren zu sein. Weil man (insbesondere) in dieser “Existenzform“ die Möglichkeit hat die Dinge so zu erkennen wie sie “wirklich“ sind.

    Weil der Mensch, beispielsweise im Gegensatz zu Tieren, die prinzipielle Fähigkeit besitzt die Lehre/Dharma zu lernen, zu verstehen, und um so (hoffentlich) final aus dem Samsara auszutreten. Die vier edlen Wahrheiten stellen so etwas wie ewige Wahrheiten dar die Buddha nicht erfunden sondern nur verstanden oder wiederentdeckt hat.

    Auch die Wiedergeburt als Deva (“Gottheit”) ist nicht optimal, da man sich in dieser Wiedergeburt zu sehr ausruht und so im Samsara verbleibt, beispielsweise als Tier oder Mensch wiedergeboren wird.

    Daher nimmt der Mensch hier eine “Sonderolle” ein wie von Ihnen erwähnt.

  176. @Axel Krüger 02.01. 19:02

    „Statt Synapsenzustand kann man auch Bewusstseins-/Denkzustand sagen. Und der ändert sich recht zügig…“

    Ich stell mir das eher so vor, dass Bewusstsein/Erlebniswelt auf Basis des Synapsenzustandes laufen, dann aber ein sehr konkretes „Austauschsignalgewitter“ sind. Dieses wirkt dann wieder auf die Synapsenzustände zurück.

    Jetzt kommt es allerdings auch drauf an, welche Synapsen in welchen Bereich man meint. Gedächtnis und Fähigkeiten aller Art machen sicher das meiste aus, und ändern sich dann von Tag zu Tag wirklich nur sehr, sehr langsam. Geht es um ein aktuelles Projekt, an dem man gerade über Stunden arbeitet, dann formt sich wohl recht schnell was sehr aktuelles heraus, auch mit neuen Synapsen in ganz bestimmten Bereichen. So kommt man allerdings auch nur erst über Monate und Jahre zu wirklichen persönlichen Fortschritten.

    „Kommt aber halt darauf an was man denkt.“

    Das macht dann letztlich auch die Willensfreiheit aus. Womit man sich beschäftigt, was man lernt, wie man an die Dinge herangeht entscheidet letztlich auch über die Qualität der eigenen Entscheidungen.

    Persönlichkeit ist auch kein festes Faktum, das angeboren ist. Sie hat eine Geschichte und eine Zukunft, und großen Einfluss auf das eigene Schicksal, und darauf, was man so anrichten kann.

    Öfter kommt es auch darauf an, zu wissen, wen man fragen kann, oder wo man nachlesen kann, wenn man ein Problem hat.

  177. @Elektroniker

    Da sie so viel Hoffnung auf die Informatik setzen ist es vielleicht interessant, dass ich Informatiker bin und mich schon lange mit dem Thema ‘KI’ beschäftige.
    Meine aktuelle Einschätzung ist, dass die internationale Öffentlichkeit das Thema teilweise zu optimistisch sieht – also gewisse Grundprobleme, vor allem das ‘alignment problem’ unterschätzt, und bisher lediglich mit nicht auf Dauer haltbarer Zensur reagiert. Während die Deutsche Öffentlichkeit und auch deutsche ‘Fachleute’ wie üblich mit Ignoranz oder sogar mit Angst reagieren, und allgemein eher sehr lange unintelligent oder ineffektiv mit neuen Techniken umgehen, oder konservativ davon ausgehen, dass das eh nur neumodischer unnötiger Kram ist, der sich eh nicht ‘durchsetzt’.

    Dass ihren ihre 68er WG Erfahrung noch in den Knochen sitzt und ihr Weltbild maßgeblich befeuert hat ist für mich durchaus nachvollziehbar, da ich ebenfalls in ähnlichen Kreisen zugange war.
    Sie sollten aber das Kind nicht mit dem Bad auskippen. Man kann den Sprung vom reinen analytisch reduktionistischen Denken zu mehr holistischen Perspektiven auch schaffen, ohne die Grundfesten des Physik völlig im ‘Esoterischen’ versickern zu lassen. Nicht wenige Physiker haben das zumindest in ihrem späteren Leben geschafft – und die wirklich grossen sogar schon recht früh. Wahrscheinlich sind sie genau der Typ, für den ein ordentlicher Trip mit einer psychedelischen Substanz hier katalytische Wirkung haben könnte. Und nach meiner Erfahrung werden Sie sich auch genau deshalb mit Händen und Füßen dagegen wehren, je so einen Trip zu machen… Freue mich aber natürlich, falls ich falsch liege, und bei Ihnen nur damals ‘Set oder Setting’ nicht gestimmt haben, und Ihnen deshalb der entsprechende Aha! Effekt verwehrt blieb.

  178. @Elektroniker

    In diesem Zusammenhang noch ein kleiner Denkanstoß: jeder der sich aktuell schon näher mit KI, und hier speziell mit dem ‘Priming und Prompting’ beschäftigt, dem kann folgender Gedanke kommen: ich kann mit einer der bekannten Bilderzeugungs KI aktuell ‘Bilderwelten’ und sogar schon ganze Animationen erschaffen, indem ich nur die richtigen Worte finde und intelligent verwende. Wenn man das weiter denkt und mit der Simulationshypothese verknüpft, die davon ausgeht, dass wir alle nur Teil einer Art ‘virtueller Realität’ wie der ‘Matrix’ oder eines ‘Holodecks’ ala Star Trek sind – dann berühren sich genau an dieser Stelle ‘Realität’ und ‘Magie’. Dann sind unsere aktuellen KI Prompts nämlich nichts anderes als ‘Zaubersprüche’ ala Harry Potter, mit denen wir früher oder später die Natur und die Parameter unserer eigenen Realität verändern können. Ob man das dann ‘Magie’ oder ‘Technik’ nennt ist lediglich eine Frage der Perspektive. Wenn ich im Holodeck durch ein sprachliches Kommando, oder in einer anderen Umgebung vielleicht durch Gesten mit einer Art ‘Zauberstab’ direkten Einfluß auf den Programmablauf nehme, dann ist das auf jeden Fall für die allermeisten Menschen nichts anderes als ‘Magie’.

  179. @Sunflower 03.01. 08:20 / 08:46

    „Man kann den Sprung vom reinen analytisch reduktionistischen Denken zu mehr holistischen Perspektiven auch schaffen, ohne die Grundfesten des Physik völlig im ‘Esoterischen’ versickern zu lassen.“

    Das habe ich auch schon mal versucht. Und kam auf die Idee, dass der Quantenzufall auch aufs Makroskopische gezielt gestaltet werden könnte. Das würde die gesamte restliche Physik weiter gelten lassen, und wäre doch ein hinreichender Zugang für Geisteswelten. Unser Bewusstsein und Erleben könnte dann mit diesen Geisteswelten ganz gut verbunden sein, ohne dass es in der Welt mit magischen Wirkungen drunter und drüber ginge.

    „Wenn man das weiter denkt und mit der Simulationshypothese verknüpft, die davon ausgeht, dass wir alle nur Teil einer Art ‘virtueller Realität’ wie der ‘Matrix’ oder eines ‘Holodecks’ ala Star Trek sind – dann berühren sich genau an dieser Stelle ‘Realität’ und ‘Magie’.“

    Entsprechend bliebe meine Welt die echte physikalisch eindeutige. Könnte nur in den Feinheiten dann doch gezielt lebensfreundlich sein. Ich habe das hier unter dem Titel „Die Reise des Kosmos“ zusammengefasst:

    http://introspektiva.de/etitel/index.php

    Es mag andere Möglichkeiten geben. Diese ist allerdings ganz gut überschaubar.

  180. @ Sunflower 03.01.2024, 08:20 Uhr

    Ich hatte ehemals auch mit „Programmierung“ zu tun. Musste mich ehemals relativ schnell umorientieren, weil das „Gatterzeitalter“ in der Elektronik praktisch zu Ende ging und die „Prozessortechnik“ den „Siegeszug“ angetreten hat.

    Habe nur private und berufliche Fortbildungskurse in Informatik absolviert, wobei die Vortragenden (so nebenbei) bereits auf die KI eingegangen sind. Hauptsächlich die Hardwaregrundlagen waren mir bekannt.

    Mich hat die Technik des „Perzeptron“ interessiert und ich nehme an, dass die KI Informatiker letztlich das „Perzeptron Konzept“ emuliert haben. Die Emulation für Computersysteme ist wesentlich flexibler als die „Hardware“.

    Es scheint klar, dass den an der „KI Front“ arbeitenden Informatikern sowohl die technischen als auch die neuronalen Konzepte der Informationsverarbeitung bestens bekannt sind und Möglichkeiten sehen die Informationsverarbeitung weiter zu entwickeln.

    Sehe vieles wie Sie. Dem ‘alignment problem’ dürften allerdings die KI Forscher mit der „Klugschwätzer KI“ näher gekommen sein. Abgesehen von den „Zukunftsträumen“, verbesserter „Denkprozesse“, hat die KI den Vorteil, die nötige Produktivität der Gesellschaft zu erhöhen, auch wenn die Zahl und die Leistung der „produktiven Menschen“ zurück geht. Man wird sich anpassen müssen, wie man sich auch an die „Technisierung“ angepasst hat.

    Ich sehe meine 68er WG Erfahrungen sehr positiv. Die Psychologen sehen das „Treiben“ der Menschen „lockerer“. Zwischen „analytisch reduktionistischen Denken“ und „holistischen Perspektiven“ kann ich problemlos „umswitchen“.

    Einen ordentlichen Trip mit psychedelischen Substanzen die katalytische Wirkung gehabt haben könnten, habe ich mir tatsächlich erspart. Mir haben diesbezügliche Erfahrungen die andere gemacht haben und die auch tödlich geendet haben, gereicht. Dezentes, vorsichtiges „hinein schnüffeln“ in diese „alternative Welt“ haben mir gereicht…..

    „Priming und Prompting“ ist den Psychologen seit langem bekannt. Es ist letztlich ein Konzept um vorher absichtlich erzeugte Assoziationsketten auszulösen und potentielle Kunden zum Kauf zu verführen.

    Wenn die KI Leute das „Assoziationskonzept“ realistisch in ihren Systemen nachahmen, ist es auch klar, dass sie mit KI Prompts „Bilderwelten“ und „Animationen“ verschiedenster Art generieren/aktivieren können.

    Für jemanden der einmal selber programmiert hat, ist das problemlos nachvollziehbar. Für Außenstehende scheint es Magie.

  181. @ Philipp

    Sie schrieben am 28:12 um 9:20: Das Gehirn ist wie das Herz immer und dauerhaft spontan aktiv und um 22:53: Das Gehirn verarbeitet inputs nicht passiv, rein basierend auf den absoluten oder auch nur statistischen Aspekten eines Stimulus, sondern in Relation zur vorherigen Spontanaktivität. D.h. wie ein Input verarbeitet wird hängt von der prä-stimulus Aktivität ab. Der eingehende extrinsische Input trifft nicht auf ein “leeres Gehirn”, sondern er trifft auf die stets laufende Spontanaktivität. Mit dieser muss er in Interaktion treten, in sie integriert werden.

    Stimmt. Wobei man das um 22:53 auch buddhistisch assoziieren kann = der Bewusstseinsstrom (citta-santānam) oder die Bewusstseinsfunktionen (viññāna-kicca). Darum geht es im Grunde auch hier, mein‘ ich (ich bin aber nicht vom Fach) – heute Morgen überflogen: https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2312204121. Erinnerte mich an den Ausdruck „Austauschsignalgewitter“ im post von Tobias Jeckenburger heute um 00:36 😉.

    Im (insb. Theravāda-) Buddhismus spielt das Unterbewusstsein/der Strom des Unterbewusstseins (bhavaṅga-sota) – das life-continuum – eine wichtige Rolle. Hier ein Text zum Bewusstsein allgemein: https://www.abhidhamma.de/txt_Bewusstsein_aus_buddhistischer_Sicht.pdf. Und hier ein “Wälzer“ zum Thema: https://archive.org/details/the_workings_of_kamma_2nd_rev_ed__pa_auk_sayadaw/mode/2up?view=theater. Auf Seite 166 (Originalseite 146) und 168 (OS 148) sind Abbildungen zu Bewusstseins- bzw. Gehirnprozessen (“Abhidhamma“). Zu S. 166 siehe auch S. 182 (OS 155) in https://www.saraniya.com/books/meditation/Bhikkhu_Bodhi-Comprehensive_Manual_of_Abhidhamma.pdf.

    “Herzstück“ (für Nichtmönche) der Lehre des Buddha ist in der Regel jedoch der Sutta Pitaka, der Korb der Lehrsätze.

  182. Hallo @Philipp
    Sie schreiben (02.01.2024, 22:57):

    » Mein Verständnis ist dass zumindest hier eine Willensfreiheit oder Autonomie (ich will mich nicht über Begriffe streiten) zumindest insofern besteht als dass wir nicht komplett in unserem Denken und Verhalten determiniert sind. «

    Nicht determiniert durch was eigentlich? Durch Gehirnaktivitäten, Umweltereignisse?

    Dann ist der Freie Wille wohl doch mehr als eine bloße “metaphysische Spekulation”. Beruht diese Einschätzung auf Erkenntnisse aus dem Neuro-Labor? Das wäre immerhin mal was Neues, denn bislang sind ja wohl alle experimentellen Versuche, den Freien Willen (wenigstens zum Teil) dingfest zu machen, gescheitert. Siehe z. B. Libet.

    Nebenbei: Die Begriffe ‚Willensfreiheit‘ und ‚Autonomie‘ bezeichnen nach meinem Dafürhalten völlig verschiedene Dinge. Wird aber oft zusammengeworfen, zugegeben.

  183. @ sunflower

    Mikro- und Makrokosmos sind keine Gegensätze.
    Sie sind jeweils eigene Entitäten, die doch zusammenhängen. Reduktion und Holismus hängen mit dem Phasenwechsel zusammen, den wir aber theoretisch nicht zusammenbringen. Das ist Praxis und Theorie und hängt meiner Ansicht mit Konjunktion und Disjunktion zusammen…

  184. @ Balanus:

    Nicht determiniert durch was eigentlich? Durch Gehirnaktivitäten, Umweltereignisse?

    Eben, genau da gehen die konzeptuellen Probleme schon los.

    Dann ist der Freie Wille wohl doch mehr als eine bloße “metaphysische Spekulation”. Beruht diese Einschätzung auf Erkenntnisse aus dem Neuro-Labor? Das wäre immerhin mal was Neues, denn bislang sind ja wohl alle experimentellen Versuche, den Freien Willen (wenigstens zum Teil) dingfest zu machen, gescheitert. Siehe z. B. Libet.

    Ich glaube dass das Problem der Willensfreiheit ein metaphysisches Pseudoproblem der Philosophie ist (so wie auch das Leib-Seele Problem), ohne meine Ansicht jetzt hier zu begründen. Deshalb denke ich, wie ich schon weiter oben irgendwo geschrieben habe, dass empirische Wissenschaften auch nichts zu diesem Problem beitragen können.

    Wenn man z.B. fragt wie es sein kann das in bestimmten psychiatrischen Erkrankungen sowas wie “sense of agency” vermindert oder verloren geht, dann ist das wiederum eine andere Art der Frage. Wie kann es also sein dass jemand seine Handlungen pathologisch als unfrei erlebt etc. Hierzu gibt es ja Forschung. Aber all das berührt die metaphysische Frage der Philosophie letztendlich gar nicht.

  185. PS: und häufiger ist es doch so dass abstrakte und grob formulierte Probleme der Philosophie dann durch die Wissenschaft in Scheibchen geschnitten, viel genauer ausformuliert, und differenziert analysiert werden.

    Es stellt sich dann heraus dass das “eine Problem” eigentlich aus mehreren Teilproblemen besteht. Und wenn man die dann angeht und besser versteht löst sich das ursprüngliche Problem eventuell auf.

    Kritiker werden nun direkt Reduktionismus rufen, aber so ist es nun einmal häufiger geschehen.

  186. @ Philipp 03.01.2024, 17:57 Uhr

    Ich fürchte, der Begriff der „Willensfreiheit“ enthält einen Widerspruch in sich selbst.

    Entweder ist der „Wille“ vom „Denksystem“ erzwungen, dann ist er, jedenfalls nicht immer, wirklich frei, weil z.B. „der Körper“ etwas anderes will.
    Oder er ist von den „äußeren Umständen“ (z.B. vom Staat) erzwungen, dann ist er auch nicht frei.

    In beiden Fällen kann man sich selbst ruinieren, wenn man auf den vermeintlichen freien Willen besteht.

    Das „Leib – Seele“ Problem, entspricht für mich ungefähr dem „Hardware – Software“ Problem.

    Auch wenn der Begriff „Seele“ mangels genauem Wissen, derzeit nicht korrekt deklariert werden kann. Allerdings scheint nahe liegend, dass es „genetische Information“, als auch „memetische Information“ auch in der Realität gibt. Auch weil beides einer anderen Kategorie angehört als „Hardware“.

    Zitat: „…. und häufiger ist es doch so dass abstrakte und grob formulierte Probleme der Philosophie dann durch die Wissenschaft in Scheibchen geschnitten, viel genauer ausformuliert, und differenziert analysiert werden.

    Es stellt sich dann heraus dass das “eine Problem” eigentlich aus mehreren Teilproblemen besteht. Und wenn man die dann angeht und besser versteht löst sich das ursprüngliche Problem eventuell auf.“

    Das sehe ich auch so.

  187. Elektroniker, die westliche Philosophie ist Meister darin tausende Jahre über Begriffe zu streiten.

    Thema freier Wille:
    – was ist frei?
    – was ist determiniert?
    – Was ist Wille?

    Die Diskussion ist, soweit wir Aufzeichnungen besitzen, schon +-2500 Jahre alt in der westlichen Philosophie. Man kann sich über die Definition dieser Begriffe und daraus resultierender Konzepte ewig streiten und wird am Ende des Tages doch keinen (wirklichen) Schritt weiter kommen. Deshalb entwickeln sich ja diese ganzen metaphysischen Positionen die sich dann rein über logische Argumente endlos “den Kopf einschlagen”.

    Ich sehe den Zusammenhang mit empirischen Fragen nicht. Aber mir ist schon bewusst dass ich damit wahrscheinlich eher eine Außenseiterposition vertrete, besonders in Populärphilosophie und -wissenschaft. Wenn man sich Youtubevideos von heutigen Populärphilosophen anschaut die über solche Themen diskutieren = zehntausende, hunderttausende, ja eventuell gar Millionen views bzw. Klicks. Wow. Die Leute stehen auf sowas. Richtig gute wissenschaftliche Videos stehen dann mit 100, 1000 oder mal 10.000 Klicks daneben da sie zu kompliziert und anstrengend sind, etwas für “Fachidioten”.

  188. @ Philipp 04.01.2024, 04:04 Uhr

    Zitat: „… die westliche Philosophie ist Meister darin tausende Jahre über Begriffe zu streiten.“

    Das sehe ich ganz genau so. Das Problem ist nur, es fehlt hauptsächlich an empirischen Wissen und die Philosophen können nur spekulieren. Man erwartet aber von ihnen, dass sie auf Fragen Antworten wissen. Sarkastisch könnte man fast sagen, Philosophen streben an, dass ihre Ergebnisse mehr neue Fragen aufwerfen als Antworten….

    Das ist bei Theologen ähnlich. Sie versuchen eher „Tautologien“ zu formulieren, die sind praktisch immer wahr, oder können nicht wirklich überprüft werden. Aber auch sie hatten ihr „Waterloo“, z.B. mit der Welt Scheibentheorie.

    Das alles ist auch der Grund, warum ich die Sicht der Informatiker bevorzuge. Sie müssen ihre „Objekte“ (keine vagen „Muster“) klug, realistisch, allenfalls „trickreich“ deklarieren (z.B. auch eingeschränkter „Gültigkeitsbereich“,…) und streng logisch verknüpfen. Machen sie das nicht, „fliegt“ ihnen irgendwann die Software um die Ohren.

    Die „KI Konzepte“ sind eher ein gewisser „Rückschritt“, weil problematische Mechanismen der menschlichen „Denke“ („vage Muster“, „vage Statistik“,….) genutzt werden. Nur sind sich die KI Informatiker der Probleme bewusst und beurteilen die Ergebnisse kritisch. Sie wissen auch, wo sie ansetzen müssen um „Denkprozesse“ zu optimieren….

  189. @Elektroniker 04.01. 12:02

    „Die „KI Konzepte“ sind eher ein gewisser „Rückschritt“, weil problematische Mechanismen der menschlichen „Denke“ („vage Muster“, „vage Statistik“,….) genutzt werden.“

    Tja, aber genau das macht menschliche Intelligenz am Ende aus. Insbesondere die Flexibilität ist beachtlich, auch wenn wie gewohnt sehr viel Unsinn dabei heraus kommt. Das Leben ist eine Baustelle, und wie das aussieht, macht es KI genauso. Vermutlich, weil es eben nur so geht.

    Die Psychologen wollen sich da gerne drüber erheben. Was dann vermutlich zu nicht viel führt, die Grausamkeiten menschlicher Unzulänglichkeiten bleiben erhalten. Und doch könnte dies die höchste Intelligenz sein, die informatisch möglich ist.

    Die Philosophen bleiben Menschen, und ich will denen nicht absprechen, auch sinnvolle Ergebnisse hervor zu bringen. Auch wenn das öfter komplizierter als vielleicht möglich aussieht.

  190. Elektroniker schrieb (04.01.2024, 12:02 Uhr):
    > […] Informatiker […] müssen ihre „Objekte“ […] deklarieren […]

    Die Anführungszeichen um das Wort “Objekte” sind ganz zutreffend gesetzt (und auch um das Wort “deklarieren” fände ich Anführungszeichen gerechtfertigt), weil diese beiden Worte gerade im Jargon der Informatik als Fachbegriffe verstanden werden (können); und in diesem speziellen Sinne “das Deklarierern (von vornherein)” sich eigentlich auf sogenannte “Klassen” bezieht, während “Objekte” auf dieser Grundlage “(bei Bedarf) instanziiert” würden. [1]

    [1: Der Unterschied und der Zusammenhang zwischen “Klasse” und “Objekt” in der Informatik ähnelt (meines Erachtens auffallend) der Beziehung zwischen “Messgröße” und “Messwert” in der Physik. [2]]

    [2: Auf diese Ähnlichkeit sowie deren denkbare Verallgemeinerungen hinzuweisen, habe ich bei bisherigen Gelegenheiten leider versäumt. Darum nehme ich mir für dieses Jahr das mal besonders vor.]

    p.s.
    > Zitat: „… die westliche Philosophie ist Meister darin tausende Jahre über Begriffe zu streiten.“

    Bekämen jene Streitenden die diesbezügliche Rechts(-grund-)lage (hinsichtlich Verhandlung, womöglicher Schlichtung oder Abweisung westlich-philosophischer Fälle) erst zu fassen, dann wären sie natürlich [3] dazu im Stande, sie zu zerreißen. …

    [3: Oder — neuerdings — auch KI-gestützt.]

  191. @ Frank Wappler 05.01.2024, 17:07 Uhr

    Sie haben natürlich recht. Ich hätte tatsächlich die Anführungszeichen um beide Worte “Objekte” und “deklarieren” setzen müssen.

    Beide Worte habe ich extrem verallgemeinernd genutzt.

    Ich fände es gut, wenn Sie verstärkt auf denkbare Verallgemeinerungen hinweisen würden.

  192. Es wäre interessant, wie weit, abgesehen von der Umwelt, Gene und bestimmte Mechanismen auf die individuelle Informationsverarbeitung im Gehirn und letztlich auch auf die „psychische Einstellung“ einer Persönlichkeit Einfluss nehmen?

    Die grundsätzlichen Mechanismen habe ich an elektronischen Systemen beobachtet und sind in der Elektronik allgemein bekannt. „Oszillationen“ können systemimmanent für die korrekte Funktion, als auch sehr störend sein.

    In der Radiotechnik z.B. systemimmanent, weil die „eingestellte Oszillatorfrequenz“ den empfangenen Sender „bestimmt“, aber Störsignale sind unerwünscht. In der Elektronik, nehmen Oszillationen auf die „Verschiebung der Signale“ Einfluss, können aber auch sehr störend sein, weil Störsignale zu einem unerwünschten „Eigenleben“ der Schaltung führen können.

    Dass es die erforderlichen neuronalen „Oszillationen“ tatsächlich gibt, habe ich bei Prof. W. Singer gelesen, aber auch „Philipp“ hat in diesem Blog darüber berichtet.

    Argumentationsweisen und auch die Denkinhalte haben mit der individuellen Steuerung der Denkprozesse zu tun und es wäre interessant nachvollziehen zu können, ob, wie und warum auch Gene, bzw. Genkombinationen Einfluss darauf nehmen können.

    Gene, bzw. Genkombinationen bewirken, (neben der „Umwelt“) dass ein erfolgreicher Hochspringer sehr schlank ist, lange und auch muskulöse Beine hat. Ein Sumoringer der „sehr standfest“ sein muss, hat eher kurze Beine, ist dick und schwer.

    Gene und Genkombinationen dürften aber auch für die Art und Verteilung der Neuronenarten im Gehirn maßgeblich sein. Einerseits ist offensichtlich, dass es z.B. auf die Qualität der Sensorik ankommt. Andererseits aber auch auf die „Steuerung der Gedanken“, so dass sich individuelle „Schwerpunkte“ des Denkens und auch der geistigen Leistungsfähigkeit entwickeln.

    Allerdings gibt es Neuronentriggerungen, „Oszillationen“, die für den Mainstream der Neurologen eher als unnützer „Störnebel“ gelten.

    In der Elektronik gab es auch durch „Störimpulse“ ausgelöste, nicht erwünschte Triggerungen von Transistoren, die unerwünschte Signalkaskaden mit absurden Fehlfunktionen ausgelöst haben. Die Techniker versuchten, dieses unerwünschte „Eigenleben“ zu vermeiden.

    Allerdings dürften diese „Oszillationen“, letztlich auch für das das „Eigenleben“, in neuronalen Netzen systemimmanent sein. „Oszillationen“ bewirken, dass nicht nur in der Elektronik, sondern auch an bestimmten Stellen im Gehirn, häufiger Signalkaskaden ausgelöst werden dürften, als an anderen Stellen. Diese Signalkaskaden verstärken oder erweitern gemäß der Hebbschen Regel selektiv die synaptischen Verknüpfungen im neuronalen Netz. Letztlich nehmen Gene und Genkombinationen indirekt, individuellen Einfluss auf die Denkprozesse.

    Die ohne („echten“) „Input“, auftretenden, aber „technisch-genetisch“ begründeten Signalkaskaden dürften bewirken, dass sich individuelle „Schwerpunkte des Denkens“ entwickeln, die letztlich genetisch bedingt sind. Z.B. weil Neuronen besonders „empfindlich“ und „Störsignale“ an bestimmten Stellen besonders zahlreich sein könnten, wie Transistoren mit hoher Verstärkung in einer elektronischen Schaltung mit besonders starker Einkopplung von Störimpulsen.

    Das wäre eine, eigentlich recht banale Erklärung dafür, dass individuelle Denkprozesse, abgesehen vom „äußeren Einfluss“ auch genetisch Ursachen haben.

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