Psychologie der Freiheit, einmal weitergedacht

Lange hieß es, der Mensch sei nicht frei. Jetzt ändert sich die Sichtweise. Was bedeutet das für den Alltag?

Weite Felder. Menschen, die im Sonnenuntergang in die Luft springen. Blauer Himmel mit Schäfchenwolken. Zerrissene Ketten oder ein geöffneter Käfig. Das sind Motive, mit denen die abstrakte Idee “Freiheit” oft gestalterisch ausgedrückt wird.

Die Wissenschaft operiert mit anderen Bildern. Als in den frühen 2000er Jahren die Willensfreiheitsdiskussion (wieder einmal) hochkochte, waren die beiden Hauptargumente: Wir seien, erstens, nicht frei, weil unser Gehirn determiniert sei; oder wir seien, zweitens, nicht frei, weil unsere Entscheidungen unbewusst festgelegt würden.

Diese beiden Argumente sind tatsächlich logisch voneinander unabhängig: Auch in einer Welt, die kausal vollständig determiniert ist, könnten Bewusstseinsprozesse unsere Entscheidungen beeinflussen; und wenn unsere Entscheidungen tatsächlich unbewusst bestimmt wären, könnte das Gehirn als Ganzes indeterministisch sein.

Die ewige Diskussion über Determinismus oder Indeterminismus wollen wir hier nicht führen (doch siehe: “Der liebe Gott würfelt nicht!” Einstein und der Determinismus). Und dass Sigmund Freuds (1856-1939) These von den unbewussten Einflüssen auf unsere Entscheidungen nach den Libet-Experimenten wieder intensiv vertreten wurde, haben wir kürzlich diskutiert (Neuromythos Libet-Experiment).

Einmal weitergedacht

Wenn man die frühen 2000er Jahre als das Jahrzehnt der Unfreiheit ansieht, dann gab es in den 2010ern eine Gegenbewegung: Beispielsweise veröffentlichte André Aleman, Professor für Neuropsychiatrie bei uns an der Universität Groningen, 2017 ein Buch mit dem Titel: Herr deines Gehirns werden – Über die Rolle von bewusstem Denken. Und auch John-Dylan Haynes, der nach einer Variante des Libet-Experiments im Kernspintomographen 2008 die Willensfreiheit ausschloss, veröffentlichte 2015 ein Experiment, das unserer Freiheit Raum gab.

In den 2020ern denkt man nun einen Schritt weiter: Wie sind eigentlich unsere konkreten Alltagsentscheidungen bestimmt? So beschrieb beispielsweise ein internationales Forscherteam um Liad Mudrik von der Tel Aviv Universität vor kurzem neun Einflussfaktoren – man könnte sie auch als Arten von Manipulation ansehen –, die die Freiheit unserer Entscheidungen einschränken können. Dazu gehört beispielsweise die Manipulation von Preisen, das Platzieren bestimmter Produkte in bequemer Greifnähe oder das Hervorheben der vom Anbieter gewünschten Alternative auf Internetseiten (Nudging).

Auf eine lange Zeit, in der Wissenschaftler zeigen wollten, dass wir nicht frei sind, folgte eine Phase, in der unsere Freiheit hervorgehoben wurde. In der jetzigen, dritten Phase geht es endlich um Freiheit im Alltag. Passend dazu beschäftigt sich das letzte Kapitel meines neuen Buches – Psychologie: Was wir positiv über Freiheit aussagen können – mit der Frage, wie wir Manipulationen widerstehen und unsere Freiheit vergrößern können.

Wissenschaft und Willensfreiheit. Aus dem Inhalt:

  • Vorwort: Warum das Problem wichtig ist
  • Teil I: Freiheit als Forschungsgegenstand
  • 1. Einleitung: Der Mensch als Natur- oder Kulturwesen
  • 2. Philosophische Vorbemerkungen zur Willensfreiheit
  • 3. Max Plancks Argument
  • 4. Determinismus und Kausalität
  • 5. Heutige Physiker*innen zur Willensfreiheit
  • 6. Willensfreiheit in Biologie und Neurowissenschaften
  • 7. Eine Zwischenbilanz
  • Teil II: Praktische Freiheit
  • 8. Freiheit und Verantwortung in Recht und Moral
  • 9. Wissenschaftler sind auch nur Menschen
  • 10. Allzumenschliche Neurofehlschlüsse
  • 11. Psychologie: Was wir positiv über Freiheit aussagen können
  • Epilog und Dank
  • Anhang A: Max Plancks Originalaufsatz aus dem Jahr 1939: Vom Wesen der Willensfreiheit
  • Anhang B: Anregungen zum Weiterdenken und für den Unterricht

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25 Kommentare

  1. Interessanterweise bezieht sich der “Freiheitsbegriff” auf die Rechtsstellung eines Menchen innerhalb einer Gemeinschaft.
    Im Deutschen kommt es von “frei Hals”, der Hals gehört der Person und nicht einem anderen Menschen. Die Strafe des Aufhängens hängt vielleicht mit diesem Verständnis zusammen.
    Die Libertas im romanischen Sprachraum war die Göttin der Freiheit , die auch mit Vogel dargestellt wurde. Sie war Sinnbild für die rechtliche Stellung eines Menschen im Gegensatz zu einem Sklaven, der rechtlich eine Sache war.

  2. Der Mensch ist an sich frei, er kann (medial und durch sonstiges Input) manipuliert werden, dies zu :

    Auf eine lange Zeit, in der Wissenschaftler zeigen wollten, dass wir nicht frei sind, folgte eine Phase, in der unsere Freiheit hervorgehoben wurde. In der jetzigen, dritten Phase geht es endlich um Freiheit im Alltag.

    Reduzierte Freiheit im Alltag könnte bis müsste insofern manipulierte Freiheit bedeuten.
    Es geht schon um die allgemeine Freiheit des Menschen.
    Sicherlich sind wie vorgestellte Determinismus-Ideen nicht günstig, zwar naheliegend, aber nicht den Menschen per se betreffend.
    Dieter Weiß

  3. Wenn sie dieses “Gehirn” einmal per Achtsamkeit/Mediation betrachten dann könnte man meinen dass es eine “Scheiss- Konstruktion” ist da es sich absolut nicht an Wahrheiten hält und pausenlos subjektive Bewertungsmuster produziert die es dann als eigene Meinung verteidigt.. Dass sie diese Muster dann auch noch als FREI einstufen ist wohl eher ein idealisierte Menschenbild denn hier manipuliert sich ein bereits mehrfach manipuliertes Gehirn permanent selbst ,was man wahrscheinlich nur aus der SELBST-Betrachtungsperspektive erkennen kann. Der WILLE kann dann also nur aus selbst konstruierten Wahrheiten kommen und FREIHEIT kommt dann aus einem Ego was diesen Moralbergriff erst durch den jeweiligen gesellschaftlichen Überbau bzw. durch Religionen einprogrammiert bekommt.

  4. Die Philosophie hat aus einem Begriff, der eine Sehnsucht und einen Wunsch ausdrückte, etwas problematisches, ja geradezu Unmögliches gemacht, indem sie den Fokus auf die Willensfreiheit legte: ein Widerspruch in sich selbst, denn man ist sicherlich nicht frei, zu wollen was man will.

    Dabei bedeute Freiheit ursprünglich nichts anderes als die Freiheit von Zwang, das Fehlen oder Absprengen von Fesseln. Sogar Karl Marx verwendete den Freiheitsbegriff so, wie folgende Marx-Zitate zeigen:

    Das Reich der Freiheit beginnt da, wo Arbeit aufhört.

    „Die Freiheit besteht darin, den Staat aus einem der Gesellschaft übergeordneten in ein ihr durchaus untergeordnetes Organ zu verwandeln“

    Fazit: Philosophie hinterfragt gerne und strebt nach dem Absoluten. Doch damit löst man nicht nur Probleme, sondern schafft Neue. Absolute Freiheit kann es nicht geben, muss es auch nicht geben. Denn wer will schon frei von sich selbst sein. Wenn schon will man frei von äusseren Zwöngen sein.

  5. ” man ist sicherlich nicht frei, zu wollen was man will.”(Holzherr)
    Goethe hat das so formuliert: “Alles Wollen ist letztlich nur ein Sollen”.

    Die Christen beten sogar im Gottesdienst :Vater unser, …….dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden……
    Sie legen damit ihr Schicksal in die Hand Gottes.

  6. Eine klassische symmetrische Balkenwaage
    muss völlig frei schwingen können.
    Nur dann wird durch die aufgelegten Gewichte
    determiniert, auf welche Seite sie ausschlagen wird.
    Mit dem freien Willen und der Wichtigkeit
    der Bedürfnisse verhält es sich ähnlich.
    Der freie Wille ist ein notwendiger Teil
    des determinierten Entscheidungsprozesses.
    Die Bedürfnisse stammen aus Vererbung,
    Erziehung, Umwelt, und deren Konsequenzen.
    Die Bedürfnisse kommen daher letzten Endes
    nicht aus einem selbst.
    Die Intelligenz alleine erzeugt keine Bedürfnisse,
    sie bemüht sich nur, sie zu erfüllen.
    Es gibt keine lokalen kausalen Ursachen.

  7. Karl Bednarik
    Viele Frauen gehen auf dem Jahrmarkt zu einer Handleserin und lassen sich die Zukunft voraussagen.
    Warum ? Weil sie nicht wissen, was sie wollen.
    Der freie Wille reicht nicht aus.
    Diese Frauen holen sich den Kick zur Entscheidung von Anderen.
    Ein Kind, wenn es hingefallen ist, schaut sich erst um, ob jemand zugeschaut hat. Dann fängt es an zu schrein oder nicht.
    Ein schönes Beispiel für den freien Willen !

  8. @Holzherr 04.04. 18:10

    „Absolute Freiheit kann es nicht geben, muss es auch nicht geben. Denn wer will schon frei von sich selbst sein. Wenn schon will man frei von äusseren Zwöngen sein.“

    Über sich selbst hinauszuwachsen, und den eigenen Egoismus zu überwinden kann schon auch ein persönliches Projekt sein. Und äußere Zwänge zu überwinden kann ebenso eine lebenslängliche Herausforderung sein, die man u.U. gerne annimmt.

    @Wengert 04.04. 19:00

    „Die Christen beten sogar im Gottesdienst :Vater unser, …….dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden……
    Sie legen damit ihr Schicksal in die Hand Gottes.“

    Nicht nur das. „Dein Wille geschehe“ kann man auch als den Versuch sehen, den eigenen Egoismus zu überwinden.

    Man verfolgt seine eigene Agenda, auch als Gläubiger. Aber man kann offen sein für Geisteswirkungen, die im Interesse des anderen motiviert sind. Genau so wird auch die Welt rein praktisch um einiges größer, wenn man eine gewisse Spiritualität mit einbezieht.

    Und eine gewisse Ausweitung der Freiheit, eben über den eigenen Egoismus hinaus, die hat man dann gleich mit. Und hier reicht sogar der Glaube, die geistige Wirklichkeit kann eine andere sein, als wie die Glaubenslehre es vorsieht.

    @Bednarik 05.04. 08:30

    „Die Intelligenz alleine erzeugt keine Bedürfnisse,
    sie bemüht sich nur, sie zu erfüllen.“

    Die Intelligenz kann aber frei genug sein, einfach nur Freude an neuen Erkenntnissen zu haben. Dass treibt u.U. mehr an, als alles andere.

    „Es gibt keine lokalen kausalen Ursachen.”

    Ich finde das ganze Leben ist eine lokale kausale Unternehmung.

  9. Psyhologie der Freiheit mal rückwärts gedacht.
    Jeder Mensch (fast jeder) macht eine Lebensphase durch, in der das “Ich” wahrgenommen wird. Und wenn das Kind dabei mit dem “Ich” der Erwachsenen zusammenstösst kommt es zu der bekannten Trotzphase.
    Das ist der Beginn des “freien Willens”, besser der “Befreiung des Willens”.
    Also , freier Wille ist etwas ganz Natürliches.
    Und daraus folgt, wer ständig fremdbestimmt lebt, wird krank.

  10. Ergänzung zu: Die Intelligenz alleine erzeugt keine Bedürfnisse:
    Neugier, Spieltrieb und Mitteilungsdrang sind angeborene Zielsetzungen,
    und werden nicht von der Intelligenz erzeugt, sondern nur befolgt.
    ——
    Zum (z. B. buddhistischen) Ablegen aller Bedürfnisse:
    Dafür sind die angeborenen Zielsetzungen Ruhebedürfnis
    und nach Leidensfreiheit die Ursache.
    —–
    Ohne die angeborenen Zielsetzungen passiert überhaupt nichts.

  11. @Bednarik 06.04. 10:27

    „Neugier, Spieltrieb und Mitteilungsdrang sind angeborene Zielsetzungen,
    und werden nicht von der Intelligenz erzeugt, sondern nur befolgt.“

    Mag sein, dass das hier von Grund auf eingebaut ist. Klar ist aber auch, dass Neugier, Spieltrieb und Mitteilungsdrang überhaupt erst Intelligenz erzeugt, insbesondere sogar kollektiv gesehen kulturellen Fortschritt verursacht.

    Man bewegt sich entsprechend auch jenseits des eigene Egoismus, was m.E. beachtlich ist. Und ein Wesensmerkmal des Kulturwesens Mensch ausmacht. Und das macht auch nicht davor halt, auch Geisteswelten zu entdecken, zu untersuchen und mitzugestalten. Und das auch dann noch, wenn es Menschen gibt, die offenbar keine Erfahrungen mit Geisteswelten machen.

  12. Ein heiterer Widerspruch:
    Das Bedürfnis nach Freiheit ist ebenfalls
    eine Folge von angeborenen Zielsetzungen.
    Diese angeborenen Zielsetzungen hat man
    völlig unfreiwillig eingepflanzt bekommen.
    —–
    Zu der geistigen Welt:
    Alles, was wir von der Welt erleben, erleben
    wir nur in unserem inneren Weltmodell.
    Das innere Weltmodell ist eine stark verkleinerte und
    vereinfachte symbolische Darstellung der Außenwelt.
    Im Wachzustand wird das innere Weltmodell durch
    die Sinnesorgane mit der Außenwelt synchronisiert.
    Beim Träumen geschieht das nicht, aber weil auch
    beim Träumen das innere Weltmodell verwendet wird,
    wirken Träume oft sehr real.
    Im inneren Weltmodell werden einige Vorgänge
    der Außenwelt nicht dargestellt.
    Dafür gibt es im inneren Weltmodell auch Symbole,
    die keine Entsprechungen in der Außenwelt haben.

  13. @Bednarik 08.04. 06:51

    „Das Bedürfnis nach Freiheit ist ebenfalls eine Folge von angeborenen Zielsetzungen. Diese angeborenen Zielsetzungen hat man völlig unfreiwillig eingepflanzt bekommen.“

    Nicht ganz. Freiheit erweist sich auch als lebenspraktisch sehr gut zu gebrauchen.

    „Alles, was wir von der Welt erleben, erleben wir nur in unserem inneren Weltmodell.“

    Das trifft es sehr gut.

    „Im Wachzustand wird das innere Weltmodell durch die Sinnesorgane mit der Außenwelt synchronisiert.“

    Genau so erwerben wir auch immer mehr Weltkenntnis. Wichtiger Teil ist aber immer die aktuelle persönliche Agenda. Wir sind oft gezielt auf der Suche nach Lösungen für aktuelle Probleme und bauen uns Pläne zusammen, wie wir weiter vorgehen können.

    „aber weil auch beim Träumen das innere Weltmodell verwendet wird, wirken Träume oft sehr real.“

    Neben den nächtlichen Träumen im Schlaf haben wir auch bei vollem Bewusstseins Vorstellungen im Sinn, mit denen wir konzentriert arbeiten können.

    „Dafür gibt es im inneren Weltmodell auch Symbole, die keine Entsprechungen in der Außenwelt haben.“

    Nicht nur ein paar Symbole. Der Architekt läuft mit den Plänen von Häusern im Kopf herum, die es noch gar nicht gibt. Jeder kennt nur einen Teil der physikalischen Gesetzmäßigkeiten, und stellt sich die Welt so vor, wie er es mit diesen Elementen hinbekommt. Entsprechend verschieden fallen dann die Weltmodelle von verschiedenen Menschen aus.

  14. Hallo Herr Jeckenburger.
    Zu: Praktische, nützliche und erfreuliche Zielsetzungen,
    relativ zu welchen Bewertungskriterien?
    Die angeborenen Zielsetzungen gibt es nur deshalb, weil sie
    die Überlebenswahrscheinlichkeit unserer Vorfahren erhöht haben.
    Dass wir unser Überleben als positiv bewerten,
    das ist nur eine Folge von angeborenen Zielsetzungen.
    Dass wir die angeborenen Zielsetzungen für eigene Ziele halten,
    das ist ebenfalls angeboren.
    Dazu dient auch das angeborene Belohnungs- und Bestrafungs-System.
    Auf diese Weise werden die Marionetten der Evolution gesteuert.
    Lebewesen, die bei der Evolution nicht mitmachen
    wollen oder können, werden einfach wegselektiert.
    Die angeborenen Bewertungskriterien lassen das
    Überleben und die Evolution als positiv erscheinen.
    Die angeborenen Bewertungskriterien sind nicht objektiv,
    und natürlich auch nicht frei.
    Mit freundlichen Grüßen, Karl Bednarik.

  15. @Bednarik 09.04. 06:16

    „Dazu dient auch das angeborene Belohnungs- und Bestrafungs-System. Auf diese Weise werden die Marionetten der Evolution gesteuert.“

    Dann weigere ich mich einfach, das anzuerkennen. Ich will einfach mehr, das genügt mir nicht. Dafür mache ich mir nicht solche Arbeit mit meinem Leben.

    „Lebewesen, die bei der Evolution nicht mitmachen wollen oder können, werden einfach wegselektiert.“

    Ist mir dann auch egal. Ich habe auch keine Kinder, und werde rein biologisch wegselektiert. Bis dahin lebe ich aber, und versuche, wenigstens Meme zu hinterlassen, wenn schon keine Gene.

    „Die angeborenen Bewertungskriterien sind nicht objektiv, und natürlich auch nicht frei.“

    Und doch suche ich mir eben eigene Bewertungskriterien, ähnlich wie es Religionen versuchen.

    Soweit ich hierbei auf richtige Geisteswelten stoße, so führen diese dann aber über das rein Biologische tatsächlich hinaus. Es funktioniert entsprechend auch ganz persönlich, ich führe ein Leben mit dem Bewusstsein, Teil von Geisteswelten zu sein. Immerhin das scheint tatsächlich zu funktionieren. Auch wenn hier die biologische Grundlage immer noch auch maßgeblich bleibt, ist sie bei mir nicht mehr alles.

    Die biologischen Bedingungen auf dem ganzen Planeten wiederum sind mir dann doch wieder wichtig. Weil eben die Biologie eine Grundlage auch für Geisteswelten liefert. Nur auf das Biologische ganz persönlich vollständig drauf festgelegt zu sein, das verweigere ich einfach. Das mache ich nicht mit.

    Hier ergeben sich dann in der Tat Freiräume für Freiheit, wenn auch in Grenzen. Man kann sich auch mit eigenen Postulaten die Freiheit, begrenzt wie sie ist, selber noch mehr einschränken. Was eben verzichtbar ist. Es ist auch keine Verweigerung gegenüber einem Gott der Biologie, in dem Sinne, dass solch eine Biologie ja kein Gott ist, sondern nur eine in sich selbst sinnlose Veranstaltung, die eben freiwillig durchaus ergänzt werden darf.

  16. @ Karl Bednarik:

    Ihr letzter Kommentar: Ist er Ergebnis eines abwägenden Nachdenkens eines Menschen oder Ergebnis einer Reiz-Reaktionsfolge einer „Marionette der Evolution“, wie Sie es nennen, also gedankenlos wie das Rauschen des Windes? Oder als aktuelleres Bild: wie die Wortfolgen von ChatGPT?

    Und wie sollte man auf Ihren Kommentar reagieren: Wie auf eine Sentenz von ChatGPT oder wie auf einen anderen Menschen?

  17. Hallo Herr Jeckenburger, hallo Herr Kuhn.
    Ich selbst bin auch ein absterbender Seitenzweig der Evolution.
    Der freie Wille wählt zwischen den Zielen.
    Wo kommen denn die Ziele her?
    Meine Reiz-Reaktionsfolge besteht aus Freiheitsdrang und Mitteilungsdrang.
    Mit der freien Intelligenz hat sich die Evolution,
    salopp ausgedrückt, ein Eigentor geschossen.
    Plötzlich gibt es Lebewesen, die bei der Evolution nicht mitmachen wollen.
    Obwohl die Evolution überhaupt keine denkende Person ist,
    wird sie gegen diese Entwicklung Gegenmaßnahmen ausprobieren.
    Das Bewertungskriterium der Evolution ist die Überlebenswahrscheinlichkeit.
    Weil das Senken der Intelligenz ein evolutionärer Nachteil wäre,
    könnte sie die Überzeugung über einen höheren Sinn von allem einbauen.
    Auf diese Weise hätte sie einen selektiven Intelligenz-Begrenzer.
    Womöglich findet diese Entwicklung bereits statt.
    Mit freundlichen Grüßen, Karl Bednarik.

  18. @Bednarik 10.04. 06:26

    „Das Bewertungskriterium der Evolution ist die Überlebenswahrscheinlichkeit.“

    Und wenn jetzt „Gottgefällige“ mehr Fortplanzungserfolg haben, gehts auch gleich in diese Richtung weiter.

    „Weil das Senken der Intelligenz ein evolutionärer Nachteil wäre, könnte sie die Überzeugung über einen höheren Sinn von allem einbauen.“

    Wenn dann aber der „höheren Sinn von allem“ sowieso der Wirklichkeit entspricht, dann braucht die Evolution diese Überzeugung gar nicht einbauen. Wir kommen dann ganz von selber zu höherem Sinn, indem wir nur beobachten und analysieren. Entsprechende Erfahrungen dann halt vorausgesetzt.

    Jede Menge Freiheit ist dabei allemal inclusive. Ein Pluralismus auf der Basis von unterschiedlichen Erfahrungen scheint eine Grundeigenschaft menschlichen Leben zu sein.

  19. @Joseph Kuhn

    Ist er Ergebnis eines abwägenden Nachdenkens eines Menschen oder Ergebnis einer Reiz-Reaktionsfolge einer „Marionette der Evolution“

    Wieso ‘oder’, das meint doch ein und dasselbe.

    also gedankenlos wie das Rauschen des Windes

    Welche Prämisse steckt denn hinter dieser Folgerung, warum sollten die Folgen von Reizen und Reaktionen nicht gelegentlich auch Gedanken sein?

  20. Das subjektive Bewusstsein kann man nur an sich selbst beobachten.
    Bei anderen Lebewesen kann man das subjektive Bewusstsein nur vermuten.
    Deutsche Wikipedia: Philosophischer Zombie.

  21. @ Joker:

    “das meint doch ein und dasselbe”

    Wenn man mit Ursachen und Gründen ein- und dasselbe meint, ja. Sonst nein.

    “warum sollten die Folgen von Reizen und Reaktionen nicht gelegentlich auch Gedanken sein”

    Kommt darauf an, was man unter “Gedanken” versteht.

    Halten Sie Outputs von ChatGPT für Gedanken? Outputs von Markus Gabriel auch? Alles ein- und dasselbe?

  22. @Joseph Kuhn

    Tao gave birth to One,
    One gave birth to Two,
    Two gave birth to Three,
    Three gave birth to all the myriad things.

    Laotse (Lao Tzu), zitiert nach ‘The self-organizing universe’, Erich Jantsch

    Wenn man mit Ursachen und Gründen ein- und dasselbe meint, ja. Sonst nein.

    Nein, wohl nur dann, wenn man kategorial ausschließt, dass auch das Entstehen von Gründen auf Ursachen beruht.

    Halten Sie Outputs von ChatGPT für Gedanken? Outputs von Markus Gabriel auch? Alles ein- und dasselbe?

    Die Frage ist doch, besteht alles aus ein und demselben Material? Ich würde sagen ja. Wer möchte das bestreiten?

    Wie im Zitat angedeutet, aus wenigen Zutaten können sehr unterschiedliche Dinge oder gar Wesen entstehen. Die Unterschiede sind es, die uns auch unterschiedliche Verhaltensweisen in Bezug auf die Dinge und Wesen gebieten – und (soweit sie überhaupt dazu in der Lage sind, so etwas zu generieren) auch in Bezug auf deren Outputs.

    Beton – es kommt drauf an, was man draus macht.

  23. @ Joker:

    “Nein, wohl nur dann, wenn man kategorial ausschließt, dass auch das Entstehen von Gründen auf Ursachen beruht.”

    Das ist durch die Begriffe “Entstehen” und “beruht” ein schwieriger Satz, den ich mangels Vertrautheit mit dem aktuellen Stand der umfangreichen philosophischen Diskussion um Gründe und Ursachen nicht wirklich zu kommentieren wage.

    Ein vorsichtiger Schritt in diese Richtung: Dass Gründe irgendwie aus einer Welt der Ursachen entstanden sein müssen und irgendwie damit zusammenhängen, scheint aus einer materialistischen Weltanschauung heraus naheliegend. In der psychologischen Schule, in der ich groß geworden bin (dem Ansatz von Klaus Holzkamp), ist das sozuagen “gesetzt”. Aber damit werden Gründe und Ursachen noch nicht eins, sondern das ruft erst einmal die ganzen Brückenkonzepte wie Emergenz, Supervenienz usw. auf den Plan.

    Dazu kann Stephan Schleim als gelernter Philosoph sicher mehr sagen. Man könnte das auch mit Markus Gabriel diskutieren, falls der dazu nicht nur wie ChatGPT eine probabilistisch aufgebaute Wortsequenz auswirft, ohne semantische Basis. Dass seine Antwort ohne Hirn, also ohne materielle Grundlage erfolgen könnte, halte ich dagegen in jedem Fall für ausgeschlossen.

    Da ich wie gesagt bei dem Thema nicht allzu tief in die Fachdiskussion einsteigen kann, möchte ich sie boshafterweise mit einem Vorschlag beenden: Lesen Sie Manuel Bremer “Rationalität und Naturalisierung”, nicht einfach, aber sehr anregend zu dem Thema, und setzen Sie es mit Habermas’ Überlegungen zur detranszendentalisierten Vernunft (es gibt dazu ein kleines Reclam-Bändchen) ins Verhältnis. Dann erklären Sie mir, was sie dazu denken – und vergleichen es damit, was ChatGPT dazu sagt.

  24. Kleine Erläuterung für Mitlesende: Der Verweis auf Markus Gabriel ist nur ein Insider-Spiel zwischen Joker und mir, ohne Anspielung darauf, was Gabriel zu alldem denkt, insofern ohne tiefere Bedeutung für das Thema. Sie verstehen das nun hoffentlich. In welcher Weise ChatGPT das “verstehen” würde, weiß ich nicht.

  25. Wenn man ChatGPT die Wikipedia beibringen würde, dann
    müsste ChatGPT die Antworten zumindest nicht erfinden.
    Derzeit schreibt ChatGPT nur, was die meisten Leute
    an ähnlicher Stelle geschrieben haben.

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