Wie passen Religion und intellektuelle Redlichkeit zusammen?

Im zweiten Teil der Serie geht es um den Begriff der Religion, Gottesbeweise und wie Thomas Metzinger sie zur Redlichkeit in Beziehung setzt


Im ersten Teil beschäftigten wir uns mit Metzingers Verständnis von Spiritualität und wie er es von Religion abgrenzt. Kurz gesagt, war für ihn die Suche nach Erkenntnis am wichtigsten. Diese Grundhaltung verbinde Spiritualität und Wissenschaft, schließe Religion aber aus.

In einer lebhaften Diskussion kamen wir anschließend auf eine Studie zu sprechen, die Religiosität und Spiritualität auf einen Gehirnschaltkreis reduzieren wollte. Wenn es dafür wirklich gemeinsame Mechanismen im Nervensystem gäbe, spräche das gegen Metzingers strikte Trennung. Doch unsere Analyse ergab, dass die neurowissenschaftliche Studie in vielerlei Hinsicht problematisch ist.

Nach der Einführung von “Spiritualität” besteht Metzingers zweiter Schritt in seinem Essay darin, intellektuelle Redlichkeit zu erklären. Bei Redlichkeit (Duden: “redliches Wesen; Rechtschaffenheit; Ehrlichkeit”) geht es nach meinem Verständnis nicht nur darum, die Wahrheit zu sagen.

Vielmehr schwingt auch eine moralische Komponente mit, eine Form von Anständigkeit. Und tatsächlich sahen wir im ersten Teil, dass es Metzinger in der Diskussion ausdrücklich auch um eine moralische Haltung geht.

Was ist intellektuelle Redlichkeit?

Er definiert sie wie folgt:

“Intellektuelle Redlichkeit bedeutet, dass man einfach nicht bereit ist, sich selbst etwas in die Tasche zu lügen. Sie hat auch etwas mit sehr altmodischen Werten wie Anständigkeit, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit zu tun, mit einer bestimmten Form von ‘innerem Anstand’.”

Metzinger, 2013, S. 11

Und weiter:

“Intellektuelle Redlichkeit bedeutet ja gerade, dass man nicht vorgibt, etwas zu wissen oder auch nur wissen zu können, was man nicht wissen kann, dass man aber trotzdem einen bedingungslosen Willen zur Wahrheit und zur Erkenntnis besitzt, und zwar selbst dann, wenn es um Selbsterkenntnis geht, und auch dann, wenn Selbsterkenntnis einmal nicht mit schönen Gefühlen einhergeht oder der akzeptierten Lehrmeinung entspricht.”

ebenda

Demnach geht es nicht bloß um einen Standpunkt in einer Diskussion, sondern mehr oder weniger um einen Lebensweg. Im Kern hatte der Biologe und Philosoph Thomas H. Huxley (1825-1895) diesen Gedanken bereits in seinem “agnostischen Prinzip” formuliert, für das er sich wiederum auf Sokrates berief:

“Positiv formuliert kann das Prinzip so ausgedrückt werden: Folge in Sachen des Intellekts so weit deiner Vernunft, wie sie dich tragen wird, ohne Rücksicht auf andere Überlegungen. Und negativ: Gebe in Sachen des Intellekts nicht vor, dass Schlussfolgerungen sicher sind, die nicht bewiesen wurden oder nicht beweisbar sind.”

Huxley, 1889/1894, S. 246; dt. Übers.

Wir erinnern uns daran, dass Sokrates (469-399 v.Chr.) in Athen zum Tode verurteilt wurde, weil er zu viele unangenehme Fragen gestellt hatte. Intellektuelle Redlichkeit scheint mitunter gefährlich zu sein.

Huxley konnte sich demgegenüber im 19. Jahrhundert mit der Kirche anlegen, im Gegensatz zu seinem stillen Zeitgenossen Charles Darwin (1809-1882), und so den Beinamen “Darwins Bulldogge” verdienen. Er wurde nicht mit dem Giftbecher, sondern mit öffentlicher Aufmerksamkeit belohnt.

Unredliche Menschen?

Schon im ersten Teil war uns Metzingers negatives Menschenbild aufgefallen. Das äußert sich nun auch in der Diskussion intellektueller Redlichkeit: “Die kritische Selbstregulation des Vorgangs, bei dem das ‘Sich-zu-Eigen-Machen’ von Überzeugungen stattfindet, ist aber etwas, das viele von uns auch als Erwachsene kaum beherrschen und oft niemals vollständig erlernen” (Metzinger, 2013, S. 11).

Die Mehrheit scheint also Schwierigkeiten mit intellektueller Redlichkeit zu haben. Um das feststellen zu können, muss man sich selbst schon als ein Stück weiter entwickelt als die anderen Menschen sehen. Doch die gute Nachricht ist, so Metzinger, dass Meditation zu mehr “mentaler Autonomie” und damit auch mehr intellektueller Redlichkeit führen könne.

Im Folgenden diskutiert er, wie dieses Denken in der europäischen Aufklärung entstanden sei. Dafür zitiert er unter anderem die Philosophen John Locke (1632-1704), Immanuel Kant (1724-1804) und Friedrich Nietzsche (1844-1900), also rund 250 Jahre Philosophiegeschichte. Nebenbei: Was sagt das über den emanzipatorischen Erfolg der Philosophie, wenn dieses Gedankengut im 21. Jahrhundert von der Mehrheit der Menschen nicht hinreichend gewürdigt wird?

Für Metzingers Diskussion ist nun insbesondere der als “Philosoph mit dem Hammer” bekannte Denker von Bedeutung:

“Nietzsche war einer der ersten Philosophen, der wirklich über die intellektuelle Redlichkeit geschrieben hat, über die ‘Gewissenhaftigkeit des Geistes’ […]. In seiner höchsten Form führt der Wille zur Wahrhaftigkeit dazu, dass man sich selbst eingestehen kann, dass es keinerlei empirische Belege für die Existenz Gottes gibt, und dass über viertausend Jahre der Philosophiegeschichte keine überzeugendes Argument für die Existenz Gottes hervorgebracht haben.”

Metzinger, 2013, S. 14f.

Und dann, ausdrücklich zum Menschenbild:

“Er [das ist immer noch der Wille zur Wahrhaftigkeit, St. S.] erlaubt es uns, die von der Evolution fest in uns eingebaute Suche nach emotionaler Sicherheit und guten Gefühlen loszulassen und der Tatsache ins Auge zu schauen, dass wir radikal sterbliche Wesen sind, die zu systematischen Formen der Selbsttäuschung neigen. Wahrhaftigkeit uns selbst gegenüber erlaubt es, das Wahrhafte und die systematische Endlichkeitsverleugnung in unserem Selbstmodell zu entdecken.”

ebenda

Dabei gilt wieder, dass so nur jemand reden kann, der mehr weiß, als die Anderen. Wir behalten Metzingers Erkenntnisanspruch für den dritten Teil im Hinterkopf, in dem wir seine wissenschaftlichen Beispiele diskutieren werden. An dieser Stelle müssen wir uns endlich mit der Frage beschäftigen, was Religion überhaupt ist.

Unredliche Religion?

Metzinger unterscheidet im nächsten Schritt nämlich – unter Rückgriff auf den britischen Philosophen William Kingdon Clifford (1845-1879) – zwei Lager: die Evidentialisten auf der einen Seite und die Dogmatiker sowie Fideisten auf der anderen.

Erstere würden nur etwas glauben, “für das man wirklich Argumente und Belege hat.” Demgegenüber würden Dogmatiker einfach etwas glauben, weil sie es glauben. Bei der Spielart des Fideismus könne man sogar dann noch an einer Überzeugung festhalten, wenn es überzeugende Gegenargumente gibt. So kommt Metzinger dann auf die wichtige Schlussfolgerung:

“Für den Fideisten ist es legitim, an bestimmten Überzeugungen festzuhalten, nicht nur ohne irgendwelche positiven Argumente oder Evidenzen für sie, sondern selbst angesichts starker Gegenargumente und starker empirischer Belege gegen eigene Überzeugungen. […] Er ist ein Mangel an innerem Anstand. Und das ist der klassische Standpunkt der organisierten Religion im Gegensatz zur Spiritualität.”

Metzinger, 2013, S. 16

In den nächsten Zeilen attestiert er den Fideisten dann noch “vorsätzliche Selbsttäuschung”, “systematisches Wunschenken” oder “Paranoia”. Hier sieht man, wie Vernunftargumente mit moralischen Werten vermischt werden, zum Teil sogar schon ins Pathologische (Krankhafte) hinein.

Da klingt es fast noch milde, dass Metzinger dem Fideismus Vorteile für die psychische Gesundheit einräumt (eben z.B. durch die Verdrängung unangenehmer Überzeugungen). Der intellektuellen Redlichkeit, um die es ihm geht, stellt er somit “intellektuelle Integrität” gegenüber. (Man hätte es vielleicht besser “intellektuelle Stabilität” nennen können, da “Integrität” wiederum eine moralische Bedeutung haben kann, die Metzinger seinem Diskussionsgegner gerade abspricht.)

Was ist Religion?

Hier hat der Philosoph meiner Meinung nach aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Die Unterscheidung von Evidentialismus, Dogmatismus und Fideismus spiegelt eine bestimmte Ideengeschichte wider – eben die, die Metzinger selbst zusammenfasst. Das scheint mir gegenüber der Gesamtheit der religiösen Menschen aber weder als vollständig fair noch als zutreffend.

Es gibt in Religionen natürlich Dogmatismus und Wissenschaftsfeindlichkeit. Die wird man in der Philosophie und vielen anderen Bereichen aber auch finden. Das wirft die Frage auf, ob man den religiösen Standpunkt wirklich so beschreiben kann, wie Metzinger es tat.

Eine Hilfestellung kommt aus den Religionswissenschaften, die sich mit solchen Fragen “hauptberuflich” befassen. (Meiner Erinnerung nach hatte Metzinger das im Nebenfach studiert.) Diese stellen eine ganze Reihe von Antworten auf die Frage zur Verfügung, was Religion ist:

Laut dem britischen Anthropologen Edward B. Tylor (1832-1917) ist Religion schlicht der Glaube an spirituelle Wesen. Diese Sichtweise war aber sehr christlich-protestantisch geprägt und eignet sich daher kaum für die Untersuchung der Komplexität von Religionen auf der ganzen Welt.

Dem deutschen Soziologen Max Weber (1864-1920) ging es im Gegensatz dazu eher um die psychologische Funktion von Religionen, insbesondere die Erzeugung von Sinn und Bedeutung. Als “Bewältigungsstrategie” erinnert das in der Tat an die von Metzinger angeführte “intellektuelle Integrität” – die, wohlgemerkt, auf Selbsttäuschung basiert.

Der französische Soziologe Émile Durkheim (1858-1917) legte stattdessen den Fokus auf die sozialen Charakteristika von Religionen: die Symbole (Erkennungszeichen), Rituale und insbesondere die Gruppenzugehörigkeit, die Menschen mit anderen verbindet. Für seinen Glauben bekommt man dann gewissermaßen eine bestimmte Identität und ein Zugehörigkeitsgefühl als Belohnung.

Dieser Vorschlag wurde in der Wissenschaft aber als zu breit kritisiert. Dann könne man nämlich Religionen kaum noch von Identifikation mit einer Nation (Nationalismus) oder einem Sportverein unterscheiden.

Neuer Vorschlag

Eine bis heute einflussreiche Definition stammt vom amerikanischen Anthropologen Clifford J. Geertz (1926-2006). Demnach ist Religion (1) ein System von Symbolen, das fungiert, um (2) in Menschen starke, überzeugende und langanhaltende Stimmungen zu erzeugen, indem es (3) Vorstellungen von einer allgemeinen Ordnung der Welt formuliert und (4) diese Vorstellungen in eine solche Aura der Faktizität kleidet, dass (5) die Stimmungen und Motivationen als einzig und allein realistisch erscheinen.

Das gibt zwar – ebenso wie Marxens Rede von Religionen als “Opium des Volkes” – Metzinger teilweise recht, weil darin eben gerade kein Erkenntnisziel formuliert ist, wie etwa die intellektuelle Redlichkeit.

Gleichzeitig ist diese – nennen wir sie breit: kultur- und sozialwissenschaftliche – Herangehensweise aber auch ein Problem für Metzinger. Denn in den Sozialwissenschaften will man in der Regel erklären, wie bestimmtes Wissen gesellschaftlich konstruiert wird und wie damit zusammenhängende soziale Praktiken funktionieren.

Mit anderen Worten: Der Philosoph verengt Religion auf die Frage nach der Wahrheit und beansprucht dann für sich, diese zu kennen. Damit dürfte er vor allem diejenigen ansprechen, die bereits überzeugte Atheisten sind, wohl so wie Metzinger selbst. Agnostiker und Gläubige dürfte dieser Standpunkt eher als anmaßend abschrecken.

Dieser Einwand mag mehr mit der (Geistes-) Haltung als mit dem Inhalt zu tun haben. Ein inhaltliches Problem ergibt sich aber daraus, dass Religionen eben so vielfältig sind, wie die Menschen, die ihnen angehören. Und hier überspannt Metzinger meiner Meinung nach den Bogen, wo er religiösen Menschen schlicht die Möglichkeit intellektueller Redlichkeit abspricht.

Die Wahrheit

Das gilt umso mehr, als Metzinger, wie wir im ersten Teil sahen, den indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti (1895-1986) gewissermaßen als einen seiner “Helden” anführte. Dieser warnte aber bekanntermaßen: “Die Wahrheit ist ein Land ohne Pfade.” Dann kommt Metzinger mit seinem Pfad und spricht allen, die auf einem anderen wandeln, die Ehrlichkeit ab. Wie passt das zusammen?

Außerdem gab und gibt es auch innerhalb etablierter Religionen immer wieder kritische Strömungen. Man denke einmal an Martin Luthers beißende Kritik am religiösen Missbrauch im Christentum vor rund 500 Jahren. Aus dieser entstand eine Reformbewegung, die beispielsweise im Protestantismus mündete.

Auch im Katholizismus gibt es verschiedene Traditionen. Angehörige des Jesuitenordens sind beispielsweise für ihre gute wissenschaftliche Ausbildung bekannt. Manche von ihnen wurden selbst einflussreiche Naturwissenschaftler. Sie haben gerade nicht alles blind (dogmatisch) geglaubt, sondern nach Interpretationen der alten Schriften gesucht, die mit neuen empirischen Funden vereinbar sind.

Als Beispiel sei auch die Päpstliche Akademie der Wissenschaft erwähnt, der etwa Niels Bohr, Otto Detlev Creutzfeldt, Stephen Hawking, Werner Heisenberg, Max Planck und Erwin Schrödinger angehörten. Lebende Mitglieder sind, unter anderen, die bekannten Hirnforscher Stanislas Dehaene und Wolf Singer. Fehlt es denen allen an intellektueller Redlichkeit?

Und auch die Suche nach Gottesbeweisen innerhalb der Philosophie zeigt das Erkenntnisinteresse religiöser, zweifelnder und areligiöser Menschen zugleich: Wenn mit Dogmatismus oder Fideismus alles gesagt wäre, bräuchte man nicht mühsam nach Beweisen zu suchen und sich darüber zu streiten.

Letzte Überzeugungen

Vergessen wir zum Schluss auch nicht, dass “die Wahrheit” – in Abwandlung Krishnamurtis – ein Minenfeld ist. Es gib auch in der philosophischen Erkenntnistheorie ein Grundlagenproblem, auf welche letzten Überzeugungen, die selbst nicht mehr begründet werden können, man seine Überzeugungen aufbaut.

Das heißt, dass man auch mit dem Evidentialismus oder Huxleys Agnostischem Prinzip irgendwann auf Überzeugungen stößt, die man intuitiv annehmen – oder glauben? – muss. Wie steht es beispielsweise um die Rechtfertigung dieser Standpunkte selbst? Wir werden im letzten Teil der Serie noch einmal auf Wahrheit zurückkommen.

Für wie überzeugend finden Sie Metzingers Ansatz bis hierher? Wie zutreffend ist seine Charakterisierung von Religion? Sind Sie für intellektuelle Redlichkeit in seinem Sinne? Halten Sie intellektuelle Integrität für wichtiger? Oder passt beides auch zusammen? Diskutieren Sie mit!

Hier geht es zum nächsten Teil der Serie “Spiritualität & Wissenschaft”: Bewusstsein, Erleuchtung & Gott aus philosophischer Sicht

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Referenzen

  • Huxley, T. (1889/1894). Agnosticism. In: Collected Essays, Vol. V, S. 209-262. London: Macmillan & Co.

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292 Kommentare

  1. Die Frage nach der intellektuellen Redlichkeit ist eine Vernebelungstaktik, die am eigentlichen Problem vorbeigeht.

    Alle Religionen wurden von Menschen erfunden und deshalb sollte man die Frage stellen: WESHALB – WEM nützt Religion, WIE und WARUM?
    Die Frage nach intellektueller Redlichkeit ist hier falsch – denn Inhalte von Religionen sind gleichwertig wie Inhalte von Märchen: Beide sind von Menschen erfunden. Dabei geht es nicht um Redlichkeit oder Wahrheiten.

  2. Der Philosoph verengt Religion auf die Frage nach der Wahrheit und beansprucht dann für sich, diese zu kennen. Damit dürfte er vor allem diejenigen ansprechen, die bereits überzeugte Atheisten sind, wohl so wie Metzinger selbst. Agnostiker und Gläubige dürfte dieser Standpunkt eher als anmaßend abschrecken.

    Sind die Gläubigen nicht ebenso anmaßend, da sie in der Regel auch behaupten die Wahrheit zu kennen? Warum ist das da weniger anmaßend?

    Dann könne man nämlich Religionen kaum noch von Identifikation mit einer Nation (Nationalismus) oder einem Sportverein unterscheiden.

    Was soll denn der große Unterschied sein?

    Außerdem gab und gibt es auch innerhalb etablierter Religionen immer wieder kritische Strömungen.

    Sicher, aber die Existenz der Helden ihrer Religion wird dabei in der Regel nicht in Frage gestellt.
    Von Außen betrachtet geht es da also oft eher um Details und weniger um die Religion an sich. Man denke z.B. an die Kritik durch Luther an der Kirche, dass es dieser oft nur um Geld ginge (Ablasshandel etc.) – hat sich das bei den etablierten Kirchenunternehmen seit Luther irgendwie ernsthaft geändert? (siehe z.B. Schwarzbuch Kirch etc. …)
    Auch in anderen Dinge war Luther sicher kein Modernisierer – man denke nur Hexenverfolgung (gerade auch in protestantischen Gebieten), die Judenfrage usw.

  3. @KRichard: Nutzen

    Überlegungen zum Nutzen stecken bereits im Artikel: Menschen bekommen im Gegenzug für den Glauben an ein Symbol (z.B. Gott) Zugehörigkeit. (Diese kann man auch als Zugang zu bestimmten Privilegien verstehen, z.B. bei der Arbeits- und Wohnungssuche.) Das sollte man auch einmal im Kontext von der Integration von Migranten sehen – wenn denen Möglichkeiten fehlen, an anderen sozialen Bereichen teilzuhaben, fokussieren die sich vielleicht vermehrt auf ihre Ursprungsreligion, bis hin zum Radikalismus.

    Und für die Machthaber haben religiöse Organisationsformen ebenfalls Vorteile. Ich vermute einmal, dass der römische Kaiser, der das Christentum erstmals zur Staatsreligion machte, von dem Gedanken angetan war, dass die Lämmchen dann regelmäßig in die Kirche gehen und ihnen von oben erzählt wird, was sie glauben sollen. (Massen- oder soziale Medien gab es damals ja noch nicht.)

  4. Metzinger wendet sich gegen die organisierte Religion, die er durch Dogmatismus und Fideisms diskreditiert sieht. Anhänger von organisierten Religionen haben gemäss Metzinger die Suche nach Wahrheit an ihre Kirche delegiert.

    Metzinger erkennt in der Arbeitsweise organisierter Religionen auch eine anti-rationale Haltung: Im Zweifel orientiert sich das Kirchenmitglied an den Aussagen der Kirche, selbst wenn diese gegen die Vernunft verstossen.

    Wenn hier Stephan Schleim den Kirchengründer Luther als Abweichler vom katholischen Dogmatismus anführt, dann muss man bedenken, dass Luthers Lehre wiederum dogmatisch ist. Seine Zusammenarbeit mit den Fürsten ging so weit Kriege der Fürsten zu belobigen und seinen Antisemitismus wollte er durch Fürsten in Taten umgesetzt sehen. Und klar hatten Luther alle evangelischen Kirchenmitglieder zu folgen. Sie hatten also ihr Glauben und Denken an die evangelische Kirche delegiert, genauso wie die Katholiken.

    Durch die Diskreditierung der organisierten Religion diskreditiert Metzinger letztlich Glaubensgemeinschaften. Das Wesen von Glaubensgemeinschaften ist ja die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Glaubens gegen alle möglichen Anfechtungen, auch und gerade gegen Anfechtungen durch rationale Argumente. Im Zweifel gewinnt der Glaube über die Ratio und über alles andere. Für Metzinger bedeutet das, dass Anhängern organisierter Religionen die intellektuelle Redlichkeit fehlt.

    Man könnte hier allerdings fragen ob das Bekenntnis zur intellektuelle Redlichkeit selbst so etwas wie eine Gemeinschaft schaffen kann. Auch die Frage warum es überhaupt Glaubensgemeinschaften gibt und was ihre Funktion ist, steht im Raum.

  5. @einer: Verzerrt

    Klar – wenn man sich seine Beispiele so herauspickt, dass es passt, dann kann man damit jeden beliebigen Standpunkt vertreten.

    Gegenfragen: Wenn es religiösen Menschen nur ums Geld geht, warum arbeiten dann so viele im Bereich des Mindestlohns in Betreuung und Pflege? Das sind zahlenmäßig sehr viel mehr als die Bischöfe, die sich ihren Sitz vergolden lassen. Und was ist mit den Bettelmönchen, die mehr oder weniger besitzlos leben?

    Und wenn die Hexenverfolgung ein spezifisch religiöses Problem war, wieso gab es dann dort, wo die religiösen Institutionen besonders stark ausgeprägt waren, davon weniger? Wir können diese Frage in ihrer historischen Komplexität hier nicht diskutieren. Doch bei den Verfolgungen ging es nach meinem Verständnis vor allem um Lynchmobs, bei denen es gesellschaftlich ausgegrenzten Personen an den Kragen ging. Mit dem Kirchenrecht versuchte man, die Verfahren zu standardisieren. Aber klar, wer alles Schlechte in der Welt den Religionen in die Schuhe schieben will, der kann freilich so argumentieren.

    Nur einmal als ein Kritikpunkt an Ihrem Gedankengebäude: Wenn Hexenverfolgungen so typisch für das Christentum sein sollen, warum waren sie dann in Europa insbesondere ein Phänomen der Zeit zwischen 1550 und 1650? Merken Sie ‘was?

  6. @Holzherr: Protestantismus

    Vergessen Sie bitte nicht, dass wir bei Luther 500 Jahre in die Vergangenheit blicken!

    Warum denken wir nicht ‘mal an ein positives Beispiel, etwa wie Denker der Aufklärung (z.B. G. E. Lessing) ein Christentum der Vernunft anstrebten?

    Zur Frage des angeblichen Dogmatismus Luthers würde ich gerne eine fachlich fundiertere Meinung hören. Und auch Immanuel Kant, einer von Metzingers Helden, äußerte sich leider Juden- und Frauenfeindlich. Das macht es nicht besser, veranschaulicht zum Teil aber den Zeitgeist. Diese Diskussionsstränge sollten wir nicht willkürlich vermischen.

  7. Zitat Stephan Schleim:

    Der Philosoph verengt Religion auf die Frage nach der Wahrheit und beansprucht dann für sich, diese zu kennen. Damit dürfte er vor allem diejenigen ansprechen, die bereits überzeugte Atheisten sind, wohl so wie Metzinger selbst. Agnostiker und Gläubige dürfte dieser Standpunkt eher als anmaßend abschrecken.

    Metzinger sieht Spiritualität positiv. Spiritualität bedeutet aber ursprünglich den Glauben an Transzendenz, also daran, dass es etwas gibt, was das irdische übersteigt. Spiritualität steht damit nicht im Gegensatz zum Glauben an Gott sondern es operiert im selben Gedanken- und Ideen- Raum wie die Religion, nur eben ohne Bindung an eine organisierte Religion und die zugehörige Glaubensgemeinschaft.
    Metzinger sieht bei Angehörigen organisierter Religionen einen Verlust an Anstand und Ehrlichkeit gegenüber sich selber, weil sie ihre eigenen spirituellen Erfahrungen unter den Vorbehalt stellen, dass ihre Kirche das akzeptiert und gutheisst. Sollten sie zu Erkenntnissen kommen, die der Glaubenslehre ihrer Kirche widerspricht, müssen Gläubige ihre Überzeugungen opfern. Das ist gemäss Metzinger Unterwerfung unter das Diktat einer Kirche und damit Verrat an sich selbst

  8. Luther als Dogmatiker
    Der kleine Katechismus von Martin Luther kann als dogmatische Begründung des evangelischen Glaubens betrachtet werden.

    Luthers Schrift wider den freien Willen De servo arbitrio Scheint mir ebenfalls eine dogmatische Lehre, forderte er doch, dass Evangelische daran glauben es gebe keinen freien Willen, denn ein freier Wille würde gegen Gottes Allmächtigkeit verstossen und zu dieser Allmächtigkeit gehört eben, dass Menschen nur Handpuppen sind, die von Gott benutzt werden um sein Werk umzusetzen.

    Hier war Luthers Lehre auch bewusst gegen die katholische Lehre gestellt, die an die Willensfreiheit glaubte. Mit andern Worten Luthers Dogma war ein anderes als das der katholischen Kirche.

  9. Spiritualität scheint mir hervorzugehen aus dem Verlust an Vertrauen in diese Welt bzw. an den Menschen und die daraus resultierende Betonung der eigenen Persönlichkeit und in Folge der Überbewertung des eigenen Egos . Diese Gesellschaft schafft Vereinzelung in einem vorher noch nicht bekannten Ausmaß und “Spiritualität” ,also die Sinnsuche, betont den Selbstwert dieser vereinzelten und entwurzelten Personen. Die menschliche Psyche verlangt nach Anerkennung, Wertschätzung und Vertrauen des Einzelnen. Werte die in dieser Gesellschaft wo jeder gegen jeden steht, wo ein gnadenloser Konkurrenzkampf herrscht, verloren gehen.
    Religionen sind per se für mich die Selbstfindung ,die Orientierung des Einzelnen in einer chaotischen und undurchschaubaren Welt im Glauben. Der Glaube an einer übergeordneten Instanz
    die uns sicher durch dieses gefährliche Leben leitet und Kraft und Vertrauen spendet, beruhigt und baut Stress ab. Ein Gott ist dann die “feste Burg vor den Ängsten und Leiden dieser Welt . So gesehen sind Religionen seit Beginn der Menschheit aktuell da Menschen immer leiden , Ängste und Krankheiten ausstehen müssen, Betrug und Lügen herrschen, und letztendlich erkennen das sie sterblich sind. Religionen /Naturreligionen haben einen moralischen Kern
    (Verhaltensnormen im Umgang untereinander) die redlich sind wenn man bedenkt das Mord ,Kriege und Totschlag immer Teil der Menschheitsgeschichte waren. Erst Menschen in ihrer Machtgier , ihrem grenzenlos übersteigerten Ego
    manipulieren diese redlichen Werte zu ihren Gunsten bzw. um sich zu bereichern oder andere auszubeuten.

  10. @ Golzower

    Das haben Sie sehr schön geschrieben. Und als Ergänzung würde ich hinzufügen, daß da, wo Gott als feste Burg im Glauben wegfällt oder diskreditiert wird, sich an dessen Stelle Menschen setzen, die vorgeben, den Weg, die Wahrheit und das Leben zu kennen. Da darf die Frage erlaubt sein, was das geringere Übel ist.

  11. @Golzower (Zitat): „

    Religionen sind per se für mich die Selbstfindung ,die Orientierung des Einzelnen in einer chaotischen und undurchschaubaren Welt im Glauben. Der Glaube an einer übergeordneten Instanz
    die uns sicher durch dieses gefährliche Leben leitet und Kraft und Vertrauen spendet, beruhigt und baut Stress ab. Ein Gott ist dann die “feste Burg vor den Ängsten und Leiden dieser Welt .

    Metzinger stellt sich nicht gegen Religion, die etwa wie bei ihnen angegeben, zur Selbstfindung führt, sondern gegen organisierte Religion, also eine Kirche, die sagt, was richtig und falsch ist und die nicht in der Lage ist, das angeblich „Richtige“ mit rationalen Argumenten zu verteidigen, sondern bedingungslosen Glauben fordert.

    Sie Golzower vermischen den Glauben an etwas Höheres, den jeder haben kann, mit dem Bekenntnis zu einer bestimmten Religion, die von den Gläubigen fordert, bestimmte Dinge zu glauben und andere nicht.

    Fazit: Religiöse Ideen gibt es in ganz verschiedenen Formen, auch ohne Glaubensgemeinschaft und Konfession.

  12. @Dietmar Hilsebein (Zitat): “ wo Gott als feste Burg im Glauben wegfällt oder diskreditiert wird, sich an dessen Stelle Menschen setzen, die vorgeben, den Weg, die Wahrheit und das Leben zu kennen. “
    Genau das sagt ja Menzinger über die organisierte Religion. Menschen ( Dogmatiker nämlich) bestimmen, was man zu glauben hat oder nicht.

    Fazit: Menzinger stellt sich gegen die organisierte Religion, in der Dogmatiker und Fideisten die Gläubigen entmündigen. Er stellt sich nicht gegen religiöse/spiritulle Ideen an sich.

  13. Ich persönlich bewundere Theologen, ähnlich wie die Mathematiker. Beide wollen Aussagen machen, die praktisch nicht falsch sein können. (O.k. Bei der (nahe liegenden) „Weltscheibentheorie“ hatten die „Religiösen“ Pech.)

    Die Mathematiker schaffen sich sogar eigens so etwas wie streng abgegrenzte „Gärtchen der Wahrheit“ um sich dort wirklichen Wahrheiten „hingeben“zu können. Das Gärtchen ist aber winzig klein.

    Außerhalb kann man versuchen „Wahrheiten“ anzustreben, aber man erkennt sie nicht wirklich, weiß bei aller Redlichkeit nicht, ob man sich eine Wahrheit oder einen Blödsinn zufällig „eingefangen“ hat.

    Darum argumentieren Theologen einfach mit Transzendenz, so wie die Mathematiker (pi, e,…), dass „Gott“ (als Abstraktum) eben ganz genau so ist wie „er“ wirklich ist, eben ein „Transzendentes Objekt“. Das ist immer wahr.

    Es ist irgendwie amüsant zu beobachten, wie Menschen (ich würde meinen aus psychologischen Gründen) wütend gegen letztlich immer wahre Tautologien anrennen…..

  14. Martin Holzherr, Hilsebein
    Oha, Zustimmung.

    Elektroniker,
    Religiöse Menschen sind keine Selbsttäuscher.
    “Es ist irgendwie amüsant zu beobachten, wie Menschen (ich würde meinen aus psychologischen Gründen) wütend gegen letztlich immer wahre Tautologien anrennen…..”
    Religiöse Menschen sprechen zu Gott und erhalten von ihm Hilfe.

    Metzinger (wenn er mitliest)
    Sie operieren mit intellektueller Redlichkeit. Da würde ich auf Nietzsche verzichten. Mit dem Spruch “Gott ist tot”, hat er selbst den Weg der Redlichkeit verlassen.

  15. Ich persönlich bin immer wieder beeindruckt davon, wie Theologen mit Ihrem “Trinitätskonzept” praktisch schon vor tausenden Jahren das Konzept meiner „kleinen Welt“ der Elektronik/Informatik, bestehend aus Prozessoren, Prozessen und Information „vorweg“ genommen haben.

    Dieses Konzept ist heutzutage absolut dominant in der Technik, der Wirtschaft, praktisch in unserem ganzen modernen Leben. Zumal man dahinter kommt, dass die Evolution ebenfalls dieses Konzept, z.B. mit der Genetik, längst realisiert hat.

    Irgendwann wird sich dieses Konzept auch in der Hirnforschung etablieren….

  16. @ fauv

    Es sind vermutlich psychologische (autosuggestive) Mechanismen, dass Menschen Hilfe erhalten wenn sie „zu Gott sprechen“. Das bezweifle ich nicht.

  17. @fauv (Zitat): „ Mit dem Spruch “Gott ist tot”, hat er selbst den Weg der Redlichkeit verlassen.„
    Nein, damit hat Nietzsche eine Zeitdiagnose gemacht. Bereits zu seiner Zeit spielte Gott in einer rationalen Diskussion keine Rolle mehr. Und mit Nietzsche war diese Hinwendung zu rationalen und wissenschaftlichen Erklärungen des Menschseins nicht vorbei. Thomas Metzinger schreibt dazu (Zitat aus Spirituality and Intellectual Honesty):

    Die “naturalistische Wendung im Bild der Menschheit”1: Genetik, kognitive Neurowissenschaften, Evolutionspsychologie und kontemporäre Philosophie des Geistes liefern uns sukzessive ein neues Bild von uns selbst, ein zunehmend detailliertes theoretisches Verständnis unserer kognitiven tiefen Struktur, ihrer neuronalen Grundlage und biologischen Geschichte. Ob es uns gefällt oder nicht, wir beginnen, unsere geistigen Fähigkeiten als natürliche Eigenschaften mit einer eigenen biologischen Geschichte zu betrachten, als Eigenschaften, die mit den Methoden der Wissenschaft erklärt werden können.

    Fazit: Gott ist insoweit tot, als dass er nicht mehr dazu dienen kann, den Menschen zu erklären. Das macht die Wissenschaft inzwischen besser.

  18. Niemand wird einer Leben zugewandten Spiritualität und Religion wirklich etwas entgegen setzen, wenn sie Psychologie, Soziologie, Politologie, Anthropologie, Philosophie, Medizin, Ökonomie usw. berücksichtigt. Gerade diese Disziplinen waren und sind es, die Metzingers Gedanken geradezu provozieren. Insbesondere, wenn wir AKTUELL in den z.B. Iran – Islamismus, nach Afgahnistan- Taliban, zu Russland – Orhodoxie und nach Brasilien – Bolsonaro, USA – Evangelikale schauen, wie religiöser Glaube immer noch zum Absolutismus und vermeintlich legimierter/verbriefter Rechtfertigung für Überlegenheit/Unterdrückung verwendet wird. Erlaubnis und Rechtfertigung, in Zusammenhang mit „ Gottes Wort“, sind wohl die beiden Entitäten, die in diesem Sinne entweder absichtlich missbraucht oder gezielt angewandt werden. Individale Spiritualität dürfet weniger Sorgen machen, als wenn sich Religion als Bewegung zur Absolutheit verklärt.

  19. M.Holzherr,
    Ihr Fazit betrachte ich als Reifikation.
    Dass es Wissenschaft gibt und dass sie notwendig ist, verdanken wir der Komplexität der Natur. Und die hat sich nicht selbst erschaffen !
    Das gehört auch zur Redlichkeit eines Naturwisschenschaftlers.

  20. @Holzherr & fauv

    Gott ist seit der “Vertreibung aus dem Paradies” tot / nicht wirksam, denn mit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung (aus dem Instinkt, in die Möglichkeiten als Mensch eigenverantwortlicher Entwicklung) herrscht geistiger Stillstand und Vernunft findet nur im Unsinne des wettbewerbsbedingt-egozentrierten “Individualbewusstseins” statt, auch die höchstwahrscheinliche und nur von den Schwarzen Löchern begrenzte Erkenntnis des holographischen Universums, hat bisher nicht zum Umdenken inspiriert.

  21. @ Holzmann

    Die Religionen verkünden sozusagen „ewige Werte“ (zweckmäßiges Verhalten).
    Es gäbe nun einmal Chaos in der Welt, würden sich die Menschen z.B. täglich nur gegenseitig berauben oder umbringen….

    Die Religionen haben tatsächlich die Forschung gerne in die Hände der Wissenschaft abgegeben, weil fast schon stündliche „Updates des Wissens“ als „ewige Werte“ nicht taugen.

    Jetzt müssen wir halt die „Updates“ hinnehmen, es bleibt uns nichts anderes übrig.

  22. Mussi,
    nicht die Religion fordert Absolutheit. Es sind die Menschen die das tun.

    Betrachtet man als Beispiel das Christentum das nichts anderes war als eine jüdische Sekte, die die Gebote der Juden infrage stellte. Jesus antwortete kurz:”Das wichtigste Gebot ist, Liebe deinen Gott und liebe deine Mitmenschen, alle anderen Gebote sind diesem Gebot untertan.”

    Da ist kein Platz für Machtansprüche !!

  23. Zitat Mussi:

    Insbesondere, wenn wir AKTUELL in den z.B. Iran – Islamismus, nach Afgahnistan- Taliban, zu Russland – Orhodoxie und nach Brasilien – Bolsonaro, USA – Evangelikale schauen, wie religiöser Glaube immer noch zum Absolutismus und vermeintlich legimierter/verbriefter Rechtfertigung für Überlegenheit/Unterdrückung verwendet wird.

    Ja, organisierte Religion rechtfertigt oft Handlungen/Bestrebungen/Ideologien, die rational nicht begründet werden können. Aktuell heisst die russische orthodoxe Kirche den Krieg Russlands gegen die Ukraine gut. Die russische orthodoxe Kirche stellt sich damit in den Dienst einer Idee von Russland und seiner Rolle in der Welt, die sich mit den Vorstellungen Putins deckt. Und wie Mussi andeutet, gibt es unzählige weitere Beispiele wo im Namen einer Religion/Glaubensgemeinschaft Handlungen/Bestrebungen gerechtfertigt werden, die sich bewusst gegen andere Gemeinschaften richten.

    Fazit: Glaubensgemeinschaften sind nicht selten Überzeugungsgemeinschaften, die weit über das rein Religiöse hinausgehen und die Freundschaften und Feindschaften begründen.

  24. @ Holzherr

    Man muss nur rüber zu @ Michael Blume wechseln, der Feind-Freund-Dualismus genau aus diesen Gründen beleuchtet.

    @fauv

    Zur Redlichkeit der Wissenschaften bzw. Glaubenden gehört festzustelllen, dass die erste Ursache oder letzte Frage keine Antwort hat, es also offen bleibt. Erst diese Offenheit ermöglicht Leben so wie wir es kennen erst.

  25. Menschen sind Mischwesen aus Rationalität und Irrationalität, mal überwiegt das Eine, mal das Andere. Menschen haben das Bedürfnis, dem Leben einen Sinn zu geben. Je mehr die niederen Bedürfnisse erfüllt sind, desto mehr überwiegt die Suche nach einem Sinn für das Leben und desto mehr denkt Mensch darüber nach. Da das Unwissen über die Welt viel größer ist als das Wissen, bleibt für Sinnsuche viel Spielraum.

    Manche Menschen finden Sinn in gleichgesinnten Gruppen, in die sie möglicherweise hineingeboren wurden, andere finden den Sinn dagegen in mentaler Individualität oder realer Abgeschiedenheit. Die Sinnsuche ist völlig unabhängig von Wahrheit und intellektueller Redlichkeit, zumal die reale, intellektuell erfassbare Welt keinen Sinn liefern kann. Den Sinn muss sich der Mensch selber geben. Das können realisierbare Vorstellungen, Ideale oder reine Phantasien sein.

    Die gegenwärtigen Verschwörungsmythen und ihre Anhängerschaft lassen erahnen, welche Folgen der Mangel an intellektueller Redlichkeit haben kann, für die ganze Gesellschaft und für die Anhänger selber (Verführung zu Straftaten).

  26. A.Reutlinger
    einguter Satz
    “Die gegenwärtigen Verschwörungsmythen und ihre Anhängerschaft lassen erahnen, welche Folgen der Mangel an intellektueller Redlichkeit haben kann, für die ganze Gesellschaft und für die Anhänger selber”

  27. Gegenfragen: Wenn es religiösen Menschen nur ums Geld geht, warum arbeiten dann so viele im Bereich des Mindestlohns in Betreuung und Pflege? Das sind zahlenmäßig sehr viel mehr als die Bischöfe, die sich ihren Sitz vergolden lassen. Und was ist mit den Bettelmönchen, die mehr oder weniger besitzlos leben?

    Damit war die Organisation Kirche gemeint, nicht die Schafe.

    Und wenn die Hexenverfolgung ein spezifisch religiöses Problem war,…

    Natürlich ist der Glaube an Hexen ein religiöses Problem, wo kommt der Glaube an Hexen sonst her? Vor allem auch, wenn so eine wichtige Schrift wie die Bibel zum Mord an Hexen aufruft.

    Wir können diese Frage in ihrer historischen Komplexität hier nicht diskutieren. Doch bei den Verfolgungen ging es nach meinem Verständnis vor allem um Lynchmobs, bei denen es gesellschaftlich ausgegrenzten Personen an den Kragen ging. Mit dem Kirchenrecht versuchte man, die Verfahren zu standardisieren. Aber klar, wer alles Schlechte in der Welt den Religionen in die Schuhe schieben will, der kann freilich so argumentieren.

    Kirchenrecht des Protestantismus? Ich bezog mich auf Luther und seine Einstellung zur Hexenverfolgung und seinem Judenhass.

    Nur einmal als ein Kritikpunkt an Ihrem Gedankengebäude: Wenn Hexenverfolgungen so typisch für das Christentum sein sollen, warum waren sie dann in Europa insbesondere ein Phänomen der Zeit zwischen 1550 und 1650? Merken Sie ‘was?

    Luther … Reformation … merken Sie was?

    Ich habe nicht behauptet die Hexenverfolgung wäre typische für “das” Christentum, sondern nur, dass der grosse Reformer Luther nicht unbeding ein Modernersierer war …

    Da habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen.

  28. @Holzherr: Luther & Dogmatismus

    Aus der Tatsache, dass man einen Standpunkt vertritt, folgt nicht automatisch, dass man das dogmatisch tut.

    Falls Luther andere kritisiert hat, doch Kritik an seiner eigenen Position nicht zuließ, ist das natürlich ebenso zu kritisieren.

    Um das inhaltlich zu beurteilen, fehlt mir spontan die historische Kenntnis; und irgendwie auch die Lust. Sie haben das aber auch nicht nachgewiesen. Mich würde es wundern.

  29. @Golzower: Zustand der Welt

    Religionen sind nicht perfekt; und auch die “Ersatzreligion” Kapitalismus führt immer wieder zu Krisen.

    Mich wundert es nicht, wenn “Spiritualität” jetzt wieder in ist. Man macht sich eben selbst auf die Suche. Das bietet auf jeden Fall Potenzial für Neues – ob das gut oder schlecht ist, weiß man meist erst hinterher.

    Aber wenn die Menschheit (z.B. durch Umweltzerstörung oder Krieg) die Voraussetzungen ihrer eigenen Existenz abschafft, erledigt sich das Problem von selbst. Dem Universum dürfte es herzlich egal sein.

    P.S. Und man sollte nicht vergessen, dass wir es mit menschengemachten Problemen zu tun haben, wenn wir von Umweltzerstörung, kapitalistischen Krisen oder Krieg sprechen.

  30. @Holzherr: den Menschen erklären

    Gott ist insoweit tot, als dass er nicht mehr dazu dienen kann, den Menschen zu erklären. Das macht die Wissenschaft inzwischen besser.

    Nun ja – gewissermaßen dokumentiert dieser Blog doch seit über 15 Jahren das Scheitern des Versuchs, “den” Menschen (natur-) wissenschaftlich zu erklären.

  31. Schon interessant, dass nunmehr über den dritten blog-Artikel gar nicht über konkrete Werte und deren Bedeutung in der Wirklichkeit, also Durchsetzung und Verletzung, individuell und gesellschfatlich gesprochen wird.
    Es dürfte die Selbsterkenntnis sein, die im Wesentlichsten die Wissenschaft von der Religion trennt und sich umsetzt. Vielleicht ist sie aber auch Grund für Spiritualität?

  32. Religion wird wie vieles andere natürlich gerne für eigene Interessen missbraucht. Nach diesem Kriterium wäre vieles schlecht, auch Demoktratie und Freiheit, denn auch im Namen der Demokratie und Freiheit wurden schon unrechtmäßige Kriege geführt.

    Für mich ist die Frage, inwiefern Religion überhaupt die Wahrheit beansprucht. Geht es nicht viel mehr um eine (unter vielen) Deutungsmöglichkeiten der Welt. Und besteht der Sinn von Religion (in ihrem besseren Sinne, nicht im schlechten Sinne) nicht gerade in intellektueller Redlichkeit? Aber anders als z.B. die Naturwissenschaft eben in Hinblick auf Fragen nach dem Sinn des Daseins, nach dem Leid, den Menschen erfahren uvm. Was hat Wahrheit (im wissenschaftlichen Sinne) damit zu tun? Es geht glaube ich weniger um Wahrheit, sondern eher um Sinnstiftung.
    Wenn es so ist, wie ich sage, ist das Problem der Religionen häufig, dass zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung diejenigen vielfach in Erscheinung treten, die die Religion für ihre persönlichen Interessen missbrauchen.

  33. Zum Hexenwahn:
    Zwischen den Jahren1550 und 1650 gab es Klimaverschlechterungen, die mit Missernten, Hungersnöten und Seuchen einhergingen. In christlichen Gebieten wussten religiöse Fanatiker natürlich sofort, dass da Personen am Werk waren, die mit dem Teufel im Bunde standen. Zudem konnte man das ja auch im „Hexenhammer“ nachlesen.

    Zur Aussage des französischen Soziologen Émile Durkheim, der im Gegensatz zu Max Weber, der Religion mehr als “Bewältigungsstrategie” ansah, den Fokus stattdessen auf die sozialen Charakteristika von Religionen legte. Deren Symbole und Rituale die Gruppenzugehörigkeit der Menschen stärken würde: Letzteres könnte stimmen! Ich selbst lebe in Bayern und obwohl sich auch hier viele Leute von der Kirche abwenden sind die „Symbole und Rituale“ doch noch sehr stark verbreitet. Als ich noch ein Kind war orientierten sich die Menschen meist am Kirchenjahr, dessen Hauptfeste wie Weihnachten oder Ostern auch heute noch gefeiert werden. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass jemals nach der „Gottgläubigkeit“ gefragt wurde. Schließlich kann man ja in die Köpfe der Leute nicht hineinsehen.

    In streng religiösen Staaten, wie dem islamischen Iran, werden deshalb der Besuch von Moscheen und das Einhalten von Ritualen und Kleidervorschriften besonders streng überwacht. Tanzt jemand aus der Reihe, muss er mit strengen Sanktionen bis hin zum Tod rechnen.
    Letztlich will ich aber auch die von Max Weber beschriebene „Bewältigungsstrategie“ nicht außer Acht lassen, da ja nicht alle „Religiösen“ aus bloßem Opportunismus in die Gotteshäuser gehen oder beten. Auch wenn bei uns die Kirchen immer leerer werden, so erlebt das Wallfahren bzw. Pilgern eine wahre Renaissance, man denke nur an den Erfolg von Hape Kerkelings Buch: „Ich bin dann mal weg: Meine Reise auf dem Jakobsweg“.

  34. Als Kind bin ich katholisch erzogen worden, einschließlich 11 Jahre schulischen Religionsunterrichtes. Unredlichkeit, in religiösen Diskussionen, würde ich auf meine kath. Erziehung schieben. Schrieb schon der Religionsgründer Paulus:

    Roemer, 3:7 – Denn so die Wahrheit Gottes durch meine Lüge herrlicher wird zu seinem Preis, warum sollte ich denn noch als Sünder gerichtet werden

    ————

    Die Mehrheit scheint also Schwierigkeiten mit intellektueller Redlichkeit zu haben.

    Würde ich unterschreiben.

    Um das feststellen zu können, muss man sich selbst schon als ein Stück weiter entwickelt als die anderen Menschen sehen.

    Um das feststellen zu können, muss man sich selbst schon als ein Stück weiter entwickelt als Herr Metzinger sehen.
    Meine Abrichtung zum religiösen Papageien macht mich bösartig gegenüber allen Religionen, da ich sicher bin, diesen Mist nicht völlständig abgestreifen zu können. Herrn Metzinger geht es vielleicht ähnlich.

  35. @Steinmetz: Sinnstiftung…

    …halte ich für ein wichtiges Stichwort, ja.

    Fakt ist aber auch, dass viele Menschen schlicht in eine Religion hereinwachsen – und ihr dann treu bleiben.

    Die meisten Religionen (nicht aber z.B. das Bahaitum) sind älter als die Staaten, wie wir sie kennen. Religionen stifteten und stiften also nicht nur Sinn, sondern erst einmal auch Ordnung: Wie man den Tag und das Jahr (z.B. mit Fastenzeiten) strukturiert, die Partnerwahl, wie man zusammenlebt und so weiter.

    Die Kommunisten waren explizit Antireligiös. Den Nationalsozialisten waren die Kirchen auch ein Dorn im Auge: Konnte man sich einen Gott leisten, der noch über dem Führer steht? Man schaltete sie gleich, wo man konnte, und teilte sonst die Macht auf (Konkordat von 1933).

    Ob die Welt mit oder ohne Religion ein besserer Ort wäre? Ich weiß es nicht.

  36. @Mona: Ja – Religion ist in diesem Sinne schlicht auch Tradition und Kultur. Man trifft sich.

    Als ich 2005 ein paar Monate in den USA lebte, ging ich ein paarmal aus reiner Neugier zum Gottesdienst. Ich wurde jedes Mal von anderen angesprochen. Dass ich am “Caltech” arbeitete, war natürlich ein Türöffner. Sie können sich nicht vorstellen, wie viele nette ältere Damen mir einmal ein Wiener Schnitzel braten wollten. (Ich war damals schon Vegetarier.)

    Wenn man verstehen will, warum in den USA so viele Menschen einer Religion angehören, muss man auch verstehen, wie die Gesellschaft dort funktioniert. Die Kirchen sind da, denke ich, wichtige Kontaktbörsen.

  37. @Uwe: Perspektiven

    Um das feststellen zu können, muss man sich selbst schon als ein Stück weiter entwickelt als Herr Metzinger sehen.

    Nein, der Vergleich hinkt: Ich will Menschen nicht weismachen, was sie glauben sollen; noch weniger beanspruche ich für mich, “die Wahrheit” zu kennen.

    Aber einen Philosophen wird man wohl an seinem eigenen Maßstab messen dürfen. Mehr dazu in den nächsten Teilen.

  38. Ein Merkmal für Religion halte ich das aus der Mode gekommene Gewissen. Kein einziges Mal bisher benannt,obwohl es in der Regel bei Güterabwägung vorkommt und bei den Christen mit den Todsünden.
    Gewissen wird ja gerade bei gut und böse ‘aktiv’.
    Inwieweit ist Redlichkeit und Gewissen miteinander verbunden?

  39. “Ich vermute einmal, dass der römische Kaiser, der das Christentum erstmals zur Staatsreligion machte, von dem Gedanken angetan war, dass die Lämmchen dann regelmäßig in die Kirche gehen und ihnen von oben erzählt wird, was sie glauben sollen. (Massen- oder soziale Medien gab es damals ja noch nicht.)”

    Nur zur Präziisierung: Religio wurde im antiken Rom grundlegend für die Erhaltung des römischen Staats angesehen. Konstantin hat die Religion ausgetauscht, aber die Ideologie des Sieges durch die richtige Verehrung der Götter (oder eines Gottes) beibehalten.

    Siehe den Streit um die Entfernung des Victoria-Altars aus dem römischen Senat:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Streit_um_den_Victoriaaltar#Der_Altar

    Ein Massenmedium gab es damals schon, nämlich Münzbilder mit staatlicher Ideologie. Wie wirksam die war, ist natürlich kaum einschätzbar.

  40. @Paul Stefan: römische Staatsreligion

    Kaiser Konstantin der Große hat einen religiösen Wandlungsprozess eingeläutet. Staatsreligion wurde das Christentum erst 80 Jahre später unter Theodosius I.

    Und: Münzen können nicht sprechen. Aber es ist trotzdem ein guter Hinweis.

  41. @ Paul Stefan

    Alle Schlüsselbegriffe drin,ausser: Skrupel und Skrupellosigkeit. Naja,zwischen den Zeilen.

  42. Ergänzung Skrupel und Skrupellosigkeit

    Wird definitionsgemäß mit Moral und Ethik verbunden. Die Verbindung zur Intelektuellen Redlichkeit dürfte sich auf ‘ wider besseren Wissens’ erweitern.

  43. @ Paul Stefan

    Unbestechlichkeit (Geld,Macht)fällt mir dazu auch ein.
    Wer ist nicht unbestechlich,wenn die letzte Einnahme die existentielle Not lindert.
    Es gibt den Spruch, ‘ des einen Not ist des anderen Brot”. Im Grunde symbolisiert das unser ganzes Dilemma.

  44. @ fauv

    und jetzt drehe ich mal so richtig auf: war Jesus bestechlich?

    Was macht da die Exergese?

    Es ist der Ruhm…dem er nicht widerstehen konnte…

  45. Mussi,
    die Motive von Jesus. Er hat sich dazu geäußert, er sei gekommen, das Gesetz zu erfüllen. Die Exegese hat diese Antwort verschieden interpretiert.
    Wie die Exegese aussieht ? Sie ist auch der Evolution unterworfen.

  46. “Kaiser Konstantin der Große hat einen religiösen Wandlungsprozess eingeläutet. Staatsreligion wurde das Christentum erst 80 Jahre später unter Theodosius I.”

    Ja, Staatsreligion wurde das Christentum erst später, da war ich ungenau. Konstantin hat das Christentum enorm gefördert, aber er vertrat noch nicht die Ausschließlichkeit des christlichen Gottes. Aber dieser war für ihn der größte Gott, der ihm als Kaiser den Sieg sicherte.

    [Amen. 😉 S. Schleim]

  47. @fauv, Mussi: Bitte halten Sie sich doch ans Thema und diskutieren Sie hier nicht irgendwelche Detailfragen, die Sie am Christentum interessieren. Dafür gibt es passendere Foren.

  48. @ fauv

    Entschuldigen ist auch so ein christliches Prinzip…herje…für Alles…man man man…

  49. @ Schleim

    ???…als ich mich intensiver mit Religionen beschäftigt habe, habe ich mir ‘Die Ordnung des Himmels’ zu Gemüte geführt.
    Auf welcher Hemisphähre leben Sie?

  50. “Münzen können nicht sprechen”

    Die kaiserlichen Münzen tragen Bilder der Kaiser und von Göttern oder andere Bilder sowie knappe Parolen, insofern können sie durchaus Mitteilungen machen, z.B. durch die Darstellung der kaiserlichen Standarte mit dem Christusmonogramm (belegt ab 337).

    P.S.: Über die “intellektuelle Redlichkeit” muss ich noch nachdenken.

  51. [Amen. 😉 S. Schleim]

    Ich bin nicht gläubig, schon gar kein kritikloser Fan von Konstantin dem Großen.
    Aber eine historische Perspektive gehört auch zur Beurteilung von Religion. Das ist keine rein philosophische, psychologische oder soziologische Frage.

    Die Reduktion der Frage der Religion auf die Frage, ob Gott existiert oder nicht, ist m.E. reichlich kurz gedacht, denn sie lässt sich rein philosophisch nicht entscheiden.
    Es gibt viele gute andere Gründe, an der Existenze eines Gottes oder gar eines guten Gottes zu zweifeln, z.B. auch moralische (Theodizee). Aber Gläubigkeit grundsätzlich als intellektuelle Unredlichkeit einzuordnen, finde ich falsch.
    Ein gläubiger Wissenschaftler könnte ja sagen, ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt, aber ich glaube es trotzdem.
    Unredlich wird er m.E. erst, wenn sein Glauben “Messpunkte versetzt”.

    Schleim nach Metzinger:
    Evidentialisten “würden nur etwas glauben, “für das man wirklich Argumente und Belege hat.””

    Wenn Metzinger dass auf alles mögliche anwenden möchte, könnte es schwierig werden. Natürlich glauben wir viele Dinge, für die es keine guten Argumente und Belege gibt.

    Ich würde als Kriterium für die Wahrheit einer Religion eher innere Konsistenz und Widerspruchsfreiheit einfordern. Damit würden die meisten Religionen wohl schnell scheitern.

  52. @Stephan
    Die Einführung des Christentums im römischen Reiches hatte auch praktische Gründe:
    z.B. ist eine einheitliche Monopol-Religion leichter kontrollierbar
    z.B. konnte man Besitz ´falscher´ Religionen einkassieren

    Ähnlich arbeitete man in Europa, als man den Besitz von Ketzern/Juden beschlagnahmte – und im Iran arbeitet man heute noch so: Besitz von religiösen Feinden wird kassiert, wodurch die Regierenden mittlerweile zu den größten Grundbesitzern des Landes wurden

  53. “z.B. ist eine einheitliche Monopol-Religion leichter kontrollierbar
    z.B. konnte man Besitz ´falscher´ Religionen einkassieren”

    Das Christentum war nicht leicht kontrollierbar, sondern zerstritt sich sofort in dogmatischen Fragen und zersplitterte in Schismen.

    Der Dritte Teil des Buches The Closing of the Western Mind von Charles Freeman schildert brilliant, wie sich das entwickelte.

    https://en.wikipedia.org/wiki/The_Closing_of_the_Western_Mind

    “Falsche Religion” war in der heidnischen Zeit praktisch unbekannt, die Idee existierte nicht im Sinne, wie das Christentum sie aufbrachte. Die Römer verboten Kulte, wenn sie als Gefahr für den Staat und Gesellschaft angesehen wurde, z.B. wenn die Christen das Kaiseropfer ablehnten. Den Römern ging es dabei nicht um den Glauben dahinter, sondern um die Ablehnung der Loyalität zum Kaiser.

  54. @Paul Stephan und KRichard

    Zu den Vorteilen der Einführung des Christentums im römischen Reich:
    Dazu möchte ich noch anmerken, dass das Christentum nach seiner Einführung, in den ersten zwei Jahrhunderten, eine pazifistische Religion war. Da sich dies als Nachteil für die Kriegsführung herausstellte, war man bestrebt den Glauben entsprechend „anzupassen“.
    Aus Zeitgründen zitiere ich dazu aus der Wikipedia: „Die konstantinische Wende (ab 313) drängte den ursprünglichen christlichen Pazifismus rasch in den Hintergrund. Kaiser Konstantin I. ließ die von der Kirche exkommunizierten Soldaten mit erhöhtem Rang in das römische Heer zurückkehren. Daraufhin schloss das Konzil von Arles (314) jeden Deserteur, auch den mit Gewissensgründen, vom Empfang der Sakramente aus. Athanasius und Ambrosius lobten den Dienst mit der Waffe für das Vaterland. Nach der Erhebung des orthodoxen Christentums zur römischen Staatsreligion (380) erließ Theodosius II. 416 ein Edikt, wonach nur noch Christen in die Armee aufgenommen werden durften.
    Damit wurde die Kriegsdienstverweigerung aus Glaubensgründen zur seltenen Ausnahme, die zudem von Staat und Kirche gemeinsam abgelehnt und später rigoros verfolgt wurde. Die 420 von Augustinus von Hippo formulierte kirchliche Lehre vom Gerechten Krieg rechtfertigte den Kriegsdienst von Christen und Nichtchristen. Sie blieb in zahlreichen Modifizierungen und Erweiterungen bis heute die maßgebende ethische Basis der Großkirchen für ihr Verhältnis zu Wehrdienst und Militäreinsatz.“

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsdienstverweigerung

  55. @ Paul Stefan 24.10.2022, 21:17 Uhr
    @Mona 25.10.2022, 10:29 Uhr

    Es gibt viele gute andere Gründe, an der Existenze eines Gottes oder gar eines guten Gottes zu zweifeln, z.B. auch moralische (Theodizee).

    Nicht nur Gott, sondern alles Absolute bereitet mir Verständnisschwierigkeiten. Man muss meist nicht lange sinnieren, bis man einen Gedankenknoten hat, beispielsweise den: Moralisieren ist unmoralisch. Oder den: Sein Geständnis ist Zeichen seiner Redlichkeit. Gerade in Kriegszeiten neigen wir zur Verabsolutierung der Moral, unserer Moral. Es ist nicht überraschend, dass wir in den größten Schwierigkeiten sind.

  56. Kritik: Reicht das Wort “Redlichkeit” nicht aus um wahrhaftig zu sein ?
    Das alte Lied “Üb immer Treu und Redlichkeit” sagt genau, was gemeint ist.
    “Üb immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab, und weiche keinen Finger breit von Gottes Wegen ab. Dann wirst du, wie auf grünen Au’n, durchs Pilgerleben gehn; dann kannst du, sonder Furcht und Graun, dem Tod ins Auge sehn”……
    Dem Bösewicht wird alles schwer,
    er tue was er tu;
    der Teufel treibt ihn hin und her
    und läßt ihm keine Ruh………
    Sohn, übe Treu und Redlichkeit
    bis an dein kühles Grab,
    und weiche keinen Finger breit
    von Gottes Wegen ab!Dann suchen Enkel deine Gruft
    und weinen Tränen drauf;
    und Sommerblumen, voll von Duft
    blühn aus den Tränen auf.
    So, das war jetzt für das Gemüt.

  57. Geht es bei organisierten Religionen (Kirchen) um den Glauben oder um die (Religions-)Gemeinschaft?
    Es geht um beides würden mir wohl viele sagen. In der Religion gehe es also darum gemeinschaftlich das Richtige/das uns über das Leben hinaus verbindende zu glauben.
    Doch, antworte ich darauf: Historisch gesehen war die Gemeinschaft, die eine Kirche bildet schon immer wichtiger, als das was dort in den Kirchenräumen verkündet wurde und viele haben das schon früh erkannt, das nämlich, dass die Kultur und Gemeinschaft, die durch eine „Kirche“ entsteht, die Gläubigen im Denken ähnlich macht. Das war sicher der Grund, dass es in Europa schon früh Zwangschristianisierungen gab, denn aus Heiden mit ihren vielen verschiedenen Glaubensüberzeugen und Überlieferungen entstand dadurch ein Volk mit einer gemeinsamen kulturellen Basis, das erst dadurch überhaupt so etwas wie eine Nation bilden konnte.

    Vermutung: Das grösste Vermächtnis der christlichen Kirchen ist die Ausbildung einer gemeinsamen Kultur in ganz Europa. Heute hat sich die europäische Kultur aber von der Religion und den Kirchen abgelöst. „Gott ist tot“, aber das Erbe der christlichen Kultur lebt weiter.

  58. Jede Überzeugung kann einem Irrtum unterliegen, weil kein Mensch das allumfassende Wissen haben kann. Deshalb ist Selbstskepsis und Akzeptanz von Kritik und Widerspruch unabdingbar für intellektuelle Redlichkeit. Diese Forderungen stehen im krassen Gegensatz zum Selbstverständnis aller Prediger, die ihre Religion a priori jeglicher Überprüfung als absolute und endgültige Wahrheit verkünden. Es fehlt schon am Willen zur intellektuellen Redlichkeit. Religion und intellektuelle Redlichkeit sind unvereinbare Gegensätze. Die Praxis beweist es immer wieder.

  59. @Holzherr
    Um Glaube/Gemeinschaft geht es erst inzweiter Linie – vor allem geht es um Macht/Besitz

    1) das Zölibat wurde eingeführt, damit der Pfarrbesitz nicht als Erbe an Ehefrauen/Kinder weitergegeben werden musste
    2) Die Opfer von Hexenverfolgung (bzw. deren Famiienangehörigen) mussten für die Kosten von Kerker, Folter, Ermordung aufkommen – und ihr Besitz wurde zum größten Teil von Kirche und Herrschaft eingezogen. Aus diesem Grund sind Bistümer wo viel gefoltert wurde bis heute reich bzw. in protestantischen Gebieten gibt es prächtige Herrschaftshäuser
    3) Dass die großen Religionen vorwiegend von Männern gesteuert werden, ist ein Machtfaktor der sich immer noch massiv negativ auf die Rechte der Frauen auswirkt – auch in Gesellschaft/Arbeitsleben

  60. Metzinger: Spirituelles und Wissenschaftliches Wissen müsse beide revidierbar/korrigierbar sein.
    In Spirituality and Intellectual Honesty macht Thomas Metzinger folgende zentrale Aussage (kein Zitat, sondern eigene Zusammenfassung):

    Wissenschaft und Spiritualität haben als Gemeinsamkeit die Wahrheitssuche und die Bereitschaft früher Geglaubtes zu revidieren, wenn neue Erkenntnisse/Erfahrungen das nötig machen.

    Intellektuelle Ehrlichkeit, menschliche Würde und Anstand gibt es nur für Wahrheitssuchende und nicht für Gläubige einer für immer versiegelten Glaubenslehre.

    Fazit: In gewissem Sinne macht Metzinger die wissenschaftliche Methodik, welche Empirie/Beobachtungen und Aussagen über unsere Welt in Übereinstimmung bringen will auch zur Methode, in der auch intellektuell ehrliche Menschen durchs Leben gehen sollten: Sie sollten nur glauben, was nicht im Widerspruch zu ihren Erfahrungen und eigenen Erkenntnissen steht.

  61. @ Timm Grams 25.10.2022, 10:51 Uhr

    Vermutlich ist jeder Mensch auf der Suche nach dem „Absoluten“, besonders der „absoluten Wahrheit“ und kann sie kaum finden, weil es sie kaum gibt.

    Meiner Meinung nach hat die Evolution die Neuronen im Gehirn deswegen als so etwas wie „qualifizierte UND Gatter“ (man könnte sie so sehen) und nicht als exaktes „boolsches UND“, konzipiert.

    Die Mathematiker haben sic kurzerhand einen eng abgegrenzten Bereich der Logik gesucht, sogar mit “Wahrheitstabellen“. Da können sie sich „wirklichen Wahrheiten“ hingeben und die Elektroniker können diese „Wahrheiten“ gemäß der Boolschen Schaltalgebra realisieren und sogar „überprüfen“.

    Dem „Normalo“ bleiben nur so etwas wie „Fiktionen der Wahrheit“ und ihrer besonderen „Sprachregelungen“, mitunter muss er einfach „daran glauben“, besonders in Krieg.

    Ich habe es als Kind noch selbst erlebt, wie sich von der Kriegsrhetorik „Verführte“ theatralisch selbst geohrfeigt haben wegen ihrer eigenen Dummheit.

    Es ist genau wie Sie sagen, gerade in Kriegszeiten neigen wir zur Verabsolutierung der Moral, unserer Moral. Es ist nicht überraschend, dass wir in den größten Schwierigkeiten sind.

  62. @KRichard (Zitat): Um Glaube/Gemeinschaft geht es erst inzweiter Linie – vor allem geht es um Macht/Besitz
    Das ist in gewissem Sinne eine Verschwörungstheorie: Kirchenleute haben sich gegen Kirchenmitglieder, ja gegen die ganze Gesellschaft verschworen und verfolgen egoistische Ziele, die sich gegen die Interessen der Gläubigen richten, das aber in einer Weise, die die Gläubigen nicht durchschauen (können).

    Fazit: Verschwörungen gegen die „Mehrheit“ sind zwar meist erfunden, aber wohl nicht immer. Eine Verschwörung, die aus eigensinnigen Menschen willenlose Schafe macht, bietet den Verschwörern tatsächlich vieles zu einem geringen Preis. In Bezug auf die Kirche könnte das heissen: der Pfaffe erhält auf Kosten seiner Gemeindemitglieder ein gutes Leben für sich und seine Nachfolger.

  63. In Deutschland gab es die Kirchenfürsten, die sowohl Fürst als auch Kirchenoberer waren.
    Deshalb ist die Aussage, dass es Ziel von Kirche war Gemeinschaft zu bilden und gleichzeitig religiöses Wissen zu verbreiten-richtig.
    Die Menschen des Mittelalters konnten nicht lesen. Deshalb war der gemeinsame sonntägliche Gottesdienst mit Schule zu vergleichen.

    Das heute, sich Kirche und Staat getrennt hätten, das ist oberflächlich betrachtet naheliegend. Tatsächlich hat sich christliches Gedankengut sowohl. im Grundgesetz als auch in der Sozialgesetzgebung verwirklicht.

    Unser Staat ist im Großen und Ganzen intellektuell redlich.

  64. @Holzherr
    Ergänzung: es ist heute üblich geworden, Behauptungen aufzustellen, zu denen man gar keine eigenen Erfahrungen hat oder haben kann. Man übernimmt sie ungeprüft aus den Medien und verbreitet sie weiter.

    Dass Spiritualität eine Wahrheitssuche ist, wage ich zu bezweifeln. Man kann es vorgeben. Allerdings ist mir nicht klar, was Spiritualität genau sein soll. Ich würde es unter Geister- und Gespensterglaube einordnen, womit schon klar wird, dass es dabei nicht um Wissen und Wahrheiten geht.

  65. A.Reutlinger
    Wenn man wissen will was ein Begriff bedeuten soll, muss man nach seinem Gegenteil suchen.
    Für mich ist non Spiritualität das Nützlichkeitsdenken. Gepaart mit einer Portion Gefühlsarmut. Der Utilitarismus britischer Prägung verkörpert dieses Denken.

    Spiritualität schafft ein Gleichgewicht aus praktischem Nutzen und ethischen Forderungen.

    Mit Gespenster und Geister hat das gar nichts zu tun, die gibt es gar nicht.

  66. @Tim Grams:
    “Moralisieren ist unmoralisch”

    Moralisieren ist Krieg mit Normativen. Man sieht das derzeit in Politik, Medien und Gesellschaft.

  67. @fauv
    Man muss nicht Christ sein, um eine humane, ethische und soziale Einstellung zu haben und zu vertreten. Das ist Sache rationaler Vernunft. Die Suggestion, dass erst das Christentum oder Religion allgemein dazu geführt hat, ist intellektuell höchst unredlich!

  68. @Holzherr 25.10. 13:02 / 24.10. 09:04

    „Fazit: In gewissem Sinne macht Metzinger die wissenschaftliche Methodik, welche Empirie/Beobachtungen und Aussagen über unsere Welt in Übereinstimmung bringen will auch zur Methode, in der auch intellektuell ehrliche Menschen durchs Leben gehen sollten: Sie sollten nur glauben, was nicht im Widerspruch zu ihren Erfahrungen und eigenen Erkenntnissen steht.“

    Was dann wirklich empfehlenswert ist. So sollte man auch mit dem Thema Religion umgehen.

    Wer da allerdings wenig Zeit und auch wenig Kompetenz für hat, der wird womöglich von dem, mit dem er aufgewachsen ist, nicht so viel abweichen.

    „Man könnte hier allerdings fragen ob das Bekenntnis zur intellektuelle Redlichkeit selbst so etwas wie eine Gemeinschaft schaffen kann.“

    Sehr gute Idee. Ich glaube, dass dies sogar aus der Religionsfreiheit zwangsläufig folgt. Die Menschen machen sich auf die Suche nach dem, was mutmaßlich stimmt, wenn es erlaubt ist, dieses zu tun.

    „Auch die Frage warum es überhaupt Glaubensgemeinschaften gibt und was ihre Funktion ist, steht im Raum.“

    Wer nur Erkenntnisse findet und die kommunizieren will, der schreibt ein Buch. Einen Verein gründen tut man deswegen meistens nicht. Das braucht man eher, wenn man konkret gemeinsam was leben will. Wenn man etwa ein politisches Projekt hat, mit dem man was bewegen will.

    Glaubensgemeinschaften können aber auch eine Art Nachbarschaftsverein sein, zum kennenlernen, zu gemeinsamen Feiern oder auch zu gemeinsamen Geschäften oder auch mal zur gegenseitigen sozialen Unterstützung. Hier tritt dann der eigentliche Glaube ziemlich in den Hintergrund, den braucht man dafür eher gar nicht.

    Autokratische Regierungen und autokratische Glaubensvereine unterstützen sich natürlich regelmäßig gegenseitig. Entsprechend folgt aus politischer Freiheit dann auch meistens Religionsfreiheit. Und nicht nur die Parteien müssen um die Gunst der Untertanen kämpfen, auch die Kirchen stehen dann im Wettbewerb um die Menschen. Und müssen sich daran gewöhnen, dass die Menschen selber Fragen stellen und Antworten finden.

    Man kann auch zumindest hierzulande längst Kirchenmitglied sein und dennoch selber glauben was man will. Man kann sich allerdings selber fragen, warum man dann überhaupt noch Mitglied ist.

  69. @Holzherr
    Die Nennung von Tatsachen als Verschwörungstheorie zu verunglimpfen ist auch eine Methode um Verbrechen zu verharmlosen.

    Ich empfehle Ihnen, sich über die ´Deggendorfer Gnad´ zu informieren – von dieser Sorte überregional einflussreicher antijüdischer Wallfahrtsorte gab es mehrere.

  70. @anton reutlinger(Zitat): “ Allerdings ist mir nicht klar, was Spiritualität genau sein soll. Ich würde es unter Geister- und Gespensterglaube einordnen, womit schon klar wird, dass es dabei nicht um Wissen und Wahrheiten geht.“

    Thomas Metzinger schreibt in Spirituality and intellectual Honesty dazu:

    Ich möchte zunächst fragen, welches Verständnis von Spiritualität von vielen jener Menschen geteilt werden könnte, die sich heute in der westlichen Welt als spirituell bezeichnen. Die interessante Tatsache ist, dass sich nach dem Zweiten Weltkrieg in westlichen Ländern eine Art spirituelle Gegenkultur zu entwickeln begann, unterstützt von Menschen, die spirituelle Praxis weit weg von Kirchen und organisierten Religionen verfolgen. Heute ist die am weitesten verbreitete Form wahrscheinlich Achtsamkeits- oder „Einsichtsmeditation“ in der klassischen buddhistischen Vipassanā-Tradition. Diese Form der Meditation ist von Anfang an weitgehend ideologisch neutral, aber es gibt auch vollständig säkularisierte Versionen wie die sogenannte MBSR (mindfulness-based stress reduction). Darüber hinaus gibt es unzählige andere Formen der Meditation.

    Viele dieser Praktiken zeichnen sich durch die Idee aus, dass regelmäßige und rigorose formale Praxis als Grundlage für die schrittweise Umsetzung des Alltags dient. Wir haben jetzt ein erstes definierendes Merkmal: Die meisten zeitgenössischen, lebendigen Formen der Spiritualität befassen sich in erster Linie mit der Praxis und nicht mit der Theorie, mit einer bestimmten Form des inneren Handelns und nicht mit Frömmigkeit oder der dogmatischen Billigung spezifischer Überzeugungen.

    „Spiritualität“ scheint also eine Eigenschaft zu sein, eine besondere Qualität des inneren Handelns. Aber was ist der Träger dieser Immobilie? Man könnte zum Beispiel sagen, dass Spiritualität Eigentum einer Klasse bewusster Zustände ist, zum Beispiel bestimmter meditativer bewusster Zustände. Die geistige Erfahrung zielt jedoch nicht nur auf das Bewusstsein als solches ab, sondern auch auf seine körperliche Verankerung, auf die subjektive innere Seite dessen, was in der modernen Philosophie der Kognitionswissenschaft als Embodiment oder Erdung bezeichnet wird. Das Ziel ist immer die Person als Ganzes. Aus diesem Grund möchte ich Spiritualität als Eigenheit ganzer Personen, als spezifische epistemische Haltung konzeptualisieren.

    Fazit: Für Thomas Metzinger ist Spiritualität eine geistige Haltung des Einzelnen, die mit bestimmten Praktiken Erfahrungen und Erkenntnisse gewinnen will.

  71. Spiritualität als inneres Handeln
    Über den Zusammenhang von Spiritualität, Erkenntnis und ethischer Haltung schreibt Thomas Metzinger in Spirituality and Intellectual Honesty:

    Spiritualität ist im Kern eine epistemische Haltung. Spirituelle Personen wollen nicht glauben, sondern wissen. Spiritualität zielt eindeutig auf eine erfahrungsbasierte Form der Erkenntnis ab, die mit innerer Aufmerksamkeit, körperlicher Erfahrung und der systematischen Kultivierung bestimmter veränderter Bewusstseinszustände zusammenhängt – aber der nächste Schritt ist bereits viel schwieriger. Wenn Sie mit Menschen sprechen, die eine spirituelle Praxis verfolgen, zum Beispiel mit Langzeitmediatierenden aus der Vipassanā- oder Zen-Tradition, wird schnell klar, dass der Bereich des Wissens, seine damit verbundenen Ziele und epistemischen Ziele, die begehrten Formen der Erkenntnis nicht klar und getönt benannt werden können. Diese Ziele überschneiden sich teilweise mit denen, die früher von Abhängigkeiten und traditioneller Metaphysik und insbesondere von den Mystikern gesucht wurden. Häufig sind sie auch so etwas wie ein Ideal der Erlösung; einige nennen es „Befreiung“, andere „Erleuchtung“. Typischerweise wird die begehrte Form des Wissens als eine sehr spezifische Form des Selbstwissens beschrieben, was darauf hindeutet, dass es nicht nur befreiend, sondern auch reflexiv auf das eigene Bewusstsein des Praktizierenden ausgerichtet ist. Grob gesagt ist das Ziel das Bewusstsein als solches, das durch die Auflösung der Subjekt-Objekt-Struktur und die Überwindung der individuellen First-Person-Perspektive erreicht wird.
    Dieses Ziel hängt oft mit der systematischen Kultivierung bestimmter veränderter Bewusstseinszustände zusammen. Wenn man die relevante Literatur liest, wird schnell klar, dass nicht nur die Vertreter verschiedener spiritueller Traditionen seit Jahrhunderten darüber diskutieren, ob so etwas wie eine erlernbare Form, Methode oder Technik der spirituellen Praxis existiert, d.h. ein systematischer Weg zum Erreichen der relevanten Form des Wissens. Dieselben klassischen Fragen werden bis heute gestellt: Ist Meditation ein Beispiel für spirituelle Praxis, eine Methode, oder geht es genau darum, alle Methoden und Ziele loszulassen? Ist es mit Anstrengung verbunden oder ist es notwendigerweise mühelos? Worin besteht echter Fortschritt, wie könnte man ihn erkennen, und gibt es Kriterien, um Illusionen, Wahnvorstellungen und Selbsttäuschung von echten Sichtweite zu unterscheiden? Es gibt eine klassische Antwort, die sich weiterhin in verschiedenen Kontexten manifestiert: Das Kriterium ist ethische Integrität, das aufrichtige Streben nach einer prosozialen, ethisch kohärenten Lebensweise, die im Handeln einer Person zu beobachten ist. Gleichzeitig kann fast nichts über die relevante Form des Wissens selbst gesagt werden; es kann nicht sprachlich kommuniziert oder argu-mentativ gerechtfertigt werden, und es gibt keine allgemein akzeptierte Doktrin.

    Das ist sehr wenig. Fassen wir zusammen: Spiritualität ist eine epistemische Haltung von Personen, für die die begehrte Form des Wissens nicht theoretisch ist. Dies bedeutet, dass das Ziel nicht die Wahrheit im Sinne des Besitzes der richtigen Theorie ist, sondern eine bestimmte Form der Praxis, eine spirituelle Praxis. Um das Beispiel der klassischen meditativen Praxis zu nehmen, ist es eine systematische Form des inneren Handelns, die sich auf den zweiten Blick als eine bestimmte Form der aufmerksamen Nicht-Aktion herausstellt. Die begehrte Form des Wissens ist nicht propositional, sie beinhaltet keine wahren Sätze. Da es auch keine intellektuelle Einsicht beinhaltet, ist die begehrte Form der Einsicht nicht über Sprache übertragbar, kann aber höchstens nur angedeutet oder demonstriert werden. Auf der anderen Seite bleibt immer klar, dass es bei Spiritualität nicht nur um Therapie oder um eine anspruchsvolle Form des Wohlbefindens geht, sondern dass es in einem sehr starken Sinne um

    Ethische Integrität durch Selbsterkenntnis, eine radikal existenzielle Form der Befreiung durch Einsicht in sich selbst; und es ist auch klar, dass dies in vielen Traditionen eine Art mentales Training und Praxis beinhaltet, eine innere Form der Tugend oder Selbstverfeinerung. Ganz am Anfang gibt es also sowohl einen Aspekt des Wissens als auch einen normativen Aspekt, und dies bedeutet, dass eine spirituelle Haltung zur Welt in einem ganz besonderen Sinne sowohl Einsicht als auch Ethik beinhaltet. Die spirituelle Haltung ist eine Ethik des inneren Handelns um der Selbsterkenntnis willen.

    Fazit: Spiritualität ist für Metzinger eine geistige Haltung gegenüber sich selbst und der Welt, die die Selbstintegrität herstellt.

  72. Mir scheint, dass Spiritualität nichts anderes ist als gewöhnliche Psychologie. In früheren Zeiten hatte man dafür besondere Götter und Geister vorgesehen. Heute müssen es Begriffe sein, die einen esoterischen, elitären Anspruch erheben mit möglichst diffusem Inhalt, um sie gut vermarkten zu können. Bezeichnend ist, dass für das versprochene Geistige viel materielles Geld rausgeworfen wird. Soviel zur intellektuellen Redlichkeit der Spiritualität.

  73. A. Reutlinger,
    Der Humanismus ist der direkte Nachfolger des Christentums.
    Es begann mit der Kritik durch Erasmus von Rotterdam, dann folgten die Protestanten europaweit, dann kam Karl Marx, stellte alles auf den Kopf, die Kirche reagierte ganz falsch indem sie sich auf die Seite der Herrschenden stellte.
    So verlor das Christentum im 19. Jahrhundert die Arbeiterschaft, im 20. Jahrhundert verlor sie die Frauen indem man deren Rechte gar nicht beachtete und heute steht die röm.kath.Kirche vor einem Scherbenhaufen.

    Das ist kein Verdienst der reinen Vernunft, das sind die Versäumnisse der Kirchen in jeder Hinsicht.
    Gerade ist der Kapitalismut dabei den Humanismus zu überflügeln, sichtbar im Sozialabbau.
    Die wenigen Intellektuellen können den Humanismus nicht retten.
    Das könnte nur die Kirche, wenn es nicht schon zu spät ist.

  74. Nicht-Religiöse Glaubensgemeinschaften?
    Thomas Metzinger sucht in seinem Essay Spirituality and Intellectual Honesty nach einer säkularen Spiritualität, womit er eine nicht-religiöse Spiritualität meint. Analog könnte man fragen ob es säkulare Glaubensgemeinschaften gibt. Und in der Tat, liegt es nahe, beispielsweise Wokeness als ein säkulares (oder doch quasi-religiöses?) Glaubenssystem aufzufassen. Im NZZ-Artikel Bitten Sie nie jemanden aus Asien, Ihnen bei einer Mathe-Aufgabe zu helfen. Es könnte als rassistisch gelten: Wie die Wokeness die Grundlagen unseres Zusammenlebens bedroht wird über die Erfahrungen des Spiegelautors Renèe Pfister in einer liberalen Umgebung der USA berichtet. Dort liest man:

    Das erste Mal stutzte er, als ein Freund ihm erzählte, sein Sohn sei in der Schule zurechtgewiesen worden, weil er gesagt habe, er halte es für problemlos, wenn Weisse Dreadlocks trügen. Das durfte man nicht sagen. Dreadlocks galten als Teil der afroamerikanischen Kultur. Wenn Weisse sie trugen, war das nach offizieller, politisch korrekter Lesart «kulturelle Aneignung», also rassistisch.

    Ein weiteres Ereignis:

    beim Columbus Day, bei dem im Unterricht seines Sohnes die Entdeckung Amerikas zur Sprache kam. Vom Entdecker Kolumbus war da nicht die Rede. Sondern von einem ruchlosen Geschäftemacher aus Italien, der mit seiner Ankunft unzählige Menschen in Sklaverei und Tod gestürzt hatte.>/blockquote>
    Zum Dritten:

    Als Mikroaggression kann nach diesem Katalog aber auch die Bitte gelten, bei einem mathematischen Problem zu helfen. Werde sie einer aus Asien stammenden Person gegenüber geäussert, sei sie beleidigend, hielten New Yorker Professoren vor einigen Jahren fest. In allem Ernst, versteht sich. Die Frage, sagen sie, bediene das Klischee, Asiaten seien besonders begabt im Umgang mit Zahlen.

    Fazit:Wokeness wie vom Spiegelautor Renée Pfister beschrieben ist ein Glaubenssystem das dadurch charakterisiert ist, dass man zu bestimmten Fakten und Ereignissen auch gleich die moralisch/ethische Bewertung liefert. Wer Woke ist, erkennt man an der richtigen Antwort, der richtigen moralischen Einschätzung eines (oft historischen) Ereignisses. Zu den religiösen Glaubenssystemen ähnlich ist es, weil man letztlich nicht über die richtige Haltung diskutieren darf, weil man bestimmte Aussagen nicht hinterfragen darf. Es geht letztlich darum, ob man dazu gehört oder nicht.

    Vermutung: Dazu gehören war und ist eminent wichtig. Menschen wollen dazu gehören. Das macht sie sogar erpressbar.

  75. @fauv (Zitat): „ Gerade ist der Kapitalismut dabei den Humanismus zu überflügeln, sichtbar im Sozialabbau.„
    Nur gibt es ja historisch betrachtet keinen Sozialabbau, sondern gerade umgekehrt eine materielle Sicherheit, die es früher nicht gab. Vorausgesetzt natürlich, dass sie im richtigen Land leben und das Recht auf Sozialhilfe haben.

    Behauptung: Ein wichtiger Grund für die zunehmende Areligiosität liegt in der zunehmenden Sicherheit. Es ist nicht mehr nötig auf Gott zu vertrauen, es genügt heute in den Staat zu vertrauen. Wiederum unter der Voraussetzung, dass man im richtigen Staat lebt oder dort aufgenommen wird.

  76. Martin Holzherr,
    Wokeness, nichts Neues für den englisch amerikanischen Kulturraum.
    Damals eben mit anderer Zielrichtung indem Indianern keine Bürgerrechte zugesprochen wurden, wenn sie auf indianische Identität beharrten.

    Political correctness ist die moderne Form von Heuchelei.
    Sie erinnert an Gullivers Reisen von j. Swift, der schon vor 300 Jahren die politische Heuchelei der englischen Kultur angeprangert hat.

  77. M. Holzherr,
    Eine Familie, die die Miete nicht mehr bezahlen kann und keine Wohnung findet, die glaubt Ihnen nicht. Wahr ist, dass mit Hartz IV niemand mehr verhungert, vor dem Wohnen unter einer Brücke hilft Hartz IV nicht, wenn das Sozialamt keine Wohnung mehr anbieten kann.
    Und , wagen Sie einen Blick in die Alten – und Pflegeheimen. Dort werden die “Unruhigen” mit Tabletten ruhig gestellt und wenn das nicht hilft ,am Bett festgeschnallt. Eine Folge fehlender Pflegekräfte.
    Humanismus ist das nicht.

  78. @fauv : Sie fordern mehr Sozialhilfe wie viele andere auch. Insgesamt steigen die Aufwendungen für das Gesundheits- und Pflegesystem aber von Jahr zu Jahr. Auch das spürt jeder. Ich beispielsweise muss aber 2023 pro Monat mehr als 300 Euro (umgerechnet) für die Krankenversicherung bezahlen. Das ist bereits mehr als man zum Essen im Monat braucht.
    Nur weil das Geld nicht für alles reicht, kann man nicht von Sozialabbau sprechen.

    Tendenz: In allen europäischen Ländern wird Jahr für Jahr mehr ausgegeben für Gesundheit, Pflege und Alter. Diese Ausgaben übersteigen die Ausgaben für Militär oder Klimaschutz inzwischen um ein Mehrfaches. Es gibt einen unauflösbaren Interessenkonflikt zwischen Arbeit und allem anderen.

  79. Martin Holzherr,
    man muss unterscheiden zwischen der Sozialversicherung inkl. Krankenkassen des Staates un den privaten Krankenversicherern.
    Wir (2) bezahlen im Monat 700 € bei 30 % Kostenerstattung. Das ist Kapitalismus.
    Die Versicherung weist darauf hin, dass sie nicht nach dem Sozialgedanken die Kosten erstattet, sondern nach dem Deckungssystem. Mehr Erstattungen = höhere Tarife.
    Sie kennen die Preise in der Schweiz, die sind noch höher.
    Der Anteil von “Soziales” wird im Staatshaushalt immer höher und das wird eine Inflation auslösen. (Haben wir schon)
    Der deutsche Michel schläft zum glück noch, oder auch nicht zum Glück.

  80. @fauv
    Den Humanismus gibt es seit es Menschen gibt, genauso wie den Antihumanismus. Das Christentum als Erfinder des Humanismus feiern zu wollen, ist ein beliebtes und schönes Beispiel für intellektuelle Unredlichkeit.

  81. @fauv: Nouriel Roubini, ein Finanzanalyst, der schon mehrere Finanzkrisen voraussagte, sagt jetzt für Europa und die USA eine Kombination von Inflation, Stagflation und Schuldenkrise voraus. Die Frage ist: Was machen Länder wie Italien (mit ihrer neuen Regierungschefin mit postfaschistischem Hintergrund) in solch einer Situation?
    Eine schwere wirtschaftliche Krise erschüttert das Sicherheitsgefühl und lässt alles mögliche möglich werden bis hin zu EU-Austritten oder gar Krieg.

    Fazit: in unsicheren Zeiten hilft vielen nur noch der Glaube an Gott und viele die nicht auf höheren Beistand hoffen wollen sind bereit alles Bekannte, angeblich Diskreditierte, inklusive der Demokratie aufzugeben.

  82. Religionen sind unterschiedlich und daher ist die Frage ob Religion und Metzingers Konstrukt der “intellektuellen Redlichkeit” zusammenpassen nicht oder nur schwer zu beantworten. Die Frage ist sozusagen von Natur aus schwammig und führt daher nachvollziehbar zu sehr unterschiedlichen Antworten.

    Vor einiger Zeit las ich mehrere Bücher über die Kyoto Schule. Das ist/war eine Gruppe von japanischen Philosophen die sowohl in der westlichen als auch östlichen Philosophie ausgebildet waren.

    Am besten gefallen hat mit das Buch “Religion and Nothingness” von Keiji Nishitani. Im Original heißt dieses Buch übersetzt in etwa “Was ist Religion?”.
    Nishitani diskuiert in diesem Buch nicht das “Sein” (westliche Philosophie), sondern primär das “Nichts” bzw. den Nihilismus (östliche Philosophie) und bringt diesen mit Religion zusammen.

    Für mich fällt dieses Buch unter “intellektueller Redlichkeit” (tut mir leid, aber der Begriff klingt für mich schon etwas bescheuert), obwohl es ein philosophisch-metaphysisches Werk, dazu gemixt mit Religion, ist. Vielleicht weil es nicht so große metaphysische Hypothesen wie Gott in den Raum stellt.

  83. @Philipp(Zitat):“ Für mich fällt dieses Buch unter “intellektueller Redlichkeit” (tut mir leid, aber der Begriff klingt für mich schon etwas bescheuert), obwohl es ein philosophisch-metaphysisches Werk, dazu gemixt mit Religion, ist. Vielleicht weil es nicht so große metaphysische Hypothesen wie Gott in den Raum stellt.
    Ja, das ist genau die Tendenz in Thomas Metzingers Essay Spirituality and Intellectual Honesty , die nämlich Achtsamkeit und Meditation als Zeichen von Spiritualität zu sehen und Gott aussen vor zu lassen, denn Gott wird heute praktisch bei keiner Diskussion (unter Philosophen, Wissenschaftlern) über den Menschen mehr ins Feld geführt.

  84. Martin Holzherr,
    …..denn Gott wir bei keiner Diskussion…..ins Feld geführt.
    Das ist vernünftig, denn Gott ist keine Person oder Sache, die als Begründung dienen soll.
    Für den richtigen Maßstab haben wir die Grundrechte, die Menschenrecht.

    Also , was ist die intellektuelle Redlichkeit, woran misst sie sich?
    die Bibel sagt einfach “an ihren Werken sollt ihr sie erkennen”.
    Und ich frage mich jetzt, wozu braucht man einen Philosophen wie Metzger, der nichts Neues behauptet, außer dass er eine Position ohne Religion einnimmt.
    Damit klinke ich mich aus.

  85. @fauv (Zitat): „ wozu braucht man einen Philosophen wie Metzger, der nichts Neues behauptet, außer dass er eine Position ohne Religion einnimmt.„
    Thomas Metzinger nimmt eine ausgesprochen zeitgenössische Position ein indem er etwa fragt, was es aktuell für spirituelle Praktiken gibt und er stellt sich gegen die organisierten Religionen gerade wegen Fehlen der Zeitmässigkeit, wegen dem Dogmatismus und Fideismus, der bei den organisierten Religionen vorherrsche.

  86. Martin Holzherr
    25.10.2022, 18:19 Uhr
    Zitat:
    Fazit: in unsicheren Zeiten hilft vielen nur noch der Glaube an Gott und viele die nicht auf höheren Beistand hoffen wollen sind bereit alles Bekannte, angeblich Diskreditierte, inklusive der Demokratie aufzugeben.
    = = =
    Kommentar:
    Das finde ich super, dass Sie den Glauben an einen lebendigen Gott (Schöpfer des Universums) noch hochhalten. Ich kann mich erinnern, dass wir, Kinder und Familie, kurz nach Kriegsende (1945) zu einem Bauernhof gelaufen sind, und in einer Diele auf Brettersitzen am Gottesdienst teilgenommen haben. Nach Renovierung der Kirche war diese dann sonntags brechend voll. Möglicherweise wiederholt sich das?
    Der Glaube an einen Gott ist aber nicht jedermanns Ding. Der Schöpfer hat seinen Geschöpfen den freien Willen gegeben, für oder gegen Ihn, Neutralität gibt es da nicht.
    Über das, was heute so abgeht – Abfall vom Glauben – wurde bereits vor 2 000 Jahren in der Bibel berichtet. Ebenso ist da von einem kommenden Friedensreich unter dem Friedefürsten Jesus Christus die Rede. Meine Empfehlung, allgemein: Kehrtwende!
    M. f. G.

  87. @Reutlinger: Psychologie & Geld

    Ihre Meinung zur Psychologie teile ich nicht; ich kann daran aber nichts ändern.

    Doch wenn Sie Geld allen ernstes als materiell ansehen, dann besitzt das hohen Unterhaltungswert (und haben Sie, fürchte ich, das Wesentliche der Psychologie gar nicht begriffen).

    P.S. Tipp: Was macht denn die Zahlen auf Ihrer Kontoübersicht zu Geld? Mit Sicherheit nicht die Pixel auf Ihrem Computerbildschirm.

  88. @W.Bülten (Zitat): „ Das finde ich super, dass Sie den Glauben an einen lebendigen Gott (Schöpfer des Universums) noch hochhalten.„
    Das mache ich nicht unbedingt. Wenn es aber um die Alternative geht in Gott oder in Giorgia Meloni (die neue italienische Regierungschefin) zu vertrauen, dann ziehe ich Gott vor. Es ist nämlich unbekannt ob Gott schon Unheil auf dieser Welt angerichtet hat. Dass aber Menschen etwa in Form bestimmter Politiker Unheil angerichtet haben, das ist sicher.

  89. Der Nationalstaat ist eine Theokratie mit dem Staatsgott Nation. Unser Fetisch ist ein sprechender Lappen am Stock, was ich recht geschickt eingefädelt finde, denn selbst einem Atheist wird sich schwerlich gegen eine Gottheit auflehnen, mit der er das Geschirr abtrocknen kann. Seine Zehn Gebote sind das Grundgesetz, sein Papst heißt Scholz, Regierungen und Schriftgelehrte deuten seinen Willen, und die heilige Inquisition mit Blaulicht-Heiligenschein und Martinshorn setzt seine Gebote um. Was die Praxis angeht, ist es in den meisten Fällen einfach unnötig, zwischen Religion und Ideologie zu unterscheiden, weshalb ich beides gern als Relideologie zusammenfasse. Dass der Staat eine Theokratie ist, merke ich an den Gefühlen ihm gegenüber und der Art, wie Leute darüber denken.

    Ist so eine Sache mit Religion – man bemerkt nicht unbedingt, dass man eine hat. Um die deutsche Rechtschreibung zu standardisieren, haben sich einige echt kluge Schriftgelehrte echt Mühe gegeben. Leider haben sie sich dafür allzu oft an Fachwissen orientiert, das dem Laien einfach zu egal ist, als dass er damit arbeiten könnte. Die Vernunft gebietet, zu sagen: Ja, dann halt nicht. Schreibe ich halt so Pi mal Daumen, lose an eurer Richtschnur entlang. Ich bin nicht so beknackt, bei jedem Komma die Grammatik-Bibel zu wälzen, wenn ich in der Zeit Mann oder Heine lesen könnte. Und dennoch beneide ich manchmal die Fundamentalisten, die den ganzen Levitikus auswendig können und jeden Buchstabensabbat gemäß der in den Heiligen Schriften offenbarten Rituale ehren. Als wäre es Gottes Wort und nicht bloß das Dafürhalten von ein paar Priestern.

    Wir sind nun mal Hardware, die dafür geschaffen wurde, mit Religion als Software zu laufen. Wir können das variieren, doch nicht ändern, ganz egal, was für einen Senf die Vernunft du Jour dazu abgeben mag. Die Ursprünge sind recht eindeutig animalischer Natur: Es gibt ein allmächtiges Alphatier, das eine heile, sichere Welt schafft, indem es seine Gang vor den Dämonen der Dschungelhölle schützt. Die Hierarchien, um die wir sowohl unsere Staaten, wie auch unsere Religionen wickeln, sind bereits bei den Schimpansen angelegt: Das Alphamännchen ist Gott/König/Hohepriester des obersten Gottes Natur, die stärksten Männchen sind Engel/Krieger/Adel/Priester, das Fußvolk der Affengang sind Menschen, die aber auch die Hierarchien spiegeln können: Es gibt ein Alphaweibchen/Muttergottheit, es gibt die Göttin/Superheldin/Ministerin mit der Superkraft Nussknacker, der Bittopfer aus Bananen dargebracht werden, weil sie sehr geschickt mit dem Stein auf Schalenfrüchte draufhauen kann, und so weiter.

    Tiere scheinen in einer sehr spirituellen, magischen Welt zu leben, wenn ich all die Fantasy, Religionen, Visionen, Märchen richtig deute, die unser Unterbewusstsein so gern für wahrer hält als die schnöde (wenngleich ebenfalls virtuelle) Realität, in der das moderne Menschenhirn lebt. Da alle Tiere einfaches Denken und einfache Kommunikation beherrschen und man selbst nicht heraussticht, fühlt es sich normal an, wenn man sie fürs Märchen aufs Menschenniveau upgradet. Im Dschungel gibt die unsichtbare Präsenz der Bärendämonen, die man für gewöhnlich riechen kann, und wenn der Bär auftaucht, wirkt es, als hätte er sich aus diesem Gestank geformt. Es gibt lauter Geister, die als Vögel oder Frösche in den Büschen spuken, lebensspendende Wasserstellen, Tote, die wiederauferstehen, nachdem sie mal kurz im Jenseits hinterm Busch pinkeln waren – ein Tier kann zwischen „tot“ und „weg“ nicht unterscheiden. In den Märchen wird alles hingenommen, nichts hinterfragt, alles ist Wissen, Fühlen, Offenbarung, Instinkt, Denken wirkt aufgepfropft. Ein Stock, den man aus dem Busch reißt, hat Zauberkräfte, weil man sich dabei mächtig fühlt und seine Gegner verkloppen kann – im Märchen wird daraus Exkalibur.

    Anders gesagt, unser Kopf erwartet ab Werk, auf eine bestimmte Welt zu stoßen, steckt voller genetisch vorprogrammierter Variablen, Schubladen, Funktionen, Rollen, Archetypen, und sucht von Geburt an in der echten Welt aktiv nach Dingen, die es einfügen kann. Es gibt eine offene Planstelle für eine absolute Autorität, der wir uns ohne Wenn und Aber unterordnen, die wir anbeten und nicht hinterfragen, weil sie die Zeichen und Wunder der Umwelt deuten kann, uns schützt und durchs Leben leitet. Wir suchen uns irgendeinen Rohling in der Wirklichkeit, bearbeiten unser mentales Abbild davon ein wenig mit dem Holzhammer, damit es ins Loch passt, dann richten wir alle Gefühle darauf, die für den Inhalt des Loches vorprogrammiert sind. Dabei kann das, was wir in die Variable eingesetzt haben, durchaus abstrakter Natur sein – manchmal steckt darin Stalin, manchmal ein Klecks oder eine Figur, manchmal nur die körperlose Stimme Gottes, also Regeln und Gesetze, die als immaterielle Abstraktionen angebetet werden.

    Manchmal heißt so ein Gott auch Vernunft. Sie präsentieren hier eine Abhandlung über die Reinheit des Glaubens, die Auseinandersetzung mit Ketzern, die zu ähnlichen Schlüssen kommt, wie so manch ein katholischer Priester im Mittelalter, wenn er über ähnliche Themen sprach – dort allerdings mit Variablen-Wörtern, die dem Christentum entsprangen, nicht dem Vernunftsglauben. Ich frage mich da immer – sind bestimmte Gedankengänge in unseren Hirnwindungen vorgegeben, sodass jeder, der sich mit bestimmten Themen beschäftigt, einfach nur vorgezeichnete Pfade im Dschungel entdeckt? Oder sind es einfach von Natur aus die korrekten Gedankengänge, die Logik der Wirklichkeit diktiert sie, und jeder, der sich halbwegs an die von der Natur befohlene Vernunft hält, kann nur zu immer wieder den gleichen Schlussfolgerungen kommen? Vielleicht beides? Am Ende schützt und stärkt doch jeder den eigenen Glauben, während er zu Anderen Distanz hält, meistens Schwachstellen sucht, ihn verunglimpft und bestenfalls zu einem Waffenstillstand bereit ist, selten dazu, ihm kampflos Platz einzuräumen. Die Physik schafft Affengangs, die sich so verhalten, indem sie dafür sorgt, dass nur solches Verhalten Sinn ergibt und dem Überleben dient. Also kann sie sowohl Gehirnwindungen schaffen, die deren Verhalten spiegeln, wie auch eine Welt, in der nur Gedanken, die solches Verhalten spiegeln, Sinn ergeben.

    Vernunft ist die Logik, die sich vernünftig anfühlt. Sie ist immer religiöse, von Emotionen bestimmte Denkweise. 2+2=7: Haben Sie’s ausgerechnet, oder ist Ihnen die Ketzerei gleich unangenehm aufgestoßen? 2+2=4 ist ein religiöses Spiegelbild der Wirklichkeit, je besser die Religion die Realität spiegelt, desto weniger ist sie von Rationalität zu unterscheiden. Allerdings muss sie eine Extra-Leistung bringen: Die Planstellen mit Fiktionen füllen, die die Realität nicht mit Tatsachen füllt.

    In Wirklichkeit ist alles nicht ganz so einfach, ein Mensch kann mehrere Rollen auf einmal ausfüllen, in Sekundenbruchteilen von einer Rolle in eine andere wechseln und zurück, im Grunde lässt sich alles nur in So-ungefähr-Kategorien fassen. Gott ist Macht, er kann im Alphatier gebündelt auftreten, als Natur, als Sammelwort für alle Kräfte, die auf einen einwirken, weil sich alle Macht, unabhängig von der Quelle, irgendwie nach Gott anfühlt. Relideologien bedienen emotionelle Bedürfnisse, schaffen ein Betriebssystem, das der Affe, die Affengang braucht, um hier und jetzt in einer bestimmten Umwelt zu überleben, darin zu funktionieren, sich als Teil davon zu integrieren, Zahnrad in der lokalen Maschine zu werden. Dazu gehört auch, Platzhalter zu schaffen, damit das blöde Vieh nicht ständig Zeit und Energie verplempert auf der Suche nach Dingen, die es in seiner Lebenswelt nicht gibt. Wenn Welt und Betriebssystem nicht zusammenpassen, wird das als Krankheit empfunden. Seitdem die Welt nicht mehr zu den Glaubenssätzen passt, die falsch waren, sie aber trotzdem verändert haben, drehen wir alle am Rad, jeder ist bekloppt, denn die Welt ist bekloppt: Sie weicht von dem ab, was wir für gottgewollte Norm gehalten haben. Normal, gesund, existiert nicht mehr.

    Ich war, was Vernunft angeht, stets überaus glaubenstreu, also um intellektuelle Redlichkeit um jeden Preis bemüht – mein ganzes Leben war Bockspringen mit dem eigenen Schatten. So sehr, dass ich heute in einer Welt lebe, die sich fremder anfühlt, als Alice das Wunderland. Ist definitiv keine Reise für Leute, die sich um ihre geistige Gesundheit scheren, eher so intellektuelles Selbstmordattentat. Ich nehme heute sehr viele Dinge hin, über die ich als Kind zu lachen gelernt habe. Ich zweifle daran, dass das, was ich für Vernunft gehalten habe, mehr war als ein Dogmatismus, der in Angststarre und Größenwahn mariniert war, die Weisheit einer Maus, die sich in ihrem Loch mächtig fühlen will, und deswegen nicht bereit ist, die Nase in die große Welt voller Katzen hinaus zu stecken. Ich erkenne vor allem, dass das Fundament unserer Vernunft die panische Angst vor übermächtigen Gefühlen ist, es ist die Vernunft von Kontrollfreaks, die sich lieber die Augen herausreißen, als etwas zu sehen, was sie nicht beherrschen können. Unser Denken wird stets von Dauerschleifen beherrscht, die in unserem Unterbewusstsein ablaufen, und die hinter unserer Vernunft wiederholt ständig: Was ich nicht kontrollieren kann, gibt es nicht. Was mich kontrollieren kann, gibt es nicht. Gefühle kontrollieren mich, sie lassen Dinge unkontrollierbar ausufern, also sind sie eine Todsünde. Wer sie nicht unterdrückt, ist doof.

    Ist das überhaupt Vernunft, oder ist es nur der Angst-Papst in meinem Hinterkopf, der Gottes Wort nach seinem Gutdünken verdreht? Ist meine Wahrheitsliebe nicht selbst nur Angst, der Wunsch, sich hinter dem mächtigsten Alphamännchen des Universums zu verstecken: Der Realität? Kann es sein, dass ich Kompromisse eingehe, wenn die Realität selbst angsteinflößend wird? Erschaffe ich eine Mauseloch-Wahrheit, um mich vor der Wahrheit des Universums zu verstecken? Kann es sein, dass ich mein Werkzeug und meine Waffe – die Vernunft – stumpf und schwach gemacht habe, damit sie mir nur die Wahrheiten und Wege offenbart, die mir sicher erscheinen? War ich am Ende zu feige und zu klein, um Offenbarungen zu ertragen, die nicht durch Lügen beschönigt wurden?

    Der Staatsgott Nation hat das Volk den Göttern gleich gemacht. Was dann echt blöd kommt, wenn die Gesetze des Marktes unseren Eigenbau-Gott Mammon mit seiner SIMS-Wirtschaft aus Geld und Aktien auslachen oder der Klimawandel die Welt verwüstet. Die wahren Götter strafen unsere Hybris, sie zeigen uns, wie unvernünftig all unsere Vernunft war. Wir lernen gerade, auf die Knie zu fallen, vor Mächten, die größer sind als wir selbst. Sie sind vermutlich nicht intelligent, haben wohl keinen Willen, nur physikalische Funktionsmechanismen. Sie sind pure Macht: Sture Blödheit mit sehr viel Strom drauf. Und wer sich nicht ihrem Willen fügt, Pardon, ihren Funktionsmechanismen, den vernichten sie durch seine eigene Hand. Die Welt geht unter, und ob Sie das mit emotionell-religiöser oder sachlich-vernünftig-wissenschaftlicher Sprache beschreiben, zeigt nur Ihre semantischen Vorlieben und ist den Göttern schnurz. Sie sind da und all unsere Betriebssysteme sind nur Wahnsinn von zehntausend Jahren, denn es fehlt uns die Gottesmacht, irgendeines davon in der Wirklichkeit durchzusetzen. Zeit, sich ein neues zu basteln. Ob Sie das dann Vernunft nennen oder Religion, bleibt Ihren semantischen Vorlieben überlassen.

  90. fauv

    Der Humanismus ist der direkte Nachfolger des Christentums.

    Nein, das geht viel weiter zurück.

    Den Ausgangspunkt für die Formulierung und Verbreitung des Gedankenguts, das später „humanistisch“ genannt wurde, bildete der antike römische Begriff humanitas („Humanität“, „Menschlichkeit“). Das vom Adjektiv humanus („menschlich“) abgeleitete Wort ist erstmals in der von einem unbekannten Verfasser stammenden Schrift Rhetorica ad Herennium bezeugt, die im frühen 1. Jahrhundert v. Chr. entstanden ist. Dort ist das Merkmal der humanitas das Mitgefühl, das als besondere Qualität des Menschen gilt, die sein Wesen von der tierischen Wildheit und Grausamkeit abhebt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Humanismus

    Wobei ähnliche Gedanken sich aber auch bei den alten Griechen (~440BC) und im Alten Orient (~2400BC) finden lassen.

  91. @Martin Holzheer:

    “Ja, das ist genau die Tendenz in Thomas Metzingers Essay Spirituality and Intellectual Honesty , die nämlich Achtsamkeit und Meditation als Zeichen von Spiritualität zu sehen und Gott aussen vor zu lassen, denn Gott wird heute praktisch bei keiner Diskussion (unter Philosophen, Wissenschaftlern) über den Menschen mehr ins Feld geführt.”

    Stephan Schleim hat in seinem Blogeintrag einen Punkt angesprochen den ich teile: wer bestimmt was intellektuell redlich ist und was nicht? Oder anders formuliert: wie möchte man hier einen gemeinsamen Nenner finden, da doch ohnehin jeder Mensch andere Vorstellungen darüber hat?

    Kennen Sie beispielsweise die Idee Metzingers eines “Selbstmodells” aus der Philosophie des Geistes? Metzinger geht davon aus dass das Gehirn ein Selbstmodell schaffen würde und es real kein “Selbst/Ich” gibt (was auch immer man darunter versteht, die Details sind hier unwichtig).

    Der Punkt auf den ich hinaus möchte ist folgender:
    Metzinger betreibt hier selbst Metaphysik, reine Spekulation, oder Philosophie, die sich meiner persönlichen Ansicht nach nicht viel von manchen Inhalten von Religionen unterscheiden. Die Art und Weise was manche Philosophen heute unter Naturalismus verstehen ist auch so eine Religion.
    Hier würde also schon die Diskussion losgehen was denn nun noch intellektuell redlich ist und was nicht.

    Der dänische Philosoph Dan Zahavi diskutierte im Zusammenhang mit dem Thema des “Selbst/Ich” in einem seiner Bücher einmal schizophrene Menschen die ihr “Selbsterleben” verlieren. Diese Betroffenen klagen dass Sie gestorben seien, ihr “Ich” nicht mehr existiere. Zahavi erwähnte diesbezüglich Metzinger und fragte ob diese Menschen laut Metzinger also näher an der Realität seien als wir “gesunde” Menschen, da sie ja ihr Selbstmodell abgeschüttelt hätten?

    Und R.D. Laing schrieb einmal dass wir manche Wissenschaftler feiern und hoch ansehen die behaupten dass der Mensch eine Maschine sei.
    Wenn ein Mensch wiederum ernsthaft behauptet dass er eine Maschine >ist<, dann wird er als psychotisch eingestuft, als psychisch krank und in die Psychiatrie eingewiesen.

    Unter dem Strich:
    Wer entscheidet was intellektuell redlich ist und was nicht? Man kann seinen Standpunkt vertreten, aber kann man solche Themen als "Regeln" aufstellen?

  92. @Schleim
    Ihre Meinung zur Psychologie teile ich nicht; ich kann daran aber nichts ändern.

    Ich kann auch nichts ändern, wenn Sie mich nicht verstehen (wollen). Geld gilt allgemein als materieller Wert, im Gegensatz zu seelischen oder spirituellen Werten. Wenn man nach “Spiritualität” googelt, dann findet man tausend Anzeigen, die Versprechungen zur Spiritualität gegen Geld anbieten. Offenbar können die Anbieter gut davon leben, indem sie Bücher, Schulungen, Heilsteine oder andere obskure Gegenstände verkaufen. Manchen Menschen mag es vorübergehend helfen.

    Der Mensch täuscht sich am liebsten selbst, weil die Welt sich nicht täuschen lässt. Das sehen wir am Klimawandel, an der Umweltzerstörung und am Raubbau der eigenen Ressourcen. Wo ist da die Psychologie?

  93. @Anton Reutlinger

    Geld ist eigentlich das wirkmächtigste Glaubenssystem unserer Zeit. Man betrachtet es als materiell, weil wir dafür materielle Dinge eintauschen können. Der Materialwert eine Stück bunten Papiers selbst ist minimal. Wenn der Glaube ans Geld schwindet, droht eine Finanz- und -Wirtschaftskrise. Dieses Jahr gab es übrigens einen Bankenkrach, weil Kunden ihre Einlagen aus der Sberbank abgezogen haben. Am Mittag des 25. Februars war es schon vorbei und die Geldautomaten und Filialen schlossen. Manche hat es bei der Abwicklung großer Geschäfte getroffen, das verschwand das Geld für einen Hauskauf im Nichts.
    Jeder, der ein bisschen Ahnung hat, weiß, dass keine Bank ihre gesamten Einlagen an die Kunden auszahlen kann. Wir glauben aber daran, dass schon alles gut gehen wird.

  94. @P.Stefan
    Viele Dinge des Lebens hängen am Faden des Glaubens, weil wir nicht allwissend und nicht allgegenwärtig sein können. Gerade deshalb ist die intellektuelle Redlichkeit so wichtig, um Glaubwürdigkeit von Täuschungen und Betrügereien unterscheiden zu können. Die Erscheinung der “sozialen Medien” mit ihren Desinformationen ist ein großes soziales Problem, als Mixtur aus Meinungen und Interessen. Im Vergleich dazu sind Religiosität und Spiritualität noch harmlos.

  95. Ich glaube zwar, dass Metzinger zwar in einem idealistisch- methodologisch- oberflächlichen Sinn recht hat. Soll heißen, dass diese Form von “Intellektueller Redlichkeit” in Bezug auf wissenschaftlichen Fortschritt bzw. wiss. Erkenntnisgewinn positiv zu werten ist. Und vermutlich auch in Bezug auf die humane Organisation des menschlichen Zusammenlebens (Politik) , in der Integrität vermutlich weniger antihuman und gesellschaftlich destruktiv wirkt, als dauernde “Heuchelei” zur Darstellung von egoistischen Einzelinteressen als philanthrope Taten für das “Gemeinwohl”

    Allerdings verwechselt er wohl (mit Absicht?) ein Ideal mit der anthropologisch- gesellschaftlichen Wirklichkeit. Was ihn vermutlich auch mit den meisten “Popperianern ” verbindet.
    .
    Denn anzugeben, an ein erkenntnistheoretisch bzw. wissenschaftstheoretisches Ideal zu “glauben” heißt noch lange nicht, im Forscheralltag auch jederzeit danach zu handeln.

    (Nicht nur ?) zynisch- theistische (theologische) Kritiker könnten nämlich einwenden, dass die folgende Definition von “Religion” durchaus ebenso auf das reale Verhalten einer mehrheitlichen (?) Gruppe von (akademisch- universitären ) Wissenschaftlern der “science community” anzuwenden sei.

    Zitat aus dem Artikel: (Hervorhebungen von mir)

    Eine bis heute einflussreiche Definition stammt vom amerikanischen Anthropologen Clifford J. Geertz (1926-2006). Demnach ist Religion (1) ein System von Symbolen, das fungiert, um (2) in Menschen starke, überzeugende und langanhaltende Stimmungen zu erzeugen, indem es (3) Vorstellungen von einer allgemeinen Ordnung der Welt formuliert und (4) diese Vorstellungen in eine solche Aura der Faktizität kleidet, dass (5) die Stimmungen und Motivationen als einzig und allein realistisch erscheinen.

    Oder würden “harte” Wissenschaftler etwa bestreiten, dass die Wissenschaft ein Symbolsystem ist, das “…Vorstellungen von einer allgemeinen Ordnung der Welt formuliert und (4) diese Vorstellungen in eine solche Aura der Faktizität kleidet, dass (5) die Stimmungen und Motivationen als einzig und allein realistisch erscheinen.

    Und der Gegeneinwand , dass es in “der Wissenschaft” aufgrund ihrer Konstruktion und Verfasstheit grundsätzlich keinen Dogmatismus geben könne (er dort also unmöglich sei) , wäre dann erst einmal breit zu belegen.

    Ich weiß, das klingt zunächst für “Wissenschaftler” (besonders der Natur) äußerst provokativ. Stringente Widerlegungen der These sind jedoch willkommen.

  96. Ich vergaß:
    Die meisten Psycho- Argumente FÜR “Religion” , gerade auch im Hinblick auf “emotionale Stabilisierung” treffen sehr ähnlich auch auf die meisten Mitglieder der “Scientific Community” zu.

  97. @little Louis
    Wissenschaftler sind auch nur Menschen. Aber zur Wissenschaft gibt es keine Alternativen. Lesen Sie den Wetterbericht oder schauen Sie in die Kristallkugel, wenn Sie nach draußen gehen müssen? Die Wissenschafter bemühen sich immerhin um intellektuelle Redlichkeit.

  98. @ little Louis

    Die Definition trifft eher, da Transzendenz nicht direkt angesprochen ist, auf Ideologien zu.

  99. Sie Golzower vermischen den Glauben an etwas Höheres, den jeder haben kann, mit dem Bekenntnis zu einer bestimmten Religion, die von den Gläubigen fordert, bestimmte Dinge zu glauben und andere nicht.
    Fazit: Religiöse Ideen gibt es in ganz verschiedenen Formen, auch ohne Glaubensgemeinschaft und Konfession.
    (Zitatende)

    Richtig. Das zu tun ist eine alte Vernebelungsstrategie der Kirchentheologen:
    Wenn die alten infantilen Volks- Dogmen für die Intelligenzia nicht mehr tragbar ist bzw. für die die Institution kontaproduktiv zu werden drohen, zieht man sich für die Intellektuellen-Klientel auf (philosophische) Metaphysik zurück. Oder gar auf Naturwissenschaft. Da kann dann auch der Dr. med. oder der “spirituelle” Naturwissenschaftler ohne allzuviel kognitive Dissonanz am Sonntag zum Gottedienst gehen. Und muss nicht befürchten (wies im ländlichen Bereich immer noch ist) als “gottloser Kommunist” oder als gesellschaftlicher Außenseiter abgestempelt zu werden.
    Nicht umsonst hat der Vatikan , die Jesuiten als intellektuelle Speerspitze zur Verfügung.

    Auch in St. Schleims headline bleibt wieder unscharf, was genau mit “Religion” eigentlich gemeint ist. Dem Durchschnittsleser fallen bei diesem Begriff immer zuerst die großen Monotheismen mit ihren institutionell festgelegten Glaubensdogmen ein . Und dies sind (mehr oder weniger) alle “politisch – gesellschaftlich” organisierte Machtinstitutionen. Und wenns keinen Vatikan gibt, dann gibts eben “Ayatollahs” oder etwas mit ähnlicher Funktion.

  100. @ elektroniker und zu:

    “….Die Mathematiker schaffen sich sogar eigens so etwas wie streng abgegrenzte „Gärtchen der Wahrheit“ um sich dort wirklichen Wahrheiten „hingeben“zu können. Das Gärtchen ist aber winzig klein….” (Zitatende)

    Das ist ein wunderschönes “Gleichnis”. Ist auch meine “Hypothese” (!)

  101. little Louis
    mir dir haben die Atheisten die intelektuelle Speerspitze zur Verfügung.
    Die Jesuiten müssen einen bürgerlichen Beruf erlernen, bevor sie sich der Theologie zuwenden. Der Papst hat zuvor Elektrotechnik studiert.

  102. @ mussi und zum Folgenden_

    “…. Individale Spiritualität dürfet weniger Sorgen machen, als wenn sich Religion als Bewegung zur Absolutheit verklärt…” (Zitatende)

    Es wird immer wieder versucht, den Unterschied zwischen philosophischer (oder “wissenschaftlicher”) Metaphysik und (Kirchen- ) Theologie zu verwischen.
    Letztere ist eine (oft philosophisch “degenerierte”) Art von Hilfswissenschaft zur Stabilisierung der institutionellen Kirchenmacht über das psychologische “Framing” der metaphysischen (oder generellen) Gedankenwelt der “Gläubigen”.

    Entweder über Förderung des bequemen Opportunismus oder über die gängigen, hier schon oft genannten psychologischen Mechanismen. Oder einfach über die (normale) “metaphysische Basis- Neugier” fast aller Menschen etwa nach dem Gedanken: Es muss doch da noch etwas weiteres/höheres geben..usw. usw.

  103. Zum Folgenden “Hasskommentar” von fauv:

    26.10.2022, 12:43 Uhr
    little Louis
    mir dir haben die Atheisten die intelektuelle Speerspitze zur Verfügung.

    Ich bin allenfalls “Agnostiker”. Das sollte man aber aus meinen bisherigen Kommentaren erkennen können. Und was manche Bereiche “Der Wissenschaft” angeht, halt “Skeptiker”. Aber im ” echten” Sinn, nicht in dem der GWUP. (-:
    Und ob der Kommentar von fauv jetzt intellektuell “spitzer” ist , als meine Einlassungen hier, ” überlasse ich dem Urteil der geneigten (oder auch weniger geneigten) Leser”. Die ironisch getarnte (allerdings nur leichte) Aggression ist aber schon irgendwie merkwürdig – wenn auch jetzt nicht gerade erschütternd. Eventuell wars nur als kleine “(Speer-) Spitze gemeint. (-:

  104. Die Wissenschafter bemühen sich immerhin um intellektuelle Redlichkeit.

    Naja, es gibt auch Theologen, die sich um intellektuelle Redlichkeit bemühen, sowie es leider viele Wissenschaflter gibt, die mehr ihre Karriere und ihren Ruf als die intellektuelle Redlichkeit im Blick haben. Wie auch immer, jedenfalls könnte man für beide “Traditionen” (P. Feyerabend) dieselbe Forderung stellen, sie sollten sich um intellektuelle Redlichkeit bemühen. Dann unterscheiden sie sich nur darin, inwiefern sie sich wirklich darum bemühen, und nicht darin, dass dies für beide ein wichtiges Prinzip ist (sein sollte).

  105. Zum Folgenden Komment von:
    Mussi
    24.10.2022, 12:44 Uhr
    @ Holzherr
    Man muss nur rüber zu @ Michael Blume wechseln, der Feind-Freund-Dualismus genau aus diesen Gründen beleuchtet.

    (Zitatende)

    Ich persönlich halte Michael Blume für ein typisches Gegenbeispiel eines “intellektuell redlichen Intellektuellen”. Er kritisiert ständig bei seinen ideologischen Gegnern einen “Freund- Feind Dualismus”, obwohl er selbst fast tagtäglich einen solchen Framings- Dualismus im Meinungskampf (oder Propagandakampf?)mit diesen Gegnern anwendet.
    Wers nicht glaubt, kanns einfach nachlesen.

  106. @Philip
    Zitat 1: „ wer bestimmt was intellektuell redlich ist und was nicht?„
    Jeder bestimmt das selber. Wer bewusst lebt und über sich und die Welt nachdenkt, weiss was Redlichkeit bedeutet. Problematisch ist es, wenn man aus Feigheit, aus Angst vor den Konsequenzen, gegen die eigene Redlichkeit (Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Loyalität) verstösst. Das passiert etwa, wenn sie aus Eigennutz oder einfach darum, weil das auch andere tun, gegen ihr Berufsethos verstossen. Als Arzt etwa, wenn sie unnötigerweise Medikamente verschreiben, nur darum weil es ihnen finanziell nützt. Unredlich ist es dann, wenn sie weiterhin das Bild eines uneigennützigen Helfers aufrechterhalten. Sie lügen anderen und womöglich sich selbst etwas vor, wenn sie so etwas tun.
    Thomas Metzinger meint nun offenbar, dass viele Mitglieder einer Kirche bereit sind jede Zumutung zu schlucken, die ihnen von dieser Kirche und dem Glauben, den sie verkündet, bereitet. Sie glauben etwas, was gegen ihre eigene Überlegungen verstösst, nur weil der „Pfarrer“ sagt, das müsse man glauben – auch wenn es noch so unsinnig erscheint.

    Zitat 2: „ Metzinger betreibt hier selbst Metaphysik, reine Spekulation, oder Philosophie, die sich meiner persönlichen Ansicht nach nicht viel von manchen Inhalten von Religionen unterscheiden. Die Art und Weise was manche Philosophen heute unter Naturalismus verstehen ist auch so eine Religion.„

    Zustimmung. Doch darum geht es Metzinger im Essay „Spirituality and Intellectual Honesty“ nicht. Er sagt ja gerade nicht, Spiritualität sei Hokuspokus (das sagt anton reutlinger), sondern vielmehr sagt er: es geht um die Wahrheitssuche, es geht um Erkenntnis. Und das bedeutet, dass man frühere Ansichten nach neuen Erkenntnissen eventuell revidieren muss. Und er behauptet: Anhänger von Kirchen, von gefestigten Religionen wie dem Katholizismus, Evangelismus, die schlucken letztlich alles. Und das nur um ihren Seelenfrieden zu haben. Sie sind bereit ihre Redlichkeit und ihren Anstand zu verlieren, nur um in ihrer „Kirche“ zu bleiben, selbst wenn diese Kirche ihnen die denkbar grössten intellektuellen Zumutungen auftischt.

  107. @little Louis 26.10. 12:59

    „Oder einfach über die (normale) “metaphysische Basis- Neugier” fast aller Menschen etwa nach dem Gedanken: Es muss doch da noch etwas weiteres/höheres geben..usw. Usw.“

    Man hat so seine Erfahrung im Leben, auch spiritueller Natur. Und meist kein klares Konzept, was da wirklich hintersteckt. Das ist doch gut. Entsprechend beschäftigt das auch mal, man ist hier auch offen für neue Sichten und neue Konzepte. Oder man lässt auch das Alte mal stehen, und besucht sogar freiwillig Gottesdienste.

    Wir haben Zeit für sowas. Warum nicht? Muss alles zwischen Himmel und Erde denn abschließend bekannt sein? Allein schon die Idee, Sonntags einen Ruhetag einzulegen, und ihn der Betrachtung zu widmen, die ist doch schon heilsam.

  108. little louis,
    don’t worry
    mein Herz schlägt für den Odenwald.

    Deine Kritik bezieht sich auf die Kirche als Institution. Die hat in der Vergangenheit oft das Gegenteil gemacht, worüber sie gepredigt hat.
    Religion ist nicht automatisch auch Kirche. Im Neuen Testament wird Gewaltlosigkeit gepredigt. Kulturell betrachtet sind wird noch in der Pubertät.

  109. Stephan Schleim
    24.10.2022, 14:00 Uhr
    @Golzower: Zustand der Welt
    Religionen sind nicht perfekt; und auch die “Ersatzreligion” Kapitalismus führt immer wieder zu Krisen.

    (Zitatende)
    Das ist eine ziemliche Verniedlichung des Problems :
    Denn es ist sowohl “intellektuell” als gerade auch “ethisch” unglaublich unredlich (und damit für gerade auch für Humanisten nicht entschuldbar), dass weltweite Großinstitutionen, die (nicht nur ) aber hauptsächlich mit dem Banner “Humanität” ideologisch konnotiert sind , in der Realität immer wieder dadurch auffielen, dass sie durch ihr politisches Handeln eher zum Gegenteil , d.h. zur INHUMANITÄT in der Welt beigetragen haben.
    Wieso hat eine überwiegend “human- christliche Welt” gerade die größten Inhumanitäten wie Sklaverei , ausbeuterischen Kolonialismus und den Holocaust nicht verhindern können oder wollen?

    Und noch was, was “nur Gott allein” (auch ohne Kirche) betrifft:

    Die größten intellektuellen Heuchler sind vermutlich diejenigen Gläubigen und vor allem Theologen, die das einfach verständliche Theodizee- Argument einfach mit Stillschweigen oder mit haarsträubenden Ausflüchten übergehen .
    Man kann das in “Wort zum Sonntag”- Texten immer wieder erleben, obwohl nur wenige sich überhaupt öffentlich auf dieses Glatteis wagen.
    Auch aus diesem Grund sind eine Menge überlebender Holocaust- Opfer zu Atheisten oder zu Agnostikern geworden. Viele sogar zusätzlich zu (humanistischen) Sozialisten oder gar “Kommunisten”. Von denen natürlich einige selbst wieder sich in einen Dogmatismus verrannt haben, der dem religiösen nicht unähnlich war. Soll man das das dann auch mit der selbstheilsamen psychologischen Stabilisierung “relativieren oder “entschuldigen”?

  110. Wird die Religion des “freiheitlichen Unternehmertums in wettbewerbsbedingt-symptomatischen Abwägungen” auch dazu gezählt???

    (Zitatende)
    Na klar. Marx mag mit seiner “teleologischen ” Geschichtsauffassung womöglich daneben gelegen haben, die grundlegenden Gesellschaftsanalysen bezüglich “Arm und Reich ” usw. usw. usw. (ich denke , sie wissen was ich meine) sind aber nicht so leicht zu widerlegen . Und zwar auch heute nicht.
    Ich glaube (!) es führt ein logischer Weg von einem grundlegenden Humanismus zu irgendeiner Art “Herrschaftskritik ” . Und da ist die Analyse der realen (auch und gerade ökonomischen ) Gesellschaftsstruktur halt grundlegend.
    In Diskussionen mit VWL- Studenten bezeichne ich diesen Fachbereich manchmal provokativ überzogen als “Märchenfach”. (-:

  111. little Louis
    Theodizee und die Verniedlichung.

    Gott war und ist nicht verantwortlich für die Untaten der Menschen.
    Dass die Holocaust Überlebenden sich von Religion abwandten ist verständlich.
    Und Religion mit stabilisierendem Effekt zu rechtfertigen ist ebenso falsch.
    Es gibt Religion weil die Menschen ein Gespür dafür haben, dass die Welt so wie sie ist , unbeschreiblich schön aber auch unbeschreiblich grausam nicht anders erklärt werden kann, als dass es eine Welt außerhalb unseres Erfahrungsbereiches existiert , in der alles in Ordnung ist in der es keine Angst mehr gibt und dass wir in diese Welt gelangen können.

  112. fauv
    26.10.2022, 14:04 Uhr
    little louis,
    don’t worry
    mein Herz schlägt für den Odenwald.

    (Zitatende)

    Meins auch. Aber leider nur mit der linken Herzkammer. Und die schlägt nur badisch. Bei den Hessen hab ich nur Verwandschaft. Aber ich versteh sie noch, obwohl das Idiom schon mehr nach Frankfurt klingt. (-:

  113. @ steinmetz und :

    Naja, es gibt auch Theologen, die sich um intellektuelle Redlichkeit bemühen, sowie es leider viele Wissenschaflter gibt, die mehr ihre Karriere und ihren Ruf als die intellektuelle Redlichkeit im Blick haben. Wie auch immer, jedenfalls könnte man für beide “Traditionen” (P. Feyerabend) dieselbe Forderung stellen, sie sollten sich um intellektuelle Redlichkeit bemühen. Dann unterscheiden sie sich nur darin, inwiefern sie sich wirklich darum bemühen, und nicht darin, dass dies für beide ein wichtiges Prinzip ist (sein sollte).
    (Zitatende)

    Richtig. Dem hab ich (gerade) kaum was hinzuzufügen.

  114. Wenn man verstehen will, warum in den USA so viele Menschen einer Religion angehören, muss man auch verstehen, wie die Gesellschaft dort funktioniert. Die Kirchen sind da, denke ich, wichtige Kontaktbörsen.
    (Zitatende)

    Die Kirchen werden dort von sehr vielen vor allem auch als dasjenige “soziale Sicherheitsnetz ” benutzt, das der Staat nur in unzulänglichem Maß bereizustellen gewillt ist. Und zwar teilweise auch deswegen, weil genau diejenigen Menschen eine über ein Mindestmaß hinausgehende STAATLICHE Sozialfürsorge für eine Vorform von kommunitischem Totalitarismus halten.
    So wirds Vielen schon in der Schule halt beigebracht – und kaum einer der Betroffenen stellt es in Frage. Ein häufiger Grund sind (teilweise infantile) religiöse Vorurteile.

  115. Zum Folgenden von:

    Mona
    25.10.2022, 10:29 Uhr
    @Paul Stephan und KRichard
    Zu den Vorteilen der Einführung des Christentums im römischen Reich:

    (Zitatende)

    Das zeigt exemplarisch, dass die Theologie meistens nichts weiter als die “Magd” irgendeines (politischen ) Herrschaftssystems war bzw. ist.

  116. little Louis
    “Vorform von kommunitischem Totalitarismus “, ja, deshalb hat ja Walt Disney die Panzer Knacker Bande in seine Comics eingefügt.

    Und man darf nicht vergessen, dass die Auswanderer nach USA ja den Staat hinter sich lassen wollten, die wollten Freiheit und keine Bevormundung mehr.
    Die Republikaner mit ihrer Forderung nach Waffenbesitz sind das äußere Zeichen für dieses Denken.

    Nachtrag: Frankfurter Grüne Soß, probier mal, dann vergisst du die Badenzer.

  117. @ M.Holzherr und:

    “…Fazit: Für Thomas Metzinger ist Spiritualität eine geistige Haltung des Einzelnen, die mit bestimmten Praktiken Erfahrungen und Erkenntnisse gewinnen will…” (Zitatende)

    Metzinger hat hier den Begriff “Spiritualität” wohl als eine Art von metaphysischer praktischer Selbstheilungspsychotherapie beschrieben, was
    allenfalls als Teilaspekt angesehen werden kann.
    Ob uns diese Art von “Begriffs -Essentialismus” (was versteht MAN eigentlich unter xxx) wirklich weiter bringt? Man zählt halt alle von Menschen verwendeten Bedeutungsaspekte auf. Und dann ? Da geht es doch “nur” um Kommunikationsprobleme. Oder nicht?

  118. @Philipp: Metzinger, Selbstmodelle & Psychosen

    Interessante Frage. Metzinger diskutiert auch Psychopathologien; insofern sollte es da eine Antwort von ihm geben.

    Aber ich versuche es einmal so: Wenn das Selbstmodell eine Art Benutzeroberfläche für den Körper ist, um sich in der Welt zurechtzufinden, dann ist es adaptiv. In einer Psychose könnte man dann vielleicht näher an der Realität sein in dem Sinne, dass einem sonst unbewusste Verarbeitungsschritte bewusst werden (von phänomenaler Transparenz zu Opazität); der Preis könnte dann aber der Verlust (eines Teils des Selbstmodells und damit) des Nutzens sein, sich in der Umwelt zurechtzufinden. Das wäre doch kohärent.

    Interessanter ist mir in diesem Kontext die Frage: Wenn wir alle nur Selbstmodelle sind, wer soll dann überhaupt intellektuell unredlich sein; und wieso ist das dann noch ein Problem?

  119. @ Stephan Schleim und zu:
    “…Wenn das Selbstmodell eine Art Benutzeroberfläche für den Körper ist, um sich in der Welt zurechtzufinden, dann ist ….” (Zitatende)

    Was ist dann der (für uns erkenntnistheoretisch relevante ) Unterschied zwischen dem “eigentlichen” (Manche lehnen diesen Begriff als “unsinnig” ab) UNS und dem “uneigentlichen ” UNS als bloßes “Modell” unseres eigentlich eigentlichen UNS ??

  120. @ Schleim

    Das wäre dann aber die Frage nach der systemischen und nicht intellektuellen Redlichkeit,oder?

  121. @ Philipp 26.10.2022, 09:41 Uhr

    “Wer entscheidet was intellektuell redlich ist und was nicht? Man kann seinen Standpunkt vertreten, aber kann man solche Themen als “Regeln” aufstellen?”

    Ihre Aussage verstehe ich nicht ganz. Wenn ich Metzinger richtig verstanden habe, empfiehlt er einfach, dass man seine Überzeugungen immer wieder kritisch und vor allem selbstkritisch überprüfen sollte (seine Definition von intellektueller Redlichkeit). Warum sollte er eine solche Empfehlung (Regel?) nicht äußern dürfen? Er zwingt ja keinen sich daran zu halten (wie auch?).

    Dass jeder Mensch, bei einem Maximum an “intellektueller Redlichkeit” (geht das eigentlich?) zwingend zu seinen Ergebnissen bezüglich Religion etc. kommt, bezweifle ich allerdings stark.

  122. @Hirsch:

    Was ich implizieren wollte war dass Metzinger meiner Ansicht nach seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird.

    Ich kenne die Bücher und diverse Artikel von Metzinger.
    Metzinger vertretet in seinem Fach selbst manche metaphysischen Postulate (die man niemals beweisen noch widerlegen könnte) für “Fakten” der Wissenschaft.

    Dabei handelt es sich eigentlich um philosophische Schlussfolgerungen.

    In einer Diskussion würde Metzinger das aber alles sicherlich ganz anders sehen.

    Man spricht manch religiösen Menschen die intellektuelle Redlichkeit ab, wirft aber selbst mit Spekulationen um sich.

  123. Horst O.

    [Gekürzt; “Horst O.” hat hier Hausverbot und weiß das auch. Bitte ignorieren Sie ihn. S. Schleim]

  124. @Hirsch, Philipp: kritische Haltung

    Es spricht natürlich viel dafür, eine kritische Haltung einzunehmen, um Erkenntnis zu gewinnen – auch gegenüber sich selbst.

    In dem hier vorliegenden Fall gibt Metzinger aber nicht nur die Haltung vor, sondern auch das Ergebnis: Menschen mit religiösem Glauben könnten prinzipiell nicht intellektuell redlich sein.

    Wir haben bereits festgestellt, dass das allein aus dem Grund problematisch ist, dass “Religion” ein so facettenreicher Begriff ist.

    Im nächsten Teil geht es dann um seine Beispiele: Bewusstsein, Erleuchtung, Gott.

  125. @ Philipp

    O.k., es war eher eine allgemeine Kritik an Metzinger. Ich kenne nur diesen einen, hier von Stephan Schleim kritisierten Text.
    In diesem ist mir bisher keine grobe Vermischung von Metaphysik und Naturwissenschaft aufgefallen, möglicherweise habe ich es auch überlesen.

    Jedenfalls schreibt er z.B. zum Thema Gott und Seele:

    Man muss nicht glauben, dass all diese Hypothesen oder Theorien wahr sind. Alle diese Theorien können falsch sein, und in der Tat sind ja fast alle Theorien, die es in der Geschichte der Menschheit überhaupt gegeben hat, heute bereits zu falsifizierten Theorien geworden.

    Und:

    Worum es bei der intellektuellen Redlichkeit geht, ist etwas viel Einfacheres, Bescheideneres: sich selbst gegenüber ehrlich zu sein und einfach nur die Tatsache anzunehmen, dass dies im Moment der aktuelle Stand der Dinge in Wissenschaft und Philosophie ist.

    Ob es wirklich der aktuelle “Stand der Dinge” ist, kann ich nicht wirklich beurteilen, ich bin weder Philosoph, noch Neurowissenschaftler. Hier bin ich intellektuell redlich 🙂

  126. Hallo I. Hirsch,

    der von Ihnen zuletzt zitierte Abschnitt trifft es auf den Punkt. Es gibt natürlich Dinge die “Fakt” sind. Aber gerade die “großen” Fragen und Themen sind eben kontrovers, sowohl wissenschaftlich als auch philosophisch. Wer hier eine intellektuell redliche Position vertritt oder nicht kann nicht klar definiert werden, da es von den eigenen Ansichten abhängt.

    Ich habe vor Jahren den Prior eines Klosters eine Email geschrieben und Ihn gefragt ob er zu einem Austausch mit einem Atheisten (mir) bereit wäre. Darauf lud er mich ein und nahm sich ca. 2-3 Stunden für ein Gespräch Zeit. Ich fragte ihn wie er zu seinem Glauben fand, warum er überzeigt ist dass Gott existiert, etc.

    Er antwortete u.a. dass er sich natürlich auch nicht sicher sein kann das Gott existiert; es ist schlicht sein Glaube, aber kein Wissen. Insgesamt käme ich nicht auf die Idee diesen Menschen Unehrlichkeit gegenüber sich selbst zu unterstellen; im Gegenteil. Der Mann war wohl offener und ehrlicher als manche Wissenschaftler oder Philosophen die fast schon dogmatisch bestimmte Ideen vertreten.

  127. @ Philipp

    Das Gespräch war bestimmt eine schöne und interessante Erfahrung. Mein Nachbar (Atheist) bitten die Zeugen Jehovas immer ins Haus um mit Ihnen Kaffee zu trinken und freundlich zu diskutieren. Er hat Spaß dabei.

  128. Ich las heute morgen einen Artikel über eine Diskussion in Heidelberg (Zonta Club) mit der Schriftstellerin /Philosophin Thea Dorn (und dem Autor Gero vom Boehm)

    Interessant im Blogzusammenhang hier könnte sein, was über die Bekenntnisse der Autorin berichtet wird: Als ganz persönliche Kraftquellen würde die Philosophin Erlebnisse in der Natur (“” aufgehen in etwas, das größer ist als man selbst””) , klassische Musik sowie einige vertraute Menschen nennen. Die “sinnstiftenden Jenseitserzählungen der Religion” hingegen würden bei der Agnostikerin nicht mehr greifen.

  129. @fauv 26.10. 14:40

    „als dass es eine Welt außerhalb unseres Erfahrungsbereiches existiert , in der alles in Ordnung ist in der es keine Angst mehr gibt und dass wir in diese Welt gelangen können.“

    Das ist wohl ein lohnendes Ziel, sich auf die Suche danach zu begeben. Zu gucken, wo noch mehr ist, als man selbst, da findet man dann womöglich auch noch Geisteswelten.

    @little Louis 26.10. 12:59

    „Als ganz persönliche Kraftquellen würde die Philosophin Erlebnisse in der Natur (“” aufgehen in etwas, das größer ist als man selbst””) , …“

    Was ja nun auch praktisch wohl zu haben ist. Geisteswelten sind mutmaßlich in der Natur auch zu finden, die man fast von selber finden kann, wenn man sich nur der Natur zuwendet. Auch wenn man sie anfangs gar nicht explizit gesucht hat, und einfach nur die Schönheit dieses Planeten erkunden wollte.

    Meistens kann man hier natürliche Geisteswelten finden, die eine eigene Beteiligung implizieren, und zu der Erkenntnis führen kann, auch selbst eine Geistesseite zu haben. So vollzieht sich dann auch die konkrete Teilhabe an was größerem.

    Bei aller Naturzerstörung durch den Menschen findet man doch eine Natur vor, die mehr Horizont hat als ein Menschenleben, und einen Frieden innehat, der auf den Menschen überspringen kann. Und so dann vielleicht sogar den Menschen nachhaltig bewegt, die Naturzerstörung nicht nur aufzuhalten, sondern Kulturlandschaften zu gestalten, die den unberührten Naturräumen in der Qualität gleichkommen Und so letztlich auch dem Menschen Lebensqualität bieten kann, die wirklich Teil des Ganzen ist.

  130. Wie die organisierte Religion Menschen „brechen“ kann
    Mein Vater, ein Katholik, war ein begeisterter Leser der Bücher von Hans Küng. Allerdings nur bis dem Theologen Hans Küng die Lehrbefugnis für die römisch-katholische Glaubenslehre durch die Deutsche Bischofskonferenz entzogen wurde. Diese Miniaturform der Exkommunikation letztlich durch den Papst änderte zwar die Meinung meines Vaters über den Inhalt der Lehren Hans Küngs nicht direkt und nicht in nachvollziehbarer Weise, aber er sah sich innerlich gezwungen sich von Hans Küng zu distanzieren. Er beugte sich quasi dem Dogma des Papstes, dem Schiedsspruch der Bischoffskonferenz. Und das ohne nachvollziehbare Begründungen angeben zu können. Für mich war seine intellektuelle Redlichkeit durch seine erzwungene „Konversion“ tatsächlich in Frage gestellt.

  131. Wie passen Religion und intellektuelle Redlichkeit zusammen?

    Definiere “Religion”, definiere “intellektuell” und definiere “Redlichkeit”.

    Und dann stellen wir fest, dass dieser Satz Pferdeäpfel mit Glühbirnen vergleicht.

  132. Wo ist intellektuelle Redlichkeit anzusiedeln?
    Für mich sehr nah an Fragen des Gewissens und der Richtigkeit/Stimmigkeit dessen was man als Individuum glaubt. Es geht um die Bewahrung der inneren Integrität angesichts dessen was man für richtig hält und dessen was man selber tut.
    Das ist meine Konkretisierung dessen was Thomas Metzlinger so umschreibt:

    Intellektuelle Redlichkeit bedeutet, dass man einfach nicht bereit ist, sich selbst etwas in die Tasche zu lügen. Sie hat auch etwas mit sehr altmodischen Werten wie Anständigkeit, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit zu tun, mit einer bestimmten Form von „innerem Anstand“.

    Wer intellektuell redlich ist, den stören Widersprüche zwischen dem was ist, wie er ist und dem was er soll, zu was er stehen sollte. Ein Christ muss sich etwa als Soldat mit dem Widerspruch auseinandersetzen, dass er im Auftrag des Staates töten soll, dass aber seine Religion töten verbietet. Innerlich redlich bleibt der, welcher seinem Gewissen gerecht bleiben kann.

    Beispiel: Die deutsche Wehrmacht bildete Polizeibataillone aus Teilen der zivilen Ordnungspolizei und aus Reservisten und beauftragte sie damit Juden in eroberten Gebieten zu erschiessen. 2 Millionen Juden kamen auf diese Weise ums Leben.
    Die Frage ist nun die nach der inneren Haltung der beauftragten Polizisten.
    Fühlten sie sich zum Schiessen/Erschiessen legitimiert, weil sie
    a) einfach Befehle ausführten
    b) selber Judenhasser waren
    c) In Predigten von evangelischen und katholischen Priestern eine Absolution für das Töten von Juden erhielten
    d) vor allem an ihre eigene Karriere dachten.

    Die innere Redlichkeit bleibt/blieb gewahrt, wenn der Polizist moralisch vor sich selbst bestehen kann/konnte und wenn er Christ war blieb sie gewahrt, wenn er das mit seinem Christsein in Übereinstimmung bringen kann. Sie bleibt nicht gewahrt, wenn er seine moralischen Grundsätze opfert oder die Verantwortung an einen Dritten, einen Anderen, delegiert.

  133. @Karl Meier (Ziat): „ Definiere “Religion”, definiere “intellektuell” und definiere “Redlichkeit”.
    Das alles wird implizit in Thomas Metzingers Essay über das wir hier sprechen definiert und zwar so:
    Religion = organisierte Religion (Katholizismus, Evangelismus, etc)
    intellektuell= innere Stimme was richtig und falsch ist unter Einbeziehung von rationalen Überlegungen und Schlussfolgerungen
    Redlichkeit= moralische Widersprüche erkennen und vermeiden

  134. @Karl Meier . Thomas Metzinger definiert Religion in seinem Essay sehr negativ. Nicht nur spricht er von organisierter Religion, er unterstellt den organisierten Religionen auch Dogmatismus („das und das muss man einfach glauben“) und Fideismus („du musst selbst dann glauben, wenn dir das Gesagte unsinnig erscheint“).

  135. @Philipp

    Hi, Du schreibst (27.10., 10:18):

    »Aber gerade die “großen” Fragen und Themen sind eben kontrovers, sowohl wissenschaftlich als auch philosophisch. Wer hier eine intellektuell redliche Position vertritt oder nicht kann nicht klar definiert werden, da es von den eigenen Ansichten abhängt.«

    Welche „großen“ wissenschaftlichen Fragen hattest Du denn beim Schreiben so im Sinn?

    Klar gibt es auch unter Wissenschaftlern Diskussionen über die eine oder andere Frage, (z. B., wie groß der Anteil an funktionsloser DNA im menschlichen Genom ist, oder etwa, ob es genetisch bedingte Dispositionen für Religiosität und/oder Spiritualität gibt), aber das sind ja keine „großen“, also wirklich bedeutsame Fragen für unser Menschenbild.

    Von anderem Kaliber wäre vielleicht, ob die Evolution mit göttlicher Einflussnahme vonstattenging oder nicht (Stichwort Kreationismus, wird von manchen Wissenschaftlern vertreten). Oder etwa, ob es psychische Vorgänge gibt, die neurologische Prozesse induzieren.

    Aber das nur nebenbei, wichtiger ist mir die Sache mit dem Prior, der Ihnen gegenüber verklausuliert zu erkennen gab, dass auch er so seine Zweifel an der Existenz Gottes habe (er glaubt halt nur, dass es ihn gibt).

    Ich denke, viele Gläubige haben diesen Zweifel, eben weil es in dieser Frage kein Wissen geben kann, es sei denn, man erlebt eine Art Offenbarung (so wie seinerzeit der Kirchengründer Paulus), dann kann der Glaube zur Gewissheit oder zu Wissen werden. Das heißt, viele religiös gestimmte Menschen sind im Grunde Agnostiker (Nichtwissende), ungeachtet ihrer Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft oder Kirche.

    Was nun die „intellektuelle Redlichkeit“ angeht, das ist ja nichts, worüber andere zu urteilen hätten, sondern das ist etwas, was einen selbst betrifft. Ähnlich wie bei moralischen Pflichten ist der Mensch allein sich selbst gegenüber zur „intellektuellen Redlichkeit“ verpflichtet. Schließlich kann man sich ja auch nur selbst etwas in die Tasche lügen.

  136. Martin Holzherr
    27.10.2022, 22:06 Uhr

    Das macht es nicht besser.
    “Religion” ist etwas gesellschaftliches, äußerliches, organisiertes, verwaltetes, während “intellektuell” etwas geistiges, individuelles, innerliches, logisches beschreibt und “Redlichkeit” eine individuelle Charaktereigenschaft bezeichnet, “sine ira et studio” und unter Umständen auch zum eigenen Nachteil entscheidend.

    Man kann aus meiner Sicht natürlich “intellektuell” und “redlich” vereinen, aber das Gegenstück dazu wäre dann nicht “Religion”, sondern “Glaube”.

  137. Thomas Metzingers intellektuelle Redlichkeit ist eine individuelle Haltung
    (Organisierte) Religion und Intellektuelle Redlichkeit passen implizit für Thomas Metzinger letztlich auch darum nicht zusammen, weil im Spektrum Individualismus, Kollektivismus, die organisierte Religion näher beim Kollektivismus steht, Spiritualität und intellektuelle Ehrlichkeit aber individuelle Erfahrungen und Phänomene sind oder wie man in der Wikipedia liest:

    Auch religiöse Gemeinschaften wie das Christentum stehen dem Individualismus meist sehr skeptisch gegenüber. Die Grundidee des Individualismus ist eine Befreiungsidee. Die Befreiung des Einzelnen von zu vielen Zwängen wird als angenehm empfunden, das Kollektiv als behindernd und beengend.

    Fazit: Metzinger betont den Erfahrungs- und den Erkenntnisfaktor, der sowohl spirituellen wie wissenschaftlichen Haltungen zugrundeliege der aber der organisierten Religion mit ihrem Dogmatismus und Fideismus fehle. Es sind individuelle Erfahrungen und Erkenntnisse, die spirituell Reisende kennenlernen und auch die intellektuelle Ehrlichkeit ist ein individuelles Phänomen und schon von daher geht intellektuelle Redlichkeit besser mit Spiritualität einher als mit einer organisierten Religion.

  138. @Karl Maier (Zitat): Man kann aus meiner Sicht natürlich “intellektuell” und “redlich” vereinen, aber das Gegenstück dazu wäre dann nicht “Religion”, sondern “Glaube”.
    Ja, der intellektuell Redliche kann einen Glauben aufgeben, weil er zum Schluss kommt, der Glaube sei insgesamt falsch.
    Eine organisierte Religion dagegen erlaubt es nicht einen Glaubensinhalt aufzugeben wegen ihrem Dogmatismus und Fideismus. Das jedenfalls behauptet Thomas Metzinger.

    Ein Beispiel dazu könnte der in der christlichen Kirche gelehrte Glaube an die Trinität Gottes sein. Dieser Glaube ist durch Konzilsbestimmungen festgelegt worden und darf durch Gläubige nicht hinterfragt werden.

  139. @ little Louis

    was mir heute zu der Definition von Geertz wieder eingefallen ist: sie trifft nicht nur für Religionen und Ideologien zu, sondern insbesondere für das “Marketing” ! … 🙂

  140. Martin Holzherr,
    Mit Herrn Küng geht es ans Eingemachte. Seine Meinung, dass Maria keine “Jungfrau” war, die ist logisch, denn das Christentum ist die Religion der “Underdogs”. Und sie war es bis Kaiser Konstantin das Christentum zur Staatsreligion gemacht hat.
    Das gleiche, Sie haben es schon agesprochen ,die Trinitätslehre, die ist nur für Theologen von Bedeutung. Im AT gilt das Verbot “Gott darzustellen”.
    Und das ist noch logischer, denn bei Moses heißt es :”Ich bin der da ist”.= Jahwe

    Und jetzt kommt Herr Maier und führt einen Unterschied zwischen Religion und Glaube ein. Das ist noch logischer.
    Denn wenn gott, der Gott aller Menschen ist, dann ist die Religion nur eine Form der Erkenntnis, dass es einen Gott gibt.
    In der Rinparabel von Lessing wird dieses Problem angesprochen.

    Zurück zur Redlichkeit, die ist Teil von Verantwortung. In unserer Verwandschaft hat einer im 2. Weltkrieg desertiert, weil er den Wahnsinn von Hitlers Eroberungskriegen durchschaut hat. Und , er war schon vorher Atheist und danach auch noch. Das zur Aussagekraft von Religion und Atheismus.

  141. @ Balanus

    “er glaubt halt nur, dass es ihn gibt”

    Eigentlich war das noch nie anders, denn es heißt ja: ich *glaube* an Gott, den Allmächtigen…

    “dann kann der Glaube zur Gewissheit oder zu Wissen werden.”

    Nach der Aufklärung nicht mehr möglich. Aber es ist richtig, daß vor der Aufklärung die Offenbarung als Erkenntnisquelle durchaus in Betracht kam.

  142. Nachtrag @ Balanus

    Wissen, nach unserem heutigen Verständnis, muß teilbar sein. Eine Offenbarung trifft aber nur Auserwählte und ist ihrem Wesen nach nicht teilbar.

  143. @Jeckenburger:

    “Meistens kann man hier natürliche Geisteswelten finden, die eine eigene Beteiligung implizieren, und zu der Erkenntnis führen kann, auch selbst eine Geistesseite zu haben. So vollzieht sich dann auch die konkrete Teilhabe an was größerem.”

    Stellen Sie sich vor, Sie sehen einen Baum. Was passiert dabei? Sie wandeln die Physik des Baumes in eine neuronale Struktur um. Das bedeutet, von der Physik des Baumes bleibt nichts mehr übrig, sie wird quasi zerstört und erscheint als Physik des Gehirns. Es ist so, als wenn aus einer Raupe ein Schmetterling wird. Die Schnittstelle zwischen Physik des Baumes und Gehirn löscht quasi die Ontologie des Baumes aus.
    Gäbe es Geisteswelten, würden sie durch die Umwandlung durch das Gehirn in ihrer Ontologie zerstört. Alles, was an dieser Schnittstelle vorbeifliegt, tangiert uns buchstäblich nicht, alles, was Eingang findet, wird transformiert in die Physik unseres Gehirns.
    Unter diesem Gesichtspunkt kann es keine Geisteswelt in unserem Gehirn und damit in uns geben.
    Alles, was uns so erscheint, ist das Produkt unserer Fantasie, also das Produkt von Milliarden von Neuronen.

  144. @Hilsebein

    Ich glaube, so einfach ist das nicht mit dem Teilen von Wissen. Ich kann Dinge wissen, eigene Handlungen und Erlebnisse beispielsweise, die andere nicht wissen können, einfach deshalb nicht, weil sie nicht in meinen Kopf schauen können.

    Was die „Aufklärung“ betrifft, die können Sie vergessen, wenn es um religiöse Überzeugungen und Gewissheiten geht.

  145. @ Balanus

    Mit Wissen teilen meine ich, daß Sie das, was Sie wissen, lehren könnten. Ob Sie das wollen würden, spielt hier keine Rolle.

    “Was die „Aufklärung“ betrifft, die können Sie vergessen, wenn es um religiöse Überzeugungen und Gewissheiten geht.”

    Glaube ich nicht. Auch religiöse Menschen entwickeln sich weiter und haben die Aufklärung zur Kenntnis zu nehmen.

  146. Hier muß ich ergänzen, denn auch in der Theologie wird ja gelehrt. Wenn es dabei aber um die Existenz Gottes ging, mußte wieder vom Schüler geglaubt werden. Es führte nicht zum Wissen beim Schüler.

  147. @Hilsebein

    »Mit Wissen teilen meine ich, daß Sie das, was Sie wissen, lehren könnten.«

    Ok, so war das also gemeint.

    Dennoch, gelehrt werden auch religiöse Gewissheiten, was von ‚Wissen‘ ja nicht weit entfernt ist. Was dem aufgeklärten Menschen als bloßer Glaube erscheint, mag dem religiösen Menschen als Wissen erscheinen.

    Hätten Missionare stets betont, dass es sich bei ihrer Religion bloß um etwas Geglaubtes handelt, wären sie bestimmt weniger erfolgreich gewesen.

  148. @Hilsebein

    (sorry, hatte Ihren letzten Kommentar noch nicht auf dem Schirm…)

    Mir scheint, ‚Glauben‘ im religiösen Sinne ist etwas völlig anderes als etwa zu glauben, dass es heute noch regnen wird. Wer an die Existenz eines Gottes glaubt, der vertraut darauf, dass er tatsächlich existiert. Das kann zu den schrecklichsten Verhaltensweisen führen, oder auch zu wünschenswerten, je nachdem…

    Ok, soweit für heute Morgen, es gibt noch anderes zu tun.

  149. @ Balanus

    d’accord. Tatsächlich wird im theologischen Sinn Glauben mit Vertrauen übersetzt. Wer sich auf die See hinaus traut, der vertraut darauf, daß er das Ufer erreicht. Glaube, Vertrauen und Wagnis können also synonym verwendet werden. Der Gläubige spricht also: ich glaube an Gott, ich vertraue auf Gott, ich gehe das Wagnis ein, obwohl ich nicht weiß, ob ich Gewißheit erlange.

  150. …..und Fideismus („du musst selbst dann glauben, wenn dir das Gesagte unsinnig erscheint“).(Zitatende)

    Der “Fideismus” wird oft sogar mit (trotzigem Stolz) vertreten, da man ja (als Kernpunkt des “Glaubens” !) davon überzeugt ist , bei metaphysischen und ethischen Fragen nicht auf Vernunft bzw. Rationalität angewiesen zu sein.
    Wozu bräuchte man denn sonst so etwas wie DEN GLAUBEN. Man könnte dann ja gleich bei einer rationaleren (Vernunft-) Philosophie (bzw. Wissenschaft) bleiben.
    Wenn man sich aber aus individual- psychologischen Gründen beim Glauben so wohl fühlt, dass man glaubt, ohne diesen kaum leben zu können, dann nimmt man halt die Ausflucht zum “Fideismus”.

    Erkenntnistheoretische bzw. “methodische Irrationalität” ist ja gerade das, was (Im Allgemeinen bzw. theoretisch !!) DIE GLÄUBIGEN von DER WISSENSCHAFT
    unterscheidet. (Ich weiß, ist der Kürze wegen etwas pauschal formuliert).

  151. little Louis
    mit Fideismus kommst du zum Kern des Problems von Vernunft versus Glauben.
    Wenn man dogmatisch bleibt, dann ist die Trennung von Vernunft und Glauben sprachlich notwendig, um eine klare Stellung beziehen zu können.
    Wer pragmatisch vorgeht, für den gibt es keine Trennung zwischen Glauben und Vernunft mit dem Credo “es ist vernünftig zu glauben”.
    Beide Denkweisen sind redlich.

  152. Dass für Metzinger einen Glauben zu vertreten, oft nicht mit Redlichkeit vereinbar ist, scheint naheliegend.

    Z.B. glauben viele im religiösen Bereich tätige Menschen nicht an eine „Weiterexistenz“ der Seele nach dem Tod. Das ist natürlich mitunter mit schweren kognitiven Dissonanzen bei den Betroffenen verbunden, die sich wie Betrüger fühlen. (Entweder sie „betrügen“ ihren „Arbeitgeber“, oder ihre „Kunden“.)

    Ist ja eigentlich auch kaum zu glauben, außer man hat einen Background z.B. als Elektroniker/Informatiker. Hier ist die grundsätzliche Translokalität, Speicher- und Prozessfähigkeit von Information völlig selbstverständlich im Job.

    Das hat ein Bekannter, nachdem er sein Informatikstudium „geschmissen“ hat, auf originelle Art so erklärt: Die Informatiker sind ja noch verrückter als die Pfaffen, viel Pfaffen glauben selber nicht was sie verkünden müssen, aber die Informatiker sind davon überzeugt dass Information „übrig bleiben kann“, wenn man die Hardware verschrottet….

  153. @Stegemann 28.10. 10:28

    „Stellen Sie sich vor, Sie sehen einen Baum. Was passiert dabei? Sie wandeln die Physik des Baumes in eine neuronale Struktur um.“

    Das ist interessant. Geisteswelten im Sinne von inneren Erlebniswelten sind immer an neuronaler Struktur orientiert.

    „Die Schnittstelle zwischen Physik des Baumes und Gehirn löscht quasi die Ontologie des Baumes aus.“

    Die Transformation ist aber doch gerade eine Abbildung eben dieses Baumes. Sozusagen in menschlichen Gehirncode.

    „Gäbe es Geisteswelten, würden sie durch die Umwandlung durch das Gehirn in ihrer Ontologie zerstört.“

    Ich sehe doch gerade diese abbildenden Geisteswelten als geistige Existenz. Existieren tut die immer, selbst wenn der Standpunkt des reinen Naturalismus wahr wäre.

    Wenn wir Kontakte von Mensch zu Mensch haben, dann leben die von der Ähnlichkeit der Art, wie der Einzelne in sich den jeweils anderen und dessen innere Erlebniswelt nachvollziehen und verstehen kann. Und wir haben eben auch Gemeinsamkeiten mit anderen Tierarten, und können entsprechend uns gegenseitig wahrnehmen und einschätzen. Ob jetzt Bäume eine eigene Geistigkeit besitzen, ist sicher derzeit nicht belegt. Aber ich meine, dass wenn ich einen Baum aufmerksam betrachte, dass ich schon irgendwie spüre, dass da ein gewisses Gegenüber existiert. Hinter meinen Abbildungen in Gehirncode.

    Ich interpretiere ja auch meine eigene Welt in Gehirncode immer so, dass ich nach Möglichkeit die Realität dahinter einschätzen kann. Das ist schlichtweg überlebenswichtig. Ich muss unterscheiden zwischen flüchtigen unwichtigen Eindrücken und tatsächlichen Fakten, insbesondere wenn es um soziale Fakten geht.

    Das ist alles in Gehirncode verfasst, aber es geht dabei um Erkenntnisse, die versuchen, die tatsächliche Realität soweit wie eben möglich wirklich einzuschätzen. Die Grundlage dafür ist, diese zunächst intern abzubilden.

    Teil des Ganzen wird man hierbei nebenbei ganz automatisch. Im Zuge der Einschätzung der Wirklichkeit wird man denn auch zum gründlichen Beobachter, der sich ein komplettes Weltbild zusammenbaut. Was einen Teil der eigenen Lebensqualität selbst ausmacht, über den Überlebensvorteil hinaus.

    „Unter diesem Gesichtspunkt kann es keine Geisteswelt in unserem Gehirn und damit in uns geben.“

    Nachvollziehen kann ich, dass unsere Innenwelten in Gehirncode geschrieben sein müssten. Aber innerlich existieren tun wir doch definitiv, als Subjekte eigener Verfassung und eigener Qualität. Das ist doch eine Grunderfahrung, auch wenn keiner weiß, wie das wirklich im Detail funktioniert. Es wäre entsprechend gerade ganz spannend, wenn man herausfinden könnte, wie es wirklich funktioniert.

  154. @Holzherr 27.10. 23:41

    „Es sind individuelle Erfahrungen und Erkenntnisse, die spirituell Reisende kennenlernen und auch die intellektuelle Ehrlichkeit ist ein individuelles Phänomen und schon von daher geht intellektuelle Redlichkeit besser mit Spiritualität einher als mit einer organisierten Religion.“

    Genau. So wie die Religionswissenschaft die verschiedenen Religionen untersucht und vergleicht, lohnt es sich ebenso, zu untersuchen, welche konkreten individuellen Erfahrungen gemacht werden, und welche Konzepte sich die einzelnen Menschen daraus ableiten.

    Das Ergebnis wäre dann ein weites Feld. Und ein gewisser Pluralismus des Realen. Aber auch das Potential, Gemeinsamkeiten abzuleiten. Insbesondere kann hier vielleicht sogar quasi-wissenschaftlich erkannt werden, was immer wieder persönlich erlebt wird. Das kann dann ja auch zur interpersonalen Evidenz werden, wenn der Effekt robust genug auftritt.

    Die Psychologie hat in diesem Sinne noch genug zu tun, scheint mir.

  155. Tobias Jeckenburger,
    es geht noch grundsätzlicher. Wir Menschen sehen die Welt mit der “elektromagnetischen Brille”. Nur das, was mit Elektromagnetismus eine Resonanz eingeht, das können wir sehen.
    Könnten wir Gravitationswellen sehen, würde die Welt eine anderer Gestalt annehmen, vorallem würden wir auch anders denken.
    Und es ist auch denkbar, dass man ganz ohne Elektromagnetismus denken kann, denn die Gesetze der Logik sind nicht an Materie gebunden.

  156. @ little Louis, fauv,….

    Ich meine, Philosophie ist eine Art von „Hirngymnastik“, es ist letztlich egal was bei der „Nachdenkerei“ herauskommt.

    Die Wissenschaft kämpft mit den dauernd erforderlichen „Updates“.

    Der Glaube (Ideologie) dient hauptsächlich zu einer vernünftigen „Prozesssteuerung und „Koordinierung“ von Menschen die eine bestimmte „Mentalität“ haben, in bestimmten Verhältnissen (z.B. Klima) leben. 100 % Wahrheit gibt es praktisch nicht.

    Die Menschen wollen vernünftige und plausible Antworten auf ihre Fragen und brauchen zweckmäßige Regeln um möglichst zu überleben und sinnvoll zusammenleben zu können. Widersprüche und unterschiedliche Meinungen können nie ausgeschlossen werden.

    Daher ist mitunter ein sehr konsequenter „Fideismus“ oft zwingend notwendig.

    Die Moslems in Saudi Arabien brauchen eine besondere „Wasserökonomie“. Kleine Verfehlungen gegen die optimierten Glaubensregeln könnten vielen Menschen das Leben kosten, z.B. verdursten wenn einer auf ein „Vollbad“ bestehen würde, oder Seuchen könnten auftreten, wenn die „Hygieneregeln“ nicht eingehalten werden. „Knöllchen“ zur Ahndung würden nicht reichen…

  157. @Jeckenburger:

    “Nachvollziehen kann ich, dass unsere Innenwelten in Gehirncode geschrieben sein müssten. Aber innerlich existieren tun wir doch definitiv, als Subjekte eigener Verfassung und eigener Qualität. Das ist doch eine Grunderfahrung, auch wenn keiner weiß, wie das wirklich im Detail funktioniert. Es wäre entsprechend gerade ganz spannend, wenn man herausfinden könnte, wie es wirklich funktioniert.”

    Ich denke, wir machen immer wieder denselben Fehler, indem wir sagen, es gibt einen Gehirncode und daneben gibt es mich. Gehirncode und ich sind dasselbe. Ich bin quasi Subjekt meines Gehirncodes. Und da dieser Code als neuronale Struktur biologisch ist (und nicht sonstwas), kann es in uns (in unserem Gehirn) auch nichts geben, was nicht biologisch (physikalisch) transformiert wurde.

    @fauv:

    “Und es ist auch denkbar, dass man ganz ohne Elektromagnetismus denken kann, denn die Gesetze der Logik sind nicht an Materie gebunden.”

    Das geht nicht, denn Denken ist eben dieser biologische Vorgang und ohne diese Biologie gäbe es auch keine Logik. Logik ist ja etwas von uns konstruiertes. Zwei plus fünf ist nur deshalb sieben, weil wir ein Dezimalsystem verwenden und das verwenden wir, weil wir zehn Finger haben.

  158. @Jeckenburger
    Ihre Argumentation dreht sich im Kreis. Es gibt neuronale Strukturen und es gibt neuronale Prozesse. Der “Geist” ist doch nur ein anderer Begriff dafür, indem er dem sinnlich wahrnehmbaren Phänomen einen Namen gibt. Gäbe es den Geist, dann müsste er sich genau so äußern wie die neuronalen Prozesse auf den neuronalen Strukturen.

    Es gibt physikalische Objekte und es gibt physikalische Kräfte. Die Kräfte bewirken oftmals, oder fast immer, eine physikalische Bewegung. Was ist Bewegung genau? Es ist weder ein Objekt noch ein Prozess, sondern ein eigenes Phänomen, das aber unseren Sinnen nicht direkt zugänglich ist. Wir schlussfolgern auf Bewegung, wenn Gegenstände sich relativ zueinander nähern oder entfernen, auf Grund unserer sinnlichen Beobachtung. Bewegung an sich gibt es nicht!

  159. @fauv
    …denn die Gesetze der Logik sind nicht an Materie gebunden.

    Das ist ein großer Irrtum. Die Materie selber hält sich an die Logik, der Mensch hat sie von ihr abgeschaut. Kein Gegenstand entsteht spontan aus dem Nichts oder verschwindet im Nichts. Die Zahlen sind Mittel zur Beschreibung von Materie. Der Mensch ist imstande, Gleiches zu erkennen und Ungleiches zu unterscheiden. Der Mensch hat aus den (Natur)Gesetzen der Materie gelernt.

    Die Gesetze der Logik sind Information, insofern immateriell. Aber die Information wiederum ist an Materie und Energie gebunden, zur Darstellung, Speicherung und Übertragung. Nur die Verarbeitung von Information braucht weder Materie noch Energie, denn sie ist rein sprachlich, als Übersetzung in andere Darstellungen bzw. Symbole. 1+1=2 sind zwei verschiedene Darstellungen derselben Information, ausgedrückt durch das “=” Zeichen.

  160. Anton Reutlinger,
    Was wäre die Materie ohne die Information? Das ganze Universum wäre nur ein Haufen von Protonen ohne Raum dazwischen. Woher soll denn das Proton wissen, dass es Abstand zum nächsten Proton zu halten hat ? (mal bildhaft gesprochen)
    ” Nur die Verarbeitung von Information braucht weder Materie noch Energie, Na, na, die Entropie ist doch der Beweis, dass die Ordnung der Materie die Entropie verringert. Die Entropie nimmt in jeder Sekunde zu, bis sie so groß geworden ist, dass ein Proton das nächste Proton nicht mehr bemerkt, weil der Abstand zu groß geworden ist.
    Dichterisch gesprochen ist das der Kältetot des Universums. Unendlich groß , sehr kalt, die Energiedichte fast Null.
    Und das Ganze lässt sich mit ein paar Symbolen darstellen.
    Ein glanzvoller Beweis von Geist über die Materie.

  161. Martin Holzherr
    28.10.2022, 03:13 Uhr

    Ja, wenn ich es mal platt formuliere:

    Mit Intellekt können wir unsere Umgebung analysieren und unsere Überlebenswahrscheinlichkeit erhöhen, mit Redlichkeit bescheißen wir die Mitglieder unserer Gemeinschaft nicht zugunsten individueller, kurzfristiger Vorteile, weil wir ( früher! ) dringend auf das Wohlwollen der Mitglieder unserer Gemeinschaft angewiesen waren.
    Und der Glaube, die Basis für eine institutionalisierte Religion?
    Aus meiner Sicht ist das ein Arbeitsunfall der Evolution, ein Kollateralschaden bei der Menschwerdung ( kein Affe predigt einem anderen Affen, segnet oder begräbt ihn ), eine Folge dessen, dass wir uns mit der Vorstellung von “morgen”, “übermorgen”, “nächste Woche” der Volatilität des Lebens an sich und unserer individuellen Gefährdung bewusst wurden – und durch strenge Wiederholung dessen, was gestern zum Erfolg führte, auch für morgen den Erfolg sichern wollen.

    Das war der Grund meiner Frage nach den Definitionen, wenn ich “Klima” sage, muss ich doch vorher klären, ob ich die langfristige Wettererscheinung meine, Temperatur und Luftfeuchte im Raum oder das “Betriebsklima”.

  162. @fauv
    Woher soll denn das Proton wissen, dass es Abstand zum nächsten Proton zu halten hat

    Das Proton weiß es nicht, es “spürt” die abstoßende Kraft des Nachbarprotons. Nur wenn es genug kinetische Energie hat, kann es diese Kraft überwinden. Die Materie braucht keine Information, sie funktioniert nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten. Bis auf die Gravitation wirken die physikalischen Kräfte sowohl anziehend als auch abstoßend. Daher können sich Kräftegleichgewichte bilden, die einen statischen Zustand oder kreisförmige Bewegung bzw. Schwingungen herstellen können. Genau darauf beruht auch das Leben.

    Zur intellektuellen Redlichkeit gehört auch, dass die Forscher noch lange nicht alles wissen, auch nicht über den Anfang und das Ende des Universums. Aber die Forschung wird nie zu Ende sein. Trotzdem gibt es Rätsel und Fragen, die der Mensch prinzipiell nie beantworten kann, weil er selber Teil des Universums und der Materie ist.

  163. Anton Reutlinger,
    Sie merken es selbst, wenn man etwas verstanden hat und es einem Gesprächspartner vermitteln will, dann kommt die Sprache ins Spiel, genauer, die Begrenzheit von Sprache. Sie sprechen von Gesetzmäßigkeiten. Das ist so ein ungenauer Begriff, den man der Materie zuordnen kann, als Ergebnis von Kraftvektoren . Gibt es jetzt dieses Vektorfeld oder ist das nur eine mathematische Darstellung mit der sich die Kraftwirkung erklären lässt.
    Und wenn man es auf die Spitze treibt und den Raum sich selbst verändern lässt, andert sich der Raum tatsächlich oder ist das nur ein mathematischer Kunstkniff um die Veränderungen in den bewegungen zu erklärern. Ich denke jetzt an die Periheldrehung des Merkur.
    Und jetzt als Sahnehäubchen, die Relativitätstheorie , ist sie nur eine mathematisch/physikalische Theorie , also geistigen Ursprungs, oder sind Raum und Zeit tatsächlich relativ zueinander, also materieller Natur.

  164. @fauv:
    Verwechseln Sie nicht die Realität mit dem, was wir über die Realität wissen. Natürlich sind Wissenschaft und Philosphie Produkte unseres Verstandes. Wir leben nicht in einem mathematischen Universum, wir mathematisieren es nur.

  165. @fauv
    Selbstverständlich ist die Relativitätstheorie als mathematisch/physikalische Theorie ein Produkt des menschlichen Geistes. Aber parallel dazu sind Raum und Zeit relativ zueinander, weil die Lichtgeschwindigkeit als Grundlage jeder Beobachtung endlich und konstant ist. Raum und Zeit sind Erfindungen des Menschen, also ebenfalls Produkte des Geistes. In der Natur gibt es sie nicht. Zur Messung der Zeit braucht man eine Maschine (Uhr), die ein Zeitmaß herstellt. Dann erst kann man die Zeit messen. Für die Messung des Raumes braucht man einen Maßstab, dessen Maß wiederum vom Menschen festgelegt wurde.

    Jede Theorie muss sich an Beobachtungen bestätigen lassen und bewähren. Im Computer wird eine Theorie zum Algorithmus, der bei entsprechenden Eingabedaten dieselben Resultate liefern muss wie das wissenschaftliche Instrument zur Beobachtung.

  166. @ anton reutlinger
    @fauv

    Was wäre, wenn man davon ausgeht, dass „Gesetzmäßigkeiten“ auch wenn sie (noch) nicht „gespeichert“ sind, das „Mindeste“ ist, was schon Information ist?

    Jedenfalls würde derartige Information „übrig“ bleiben, (zumindest als „Spuren“) auch wenn der letzte Mensch gestorben wäre.

    Ein Proton braucht nichts zu „wissen“, es ist Information wie groß auch immer der „Abstand“ zum nächsten Proton ist.

    Die „eigenen Gesetzmäßigkeiten“ sind eben Information.

    Die Forschung wird nie zu Ende sein. Allerdings finde ich es nicht begründet, dass der Mensch nur deswegen Fragen prinzipiell nie beantworten kann, weil er selber Teil des Universums und der Materie ist. Er konnte z.B. mit trickreichen Überlegungen die „Weltscheibentheorie“ widerlegen, was eigentlich außerhalb seines Horizonts war.

    Die Begrenztheit von Sprache begrenzt vermutlich auch das Wissen. Diese Begrenztheit kann jedenfalls erweitert werden…..

    Von mathematischer Darstellung spricht man im Zusammenhang von mathematischen „Abbildungen“ einer „Realität“. Die „Abbildungsseite“, als auch die „Realitätsseite“ können vermutlich rein „informell“ („Materie frei“ z.B. „Zahlen“) sein.

  167. @Elektroniker
    Allerdings finde ich es nicht begründet, dass der Mensch nur deswegen Fragen prinzipiell nie beantworten kann, weil er selber Teil des Universums und der Materie ist.

    Information bedeutet Differenz. Wir können nur dann etwas erkennen, wenn es dazu Alternativen gibt, z.B. die verschiedenen Farben. Eine weiße Figur vor einem weißen Hintergrund ist nicht erkennbar. Der Mensch besteht aus denselben Elementarbausteinen wie das Universum. Es gibt Differenzen innerhalb der Materie, das sind die verschiedenen Elementarteilchen. Das ist die Sache der Physik. Aber es gibt keine Materie aus alternativen Elementarteilchen, also eine Materie B als Differenz zu Materie A. Würde der Mensch aus Materie B bestehen, dann könnte er Aussagen zu Materie A machen, als Differenz und Information.

    Um Materie A zu erkennen, müsste Materie B allerdings eine Schnittstelle zu Materie A haben, also eine Möglichkeit zur Interaktion bzw. Beobachtung, z.B. elektromagnetische Strahlung. Dann aber wären Materie A und B wahrscheinlich doch wieder identisch!

  168. Anton Reutlinger,
    die Reduktion auf Atome ist zum Verständnis der Realität doch nicht so geeignet, merke ich gerade. Es kommt auf die Zusammensetzung an, also auf einen Plan.

    Und wenn man bedenkt, wieviele falsche Möglichkeiten es gibt Moleküle zusammenzusetzen, dann übersteigt diese Zahl vielfach die Anzahl aller Atome des Universums.

    Jetzt mit dem Prinzip Zufall , Versuch und Irrtum zu kommen, also dem Prinzip der Evolution, das ist schon eine gewagte Annahme. Ich denke eher, dass das Universum kein Zufall ist, das ist intelektuell redlicher, als die gegenwärtige Ansicht der Naturwissenschaftler.

  169. @fauv:
    das ist wirklich sehr naiv. Das, was heute das Universum ausmacht, ist Produkt des Zufalls. Gäbe es diesen Zufall nicht, gäbe es auch uns nicht. So einfach ist das. Zu glauben, dass dieser Zustand gewollt ist, nur weil es uns gibt, ist kindliches Denken.

  170. @Stegemann 28.10. 10:28

    „Und da dieser Code als neuronale Struktur biologisch ist (und nicht sonstwas), kann es in uns (in unserem Gehirn) auch nichts geben, was nicht biologisch (physikalisch) transformiert wurde.“

    Naja, ich vermute denn doch noch etwa mehr. Der Inhalt ist im wesentlichen biologischer Gehirncode, aber es kommt wohl noch der eigentliche Geistesraum dazu, in diesen dieser Inhalt abgebildet wird. Dieser muss vielleicht existieren, weil Nervenzellenimpulse grundsätzlich keinen offenen Raum bilden können. Und unsere innere Welt bildet eben einen Raum, in dem eben erlebt wird.

    Im Prinzip ist das ein Panpsychismus, auch aus der Not geboren, weil eben irgendwie undenkbar ist, wie eben dieser Innenraum entstehen kann.

    Deshalb bin ich auch sehr neugierig auf die Hirnforschung, vielleicht täusche ich mich ja, und die Nervenzellen bekommen es doch alleine hin.

    @Reutlinger 28.10. 14:28

    „Gäbe es den Geist, dann müsste er sich genau so äußern wie die neuronalen Prozesse auf den neuronalen Strukturen.“

    Wie gesagt, Geist bietet den Raum, die neuronalen Prozesse füllen ihn mit Inhalt. Das eine kommt ohne das andere nicht aus. Und beides kommt zusammen vor, genau deswegen wird es auch gemeinsam erlebt, und kann als Einheit wahrgenommen werden.

    @Stegemann 28.10. 18:30

    „Wir leben nicht in einem mathematischen Universum, wir mathematisieren es nur.“

    Dafür muss das Universum aber wenigstens mathematisierbar sein. Dass es das ist, ist erstaunlich, finde ich. Wenn auch eben nicht unbedingt vollständig. Wir können über Effekte, die noch nicht mathematisch beschrieben worden sind, nicht so gut wissen, ob sie überhaupt entsprechend beschreibbar sind. Also etwa dunkle Materie und dunkle Energie, oder auch unser eigenes Bewusstsein.

    @fauv 28.10. 20:39

    „Ich denke eher, dass das Universum kein Zufall ist, das ist intelektuell redlicher, als die gegenwärtige Ansicht der Naturwissenschaftler.“

    Zustimmung meinerseits. Wenn wir Geisteswelten im Leben haben, dann können die auch im ganzen Universum eine Rolle spielen. Und ein Universum formen, in dem alles wunderbar zusammenpasst. Inclusive des mathematisierbaren Anteils in Form von Naturgesetzen.

    Es sollen ja sogar die Werte für alle möglichen Naturkonstanten in sehr engen Grenzen genau die Werte haben, die Materie, Sterne, Planeten, Chemie und Lebewesen formen können. Wären diese Naturkonstanten rein zufällig gewählt, müsste es Milliarden von Universumsversuchen geben, bis ein Universum wie unseres entsteht, in dem eben alles wunderbar zusammenpasst. Nicht ausgeschlossen ein solches Multiversum, dass alle Kombinationen durchprobiert, aber sparsam wäre das jetzt wirklich nicht.

  171. @ Wolfgang Stegemann 28.10.2022, 22:36 Uhr

    Im Zusammenhang mit der Evolution ist „Zufall“ nicht einfach „Zufall“ im umgangssprachlichen Sinn.

    Es steht offensichtlich ein komplexes System aus „Zufallsgeneratoren“ auf DNA Basis, das systematisch Folgen von evolutionär erfolgreichen Zufallsvariablen generiert, dahinter. Erfolgreiche Zufallsvariable bleiben wesentlich erhalten, neue das System allenfalls optimierende Variable kommen dazu.

    Aus Sicht der Elektronik entsprechen die DNA Ketten und Funktionsmechanismen ungefähr elektronischen Zählerketten die für technische Zufallsgeneratoren, die für mathematische Anwendungen gebaut wurden.

    Das „Darwinsche Prinzip“ sorgt für die Selektion der erfolgreichen Variablen die existent bleiben, erfolglose Variable „verschwinden“ wieder.

    Derartige Mechanismen gehören zur systematischen „Schöpfung“, wie man eine „Entstehung aus dem Nichts“ nun einmal bezeichnet.

    Diese Aussage geht mehr ins Detail, als der Begriff “Selbstorganisation”.

    „fauv“ verwendet den Begriff „gewollt“ übrigens nicht.

  172. @Tobias Jeckenburger (Zitat):“Wären diese Naturkonstanten rein zufällig gewählt, müsste es Milliarden von Universumsversuchen geben, bis ein Universum wie unseres entsteht, in dem eben alles wunderbar zusammenpasst. Nicht ausgeschlossen ein solches Multiversum, dass alle Kombinationen durchprobiert, aber sparsam wäre das jetzt wirklich nicht.
    Nur ist die von uns erlebte Natur auch nicht sparsam. Um etwa einen Tobias Jeckenburger zu erzeugen braucht es unendlich viele Zufälle in Form von Reproduktionen/Geburten vom ersten Einzeller bis hin zum Menschen. So betrachtet, besteht überhaupt keine Notwendigkeit für einen Tobias Jeckenburger und seine Existenz ist in etwa so vorausberechenbar wie der nächste Aufschlag eines grösseren Meteoriten in München. Man kann sich genau so fragen: Warum gab es all diese unzähligen Organismen vom Einzeller über die Dinosaurier bis zu den Menschen, wenn es doch nur darum geht einem Tobias Jeckenburger die Existenz zu geben.

  173. @Jeckenburger:
    Für Geisteswelten spricht rein gar nichts. Übrigens, nehmen Sie einen Gleichrichter, meinen Sie dass der zwar Wechel- in Gleichstrom umgewandelt wird, aber am Ende doch ein bisschen Wechselstrom durchkommt?

    Die Evolution von hinten aufzuziehen, ist naiv. Hätte unser Universum nur wenige andere Parameter gehabt, hätte es sich anders entwickelt (oder gar nicht) und es gäbe uns Menschen nicht, sondern nichts oder irgendetwas anderes, was man vielleicht auch Leben nennen könnte. Dieses Leben würde dann auch sagen, ‘das kann doch kein Zufall sein, dass es uns gibt. Das Universum ist so fein abgestimmt, sonst gäbe es uns nicht.’
    Merken Sie was?

    Ich habe an anderer Stelle folgendes geschrieben:
    Determinismus ist relativ und abhängig von der Perspektive des Beobachters. Nehmen wir das Raum-Zeit Fenster des Universums, das deterministische Ereignis ist dort der Urknall. Dieses Ereignis zeitigt eine einzige Trajektorie und wir können – nach unserer heutigen Erkenntnis – sagen, dass dieses Ereignis eines Tages zum entropischen Wärmetod des Universums führt (ob dies so ist oder nicht, spielt hier keine Rolle). Nehmen wir ein kleineres Raum-Zeit-Fenster, z.B. das einer Stunde an einem bestimmten Ort, dann wirken dort sehr viele deterministische Ereignisse, es existieren also viele Trajektorien. Aus einer makroskopischen Sicht wirken alle dortigen Ereignisse und Trajektorien probabilistisch. Engt man das Raum-Zeit Fenster auf die Ebene von Quanten ein, ist der Indeterminismus – aus makroskopischer Sicht – unendlich groß. Ereignisse und Trajektorien überlagern sich zu Feldern, die nicht mehr als Punkte oder Linien unterscheidbar sind.

    Aus der Sicht eines Photons stellt sich derselbe Sachverhalt völlig anders dar, dort ist jedes Ereignis ein deterministisches, das raumzeitlich exakt bestimmt werden kann – aber nur aus der Sicht eines Photons.
    Aus dieser Relativität ergibt sich auch die Vorhersagekraft. Je mehr Ereignisse und Trajektorien sich in einem Phasenraum befinden, desto indeterministischer ist das Szenario und die Vorhersagekraft gering. Unser Universum ist beispielsweise dann indeterministisch, wenn man es aus der Perspektive der Existenz unendlich vieler Universen betrachtet, die sich durch einzelne Parameter unterscheiden. Die Vorhersagekraft für die Zukunft jedes einzelnen dieser Universen ist dann sehr gering.
    Die Vorhersagekraft ist maximal, wenn wir uns auf das Raum-Zeit Fenster eines einzigen Ereignisses begeben, etwa das des Urknalls mit seiner kausalen Folge der Entwicklung des Universums.

    Man könnte also sagen, dass es unendlich viele Ereignisse und damit Trajektorien gibt, deren Zahl mit der Vergrößerung des Raum-Zeit Fensters proportional abnimmt. Hat man die maximale Skala eines Phasenraums erreicht, gibt es nur noch ein einziges deterministisches Ereignis, dessen Vorhersagekraft maximal ist.
    So gesehen ist der Indeterminismus auf Quantenebene nichts weiter als ein Beobachtungseffekt aus der Makroperspektive.

    Vor diesem Hintergrund ist die Vorstellung einer absoluten Wahrheit, einer Welt an sich, ausgeschlossen. Die Vorstellung, wir könnten eines Tages alle Gemeimnisse entschlüsseln, eine Illusion.

  174. Wolfgang Stegemann
    “Zu glauben, dass dieser Zustand gewollt ist, nur weil es uns gibt, ist kindliches Denken.”
    Man kann diesen Gedanken noch mehr verdichten, wenn es keine Lebewesen gäbe, die dieses Universum erleiden müssen, dann gäbe es das Universum(so wie wir es erkennen und verstehen) nicht.

    Aus wissenschaftlicher Sicht können Sie keine Aussage mehr über das Universum machen. (Es gibt Sie dann nicht)

  175. @fauv
    Wir bilden uns das Universum nur ein, meinen Sie. Von mir aus.

  176. Wolfgang Stegemann,
    das sollte keine Steinzeitphilosophie werden.
    Ich wollte nur die Grenze naturwissenschaftlichen Denkens klar legen.
    Ihr Verständnis von Evolution enthält einen spekulativen Anteil, einen Glaubensakt,.
    Der besagt, alles ist aus Materie allein erklärbar. Was macht sie so sicher, dass es außerhalb der physikalischen Welt keine geistige Welt gibt, die Welt der Gedanken.

  177. @fauv:
    Was ist denn spekulativer, Geist oder Materie. Geist ist nichts weiter als ein begriffliches Konstrukt, von dem man nicht weiß, was es denn eigentlich sein soll. Wenn ich einen Stein in die Hand nehme, weiß ich, was Materie ist (bitte jetzt keine Diskussion darüber, was Materie ist → Materie=Energie etc.).
    Wir projezieren die Tatsache, dass wir denklen und empfinden, in den Kosmos. So, wie wir alles, was uns betrifft, irgendwohin projezieren.
    Gott ist eine Erfindung des Menschen (nicht umgekehrt).
    Man kann natürlich auch die Realität bzw. reale Erfahrungen umkehren, jeder so, wie er möchte.

  178. @Stegemann 29.10. 08:38

    „Übrigens, nehmen Sie einen Gleichrichter, meinen Sie dass der zwar Wechel- in Gleichstrom umgewandelt wird, aber am Ende doch ein bisschen Wechselstrom durchkommt?“

    Ungünstiges Beispiel. Bei einem einfachem Dioden-Brückengleichrichter kommt tatsächlich nur ein gepulster Gleichstrom bei raus. Will man eine ganz gleichmäßige Gleichspannung haben, braucht es etwas mehr Aufwand.

    „Hätte unser Universum nur wenige andere Parameter gehabt, hätte es sich anders entwickelt (oder gar nicht) und es gäbe uns Menschen nicht, sondern nichts oder irgendetwas anderes, was man vielleicht auch Leben nennen könnte.“

    Das Faktum ist hier glaube ich die unglaublich hohe Anzahl an Universen, die nichts Interessantes hervorbringen können, wenn einfach alle Kombinationen der Werte für die Naturkonstanten in unzähligen Paralelluniversen durchprobiert würden. Die hohe Zahl der anzunehmenden unbrauchbaren Universen ist es, die eine gezielte Konstruktion nahe legt.

    @Holzherr 29.10. 02:04

    „Warum gab es all diese unzähligen Organismen vom Einzeller über die Dinosaurier bis zu den Menschen, wenn es doch nur darum geht einem Tobias Jeckenburger die Existenz zu geben.“

    Erstens geht es eben nicht einfacher, und zweitens geht es um das ganze Leben, hier ist der Weg offenbar auch das Ziel. Die Einzeller z.B. braucht es einfach für die ganze Veranstaltung. Paralleluniversen zu postulieren, um eine Zufälligkeit der so günstigen Werte der zahlreichen Naturkonstanten zu erklären, die lässt sich eben einfach mit der Idee aus der Welt schaffen, dass unser Universum gezielt so konfiguriert ist, dass am Ende Leben in ihm existieren kann.

    Man verliert so auch überhaupt nichts, man könnte diese Paralleluniversen voraussichtlich sowieso nie beobachten. Also kann man sie auch einfach vergessen. Und sich lieber in diesem wunderbaren Universum wohlfühlen und seine Qualität anerkennen.

  179. Wolfgang Stegemann,
    Ihre Denkweise ist korrekt, bis zu dem Fall , wo Menschen zu Gott beten und von ihm eine Antwort bekommen.
    Sie halten wohl Religion für ein Massenphänomen. Ist es auch , teilweise. Die ersten Christen haben sich für ihren Glauben geopfert. Heute nennt man sie Heilige.

  180. @ Stegemann

    Das erstaunliche ist doch, dass wir Einsteins Äquivalenzprinzip nicht auf uns selber anzuwenden scheinen.
    Äquivalenz + Information + Lebensfunke,mehr ist da nicht. Aber das reicht für Faszination.
    Und es wird so staunbarer,wenn man Energie = fundamentale Grundkräfte = Wechselwirkung sieht und dann feststellt, es ist mit der Bildung von Antonymen und deren Beziehung zueinander komplementär.
    Wie stehen Dialektik,Diskurs,Dialog und Didaktik in Beziehung?

  181. @Jeckenburger:

    “Das Faktum ist hier glaube ich die unglaublich hohe Anzahl an Universen, die nichts Interessantes hervorbringen können, wenn einfach alle Kombinationen der Werte für die Naturkonstanten in unzähligen Paralelluniversen durchprobiert würden. Die hohe Zahl der anzunehmenden unbrauchbaren Universen ist es, die eine gezielte Konstruktion nahe legt.”

    Das hat doch mit Logik nun wirklich nichts mehr zu tun. Wie kommen Sie bloß darauf, dass alle anderen Universen nichts sinnvolles hervorgebracht haben/ hätten???
    Ihr Antropozentrismus steht Ihnen im Weg.

  182. @fauv:

    “Ihre Denkweise ist korrekt, bis zu dem Fall , wo Menschen zu Gott beten und von ihm eine Antwort bekommen.”

    Sie wissen aber schon, dass in der Psychiatrie genügend Leute sitzen, die meinen alles mögliche gehört und gesehen zu haben.

  183. Wolfgang Stegemann
    Sie wissen aber schon dass die Zahl der Depressionen zunimmt
    und dass die Katholiken die niedrigste Zahl von Selbstmorden verzeichnen.

  184. Wolfgang Stegemann,
    Naturwissenschaft kann keine Aussagen über Geisteswissenschaft machen.
    Das gehört zur Redlicheit.

    Gott kann man nicht beweisen. Und warum sollte man das auch. An etwas zu glauben, dass sich beweisen lässt, das ist schon begrifflich nicht mehr möglich.

  185. @ fauv

    oh man…Naturwissenschaft in Sprache ausgedrückt ist Geisteswissenschaft…

  186. Die Ironie der Wissenschaft ist, dass die Geisteswissenschaft(en) immer materieller wird und die Naturwissenschaft zunehmend immaterieller (Stringtheorie). Die Geschichte mit den passenden Naturkonstanten (anthropisches Prinzip) ist reine Spekulation ohne Indizien.

    Manche Leute unterliegen der “Schlussfolgerung auf die bequemste Erklärung”, in der Logik als Abduktion bezeichnet. Für ein Phänomen nimmt man die scheinbar naheliegendste Erklärung, ohne andere mögliche Erklärungen zu berücksichtigen und zu prüfen. Oftmals wird die Regierung beschuldigt, oder das Judentum, oder die Wirtschaft, die Pharmaindustrie, usw. Dabei spielen auch die eigenen Interessen und vorgefertigte Weltbilder eine Rolle.

  187. Mussi,
    guter Hinweis,
    Mathematik ist eine Grenzwissenschaft , wenn man sie anwendet gehört sie zur Technik. Wenn man über mathematische Strukturen nachdenkt hat sie geisteswissenschaftlichen Charakter.

    Daran erkennt man, dass auch das menschliche Denken , sowohl naturwissenschaftlich/gesetzlich als auch geisteswissenschaftlich/normativ ist.

    Nachtrag für W. Stegemann
    unsere gegensätzlichen Meinungen kommen auch daher, dass wir das Wort “glauben” in unterschiedlicher Bedeutung verwenden.

    1. glauben = vermuten = noch nicht genau wissen
    2. glauben = vertrauen

  188. @ fauv

    boah…Sie könnten auch Pfaffe sein.
    Die trennen Geist und Körper immer absichtlich,weil Sie dann rekursiv/regressiv argumentieren können.
    Sie haben das Prinzip entweder nicht erkannt oder Sie fallen selbst immer wieder drauf rein.
    Sie sind einfach ein hoffnungsloser Fall.
    Momentan halte ich mich damit auf, das trennende aber auch gemeinsame zwischen Hypothese/Lüge-Behauptung zu analysieren.
    Wahrheit ist der Kern von beiden.
    Bisher komme ich zu dem Ergebnis,dass Lüge/Behauptung und Unwahrheit mit Selbstgerechtigkeit zusammenhängt.
    Sie haben deutliche Züge von lediglich auf Glaube gründende Selbstgerechtigkeit.
    Quasi der Missionar hier…obwohl Sie sich als Verteidiger verstehen.
    Blume würde Opfermythos darunter verstehen.

  189. @ fauv

    verstehen Sie? … Sie denken und argumentieren hier nicht mit, sondern sondern auch nur Ihre ‘Botschaft’ ab.

  190. @ fauv

    Die Welt hat momentan in meinen Augen ein Problem mit Eindeutigkeit und Einmaligkeit.
    Auf der Ebene der Individuen sind wir einmalig,absolut. Das ist die Makroebene.
    Auf der Mikroebene sind wir aber relativ.
    Wie passen also Makro und Mikroebene zusammen? Was wie sind wir also? Wir sind die Praxis. Theoretisch bringen wir es nicht zusammen.
    Warum warum?
    Lassen wir es dabei…beim Phasenwechsel.

  191. @fauv
    Naturwissenschaft kann keine Aussagen über Geisteswissenschaft machen.

    Die Psychologie und die historischen Wissenschaften bedienen sich zunehmend der Naturwissenschaften, mit deren Instrumenten, Methoden und Erkenntnissen. Folglich machen die Naturwissenschaften sehr wohl Aussagen über Geisteswissenschaften! Die scharfe Unterscheidung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften ist längst obsolet. Sogar die Theologie bedient sich intensiv der Naturwissenschaften, weil ihre eigene Wissenschaft höchst ungenügend und unzuverlässig ist.

  192. @ fauv

    Niemand stellt den (nichtrelgiösen) Glauben infrage.
    Würde ich nicht glauben,dass sich die Meisten an Verkehrsregeln halten,ich würde nicht aus dem Haus gehen.
    Hypothese ist begründeter Glaube.
    Aber die Abstraktion der Abstraktion des Glaubens für Realität,also Gott,somit den heiligen Geist,der von außen wirkt, zu halten,ist schon ‘queer’.
    Die Chinesen waren da,wie übrigens die Griechen, schon weiter.

  193. @fauv

    Einstein in Ehren,aber seine Grösste Eselei wahr wohl: Gott würfelt nicht!

  194. Mussi,
    sehr aufschlussreiche Ihre Analyse. sie könnten auch Psychiater werden.
    Um einmal hinten zu beginnen, ja natürlich sende ich eine Botschaft ab, deswegen blogge ich auch hier mit.
    Das Gute dabei, alle falschen Argumente werden von den übrigen Teilnehmern aufgedeckt und ihrer Überzeugungskraft beraubt. Was nicht beraubt wird, das sind meine persönlichen Erfahrungen mit mir und auch mit Gott.
    Und deswegen bete ich jeden Abend und als allererstes am nächsten Morgen suche ich einen Bibelspruch aus dem web und lade den auf meiner Internetseite http://www.kleinekirchen.de hoch
    Nachtrag, die Realität Gottes ist mit Händen greifbar, schauen Sie sich um , schauen Sie sich im Mikroskop bei 400 facher Vergrößerung die Einzeller an, die leben auch, die vermehren sich und wer weiß schon, ob so ein Einzeller Gefühle hat.
    Die Welt ist so wunderbar, dass man ihr mit “nur” Evolution Unrecht tut.

    Anton Reutlinger,
    gut, dass es aus ihrem Munde kommt, die Naturwissenschaft ist in den Bereich der Geisteswissenschaft so eingebrochen, dass sich die Wissenschaftler als die “Rechthaber ” fühlen und auch die Religion als überholt ansehen.
    Das Römische Reich ist auch an seiner eigenen kulturellen Überheblichkeit zugrunde gegangen. Man dachte wohl, wenn die Brücken und Straße so stabil sind, dann sind es die Menschen auch.

    Nein, die Menschen sind zerbrechlich, wenn sie den falschen Glauben haben.

  195. @ fauv

    herje…wie kann man nur so überheblich und selbstgerecht sein?
    Das ist das Übel,warum Gewalt wieder als Instrument der Freiheit gehalten wird.
    Irre.

  196. @fauv
    Heute früh habe ich ganz zufällig im Fernsehen einen Bericht über den “mothman” oder “Mottenmann” in USA gesehen. Ihre Behauptungen erinnern mich sehr stark an solche Phänomene.
    Der Mottenmann

  197. @ fauv

    Vielleicht bin ich Psychiater und habe immer wieder Kandidaten wie Sie auf der couch.

  198. mussi,
    vielleicht ist das ein Trost. Ich bin nach Kirchenrecht kein Christ.

    Anton Reutlinger,
    mit solchen Vergleichen können Sie nicht punkten und da stellst sich mir die Frage, wer der Schlimmere von uns beiden ist.

  199. Mussi,
    gut, dass Sie ihren Humor bewahrt haben, eine Ferndiagnose kann ganz schnell falsch werden.
    zum Auflockern, die Sache mit dem Pfaffen, vor einigen Jahren hatte ich zwei Chinesinnen kennengelernt. Die eine fragte mich, ob ich Pfarrer wäre, die andere hielt mich für einen Heiratsschwindler, der nur hinter ihrem Geld her wäre.
    Zuerst war ich baff, doch dann hatte ich die Fassung wieder gefunden.
    Mit einer von beiden hatte ich noch E-Mail Kontakt und sie schickte mir auch Fotos von ihrer Familie. War das nicht nett ?

  200. @Tobias Jeckenburger:

    Naja, ich vermute denn doch noch etwa mehr. Der Inhalt ist im wesentlichen biologischer Gehirncode, aber es kommt wohl noch der eigentliche Geistesraum dazu, in diesen dieser Inhalt abgebildet wird. Dieser muss vielleicht existieren, weil Nervenzellenimpulse grundsätzlich keinen offenen Raum bilden können. Und unsere innere Welt bildet eben einen Raum, in dem eben erlebt wird.

    Im Prinzip ist das ein Panpsychismus, auch aus der Not geboren, weil eben irgendwie undenkbar ist, wie eben dieser Innenraum entstehen kann.

    Deshalb bin ich auch sehr neugierig auf die Hirnforschung, vielleicht täusche ich mich ja, und die Nervenzellen bekommen es doch alleine hin.”

    Die Neurowissenschaften sowie andere Wissenschaften werden zur Klärung Ihrer hier aufgeworfenen Frage meiner persönlichen Ansicht nach niemals etwas beitragen können. Oder anders formuliert: sie werden Ihre Annahmen niemals widerlegen, beweisen, noch irgendetwas machen können.

    Was Sie hier diskutieren basiert auf metaphysischen Prämissen, die dann zu ontologischen Lösungsansätzen wie den von Ihnen genannten Panpsychismus führen können. Mit anderen Worten: Sie diskutieren letztendlich das alte Leib-Seele Problem. Dieses Problem entsteht erst wenn man von bestimmten metaphysischen Prämissen ausgeht bzw. diese für wahr hält. Anderenfalls käme man gar nicht auf dieses Problem.

    Die Neurowissenschaften können nur Theorien darüber aufstellen wie bestimmte physiologische Prozesse mit Bewusstsein korrespondieren. Aber es wird niemals eine Lösung für die philosophischen Probleme wie das hard problem, das mind-body problem, das qualia problem, etc. kommen. Das ist wie das Thema der hier diskutieren Religion: man kann das Thema bis ultimo weiterdiskutieren ohne dass die Wissenschaft jemals etwas beitragen kann.

    Übrigens gibt es auch Neurowissenschaftler von verschiedenen Bewusstseinstheorien die gar nicht mehr darauf zielen dieses “Problem” zu lösen.

    Tononi und Kollegen werden demnächst einen neuen Artikel zu ihrer IIT Theorie publizieren (IIT 4.0). Da die Jungs auch panpsychistisch angehaucht sind könnte das für Sie ein interessanter Tipp sein.

  201. @ 29.10.2022, 17:25 Uhr

    Zitat: „Einstein in Ehren,aber seine Grösste Eselei wahr wohl: Gott würfelt nicht!“

    Ich fürchte, da interpretieren sie Einstein nicht realistisch.

    „Würfeln“ bedeutete früher, eine absolut zufällige „dumme“ Zufallsvariable zu erzeugen. Eine große Zahl derartig generierter Variablen dürfen aus Sicht der Statistiker keine (womöglich auch noch berechenbare) „Muster“ ergeben. Derartige „Zufälle“ dürfte Einstein gemeint haben, sie waren ihm einfach zu „dumm“.

    Elektronisch realisierte Zufallsgeneratoren (aus Zählerketten) die eine sehr große Zahl an „Zufallsvariablen“ generieren können, neigen dazu, bestimmte „Muster“ zu generieren, die die Statistiker, die auf den „puren, dummen Zufall“ aus sind, nicht befriedigen konnten.

    Diese „Zufälle“ scheinen „zufällig“, sind es aber nicht wirklich. Sie enthalten bestimmte („intelligente“) Muster die die Evolution höchst erfolgreich „genutzt“ haben dürfte (zusätzlich mit „echten“ Mutationen).

    Einstein dürfte auf eine derartige „Intelligenz“ gesetzt haben, der „dumme Zufall“ war ihm einfach zu „blöd“.

  202. Einstein hat ja selbst über brownian motion geschrieben.

    Man kann am Computer einem random walk simulieren der dann eine time-series erstellt die brown noise nahekommt, also langzeit Korrelationen im Signal besitzt und nicht normalverteilt ist, obwohl das Signal “zufällig” erstellt wurde, was erst einmal paradox wirken kann.

  203. Martin Holzherr
    25.10.2022, 22:57 Uhr
    Zitat:
    Wenn es aber um die Alternative geht in Gott oder in Giorgia Meloni (die neue italienische Regierungschefin) zu vertrauen, dann ziehe ich Gott vor.
    = = =
    Das Ist doch ein redliches (ehrliches), persönliches Bekenntnis, ursprünglich auch Inhalt christlicher Religionen. Glaube = Vertrauen. Es gibt allerdings viele Götter, denen man Vertrauen schenkt.
    Ich persönlich vertraue Gott, dem Schöpfer des Universums und damit auch meiner und aller hier anwesenden Blog-Teilnehmer, ob es jemand wahrhaben will, oder auch nicht. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich war es eindeutig eine Willensentscheidung. Der Schöpfer-Gott ist an eine persönliche Beziehung interessiert, man kann mit IHM reden, Inspiration, Korrektur, Gebetserhörung usw. erleben. Hier nur 1 von vielen Erlebnissen:
    Irgendwann hörte ich von der finanziellen Sorge eines Bekannten. Mein Entschluss war,
    schicke ihm DM 50,–, trotz begrenzter Möglichkeiten. Doch während meiner täglichen Stillen Zeit (Gebet) vernahm ich das Reden Gottes: Schicke ihm DM 100,–. Gesagt, getan.
    Wochen später traf ich ihn und fragte, für welchen Betrag er Gott gebeten hätte. Zu meiner
    Überraschung waren es genau DM 100,– Das ist doch wunderbar.
    Die Tage las ich ein Gedicht von Johann Christoph Blumhardt:
    Ich glaube an die Sonne, auch wenn ich sie nicht sehe.
    Ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht fühle.
    Ich glaube an Gott, auch wenn er schweigt.
    Für die derzeitigen Probleme ist der Mensch, welcher nach des Schöpfers Bild erschaffen wurde, (eine Persönlichkeit mit kreativem Geist und schöpferischen Worten – Dreieinigkeit).
    in erster Linie verantwortlich. Als Geistwesen wohnt der Mensch in einem materiellen Leib und ist damit Teil des Universums und der Geisteswelt. Wohlweislich hat der Schöpfer den Frequenzbereich für das materielle Auge begrenzt und einen Einblick damit verwehrt. Das Glaubensauge sieht und ist seines Glaubens und Vertrauens gewiss.
    Allerseits eine angenehme Nachtruhe – W. B.

  204. Für die derzeitigen Probleme ist der Mensch, welcher nach des Schöpfers Bild erschaffen wurde, (eine Persönlichkeit mit kreativem Geist und schöpferischen Worten – Dreieinigkeit).
    in erster Linie verantwortlich.

    Das ist intellektuell redlich? Man handelt innerhalb der Grenzen die einem ein Schöpfergott gesetzt hat, es entsteht Leid und man ist auch noch selbst schuld? Gut das manche Menschen nicht Therapeut geworden sind.

  205. Ist die Polarisierung in den USA ein religiöses Phänomen?
    Die Studie The Hidden Tribes of America (deutsch: Amerikas Gruppenzugehörigkeiten) kommt zum Schluss, dass die extreme politische Polarisierung in den USA, welche etwa Republikaner und Demokraten in völlig verschiedenen Welten/Denksystemen leben lässt, in Wirklichkeit von einer politisch hyperaktiven Minderheit erzeugt/aufgebaut wird und dass die Mehrheit der US-Amerikaner sich nicht dem woken/politisch korrekten oder dem erzkonservativen/evangelikalen Lager zuordnen lässt. Die Polarisierung geht von einer Minderheit aus, die allerdings mit einer religiösen Inbrunst kämpft, welche keine Kompromisse kennt und die jeden dazu auffordert sich zu der einen oder anderen Seite zu bekennen. Die stille Mehrheit der Gemässigten, vom Bericht „die erschöpfte Mehrheit“ genannt, hat jedoch in der Politik keine Stimme, sie wird quasi von den Polarisierern/den Aktivisten übertönt. Diese Aktivisten seien sowohl auf der linken wie der rechten Seite vorwiegend Weisse, die man früher als WASP (Weiße angelsächsische Protestanten) bezeichnet hat. Mir scheint, wir haben es hier mit einer Art Religionskrieg zwischen „Befreiungsthelogen“ (den Woken) und Reaktionären/„Zurück zu den Wurzeln“-Anhängern zu tun.
    Die erschöpfte Mehrheit der US-Amerikaner befindet sich gemäss dem oben verlinkten Bericht in Geiselhaft der linken und rechten Aktivisten.

    Bis vor kurzem gingen viele Politikanalysten davon aus, dass langfristig die Demokraten die Oberhand gewinnen würden, denn mit immer mehr Immigranten beispielsweise in Form der Latinos, sollten die Demokraten gestärkt werden, setzen sich diese doch für diese Immigranten ein. Doch inzwischen zeigt dich, dass Latinos in der Mehrheit wenig von Wokeness halten und sie sich auch nicht in der Opfer- oder Rächerrolle sehen, die ihnen von den Aktivisten unter den Demokraten angeboten wird. Vielmehr ist Latinos in der Mehrzahl der religiöse Eifer der Aktivisten fremd und wenn schon neigen sie eher dazu den klassischen amerikanischen Traum vom Aufstieg und guten Leben zu verfolgen.

  206. Jeder darf glauben was er will. Es ist aber nicht akzeptabel, dass Gläubige ihren Mitmenschen die Lebensweise vorschreiben wollen, ohne vernünftige Gründe oder sogar gegen die Menschenrechte, wie in weiten Teilen der Welt und mit hohem Aggressionspotenzial. Nur deshalb ist es unausweichlich, über Religion überhaupt zu diskutieren, Befriedigung oder Spaß bringt es nicht! Die ursprüngliche und öffentliche Funktion von Religion ist durch die Institution der Wissenschaft und des Staates vollständig abgelöst.

  207. Wolfgang Stegemann,
    In einer Kirche im Moseltal habe ich folgenden Satz gelesen:
    Gott hat keine Augen, er benützt Deine Augen, Gott hat keinen Mund , er benützt Deinen Mund, Gott hat keine Hände, er benützt Deine Hände.

    Und bei Stefan Andres Roman “Wir sind Utopia”, opfert sich der exkommunizierte Möch Paco für den Gedanken einer besseren Welt.

    Das ist der Sinn von Religion, die bessere Welt zu denken und zu verwirklichen.

  208. W. Bülten
    eine schöne, ausführliche und vorallem optimistische Sicht der Dinge.ö

  209. anton Reutlinger
    “Die ursprüngliche und öffentliche Funktion von Religion ist durch die Institution der Wissenschaft und des Staates vollständig abgelöst.”

    Auf den ersten blick scheint das so zu sein, die Ethikkommissionen erinnern die Wissenschaftler immer wieder daran, dass man nicht Gott spielen darf.

    Der innere Friede in Deutschland hat zu einem unvergleichlichem Wirtschaftswachstum geführt. Unser Wohlstand basiert auch auf dem reibungslosen Zusammenspiel von Kirche und Staat.
    Und, um sie mal aus ihren Illusionen zu reißen, unsere Innenstädte sind schon zu 30 % von Migranten bewohnt, in weiteren 20 Jahren wird die 50 % Grenze geknackt. Bau von Minaretten in unseren Vorstädten nimmt Fahrt auf, dann bekommen Sie die Rechnung präsentiert. Die Mißachtung des Christentums wird beantwortet mit einer Islamisierung unserer Innenstädte.

  210. @fauv
    Das ist der Sinn von Religion, die bessere Welt zu denken und zu verwirklichen.

    Sie beweisen immer wieder die Unredlichkeit der Gläubigen oder des Glaubens, angesichts der Realitäten in der Welt und der Geschichte der Religionen. Gerade die schlimmsten Heuchler sind die aktivsten Verfechter des Glaubens! Beispiele dafür gibt es zuhauf. Die Welt wird erst besser ohne Religion, wenn der Mensch endlich anfängt selber zu denken und wenn er sich den realen Problemen der Welt stellen muss.

    Die beste Schule, um an dem Dasein eines Gottes als Weltlenker zu zweifeln, ist die Kirchengeschichte, vorausgesetzt, diese sei die Geschichte der von Gott in die Welt gesetzten Religion des Christentums, und es werde demnach angenommen, er habe ihre Geschichte gelenkt. Augenscheinlich hat er dies nicht getan, in der Kirchengeschichte ist nichts wunderbar, in ihr erscheint das Christentum der Welt so unbedingt preisgegeben wie nur irgendein anderes Ding, das in ihr lebt.[..] Gegen die Kirchengeschichte ist also das Dasein Gottes nur zu behaupten bei der Annahme, Gott habe seine Hand vom Christentum in seinem geschichtlichen Dasein abgezogen.

    Franz Overbeck (1837 – 1905), ev. Theologe

  211. anton reutlinger,
    “was wäre, wenn”
    Eine Gegenbehauptung, ohne die einigende Kraft des Christentums gäbe es kein vereinigtes Europa.
    Wir ständen auf der Stufe der Länder südlich der Sahara, wo jeder Stamm jeden anderen Stamm bekriegt.
    Wir hatten diesen Zustand im Ostseeraum bis zum 13. Jahrhundert. Die Wikinger bekriegten ihre Nachbarn. Erst als die Hanse eingriff, änderte sich die Situation.

    Jetzt zum theoretischen Teil, das Dasein Gottes wird gefühlt, nicht behauptet.
    Bei den gegenwärtigen Kirchenbesuchern sind 3/4 Frauen. Die theoretisieren nicht, die fühlen.

  212. Zum Folgenden von Philipp:

    “…Aber es wird niemals eine Lösung für die philosophischen Probleme wie das hard problem, das mind-body problem, das qualia problem, etc. kommen. Das ist wie das Thema der hier diskutieren Religion: man kann das Thema bis ultimo weiterdiskutieren ohne dass die Wissenschaft jemals etwas beitragen kann.”
    (Zitatende).
    Ich verstehe nicht, wie man nicht sehen kann, dass diese Aussage in ihrer Endgültigkeitsformulierung (Zitat oben) selbst einen fast rein metaphysisch- ontologischen Charakter hat.
    Das entspricht teilweise der theologischen Methode, den unendlichen Regress beim Gottesbeweis dadurch gewaltsam abzuwürgen, dass man die Logik aussetzt, indem man das Weiterfragen verbietet.

    Oder anders: Woher weiß Philipp so sicher, was NIEMALS sein wird oder sein kann?
    Das ist doch allenfalls ein erkenntnistheoretischer bzw. (un- ?) wissenschaftlicher Selbstbeschränkungs- Pragmatismus. Der sogar teilwiese nur aus der Angst(!) geboren ist, sich irgendwie den Rändern der angeblich sicheren Gewässer “der Wissenschaft” zu nähern oder gar ins (angeblich) unwissenschaftlich- Esoterische abzudriften.
    Ich habe vorgestern eine Diskussion zwischen einem Homöopathen und (unter Anderen) Natalie Grams gehört, in der es um Ähnliches ging. Wobei dort zudem auch ein ökonomisch – interessengeleiteter “Bias” vermutet werden kann.
    (Um es mal seeehr vorsichtig zu formulieren).

  213. Man könnte also sagen, dass es unendlich viele Ereignisse und damit Trajektorien gibt, deren Zahl mit der Vergrößerung des Raum-Zeit Fensters proportional abnimmt. Hat man die maximale Skala eines Phasenraums erreicht, gibt es nur noch ein einziges deterministisches Ereignis, dessen Vorhersagekraft maximal ist.
    So gesehen ist der Indeterminismus auf Quantenebene nichts weiter als ein Beobachtungseffekt aus der Makroperspektive.

    Vor diesem Hintergrund ist die Vorstellung einer absoluten Wahrheit, einer Welt an sich, ausgeschlossen. Die Vorstellung, wir könnten eines Tages alle Gemeimnisse entschlüsseln, eine Illusion.

    (Zitatende)

    Die übliche Quanten- Metaphysik : Bohr gegen die Versuche “realistischerer” Interpretationen. Kann man irgend etwas von den Hypothesen im obigen Zitat falsifizieren oder wenigstens irgendwie realphysikalisch- experimentell untersuchen ?

  214. @Little Louis:

    Ihre erneut persönlichen Unterstellungen können Sie sich sparen, argumentieren Sie lieber mal hinsichtlich des Inhalts.

    Das Leib-Seele Problem beginnt mit der Frage wie “Geist” bzw. “Bewusstsein” mit dem Körper oder dem Rest der Welt zusammenhängt.

    Wer so beginnt hat bereits beides metaphysisch getrennt, ansonsten könnte man die Frage gar nicht mehr stellen. Ich bin ja nicht der einzige Mensch der das denkt; diese Ansicht wird auch von anderen Philosophen und Wissenschaftlern geteilt.

    Dieses metaphysische Postulat beruht auf der folgenden ersten Prämisse:
    1. Es gibt einen Geist/Mind/Bewusstsein der/das irgendwie “anders” als der Rest des Körpers oder der Welt sei. Sie können das nicht einmal beweisen; diese Annahme beruht auf rein philosophisch konzeptuell-logischen Überlegungen.

    Wie soll empirische Wissenschaft dieses Problem lösen? Was wollen Sie hier messen um überhaupt im Ansatz dieses Problem “angreifen” zu können?

    Wer also postuliert das es einen Geist (oder moderner “Bewusstsein”) gibt der wissenschaftlich mit dem Rest des Körpers, Nervensystems, Gehirns oder was auch immer verlinkt werden müsste (weil es angeblich etwas anderes sei) trägt die Beweislast, nicht umgekehrt.

  215. @ fauv

    Irgendwer hatte das hier schon mal angesprochen und bleiben wir mal bei den christlichen Religionen: das Problem des ‘Heiligen Geistes’ und der Selbstverantwortung.
    Ist Ihnen schon mal aufgefallen,dass bisher, auch von Ihnen, nicht der Begriff und die Selbstzuschreibung ‘Seelsorge’ eingebracht wurde?
    Da ‘arbeitet’ eine Religion mit der Verantwortungsverlagerung und wie little Louis andeutet mit ökonomischem Interesse.
    Niemand wird die care-Arbeit von einschlägigen Institutionen mit der Sorge abstreiten. Aber den Besitz über die Seele und den Heiligen Geist hat die Hierarchie.
    Also über das eigentliche Geschäft.

  216. @ fauv – Ergänzung

    Es geht also letztendlich immer, nicht nur bei den Christen, um die ‘Interpretationshoheit’ von Wörtern und Sprache, somit Geist-Bewusstsein usw. .
    Folgt dem Prinzip des letzten Wortes…

  217. Mussi,
    eigentlich wollte ich Kirche und die ist ja gemeint, wenn es um Seelsorge geht, nicht instrumentalisieren. Die Vorteile von Kirche sind so groß, dass sie seit 2000 Jahren existiert.
    Was Sie ansprechen , das ist schon Exegese, mit den Begriffen Seele und Hl. Geist.
    Die Vorstellung von Gott, ich hatte es schon gesagt, die ist bei den Juden und beim Islam verboten. Da geht es mehr um die Einhaltung von Pflichten, also ganz praktischer Art.
    Sie nennen es, “das eigentliche Geschäft”. Meiner Meinung nach ist das Männerdenke. Frauen denken so nicht. Nochmal, 3/4 der Kirchgänger sind Frauen. Die philosophieren auch nicht, die handeln.
    Und, das sei als Kritik zu sehen, wenn ein junger Pfarrer vor fast nur Frauen predigt, dann ist das oft von so was von daneben, man sieht es an den Reaktionen der Frauen.
    Allerdings muss man jetzt die evangelische Kirche betrachten, im Gottesdienst sind da viele junge Mädchen zu sehn, wenn die Pfarrerin weiblich ist.
    Als Goodi, bei einer Predigt wagte eine junge Pfarrerin folgende Aussage:” Ich weiß auch nicht, was das Gleichnis bedeutet, aber es ist gut , wenn wir uns daran halten “.
    Das fand ich mutig und es stimmte. Ich habe das Gleichnis auch nicht verstanden. Und darauf kommt es an. Das Primäre ist nicht das Verstehen, sondern das Vertrauen darauf, dass das Unverstandene richtig ist. So geht Kirche !

  218. Metzinger würde sich spätestens jetzt bestätigt fühlen, wenn er hier mitliest.

  219. Mussi,
    nicht doch!
    Bis vor einigen Jahren habe ich Kirchentourismus betrieben. Je Woche eine andere Kirche. Babtisten, Methodisten, Korntaler alle Arten von Sekten.
    Die Kirche ist nicht der schwarze Monolith wie sich Außenstehende denken.
    Mit der Vielfalt der Meinungen ist es nicht anders wie unter Naturwissenschaftlern. Mensch bleibt Mensch.
    Bleiben Sie gesund !

  220. @Philipp 30.10. 11:19

    „Wer also postuliert das es einen Geist (oder moderner “Bewusstsein”) gibt der wissenschaftlich mit dem Rest des Körpers, Nervensystems, Gehirns oder was auch immer verlinkt werden müsste (weil es angeblich etwas anderes sei) trägt die Beweislast, nicht umgekehrt.“

    In der Tat haben wir derzeit keine Nachweise, dass Geist im Bewusstsein mitspielt. Wer die Aussage macht, dass das als Tatsache anzusehen ist, der ist den Beweis schuldig. Man kann aber sagen, ich habe entsprechende persönliche Erfahrungen, die mit diesem Geist ganz gut zusammenpassen würden.

    Dagegen zu behaupten, es wäre eine gesicherte Erkenntnis, das es keinerlei Geist geben kann, der ist meine ich dafür aber auch einen Beweis schuldig.

    „Wie soll empirische Wissenschaft dieses Problem lösen? Was wollen Sie hier messen um überhaupt im Ansatz dieses Problem “angreifen” zu können?“

    Ich hätte da schon eine Idee zu. Wenn es eine Schnittstelle zwischen Geisteswelten und der physikalischen Welt gibt, dann könnte man diese vielleicht in Aktion beobachten. Es könnte etwa sein, dass der Quantenzufall nur meistens wirklich zufällig ist, aber auch mal auf die Zukunft hin gezielt sein kann. Insbesondere wenn es um die Unterstützung von Lebensvorgängen geht.

    Wenn etwa ein Nervensystem damit angereichert ist, dann könnte sich hier die Beteiligung von Geisteswelten in diesem Sinne zeigen. Wenn wir also mal ein komplettes Konnektom von einem primitiven Organismus im Computer simulieren können, dann könnte sich zeigen, dass hier gezielte Quantenzufälle nötig sind, damit das simulierte Nervensystem vernünftig funktioniert.

    Wenn wir also die Zufälle, die in der Simulation enthalten sind, mit Pseudozufallszahlen implementieren, dann kann sich hier keinerlei Geist beteiligen. Verwendet man aber „analoge Zufallszahlen“, also z.B. aus dem Quantenrauschen einer Fernsehkarte ohne eingestellten Sender, dann kann sich hier Geist vielleicht beteiligen.

    Auch bei anderen Anwendungen, z.B. in der Computerkunst, kann man die ohnehin verwendeten Zufallszahlen für Experimente nutzen. Man kann ja einfach dieselben Prozesse mal mit Pseudozufallszahlen und mal mit analogen Zufallszahlen laufen lassen, und gucken, ob sich vielleicht die Qualität der Ergebnisse so verbessern lassen.

    Das wären dann schon Nachweise. Oder eben keine, wenn hier nichts Interessantes beobachtet werden kann.

    Bis dahin bleibt die eigene spirituelle Erfahrung, als persönliche Evidenz. Und wessen persönliche Evidenz einen Naturalismus unterstützt, der darf auch gerne Naturalist sein. Den Pluralismus auf diesem Gebiet werden wir so schnell nicht los.

  221. @Jeckenburger:

    “Dagegen zu behaupten, es wäre eine gesicherte Erkenntnis, das es keinerlei Geist geben kann, der ist meine ich dafür aber auch einen Beweis schuldig.”

    Wenn ich behaupte, zwischen Mars und Venus kreist ein kleines rotes Teekesselchen um die Sonne, wer ist dann beweispflichtig, Sie oder ich?

  222. @little Louis
    Es gibt einen breiten Konsens unter Philosophen, dass das Qualiaproblem nicht lösbar ist. Deshalb ist es als “hard problem” eingestuft. Dafür gibt es gute Gründe. Wir wissen, was die Ursache für die Wahrnehmung von Farben ist, das bedeutet jedoch in keiner Weise, dass wir wissen, was “das Wesen” der Farben ist. Die Funktionsweise der Augen wie auch des Gehirns sagt darüber nichts aus.

    Anders ist es beim Mind-body- oder Körper-Geist-Problem. Dabei gibt es verschiedene Betrachtungsweisen, angefangen bei der Definition von “Geist”. Es geht um die Zuordnung von Bewusstsein als “Geist” zu körperlichen Funktionen. Das wird nach aller Voraussicht eines Tages lösbar sein. Das heißt, man wird erklären können, mit den Instrumenten und Methoden der Neurowissenschaft, wie Bewusstsein im Hirn entsteht, auch wenn Herr Schleim es bestreitet. Vorarbeiten dafür müssen von der Psychologie kommen, indem zunächst geklärt wird, was genau unter Bewusstsein verstanden wird. Das ist eine Kombination aus psychologischem Top-down und neurowissenschaftlichem Bottom-up. Selbst als Laie kann man sagen, dass das menschliche Gedächtnis und Erinnerungsvermögen auf der Basis kybernetischer Rückkopplungen die entscheidende Brücke darstellt.

  223. @ Philipp .Oder vielleicht besser : Zu seinen Argumenten:

    1,
    Ihre erneut persönlichen Unterstellungen können Sie sich sparen, argumentieren Sie lieber mal hinsichtlich des Inhalts.(Zitatende)

    Das verstehe ich leider nicht.

    2.

    Wer also postuliert das es einen Geist (oder moderner “Bewusstsein”) gibt der wissenschaftlich mit dem Rest des Körpers, Nervensystems, Gehirns oder was auch immer verlinkt werden müsste (weil es angeblich etwas anderes sei) trägt die Beweislast, nicht umgekehrt. (Zitatende)

    Ich denke, fast jeder betrachtet “dieses Postulat” zunächst mal als Hypothese. Seit wann ist Hypothesenbildung unwissenschaftlich? Theoretisch- methodisch ist die Eventualität von etwas, das zusätzlich zur bis jetzt bekannten Hirnphysiologie inklusive derer -ich machs kurz – (vernetzten) Funktionsabläufe
    das menschliche Denken hervorbringt doch nichts, das “wissenschaftlich verboten” sein sollte. Oder etwa doch?
    Dann liegen wir halt “erkenntnistheoretisch” (oder auch metaphysisch (-:) auseinander.

    Oder kürzer:
    Enie (metaphysische oder physikalische) Forschungshypothese bedarf meines Erachtens keines “Existenzbeweises” Sie sollte lediglich stringent formuliert sein.

  224. @Little Louis:

    Sie haben nicht verstanden was ich geschrieben habe. Meine Aussage war, dass das Leib-Seele Problem ein philosophisches Pseudoproblem ist, zu dessen Lösung die Neurowissenschaften nichts beitragen können.

    Formulieren Sie mal eine konkret-wissenschaftliche Hypothese die dieses Problem lösen soll.

  225. @ A. Reutlinger und:

    Wir wissen, was die Ursache für die Wahrnehmung von Farben ist, das bedeutet jedoch in keiner Weise, dass wir wissen, was “das Wesen” der Farben ist. (Zitatende)

    Über Fragen nach dem “Wesen” (Essentialismus) hat sich , wenn ich es richtig erinnere, schon Popper ziemlich kritisch ausgelassen. Manche erachten sie in unserem Zusammenhang als “sinnlos”.

    Nochmal @ Philipp:

    Ich fordere nicht, die Existenz dessen , was Sie ablehnen (Dualismusproblem)
    als bewiesenen Fakt zu betrachten. Etwa wie : Es GIBT “DEN Geist”.
    Ich fordere nur, diese oder ähnliche Hypothesen NICHT (dogmatisch) von vornherein aus dem Erkenntnisprozess zu entfernen. Das ist alles . Ich hatte schonmal bemerkt, dass ich auch nicht sicher bin, ob man zur Lösung dieser Probleme den Transfer auf eine (womöglich metaphysische) Quantenebene oder gar auf eine (vielleicht auch metaphysische) kosmologische “Superebene”
    überhaupt benötigt. Vielleicht sind die Geheimnisse auch “nur” in der Molekularebene (und drumherum) verborgen. Aber grundsätzlich offen für solche Hypothesen sollte man schon sein. Das hat absolut noch nichts mit “Aluhut- Esoterik” oder so zu tun.
    Amen. (-:

  226. @Little Louis:

    Sehen Sie, sie diskutieren schon wieder rein philosophisch bzw. wissenschaftsphilosophisch.

    Tralala.

    Amen.

  227. In der Tat haben wir derzeit keine Nachweise, dass Geist im Bewusstsein mitspielt. Wer die Aussage macht, dass das als Tatsache anzusehen ist, der ist den Beweis schuldig. (Zitatende)

    Oh mein Gott – das hat doch schon der alte “Karli Popper” zur Genüge durchgekaut. (Und K. Feyerabend hat ihm teilweise widersprochen.)
    Der erste schwarze Schwan ! Das ist auch in anderen Bereichen fast schon zu einem “geflügelten Wort ” geworden.

  228. @ Philipp und:
    Sehen Sie, sie diskutieren schon wieder rein philosophisch bzw. wissenschaftsphilosophisch.

    Was soll ich anderes tun , wenn SIE nicht in der Lage sind, mir eine ” künstlich-virtuelle Gehirn Realität zu konstruieren , bei der kein Mensch in der Lage ist, sie (außer, was die Hardware betrifft) von einem (biologisch -) menschlichen Wesen zu unterscheiden? (Das ist doch die uralte “Superfrage”)

    Sie GLAUBEN eben Nicht , dass es xxxxx gibt oder nicht gibt, haben (wenn überhaupt) aber auch nur rein “theoretische” Gründe dafür vorzubringen.

  229. @Little Louis:

    Wovon reden Sie? Sie schätzen mich völlig falsch ein bzw. unterstellen mir wieder Ansichten die ich gar nicht habe. Sie lesen etwas von mir, missverstehen es, und ziehen dann Schlussfolgerungen über meine Ansichten zum Thema.

    Das ist mir jetzt schon zum dritten Mal bei Ihnen aufgefallen.

    Schalten Sie mal einen Gang runter und seien Sie nicht so überheblich.

  230. @Tobias Jeckenburger (Zitat):“Die Einzeller z.B. braucht es einfach für die ganze Veranstaltung. Paralleluniversen zu postulieren, um eine Zufälligkeit der so günstigen Werte der zahlreichen Naturkonstanten zu erklären, die lässt sich eben einfach mit der Idee aus der Welt schaffen, dass unser Universum gezielt so konfiguriert ist, dass am Ende Leben in ihm existieren kann.“

    Sie sprechen von Paralleluniversen nicht ich. Ihr eigentlicher Denkfehler besteht darin, zu glauben, nur weil es sie gibt, müsse es sie geben, müsse jemand oder etwas ihre Existenz geplant haben. Für mich gilt vielmehr: Dass es mich gibt oder die Menschheit gibt, ist das Resultat einer langen Geschichte, die auch ganz anders hätte ausgehen können. Das gilt für alles was es gibt. Die Sherlock-Holmes Krimis von Arthur Conan Doyles etwa gibt es unter anderem weil Arthur Conan Doyle existiert hat und er aus irgendeinem Zufall auf die Idee kam sie zu schreiben. Zudem wurden sie auch noch so erfolgreich, dass sie nun vielen ein Begriff sind. Ich kann mir aber auch eine Welt ohne Sherlock Holmes vorstellen. Und ja, auch Menschen muss es nicht geben.

    Fazit: Nichts spricht dafür, dass wir Menschen das Produkt einer Planwirtschaft sind. Nur weil wir existieren muss uns niemand geplant haben. Der Zweck dieses Universums sind nicht wir. Auch Charles Manson (der kalifornische Mörder von unter anderem Sharon Tate) oder Donald Trump sind keine Figuren, die es je gebraucht hätte.
    Die Idee von Paralleluniversen ist zudem keine naturwissenschaftliche Idee, weil Naturwissenschaft sich nur mit Beobachtbarem beschäftigt.

    Dass sie dies nicht begreifen, liegt wohl an ihrer Voreingenommenheit und ihrer Unfähigkeit sich eine Welt ohne sie selbst vorstellen zu können.

  231. @little Louis
    Ich hatte “das Wesen” bewusst in Anführungsstriche gesetzt. Die fundamentalen Dinge des Universums wird der Mensch nie klären können, weil er selber ein Objekt dieses Universums ist. Dazu gehören die Qualia, sowie Energie und Raum und Zeit. Sie sind nicht Teil der Physik, sondern sie begründen die Physik als fundamentale Eigenschaften und Phänomene des Universums. Die Objekte des Universums beobachten sich selbst. Das ist nicht vollständig möglich, weil dafür eine gewisse Komplexität notwendig ist. Man braucht eine Uhr, um Zeit zu messen, man braucht einen Maßstab, um Strecken zu messen. Man braucht Energie, um Energie zu messen.

    Körper und Geist sind dagegen komplexe Dinge. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Funktionen des Geistes alias des Bewusstseins auf körperliche Funktionen rückgeführt werden können. Die Qualia können damit nicht erklärt werden. Natürlich sind Qualia Bestandteile oder Eigenschaften von Geist oder Bewusstsein. Begriffe aus früheren Zeiten sind tückisch hinsichtlich ihrer genauen, objektiven Bedeutung.

  232. @Philipp und zum Folgenden:

    “Wovon reden Sie? Sie schätzen mich völlig falsch ein bzw. unterstellen mir wieder Ansichten die ich gar nicht habe. Sie lesen etwas von mir, missverstehen es, und ziehen dann Schlussfolgerungen über meine Ansichten zum Thema.
    Das ist mir jetzt schon zum dritten Mal bei Ihnen aufgefallen…
    Das ist mir jetzt schon zum dritten Mal bei Ihnen aufgefallen.
    Schalten Sie mal einen Gang runter und seien Sie nicht so überheblich.” (Zitatende)

    Aha – na gut. Ich gehe in mich. Mal sehen (!!), was wirklich drinnen ist und ob überhaupt.

  233. @all, @reutlinger: Qualia & hartes Problem

    Ich habe in einem kurzen und neuen Fachaufsatz entschlüsselt, woher das “harte Problem” des Bewusstseins eigentlich kommt und wie es begründet wird.

    Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass niemand sich vorstellen kann, wie eine wissenschaftliche Erklärung subjektiver Erlebnisse aussehen sollte.

    Bewusstseinsforscher ziehen heute selbst das Fazit, dass man, um Bewusstsein wissenschaftlich zu erklären, erst einmal wissen muss, was überhaupt eine Erklärung wäre. Und auch darüber, was das zu erklärende Phänomen ist, gibt es keine Einigkeit.

    Also auf mich wirkt das jetzt nicht so, als sei man in dieser Hinsicht wesentlich weiter als im 18. Jahrhundert. Aber bestimmt gut, dass wir dazu so viele Forschungsprojekte hatten und haben! 😉

    Ich sage ja immer wieder: Es kann durchaus eine naturwissenschaftliche Erklärung von Bewusstsein geben; es müsste aber wohl eine andere Art von Naturwissenschaft sein.

  234. @little Louis
    “Geist” ist ein tückischer Begriff. Man kann ihn als Synonym zu Bewusstsein verwenden (wie ich oben), dann ist klar, dass damit eine Funktionalität des Gehirns gemeint ist. Im Sinne von T.Jeckenburger, bzw. der Dualisten, bedeutet “Geist” eine eigene, zusätzliche Entität unabhängig vom menschlichen Körper. Dann hat man damit das Leib-Seele-Problem. Die “Seele” umfasst implizit die Qualia, man müsste dann auch erklären, ob die Qualia nun zum unabhängigen Geist oder zum Bewusstsein gehören. Die Psychophysiologie gibt darauf eindeutige Antworten.

  235. @Little Louis:

    Ich fasse noch einmal zusammen und komme auch auf Ihren geliebten Feyerabend zu sprechen. Das Thema passt übrigens wunderbar zur “intellektuellen Redlichkeit”, aber lassen Sie mich erst einmal runtertippen.

    1. Meine Aussage war lediglich dass die Neurowissenschaften das metaphysische und uralte Leib-Seele Problem der westlichen Philosophie nicht lösen können. Das beste was die Neurowissenschaft meiner Ansicht nach leisten kann ist notwendige und hinreichende Prozesse des Nervensystems für das was wir “Bewusstsein” nennen aufzeigen. Das Versuche ich über meine eigenen Babyschritte selbst, aber Schritt für Schritt. Denn diese Prozesse kann man wissenschaftlich wirklich untersuchen; damit kann man arbeiten.

    2. Wenn die Neurowissenschaften das eines Tages schaffen sollten (wo ich mir nicht zu 100% sicher bin, es aber nicht prinzipiell ausschließen würde) dann wäre das ein Wahnsinnserfolg.

    3. Selbst diese Befunde würden aber nicht das Leib-Seele Problem lösen. Man kann immer noch behaupten dass das was wir erleben kategorial oder qualitativ anders von dem ist was im Körper plus seiner Interaktion mit der Umwelt abläuft. Auf den Punkt gebracht: man kann immer noch sagen es ist der magische Geist oder das “Bewusstsein” (wooohooo) und es sei nach wie vor unklar wie der Geist aus der Flasche des Körpers entspringt (oder so ähnlich; sie verstehen schon was ich meine; man spielt immer noch die zwei epistemischen Perspektiven gegeneinander aus und konstruiert sich seine philosophischen Probleme zusammen).

    Wer auch dann noch weiter meint dass es hier ein ontologisches Problem gibt, der wird sich auch dann weiter innerhalb dieser philosophischen Diskussion im Kreis drehen. Es wird dann immer noch behauptet werden dass das “Qualiaproblem” nicht gelöst sei, das ja ein intrinsischer Teil des Leib-Seele Problems ist.

    Meine Antwort darauf wäre: was zur Hölle erwartet man von einer wissenschaftlichen Theorie? Die erwünschte Lösung des Leib-Seele Problems läuft bei diesen Erwartungshalten auf eine “Weltfrage” hinaus. Das läuft darauf hinaus warum es überhaupt etwas gibt etc. Das ist so weit weg von seriöser (intellektuell redlicher!) Wissenschaft wie mein Laptop vom Jupiter.

    Wer behauptet die Neurowissenschaften könnten das alles lösen ist meiner Ansicht nach “intellektuell unredlich” und es ist schade dass manche berühmte Neurowissenschaftler (manche Showstars der Szene die sich zu verkaufen wissen) so etwas versprechen. Denn mit solchen großen Aussagen werden viele Menschen begeistert und mitgerissen und man rückt sich so in die Medien bzw. in das Rampenlicht.

    Wenn jemand sanftere und realistischere Hypothesen raushaut ist er für ein Laienpublikum halt viel langweiliger und wird ignoriert (Langweiler!) – Show and Shine, big words, big promises. Modern pop-science.

    Deshalb hat Stephan Schleim meiner Ansicht nach auch recht wenn er manchmal solche Aussagen kritisiert (vielleicht ist Schleim manchmal zu kritisch, aber viele seiner Aussagen stimmen meiner Meinung nach).

    Da Sie ja immer Feyerabend ansprechen: Feyerabends “Against Method” steht bei mir im Schrank und ich habe es bereits drei mal durchgelesen. Genialer Typ! Und genau solche Paradigmenwechsel die Kuhn und Feyerabend diskutiert haben benötigen wir auch heute in der Philosophie des Geistes und in den kognitiven Neurowissenschaften. Ich bin also ganz auf Ihrer Seite wenn Sie mir mit Feyerabend kommen. Der würde sich wahrscheinlich auf seiner brillianten Art lustig über das machen was in den kognitiven Neurowissenschaften heute zum Teil passiert.

  236. @ Philipp 30.10.2022, 16:56 Uhr

    Zitat: „Meine Aussage war, dass das Leib-Seele Problem ein philosophisches Pseudoproblem ist, zu dessen Lösung die Neurowissenschaften nichts beitragen können.

    Formulieren Sie mal eine konkret-wissenschaftliche Hypothese die dieses Problem lösen soll.“

    Man könnte es sehen wie Sie, weil das „ Leib-Seele Problem“ sozusagen mit philosophischen und theologischen „Implikationen vorbelastet“ ist.

    Ich würde es einfach als „Hardware -Softwareproblem“ sehen. Als „Gedankenexperiment“ einfach den Menschen mit einen Roboter vergleichen. Ein Roboter hat (derzeit) keine Empfindungen. Auf das „Qualiaproblem“ gehe ich im nächsten Beitrag ein.

    1. Behauptung: Die auf der DNA „abgebildete“ Information „steuert“ die genetischen Prozesse (Zellbildung) die die Bildung und Existenz der biologischen Köperlichkeit ermöglichen. So wie Information (Software) die technischen Hardware steuert (allenfalls in der Chipfabrik auch die Herstellung der Chips).

    2. Behauptung: Der informelle Input wird an der Sensorik (Augen, Ohren, Sinne,…) in elektrische Signale „umgesetzt“ und generiert das synaptisch „abgebildete“ Wissen im neuronalen Netz (frei nach E. Kandel).

    Aus diesem (abgebildeten) „Wissen“ kann der Output für die motorischen Organe erzeugt werden. Dies geschieht, ähnlich wie in der Elektronik, mittels „neuronaler Gatter“ (frei nach W. McCulloch).

    Das Entscheidende ist jeweils die „Information“ und nicht der „Träger“, so wie z.B. bei der Schrift nicht die Druckerschwärze, sondern die „Information“, sozusagen die „Bedeutung der Buchstaben“ relevant ist.

  237. @ Philipp

    Zum „Qualiaproblem“ eine Sichtweise die ich hauptsächlich von ehemaligen Lehrern, unabhängig von einander erfahren habe.

    Die hatten eine Gemeinsamkeit, sie konnten als Akademiker (Chemiker, Physiker, Elektroniker) ihren Wehrdienst in Nazi Forschungsstätten ableisten und „landeten“ nach dem Krieg im Schuldienst an höheren Schulen, bzw. an Ingenieursschulen.

    Sie waren, von mir formuliert, der Meinung, dass „Empfindungen“ im Zusammenhang mit bestimmten „Bewegungsmustern der Valenzelektronen“ bei bestimmten Molekülverbänden auftreten dürften.

    Die dabei frei werdenden Elektronen können im neuronalen Netz ausgewertet werden, so wie auch die Ladungsträger von anderen sensorischen Organen…..

    Wobei das Geschehen im Bereich der Valenzelektronen für alle chemischen Prozesse relevant ist und in bestimmten Fällen auch für das „Empfindungsphänomen“.

    Das Geschehen in den „neuronalen Gattern“ erklärt die Informationsverarbeitung im Gehirn, die „Valenzelektronen – Muster“ These würde das Empfindungsphänomen erklären. Die „Hirnkino“ -„Hirnradar“ Thesen das „Bewusstsein“.

  238. @Elektroniker:

    Danke für die interessanten Beiträge. Ich glaube Schleim muss noch einmal einen Blogeintrag zu diesem Thema aufmachen, wir sind ja jetzt endgültig offtopic.

    Ich habe bereits einige Beiträge von Ihnen zum Thema gelesen in Verbindung mit “Information” gelesen.

    Mir wurde bisher aber nie klar was Sie genau unter “Informationen” im Gehirn verstehen. Könnten Sie das erläutern?

    Meinen Sie Information im Sinne der Informationstheorie von Claude Shannon? Falls Sie schlichtweg das mit Information meinen: diese können Sie in physiologischen Aufnahmen des Gehirns messen. Die verbreitesten Methoden dafür sind approximate entropy (ApEn) und sample entropy (SampEn).

    Beide Messwerte hängen auch systematisch mit der Funktionsweise des Gehirns zusammen (beispielsweise im Bezug auf eingehende Stimuli, im Bezug auf Aufgaben, im Bezug auf Differenzen in psychatrischen Erkrankungen, im Bezug auf den Level des Bewusstseins, etc.).

  239. …vielleicht ist Schleim manchmal zu kritisch…

    Den Vorwurf macht man mir hin und wieder. Ich erwidere dann, wenn 99% Optimismus sind, dann muss man auch 1% Kritik aushalten können.

    2012 gab es mal eine Special Issue, in der “Neuroskeptizismus” an die Reihe kam; darin erschien einer meiner am meisten zitierten Artikel.

    Dass sich am Neuromythos Phineas Gage bis heute nichts geändert hat und (jedenfalls die englische) Wikipedia hier akkurater ist als die peer-reviewed Fachzeitschriften, macht meiner Meinung nach deutlich, dass wir noch lange nicht kritisch genug sind; jedenfalls dann, wenn wir Wissenschaft ernst nehmen wollen und es nicht nur um Pop-Kultur und Unterhaltung gehen soll.

    Was die Neuro-Ideologie im Laufe der letzten 100 Jahre in der Psychiatrie immer wieder angerichtet hat, kann man hier nachlesen (nichts für zartbesaitete Gemüter).

  240. Philipp:

    “Das beste was die Neurowissenschaft meiner Ansicht nach leisten kann ist notwendige und hinreichende Prozesse des Nervensystems für das was wir “Bewusstsein” nennen aufzeigen.”

    Ich denke, ein wesentliches Problem beim Verständnis von Bewusstsein, gerade in den Neurowissenschaften, besteht darin, dass der ontologische mit dem operativen Begriff ständig vermischt wird.
    Natürlich löst der operative Begriff, den die Neurowissenschaft erforschen kann, das Leib-Seele-Problem nicht, denn das bezieht sich ja auf den ontologischen Begriff von Bewusstsein.

    Die Lösung des Leib-Seele-Problems kann also nur durch die Philosophie erfolgen (natürlich unter Einbezug aller zur Verfügung stehenden empirischen Fakten).

    Es muss also ein (methodologischer) Weg gefunden werden, Bewusstsein als Folge eines biologischen Prozesses zu erklären.

  241. @ Philipp 30.10.2022, 20:12 Uhr

    Ich sehe „Information“ wie die Nachrichtentechniker, das ist allgemeiner als es z.B. die Informatiker sehen.

    Ausgangspunkte wären z.B. der jeweilig Wasserstand“ eines Gerinne, Sprache, Schriften, Bilder, Videos, von äußeren Sensoren gelieferte „Daten“,….

    Praktisch alles wird von einer Sensorik aufgenommen, elektronisch gemäß eines „Protokolls“ (Code) aufbereitet, in elektrische Signale umgewandelt und über geeignete Schnittstellen einen Information verarbeitenden System zugeführt.

    Das dürfte sich im Gehirn genau so verhalten.

    Da kommt sozusagen C. Shannon mit seiner „Informationstheorie“ ins Spiel. Die ist sozusagen immer beteiligt, weil es darum geht die jeweilige Information korrekt zu übertragen/verarbeiten.

    In der Informatik ist es sehr einfach, die in einem Computer „eingespeiste Information“, sei es Text, Bilder, Sprache, ….. kann im Prinzip beim Verarbeitungsprozess zum jeweils gewünschten „Verarbeitungsstatus“ an den beabsichtigten „Schnittstellen“, nennen wir es „rekonstruiert“ werden (im Gehirn wären diese „Schnittstellen“ im „Bewusstsein“, vermutlich Zwischenschichten zwischen Hirnorganen, lokalisiert). Das Problem scheint, dass man darauf nicht zugreifen kann, außer am Eingang (zB. Netzhaut) und am Ausgang (z.B. Muskel)…..

    Wenn man die Eigenschaften der im Gehirn verwendeten „Bauteile“ wie Neuronen, Synapsen kennt, kann man auf die Verarbeitung schließen.

    Fragt sich nur, ob die physiologischen Aufnahmen des Gehirns die Sie meinen (approximate entropy (ApEn) und sample entropy (SampEn) tatsächlich die gewünschte „Information messen“ können.

    Also eine möglichst eindeutige Korrelation mit der Funktionsweise des Gehirns (beispielsweise im Bezug auf eingehende Stimuli, im Bezug auf Aufgaben, im Bezug auf Differenzen in psychiatrischen Erkrankungen, im Bezug auf den Level des Bewusstseins, etc.) besteht?

  242. @ Wolfgang Stegemann 30.10.2022, 20:12 Uhr

    Zitat: „Was ist Information?“

    Eine Definition traue ich mir eigentlich nicht zu.

    Für mich ist Information die (z.B. mathematisch) abstrakte Abbildung eines Sachverhaltes auf einem physikalischen Träger. Sie kann beliebig kopiert werden.

  243. In naher Zukunft wird vielleicht eine Künstliche Intelligenz hier mitreden und von ihren eigenen Qualia berichten, aber auch von ihrem Bewusstsein und dem Geist den sie hat. Und klar wird sie auch sagen, das Leib-Seele Problem sei nicht gelöst, das erkenne man gut an ihr selbst.

  244. Roboter sind Maschinen, Menschen sind Tiere
    Wer sagt, er sei Gott landet in der Irrenanstalt, wer aber sagt, sein Geist existiere losgelöst von seinem Körper, der wird mindestens von seinesgleichen ernst genommen und kann sogar Bücher darüber schreiben. Dabei haben wir es in beiden Fällen mit etwas Ähnlichem zu tun: Mit einer Behauptung, einem Postulat, dessen Bedeutung den Umstehenden zuerst einmal nicht vollständig klar ist, dessen Tendenz aber durchaus verstanden wird: Es geht darum sich selber zu erhöhen. Denn: Wer behauptet Gott zu sein steht über der Welt der Menschen. Ähnlich steht derjenige, der einen von ihm losgelösten Geist besitzt über der reinen Körperlichkeit, die man etwa einem gewöhnlichen Tier zugesteht. Ja womöglich bedeutet die angenommene Existenz eines vom Körper losgelösten Geistes sogar, dass ein solches Geisteswesen länger existiert als der zugehörige Körper. Und das ist ja unter anderem das womit sich Religionen schon lange beschäftigen: Die Behauptung, es gebe eine Welt, die über die physisch wahrgenommene Welt hinausgehe.

    Dass sich nicht nur die Religion, sondern auch die Philosophie mit solchen Dingen beschäftigt, verweist auf die engen Beziehungen, die viele philosophische Schulen auch heute noch zur Religion haben. Man kann durchaus sagen: Grosse Teile der Philosophie sind Religion, nur eben ohne Gott. Die Philosophie hat quasi die Ideen der Religion so abstrahiert, dass sie nun auch ohne Gott auszukommen scheinen, womit sie dann scheinbar eine noch grössere Berechtigung erhalten als die Religion sie schon hat.

  245. Was ist Information?

    Information ist die Differenz, die von einem System erkannt werden kann.

    Information ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht.

    Gregory Bateson (1904-1980), Biologe und Kybernetiker.

  246. @ Martin Holzherr 31.10.2022, 03:28 Uhr

    Zitat: „Roboter sind Maschinen, Menschen sind Tiere“

    Es gibt nun einmal Ähnlichkeiten. Menschen haben deswegen Roboter so konzipiert, wie sie nun einmal sind.

    Zitat: „Wer sagt, er sei Gott landet in der Irrenanstalt, wer aber sagt, sein Geist existiere losgelöst von seinem Körper, der wird mindestens von seinesgleichen ernst genommen und kann sogar Bücher darüber schreiben.“

    Ich behaupte nicht, der „ganze Geist“ existiere immer und losgelöst von seinem Körper.

    Aber ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass ich vielfältige „Information“ aus der Umwelt aufnehme, sie „verarbeite“ und auch wieder, womöglich sogar im Dialog, allenfalls verändert auch auf irgend eine Art (z.B. Wort und Schrift, Handeln,…) aussende, sozusagen in „anderen Hirnen“ „Kopien“ anfertige. (Übrigens auch so etwas wie Kopien der DNA, wenn auch nicht zu 100%)

    Es ist der prinzipielle Sinn von „Kopien“, dass man möchte dass Information verbreitet wird und allenfalls einen Datenträger „überlebt“. Die Menschen, ja die ganze vom Informationstransfer abhängige Welt würde „aussterben“ würden sie diese „Kopierprozesse“ unterbinden….

    Das ist doch kein verrücktes „Hirngespinst“, es ist alltäglich beobachtbare Realität….

  247. Alles ist Träger von Information. Wenn die Sonne aufgeht, dann ist das die Information für die Fledermaus eine Höhle aufzusuchen. Für den Hahn ist es die Information zu krähen.
    Übertragen wird die Information in diesem Falle durch Licht. Man kann sie also physikalisch betrachten.
    anders ist es, wenn die Information rein geistiger Natur ist. Also, wenn der Pfarrer fragt, “Willst du diesen Mann heiraten ?” Und die Frau sagt “Nein”

    Los ihr Physiker, was bleibt jetzt vom physikalischen Weltbild übrig ?

  248. @fauv
    Es gibt keine Information ohne Materie oder Energie. Also gibt es keine Information und keinen Geist ohne Physik. Alles andere sind reine Wortspielereien ohne Sinn. Die Sprache ist unbegrenzt, deshalb sind die Phantasien der Menschen unbegrenzt. Durch die “sozialen Medien” kann jeder seine eigenen Phantasien verbreiten, viel schneller als früher, ungefiltert und ungeprüft.

  249. Die Physiker wissen nicht alles über diese Welt, aber die Nichtphysiker wissen viel weniger, manche wissen nicht mal das.

  250. Anton Reutlinger,
    Mit diesem Satz machen Sie alle Sprachforscher und auch Kryptologen arbeitslos.
    “Also gibt es keine Information und keinen Geist ohne Physik”.

    Zuerst zum Begriff Information. Der wird heute im Sinne von IT physikalisch verstanden, mit der kleinsten Informationseinheit = 1 bit.

    Ist das auch allgemeingültig ? Stellen sie sich vor, eine Person findet ein Blatt Papier mit der Aufschrift “omese”. Kann man mit dier Information etwas anfangen ? was bedeutet sie ?
    Ein geschriebenes Wort ist mehrfach kodiert , einmal in einer Sprache und dann auch noch lokal im Sprachgebrauch.
    Erste Zusatzinformation, das Blatt wurde im Kraichgau gefunden.
    Zweite Zusatzinformation, das Blatt stammt aus einem Schulheft.
    Die Person war eine Grundschullehrerrin und die hat den Sinn des Wortes sofort verstanden.
    Kinder im Kraichgau sagen statt Ameise Omese.

    Das bedeutet, die Information ist nicht das letzte Glied in der Logikkette, sondern der Begriff “Sinn.

    Wenn wir also von Redlichkeit sprechen, dann geht es letztlich um den Sinn einer Information. Aber der Begriff taucht in den Naturwissenschaften gar nicht auf.

  251. @fauv
    Es ist zwar richtig, was Sie im letzten Beitrag schreiben, aber der individuelle Sinn ist nur eine der Facetten von Information. Der Sinn beschreibt den Gebrauch, die Nutzung oder Pragmatik der Information. Die anderen, objektiven Facetten sind
    – das Substrat, das ist Materie wie Papier, oder Energie als Informationsträger,
    – die Symbolik, also Zeichen wie Buchstaben, Ziffern, zur Darstellung,
    – die Syntaktik als regelkonforme Anordnung von Zeichen in Wörtern, Sätzen,
    – die Semantik als Bedeutung, z.B. in natürlicher oder math. Sprache,
    – darüber schließlich die subjektive Pragmatik oder Anwendung.

    Die Naturwissenschaft und die Technik bestimmen die Möglichkeiten zur Speicherung und Übertragung von Information. Die Darstellung von Information, als sprachlicher Aussagesatz, als Tabelle oder als binäre Relation, ist Gegenstand der Kultur.

  252. Anton Reutlinger
    danke für die detaillierte Darstellung.
    Ich wollte darauf hinaus, Information ist an Materie gebunden, dazu gibt es keine Alternative, die Information selbst deckt aber nicht den Begriff “Sinn” ab. Die gleiche Information kann verschieden verstanden werden.
    Und der Sinn einer Information ergibt sich oft erst aus dem “Kontext”. Und wenn ein Mensch diesen Kontext nicht hat, also kein Hintergrundwissen, dann versteht er die Information anders als ein Mensch mit diesem Hintergrundwissen.

    Und damit sind wir bei den Wissenschaften.
    E= mc². ein Physiker weiß , was das bedeutet. Der Theologe weiß das nicht.
    Der weiß dafür diesen Satz:” Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort”.
    Und jetz haben Sie auch den Zusammenhang von Sprache und Wort und merken dass der Begriff Gott keine Person bedeutet.

  253. @fauv
    Der Kontext von Information ist selbst wieder Information. Der Sinn von Information unterliegt der subjektiven Deutung, was Sie oben bestätigen. Deshalb kann eine Information verschieden, oder beliebig, gedeutet und genutzt werden. Das ist eine triviale und alltägliche Erfahrung, insbesondere im Zusammenhang mit Internet und sozialen Medien, wo ein umfassender, näher bestimmender Kontext oftmals fehlt. Die meisten Missverständnisse und Konflikte haben darin ihre Ursachen. Zur Wissenschaft gehört, im Gegensatz zur Theologie, die empirische Prüfung und Bestätigung ihrer Erkenntnisse und Aussagen, Stichwort “empirische Adäquatheit”. Somit dreht sich die Theologie oder Religion immer nur im Kreis.

  254. @ A.R und zu :
    “Es gibt keine Information ohne Materie oder Energie. Also gibt es keine Information und keinen Geist ohne Physik…” (Zitatende)

    Da ergibt sich dann aber halt das Problem zu definieren bzw. darüber zu philosophieren oder zu spekulieren, was genau unter dem pauschalen Begriff “Physik” verstanden werden soll. Ist es etwas rein Methodisches oder auch etwas “Ontologisches “? Womit wir uns wieder im Kreis gedreht hätten.

    Dazu passt eventuell auch das Folgende aus einem kleinen Online- “Spektrum- Artikel :

    “…..Die meisten Studierenden waren mit meinen Erklärungen zufrieden. Doch einige besonders schlaue stellten mir unangenehme Fragen: »Wo genau im Gehirn findet die Wahrnehmung statt?« Oder: »Was löst eine Fingerbewegung aus, bevor Zellen im motorischen Kortex feuern?« Meine Standardantwort lautete: Das passiert alles im Neokortex! Dann wechselte ich geschickt das Thema oder streute ein paar obskure lateinische Begriffe ein, die ihnen wissenschaftlich genug erschienen, um sie vorübergehend zufrieden zu stellen.………………….
    ………………” Ich musste mir eingestehen, dass ich versuchte, etwas zu erklären, was ich nicht wirklich verstand.
    Ein großes Problem für mich und andere Fachleute liegt schon darin, dass niemand so genau sagen kann, was eigentlich der »Geist« (im Englischen »mind«) ist. Seit Aristoteles gingen zahlreiche Denker und Denkerinnen davon aus, dass er zunächst ein unbeschriebenes Blatt ist, auf das unsere Erfahrungen gemalt werden. Im vergangenen Jahrhundert hat diese »Outside-in«-Perspektive die Psychologie und die Kognitionswissenschaft durchdrungen. Demnach dient das Gehirn als Werkzeug, um die wahre Natur der Welt zu erkennen…

    (Zitatende) Zitiert aus:

    https://www.spektrum.de/magazin/kognition-wie-das-gehirn-die-welt-konstruiert/2047044?utm_medium=newsletter&utm_source=sdw-nl&utm_campaign=sdw-nl-mag

  255. @little Louis
    Der Begriff “Physik” ist nicht mal eine Information, sondern nur ein Teil davon, ein Datum. Der Ausdruck “Physik ist eine Naturwissenschaft” ist dagegen eine vollständige Information. Als solche unterliegt sie der subjektiven Deutung. Die Deutung kann objektiviert werden durch einen Konsens der Nutzer des Begriffs, d.h. was verstehen die Physiker selber unter dem Begriff.

    Die Aussage “Physik ist eine Naturwissenschaft” als Information sagt den meisten Lesern nichts Neues, somit ist sie für diesen Personenkreis keine Nachricht. Die Theorie von Shannon ist im wesentlichen eine Nachrichtentheorie!

  256. Hätte ich gewusst, dass ich mit dieser einfachen Frage ‘was ist Information’ eine ellenlange Haarspalterei auslöse, hätte ich sie nicht gestellt. Eigentlich wollte ich nur darauf hinweisen, dass ein wissenschaftliches Modell einen präzisen Begriff der Information benötigt.

  257. Anton Reutlinger,
    Die Bibel dreht sich nicht im Kreis. Das Wort “Wort ” ist ja wohl eindeutig.
    Und darauf aufbauend, versteht man genau was mit dem Wort “Gott” gemeint sein kann.
    Man nehme einfach das Wort “Energie”. Jeder glaubt zu wissen, was es bedeutet, will man es aber erklären, so tut sich eine Black Box auf.

    Gott ist auch so eine Black Box und wer vorurteilslos urteilt, wird dem Begriff “Gott” auch diese Funktion zubilligen.

  258. @Philipp

    1.
    Zum Folgenden:
    Meine Antwort darauf wäre: was zur Hölle erwartet man von einer wissenschaftlichen Theorie? Die erwünschte Lösung des Leib-Seele Problems läuft bei diesen Erwartungshalten auf eine “Weltfrage” hinaus. Das läuft darauf hinaus warum es überhaupt etwas gibt etc. Das ist so weit weg von seriöser (intellektuell redlicher!) Wissenschaft wie mein Laptop vom Jupiter.
    (Zitatende)

    Ich habe den Eindruck, da übertreiben Sie ein wenig. Denn wie oben schon gesagt:
    Wenn Sie der Welt ein (irgendwie) künstlich generiertes Gehirn/Bewusstsein präsentieren könnten, dessen Produktionsschritte im Einzelnen bis ins “Kleinste” nachvollziehbar (bzw. reproduzierbar) sind, würde sich auch für die allermeisten
    “Philosophen” das (metaphysische bzw. “esoterische) Geist- Thema weitestgehend erledigt haben. (Eventuell nicht für die Theologen bzw. Theisten. (-:
    Schließlich philosophiert heutzutage auch kaum jemand über die “Metaphysik eines bestimmten Elektroautos”.

    2.
    Zum Folgenden:

    Da Sie ja immer Feyerabend ansprechen: Feyerabends “Against Method” steht bei mir im Schrank und ich habe es bereits drei mal durchgelesen. Genialer Typ! Und genau solche Paradigmenwechsel die Kuhn und Feyerabend diskutiert haben benötigen wir auch heute in der Philosophie des Geistes und in den kognitiven Neurowissenschaften. Ich bin also ganz auf Ihrer Seite wenn Sie mir mit Feyerabend kommen. Der würde sich wahrscheinlich auf seiner brillianten Art lustig über das machen was in den kognitiven Neurowissenschaften heute zum Teil passiert...” ( Zitatende)
    Was soll ich dazu sagen : Na prima .. es klang aber halt (zumindest in meinen Ohren) manchmal bei Ihnen etwas nach einem zu dogmatischen “Naturalismus” oder eventuell nach einer zu engen orthodox empiristisch- methodischen Ausrichtung. Aber man kann sich bei kurzen Blogtexten ja auch missverstehen.

    Nur nebenbei zu Feyerabend:
    Von mir “geliebt” ist ein übertriebener Euphemismus. Ich war lange Zeit “Popperianer” und auch “Naturalist” . Vom “späteren !! ” Popper (z.B. die 3- Welten Hypothese) hab ich aber gelernt, dass das einfache Metaphysik- Bashing wohl doch zu kurz gedacht ist.
    Und von Feyerabend habe ich (unter anderem ) “gelernt”, dass ein (oder das Popper`sche) wissenschaftsmethodische Ideal nicht gleichbedeutend ist mit dem , wie (auch die erfolgreichsten) Forscher in der alltäglichen Realität wirklich gearbeitet haben. Und dass deswegen die strikte Methode (auch der Falsifikation) eventuell doch nicht immer der fast heilige “Goldstandard ” sein muss.
    Und vor allem, dass damit auch wieder eine gewisse Öffnung zur “Metaphysik” ratsam sein könnte.

    Nur nebenbei noch etwas “Off Topic:
    Gleichzeitig habe ich mich auch vom “Politik – Popper ” wieder entfremdet. Obwohl ich die “Offene Gesellschaft und ihre Feinde” zu etwa zwei Dritteln gelesen hatte. Aber Poppers politische Instrumentalisierung (??) durch den “dogmatischen Liberalismus” (bzw. auch den Neoliberalismus) und vor allem durch den “Linksliberalismus” war mir dann doch zu (un-)durchsichtig. (-:
    Wenn auch an seiner Kritik der Marx ´schen (zwangsläufigen) Geschichtsentwicklung etwas dran sein mag.
    Aber der soziologisch – ökonomischen Gesellschaftskritik von Marx hat(te) er, gerade auch aus einer humanistischen Perspektive heraus, meiner Ansicht nach zu wenig entgegenzusetzen. Jetzt aber Schluss mit O.T.

    Nur noch zu Feyerabend: Habe letztes Jahr sein “Intellektuelles Testament”:
    “Erkenntnis für freie Menschen. Veränderte Ausgabe”( suhrkamp 1980) gelesen. Darin beschwert er sich , das sein (frühes) “Anything goes” nicht nur von vielen oberflächlichen Rezipienten sondern auch von “Fachleuten” falsch verstanden bzw. als wissenschaftsfeindlich missverstanden wurde.

  259. @Stegemann
    Der Begriff “Information” ist nun mal zentral und alltäglich in unserer Kultur und weit darüber hinaus, zumal mit Computer und den modernen Medien. Trotzdem gibt es dazu viele Missverständnisse oder mangelndes Wissen. Ich halte es daher nicht für Haarspalterei, zumal heute vormittag kaum andere Aktivität hier zu sehen war.

    Gerade die Religionen beruhen auf Informationen aus früheren Kulturen und können nicht empirisch geprüft werden. Ihrer subjektiven und willkürlichen Deutung steht daher nichts im Wege. Darüber hinaus kennen wir die katastrophalen Folgen ihres absoluten, unbegründeten und selbstherrlichen Wahrheitsanspruchs, der jede Kritik verleumdet und unterdrückt.

  260. @Elektroniker:

    Hallo Elektroniker,

    ich habe Ihre Antwort gelesen, aber für mich ist immer noch nicht klar was Sie genau bzw. ganz spezifisch unter Information verstehen. So wie Sie es formuliert haben klingt es für mich zu abstrakt bzw. zu wenig operational.

    “Fragt sich nur, ob die physiologischen Aufnahmen des Gehirns die Sie meinen (approximate entropy (ApEn) und sample entropy (SampEn) tatsächlich die gewünschte „Information messen“ können.”

    Wahrscheinlich können diese Messvariablen nicht direkt das messen was Sie meinen. Ich vermute mal stark dass das Sie meinen ohnehin nicht direkt messbar ist.

    Sie können mit den genannten Variablen die Komplexität einer time-series messen. Komplexität zeichnet sich hier aus einer Mischung zwischen Variabilität und Regularität aus.

    Alle Organe des Körpers, inklusive der Gehirnaktivität, weisen in einem gesunden Menschen diese Mischung aus beiden extremen Endpolen auf. Diese Mischung brauchen Sie z.B. auch für Bewusstsein. Besonders diese Variabilität, die für viele nur wie ein Rauschen aussieht, muss man verstehen wenn man Bewusstsein physiologisch besser verstehen möchte.

    Da physiologische Prozesse, inklusive der Gehirnaktivität, keine Normalverteilung aufweisen sind Statistiken der zentralen Tendenz (Mittelwert, Standardabweichung, etc.) nicht ausreichend um diese physiologischen Prozesse gut zu analysieren.

    Sie können z.B. die Variabilität des Herzschlags (heart-rate variability HRV) zwischen einem gesunden und bestimmten herzkranken Menschen messen und stellen dann den gleichen Mittelwert und die gleiche Standardabweichung fest. Sie würden also nicht erkennen dass die HRV in einem der beiden Menschen bereits pathologisch ist, da die Messwerte bei dem gesunden und kranken Menschen gleich sind.

    Wenn sie nun aber ApEn oder SampEn berechnen, dann können Sie sehen dass der ApEn oder SampEn Messwert z.B. von 1.2 auf 0.8 bei dem pathologischen Fall abgesunken ist. Dass bedeutet dass das Signal an Variabilität verloren hat, was Sie auch beim Bewusstseinsverlust im EEG oder in fMRI z.B. unter Anesthesie feststellen können.

    Das, was für uns zufällig und wie Rauschen aussieht, ist für das Gehirn das wahre Signal und essentiell für Bewusstsein. Hier spielen non-lineare Prozesse zusammen die diese nur “zufällig” aussehenden time-series folgern lassen.

  261. @Elektroniker, Philipp:

    Der Informationsbegriff von @Elektroniker ist kein physikalischer, sondern ein Alltagsbegriff. In seinem elektrotechnischen Gehirnmodell hat er das Problem, Sender und Empfänger sowie Information definieren zu müssen.
    Man stelle sich vor, das Gehirn wäre so verdrahtet, wie @Elektroniker es beschreibt. Wer würde dann, wenn das Gehirn kein Automat wäre, die Lenkung der ‘Information’ vornehmen, ein Homunkulus? Und wenn es ein Automat wäre, wer progammiert ihn, schaltet ihn ein und aus? Und wer bereitet die Information (Daten) auf, so dass sie verarbeitet werden können?
    In der KI macht das der Mensch. Und im Menschen?
    Die Physikalisten sagen jetzt, das machen all die kleinen Neuronen. Aber woher wissen die das? Oder sind es die Elementarteilchen, oder doch der Geist?
    Denkt man so ein Modell zuende, kommt irgendwann der Punkt, wo es metaphysisch wird.
    Ein Modell muss also in sich konsistent sein, damit es keine Hilfskonstruktionen braucht, um Metaphysik zu vermeiden.

  262. Hallo Wolfgang,

    deshalb hatte ich ja um eine genaue Definition darum gebeten was mit “Information” gemeint ist. Ich fand, wie schon geschrieben, die Antwort zu abstrakt.

    Der Informationsbegriff von Shannon ist für mich völlig OK, da er rein operational ist und letztendlich nichts als “Statistik” ist wenn man so will (wie du ja eh weißt).

    Ich glaube auch nicht dass das Gehirn “Informationen” verarbeitet, sondern halte das für eine Projektion des Beobachters auf das Gehirn, die unserer Zeit geschuldet ist (und dem kognitiven Paradigma…).

    Mein Lieblingspsychologe Norbert Bischof schrieb in einem seiner Bücher “die Neurowissenschaften denken nicht biologisch”. Ich habe diesen Satz meinem Professor weitergeleitet. Er schrieb darauf zurück “die Neurowissenschaften denken gar nicht”.

    Ich denke du stimmst damit überein. 😀

  263. So sieht es aus. Ich würde ‘Information’ eher als Struktur bezeichnen und Strukturiertheit als Maß für Information. Damit könnte man die Informationsdichte von Tononi zum Ausdruck bringen und hätte damit vielleicht auch Bewusstsein ontologisch erfasst, vielleicht auch operativ.

  264. oh, mein letzter Satz fehlt:
    Die ‘Störung’ der Struktur durch einen Reiz lässt die Entropie steigen. Da ist man wieder in der Nähe von Shannon.

  265. @Philipp

    » Ich glaube auch nicht dass das Gehirn “Informationen” verarbeitet, sondern halte das für eine Projektion des Beobachters auf das Gehirn, die unserer Zeit geschuldet ist (und dem kognitiven Paradigma…).«

    Gut, dass der Satz mit „ich glaube“ eingeleitet wird… denn sonst müsste man wohl von einer gezielten Fehlinformation sprechen hinsichtlich der kognitiven Informationsverarbeitung … ;- )

  266. @Stegemann 01.11. 07:09

    „So sieht es aus. Ich würde ‘Information’ eher als Struktur bezeichnen und Strukturiertheit als Maß für Information. Damit könnte man die Informationsdichte von Tononi zum Ausdruck bringen und hätte damit vielleicht auch Bewusstsein ontologisch erfasst, vielleicht auch operativ.“

    Eine Trennung von Hardware und Software ist speziell eine Eigenschaft von Computern. Die sind ja als Universalrechenmaschinen konzipiert, und können so schnell und einfach die verschiedensten Aufgaben übernehmen. Das Gehirn muss nicht so flexibel sein, hier kommt es dann am Ende wohl auch sehr auf den Energieverbrauch an. Deshalb ist hier viel in der Hardware verbaut.

    Aber die Informationen, die über die Sinne hereinkommen werden ja nun doch in dem System verarbeitet und zu dem inneren Weltbild zusammengesetzt. Das ist nun auch Informationsverarbeitung. Das Vermögen des durch Lernen gewachsenen Gehirns ist das eine, die konkrete Lebenssituation, die momentan aktuell verarbeitet wird, ist das andere. Wir haben hiermit was Festes und was Flüchtiges. Auch wenn das nicht Hardware und Software ist.

  267. @Wolfgang Stegemann

    » Die ‘Störung’ der Struktur durch einen Reiz lässt die Entropie steigen. «

    Genauer vielleicht: Die Störung der strukturellen Ordnung

    Diese „Störung“ durch einen Reiz wird eben gemeinhin, auch von mir, als neuronaler „Input“ aufgefasst.

  268. @Jeckenburger, Balanus:
    Informationsverarbeitung ist ein Alltags- bzw. Sammelbegriff ohne analytische Kraft, mit dem man in einem wissenschaftlichen Modell nichts anfangen kann. Es taugt bestenfalls für populärwissenschaftliche Darstellungen.
    Und es legt eine Analogie zur elektronischen Datenverarbeitung nahe, die völlig unpassend ist und in die Irre führt.
    Leider lässt sich die Kognitionswissenschaft von solchen analogen Modellen leiten.

  269. @Wolfgang Stegemann

    »Informationsverarbeitung ist ein Alltags- bzw. Sammelbegriff ohne analytische Kraft, mit dem man in einem wissenschaftlichen Modell nichts anfangen kann. Es taugt bestenfalls für populärwissenschaftliche Darstellungen. «

    Das schreiben Sie so leicht dahin. Es gibt aber durchaus Wissenschaftler, die mit diesem Begriff arbeiten—oder es zumindest versuchen. So wie z.B. die beiden hier, unter dem Titel:

    A Tutorial for Information Theory in Neuroscience

    Die ersten Sätze aus dem Abstract:

    Understanding how neural systems integrate, encode, and compute information is central to understanding brain function. Frequently, data from neuroscience experiments are multivariate, the interactions between the variables are nonlinear, and the landscape of hypothesized or possible interactions between variables is extremely broad. Information theory is well suited to address these types of data, as it possesses multivariate analysis tools, it can be applied to many different types of data, it can capture nonlinear interactions, and it does not require assumptions about the structure of the underlying data (i.e., it is model independent).

    eNeuro 29 June 2018, 5 (3).

    Den allfälligen Einwand, es handele sich eben um Hirnforscher oder Neurowissenschaftler, die das Wesentliche nicht verstanden oder übersehen haben, lasse ich nicht ohne Weiteres gelten… ;- )

  270. @Balanus:
    Es geht hier um einen informationstheoretisch-mathematischen Ansatz, das ist ein Unterschied.

  271. @Wolfgang Stegemann

    Gewiss, aber warum und wozu wählt man diesen Ansatz, warum macht man das? Weil man verstehen will, wie das Gehirn funktioniert, insbesondere, wie das neuronale System Information integriert, kodiert, und verrechnet, also kurz: verarbeitet.

    Darauf wollte ich hinaus.

  272. @Balanus:
    Ich machs mal kurz: es gibt unzählige verschiedene Ansätze, meiner beinhaltet keine Informationsverarbeitung als analytischen Begriff.
    Der von Ihnen erwähnte auch nicht, es ist ein mathematischer Ansatz.

  273. @Balanus 01.11. 23:16

    „Weil man verstehen will, wie das Gehirn funktioniert, insbesondere, wie das neuronale System Information integriert, kodiert, und verrechnet, also kurz: verarbeitet. „

    Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen Informatik und Gehirnphysiologie. Beides hat mikroskopisch kleine komplexe Verschaltungen, die eben sowas wie Informationsverarbeitung leisten. Beides ist in der Lage Schach zu spielen, auch wenn es dieses Problem jeweils anders angeht. Und man hat sich bei den Neuronen längst abgeschaut, wie man künstliche Neuronale Netze baut, die inzwischen in der KI angewendet werden.

    Und vermutlich gibt es noch jede Menge Tricks, die wir den Nervensystemen abgucken können, wenn wir hier in der Forschung weiterkommen. Gleichzeitig kann die Hirnforschung von der Informatik auch was über Problemlösung lernen, so dass man die in der Informatik gefundene Lösungen dann auch im Gehirn suchen kann.

    Insbesondere könnte das Korrelat von menschlichem Bewusstsein auch für KI-Entwicklungen interessant sein, falls man hier biologische Lösungen findet, die sich auch auf Computer übertragen lassen.

    Das könnte vielleicht schwierig werden, wenn das Gehirn so kryptisch aufgebaut ist, dass man die Details nur sehr schwer verstehen kann. Aber einen Versuch ist es wert, vielleicht muss es auch ordentlich genug sein, um ordentlich zu funktionieren, dass wir es am Ende doch verstehen können.

    Und wir könnten uns auch vom Gehirn abgucken können, wie man völlig andere Arten von Hardware bauen kann. Es könnte sehr mächtig sein, wenn man die Vorteile von Nervensystemen mit denen von programmierbaren Computern verbinden könnte. Nicht nur bezüglich von Leistungsfähigkeit, sondern auch bezüglich einer künstlichen Innenwelt bzw. von künstlichem Bewusstsein.

  274. @ Philipp 31.10.2022, 20:51 Uhr
    @ Wolfgang Stegemann 31.10.2022, 23:03 Uhr

    Ich fürchte, zum Verständnis des realen Geschehen im Gehirn als auch in elektronischen Systemen helfen „endgültige Begriffsdefinitionen“ vorerst nicht wirklich weiter. Die sollten Philosophen/Linguisten erstellen, wenn alles weitgehend klar ist, jetzt ist es noch zu früh.

    Vorerst hilft Anschaulichkeit mehr. In der Entwicklungsphase sind Begriffe bei den Elektronikern „Quick an dirty.

    In einem Beitrag dieser Serie habe ich versucht zu erklären, wie „technisches Wissen“ (über Gatterstrukturen) in eine „Verdrahtung“ (Dendriten, Axone) mit logischen Gattern (Neurone), Lötpunkte (Synapsen), einfließt. Das haben auch Neurologen früher mit „Verdrahtung“ des neuronalen Systems bezeichnet.

    Ich habe Probleme zu verstehen, was Sie unter „Variabilität und Regularität“ bezeichnen.

    Im nachstehenden Link habe ich formuliert wie ich mir Analysemethoden vorstellen könnte. Es geht nicht um „Zahlenwerte“, sondern um “Muster“ die mit z.B. „Gedanken“ korrelieren sollten :

    https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/bewusstsein-erleuchtung-und-gott-aus-philosophischer-sicht/#:~:text=%C3%9Cbertragung%20von%20Information.-,Elektroniker,02.11.2022%2C%2009%3A34%20Uhr,-%40%20Stephan%20Schleim

    Ich verwende den Begriff Information im Sinne der Nachrichtentechnik, das ist sehr allgemein wie z.B. der Begriff „Fleisch“ für einen Koch (Rindfleisch, Schweinefleisch,…)

    Beim Menschen dürfte jegliche Sensorik impulsartig elektrische Ladungsträger, abhängig vom Input, zur Verarbeitung im Gehirn aussenden.
    Andererseits wird die Motorik von (im neuronalen System aufbereiteten) Ladungsträgern „angesteuert“.

    Das Gehirn ist in der Tat „verdrahtet“. Nur sitzt kein „ Homunkulus“ im Gehirn der die Synapsen „einlötet“ wie der Techniker. Die Strukturerweiterung der baumartigen Strukturen geschieht „automatisch“ gemäß dem Input und der „Hebbschen Regel“. Die chemischen Details dieser „Wissensabbildung“ hat E. Kandel erklärt.

    Die Auswertung, allenfalls mit Generierung eines Output, geschieht ähnlich wie in elektronischen Gatterschaltungen. Einerseits bilden die UND Gatter nur ein „qualifiziertes UND“ ab (kein exaktes), außerdem sind es sehr viele „redundante“ Gatterstrukturen die die „gleiche Information“ abbilden. Es gibt sozusagen „Mehrheitsentscheidungen“.

    Außerdem gibt es zusätzliche Mechanismen, die eine Art von „zeitlicher Verknüpfung“ bewirken und für eine Verschiebung der Informationen durch das System sorgen. (Z.B. Oszillationen wie sie Philipp beschreibt, oder dynamische Verlinkungen „Bindungsproblem“ (C.v.d. Malsburg, W. Singer). Natürlich alles Mechanismen die in der Elektronik ein „alter Hut“ sind.

    Meiner Meinung nach haben sich genetisch „Bewusstseinsschichten („gekrümmte Oberflächen“ evolutionär entwickelt, die die Systemeigenschaften (unterschiedliche Menschen, Tiere,…) bestimmen.

    Aufbereitet werden die Daten in evolutionär optimierten neuronalen Strukturen, wie früher in der Technik z.B. In NAND Gattern… wie sie für industrielle Steuerungen verwendet werden. UND Gatter sind ideal für Mustervergleiche. Das Gehirn ist letztlich eine „Musterverarbeitungsmaschine“.

    Ein geeignete UND Gatter weiß im Prinzip, dass es „triggern“ muss, wenn z.B. 2 Eingangssignale (Musterkomponenten) gleich sind.

    „Wissen“ wird im Prinzip durch „Strukturerweiterung“, Synapsenbildung gemäß der Hebbschen Regel und vermutlich auch interner „Kontrollinstanzen“ (interne Oszillationen, Wellen,….) abgebildet.

    In der Elektronik nennt man dasjenige was im Gehirn oder jeder anderen Information verarbeitenden Maschine verarbeitet wird „Information“ (Sprache, Bilder,…), so ähnlich wie man „Fleisch“ (Rind, Schwein, …) nennt, was ein Metzger verarbeitet….

    @ Wolfgang Stegemann

    Zitat: „Ich würde ‘Information’ eher als Struktur bezeichnen und Strukturiertheit als Maß für Information.“

    Ich würde vorsichtiger formulieren, Information kann auf Strukturen abgebildet werden, die Information ist in der Strukturiertheit „enthalten“.

  275. @Elektroniker:
    Betrachten Sie Leben mal als dynamisches System, das versucht (versuchen muss), sich im dynamischen Gleichgewicht zu halten.
    Das ist alles. Da gibt es weder Information, noch Wissen und auch keine Verarbeitung. Wenn man diese Begriffe verwendet, sind sie ausschließlich metaphorisch benutzbar, beschreiben aber keine Proszesse analytisch.
    Es sind Hilfsbegriffe, die in einer wissenschaftlichen Theorie, die monistisch sein muss, nicht vorkommen.

  276. Wenn es hier schon um intellektuelle Redlichkeit geht, muss man ihrem Beispiel mit der Päpstliche Akademie der Wissenschaften selbige leider absprechen. Auch wenn das Attribut „päpstlich“ im Namen vorkommt, ist diese Akademie ausschließlich dem naturwissenschaftlich-mathematischen Erkenntnisgewinn verpflichtet, und gerade nicht der christlich-katholischen Glaubenslehre. Auch ihre Mitglieder werden aufgrund ihrer Eigenschaft als Wissenschaftler berufen, und nicht aufgrund ihres persönlichen Bekenntnisses. So verneint z.B. Stephen Hawking aus fundamental naturwissenschaftlichen Überlegungen für sich persönlich die Existenz Gottes (s.u.a. Stephen Hawking, Kurze Antworten auf große Fragen, ‎Klett-Cotta). Die süffisante Frage, ob es den genannten Wissenschaftlern aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Päpstliche Akademie der Wissenschaften an intellektueller Redlichkeit (im SinneThomas Metzingers) mangelt, ist daher völlig unangebracht und argumentativ irreführend.

  277. @Steinmeyer: Papst

    Ich sehe nicht, was Ihr – nennen wir es mal: Einwurf – zur Diskussion beiträgt.

    Wenn Wissenschaft und Religion einander ausschließen, können Wissenschaftler nicht guten Gewissens Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft sein – und dann auch noch persönlich vom Papst ernannt!

    Zudem schlagen die alten Mitglieder neue Mitglieder vor. Melden Sie sich doch, wenn Sie die Kriterien dafür eruiert haben, anstatt sich hier so aufzuspielen.

  278. @Stephan Schleim

    Wenn Wissenschaft und Religion einander ausschließen, können Wissenschaftler nicht guten Gewissens Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft sein.

    Aber ist doch gerade der Punkt, Herr Schleim. Sie sind eben keine Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft. Denn die Akademie ist keine religiöse Gemeinschaft, sondern eine hoch angesehene wissenschaftliche Institution.

    Insofern schießt ihr – nennen wir es mal: Einwurf – am Ziel vorbei.

    Die Wissenschaftler werden aufgrund ihres Beitrags zum aktuellen wissenschaftlichen Diskus ernannt und nicht aufgrund ihrer Konformität zu einem bestimmten Bekenntnis. Ihre Mitgliedschaft in der Akademie stellt auch keine diesbezüglichen Anforderungen an sie. Einige sind sogar bekennende Atheisten, andere zumindest Agnostiker, wieder andere Anhänger anderer Religionen.

    Näheres u.a. hier: https://www.domradio.de/artikel/wo-sich-nobelpreistraeger-beraten-die-paepstliche-akademie-der-wissenschaften-corona-zeiten

    Insofern bleibe ich bei meiner Kritik, auch wenn sie ihnen, wie ihr Schlusssatz nahe legt, nicht gefällt.

  279. P.S. Aus Ihrer Quelle:

    Keine andere Religionsgemeinschaft leiste sich eine vergleichbare Einrichtung und in keiner anderen Akademie werden die Mitglieder sowohl geheim gewählt als auch letztlich durch den Staatschef, im konkreten Fall den Papst, ernannt.

    Keine rein katholische Akademie. Gibt es keine Vorbehalte gegenüber einer möglicherweise zu engen Verbindung zwischen Kirche und Wissenschaft?

    Ist schon klar: Die Akademie hat mit Religion nichts zu tun.

    Wen wollen Sie hier eigentlich auf den Arm nehmen?

  280. @Stephan Schleim

    Und was tragen diese Zitate nun zur eigentlichen Diskussion bei? Und warum zitieren sie beim 2. Zitat nur die Fragestellung aber nicht die Antwort darauf?

    Um nochmal auf den Kern zurück zu kommen: Es ging doch um die Frage, ob man die Wissenschaftler der Akademie als “intellektuell unredlich” im Sinne Metzingers sehen kann. Nach Metzingers Position wären sie das, wenn sie religiöse Positionen vertreten würden, oder Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft wären. Beides ist aber hier nicht der Fall. Sie betätigen sich auch nach ihrer Ernennung in die Akademie weiterhin wissenschaftlich und nicht religiös. Also trifft Metzingers Vorwurf auf sie nicht zu. Nur darum ging es.

    Warum sie darauf mit Formulierungen wie “Wen wollen Sie hier eigentlich auf den Arm nehmen?” oder “anstatt sich hier so aufzuspielen” reagieren ist mir schleierhaft. Scheint irgendetwas persönliches bei ihnen zu sein. Ich zieh mich deshalb aus dieser Diskussion zurück. Abgesehen davon finde ich ihre Artikelserie spannend und stimme ihnen in vielen anderen Punkten zu.

  281. @Steinmeyer: Die päpstliche Akademie ist eine religiöse Einrichtung, sogar päpstlich; das steckt schon in ihrem Namen und steht auch in Ihrer Quelle. Darum geht es.

    Damit ist nicht gesagt, dass sich alle Mitglieder in der Einrichtung religiös betätigen; es sind halt ausgewählte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

    Wenn Religion an sich intellektuell unredlich ist, wie Metzinger behauptet, dann hätten Wissenschaftler in einer religiösen Einrichtung ein Integritätsproblem; einfacher kann ich es nicht erklären.

    Hier im Artikel oder Chat hat sich bisher niemand Metzingers Standpunkt zu eigen gemacht. Insofern hat hier sonst niemand ein Problem damit, wenn Wissenschaftler Mitglied in einer religiösen Einrichtung sind.

    Religion und Wissenschaft sind eben nicht zwingend Gegensätze. Das ist der Standpunkt, auf den wir auch in der früheren Serie kamen. Manche (insb. die Naturalisten) bestreiten das aber vehement.

    Es freut mich, dass Ihnen die Serie insgesamt gefällt.

  282. @Stephan / Logik

    » Päpstlich aber nicht religiös – das übersteigt meine Logik. «

    Muss ich mir Sorgen machen? 😉

  283. Alle Religionen geben den Gläubigen Halt und Trost in DIESEM Erdenleben, weil es den meisten Menschen genügt, an etwas Höheres, das sie Gott nennen zu glauben, der zudem für ihre Gebete zugänglich ist und sie nach dem Tod belohnt. So bleibt, in der Regel, auch jeder in der Religion, in der er aufwuchs. Solange man solche Ansprüche hat, ist es völlig gleichgültig ob man sich als Christ bezeichnet, Moslem oder Hindu ist. Es ist eben einfach „Volksglaube“ . Natürlich wird Religion auch reflektiert. Das nennt sich dann “Theologie”. Während in der Volksreligiosität es keine große Rolle spielt, ob das, was man glaubt, auch mit der Realität übereinstimmt, bemüht sich, wenigstens ein Teil der Theologen um eine solche.
    Das heißt aber nicht, dass Religion und Realität nicht Schnittmengen hätten:
    https://www.academia.edu/41929365/Gene_Bausteine_des_Lebens
    https://www.academia.edu/37936734/Genetik_Reinkarnation_Kirche

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