Religion oder Naturalismus – wer gewinnt?

Wir ziehen ein Zwischenfazit nach über 2.300 Leserkommentaren

Serie in sechs Teilen

  1. Grundlagen: Materialismus, Reduktionismus, Ontologie & Epistemologie (3.2.2021)
  2. Zwischenbilanz & Erklärung von Alltagsphänomenen (8.2.2021)
  3. Naturalismus & Ost vs. West (15.2.2021)
  4. Intermezzo: Konflikt oder Vereinbarkeit? (22.2.2021)
  5. Zwischenfazit (1.3.2021)
  6. Was wir vom Rätsel Bewusstsein lernen können (15.3.2021)

Die intensiv diskutierte Serie, die Mitte Januar mit einem Gastbeitrag über Bewusstsein und den Naturalismus begann, nähert sich nun ihrem Ende. Es ist Zeit für ein Zwischenfazit:

  1. Man braucht keinen Gott anzunehmen, um die Welt zu erklären; das wussten wir aber schon vorher (man denke an den berühmten Ausspruch des französischen Mathematikers Pierre-Simon Laplace im 18./19. Jahrhundert, die “Hypothese Gott” brauche er nicht).
  2. Was genau als befriedigende Erklärung gilt, führt hier zu weit; es ist eine eigene Forschungsfrage in der Wissenschaftstheorie. In unserer Diskussion kam häufig von naturalistischer Seite der Einwand, Phänomen X könne man naturwissenschaftlich – meist ist gemeint: physikalisch oder biologisch/evolutionär – erklären. Das Phänomen stelle also keinen Riss im naturalistischen Gefüge dar.
  3. Beispielsweise seien Menschen religiös, weil das einen evolutionären Vorteil (einen Überlebensvorteil) biete. Oft sind solche Erklärungen aber spekulativ und oberflächlich: Kann schon sein – muss aber nicht. Im dritten Teil hatte ich bereits darüber geschrieben, dass sich manche (viele?) wissenschaftliche Erklärungen beim näheren Betrachten als vorläufig erweisen. Von naturalistischer Seite sollte man konkretere Mindestanforderungen an wissenschaftliche Erklärungen formulieren; denn schon Popper wusste, dass eine Theorie, die alles Mögliche erklärt (etwa der Marxismus), eigentlich nichts erklärt.
  4. Die Kernaussage des Naturalismus, alles Existierende lasse sich naturwissenschaftlich erklären, führt sonst zu einer unzulässigen Immunisierung und einem Verstoß gegen Poppers Falsifizierbarkeitskriterium: Denn entweder wird der Standard für eine wissenschaftliche Erklärung dann so abgeschwächt, dass die Aussage beliebig wird, oder man verspricht die gewünschte Erklärung für irgendwann in der Zukunft. (Hier denke man an Poppers beflügeltes Wort vom “Schuldscheinmaterialismus.”)
  5. Religiöse und naturwissenschaftliche Aussagen können, doch müssen sich nicht zwingend widersprechen. Insofern hat die Mehrheit der Naturwissenschaftler Recht, die keinen (zwingenden) Konflikt oder sogar eine Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Religion und Wissenschaft sieht. Mehr braucht ein Gläubiger in dieser Diskussion erst einmal nicht zu zeigen; umgekehrt sollte ein Naturalist nicht so tun, als widerspreche Naturwissenschaft Religion schlechthin: Das ist falsch.
  6. Die Diskussion darüber, was die “Naturgesetze” genau ausschließen, hält an. (Ich verwende den Begriff in Anführungszeichen, da ich Gesetze für menschliche Konstrukte halte, die, in diesem Fall, Naturvorgänge und Naturkräfte formalisieren sollen.)
  7. Im Zusammenhang damit wird mein Standpunkt deutlicher, dass man diese “Naturgesetze” schlicht anpassen würde, wenn man regelmäßig “Wunder” beobachten würde. Meines Wissens sind Wunderberichte, wie man sie in verschiedenen religiösen Traditionen findet, aber nicht nach wissenschaftlichen Kriterien bestätigt. Umgekehrt sollten Philosophen, die von “naturgesetzlicher (Un)Möglichkeit” sprechen, die Kriterien hierfür genau angeben, um keine leeren Worthülsen zu verbreiten.
  8. Offen bleibt die Frage und geht hier auch zu sehr ins Detail, was überhaupt als “Wunder” angesehen werden könnte. (Auch hierzu gibt es eine reichhaltige philosophische Diskussion, z.B. beim Schotten David Hume.)
  9. In Anbetracht dieser Tatsachen scheint es mir nicht prinzipiell irrational, an etwas Göttliches zu glauben.
  10. Diesen Glauben kann man aber nur für sich selbst individuell und nicht allgemeinverbindlich für alle begründen.
  11. Dogmatismus bringt die Diskussion nicht weiter und gilt es zu vermeiden. Insbesondere gefährdet Dogmatismus mit seiner Verabsolutierung das tolerante und friedliche Zusammenleben der Menschen.
  12. Aufgrund dieser Punkte scheint mir der Standpunkt des Agnostikers, wie im dritten Teil dieser Serie nach dem Biologen und Philosophen T. H. Huxley definiert, als der vernünftigste.
  13. Im Detail bliebe zu klären, inwiefern sich dieser Standpunkt mit dem des Kritischen Rationalismus deckt. (Falls es jemanden interessiert.)
  14. Pragmatiker könnten einen Schritt weitergehen und aus praktischen Gründen an etwas Göttliches glauben. Das Argument hierfür lieferte außgerechnet ein Naturalist: Denn bestimmte religiöse Praktiken würden einen Überlebensvorteil bieten. In einer philosophischen Pattsituation könnte das den Ausschlag geben. Tatsächlich sehen wir nicht nur ein stetiges Zunehmen der Weltbevölkerung, sondern insbesondere auch der Anzahl der Gläubigen. Mein Ko-Blogger Michael Blume beschäftigte sich früher mit den praktischen Vorteilen von Religionen in seinem Blog Natur des Glaubens.

Ich war nach der – teilweise schwindelerregend – aktiven Diskussion und der verstrichenen Zeit nicht mehr mit meinem alten Schluss zufrieden, wollte aber auch nicht den Wochentakt der Serie unterbrechen. Daher bitte ich um etwas Geduld.

Titelgrafik: geralt auf Pixabay.

Avatar-Foto

Die Diskussionen hier sind frei und werden grundsätzlich nicht moderiert. Gehen Sie respektvoll miteinander um, orientieren Sie sich am Thema der Blogbeiträge und vermeiden Sie Wiederholungen oder Monologe. Bei Zuwiderhandlung können Kommentare gekürzt, gelöscht und/oder die Diskussion gesperrt werden. Nähere Details finden Sie in "Über das Blog". Stephan Schleim ist studierter Philosoph und promovierter Kognitionswissenschaftler. Seit 2009 ist er an der Universität Groningen in den Niederlanden tätig, zurzeit als Assoziierter Professor für Theorie und Geschichte der Psychologie.

715 Kommentare

  1. Anfang 2017 wurden in den Medien Berichte veröffentlicht, dass Schwedens Königin Silvia auf Schloss Drottningholm Geister sieht: “Es gibt hier kleine Freunde, Geister. Es ist sehr aufregend, aber man bekommt keine Angst.”

    Für diese Art von Geister-Wahrnehmungen gibt es den Begriff ´Charles Bonnet Syndrom´. Solche Wahrnehmungen sind real – aber nicht unerklärbar. Die erlebende Person ist dabei geistig normal.

    Für viele Phänomene gibt es bereits zufriedenstellende Erklärungen. Wenn aber in Diskussionen solche konkreten Beispiele/Erklärungen nicht behandelt werden – dann muss vieles unerklärbar bleiben.

    Und dies ist meine Kritik an der bisherigen Diskussion: Er wurden mögliche Erklärungsansätze für viele Phänomne nicht behandelt.
    Wenn man aber Erklärbares ausschließt, muss man an Unerklärbares glauben.

  2. @KRichard: Name und Erklärung

    So so… Wir geben also einem Phänomen einen Namen und schlussfolgern: “Jetzt ist es erklärt. Es muss nicht unerklärlich bleiben.”

    Ja – so funktioniert die westliche Psyche oft, all zu oft. Leider!

    Haben Sie schon wieder Nietzsche vergessen, der da schrieb:

    Dies hat mir die größte Mühe gemacht und macht mir noch immerfort die größte Mühe: einzusehen, daß unsäglich[77] mehr daran liegt, wie die Dinge heißen, als was sie sind. Der Ruf, Name und Anschein, die Geltung, das übliche Maß und Gewicht eines Dinges – im Ursprunge zu allermeist ein Irrtum und eine Willkürlichkeit, den Dingen übergeworfen wie ein Kleid und seinem Wesen und selbst seiner Haut ganz fremd – ist durch den Glauben daran und sein Fortwachsen von Geschlecht zu Geschlecht dem Dinge allmählich gleichsam an- und eingewachsen und zu seinem Leibe selber geworden; der Schein von Anbeginn wird zuletzt fast immer zum Wesen und wirkt als Wesen! Was wäre das für ein Narr, der da meinte, es genüge, auf diesen Ursprung und diese Nebelhülle des Wahns hinzuweisen, um die als wesenhaft geltende Welt, die sogenannte »Wirklichkeit«, zu vernichten! Nur als Schaffende können wir vernichten! – Aber vergessen wir auch dies nicht: es genügt, neue Namen und Schätzungen und Wahrscheinlichkeiten zu schaffen, um auf die Länge hin neue »Dinge« zu schaffen. (Fröhliche Wissenschaft, §58)

  3. Ein Beispiel zum Selbermachen

    Da den Meisten von uns schwedische Geister und/oder Adelige unzugänglich sind, starten wir einen Selbstversuch. Was fühle ich jetzt?

    Vielleicht komme ich auf den Gedanken “Wut”. Diese sprachliche Konvention, mit der ich gelernt habe, diesen psychophysischen Zustand zu bezeichnen. “Es ist erklärt. Es muss nicht unerklärlich bleiben.” Dann ist ja gut.

    Oder schaue ich weiter: Was für Vorgänge sind denn da in meinem Körper? Was für Gefühle und Gedanken? Und wo? Bleiben sie gleich oder verändern sie sich? Und vielleicht fällt mir dann sogar auf: Ich bin gar nicht wütend, sondern nehme Wut wahr. Und “Wut” ist gar kein Ding, sondern da sind permanent Prozesse, die sich verändern, die das Wort “Wut” alle verdeckt.

    Vielleich werden erst jenseits der Namen die Phänomene interessant? Hausaufgabe!

    P.S. Adelige haben oft zu viel Zeit und glauben an alles Mögliche (siehe z.B. Geschichte der Theosophie). Das sollte man sich nicht unbedingt zum Beispiel nehmen. Jedenfalls nicht als Beispiel für gute Philosophie. Descartes kostete seine Beziehung zum schwedischen Adel bekanntlich Kopf und Kragen.

  4. Religion oder Naturalismus – wer gewinnt?

    Was bedeutet “gewinnt” hier?
    Und warum “wer” und nicht “was”?

  5. Wer gewinnt ?
    Das ist medienwirksam, gerade Jugendliche wollen wissen, wer gewinnt.
    Und die Jugendlichen gilt es zu erreichen.
    Worum geht es also, nur um einen Streit im Elfenbeinturm ?
    Es geht wahrscheinlich um mehr, es geht um die Stellung der Geisteswissenschaften inklusive der Religion.
    Der Mainstream in der Gesellschaft in den Medien ist pro Naturalismus/ Naturwissenschaften und gegen Religion. Es ist uncool von Gott zu sprechen.
    Das wird Auswirkungen haben auf die Kirchensteuer. Viele Gemeinden sparen am falschen Ende, sie bezahlen ihre Mitarbeiter schlecht. Die römisch-katholische Kirche besorgt den Rest, indem sie die Aufklärung von Mißbrauchsfällen unprofessionell angeht.

    Prognose: Die Kirchenaustritte werden anhalten, die Anzahl der Kirchgänger geht auch zurück, im Augenblick sind es wegen der Coronaeinschränkungen nur noch 50 % wie vor einem Jahr.

    Damit wird der Trend fortgesetzt, Wissenschaft/Technik + Kapitalismus = Vermüllung der Erde.
    Das ist als Anklage an die Gesellschaft zu verstehen. Eine nur „rationale“ Denkweise, die ist offen für Eigennutz und Gewinnmaximierung.

    Herr Schleim halten Sie Kurs !

  6. Alle Menschen glauben daran, dass fast immer alles mit echten Dingen zugeht – sind also so gesehen 0.99%-Naturalisten – und die meisten gehen, wenn sie etwas verloren haben ins Fundbüro und sagen nicht etwa wieder Mal habe ein Heinzelmännchen zugeschlagen.
    Es ist also nicht so, dass wir den genauen Grund und Ablauf für jedes einzelne Ereignis kennen müssen um eine bestimmte Ursache als Wahrscheinlichste anzunehmen. Fundbüros gibt es überhaupt nur darum, weil Dinge, die verloren gehen später oft wieder auftauchen. Das schliesst natürlich nicht aus, dass mein eigener Schlüssel, den ich verloren habe, durch ein Wurmloch in ein anderes Universum entschwunden ist, doch es lohnt sich hier gar nicht sich mit einer übernatürlichen Erklärung abzugeben.

    Auch Religiöse gehen selbst bei religiösen Erklärungen der Dinge von einer Regelhaftigkeit aus. Im Unterschied zu Naturalisten geben sie aber überhaupt nie eine empirisch nachvollziehbare Erklärung ab. Noch nie hat der Papst eine Untersuchungskommission eingesetzt um die Übergabe des heiligen Geistes bei der Kommunion, der Übergabe der Hostie, zu untersuchen. Ganz einfach weil die religiöse Erklärung von vornherein so konstruiert ist, dass sie prinzipiell nicht überprüfbar erscheint.

    Überhaupt gilt, dass in der Religion fast gar nichts begründet wird oder dass nur Pseudobegründungen abgegeben werden. Dass es Hasspredigten von islamischen und früher evangelischen Predigern gibt, wundert so gesehen gar nicht. Der Hassprediger kann nämlich davon ausgehen, dass seine Gläubigen, schon wissen, warum es etwa die Schwulen oder die Juden zu hassen zu gilt. Es genügt zu sagen, Juden hätten den Tod Jesus auf dem Gewissen oder Schwulsein verstosse gegen die Natur. Wenn etwa Martin Luther fordert, „scharfe Barmherzigkeit“ gegen die Juden anzuwenden, indem man ihre Synagogen niederbrennt, ihre Häuser zerstört, ihnen die Talmude wegnimmt, ihre Rabbiner das Lehren verbietet und die jungen Juden zu Zwangsarbeit bestimmt,
    dann kann er das ohne weitere Rechtfertigung tun, weil er die Volksmeinung von vornherein auf seiner Seite weiss.
    Hier frage ich mich: warum verbreiten Religionen so oft Hass und das mit populistischen Reden, die nichts anderes tun, als Vorurteile auszunützen und weiter zu verbreiten.

    Aufforderung: Wählt den Pfad der Liebe und seit Naturalisten und nicht Menschen des Hasses, die ihren Hass von der Religion gerechtfertigt bekommt.

  7. @Schleim
    Für eine Bekannte war es bis zum 5. Lebensjahr völlig normal, dass abends wenn sie sehr müde im Bett lag, ein ´Engel´ erschien um auf sie aufzupassen während sie schlief. Sie wusste genau, dass dieser ´Engel´ nicht real war.

    Auch dieses Beispiel kann man mit dem Fachbegriff ´Charles Bonnet Sydrom´ erklären.

    Wenn Sie unter guter Philosophie verstehen, dass man Fakten gezielt ignoriert und Hinweise absichtlich lächerlich macht – dann muss man dies zur Kenntnis nehmen.

    Das was Königin Silivia bzw. ein kleines Mädchen berichteten, gibt es auch von vielen anderen Menschen.

    Ich habe von Anfang an den Vorwurf gegen Grams und Ihre Artikelreihe erhoben, dass diese manipulativ nur dem Ziel dient, naturwissenschaftliches Denken lächerlich zu machen.
    Wenn dies Ihre Art von Philosophie ist .. …

  8. @Martin Holzherr:

    “Noch nie hat der Papst eine Untersuchungskommission eingesetzt um die Übergabe des heiligen Geistes bei der Kommunion, der Übergabe der Hostie, zu untersuchen.”

    Selbstverständlich nicht. Denn darum geht es überhaupt nicht. Religionen behaupten in ihrem Kernbestand keine naturwissenschaftlichen Zusammenhänge, sondern geistige oder moralische. Darum geht es in der Diskussion ja die ganze Zeit: Dass Religion und Naturwissenschaft auf zwei verschiedenen Spielfeldern zwei unterschiedliche Spiele spielen. Die Naturwissenschaft spielt das Spiel von Kausalität und Regelhaftigkeit, die Religion das von Wert und Bedeutung. Und noch einmal: Letzteres kann der Naturalismus niemals bieten. (Insofern bewegen auch Sie sich außerhalb des Naturalismus, wenn Sie – sympathischerweise – zur Liebe aufrufen.)

    Ein Aufruf, der aber leider durch den – zudem unreflektierten – Hass auf Religion konterkariert wird:

    “Überhaupt gilt, dass in der Religion fast gar nichts begründet wird oder dass nur Pseudobegründungen abgegeben werden. Dass es Hasspredigten von islamischen und früher evangelischen Predigern gibt, wundert so gesehen gar nicht.”

    Das Christentum ist bekanntlich die Religion der Liebe, und es gibt sicherlich mehr Liebes- als Hasspredigten in seiner Geschichte. Wollen wir dagegen die Hasspredigten und -taten mutmaßlicher Atheisten aufrechnen, von den Nazis über die Stalinisten bis hin zu den transatlantischen Russenhassern unserer Zeit?

    Und in der vorangegangenen Diskussion schrub Anton Reutlinger:

    “Wo wäre die Gesellschaft und die Welt, wenn sich die Naturwissenschaften nicht durchgesetzt hätten? Die Kreuzzüge und Religionskriege hätten weiterhin die Welt verwüstet. Die Kirchenfürsten waren die schlimmsten Barbaren!”

    Das hätte ich schon da beinahe kommentiert. So ein Unfug! Den Kirchenfürsten (und ihren Entsprechungen in anderen Religionen) verdanken wir die herrlichen gotischen Dome, die prächtigen Moscheen in Istanbul und Jerusalem, die Medresen von Samarkand, das Mausoleum von Taj Mahal, die Raffaelsstanzen und die Sixtina, die Missa solemnis und eigentlich den ganzen Bach, . . .
    Und waren die beiden furchtbarsten Kriege der Menschheitsgeschichte Religionskriege?
    Hört doch auf mit dieser vom puren Distinktionswillen getriebenen, von Aggression getriebenen Abgrenzung! Was soll das denn bringen?

  9. @KRichard

    “Auch dieses Beispiel kann man mit dem Fachbegriff ´Charles Bonnett Sydrom´ erklären.”

    Können Sie genau darlegen, welche Vorgänge im Nervensystem dabei die geschilderten Wahrnehmungen hervorbringen? Und warum diese?

  10. @KRichard: volle Zustimmung. Und dann noch das Argument, gegen den Naturalismus spreche, dass die Mehrzahl der Menschen in Umfragen kundtun, an Gott zu glauben. Wenn das ein Argument für die Richtigkeit des religiösen Glaubens ist, dann kann man mit Philosophie gleich aufhören. Denn die alltägliche Praxis soll von der Philosophie ja gerade hinterfragt werden. Deswegen entstand ja die Philosophie.
    Stephan Schleims Beiträge zu diesem Thema können also als Pamphlet gegen die philosophische Herangehensweise aufgefasst werden.

  11. Herr Holzherr,
    mit dem Holzhammer kommen Sie in diesem blog nicht weit.
    Im Gegensatz zu den Konfessionellen geben „Sie „ keine verständliche Erklärung ab.
    Was soll denn eine religiöse Erklärung sein ?
    Erklärungen können falsch, wahr, verständlich und unverständlich sein. Sie können aber auch nachvollziehbar sein und nicht nachvollziehbar. Meinen Sie das vielleicht.?
    Ich habe einmal einen Streit zwischen zwei Mädchen mitbekommen, die haben sich richtig gefetzt.
    Worum ging es da ? Ein anderes Mädchen hat es mir erklärt . Es ging darum, wer den größeren Po hat. Ist das jetzt nachvollziehbar oder nicht ?
    Wenn Sie sich also abfällig über religiöse Riten auslassen müssen, dann fangen Sie mit der Überprüfung bei sich selbst an, vielleicht liegt es nur an einem Erfahrungsdefizit.

  12. @hwied: die gute Jugend

    Die Kirchenaustritte… das waren doch wahrscheinlich vor allem Menschen, die sowieso keine aktiven Christen waren, höchstens mal an Weihnachten in einen Gottesdienst gingen oder so.

    Gleichzeitig nimmt dem Vernehmen nach auch in Deutschland der (auch: christliche) Fundamentalismus zu, gerade bei jüngeren Menschen, und wächst das Interesse für Spiritualität.

    Dazu vielleicht im letzten Teil ein paar Worte.

  13. @Holzherr: “Die rechten Dinge”

    Diesen Propaganda-Satz sollte man hier in der Diskussion eigentlich verbieten; nach allem, was dazu bisher schon gesagt wurde. Sie haben zurzeit gute Chancen, auf meiner Ignorieren-Liste zu landen.

    0.99%-Naturalisten

    Ja, genau: 0,99% Naturalisten. Weiter so! 😂

  14. @Martin Holzherr

    “Und dann noch das Argument, gegen den Naturalismus spreche, dass die Mehrzahl der Menschen in Umfragen kundtun, an Gott zu glauben. Wenn das ein Argument für die Richtigkeit des religiösen Glaubens ist, dann kann man mit Philosophie gleich aufhören.”

    Wenn jemand dieses Argument tatsächlich in diesem Sinne gebracht hätte, dann wäre Ihre Empörung gerechtfertigt.
    Eine ehrliche Bitte: Versuchen Sie zu verstehen. In meinem ethischen Denksystem ist dieser Versuch vom Anspruch der Liebe nicht zu trennen.

  15. @KRichard: Erklärungen

    Wenn Sie meine Ausführung zum Begriff der wissenschaftlichen Erklärung nicht zur Kenntis nehmen wollen (oder können), dann muss ich das wohl zur Kenntnis nehmen.

    P.S. Hier ging es nie darum, irgendetwas lächerlich zu machen; aber ein paar Personen machen sich selbst mit ihren Äußerungen immer wieder lächerlich, ja.

  16. @Holzherr: Pamphlete

    Ihre emotionalen Äußerungen interessieren hier niemand.

    In diesem Zwischenfazit habe ich konkret vierzehn Punkte ausformuliert. Bitte beziehen Sie sich darauf – oder äußern Sie sich besser an einem passenderen Ort.

  17. Ich halte die Vermutung, dass man ‘“Naturgesetze” schlicht anpassen würde, wenn man regelmäßig “Wunder” beobachten würde’ für unbegründet und unbelegbar.

    Es sei denn, dass mit ‘regelmäßig’ implizit auch ‘reproduzierbar’ gemeint sein sollte. Nur erfüllt ein reproduzierbarer Vorgang m. E. nicht mehr die notwendigen Kriterien eines Wunders. Ein nicht reproduzierbarer Vorgang lässt sich aber nicht in Gesetze fassen, weil es ihm eben an der notwendigen Gesetzmäßigkeit mangelt.

  18. @Holzherr, KRichard: Namen

    98% der Menschheit gegen sich zu haben und seinen eigenen Standpunkt nicht einmal kritisch zu hinterfragen – wie wollen wir dieses “Syndrom” nennen?

    P.S. Sie kennen vielleicht den Witz mit dem Geisterfahrer: Ist ein Geisterfahrer auf der Autobahn und hört im Radio eine Warnung vor einem Geisterfahrer auf der Autobahn. Da denkt er: “Einer? Dutzende!”

  19. @schorsch

    “Ich halte die Vermutung, dass man ‘“Naturgesetze” schlicht anpassen würde, wenn man regelmäßig “Wunder” beobachten würde’ für unbegründet und unbelegbar.”

    Meine Kritik an Punkt 7 wäre eher gegenteilig. Aber wir meinen dasselbe:
    Ich halte die Aussage “Man würde “Naturgesetze” schlicht anpassen , wenn man regelmäßig “Wunder” beobachten würde” für trivial, vielleicht tautologisch. Denn Gesetze beschreiben ja eben das, was regelmäßig passiert. Und dann – da gebe ich Ihnen recht – hört es auf, ein Wunder zu sein.

  20. Wunder als festen Bestandteil unserer Welt zu sehen ist insoweit irrational als Wunder einer rationalen Herangehensweise nicht zugänglich sind.
    In Übereinstimmung mit Aussagen der Religion müsste man bei Akzeptanz von Wundern sagen, dass die Ratio nur einen Teil dieser Welt erklären könne, dass Rationales und Irrationales (der Vernunft nicht Zugängliches) diese Welt gleichermassen bestimmten.

  21. Ja, Naturalismus ist der Glaube, die Welt sei dem Verstand prinzipiell zugänglich und dass Unwissen durch Wissen ersetzt werden kann.

    [Sie verbreiten hier – wieder einmal – propagandistische Äußerungen. Das ist hier bei MENSCHEN-BILDER nicht gerne gesehen. In der Vergangenheit haben Sie derartige Äußerungen aber auch immer ignoriert. S. Schleim]

  22. @schorsch, Konrad: Wunder

    Naturgesetze wurden immer wieder angepasst, wenn man neue Phänomene, die man sich vorher nicht vorstellen konnte oder die man für unmöglich gehalten hatte, reproduzierbar beobachtete.

    Zur endgültigen Klärung dieser Problematik müsste man erst einmal klar definieren, was überhaupt ein Wunder ist. Im Übrigen gilt das auch für denjenigen, der behauptet, dass Wunder unmöglich sind; oder man verbreitet eben leere Worthülsen. Das scheint viele hier aber nicht zu stören.

    Wie gesagt, diese Arbeit will ich hier nicht leisten; darum bleibe ich vorläufig: agnostisch.

  23. @hwied

    Damit wird der Trend fortgesetzt, Wissenschaft/Technik + Kapitalismus = Vermüllung der Erde.
    Das ist als Anklage an die Gesellschaft zu verstehen. Eine nur „rationale“ Denkweise, die ist offen für Eigennutz und Gewinnmaximierung.

    Da in praktisch allen Regierungen primär religiöse Menschen sitzen (auc in DE) sollte man Religion noch hinzufügen.

  24. Das Christentum ist bekanntlich die Religion der Liebe, und es gibt sicherlich mehr Liebes- als Hasspredigten in seiner Geschichte.

    Da wäre ich mir nicht so sicher.

  25. @hwied (Zitat):

    Damit wird der Trend fortgesetzt, Wissenschaft/Technik + Kapitalismus = Vermüllung der Erde.
    Das ist als Anklage an die Gesellschaft zu verstehen. Eine nur „rationale“ Denkweise, die ist offen für Eigennutz und Gewinnmaximierung.

    Die Religion hat auf die heutigen materiellen Probleme der Gesellschaft keine Antwort. Kein Priester stellt eine Vakzine her. Die Religion hat das Klimaproblem weder erkannt noch hat sie eine Lösung dafür. Chrys hat eine Definition von Religion gegeben, die die wirklichen Verhältnisse gut wiedergibt:

    Eine Religion ist (1) ein Symbolsystem, das darauf zielt, (2) starke, umfassende und dauerhafte Stimmungen und Motivationen in den Menschen zu schaffen, (3) indem es Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung formuliert und (4) diese Vorstellungen mit einer solchen Aura von Faktizität umgibt, dass (5) die Stimmungen und Motivationen völlig der Wirklichkeit zu entsprechen schei­nen.

    Es geht also um Stimmungen und Motivationen und auch um eine Gemeinschaft von gleich gestimmten, gleich Motivierten.
    Typischerweise gehört viel Althergebrachtes dazu – in den alten Religionen und religiösen Gemeinschaften jedenfalls. Antworten auf heutige Probleme sind kaum je dabei.

  26. @Stephan: Wunder
    Ich vermute, dass Wunder nicht Gegenstand der Naturwissenschaft sein können. Denn wenn ich mal eine Definition versuche, hat sie zwei Teile:
    Wunder sind Ereignisse, die
    a) ihren Zeugen zum Zeitpunkt des Geschehens aus den bekannten Naturgesetzen unterklärlich sind und
    b) in ihrem Denksystem zeichenhaften Charakter haben.
    Da b) nicht im Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften liegt, tun Wunder das mithin auch nicht. Egal, ob wir sie für wissenschaftlich erklärbar halten oder nicht.

  27. @einer

    Das Christentum ist bekanntlich die Religion der Liebe, und es gibt sicherlich mehr Liebes- als Hasspredigten in seiner Geschichte.

    Da wäre ich mir nicht so sicher.

    Zugegeben, die Quantifizierung könnte ein wenig schwierig werden. Gepredigt wird allenthalben und zu allen Zeiten viel. Die Liebespredigten sind aber seit der Bergpredigt konstitutiver und prägender für das Christentum gewesen, und es haben auch mehr davon überlebt. Dagegen stehen doch eigentlich nur die Pamphlete dieses lästigen Augustinermönchleins.

  28. @Konrad: pragmatische Definition von Wunder

    Also macht dann doch jemand dieses Fass auf… 😉

    Aber wenn ich mir deine pragmatische Definition so anschaue, danke dafür, dann könnte ich zum Beispiel, nein, müsste ich!, wenn ich über die Biennale in Venedig laufe und mich von der Kunst ergriffen fühle, von einem Wunder sprechen.

    Meinetwegen.

  29. @KRichard 02.03.2021, 10:08 Uhr
    Mich erstaunt, dass jemand, der von Anfang an dabei ist, nach sechs Artikeln und Hunderten von Kommentaren immer noch “naturwissenschaftliches Denken” mit “Naturalismus” verwechselt. Keiner der Diskussionsteilnehmer hat ersteres “lächerlich gemacht”. Es wäre mir unangenehm aufgefallen.

  30. @ Schleim

    Ich muss zugeben, dass mich einige Ihrer Aussagen im Beitrag überraschen und verwirren:

    “Beispielsweise seien Menschen religiös, weil das einen evolutionären Vorteil (einen Überlebensvorteil) biete. Oft sind solche Erklärungen aber spekulativ und oberflächlich: Kann schon sein – muss aber nicht.”

    “Von naturalistischer Seite sollte man konkretere Mindestanforderungen an wissenschaftliche Erklärungen formulieren; denn schon Popper wusste, dass eine Theorie, die alles Mögliche erklärt (etwa der Marxismus), eigentlich nichts erklärt.”

    Wenn ich sie richtig verstanden habe, werfen sie der Evolutionstheorie, zumindest in diesem Zusammenhang vor, zu viel zu erklären.

    Wenn ein Geologe eine bestimmte Form von Vulkanismus (an Plattengrenzen) mit der Theorie der Plattentektonik erklärt, würden sie auch dann der Theorie der Plattentektonik (auch eine Theorie mit hoher Erklärungskraft) vorwerfen zu viel zu erklären? Wenn bestimmte Beobachtungsaussagen zu diesem Vulkanismus mit der Theorie erklärt werden können und das in Fachkreisen anerkannt ist, sollte die von Ihnen geforderte Mindestanforderung doch erfüllt sein.

    Jeder Wissenschaftler, der sich ein bißchen mit Wissenschaftstheorie auskennt, erkennt die Tatsache an, dass Theorien zunächst mal vorläufig sind.
    Natürlich ist es auch denkbar, dass “Gott” für diese Form von Vulkanismus ursächlich ist.
    Meines Erachtens waren und sind es eher viele Religionen, die eine Alleserklärung liefern und damit nichts erklären und nicht wissenschaftliche Theorien.

    Freundliche Grüße

  31. Wunder: eine Annäherung aus der Stanford Ecyclopedia:

    [1] A miracle (from the Latin mirari, to wonder), at a first and very rough approximation, is an event that is not explicable by natural causes alone. A reported miracle excites wonder because it appears to require, as its cause, something beyond the reach of human action and natural causes. [2] Historically, the appeal to miracles has formed one of the primary lines of argument in favor of specific forms of theism, the argument typically being that the event in question can best (or can only) be explained as the act of a particular deity.

    [1] und [2] habe ich hier einmal voneinander getrennt; Naturalisten wird es wahrscheinlich vor allem um [2] gehen.

    [1] führt uns zur Frage, was eigentlich Natur bzw. natürlich ist.

  32. Für die Behauptung, dass ‘Naturgesetze wurden immer wieder angepasst’ werden würden, hätte ich gerne einen Beleg.

    Es gibt die MOND-Theorie als ein Versuch der Anpassung der Newtonschen Gesetze auf Schwerkraftphänomene bei sehr grossen Distanzen, die alleine mit Newton nicht mehr erklärt werden können.

    Sollte MOND sich durchsetzen, wäre dies tatsächlich ein Beleg für ein ‘angepasstes’ Naturgesetz. Aber mir ist – zumindest auf Anhieb – kein Fall bekannt, wo tatsächlich vergleichbar ein Naturgesetz ‘angepasst’ worden wäre.

    Etwas anderes ist es, dass bei Erkenntnis neuer Phänomene der Naturgesetzkatalog erweitert wird. Dass z. B. dunkle Materie und dunkle Energie eingeführt wurden, um die genannten nicht-newtonschen Phänomene zu erklären.

    Solange dunkle Materie und Energie nicht plausibel naturwissenschaftlich dargestellt sind – und das ist m. W. _noch_ nicht der Fall – ist die Annahme eines Wunders oder eines handelnden Gottes als Erklärung für die Expansion bzw. die beschleunigte Expansion des Weltraums durchaus gleichwertig. Denn hier ist in der Tat ein Phänomen regelmäßig beobachtbar, welches jedoch – mangels weiterer beobachtbarer Universen – _derzeit_ nicht reproduzierbar ist.

  33. @schorsch: Wissenschaftsgeschichte

    Zur Vermittlung von Grundlagen der Wissenschaftsgeschichte empfehle ich ein gutes Buch. Bei Paul Feyerabend finden sich auch historische Beispiele.

    Hier nur mal zwei Beispiele: Die Beschreibungen der Himmelskörper und ihrer Umlaufbahnen hat man angepasst, präzisiert und korrigiert, wenn man neue Beobachtungen gemacht hat. In der Biologie ging man (nach August Weismann) lange Zeit davon aus, dass das Keimplasma nicht durch Erfahrungen verändert werden kann (es galt die Weismann-Doktrin). Heute geht man vom Gegenteil aus und hat dem sogar einen eigenen Forschungszweig gegeben: die Epigenetik.

  34. @Lehmann
    Beim Auftreten von Charles Bonnet Syndrom Erlebnissen sind z.B. meist folgende Parameter vorhanden: schlechte Sehfähigkeit, ungenügende Beleuchtung und/oder Müdigkeit.
    Man nimmt an, dass unser Gehirn bei einem Mangel an Außenreizen damit beginnt, Inhalte des eigenen Gedächtnisses zu aktiveren – so dass diese der bewussten Wahrnehmung zugänglich werden.

    @Schleim
    Dass 98 % der Weltbevölkerung an Gott/Götter glauben – habe ich nie und nirgendwo kritisiert oder in Frage gestellt. In keinem meiner Beiträge.

    Was ich kritisiere ist die Art und Weise wie Herr Grams und Sie auf manipulative Art nur eine einseitige Sichtweise suggerieren: dass es unerklärliche, nichtphysikalische Phänomene geben muss.

    Für Spiritualität bzw. Religiosität gibt es konkrete biologische Grundlagen – z.B. in der Art und Weise, wie unser Gehirn arbeitet, wie wir uns erinnern bzw. wie wir Erlebnisse/Erinnerungen deuten.
    D.h. es ist möglich biologische Erklärungen für das Entstehen von Spiritualität / Religiosität vorzulegen.

  35. @Hirsch: adaptiver Wert

    Hier gehen verschiedene Fragen durcheinander. Ich versuche es mal so:

    Es ging doch gar nicht um die Evolutionstheorie, sondern um den Einwand eines Lesers, religiöse Praktiken seien kein Beweis für etwas Übernatürliches, sondern hätten einen adaptiven Wert (größerer Überlebensvorteil).

    Man kann es nur umdrehen und sagen: Wenn religiöse Praktiken keinen adaptiven Wert hätten, dann wäre das ein Problem für die Evolutionstheorie.

    Für die Frage nach der Gültigkeit religiöser Überzeugungen ist die Frage nach ihrem adaptiven Wert aber völlig irrelevant. Man entscheidet auch in der Mathematik nicht, ob 1+1=2 ist, in abhängig davon, ob Menschen, die das glauben, einen Überlebensvorteil haben.

    Der Einwand des Lesers war ein Ebenen- bzw. Kategorienfehler.

  36. @Konrad Lehmann // 02.03.2021, 11:53 Uhr

    (Ich sehe gerade, mittlerweile wurde zum Thema „Wunder“ nachgelegt—ich weiß noch nicht was und poste trotzdem)

    »Ich vermute, dass Wunder nicht Gegenstand der Naturwissenschaft sein können.«

    Ich denke, Sie vermuten falsch.

    Die Wunder, um die es uns hier geht, finden per Definition in der realen, wirklichen Welt statt, sind also beobachtbare Ereignisse, die typischerweise von mehreren Zeugen berichtet und bezeugt werden (Wenn nur eine einzige Person von einem „wahren Wunder“ berichtet, hält der Gnostiker sie entweder für einen Spinner oder für unglaubwürdig.)

    Alles, was beobachtbar ist, kann Gegenstand empirischer Untersuchungen sein. Nun gibt es bekanntlich auch Ereignisse, die sehr selten auftreten und daher einer wissenschaftlichen Untersuchung nur schwer zugänglich sind (Kugelblitze z. B., aber auch das gelegentliche Auftauchen des Ungeheuers von Loch Ness).

    Wenn ein bezeugtes „Wunder“ niemals wieder beobachtet wird, dann bleibt es eben bei der einmaligen Wundererzählung, und wer will kann dran glauben.

    Das „Wunder“ der Transsubstantiation hingegen, um nur ein Beispiel aus der Wunderwelt der Christen zu nennen, bleibt mit Sicherheit für immer eine bloße Behauptung ohne Substanz. Deshalb bleiben in Fällen dieser Art die Naturwissenschaften naturgemäß außen vor.

    Ich finde, so einfach ist das nicht mit den „zwei verschiedenen Spielfeldern“ auf denen „Religion und Naturwissenschaft“ „zwei unterschiedliche Spiele spielen“, wie Sie weiter oben geschrieben haben. Religionen sind etwas fundamental anderes als Fantasy-Erzählungen. Religionen finden in der realen Welt statt, machen Behauptungen zu realen Gegenständen und greifen tief in das Leben vieler Menschen ein, und zwar ganz konkret, zum Teil bis hin zu Körperverletzungen aus rein religiösen Gründen.

    Hinsichtlich der zwei unterschiedlichen Gegenstandsbereiche bin ich mehr als skeptisch, ich fürchte, es handelt sich dabei bloß um eine geschickt in die Welt gesetzte Vorstellung, um religiöse Behauptungen aus der Schusslinie zu nehmen (i.e., der kritischen Vernunft).

  37. Die Menschen glauben, dass Wunder selten sein müssen. Das ist nur eine Denkgewohnheit. Dass ich jetzt hier bin und diesen Satz schreiben kann, dass in der gleichen Sekunde jeder Mensch auf der Erde mit Internet diesen Satz lesen kann. dass ist ein Wunder. Dass wir eine Wissenschaft haben, das dies ermöglicht, das ist ein Wunder.
    Wenn ein Kind geboren wird, das ist ein Wunder, dass Sie sich im Spiegel sehen können, das ist ein Wunder. Dass sie nicht als Schlange geboren wurden, soll ich weiter machen ?
    Werdet mal etwa lockerer ! Die Welt wie sie ist, das ist ein Wunder.

  38. @Hirsch: historischer Marxismus vs. Naturalismus

    Karl Popper warf dem Marxismus als Aussage über den Verlauf der Geschichte (dass es unausweichlich zur Diktatur des Proletariats kommen müsse) vor, nicht falsifizierbar zu sein: Insbesondere wurde bei jedem Rückschlag (aus marxistischer Sicht) behauptet, das sei nur von vorübergehender Dauer; auf lange Sicht müsse es zur Diktatur des Proletariats kommen. (Man verzeihe mir die grobe Zusammenfassung.)

    In Analogie sagen viele Naturalisten, auf lange Sicht lasse sich alles, was existiert, naturwissenschaftlich erklären. Bei Gegenbeispielen wird entweder die Anforderung an das, was man als naturwissenschaftliche Erklärung ansieht, so aufgewässert, dass man alles und nichts als Erklärung ansehen könnte; oder es wird gesagt, es sei nur noch eine Frage der Zeit. So geht dieses Spiel schon seit Jahrzehnten (Popper: “Schuldscheinmaterialismus”).

    Man hat es auch hier gerade im Blog gesehen, wo wir uns mit der Aussage von Sam Harris beschäftigt haben, der Naturalismus sei dann falsifiziert, wenn man herausfände, dass sich Bewusstseinszustände über das Gehirn ausdehnen.

    Nun gibt es theoretische wie empirische Gründe dafür, dass sich Bewusstseinszustände über das Gehirn ausdehen. Nach der Aussage von Sam Harris, einem führenden Naturalisten, ist der Naturalismus also als falsifiziert anzusehen. Die Möchtegern-Naturalisten hier in der Diskussion haben das aber ignoriert oder mich beleidigt, anstatt auf die Kritik einzugehen. Dieses Auftreten ist man eher von Sekten u.ä. gewohnt.

    Insofern, wenn Sie mich fragen, scheint der Naturalismus in Sachen Falsifizierbarkeit nicht besser abzuschneiden als der historische Marxismus.

  39. Zitat Stanford Enzyklopedia:

    Historically, the appeal to miracles has formed one of the primary lines of argument in favor of specific forms of theism, the argument typically being that the event in question can best (or can only) be explained as the act of a particular deity.

    Ja, Wunder sollen Indizien für das Eingreifen übersinnlicher, nicht empirisch zugänglicher Wesen in diese Welt sein. Der ontologische Materialismus/Naturalismus eines Lukrez dagegen war der Glaube, dass in dieser Welt nur natürliche Kräfte am Werk sind und es keine Gottheiten gäbe, die unser Schicksal lenkten und uns ein Weiterleben nach dem Tod in Aussicht stellten.

    Erst die Naturwissenschaften unterfütterten dann den Glauben eines Lukrez und Demokrit, dass es so etwas wie Atome (von Demokrit postuliert) wirklich gibt und dass auch andere Erscheinungen unserer Welt wie Licht, magnetische Felder, Wirbelstürme, Vulkanausbrüche und andere, früher oft mit Geistern in Verbindung gebrachte Dinge, natürliche Ursachen hätten. Erst heute also ist die obige Aussage von Stephan Schleim naheliegend (Zitat): Die Kernaussage des Naturalismus, alles Existierende lasse sich naturwissenschaftlich erklären.

    Die Naturwissenschaft hat also aus dem Glauben eines Lukrez, es gebe keine übersinnlichen Phänomene und Wesen, mehr als einen Glauben gemacht, sondern diesen Glauben empirisch belegt: Nicht Aeolus, der Windgott der alten Griechen, ist für Winde oder gar Hurrikane verantwortlich, nein, es sind natürliche Phänomene, die heute sogar berechenbar sind.

    Auch heute ist der Naturalismus noch ein Glaube: der Glaube nämlich, dass diese Welt grundsätzlich nicht mit dem Eingreifen von übernatürlichen Wesen vereinbar ist. Ein Glaube aber, der nun sehr gut begründet ist. Denn jedes Eingreifen von aussen in diese Welt müsste beispielsweise mit Energieaustausch verbunden sein, ja jedes Eingreifen von aussen würde die Welt durcheinanderbringen, würde Naturgesetze verletzen. Einem heutigen Scherz gemäss könnte das Eingreifen von aussen in diese Welt dazu führen, dass plötzlich folgende Meldung am Himmel erscheint: Dieses Universum muss wegen einem Ausnahmeereignis geschlossen werden

  40. @Stephan: Wunder

    Aber wenn ich mir deine pragmatische Definition so anschaue, danke dafür, dann könnte ich zum Beispiel, nein, müsste ich!, wenn ich über die Biennale in Venedig laufe und mich von der Kunst ergriffen fühle, von einem Wunder sprechen.

    Das fände ich durchaus angemessen, wenn Du Dich ergriffen fühlst.
    Trotzdem sollte ich vielleicht, in der Hoffnung, Deinen impliziten Kritikpunkt verstanden zu haben, a) so anpassen: “Ereignisse, die im klaren Widerspruch zu den Naturgesetzen stehen, so wie sie den Zeugen zum jeweiligen Zeitpunkt bekannt sind”.
    Dann würde für mich ein Großteil der modernen Kunst beide Teilkriterien reißen. Die Kunstwerke stehen nicht im Widerspruch zu den bekannten Naturgesetzen, aber ihre Zeichensprache verstehe ich auch nicht.

  41. “Wenn man aber Erklärbares ausschließt, muss man an Unerklärbares glauben.”

    Man muss gar nichts man kann. Wenn Christen glauben das die Wiederauferstehung Gottes leiblich stattgefunden hat (ein Wunder in dem Sinne das das sonst niemals passiert ist) dann verwerfen sie halt die alternativen Erklärungen die es ja noch so gibt (Leiche geklaut und versteckt, Massenhalluzinationen etc.) . Ich wüsste jetzt nicht das die Naturwissenschaften so etwas “verbieten”, sie können einfach nichts sinnvolles dazu sagen. Es steht ihnen natürlich frei Menschen die so etwas glauben als gaga oder krank oder durch Gehirnwäsche verdorben zu bezeichnen aber das ist dann eine Privatmeinung. Christen die so etwas denken sind aber für die Naturwissenschaft nicht verloren da sie entweder davon ausgehen das Gott die Naturgesetze erschaffen hat (und sie nur in extremen Ausnahmefällen bricht, deistische Variante) oder das Gott die Dinge eben auf immer die gleiche Art macht. So Richtung Panentheismus.

  42. 11. Dogmatismus bringt die Diskussion nicht weiter und gilt es zu vermeiden.

    Wenn damit gemeint ist, die Dogmen selbst zum Thema zu machen, bringt die Diskussion nicht weiter, würde ich dem zustimmen. Aber jeder sollte herausfinden, auf welchen Dogmen sich sein Weltbild stützt und sich zu diesen bekennen. Dann ist von vornherein allen Beteiligten klar, auf welcher Basis diskutiert wird, ob sich eine Diskussion überhaupt lohnt.

    Auch die Urteile der Agnostiker beruhen letztlich auf Dogmen. Sowohl Teile der Empirie als auch der Logik machen sie sich zu eigen. Beides ist nicht voraussetzungslos.

    Als ein Dogma der Ethik würde sich anbieten, auch andere Dogmen zu tolerieren. Nicht unbedingt alle, z.B. nicht das Gegenteil dieses. Welche genau toleriert werden können, lässt sich mittels dogmatischer Lemmata klären.

    Bei gegenseitig tolerierten Dogmen lässt sich herausfinden, inwieweit trotz der unterschiedlichen Ausgangspunkte ein ‘Common Ground’ entstehen kann, ob und inwieweit z.B. Bereiche wissenschaftlicher Erkenntnis beidseitig anerkannt werden.

    Damit Ruhe einkehrt: Der ohne Dogma, bringe das erste Argument.

  43. Zitat Stepan Schleim:

    Nun gibt es theoretische wie empirische Gründe dafür, dass sich Bewusstseinszustände über das Gehirn ausdehen.

    Das Zentralnervensystem interagiert mit dem Körper. Insoweit ist es nicht verwunderlich, wenn der Darm plötzlich „spinnt“, wenn‘s im Hirn spinnt.
    Wer aber eine nicht physikalisch erklärbare Ausdehnung von Bewusstseinszuständen auf beispielsweise den Darm annimmt, der spricht über den Körper ähnlich wie es ein Theologe tun würde und nicht wie es ein Mediziner tun würde.

  44. @KRichard

    “Beim Auftreten von Charles Bonnet Syndrom Erlebnissen sind z.B. meist folgende Parameter vorhanden: schlechte Sehfähigkeit, ungenügende Beleuchtung und/oder Müdigkeit.
    Man nimmt an, dass unser Gehirn bei einem Mangel an Außenreizen damit beginnt, Inhalte des eigenen Gedächtnisses zu aktiveren – so dass diese der bewussten Wahrnehmung zugänglich werden.”

    Mit Verlaub: Das ist keine Antwort auf meine Fragen, die ich ganz gezielt so formuliert habe:

    “Können Sie genau darlegen, welche Vorgänge im Nervensystem dabei die geschilderten Wahrnehmungen hervorbringen? Und warum diese?”

    Denn (darauf wollte ich hinaus) Sie tun so, als ob Sie mit der Benennung (“Charles Bonnett-Syndrom”) bereits eine Erklärung geliefert hätten.

  45. @Konrad Lehmann

    Zugegeben, die Quantifizierung könnte ein wenig schwierig werden. Gepredigt wird allenthalben und zu allen Zeiten viel. Die Liebespredigten sind aber seit der Bergpredigt konstitutiver und prägender für das Christentum gewesen, und es haben auch mehr davon überlebt. Dagegen stehen doch eigentlich nur die Pamphlete dieses lästigen Augustinermönchleins.

    Och auch sonst wird gerne gegen Andere (Andersgläubige, Ungläubige usw.) gehasspredigt im Namen des Christentums. So selten ist das (leider) nicht.
    Das ist nicht nur im Umfeld von Trump oder Luther so.
    Als Beispiel kann man da z.B. Der den christliche Hassprediger Steven Anderson nennen. Der lobte den Attentäter, der im Pulse-Club 49 Menschen tötete usw. Das ist auch kein Einzelfall .. und solchen Leuten hören auch viel zu viele zu.
    Zu extrem? Ok – man findet Ähnliches auch bei Bischöfen, Päpsten usw. wenn z.B. ein Bischhof sagt „dritte Reich die Rettung des Abendlandes vor dem Chaos des Bolschewismus, asiatischer Barbarei“ und Hitler als Messias nennt. Oder ein Papst meint, die Indianer hätten sich die Errettung durch die Christen ersehnt … (Papst Benedikt XVI.)
    Religion der Liebe … tja wenn man beide Augen schließt … vielleicht.

  46. @Balanus
    Um zu verhindern, dass die Diskussion ausfasert, möchte ich sie auf das zurückzwingen, was ich für den Kernunterschied zwischen wissenschaftlicher und religiöser Weltsicht halte – und was Sie interessanterweise hartnäckig ausblenden:
    Eine naturwissenschaftliche Beschreibung und Erklärung der Welt enthält keinerlei Sinn, Bedeutung, Wert, Moral. Gutes altes Hume’sches Gesetz. Die Ordnung des Jahres in Wochen, die Anlässe zum gemeinsamen Feiern, der Glaube an die Sinnhaftigkeit meines Lebens, Martin Holzherrs Bekenntnis zur Liebe, die Würde des Menschen, die Verehrung der Vernunft – nichts von alledem finden Sie im Universum. Nichts davon ist Naturwissenschaft. Es sind alles erzählte Geschichten, die in das Leben von Menschen eingreifen. Manche davon sind Teil von Religionen, andere nicht: Das ist Zufall.
    Religionen liefern dem Menschen auf diesem Spielfeld das, was er zum Leben – und sogar zum Menschsein – braucht. Dass viele von ihnen außerdem noch poetische Erzählungen über Naturphänomene enthalten, ändert daran nichts.

  47. Kleiner Einstieg:

    1. Man braucht keinen Gott anzunehmen, um die Welt zu erklären; das wussten wir aber schon vorher (man denke an den berühmten Ausspruch des französischen Mathematikers Pierre-Simon Laplace im 18./19. Jahrhundert, die “Hypothese Gott” brauche er nicht).

    Ja, dazu hatte quasi Laplace schon alles gesagt.

    2. Was genau als befriedigende Erklärung gilt, führt hier zu weit; es ist eine eigene Forschungsfrage in der Wissenschaftstheorie. In unserer Diskussion kam häufig von naturalistischer Seite der Einwand, Phänomen X könne man naturwissenschaftlich – meist ist gemeint: physikalisch oder biologisch/evolutionär – erklären. Das Phänomen stelle also keinen Riss im naturalistischen Gefüge dar.

    Ist neben der Wissenschaftstheorie sicher auch eine individuelle Frage. Was der eine als ausreichend empfindet, reicht dem anderen noch lange nicht.

    3. Beispielsweise seien Menschen religiös, weil das einen evolutionären Vorteil (einen Überlebensvorteil) biete. Oft sind solche Erklärungen aber spekulativ und oberflächlich: Kann schon sein – muss aber nicht. Im dritten Teil hatte ich bereits darüber geschrieben, dass sich manche (viele?) wissenschaftliche Erklärungen beim näheren Betrachten als vorläufig erweisen. Von naturalistischer Seite sollte man konkretere Mindestanforderungen an wissenschaftliche Erklärungen formulieren; denn schon Popper wusste, dass eine Theorie, die alles Mögliche erklärt (etwa der Marxismus), eigentlich nichts erklärt.

    Man ist schlecht beraten wenn man bei allen möglichen kulturellen Dingen gleich die Evolution als Erklärung bemüht. Evolution ist für kulturelle Änderungen viel zu langsam.

    Wir hören ja oft das Argument: Was einen Vorteil sichern kann ist die Gruppenbildung. Wobei wir hier klar sehen sollten, dass der Vorteil für die Gruppe existiert oder den Anführer der Gruppe existiert, nicht unbedingt fürs Individuum. Wenn die Gruppe meint Krieg anfangen zu müssen und ich auf der Strecke bleibe, hab ich verloren, selbst wenn die Gruppe gewonnen hat oder der Anführer sich noch mal was einverleibt.
    Heisst wichtig bei Gruppenbildung ist, dem Individuum zu verschleiern, dass es u.U. ziemlich heftig draufzahlt. Dazu hilft eine „größere Idee“ und jegliche Formen von Ideologien sind dafür ganz hervorragend geeignet. Sie gaukeln dem einzelnen vor er sei Teil von was „Größerem“. Deswegen wurden und werden Religionen und alle möglichen -ismen hier immer wieder Verwendung finden.
    Ich fürchte das geht auch nicht weg, Primaten rotten sich eben in Gruppen zusammen 😉

    4. Die Kernaussage des Naturalismus, alles Existierende lasse sich naturwissenschaftlich erklären, führt sonst zu einer unzulässigen Immunisierung und einem Verstoß gegen Poppers Falsifizierbarkeitskriterium: Denn entweder wird der Standard für eine wissenschaftliche Erklärung dann so abgeschwächt, dass die Aussage beliebig wird, oder man verspricht die gewünschte Erklärung für irgendwann in der Zukunft. (Hier denke man an Poppers beflügeltes Wort vom “Schuldscheinmaterialismus.”)

    Na das Argument des Schuldscheinmaterialismus ist keines. Es liegt in der Natur des Wissenserwerbs nicht alles von Beginn an zu wissen. Sonst braucht man den Erwerb nicht.
    Wie ist das mit der „Falsifizierung“? Wenn Einstein Newton erweitert, hat er dann Newton falsifiziert, obwohl der in weiten Bereichen noch gilt? Oder sie entdecken einen neuen Reaktionsmechanismus irgendwo in der Chemie. Das macht die anderen nicht falsch, die schon zuvor bekannt waren.

    5. Religiöse und naturwissenschaftliche Aussagen können, doch müssen sich nicht zwingend widersprechen. Insofern hat die Mehrheit der Naturwissenschaftler Recht, die keinen (zwingenden) Konflikt oder sogar eine Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Religion und Wissenschaft sieht. Mehr braucht ein Gläubiger in dieser Diskussion erst einmal nicht zu zeigen; umgekehrt sollte ein Naturalist nicht so tun, als widerspreche Naturwissenschaft Religion schlechthin: Das ist falsch.

    Es kommt darauf an wie konkret die Aussagen sind bzw. ob sie überhaupt widerlegbares aussagen. Manche religiöse Aussagen sind eindeutig zu wider legen
    – Erde erst paar tausend Jahre alt
    – alle stammen von Adam und Eva ab
    – Aussagen des Kreationismus bzw. des ID usw.

    Wenn eine Religion jedoch sagt, alle Menschen sollten den Nächsten lieben. Ja, lassen wir so stehen. Was will da jemand widerlegen?

    6. Die Diskussion darüber, was die “Naturgesetze” genau ausschließen, hält an. (Ich verwende den Begriff in Anführungszeichen, da ich Gesetze für menschliche Konstrukte halte, die, in diesem Fall, Naturvorgänge und Naturkräfte formalisieren sollen.)

    Die schließen alles aus, was nicht in den Rahmen ihrer Beschreibung fällt.
    z.B.
    – Stein liegt auf Tisch und schwebt auf einmal nach oben (Tisch steht auf der Erde und nicht in der Raumstation)
    – versteinerter Computer in einer 1,3 Milliarden Jahre alten Schicht.
    – überlichtschnelle Neutrinos

    solche Dinge.

    Was sie nicht ausschließen (ok, dafür gibts auch keine Naturgesetze):

    – alle Menschen werden wenigstens Freunde und tragen dazu blaue Wollpullover

    7. Im Zusammenhang damit wird mein Standpunkt deutlicher, dass man diese “Naturgesetze” schlicht anpassen würde, wenn man regelmäßig “Wunder” beobachten würde. Meines Wissens sind Wunderberichte, wie man sie in verschiedenen religiösen Traditionen findet, aber nicht nach wissenschaftlichen Kriterien bestätigt. Umgekehrt sollten Philosophen, die von “naturgesetzlicher (Un)Möglichkeit” sprechen, die Kriterien hierfür genau angeben, um keine leeren Worthülsen zu verbreiten.

    Wunder wäre also etwas was den „Naturgesetzen“ direkt widerspricht. Um also obige Beispiele zu verwenden.

    – der Stein auf der Erde schwebt
    – der Computer ist da und 1,3 Milliarden Jahre alt
    – die Neutrinos sind tatsächlich schneller als Licht

    – alle Menschen werden Freunde und tragen dazu blaue Wollpullover würde zwar als Wunder aufgefasst, dem hatten Naturgesetze aber nie widersprochen 🙂

    8. Offen bleibt die Frage und geht hier auch zu sehr ins Detail, was überhaupt als “Wunder” angesehen werden könnte. (Auch hierzu gibt es eine reichhaltige philosophische Diskussion, z.B. beim Schotten David Hume.)

    siehe 7.

    9. In Anbetracht dieser Tatsachen scheint es mir nicht prinzipiell irrational, an etwas Göttliches zu glauben.

    Was ist denn irrational in dem Zusammenhang? Wäre das eine Entität die in wahrnehmbare Welt eingreifen kann? Also „lässt Stein schweben“ oder wäre dies etwas das „irgendwas, irgendwie, irgendwo anders“ wäre?

    10. Diesen Glauben kann man aber nur für sich selbst individuell und nicht allgemeinverbindlich für alle begründen.

    Ja

    11. Dogmatismus bringt die Diskussion nicht weiter und gilt es zu vermeiden. Insbesondere gefährdet Dogmatismus mit seiner Verabsolutierung das tolerante und friedliche Zusammenleben der Menschen.

    Völlig richtig

    12. Aufgrund dieser Punkte scheint mir der Standpunkt des Agnostikers, wie im dritten Teil dieser Serie nach dem Biologen und Philosophen T. H. Huxley definiert, als der vernünftigste.

    Nein. Er ist möglich, aber nicht vernünftiger als Theist oder Atheist. Müsste man näher beleuchten wie das unter 9. angerissen ist

    13. Im Detail bliebe zu klären, inwiefern sich dieser Standpunkt mit dem des Kritischen Rationalismus deckt. (Falls es jemanden interessiert.)

    Interessiert

    14. Pragmatiker könnten einen Schritt weitergehen und aus praktischen Gründen an etwas Göttliches glauben. Das Argument hierfür lieferte außgerechnet ein Naturalist: Denn bestimmte religiöse Praktiken würden einen Überlebensvorteil bieten. In einer philosophischen Pattsituation könnte das den Ausschlag geben. Tatsächlich sehen wir nicht nur ein stetiges Zunehmen der Weltbevölkerung, sondern insbesondere auch der Anzahl der Gläubigen. Mein Ko-Blogger Michael Blume beschäftigte sich früher mit den praktischen Vorteilen von Religionen in seinem Blog Natur des Glaubens.

    Dabei ist aber verblüffend, dass ausgerechnet Michael Blume eigentlich etliche Beiträge brachte in welchen er eine zunehmende Säkularisierung feststellt und das nicht nur in Europa und USA sondern auch in islamischen Ländern.

    https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/saekularisierung-im-islam-verfolgung-von-ex-musliminnen-agnostikern-atheistinnen/

    https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/saekularisierung-und-dekarbonisierung-thesen-aus-islam-in-der-krise-werden-debatt

    https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/in-den-usa-fuehren-nun-erstmals-konfessionsfreie-buerger/

    Damit sage ich nicht, alle Religionen fallen aus, aber dass sie anteilig mehr werden ist nach diesen Quellen bei weitem nicht sicher.

  48. @einer
    Meinen Kommentar zu Ihrem Beitrag haben Sie ja oben drüber bereits zitiert.

  49. @Johannes

    Wenn Christen glauben das die Wiederauferstehung Gottes leiblich stattgefunden hat (ein Wunder in dem Sinne das das sonst niemals passiert ist)

    Niemals? Sogar in der Bibel ist das mehrfach vorgekommen!
    Lazarus, Elija, der Sohn der Witze von Sarepta, die Tochter des Jaïrus, der Jüngling von Nain, Tabita …
    Elija ist ja direkt in den Himmel entrückt, die anderen aber haben ihren Körper “auch” wiederbekommen. (dafür erweckt der Leichnam Elijas quasi “aus versehen” einen Toten durch Berührung)

  50. “Niemals? Sogar in der Bibel ist das mehrfach vorgekommen!”

    Sie meinen wahrscheinlich in der Bibel wird das mehrmals beschrieben.

    Ansonsten die Frage: Wollen sie jetzt was zu dem schreiben was ich geschrieben habe oder irgendwelche herbeihalluzinierten “Ungenauigkeiten” und Nebensächlichkeiten mit Halbwissen über religiöse Schriften “entlarven”?

  51. Zur Weismann-Doktrin

    Weil es mir gerade im Bücherregal auffiel, noch ein paar Details zu meinem Beispiel aus dem Buch “Evolutionstheorien” von Franz M. Wuketits (inzwischen verstorben; früher übrigens Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung):

    4.7 Das “Zentrale Dogma der Molekularbiologie”

    Auf S. 57 war die Rede von der Weismann-Doktrin. Diese findet in der Synthetischen Theorie ihre Entsprechung im Zentralen Dogma der Molekularbiologie (auch erster Hauptsatz der Molekularbiologie). In gewissem Sinne war darin die Weismann-Doktrin in die Sprache der Molekularbiologie bzw. -genetik übersetzt. In Kurzform:

    DNS → RNS → Protein (→ Organismus)

    Die “Fließrichtung” der genetischen Information ist damit festgelegt von der DNS über die RNS zu den Proteinen, die letztlich für den Aufbau des Organismus zuständig sind. Eine umgekehrte “Fließrichtung” wird ausgeschlossen – und ausgeschlossen wird damit wieder einmal der Lamarckismus, zumal die Idee einer Vererbung erworbener Eigenschaften.

    Wuketits, F. M. (1988), Evolutionstheorien: Historische Voraussetzungen, Positionen, Kritik. S. 78. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt.

    Mit anderen Worten: Lange Zeit hielt man es für naturgesetzlich unmöglich, dass Information in die andere Richtung “fließen” kann (vom Organismus in die DNS). Hier spielte auch der Kalte Krieg herein, denn der Lamarckismus war in der Sowjetunion populär.

    Mir ist noch ein Molekularbiologe und ehemaliger Institutsdirektor begegnet, der diesen “Gesinnungswechsel” in seinem Fach miterlebt hat und sich über das Tempo wunderte, mit dem man das, was man jahrzehntelang kategorisch ausgeschlossen hatte, plötzlich als Normalität ansah. Vielleicht, weil es auf einmal Fördermittel dafür gab?

  52. @Konrad Lehmann

    Eine naturwissenschaftliche Beschreibung und Erklärung der Welt enthält keinerlei Sinn, Bedeutung, Wert, Moral.

    Ist das so?

    Thesen wie „Ohne Gott keine Moral“, „Die westlichen Werte entstammen dem Christentum“ und „Keine Ethik ohne Religion“ machen glauben, unserer Gesellschaft stehe eine moralische Orientierungslosigkeit und gar Verrohung bevor. Die Realität widerlegt dies …

    https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/ethik-ohne-gott-keine-moral/

    Nur mal so als Denkansatz 😉

  53. @ Konrad Lehmann:

    Sinn, Bedeutung, Wert, Moral sind individuelle Kategorien, die sind nicht zu verallgemeinern und schon aus dem Grund nichts was eine Methode Naturwissenschaft erklären kann. Oder sie stellt schnell fest, dass die Menge der beeinflussenden Größen sehr schnell alles praktisch beherrschbare übersteigt. Das kennt jeder der mit Modellen arbeitet (z.B. Klima, Algenblüten oder turbulente Bereiche im Herz-Kreislauf-System). Ist dann bei Gehirn und davon abgeleitet Psyche und Verhalten ebenso. Ginge vielleicht theoretisch, praktisch vermutlich nicht.

    Sinn, Bedeutung, Wert, Moral können aber auch Religionen nicht alleine erklären; denn selbst innerhalb einer religiösen Gruppe sind die unterschiedlich oder haben z.B. alle Katholiken wirklich die gleichen Werte oder die gleiche Moral?

  54. @Joker: Dogmatismus

    Wie gut, dass es dich gibt; gewissermaßen als mein Über-Ich. 😉

    Doch unterscheiden wir Dogmen und Dogmatismus; und nennen wir Dogmen ohne Dogmatismus vielleicht besser Axiome (Grundannahmen). Dann hast du Recht, ja: Ohne bestimmte Grundannahmen kommt niemand aus.

    Insofern stimmte ich dir zu, dass wir unsere Grundannahmen transparent machen sollten, ja müssen!

    Problematisch wird es meiner Meinung nach erst dann, wenn wir daraus einen Ismus machen: eben einen Dogmatismus (Haften an Dogmen) oder einen Absolutismus (Denken, die eigenen Dogmen müssten für alle gelten).

    Konsens?

  55. @einer: gottlose Moral

    Sie übersehen hier, dass Konrad Lehmann Moral nicht an Religion koppelte, sondern umgekehrt herausarbeitete, dass Moral nicht (jedenfalls nicht: ausschließlich) naturwissenschaftlich begründet werden kann. Letzteres stimmt.

    Ihr Gegeneinwand schlägt nicht durch, da es ja noch andere Orientierungssysteme gibt, etwa den Humanismus und in letzter Instanz das (übrigens philosophisch und religiös begründete) Strafrecht.

  56. @Neher: Gesetze…

    …gelten doch gerade allgemein, d.h. über-individuell (z.B. ist Diebstahl nicht nur einem Schleim oder Neher verboten, sondern allen Menschen).

    Ich verstehe auch Ihre Forderung nach moralischer Einheitlichkeit nicht. Hier befinden wir uns eben im Reich der Hermeneutik, wo unterschiedliche Subjekte Sachverhalte unterschiedlich verstehen und deuten.

    Die Frage nach dem moralischen Realismus und Universalismus ist übrigens ein eigenes Forschungsgebiet in der Meta-Ethik.

  57. @Stephan Schleim:

    Sorry für die Textwand vorhin. Mein Fehler

    Epigenetik
    Bitte nicht die Epigenetik für “gesetzt” halten. Die ist gerade innerhalb der Molekularbiologie ziemlich heftig umstritten und die Frage ist hier tatsächlich richtig, ob hier nicht nur ein buzzword dazu benutzt wird, ziemlich alten Wein im neuen Schlauch nochmal zu verkaufen.

    Mark Ptashne erklärt es hier sehr schön (und fully reviewed). Ist aber lang und geht schon ziemlich ins eingemachte.
    Epigenetics: Core misconcept
    https://www.pnas.org/content/110/18/7101

  58. Moral und Ethik haben einen kulturellen Ursprung, letztlich sogar einen anthropologischen: Der Mensch als Geschöpf ist gekennzeichnet dadurch, dass er sich von allen anderen Geschöpfen durch eine hohe Kooperationsbereitschaft allein auf freiwillger Basis (im Gegensatz etwa zu Ameisen) auszeichnet. Damit Kooperation und Bereitschaft zu gegenseitiger Hilfe nicht wegen niederen Gründen geopfert wird, wurde Ethik und Moral geschaffen. Oft steht hinter ethisch/moralischen Überlegungen der Grundgedanke, dass man anderen nichts antun sollte, was man sich selbst und seinen Freunden und Familienmitgliedern auch nicht antun wurde. Anders formuliert: Betrachte alle Menschen als deine Familienmitglieder. Oder wie das Kant formulierte: “ Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

  59. @Schleim: Moral

    Ja, natürlich, deshalb sagte ich ja, dass NAWi keine individuellen Aussagen macht.

    Ist keine Forderung, ist eine Erläuterung. Wenn das alles individuell beliebig anpassbar ist, dann KANN ich Religion dazu verwenden oder irgend einen anderen nicht-religiösen Rahmen. Das ich mich in einer Gruppe Lebewesen nicht lange halten kann, wenn ihnen denen ständig in ihr Leben marodiere (Mord, Diebstahl, Betrug usw.) ist recht nachvollziehbar und durch zahllose Beispiele der Verhaltensforschung auch belegbar. Entweder ich halte mich als Individuum dann an diese Regeln oder werde von der Masse neutralisiert. Das “weiss” jede sozial organisierte Lebensform. Oder haben Primaten, Vögel und Ameisen auch Religionen?

  60. @Schleim: Zunahme von Religiosität (dazu Michael Blume)

    Zu ihrem Punkt 14.:

    Dabei ist aber verblüffend, dass ausgerechnet Michael Blume eigentlich etliche Beiträge brachte in welchen er eine zunehmende Säkularisierung feststellt und das nicht nur in Europa und USA sondern auch in islamischen Ländern.

    https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/saekularisierung-im-islam-verfolgung-von-ex-musliminnen-agnostikern-atheistinnen/

    https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/saekularisierung-und-dekarbonisierung-thesen-aus-islam-in-der-krise-werden-debatt

    https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/in-den-usa-fuehren-nun-erstmals-konfessionsfreie-buerger/

    Damit sage ich nicht, alle Religionen fallen aus, aber dass sie anteilig mehr werden ist nach diesen Quellen bei weitem nicht sicher.

  61. @KRichard 02.03.2021, 12:51 Uhr
    Was soll denn das?

    Was ich kritisiere ist die Art und Weise wie Herr Grams und Sie auf manipulative Art nur eine einseitige Sichtweise suggerieren: dass es unerklärliche, nichtphysikalische Phänomene geben muss.

    Ein Agnostiker suggeriert Unerklärliches? Da müssen Sie etwas falsch verstanden haben.

  62. “Das Christentum ist bekanntlich die Religion der Liebe, …”

    Die Geschichte des Christentums ist eine Abfolge von Mord & Totschlag und anderen Untaten . Eine typische Religion des Hasses und der Verachtung von Andersdenkenden.

    Als Einstieg empfehle ich als Lektüre das 10bändige Werk “Kriminalgeschichte des Christentums” von Karlheinz Deschner. Unbedingt den das Sach- und Personenregister mitbestellen, da man sonst Gefahr läuft , durch die Verbrechen der Christen nicht mehr durchzusteigen.

  63. Erwin Neher
    02.03.2021, 14:00 Uhr
    Epigenetik

    Hier sieht man deutlich, was dabei herauskommt, wenn man immer kleinere Skalen untersucht und dort Kausalitäten sieht, die eine Ebene höher, in der Emergenz des Systems liegen.
    1. Warum verstehen wir Leben nicht? Weil die erste Zelle Eigenschaften hat, welche anders sind als die der konstituierenden Moleküle
    2. Wenn ich auf einen Gegenstand schaue und nur wahrnehme, wie er sich verhält, kann ich das Verhalten nicht gleichsetzen mit diskreten Gesetzmäßigkeiten.
    3. Wenn alles genetisch festgelegt ist (was übrigens widerlegt ist) woher beziehen dann die Gene ihre “Information”?
    Wir sind wieder beim Problem der Emergenz. Evolution ist eine Abfolge von emergenten Zuständen, welche jeweils Ausgangspunkte weiterer Entwicklung ist. Die Epigenetik macht einen ersten, aber nicht ausreichenden Schritt in die richtige Richtung. Wäre alles endogen verursacht, also auch Krankheiten, könnte die Spezies nicht überleben, sie wäre vom “inneren” Zufall gebeutelt.

  64. @Erwin Neher

    “Oder haben Primaten, Vögel und Ameisen auch Religionen?”

    Stephan hat dankenswerterweise schon geklärt, dass ich nicht behauptet habe, jede Form von Sinn oder Moral müsse religiös begründet sein. Sondern nur, dass keine sich ausschließlich naturwissenschaftlich begründen lässt. Es gibt weitere Erzählungen neben den Religionen, die Menschen glauben.
    Trotzdem ist moralisches Verhalten auch beim Menschen häufig nicht-rational (im Sinne von: nicht sprachlich überlegt) motiviert: Wir fühlen einfach, was richtig wäre, weil es uns anerzogen wurde. Das dürfte die Form von Gruppenmoral sein, die man auch bei sozialen Tieren findet.
    Der Mensch tut aber noch mehr: Er denkt darüber nach und diskutiert, was gut und böse ist – eine Fähigkeit, die ihn bekanntlich dummerweise aus dem tierlichen Paradies vertrieben hat. Der Mensch kann seine andressierten Gewohnheiten reflektieren und überwinden, wenn Überlegung ihn dazu bringt. Da winkt schon wieder Popper aus der Kiste: Welt 3. Und wenn wir in dieser dritten Popperschen Welt über Moral oder Sinn sprechen, dann beruht das immer auf Erzählungen – die Tiere nicht haben. Ebensowenig wie den anderen großen Batzen in Welt 3, die Naturwissenschaft.

    Zum Thema Epigenetik: Ptashne kritisiert bloß die unklare Verwendung des Begriffs. Es stimmt, dass es “Epigenetik” schon lange gibt. Früher meinte man damit nur Veränderungen an der DNA, die innerhalb eines Organismus die Spezialisierung verschiedener Zelltypen bewirken. Seit einigen Jahren aber weiß man, dass es epigenetische Vererbung gibt: Die erworbenen epigenetischen Veränderungen werden über mehrere Generationen weitergegeben, wirken sich phänotypisch aus, und widerlegen damit die Weismann-Doktrin. Darauf wollte Stephan hinaus.
    Mich hat das hellauf begeistert, wie da einer der vier Grundpfeiler der synthetischen Evolutionstheorie krachend weggebrochen ist. So macht Wissenschaft Spaß.

  65. @Michael

    “Die Geschichte des Christentums ist eine Abfolge von Mord & Totschlag und anderen Untaten.”

    Ach, papperlapapp. Die Geschichte der Menschheit ist eine Abfolge von Mord & Totschlag und anderen Untaten.
    Das ist völlig unabhängig davon, was die Menschen irgendwo und irgendwann gerade geglaubt haben. Aber die meisten Religionen haben sich immerhin bemüht, das allgemeine Schlachten zu zähmen. Mit wechselndem Einsatz, und wechselndem Erfolg.

  66. @Neher: Epigenetik

    Danke für den interessanten Link; so muss das sein. War doch okay, was Länge & Tiefe betrifft.

    Erstens: Wo der Autor den Standpunkt vertritt, man müsse auch Begriffe wie “epigenetisch” kritisch reflektieren, rennt er bei einem Philosophen natürlich offene Türen ein.

    Zweitens: Der Autor nennt, bei aller Kritik, selbst ein Beispiel für die Vererbung erworbener Eigenschaften, nämlich über RNA-Stücke im Sperma. (“The mechanism turns out to be the transmission of small bits of RNA carried in the sperm.”) Mit anderen Worten: Das würde zwar der Epigenetik, nicht dem aber dem Lamarckismus widersprechen.

    Drittens: Es ist schade, dass der Autor die Beispiele der Methylisierung von DNS-Abschnitten, wodurch diese nicht mehr ausgelesen werden, aus dem Text ausklammert.

    Allgemein: Wir wollen natürlich auch die Epigenetik nicht zum Dogma erheben. Der Artikel stammt aus dem Jahr 2013. Und ich bin kein Biologe. Man könnte noch einmal den Wikipedia-Artikel zur Epigenetik überfliegen.

    Wenn sich am Ende herausstellen sollte, dass die Weismann-Doktrin bzw. eine ähnliche Doktrin bzw. das “Zentrale Dogma der Molekularbiologie” bzw. ein ähnliches Dogma gilt, dann werde ich meinen Standpunkt natürlich revidieren.

  67. @Michael, einer: Asymmetrie

    Es ist asymmetrisch, unwissenschaftlich und unfair, bei der Beurteilung einer Gruppe nur die Untaten und nicht die Wohltaten zu bilanzieren. Deschners Werk in allen Ehren – wer bestreitet denn heute noch, dass im Namen von Religionen Schlimmes passiert? Im Namen des Wirtschaftswachstums oder der Wissenschaft übrigens auch. Denken Sie darüber einmal nach.

    P.S. Erst wurden Wellen sexuellen Missbrauchs von Kindern in den Kirchen aufgedeckt; dann folgten die Vereine. Die meisten Fälle dürften in den Familien passieren, schlicht weil dort am meisten Kinder einem Machtgefälle ausgesetzt sind. Diese Institutionen sehen Sie dann hoffentlich auch kritisch. Fakt ist, dass Menschen Verbrechen begehen – und diese manchmal religiös rechtfertigen (manchmal unter Berufung auf einen König, ein Vaterland, eine wissenschaftliche Rassenideologie u.v.m.).

  68. @Moral

    Eine praktische Moral, die die Folgen eines bestimmten Handelns im Blick hat, ist doch auch religionslos begründbar. Es ist z.B. bei Angelegenheiten wie Diebstahl ziemlich universal, dass dieses sanktioniert wird. Auch der Kampf gegen den Klimawandel wird inzwischen von den meisten Kirchen als notwendig betrachtet.

    Insbesondere der ganze Humanismus ist doch teilweise religionsneutral. Wenn die Psychologie feststellt, dass auch Behinderte Beschäftigung brauchen, auch wenn sie dabei kaum produktiv bzw. wettbewerbsfähig sein können, so meint dann auch die Kirche, dass das eine gute Sache ist. So gibt des dann auch viele konfessionelle Betriebsstätten für Behinderte. Genauso wie Säkulare, etwa von der AWO.

    Das ist auch mehr als nur ein Geschäft, auch wenn es das auch ist. Die Behinderten kommen alle an, und wollen da arbeiten.

    Und wenn es um die grundsätzliche Wirtschaftsweise geht, so ist hier neben allgemein moralischen Erwägungen, z.B. der Idee von Gerechtigkeit, auch noch die spezielle tatsächliche Dynamik der Wirtschaft ein gewichtiges Argument. Wenn mittelfristig auch die ärmeren Menschen von einer prosperierenden Wirtschaft profitieren, dann ist das ein gewichtiges Argument.

    Auch die Menschenrechte kommen primär aus dem Humanismus und wurden eher gegen den Widerstand der Kirchen durchgesetzt. Allerdings wohl eher aufgrund der doch erheblichen Verkommenheit des derzeit aktuellen Zustandes der Kirchen. Aber Konkurrenz belebt das Geschäft: inzwischen sind die hiesigen Kirchen voll auf der Linie mit den Menschenrechten. Aus Vernunft und aus Notwendigkeit, wenn sie nicht völlig in der Versenkung verschwinden wollen.

    Und auch seit fruchtbar und mehret euch plus macht euch die Erde untertan wird heute von den meisten Kirchen angesichts der Kenntnis von den ökologischen Grenzen dieses Planeten anders gesehen, als noch vor 50 Jahren.

  69. @Stephan Schleim
    01. Mrz 2021

    Von der Formulierung #14
    >>Pragmatiker könnten einen Schritt weitergehen und aus praktischen Gründen an etwas Göttliches glauben. Das Argument hierfür lieferte außgerechnet ein Naturalist: Denn bestimmte religiöse Praktiken würden einen Überlebensvorteil bieten. In einer philosophischen Pattsituation könnte das den Ausschlag geben.<<
    fühle ich mich angesprochen, möchte allerdings aus meiner Sicht und für mich etwas präzisieren: Ein Gottesglauben oder eine religöse Vorstellung an ein ( beschützendes, schirmendes ) höheres Wesen ist kein primärer Überlebensvorteil, sondern eher sekundär. Aus einem mir nicht bekannten Grund sind wir Menschen augenscheinlich die einzigen Lebewesen, die in die weitere Zukunft "denken" können und so die Unwägbarkeiten der Zukunft auf unsere aktuelle Existenz wahrnehmen, was in früheren Menschheitszeiten ohne Vorratshaltung, medizinische Versorgung, geregeltes Einkommen oder Rente etc sicher ausgesprochen beunruhigend war. Ich möchte es bildhaft so formulieren: Beim "Sturm auf das Mammut" hilft es sicher, im Gefühl der Geborgenheit mental frei, schnell und sicher, unbeeinflusst von hemmenden Gefühlen, agieren zu können, insofern sehe ich Religiosität als ( zwar an dieser Stelle vielleicht primär zu nennenden ) möglichen ( generell sekundären ) Überlebensvorteil.
    In anderen Formen der Kommentare finde ich mich absolut nicht wieder, wiederum bildhaft:
    Wir reden da über die Form der Tasse, ihre Farbe, ob sie nun keinen, einen oder zwei Henkel habe und welche Bedeutung das für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft hat.
    Für mich ist eine Tasse ein Gegenstand, primär zu Aufnahme und zum Transport schüttfähiger Materialen, bevorzugt Flüssigkeiten, speziell trinkbarer Flüssigkeiten. Ein Henkel ergibt Sinn, wenn der Inhalt und in Folge dessen die Tasse selbst heiß ist. Wegen der Haltekräfte bei einer großen Tasse machen auch zwei Henkel Sinn.
    Meine Fragen gehen eher dahin, wer ( zum ersten Mal ) eine Tasse wie hergestellt hat und welche Materialeigenschaften dazu führen, dass es die Tasse gibt und sie ihre Funktion erfüllen kann.

  70. @Konrad Lehmann

    Aber die meisten Religionen haben sich immerhin bemüht, das allgemeine Schlachten zu zähmen. Mit wechselndem Einsatz, und wechselndem Erfolg.

    Das “Zähmen” ist aber gerade bei den Kirchen des Christentums sehr schwer erkennbar.
    Da ist schon sehr viel im Namen des Christentums geschehen.
    Und die Unterscheidung zwischen Religion und deren Organisationen ist auch nicht ganz richtig.
    Wenn eine Religion soviel Macht bekommt, sich vollends entfalten zu können … dann sieht man halt wohin das führt. Fast 2000 Jahre hatte das Christentum … wohin der christliche Antijudaismus geführt hat, wissen wir ja – das ist nicht meine Privatmeinung, es gibt genügend Literatur die das belegt.z.B. Peter Schäfers “Kurze Geschichte des Antisemitismus”.

    Doch das eigentliche Drama beginnt mit der Entstehung des Christentums aus dem Judentum. Schäfer macht bewusst, dass der christliche Antijudaismus kein marginaler Punkt ist, der sich leicht aus der christlichen Lehre entfernen ließe. … während die Passionsgeschichte die Schuld des gesamten jüdischen Volkes an der Kreuzigung zeigt. Im Johannesevangelium sind die Juden dann schon Söhne der Finsternis … Von diesen Prämissen entfaltet sich das welthistorische Drama, das Schäfer bis zur Shoah.

    Oder wie Jesus gesagt haben soll “An ihren Taten sollst du sie erkennen.”

  71. @Stegemann: Emergenz

    Sie müssen hier schon sehr deutlich werden was exakt sie meinen wenn sie sagen “wir verstehen Leben nicht”. Sonst ist das eine Floskel.
    By the way geht kein Naturwissenschaftler davon aus, vom Glucosemolekül direkt auf den Goldhamster schliessen zu können. Das über lassen die den Philosophen 😉

    Wer hat gesagt dass alles genetisch festgelegt sei? Und falls doch, was meint das, Abfolge der Nukleotide, mit / ohne Regulation, bis zu welcher Strukturebene usw.

    “Information” ist ihre Interpretation einer Abfolge

    3648826 kann beliebig sein oder eine Telefonnummer. Der Kontext ist entscheidend.

    Emergenz ist kein Problem, sondern in NaWi gang und gäbe und absolut kein Geheimnis. Man muss aber dazu sagen dass NaWis immer schwache Emergenz meinen.

  72. @Stephan Schleim

    Es ist asymmetrisch, unwissenschaftlich und unfair, bei der Beurteilung einer Gruppe nur die Untaten und nicht die Wohltaten zu bilanzieren.

    Die Kirchen nennen immer nur ihre angeblichen Wohltaten … ergo das ist nur ein Ausgleich.

    Deschners Werk in allen Ehren – wer bestreitet denn heute noch, dass im Namen von Religionen Schlimmes passiert? Im Namen des Wirtschaftswachstums oder der Wissenschaft übrigens auch. Denken Sie darüber einmal nach.

    Das nette dabei ist ja, dass in den meisten westlichen Ländern und Konzernen wieder Christen an der Macht sind … ergo eine neue Kategorie öffnen, hilft da nix.

  73. @Neher: “Sie müssen hier schon sehr deutlich werden was exakt sie meinen wenn sie sagen “wir verstehen Leben nicht”. Sonst ist das eine Floskel.”

    Gegenfrage: Verstehen Sie, was Leben ist? Warum entsteht aus toter Materie Leben? Was ist daran eine Floskel?

  74. @einer
    Einen Teil meiner Antwort hat Stephan schon unter dem Stichwort “Asymmetrie” geschrieben.
    Es gibt wahrscheinlich keine große Institution in der Menschheitsgeschichte, in deren Namen und Interesse nicht furchtbare Greueltaten begangen worden sind. Warum sich eine davon rauspicken? Weil sie (hierzulande) ein einfaches Opfer darstellt?
    Aber ich möchte den Spieß einmal umdrehen. Wie ich schon schrub, verdanken wir den Religionen auch einige der herrlichsten Früchte des menschlichen Geistes – sei es in den Künsten, sei es auch in der Nächstenliebe. Mir fällt hingegen beim besten Willen (da ich ja eigentlich durchaus nicht religiös i.e.S. bin, suche ich da durchaus offen) kein einziges großes, bedeutendes Werk ein, das atheistisch motiviert wäre. Vermutlich, weil “atheistisch motiviert” eine contradictio in adiecto ist. Können Sie mir eines nennen?

    (Mir fallen da immer nur die Bankentürme von Frankfurt und New York ein. Aber erstens ist das künstlerisch doch ziemlich erbärmlich, und zweitens muss man einräumen, dass sie dem alten, trüben Gotte Mammon geweiht sind.)

  75. @Konrad Lehmann:

    Ja klar, wie sollte denn auch eine individuelle Vorliebe durch eine allgemeine Gesetzmäßigkeit begründet werden?
    Ebenso klar ist der große Anteil von nicht-rationalen Bestandteilen in menschlicher Moral. Schon weil es ja anerzogen wurde. Vieles ist ja durch normative Gesetze geregelt oder wird ggf. sanktioniert was die “Gruppe” stört (Mord, Diebstahl, Betrug, Steuerhinterziehung usw.).

    Es ist schon klar, dass unser Gehirn mehr kann, ausgebaute Feedbacksysteme hat, reflektiert, Dinge merkt, plant usw. und sogar Techniken entwickelt die das alles noch um Größenordnungen verstärken. Wir sitzen hier ja am Computer.

    Wir wollen die Leute hier nicht mit Epigenetik langweilen.
    Nur so viel: Epigenetische Vererbung wäre ein “Problem” für die aktuelle Evolutionstheorie, wenn sich die Veränderung durch Methylisierung oder Histon-Modifikationen über tausende von Generationen halten würden. Das ist aber nicht der Fall. Nach max. ca. 10 Generationen sind sie wieder am Ausgangszustand.
    In sofern macht es also für die Population keinen Unterschied. Wenn sie diese Veränderung nicht in der DNA-Sequenz fixieren ändert sich dauerhaft gar nichts.

    Oder kennen sie ein Beispiel?

  76. Was haben wir denn hier ? Einen Eintopf an Garem und Halbgarem.
    Wunder neben Epigenetik, Vorwürfe gegen die Kirchen , das Charles Bonnet Syndrom und ganz oben die Wissenschaft, die alles erklären kann. Von der fehlenden Moral der Ameisen ohne Religion ist die Rede. Und die Auferstehung Christi nicht zu vergessen.

    Religion oder Naturalismus ? Ohne Begriffsdefinitionen kommen wir nicht mehr aus. Vorallem leidet diese Diskussionsrunde unter den verschieden Vorstellungen von und über Religion.

    Johannes hat ja den mutigen Versuch gemacht, die christliche Religion zu skizieren. Das Thema Religion schließt ja auch noch die jüdische Vorstellungswelt ein, wonach Jesus nur ein Prophet ist.
    Vorallem sollte man sich vor Augen halten, dass die Evangelisten nur Menschen waren und das Neue Testament frühestens 30 Jahre nach dem Tode Jesu entstanden ist. Mit diesem Hintergrundwissen sollte man nicht zu viel spekulieren was ein Wunder ist, ob es überhaupt stattgefunden hat und ob mit Wunder nur bezeichnet werden soll, dass Jesus der erwartete Messias ist.

    Und jetzt, erst jetzt , kommt der Begriff „Glauben „ zu seiner Krönung. Wer bei all bei den genannten Zweifeln zu der Auffassung steht, ja, Jesus ist der Sohn Gottes und er hat sich für die Menschen geopfert, der glaubt wie ein Christ.
    Wer nur an den transzendenten Gott glaubt, der ist eher Pantheist und wer an das Gute im Menschen glaubt, der ist Humanist. (wer gar nichts glaubt, der ist Nihilist)

    Haben wir jemanden vergessen ?

  77. @Erwin Neher

    “Nach max. ca. 10 Generationen sind sie wieder am Ausgangszustand.
    In sofern macht es also für die Population keinen Unterschied. Wenn sie diese Veränderung nicht in der DNA-Sequenz fixieren ändert sich dauerhaft gar nichts.
    Oder kennen sie ein Beispiel?”

    Noch nicht. Mein Gefühl für wissenschaftliche Revolutionen sagt mir, dass das noch kommen wird.
    Über den Stellenwert epigenetischer Vererbung in der Evolutionstheorie könnte man debattieren. Aber Sie haben recht: Wir sollten dahin nicht abschweifen.

  78. @Neher: Textwand & Blume

    Ich verstehe jetzt erst, was Sie meinen. Irgendjemand hatte hier irgendwann den Einfall, dass Kommentare mit >2 Links automatisch als Spam markiert werden.

    Ich habe Ihre “Textwand” mit Interesse gelesen und lasse das jetzt einmal so stehen. Michael Blume wird seine Gründe dafür haben, wenn er eine zunehmende Säkularisierung in bestimmten, auch islamischen Ländern sieht. Global gesehen scheint das bisher jedenfalls kaum ins Gewicht zu fallen.

    (Textwand & Blume – Wäre das zusammen nicht ein Mauerblümchen?)

  79. @Neher: P.S. Globale Religionen

    In China, immerhin dem bevölkerungsreichsten Land der Welt, gibt es zurzeit eine Umkehr: Nachdem das kommunistische Regime Religionen lange unterdrückt hat, öffnet man sich jetzt wieder für den Buddhismus. Manche werden sagen, das habe mit Tourismus zu tun; andere werden erwidern, Buddhismus sei ja gar keine Religion. Tja.

    P.S. Wenn man in Indien, dem zweitbevölkerungsreichsten Land der Welt, ein Visum beantragt, muss man seine Konfession angeben. Die Wahlmöglichkeit “Atheist” gibt es meiner Erinnerung nach nicht. Ich musste jedenfalls “andere” ankreuzen und habe dann “agnostisch” eingetragen.

  80. @Konrad Lehmann

    Es gibt wahrscheinlich keine große Institution in der Menschheitsgeschichte, in deren Namen und Interesse nicht furchtbare Greueltaten begangen worden sind. Warum sich eine davon rauspicken?

    Gibt eine mit den christlichen Kirchen vergleichebare Institution, die ähnlich viel verbrochen hat?

    Weil sie (hierzulande) ein einfaches Opfer darstellt?

    Ich gebe zu, wenn mir der Scheiterhaufen drohen würde, würde ich nichts derartiges sagen.

    Mir fällt hingegen beim besten Willen (da ich ja eigentlich durchaus nicht religiös i.e.S. bin, suche ich da durchaus offen) kein einziges großes, bedeutendes Werk ein, das atheistisch motiviert wäre. Vermutlich, weil “atheistisch motiviert” eine contradictio in adiecto ist. Können Sie mir eines nennen?

    Wer mir da als Künstler so einfällt:
    Goethe, Bertold Brecht, Ernest Hemingway, Stanisław Lem, Wagner, Verdi, Ravel, Brahms, Schubert, Leonard Bernstein, Claude Monet …
    zählt einer davon?

    Man darf natürlich nicht vergessen, dass es geschäftsschädigend sein kann, wenn man offen nicht glaubt. Daher sind die Belege ggf. nicht einfach.

    Ah die Frage war nach einem atheistisch motiviertem Werk, also eher nicht-religiös, richtig? Weil Atheistische würde ja nur als Anti-Theistisch zu etwas motivieren. Aber sicher gibt es viele Kunstwerke, die nicht im religiösen Kontext stehen. Früher waren die Kirchen ja Hauptauftraggeber, ergo waren die Kunstwerke oft auch religiös.

    Wie wäre es mit der Dreigroschenoper oder die Mona Lisa z.B.?
    Beide stehen nicht in einem religiösen Kontext.

    Oder ist das nicht “bedeutend” genug?
    Die Anforderung “bedeutend” macht es mir schwer.

  81. @Wunder oder keine

    Wunder als Ausnahme von dem gewohnten gesetzmäßigem Gang der Dinge wäre sicherlich ein Ansatzpunkt einer Definition. Diese Wunder sind in der Außenwelt gemeinhin eher selten, in der Innenwelt als „Das Wunder der Seele“ aber eher sogar zur Regel erklärbar.

    Minimalinvasiv wäre es, die Wunder als eine gezielte Variante des Zusammenbruchs der Wellenfunktion anzusehen. Dies würde nur ausnahmsweise mal passieren, wenn es triftige konkrete Gründe dafür gibt. Und keine weiteren Verletzungen, z.B. der Energieerhaltungsätze, implizieren.

    Desweiteren allerdings wäre es jetzt denkbar, dass selbst die Zellchemie ohne regulative Unterstützung seitens von gezielten Zufällen nicht so recht funktionieren könnte. Weiter gedacht wären Zentralnervensysteme in der Folge noch mehr auf geistige Unterstützung angewiesen, die soweit gehen kann, dass das Bewusstsein selbst eher mit in den Geisteswelten existiert, und weit mehr ist, als nur unterstütztes Geschehen innerhalb des Gehirns.

    Direkt religiös sind diese Überlegungen eigentlich auch nicht. Hier würde nur Einiges an religiösen Aussagen auf ein quasi physikalisches Fundament gestellt. Auch ein religiöser Naturalismus würde hiermit eine neue Substanz bekommen. Sollten die geistigen Effekte des Bewusstseins im Zuge des Fortschritts der Hirnforschung mal nachweisbar werden, würden religiöse Naturalisten dies dann wohl tatsächlich der Natur hinzufügen können. Und nicht zu religiösen Vereinen konvertieren müssen.

    Mit meiner Unterstützung. Ich halte die modernen Erkenntnisse der Wissenschaft für ziemlich maßgeblich, und die alten religiösen Systeme nur eingeschränkt updatefähig. Weltoffenheit ist schon mal ganz gut, ohne dem geht nämlich schon mal gar nichts Vernünftiges mehr. Aber ganz neue Entwürfe wären eventuell dennoch vorzuziehen. Z.B. hat der Humanismus noch Potential, finde ich.

  82. @hwied

    fahren Sie wieder einen Angriff gegen die Christen ?

    Nein, nur gegen die Propaganda.

  83. @Erwin Neher

    Epigentik und Evolution

    Sie haben ja so Recht mit dem, was Sie über die Bedeutung epigenetischer Mechanismen für den evolutionären Wandel schreiben.

    Allein, es wird nichts nutzen, ich spreche da aus Erfahrung.

  84. @einer

    Wer mir da als Künstler so einfällt:
    Goethe, Bertold Brecht, Ernest Hemingway, Stanisław Lem, Wagner, Verdi, Ravel, Brahms, Schubert, Leonard Bernstein, Claude Monet …
    zählt einer davon?

    Vielleicht Brecht, sofern wir Kommunismus nicht als Religion klassifizieren wollen. Vermutlich Lem.
    Goethe war sicherlich kein Atheist, Verdi, Brahms, Schubert verdanken wir einige der schönsten (Toten-)Messen der Musikgeschichte. Wagner hat immerhin den Parsifal geschrieben; ansonsten hat er vermutlich nur an sich selbst geglaubt. Zur Weltanschauung von Hemingway, Ravel, Bernstein und Monet weiß ich zu wenig.
    Aber ich fragte sowieso ganz absichtlich nach einem atheistisch motivierten Werk. Dass es atheistische Künstler gibt und gegeben hat, wird niemand bestreiten.

    Ah die Frage war nach einem atheistisch motiviertem Werk, also eher nicht-religiös, richtig? Weil Atheistische würde ja nur als Anti-Theistisch zu etwas motivieren.

    Das kommt dem springenden Punkt schon ziemlich nahe: Motiviert wird man nur durch etwas, das einem wichtig ist. Letztlich wohl nur durch eine positive Aussage.
    Natürlich gibt es zahllose große nicht-religiöse Kunstwerke, von der Mona Lisa bis zu den Beethoven-Symphonien. Aber die haben die Herren nicht für den Atheismus geschaffen. (Und weder Beethoven noch Leonardo waren Atheisten.)

    Aber die Dreigroschenoper (und auch sonst manches von Brecht) würde ich b.a.w. gelten lassen.

  85. einer,
    die Aufzählung der Künstler ist schon beindruckend. Was übrigens Berthold Brecht betrifft, der war gar nicht so humanistisch wie er hingestellt wird. Sein Umgang mit Frauen, der war einfach nur schändlich.

  86. @einer

    “Gibt eine mit den christlichen Kirchen vergleichebare Institution, die ähnlich viel verbrochen hat?”

    Gibt es eine weitere, die 2000 Jahre Zeit dafür hatte? Fairerweise muss man ja die Verbrechen durch die Bestehensdauer teilen.
    Und wenn man das tut, dürfte es zahlreiche Wettbewerber geben, angefangen von diversen Diktaturen über die Kolonialstaaten bis zur CIA und der Mafia.

  87. “Insbesondere der ganze Humanismus ist doch teilweise religionsneutral. Wenn die Psychologie feststellt, dass auch Behinderte Beschäftigung brauchen, auch wenn sie dabei kaum produktiv bzw. wettbewerbsfähig sein können, so meint dann auch die Kirche, dass das eine gute Sache ist. So gibt des dann auch viele konfessionelle Betriebsstätten für Behinderte. Genauso wie Säkulare, etwa von der AWO.”

    Niemand behauptet doch heutzutage noch das man ein Christ sein muss um eine Moral zu haben. Aber eine Moral ergibt sich nicht aus der Naturwissenschaft. Ein humanistisch denkender Christ oder Moslem wird eine Moral vermutlich anders begründen als ein humanistisch denkender Atheist vom Ergebnis her ist das aber ziemlich egal.

  88. @Konrad Lehmann

    Gibt es eine weitere, die 2000 Jahre Zeit dafür hatte? Fairerweise muss man ja die Verbrechen durch die Bestehensdauer teilen.

    Das kann man so sehen, viel erschreckender finde ich, dass man die nie gestoppt hat.

    Und wenn man das tut, dürfte es zahlreiche Wettbewerber geben, angefangen von diversen Diktaturen über die Kolonialstaaten bis zur CIA und der Mafia.

    Das die Mafia durchaus gut und gerne mit der RKK zusammenarbeitet, ist bekannt? (Geldwäsche & Vatikanbank z.B.) Und mit Diktaturen hat die RKK nur sehr selten Probleme (Pavalic, Hitler, Franco …)

    Ich denke wir kommen hier nicht auf einen Nenner. Für “Religion der Liebe” finde ich die Ausbeute halt ziemlich mau.

  89. @Johannes

    Niemand behauptet doch heutzutage noch das man ein Christ sein muss um eine Moral zu haben.

    Also diverse Kirchenvertreter machen das sehr gerne.

  90. @Tobias Jeckenburger (Zitat):

    Auch die Menschenrechte kommen primär aus dem Humanismus und wurden eher gegen den Widerstand der Kirchen durchgesetzt.

    Ja, so ist es. Zitat : In <i<Der Vatikan und die Menschenrechte liest man:

    Der Vatikan ist einer der wenigen Staaten, die die Menschenrechtscharta der UNO bis heute ablehnen. Der Grund: Bis heute stellt die Katholische Kirche das Recht Gottes höher als das Menschenrecht.

    Der Humanismus dagegen setzte den Menschen über die Götter und über Gott.

    Ich bin überzeugt, dass wir darauf aufbauen müssen und das, wenn es nötig ist, auch gegen die Religionen.

    Dass hier die Religionen generell verteidigt werden und das sogar gegen die Naturwissenschaft kann ich nicht ganz verstehen.

    Aber nicht nur der Humanismus, sogar die Philosophie entstand im Widerspruch zur Religion und zum Glauben an Supranaturales. Die griechischen Philosophen waren die ersten, die Verstandesargumenten den Vorzug gaben und die Begründungen, in denen die griechischen Göttern eine Rolle spielten, nicht mehr akzeptierten.

  91. “Sofern wir Kommunismus nicht als Religion klassifizieren wollen – ok 😉
    (siehe oben)”

    ja so ist das: Erst wird behauptet das einzige was Atheisten gemeinsam haben ist das sie die Existenz Gottes negieren, außer sie begehen Verbrechen dann wird die Definition mal eben fix erweitert. Kann man ja machen. man kann allerdings nicht erwarten das diese Torverschiebungsstrategie von anderen irgendwie ernst genommen wird. Und nein, ein lachendes Zwinkeremoticon demonstriert da nicht intellektuelle Überlegenheit.

  92. “Also diverse Kirchenvertreter machen das sehr gerne.”

    Diverse? Welche? EKD ja wohl nicht, katholische nur in Ausnahmefällen, orthodoxe vielleicht. Vergiss es der Keks ist gegessen, wenn du dich als Atheist irghendwie gemobbt fühlen willst musst du schon in den Iran, den mittleren westen oder nach Saudi Arabien auswandern.

  93. Zu HWied
    “Brecht und humanistisch…”
    Woher kennen sie ihre Kenntnisse über Brecht- Aus der BILD Zeitung ? Lesen sie “Die Dreigroschenoper” oder “Der Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny”.Letztere ist ein Gleichnis für unsere Zeit für den moralischen und sittlichen Verfall einer Gesellschaft in der sich alles nur ums Geld dreht und die daran zu Grunde geht . Gott kommt in dem Stück übrigens auch vor- Aber er erkennt das er machtlos ist, dass die Menschen ihn nur benutzen um ihr grenzenlose Gier zu befriedigen. Der HUMANIST Brecht hält den Menschen einen Spiegel hin in dem sie sich hinter ihren selbst aufgebauten Fassaden und Masken sehen wie sie wirklich sind : Glück gibt es nur gegen Geld und in Form von Waren- Da müsste doch jeder wirklich religiös denkende Mensch schamrot werden. Und was Brechts Beziehungen zu Frauen anbetrifft, so könnten sie die halbe Menschheit diesbezüglich verdammen, da sie ihre Triebe nicht kontrollieren können. Ich könnte ihnen zu diesem Thema hunderte Namen aus der Polit-und Showszene nennen. Aber vielleicht sollten sie mal darüber lesen worüber sie Meinungen abgeben…

  94. @einer: Religionen

    Sie haben deutlich gemacht, was Sie von Religionen (insbesondere dem Christentum) halten – andere Menschen habe andere Erfahrungen und Einstellungen.

    Anregung zum Nachdenken: Das Leben ist manchmal angenehmer, wenn man nicht alles in schwarz und weiß aufteilt. Das Zusammenleben in jedem Fall.

  95. Balanus
    02.03.2021, 16:23 Uhr
    @Erwin Neher

    Epigentik und Evolution

    Sie haben ja so Recht mit dem, was Sie über die Bedeutung epigenetischer Mechanismen für den evolutionären Wandel schreiben.

    Allein, es wird nichts nutzen, ich spreche da aus Erfahrung.

    Wie dauerhaft epigenetische Veränderungen sind, ist beim Menschen überhaupt nicht erforscht (ist ja auch schwierig über mehrere Generationen hinweg). Dass sie vererbt werden, ist unstrittig. Hätte die Epigenetik einen allzugroßen Einfluss, würde die biologische Evolution sehr schnell voranschreiten, was ja wohl nicht der Fall ist. Epigenese spielt eine weit größere Rolle, als zufällige Mutationen (s.o.) und Emergenz in der Entwicklung ebenso. Schade, dass solche Themen hier nur schlaglichtartig diskutiert werden können, stattdessen geht es nur um Religion.

  96. “Der Humanismus dagegen setzte den Menschen über die Götter und über Gott.”

    Nein es sei denn sie möchten den Begriff “Humanismus” kapern und nur atheistische Humanisten als solche bezeichnen. Dabei wird aber außer Acht gelassen das der Humanismus aus dem Christentum heraus entstanden ist und bedeutende Humanisten Christen waren.

  97. @Konrad Lehmann // 02.03.2021, 13:27 Uhr

    » Eine naturwissenschaftliche Beschreibung und Erklärung der Welt enthält keinerlei Sinn, Bedeutung, Wert, Moral. «

    Das wurde meinerseits nie in Frage gestellt. Für die kulturellen Errungenschaften der Menschen und deren diverse „Kopfgeburten“ sind andere Wissenschaften zuständig. Was die Naturwissenschaften diesbezüglich womöglich beitragen können, ist eine Erklärung für die Entstehung der menschlichen Kultur- und Moralfähigkeit. Denn die sind ja wohl kaum vom Himmel gefallen.

    Davon abgesehen verstehe ich das Argument mit den angeblich zwei nichtüberlappenden Gegenstandbereichen immer noch nicht: Sofern es allein um Themen geht, wo dieses Bild tatsächlich zutrifft, gibt es überhaupt keinen Dissens, dann ist die Frage nach der Vereinbarkeit von Religion und Naturwissenschaft letztlich sinnlos.

    Es kann hier doch nur um die Bereiche gehen, wo es zu Überlappungen kommt und man in der Tat fragen kann, ob da zusammenwächst, was zusammengehört—oder ob da nichts zusammenpasst.

    Eine Religionsgemeinschaft ist bekanntlich kein Folklore-Verein. Mir ist nicht bekannt, dass sich im Falle der Vereine jemals die Frage gestellt hätte, ob die Folklore mit dem naturwissenschaftlichen Denken vereinbar ist.


    02.03.2021, 16:26 Uhr

    » Aber ich fragte sowieso ganz absichtlich nach einem atheistisch motivierten Werk.«

    Nach einem Werk, das dem Gott Atheis geweiht ist? Ernsthaft?

    So etwas gibt es gewiss nicht. Aber es gibt jede Menge Bauwerke, die ohne jegliche religiöse Motivation entstanden sind und die uns staunen machen. Gigantische Technik hat auch ihren Reiz.

  98. @Johannes: Humanismus & Christentum

    Man kann Humanist und Christ sein, ja…

    …aber der Humanismus stellt die Menschheit zentral, nicht Gott, und leitet Werte (wie die in den Menschenrechten) vom Menschen ab, nicht von einer transzendenten Instanz.

    Insofern gibt es schon eine gewisse Spannung – jedenfalls für die eher fundamentalistisch gesinnten Christen.

  99. Wolfgang Stegemann // 02.03.2021, 17:21 Uhr

    »Wie dauerhaft epigenetische Veränderungen sind, ist beim Menschen überhaupt nicht erforscht (ist ja auch schwierig über mehrere Generationen hinweg). «

    Stimmt, ist schwierig, mehr als zwei oder drei Generationen sind bisher wohl noch nicht untersucht worden (cave: ich kenne die aktuelle Datenlage nicht). Und wenn ich mich recht erinnere, dann handelte es sich bei der transgenerationalen Weitergabe von epigenetischen Markern vor allem um Dinge mit gewissem Krankheitswert.

    Aber zum Glück gibt es ja Mäuse, die sind ein gutes Modell für den Menschen.

    Letzte Bemerkung: Soweit ich das überblicke, deutet alles darauf hin, dass epigenetische Mechanismen das Ergebnis evolutionärer Prozesse ist, so wie jedes andere phänotypische Merkmal auch, und nicht selbst einen besonderen Mechanismus darstellen, die einen Teil des evolutionären Wandels erklären könnten (d.h., deren Erklärungswert entspricht dem der andern körperlichen Merkmalen, nicht mehr, aber auch nicht weniger). Überlegungen in Richtung „Lamarckismus“ gehen jedenfalls in die Irre.

  100. @Balanus: Gegenstandsbereiche

    Davon abgesehen verstehe ich das Argument mit den angeblich zwei nichtüberlappenden Gegenstandbereichen immer noch nicht…

    *seufz* Daran werden wohl auch 2.400 weitere Kommentare wenig ändern können.

    Sofern es allein um Themen geht, wo dieses Bild tatsächlich zutrifft, gibt es überhaupt keinen Dissens, dann ist die Frage nach der Vereinbarkeit von Religion und Naturwissenschaft letztlich sinnlos.

    Nicht sinnlos – höchstens trivial. Sag das aber dem Naturalisten, der behauptet, Naturwissenschaft würde Religion prinzipiell ausschließen – sag ihm, dass sein Standpunkt trivialerweise falsch ist!

    Und wenn Balanus ihm das sagt, statt Schleim, dann wird er zittern! (Das ist fast so wie Besuch vom fliegenden Spaghettimonster persönlich.)

    Es kann hier doch nur um die Bereiche gehen, wo es zu Überlappungen kommt und man in der Tat fragen kann, ob da zusammenwächst, was zusammengehört—oder ob da nichts zusammenpasst.

    Das wäre wohl eher etwas für einen Theologieblog. Auf den der Physikprofessorin wurde ja schon verwiesen; habe ihren Namen gerade vergessen.

  101. @ Wolfgang Stegemann

    Gegenfrage: Verstehen Sie, was Leben ist? Warum entsteht aus toter Materie Leben? Was ist daran eine Floskel?

    Ich hake nochmal nach und ich will sie nicht damit ärgern sondern zum Kern ihres Interesses vorstoßen:
    Was meinen sie mit Leben? Ab wann beginnt Leben für sie? Allgemein sagt man Bakterien. Ok? Oder schon “vorher”?

    Wir kommen noch dahin.

  102. @ Konrad Lehmann

    Noch nicht. Mein Gefühl für wissenschaftliche Revolutionen sagt mir, dass das noch kommen wird.

    Das wäre spannend. Warten wir es ab.

    Über den Stellenwert epigenetischer Vererbung in der Evolutionstheorie könnte man debattieren. Aber Sie haben recht: Wir sollten dahin nicht abschweifen.

    Wäre es, absolut. Aber ich fürchte, dann schmeisst uns Stephan Schleim raus.

  103. @Erwin Neher:
    Leben beginnt für mich bei den Prokarionten, also dort, wo Materie sich zum erstem Mal als etwas völlig Neues organisiert und gegenüber der Umwelt abgrenzt. Dies lässt sich nicht durch die molekularen Zutaten erklären.
    “Das Rätsel, wie sich aus den Aminosäuren im nächsten Akt Biozellen entwickelt haben könnten, bleibt bis heute ungelöst.”

  104. @Michael 02.03.2021, 14:37 Uhr
    Deschner
    Ein Atheist, der sich auf Karlheinz Deschner beruft, sollte wissen, dass sich Deschner ausdrücklich als Agnostiker verstand. In seinen „Gedanken zum Deschner-Preis“ anlässlich der Preisübergabe an den Atheisten Richard Dawkins fühlte er sich sichtlich unwohl. Dieses Unwohlsein fand beredten Ausdruck auch im Text seiner Rede, erschienen im Alibri-Bändchen “Vom Virus des Glaubens” (2008).

  105. @Schleim: Globale Religionen II.

    Weiss ich auch nicht. Ich bin kein Experte für Religionswissenschaften. Ich fand nur spannend was M. Blume das geschrieben hatte. Was zumindest im gewissen Sinn ihrem Argument zu widersprechen scheint wonach alles “religiöser wird”.
    Aber lassen wir so stehen. Bekommen wir hier ohne Michael Blume ohnehin nicht aufgelöst.

    Zu China:
    Ich weiss, ich war ein Weilchen in China. Man redet dort von inzwischen 50 Millionen “Buddhisten”, was natürlich im Vergleich zu 1,3 Milliarden noch sehr wenig ist.
    Denke nicht, dass dies Tourismus ist. Ist sicherlich etwas was wir mehr Spiritualität, denn Religion nennen würden, aber wer will das beurteilen? Zumindest ist der Buddhismus dort sehr “flexibel”, jeder Tempel anders usw..

    Kurz zu Indien: In Indien müssen sie auch den Beruf des Grossvaters angeben. Das Beantragen des Visums für Indien ist deutlich komplizierter und aufwändiger als für China!

  106. @Johannes (Zitat): Dabei wird aber außer Acht gelassen das der Humanismus aus dem Christentum heraus entstanden ist und bedeutende Humanisten Christen waren. .

    Das ist schlicht und einfach falsch (gemäss Wikipedia).

    Der Humanismus ist während der Rennaissance entstanden und sah seine Quellen bei den alten Griechen und knüpfte später an das antike römische Konzept der humanitas an. Humanismus wollte das traditionelle, aus dem Mittelalter überkommene Menschenbild, das stark auf Gott und das Jenseits ausgerichtet war, überwinden.
    Später gab es auch christliche Humanisten, ja. Aber die taten sich immer schwer mit dem Verhältnis Gott/Mensch.

    Für den säkularen Humanismus gilt sogar (Zitat engl. Wikipedia):

    Der säkulare Humanismus ist eine umfassende Lebenseinstellung oder Weltanschauung, die die menschliche Vernunft, den metaphysischen Naturalismus, eine altruistische Moral und Verteilungsgerechtigkeit umfasst und übernatürliche Ansprüche, theistischen Glauben und Religiosität, Pseudowissenschaft und Aberglauben bewusst ablehnt.

  107. “Das ist schlicht und einfach falsch (gemäss Wikipedia).”

    Ebenfalls Wikipedia:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Erasmus_von_Rotterdam

    Desiderius Erasmus von Rotterdam[1][2] (* vermutlich am 28. Oktober 1466/1467/1469, wahrscheinlich in Rotterdam; † 11./12. Juli 1536 in Basel) war ein bedeutender niederländischer Gelehrter des Renaissance-Humanismus. Er wurde in den Burgundischen Niederlanden, einem Teil des Heiligen Römischen Reiches, geboren und war Theologe, Priester, Augustiner-Chorherr, Philologe und Autor zahlreicher Bücher.

    Upsibubsi

  108. ““Das Rätsel, wie sich aus den Aminosäuren im nächsten Akt Biozellen entwickelt haben könnten, bleibt bis heute ungelöst.””

    Gehört zu den 7 Welträtseln:

    “Was ist Materie und Kraft?
    Woher kommt der Ursprung der Bewegung?
    Woher kommt das erste Leben?
    Woher stammt der Zweck in der Natur?
    Woher stammt die bewusste Empfindung in den unbewussten Nerven?
    Woher kommt das vernünftige Denken und die Sprache?
    Woher stammt der „freie“, sich zum Guten verpflichtet fühlende Wille?”

    von

    https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_du_Bois-Reymond#%E2%80%9EDie_sieben_Weltr%C3%A4tsel%E2%80%9C

  109. @Johannes: ja, Erasmus von Rotterdam war ein Humanist und ein Christ. Aber er hatte Schwierigkeiten mit dem Christentum seiner Zeit und lehnte letztlich auch Luther ab, weil er in Luther bereits einen Gotteskrieger sah, Erasmus aber nicht an Kampf und Krieg, sondern an Diskussionen und am Diskurs interessiert war.
    Zitat Erasmus von Rotterdam:

    „Es ist ein Unglück, dass dieser Weltsturm mich gerade in einem Augenblick überrascht hat, da ich auf eine durch meine viele Arbeit verdiente Rast hoffen konnte. Warum erlaubt man mir nicht, bloß Zuschauer zu sein bei dieser Tragödie, der ich doch so wenig geeignet bin, als Schauspieler mitzuwirken?“

  110. @Wolfgang Stegemann: Prokaryonten

    also Bakterien. Abgrenzung ist dort aber nicht zum ersten Mal völlig neu, Auch Viren grenzen sich gegen die Umwelt ab und haben Hüllen.
    Zumal sie zur Hüllenbildung kein Leben brauchen, sie brauchen nur ein Molekül das zB einen hydrophilen und einen hydrophoben Anteil hat und schon aggregiert es sich in wässriger Lösung (ohne Wasser kein Leben) und bildet sich nach außen abgrenzende Mizellen. Das kann zB jedes Seifenmolekül. Da lebt nichts.
    Also Abgrenzung alleine wird es nicht sein. Also was brauchen wir noch?

  111. @Johannes: Emil du Bois-Reymond

    ich wäre vorsichtig ausgerechnet ihn zu zitieren, denn direkt unter den 7 Welträtseln steht folgendes:

    Du Bois-Reymond sieht die Naturwissenschaft als das „absolute Organ der Cultur“ und das einzige menschliche Bestreben, das vorankommt. Folglich bildet die Geschichte der Naturwissenschaft die eigentliche Geschichte der Menschheit. Diese Verherrlichung der Naturwissenschaft geht bei du Bois-Reymond einher mit einer pessimistischen und ablehnenden Haltung gegenüber anderen Kulturgütern wie Politik, Kunst und Religion.

  112. “@Johannes: ja, Erasmus von Rotterdam war ein Humanist und ein Christ. ”

    Na also. Wenn sie unbedingt einen künstlichen Gegensatz zwischen Christen und Humanisten aufbauen wollen und den Begriff Humanismus für den säkularen oder gar evolutionären Humanismus vorbehalten wollen steht ihnen das ja frei. HPD zieht das ja durch.
    Gefahr besteht natürlich das mit Reinheitsphantasien und “nur der schmale Pfad führt zum wahren Himmel” dem Sektierertum und der Intoleranz Tür und Tor geöffnet sind.
    Aber das ändert nichts daran das sich viele tiefreligiöse Moslems, Christen und Juden völlig zurecht auch als Humanisten definieren. Da müssen sie irgendwie mit klarkommen.

  113. “ich wäre vorsichtig ausgerechnet ihn zu zitieren, denn direkt unter den 7 Welträtseln steht folgendes:”

    Ist mir bekannt warum sollte ich ihn nicht zitieren?

  114. @Neher: Und ich meine Leben, das sich abgrenzt und nicht Viren, die sich abgrenzen. Viren zähle ich nicht zum Leben (ich weiß, es gibt auch andere Ansichten). Aber wenn “Leben” Sinn machen soll, muss man es unterscheiden und das Kriterium ist für mich z.B. ein eigener Stoffwechsel.

  115. @Schleim: Absolutismus
    Dann müssten wir ja auch
    Religion-ismus sagen.
    Dann hätten wir wirklichen Gleichstand.

  116. Bsp:Unfehlbarkeitsanspruch und Rekursion/Infiniter Regress passen nicht zusammen…

  117. Religion oder Naturalismus – wer gewinnt?
    Wir ziehen ein Zwischenfazit nach über 2.300 Leserkommentaren

    Vely cool, an sich ist Dr. Webbaer der Winner, auch schon seit ca. mehr als zehn Jahren so ge-gegeben, soz. gottvorhanden, auch a bisserl wienerisch und so.


    Dr. W mag eigentlich gar nicht das Herumgetue und so,
    Sicherlich ist Dr. W der Beste, niemals hat jemand “Religion” (was ischt das eigentlich?) und “Naturalismus” so weggetreten wie :
    Dr. Webbaer!

    MFG + danke!
    Dr. Webbaer (der, im Abgang gar mit dieseitigem Seins-Bezug noch wie folgt webverweist :

    -> https://www.youtube.com/watch?v=J_NGulTmh88

    MFG
    Wb (wenig Zeit imM, morgen wieder, sozusagen!)

  118. Wer gewinnt bleibt unentschieden.
    Was wir haben ist mit der Beschreibung der Krisen ein Problem auf der materiellen Seite: Klima,Biodiversität usw. .
    Da können wir jetzt weiter rätseln und streiten, welche Ursache die mentale Ebene spielt.
    Heute habe ich einen Artikel gelesen,dass die Sonne den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre beeinflusst und Leben in ca. 1 Mrd Jahren eh schwierig wird.
    Also:drauf los! Das Ende naht!

  119. @Schleim: einer der faszinierendsten Dinge die unserer Art mitgegeben wurden ist die:Selbsterkenntnis.
    Schwierig schwierig…

  120. Ich hab mir da noch sozusagen einen Ast geschrieben, blieb bei “Yadenx”, im derartigen Browser hängen, no prob.

    Das Weib bleibt konglumeriert veranstaltet, sozusagen in diesem Sinn-Zusammenhang am besten involviert,. musikalisiert :

    -> https://yandex.ru/video/preview/?autoplay=1&filmId=1623759481182776192&parent-reqid=1614715690557133-582006370923915272800278-production-app-host-sas-web-yp-64&path=wizard&text=the+logical+song&wiz_type=vital

    Niemand mag das Weib nicht.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbeaer (der insofen weiß, nicht nur wittert, dass Sinn-Zusammenhäng idR auch, das Fortkommen des hier gemeinten Prumaten meinend, sozusagen in der Tasche des Weibes zu beginnen hat – Dr. W will an dieser Stelle in puncto Street-Talk und Trasjh-Talk nicht deutlicher werden, Opi schon lang im Geschäft sein)

  121. @Webbär: Was Sie hier wieder für ein (kryptisches) Chaos verbreiten! Und äußern Sie sich bitte respektvoll über Menschen (und Bären) aller Geschlechter.

  122. @Stephan // 02.03.2021, 17:54 Uhr

    » *seufz* Daran werden wohl auch 2.400 weitere Kommentare wenig ändern können.«

    Die wenigsten der bisherigen 2.400 Kommentare beschäftigen mit dem eigentlichen Blog-Thema (siehe oben). Und wenn dann mal einer kommt und einen Gedanken zum Thema äußert, dann seufzt der Blog-Autor auch noch … ;- )

  123. @ Johannes

    Ist mir bekannt warum sollte ich ihn nicht zitieren?

    Hängt davon ab wie die Antwort auf die Frage lautet, was sie mit seinem Zitat zeigen wollen?

  124. War teils auch Trash-Talk, “Old Dockie” hat Cassius Clay (teilevisionär) kennengelernt, auch die sog,, Mondbsteiung (1968, hat noch zugeschaut)., will in derartiger Gefühligkeit nicht missen.”Cassius” war der wohl namentlich, einstmals,

    Auch i.p. “Supertramp” nicht,
    Erinnerunen trügen nicht.

    Sicherlich ist “Old Dockie” aus einer anderen Zeit.

    MfG
    WB

  125. @ Stegemann

    OK, dann fangen wir doch mit den Mykoplasmen an. Gute Organismen für die sog. Synthetische Biologie. Dort gibt es inzwischen Beispiele komplett synthetischer funktionaler Genome.
    Wissen wir schon alles? Natürlich nicht. Aber kommen weiter.

  126. Ein Intermezzo, gedacht auch als Plädoyer für einen pluralistischen Dogmatismus.

    Religion oder Naturalismus – wer gewinnt?

    Am Ende gewinnt hoffentlich die Liebe!

    I don’t believe in an interventionist God
    But I know, darling, that you do
    […]
    And I don’t believe in the existence of angels
    But looking at you I wonder if that’s true
    […]
    And guide you into my arms
    Into my arms, O Lord

    (Nick Cave, Into my arms)

  127. Von B. Brecht gibt es ein langes Gedicht, das den Lyssenkoismus verherrlicht:
    “Die Erziehung der Hirse”.
    Leider finde ich keinen online-Text. Das gibts wohl auch vertont, von P. Dessau.

  128. @ E.N.

    “Hängt davon ab wie die Antwort auf die Frage lautet, was sie mit seinem Zitat zeigen wollen?”

    Das die Naturwissenschaft nie alles wird beschreiben können. Nicht mal in dem Bereich in dem sie es theoretisch könnte.
    Das wir also die Behauptung “Seit wir Blitze erklären können brauchen wir nicht mehr Zeus” die von einigen so gerne vorgetragen wird nur ein bischen verlagert haben. Nicht das die Menschen an zeus geglaubt haben weil sie nicht wussten wie Blitze entstehen (als einzigen Grund) aber Gott als Erklärung wegzuwerfen weil wir ihn nicht mehr benötigen: Stimmt so nicht.
    Eher weil wir ihn nicht mehr als Erklärung akzeptieren wollen.

  129. Man braucht keinen Gott anzunehmen, um die Welt zu erklären; das wussten wir aber schon vorher (man denke an den berühmten Ausspruch des französischen Mathematikers Pierre-Simon Laplace im 18./19. Jahrhundert, die “Hypothese Gott” brauche er nicht).

    Pierre-Simon Laplace hätte sich nie zu einer solch nebulös formulierten Aussage hinreißen lassen.

    Laplace hatte schon damals mit den selben Problemen zu kämpfen, die einem Donald Trump in seiner Amtszeit zu schaffen machten: Es wurden schon damals gerne Fake News verbreitet.

    Und überhaupt:

    In old age, Laplace remained curious about the question of God and frequently discussed Christianity with the Swiss astronomer Jean-Frédéric-Théodore Maurice. He told Maurice that “Christianity is quite a beautiful thing” and praised its civilising influence. Maurice thought that the basis of Laplace’s beliefs was, little by little, being modified, but that he held fast to his conviction that the invariability of the laws of nature did not permit of supernatural events. After Laplace’s death, Poisson told Maurice, “You know that I do not share your [religious] opinions, but my conscience forces me to recount something that will surely please you.” When Poisson had complimented Laplace about his “brilliant discoveries”, the dying man had fixed him with a pensive look and replied, “Ah! we chase after phantoms [chimères].” These were his last words, interpreted by Maurice as a realisation of the ultimate “vanity” of earthly pursuits. Laplace received the last rites from the curé of the Missions Étrangères (in whose parish he was to be buried) and the curé of Arcueil.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Pierre-Simon_Laplace#Religious_opinions

  130. Joker,
    von den Songtexten können wir etwas lernen.
    Dafür hast du den alternativen Philosophiepreis gewonnen.

  131. Johannes,
    Die Götter der Antike waren personifizierte Eigenschaften, die Göttin der Schönheit, der Liebe, oder Personifizierungen der Elemente , der Gott des Wasser, des Windes usw.

    Viele unserer Zeitgenossen betrachten den Gott der Juden auch als eine solche Kategorie, und sehen ihn als abgeschafft durch die Erkenntnisse der Naturwissenschaften.
    Sie haben noch nicht verstanden, dass der Gott der Juden ein existenzieller Gott ist , weder Person noch Sache, sondern der Teil von uns selbst ist.

  132. @Mistelberger: Laplace

    Mir war bewusst, dass diese Referenz auf Laplace eher anekdotischen Charakter hat und nicht feststeht, was er wirklich zu Napoleon gesagt hat…

    …aber aus der auch über ihren Link dokumentierten Tatsache, dass man seine Aussage schon im 19. Jahrhundert in dieser Hinsicht diskutierte, folgt, dass die Idee, man brauche keinen Gott zu Erklärung der Welt, nicht neu ist – und allein darauf kommt es in meinem Punkt an.

    (Ich hätte auch die Materialisten der griechischen oder indischen Antike zitieren können. Doch sie sind für die Leserinnen und Leser vielleicht weiter weg.)

    P.S. Aber danke für Ihre Anmerkung. Bleiben Sie kritisch!

  133. @Mistelberger: P.S. Laplace

    Pierre-Simon Laplace hätte sich nie zu einer solch nebulös formulierten Aussage hinreißen lassen.

    Das gibt die Quellenlage meiner Meinung nach aber auch nicht her.

    Kann doch sein, dass er vor Napoleon mit seinem neuen Werk etwas angeben wollte – und später auf dem Sterbebett frommer wurde. Er wäre nicht der erste große Denker im Laufe der Geschichte gewesen, dem es so erging.

  134. @Johannes: Gottes Tod

    Eher weil wir ihn nicht mehr als Erklärung akzeptieren wollen.

    Oder sie? Oder es? Oder das All-Eine? Oder das Namenlose? 😉

    Aber das war wohl, was Nietzsche mit dem Gedanken ausdrücken wollte, Gott sei tot – und wir (bzw. Nietzsches Zeitgenossen) hätten ihn umgebracht.

  135. Verhaltensweisen oder Denkweisen, die möglicherweise einen evolutionären Vorteil bringen, müssen deshalb noch lange nicht ethisch gut oder logisch richtig sein.
    —–
    Beschreiben ist einfach, Erklären ist schwierig.
    Als ich noch zum Chemotechniker ausgebildet wurde, stellte ich die folgende Überlegung an:
    Die Festigkeit von Holz stammt hauptsächlich von Cellulosefasern.
    Die Cellulosefasern bestehen aus Glucosemolekülen.
    Die Glucosemoleküle bestehen aus Kohlenstoff-, Sauerstoff-, und Wasserstoff-Atomen.
    Die Atome bestehen aus Elektronen und Atomkernen.
    Die Atomkerne bestehen aus Protonen und Neutronen.
    Die Protonen und Neutronen bestehen aus up- und down-Quarks.
    Na, ja, die Elektronen und die up- und down-Quarks, die sind dann eben einfach da.
    Hier folgt Erklärung auf Erklärung, bis am Ende jemand sagt: “Das ist eben so”.

  136. Dr. Webbaer,
    OT
    time goes bye, Carole King, schon 50 Jahre her aber immer noch top.
    Philosophie sollte viel mehr musikalisch rübergebracht werden. Die Franzosen mit ihren Chansons sind uns da voraus. Wie stehts mit Amy Winehouse oder Nina Hagen ? Ave Maria von Nina Hagen befriedigt einen Naturalisten wie einen Christen gleichermaßen.

  137. Karl Bednarik,
    Sie sind am Kern unseres Problems. Was ist eine Erklärung.
    Was frisst der Holzwurm ? Antwort : Quarks.
    Eine Erklärung erweitert das Verständnis des Gesprächspartners erst dann, wenn der Sinn der Frage verstanden wurde ,, wohlgemerkt nicht nur der Wortlaut der Frage, sondern der dahinter versteckte Sinn.
    Religion oder Naturalismus ? welcher Sinn steckt dahinter.
    Wie würden Sie den Sinn dieser Frage verstehen?

    Johannes
    Gott ist tot oder wir haben ihn umgebracht. Das sind nur Metaphern für einen unerhörten Vorgang , der sich im 19. Jahrhundert abgespielt hat.
    Die Verdrängung des Christentums aus der Gesellschaft.
    Dieser Vorgang hält noch an !

  138. @hwied

    Die Götter der Antike waren personifizierte Eigenschaften, die Göttin der Schönheit, der Liebe, oder Personifizierungen der Elemente , der Gott des Wasser, des Windes usw.

    Nein das stimmt so nicht für alle antiken Götter. Die Götterwelt “damals” war durchaus komplexer.

    Viele unserer Zeitgenossen betrachten den Gott der Juden auch als eine solche Kategorie, und sehen ihn als abgeschafft durch die Erkenntnisse der Naturwissenschaften.
    Sie haben noch nicht verstanden, dass der Gott der Juden ein existenzieller Gott ist , weder Person noch Sache, sondern der Teil von uns selbst ist.

    Das ist eine sehr moderne Interpretation und vermutlich auch ihre und nicht die der Juden.

  139. @Johannes:

    Das die Naturwissenschaft nie alles wird beschreiben können. Nicht mal in dem Bereich in dem sie es theoretisch könnte.

    Wenn sie das zeigen wollen, dann ist doch für ihre Argumentation wenn hilfreich, ausgerechnet auf jemanden zu verweisen, der alleine in den Naturwissenschaften jeglichen Fortschritt sieht. Das der Mann im 19. Jahrhundert geforscht hat und nur einen sehr kleinen Bruchteil unseres heutigen Wissens hatte käme noch dazu.

    Ich denke auch nicht dass Gott (er, sie, es, viele) weggeworfen wird. Bei den allermeisten die nicht an er, sie, es, viele glauben ist er sehr wahrscheinlich gar nicht erst entstanden.
    Klar, dass dies dann auch keine Erklärung ist.

  140. Der Naturalismus hat längst gewonnen, weil er rational konkurrenzlos ist. Es zeigt sich in allen Facetten des Lebens, insbesondere der Medizin, sowie im Kampf gegen bestimmte Formen von Diskriminierung wie Rassismus und Homophobie. Der Naturalismus kann durchaus auch Schattenseiten haben, weil daraus Freiheiten mit Verantwortlichkeiten entstehen, die nicht wahrgenommen werden. Zur Rückversicherung und weil die Kirchen im Lauf der Jahrhunderte mit religiösen Ritualen die ganze Kultur durchseucht haben, wollen sich manche Menschen nicht vollständig von der Religion lösen.

  141. einer,
    die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Götter und Menschen waren kompliziert. Sie waren reine Projektionen des Seelenlebens.
    Mit Religion im jetzigen Verständnis hat das nichts zu tun.
    Der Naturalismus ist erst 100 Jahre alt und lebt mit dem alten Religionsverständnis .

  142. @anton reutlinger

    Der Naturalismus hat längst gewonnen, weil er rational konkurrenzlos ist.

    Erstaunlich, wie man so blind und lernresistet in der Welt zurechtkommen kann.

    Dank Ihrer konkurrenzlos irrationalen Kommentare kann der Naturalismus eigentlich nur zum Verlierer werden.

  143. @hwied was hat das mit ihren (falschen) Aussagen über die antiken Götter und dem jüdischen Glauben zu tun?

  144. Reutlinger, da muss ich doch lachen
    “weil die Kirchen im Lauf der Jahrhunderte mit religiösen Ritualen die ganze Kultur durchseucht haben,”

    Das Fehlen von Religion hat auch unsere Kultur durchseucht mit Tourismus, Hipp Hopp und Trallala, Fake News und Sensationsjournalismus.

  145. einer,
    das mittelalterliche Religionsverständnis in vielen Teilen der Bevölkerung ist die Ursache für die Ablehnung der Religion.
    Sie haben hier die Komplexität der antiken Götter betont und sind ein Beispiel schuldig geblieben.
    Was den jüdischen Glauben betrifft, da gibt es verschiedene Richtungen bis hin zu den Ultraorthodoxen. (Eine Jüdin hat mir sogar das Küssen beigebracht)
    Tun Sie also nicht so allerweltsgescheit.

  146. @hwied Sie haben behauptet zu wissen wie Gott bei den Juden verstanden wird, ich nicht.

    Was den jüdischen Glauben betrifft, da gibt es verschiedene Richtungen bis hin zu den Ultraorthodoxen.

    Eben, also ist eine Aussage über das Gottesverständnis der Juden quasi immer falsch.

    Was soll der antike Gott für Eigenschaften haben?

    Sehr abstrakt ohne natürliche Eigenschaften wie Blitze o.ä.? Assur wäre da passend.
    Etwas konkreter aber weniger stereotyp? Inanna z.B.
    Ein Schöpfergott / Schicksalsbestimmer? Enki .. später auch bekannt als Ea oder El (ja der aus der Bibel)

    Tun Sie also nicht so allerweltsgescheit.

    Spiegel o. eigene Nase?

  147. @Schleim: “So so… Wir geben also einem Phänomen einen Namen und schlussfolgern: “Jetzt ist es erklärt. Es muss nicht unerklärlich bleiben.”

    Ja – so funktioniert die westliche Psyche oft, all zu oft. Leider!”

    **

    Das beginnt ja schon mal gut, als Diskussionsbeginn, die ‘westliche Psyche’ …

    Aber was kann man sich von Philosophen, die seit Jahrzehnten abgehängt nicht mehr die Naturwissenschaften verstehen, auch anders erwarten, als das für sie Unerklärliche abzulehnen und ihr Heil anderswo zu suchen (hier, die ‘westliche Psyche’ und was ist dann besser, die ‘(fern-) östliche Psyche’).

    Passt schon. Uninteressant, das weiter zu diskutieren.

  148. @ E.N.

    “Wenn sie das zeigen wollen, dann ist doch für ihre Argumentation wenn hilfreich, ausgerechnet auf jemanden zu verweisen, der alleine in den Naturwissenschaften jeglichen Fortschritt sieht. Das der Mann im 19. Jahrhundert geforscht hat und nur einen sehr kleinen Bruchteil unseres heutigen Wissens hatte käme noch dazu.”

    Der Mann hat halt die Grenzen der Naturwissenschaften beschrieben. Da wäre also noch reichlich Platz für einen Lückenbüßergott wenn man den braucht oder zu brauchen glaubt.
    Für viele Theisten ist das aber nicht so wichtig, ich glaube nicht das es viele Theisten gibt die Theisten sind weil man Dinge mit Gott erklären möchte.
    Es ist aber ein Gegenargument für: Wir können auch ohne Gott alles erklären.

  149. einer ,
    jetzt wird es logisch interessant. Quasi immer falsch (bei Ihnen) quasi immer richtig (bei mir).
    Noch ein Hinweis zu dem Spiegel, Ihre Antwort war zu erwarten,

    Zum Schluss etwas Produktives, jetzt wird Mittagessen zubereitet.

  150. Johannes,
    sehr gut, Glauben hat nichts mit Intellekt zu tun.
    Glauben ist mehr Vertrauen und die Abwesenheit von begrifflichem Denken.

  151. @hwied 03.03. 08:51

    „Sie haben noch nicht verstanden, dass der Gott der Juden ein existenzieller Gott ist , weder Person noch Sache, sondern der Teil von uns selbst ist.“

    Diese Gottesbeschreibung kann ich auch gut nachvollziehen.

    @Einer 03.03. 11:14

    „Das ist eine sehr moderne Interpretation und vermutlich auch ihre und nicht die der Juden.“

    Sehe ich auch als modern, und es stört mich wenig, wie man das im Mittelalter sah. Auch zeitgenössische Fundamentalisten stören nur das Gesamtbild, es gibt heute eine Mehrheit bei den weltoffenen Religionsvertretern, und nur mit denen kann man sich auch vernünftig auseinandersetzen.

    Unter uns Weltoffenen scheint es darüber hinaus eine nicht unerhebliche Konvergenz zu geben. Nicht nur durch die neuen Medien, auch weil das gesicherte Wissen darum, was gesund ist und glücklich macht, immer mehr anwächst. Hier machen Biologie, Medizin und Psychologie ihre Arbeit, und entdecken immer mehr Details, was uns an Körper und Geist fördert. Weltoffene Vertreter aller Variationen erkennen dies an, und integrieren es in ihre Vorstellungen und in ihre Interpretation ihrer eigenen Überlieferungen.

    Je mehr die Wissenschaft den Menschen erkennt und je mehr Details hier aufgedeckt werden, desto größer wird die Schnittmenge all derer, die sich von wissenschaftlicher Evidenz überzeugen lassen.

    Dass noch vieles offen ist, z.B. ob unser Bewusstsein nicht doch auch geistige Dimensionen hat, das tut dem keinen Abbruch, wenn hier weitere Details erkundet werden. Genau in diesen offenen Fragen drücken sich dann die verschiedenen Weltanschauungen aus. Hier können Traditionen noch lebendig sein, soweit sie nicht dem Anspruch der Weltoffenheit entgegenstehen, und hier können auch spirituelle Erfahrungen als Erfahrung ernstgenommen werden, auch wenn sie nur persönliche Evidenz mitbringen, und (noch) keine allgemeine Evidenz sind.

    So ist Glaubensvielfalt produktiv, finde ich. Und jeder in der Welt unterwegs, die ihm entspricht.

  152. @hwied
    Das Fehlen von Religion hat auch unsere Kultur durchseucht mit Tourismus, Hipp Hopp und Trallala, Fake News und Sensationsjournalismus.

    Ist das nicht gerade das Kennzeichen der westlichen Industriestaaten, deren christlicher Kultur ausgerechnet Sie sich immer so rühmen, allen voran die evangelikalen USA? Sie argumentieren, wie es Ihnen gerade passt, unabhängig von Tatsachen, gespickt mit offenkundigen Widersprüchen.

    Es gibt zweifellos Korrelationen zwischen Wohlstand und Rückgang der Religiosität. Die Zusammenhänge sind aber nicht so einfach, sie müssen wohl in den Menschen selber zu suchen sein. Ihre religiös althergebrachten, apologetischen Phrasen helfen sicher nicht weiter zum Verständnis. Auch Michael Blume hat dazu nur sehr umstrittene und zweifelhafte Argumente.

    „Schaut die Natur an, schaut den Menschen an! Hier habt ihr die Mysterien der Philosophie vor euern Augen.“

    Ludwig Feuerbach (1804-1872)

  153. @Tobias Jeckenburger

    Sehe ich auch als modern, und es stört mich wenig, wie man das im Mittelalter sah.

    Darum ging es nicht, es ist eine Sichtweise, die vermutlich nur sehr wenige Juden haben – darum ging es. Und es ist ganz sicher nicht die Sichtweise “der Juden”.

  154. @Johannes, Erwin Neher

    Emil du Bois-Reymond hatte seine Sicht in einem Brief an Eugen Dreher (1841-1900) vom 3. Okt 1889 nochmals genauer erläutert:

    Die ‹Grenzen des Naturerkennens› sowohl wie ‹Die sieben Welträthsel›, und Alles, was ich sonst in diesem Sinne geschrieben habe, gehen aus von dem Grundbestreben, die Welt mechanisch zu begreifen, und sofern das nicht gelingt, den unlösbaren Rest des Exempels bestimmt und klar auszusprechen. Dies glaube ich für meinen Theil befriedigend geleistet zu haben und komme damit zu einem Ruhepunkte des Denkens, ähnlich dem eines Mathematikers, welcher die Unmöglichkeit der Lösung einer Aufgabe bewiesen hat. Um die metaphysischen Konzepte, welche man ersinnen kann, um dem erwähnten Reste dennoch beizukommen, kümmere ich mich nicht, weil das mechanische Verständniss mir als die einzige wahrhaft wissenschaftliche Denkform erscheint.

    Dass er als Kind des 19. Jhdts die Physik gemäss dem zeitgenössischen Paradigma als mechanistisch begriffen hat, kann man ihm nicht vorwerfen, ist hier aber auch uninteressant. Die Mechanik galt seinerzeit gemeinhin als die physikal. Theory Of Everything, inzwischen werden andere Kandidaten favorisiert, doch manche Fragen bleiben davon völlig unberührt. Entscheidend ist seine dezidiert anti-metaphysische Haltung. Die für einen Naturforscher nach wie vor als absolut vorbildlich gelten kann.

  155. Reutlinger,,
    das Wort “durchseucht” hatte es mir angetan.
    “Kennzeichen der Industriestaaten”, da haben Sie Recht.
    Wenn sich Gott und Mammon verschwören, dann sind die Anderen im Nachteil .
    Es ist schon bezeichnend, dass das anglikanische England den Sklavenhandel zur Vollendung gebracht hat. Dass das bigotte Spanien die Indianer in Südamerika zu Tode gefoltert hat.

    Das wusste die Bibel schon vorher, in der heißt es: Man kann nicht Gott und dem Mammon dienen”
    Die Kirche des Mittelalters hat genau das praktiziert.

    Reutlinger

    Feuerbach: Gott ist eine Projektion des Menschen. Und durch die Beschäftigung mit dieser Projektion verliert er Energie an eine Illusion von der besseren Welt
    Nach dieser Logik ist Brot eine Projektion des Hungers, der gestillt werden will

    Aber das Alte Testament sagt schon vor 3000 Jahren- : Du sollst dir kein Bild von Gott machen. Als ob das die Schreiber vor 3000 Jahren geahnt hätten.

    Feuerbach entlarvt das alte Gottesverständnis mit seinen vielen Bildern als das was es ist, ein Verstoß gegen ein biblisches Gebot. Gott ist keine Person,der man menschliche Eigenschaften zuschreiben kann. So gesehen hat Feuerbach dem alten und zugleich modernen Gottesverständnis einen Dienst erwiesen.
    Die Bilderstürmer haben das umgesetzt. Besuchen Sie einmal eine Kirche im Engadin.

  156. @Walter: Psyche, Philosophie & Wissenschaft

    Ich weiß nicht, was Ihre Polemik zur Diskussion beiträgt – aber bitte.

    Tipp: Auch ein Naturwissenschaftler ist ein Mensch mit einer Sprache und psychischen Vorgängen.

  157. Zitat:
    Karl Bednarik
    03.03.2021, 09:30 Uhr
    Verhaltensweisen oder Denkweisen, die möglicherweise einen evolutionären Vorteil bringen, müssen deshalb noch lange nicht ethisch gut oder logisch richtig sein.
    —–
    Beschreiben ist einfach, Erklären ist schwierig.
    Als ich noch zum Chemotechniker ausgebildet wurde, stellte ich die folgende Überlegung an:
    Die Festigkeit von Holz stammt hauptsächlich von Cellulosefasern.
    Die Cellulosefasern bestehen aus Glucosemolekülen.
    Die Glucosemoleküle bestehen aus Kohlenstoff-, Sauerstoff-, und Wasserstoff-Atomen.
    Die Atome bestehen aus Elektronen und Atomkernen.
    Die Atomkerne bestehen aus Protonen und Neutronen.
    Die Protonen und Neutronen bestehen aus up- und down-Quarks.
    Na, ja, die Elektronen und die up- und down-Quarks, die sind dann eben einfach da.
    Hier folgt Erklärung auf Erklärung, bis am Ende jemand sagt: “Das ist eben so”.
    = = =
    Nein, es geht noch weiter:
    Es folgt das Plancksche Wirkungs-Quantum, bestehend aus den kleinen EsN.
    Dabei handelt es sich um die kleinste Energie-Teilchenwelle, aus der durch
    den noch existierenden Schöpfer-Gott das ganze Universum erschaffen wurde.
    Zuerst die materielle (anorganische) Welt, danach die Natur (organische) Welt,
    Pflanzen, Tiere, Menschen.
    Diesbezüglich gibt es im Internet einen Artikel mit dem Titel:
    http://www.4-e-inigkeit.info/EsN-Recherche.htm (und weitere, z. Bsp. “Ursprung“)
    Ob jemand an einen Schopfer-Gott glaubt, ist seine persönliche Entscheidung
    und hat mit Religion nichts zu tun. Religion ist inzwischen auch nur noch eine Art
    Weltanschauung und nicht jedermanns Ding.
    M. f. G. W. Bülten

  158. “Entscheidend ist seine dezidiert anti-metaphysische Haltung. Die für einen Naturforscher nach wie vor als absolut vorbildlich gelten kann.”

    Vielleicht solltest du “entscheidend finde ich” schreiben.
    Nun wie du dir denken kannst finde ich das nicht so entscheidend.

  159. Diese Diskussion konzentriert sich fast ausschließlich auf Religion, daher will ich wieder die Naturwissenschaften ins Spiel bringen.
    Wenn Herr Schleim sagt:
    „Im Zusammenhang damit wird mein Standpunkt deutlicher, dass man diese “Naturgesetze” schlicht anpassen würde, wenn man regelmäßig “Wunder” beobachten würde. „
    dann bedeutet das doch: alle Ereignisse, also auch Wunder, sind naturwissenschaftlich erklärbar. Es gibt keine übernatürlichen Ereignisse. Übernatürliche Ereignisse sind eben dadurch definiert, dass sie nicht jetzt und auch nicht in Zukunft (durch Modifikation der existierenden Theorien) erklärbar sind.
    Aber ist das wirklich ein Widerspruch zu Popper?
    Wenn eine bestimmte Eigenschaft wie zum Beispiel die Zusammensetzung der (baryonischen) Materie im ganzen uns bekannten Universum mit großer Genauigkeit gezeigt wird (mittels Spektroskopie des emittierten Lichtes) ist das meiner Meinung nach eine komplette Verifizierung der Aussage, dass diese Materie nur aus bekannten Atomsorten besteht. Genau so hat man die Energieerhaltung, Impulserhaltung, Drehimpulserhaltung, Lichtgeschwindigkeit als Grenzgeschwindigkeit im beobachtbaren Universum verifiziert. Wenn man diese Information in der Diskussion über Religion verwendet, sehe ich keinen Gegensatz zu Popper.
    Daher eine kurze Liste von Aussagen von Religionen, die im Widerspruch zu fundamentalen Theorien der Naturwissenschaften steht:
    1. Es gibt keine göttliche Instanz, die mit uns direkt durch Gebete kommuniziert und in das materielle Geschehen der Natur eingreift (durch „Wunder“). Es gibt auch keine anderen ähnlichen Wesen wie Engel und Teufel.
    2. Die Existenz einer unsterblichen Seele ist unmöglich.
    3. Die weitergehende Existenz nach dem Tode ist unmöglich.
    4. Daraus folgt zwingend: es gibt weder Himmel, noch Hölle, noch Fegefeuer.
    Zu 1.) Widerspricht den oben angegebenen Eigenschaften des von uns beobachtbaren Universums.
    Zu 2.) Widerspricht der Tatsachen, dass menschliche Körper nur aus Materie bestehen.
    Zu 3.) Wie zu 2.). Die Aktivität des Nervensystems und des Gehirns endet mit dem Tod.
    Zu 4.) Wie gesagt: Folgt aus 2 und 3.
    Die Existenz eines Schöpfergottes – der den Urknall gestartet hat, salopp gesagt – ist weiterhin möglich aber nicht nachweisbar.
    Die Konstrukte der Religionen existieren nur als Fiktion in unserem Denken. Daher können Religionen auch aussterben, wenn alle Gläubigen der betreffenden Religion tot sind. Dazu gibt es ja reichlich Beispiele.

  160. Physiker ,
    zum Glück stehen die Prinzipien der Physik nicht tim Einklang mit der Religion .
    Hast du schon einmal bei einem Verkehrstoten eine Seele gefunden ?
    Eine Seele ist nicht materiell. Aber wenn deine Seele beschädigt ist, dann kann dir nur noch Gott helfen.
    In der Bibel heißt es dazu” was nützt es dem Mensch , wenn er die ganze Welt gewänne und doch Schaden nimmt an seiner Seele.

  161. “1. Es gibt keine göttliche Instanz, die mit uns direkt durch Gebete kommuniziert und in das materielle Geschehen der Natur eingreift (durch „Wunder“). Es gibt auch keine anderen ähnlichen Wesen wie Engel und Teufel.”

    Dazu sagt die Naturwissenschaft nichts. Es gibt einfach keinen Widerspruch zwischen den Naturwissenschaften und diesen Aussagen.

    “2. Die Existenz einer unsterblichen Seele ist unmöglich.”

    Was kann die Biologie zu dem vorhandensein oder nichtvorhandensein einer unsterblichen Seele sagen? Nichts.

    “3. Die weitergehende Existenz nach dem Tode ist unmöglich.”

    Was du so alles weißt……

    “4. Daraus folgt zwingend: es gibt weder Himmel, noch Hölle, noch Fegefeuer.”

    Eine ganze Menge heißer Luft aus der dann eine zwingende Schlussfolgerung gezogen wird?

    “Zu 1.) Widerspricht den oben angegebenen Eigenschaften des von uns beobachtbaren Universums.
    Zu 2.) Widerspricht der Tatsachen, dass menschliche Körper nur aus Materie bestehen.
    Zu 3.) Wie zu 2.). Die Aktivität des Nervensystems und des Gehirns endet mit dem Tod.
    Zu 4.) Wie gesagt: Folgt aus 2 und 3.”

    Das ist eine Art Glaubensbekenntnis des Naturalismus, mehr eigentlich nicht. Mit Naturwissenschaften hat das nichts zu tun.

  162. Das ist kein Glaubensbekenntnis, sondern einfach der Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Wer die Existenz einer nicht materiellen Seele postuliert, sollte entweder Beweise bringen oder zugeben, dass es nicht möglich ist so etwas nachzuweisen. Im letzteren Fall folgt direkt, dass es sich um eine Fiktion handelt.
    Zum Beten hab ich schon das Folgende geschrieben (bitte um Entschuldigung für die Wiederholung, Herr Schleim):

    Die uns bekannte Materie im Universum (die sogenannte baryonische Materie) ist aus Atomen aufgebaut. Diese Atome verhalten sich im ganzen Universum gleich. Die chemischen Elemente sind vollständig bekannt, zumindest die hinreichen stabilen. Die Atome sind aus Kern, bestehend aus Protonen und Neutronen, und der Elektronenhülle aufgebaut. Unsere Körper und auch unsere Gehirne sind aus diesen und nur diesen bekannten Atomen aufgebaut.
    Es sind vier grundlegende Wechselwirkungen bekannt: die starke, die die Kerne und Kernbauteile zusammenhält, die schwache, die für bestimmte Arten des radioaktiven Zerfalls zuständig ist (und auch fundamental für die Energieproduktion in der Sonne), die elektromagnetische Wechselwirkung und die Gravitation. Für uns und unsere Umgebung sind nur die beiden langreichweitigen Wechselwirkungen, nämlich die Gravitation und die elektromagnetische Wechselwirkung relevant (wenn man den radiaktiven Zerfall einmal ausblendet),
    Für unser Gehirn ist die Gravitation nicht sehr wichtig (eventuell doch bei längerem Aufenthalt in Schwerelosigkeit), sondern ausschließlich die elektromagnetische WW. Diese ist aber die am besten bekannte und verstandene Wechselwirkung, und zwar sowohl klassisch (siehe Maxwell-Gleichungen) als auch quantenmechanisch, siehe QED.
    Auf der elektromagnetischen Wechselwirkung (und den darauf beruhenden emergenten Effekten) basiert unsere technische Zivilisation. Wir können daher definitiv sagen, dass unsere Gehirne keine Radiosender oder Empfänger sind. Das schließt Telepathie aus, und auch den direkten Kontakt Gott-Gehirn. No contact here. Außerdem könne wir keine elektromagnetischen oder gravitativen Effekte durch das Gehirn allein erzeugen. Das schließt Telekinese aus.
    Durch die spezielle Relativitätstheorie ist ebenfalls definitiv bekannt, dass die Geschwindigkeit des Lichts im Vakuum die maximale Geschwindigkeit ist, mit der Information übertragen werden kann. Daher könnte ein Gott nur mit maximaler Verzögerung im ganzen Universum kommunizieren, es sei denn, es gibt nur lokale Götter.
    Die Existenz eines Schöpfergottes, der für den Urknall verantwortlich sein könnte, ist hiervon unberührt.

  163. … wer sagt denn, daß für Gott die Lichtgeschwindigkeit gilt,
    sie gilt ja physikalisch auch nicht für die Expansionsrate des Universums.
    Und Gott muß ja auch in der Quantenphysik stecken, da hat’s die spukhafte Fernwirkung.

  164. „… wer sagt denn, daß für Gott die Lichtgeschwindigkeit gilt, „
    Ganz einfach: wenn man annimmt, dass Gott einfach so die Regeln, nach denen unser Universum funktioniert, mal außer Kraft setzen kann, ist alles und nichts möglich. Das Universum könnte so auch vor 10 Minuten inklusive uns allen erschaffen worden sein und wir könnten es nicht merken.
    Das ist keine Basis auf der man diskutieren kann, sondern das ist reine Phantasie.

  165. — ja, Physiker, ich wollte ja als Physiker nur senfen,
    was Fülosofen so in die Naturphilosophie reinschwurbeln können.
    Wir sind eine Simulation ohne freien Willen 😉 wer hat die Bösen zu verantworten?

  166. “Das ist kein Glaubensbekenntnis, sondern einfach der Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnis.”

    Doch denn sie proklamieren einfach das die Naturwissenschaft die einzige Methodik ist um zu Erkenntnissen zu kommen. Selbstverständlich ist das ein Glaubensbekenntnis. Ähnlich dem apostolischen Glaubensbekenntnis.

    Übrigens würde kein Christ wiedersprechen das das biologische Leben mit dem Tod endet. Danach verlassen wir halt den Bereich der Biologie.
    Und ihr Glaubensbekenntnis ist halt: Da ist nichts.
    Ich habe übrigens nichts gegen verschiedene Glaubensbekenntnisse, ich bin religiöser Pluralist.

    “Ganz einfach: wenn man annimmt, dass Gott einfach so die Regeln, nach denen unser Universum funktioniert, mal außer Kraft setzen kann, ist alles und nichts möglich. Das Universum könnte so auch vor 10 Minuten inklusive uns allen erschaffen worden sein und wir könnten es nicht merken.”

    Verunsichert sie das? Ich kann sie Beruhigen, die Theisten gehen davon aus das die Naturwissenschaftler die Natur erforschen können eben weil Gott die Welt regelhaft erschaffen hat. (Teleologisch: Gott hat die Welt berechenbar erschaffen damit die Menschen sich in ihr zurechtfinden).

  167. Nachtrag Physiker,
    Hast du schon einmal etwas vom Kreislauf der Natur gehört,
    wenn du schon behauptest, dass ein Weiterleben nach dem Tode unmöglich ist.

    Jeckenburger,
    die moderne Gottesvorstellung lässt die Leute einander näher rücken.

    Johannes
    Dein Schlußwort hat etwas Beruhigendes.

  168. @Physiker: Physik & Metaphysik

    Danke – Ihre Kommentare sind sehr lehrreich. Doch gehen wir mal ins Detail:

    Zu 1.) Widerspricht den oben angegebenen Eigenschaften des von uns beobachtbaren Universums.

    Das denken Sie, ja – aber überzeugt gerade nicht den Gläubingen, der in Ihren Beobachtungen einen Ausdrück des Göttlichen sieht.

    Zu 2.) Widerspricht der Tatsachen, dass menschliche Körper nur aus Materie bestehen.

    Was aber in diesem Kontext irrelevant ist, da die Seele i.d.R. immateriell verstanden wird.

    Zu 3.) Wie zu 2.). Die Aktivität des Nervensystems und des Gehirns endet mit dem Tod.

    Das würde ein Substanzdualist nicht bestreiten; er würde bloß mit den Schultern zucken und denken, dass Sie seinen Standpunkt nicht verstanden haben; und auf philosophischer Ebene hätte er damit wohl sogar Recht!

  169. @Physiker: Physik & Metaphysik (Fortsetzung)

    Ich denke, dass Johannes hier schon einen berechtigten Einwand hat, auch wenn ich seinen religiösen(?) Standpunkt nicht teile.

    Unsere (menschliche) Realität konstituiert sich eben nicht nur auf der physikalischen Ebene; oder man könnte vielleicht sogar sagen: überwiegend nicht.

    Mir ging gerade gestern durch den Kopf, dass wir und unsere Existenz in dieser Welt natürlich von der physikalischen Ebene abhängen. Mit der Atombombe hat man im 20. Jahrhundert deutlich gesehen, wie die Physik die Grundlage des Lebens im großen Maßstab zerstören kann.

    Aber wenn es um Sachverhalte geht, wie etwa den, dass die Mona Lisa im Louvre in Paris hängt… oder dass sie lächelt… oder dass sie (nach Meinung vieler Menschen) ein schönes Gemälde ist – das sind alles Sachverhalte, die sich nicht auf der atomaren Ebene konstituieren.

    Insofern stimme ich Ihnen zu, wo Sie sagen, vom Gläubigen müssen gute Argumente kommen; Sie diskutieren aber auch am Thema vorbei, wo Sie behaupten, alles sei letztlich Materie – und Sie sind meiner Meinung nach hier auch inkohärent, wo Sie übersehen, dass sich viele Sachverhalte eben nicht auf dieser Ebene ergeben. Immerhin sind Sie auch Mensch/Bürger in dieser Gesellschaft.

    Mit anderen Worten: Unsere Welt besteht eben nicht nur aus Physik!

  170. @Johannes:
    „Doch denn sie proklamieren einfach das die Naturwissenschaft die einzige Methodik ist um zu Erkenntnissen zu kommen.  „
    Genau das mache ich nicht. Wenn Sie noch einmal aufmerksam meine Beiträge lesen würden, dann sähen Sie, dass ich mich ausschließlich auf Bereiche konzentriere, wo die Naturwissenschaften Aussagen machen können. Wenn man die Natur studieren will, sollte man sich eben an die Methodik halten, die die Naturwissenschaften benutzen. Diese Methoden sind nicht durch Glaubensbekenntnisse entstanden, sondern in den letzten Jahrhunderten ausführlich erprobt und logisch untermauert worden.
    Ich wundere mich, dass weder Sie noch andere Vertreter der religiösen Seite auf meine Argumente bezüglich der „toten“ Religionen eingegangen sind. Die Ägypter glaubten an eine Existenz nach dem Tode, und wer es sich leisten konnte, ließ Bauten von beachtlicher Größe errichten um dem einbalsamierten Leichnam die Reise ins Jenseits zu ermöglichen. Offensichtlich wurde dieser Glaube sehr ernst genommen, und über 4000 Jahre war er die Religion in Ägypten. Heute stehen die Götterbilder im Museum, und die Mumien werden wissenschaftlich untersucht. Offenbar ist diese Religion wie viele Andere mit den letzten Gläubigen verschwunden. Das zeigt, dass nicht Gott oder die Götter die Menschen erschaffen, sondern die Menschen die Götter. Offenbar besteht ein Bedarf dafür, um mit dem Tod und den Problemen des Lebens irgendwie klar zu kommen, aber die Untersuchung dieses Phänomens ist nicht im Bereich der Naturwissenschaften und da halte ich mich fein heraus.

  171. “Genau das mache ich nicht. Wenn Sie noch einmal aufmerksam meine Beiträge lesen würden, dann sähen Sie, dass ich mich ausschließlich auf Bereiche konzentriere, wo die Naturwissenschaften Aussagen machen können. Wenn man die Natur studieren will, sollte man sich eben an die Methodik halten, die die Naturwissenschaften benutzen.”

    Da widerspricht ihnen doch kaum noch ein Theist. Jedenfalls in Europa. In den USA und Indien/Arabien/Afrika mag das natürlich anders sein.

    Und wenn sie aufmerksam lesen habe ich ihnen in dem Punkt doch zugestimmt: Das biologische Leben endet mit dem Tod. JEDER Christ würde ihnen da zustimmen.

    Aussagen wie “Es gibt eine begründete Hoffnung das das Leben mit dem Tod endet” oder “Das Steak das da grade in der Pfanne brutzelt riecht echt lecker” “Gott wird die Menschen am Ende aller tage mit sich und untereinander versöhnen” “Gerechtigkeit ist ein wichtiges Prinzip” “Alles leben ist heilig” “Die Bilder im Mussee de Orsay sind atemberaubend schön” “Ich liebe meinen Sohn” sind alle wahr. Und alle nicht naturwissenschaftlich.

    Und das die Bilder von Gott sich im Laufe der Geschichte verändert haben welch eine Überraschung. Könnte was damit zu tun haben das Gott was anderes ist als die Zahl pi.

    Und das es psychologische Gründe geben mag an etwas zu glauben ist kein Argument für oder gegen etwas. Ich habe psychologische Gründe daran zu glauben das mein Zahnarzt weiß was er tut. Über seine Qualifikation oder seine Existenz sagt das überhaupt nichts aus.

  172. Wenn man den blog querliest, bekommt man den Eindruck als ob die Welt nur aus Religion oder Naturwissenschaft/Naturalismus besteht.

    Da las ich folgende Statistik über Luxemburg. Luxemburg hat die höchste Scheidungsrate in Europa mit 87%. Deutschland liegt bei 44 %.
    Sind jetzt die Luxemburger weniger gläubig ? Nein, 63 % Katholiken gegenüber 28 % Katholiken in Deutschland.

    Was ist los ? Irgendwas scheinen wir bei der Diskussion hier zu vergessen.

  173. @Schleim
    Mit anderen Worten: Unsere Welt besteht eben nicht nur aus Physik!

    Es kommt ganz darauf an, wie man den Satz interpretiert. Die Welt besteht aus der Materie, die von der Physik erkannt worden ist und eventuell erkennbar ist. Etwas anderes ist eben nicht erkennbar. Unsere Lebenserfahrungen und unser Denken in der Sprache der Physik zu beschreiben, das wäre nicht zweckmäßig und aus praktischen Gründen nicht möglich. Das heißt aber nicht, dass es grundsätzlich nicht möglich wäre, denn dafür gibt es keine Begründung, ob das ideologisch gefällt oder nicht.

    Wir beschreiben die Phänomene der Welt mit aggregierenden und generalisierenden Sammelbegriffen, aus denk- und kommunikationsökonomischen Gründen. Daraus kann aber keine nichtphysikalische Existenz der Phänomene abgeleitet werden. Das wäre ein schwerer Irrtum. Nur wenige Menschen beherrschen die Physik, die Welt aber muss jeder Mensch beherrschen können um zu leben. Deshalb beschreiben wir die Welt in einer gemeinsam verständlichen Sprache, unabhängig von Physik, unabhängig von den objektiven, naturwissenschaftlichen Realitäten der Welt.

    Es gibt jedoch eine integrierende Entwicklung von den rein phänomenalen und bildhaften Sprachen des Altertums hin zu den modernen Sprachen, weil die Naturwissenschaft und Wissenschaft überhaupt, neben den modernen Technologien, inzwischen einen breiten Raum der Kultur einnimmt. Auch wenn die Natur vieler Phänomene mit der Zeit wissenschaftlich entdeckt wird, behalten die herkömmlichen Begriffe dafür ihre Bedeutung. Der Regenbogen bleibt der Regenbogen.

  174. @hwied: was ist los…
    Weil wir immer von Wissen (Naturwissenschaften) ODER Glauben (z. B. Religionen) sprechen und nicht von Wissen und Glaube. Beides sind Phänomene der einen Psyche und der Physis und es doch ein wenig sowohl als auch holistisch zu betrachten sein sollte.
    Wie wird aus Glaube = Hypothese Wissen? Wechselwirkt auh hier. Wie wird aus Liebe eine Partnerschaft? Wie wird aus dem Glauben heraus, dass richtige zu tun, aus einem Wunsch, gesicherte Erkenntnis?
    Wir spielen halt etwas mit der Aussagenlogik. Mehr ist eigentlich nicht los. Konjunktion und Disjunktion sind Teil der Aussagenlogik. Beides unterscheidlich, aber doch Teil der Logik und somit auch Teil der Psyche, wie Wissen und Glaube Teild der Psyche sind. Spielt sich alles nur in uns ab.
    Die einen setzen mehr auf das Axiom Glaube, die anderen auf das Axiom Wissen. Je mehr wir jedoch wissen, uns selber vestehen, und nicht über eine Externalität erklären lassen, desto “besser” werden unsere Entscheidungen. Nennt man Erfahrung. Und Erfahrung ist doch irgendwie ein wenig gelebte Empirie.

  175. @Physiker (auch @Johannes): Geltungsraum

    Wenn Sie noch einmal aufmerksam meine Beiträge lesen würden, dann sähen Sie, dass ich mich ausschließlich auf Bereiche konzentriere, wo die Naturwissenschaften Aussagen machen können. Wenn man die Natur studieren will, sollte man sich eben an die Methodik halten, die die Naturwissenschaften benutzen.

    Sie wenden dann aber ständig Ihre Erkenntnisse auf einen Geltungsraum außerhalb der Naturwissenschaften an – und das kann man Ihnen schon vorwerfen.

    Schon dass Sie überhaupt an dieser philosophischen Diskussion teilnehmen, lässt sich von ihrem Standpunkt aus allein nicht nachvollziehen. (Sie sind hier bei MENSCHEN-BILDER trotzdem willkommen.)

    Offenbar ist diese Religion wie viele Andere mit den letzten Gläubigen verschwunden. Das zeigt, dass nicht Gott oder die Götter die Menschen erschaffen, sondern die Menschen die Götter.

    Auch dies ist ein Fehlschluss: Aus A → B folgt eben nicht B → A.

    Im Übrigen formulierte schon Voltaire (18. Jh.) seine berühmte Religionskritik, in der er Unterschiede und Widersprüche zwischen und auch innerhalb der religiösen Sekten aufzeigte. Wieso sollte man also glauben, dass ausgerechnet die Religion, in die man selbst hineinwächst, wahr ist?

    Aber auch daraus folgt nicht, dass das Göttliche/Gott oder wie auch immer man es nennen soll nicht mehr ist als nur eine Einbildung der Menschen. Hier sollten Sie endlich mal philosophisch konsequenter sein.

    Aus dieser Kritik kann (und sollte) man allenfalls Toleranz für verschiedene Weltbilder ableiten.

  176. @Schleim
    Wo bleibt denn Ihre eigene Toleranz? Mich können Sie in keiner Weise überzeugen. Der Agnostizismus ist eine Einstellung ohne intellektuellen Anspruch.

  177. @Reutlinger: Toleranz

    Ich akzeptiere, dass Sie hier sind und etwas schreiben, nicht was Sie schreiben.

    Gerade wieder mit Äußerungen wie

    Der Agnostizismus ist eine Einstellung ohne intellektuellen Anspruch.

    beweisen Sie für mich einmal mehr, dass Sie zu denjenigen gehören, die die Toleranz der anderen nur ausnutzen, um ihren eigenen unausgegorenen Krams zu verbreiten. (Nicht, dass ich daran noch Zweifel gehabt hätte.) Ich kann die Hardnäckigkeit, mit der Sie immer und immer wieder den gleichen argumentativen Unsinn verbreiten, nicht nachvollziehen. Ich würde mich in dem Blog von jemand anderem nicht so benehmen wie Sie. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

    Das Forum hier ist unmoderiert; da muss man mit solchen Erscheinungen leben.

  178. @Schleim:
    „Sie wenden dann aber ständig Ihre Erkenntnisse auf einen Geltungsraum außerhalb der Naturwissenschaften an – und das kann man Ihnen schon vorwerfen. „
    Genau das ist eben nicht der Fall. Wenn die Religionen etwas postulieren, was per definitionem außerhalb des Geltungsraums der Naturwissenschaften liegt, ist das ein argumentativer Taschenspielertrick. Man kann diese Postulate dann weder beweisen noch widerlegen. Dann muss die Person, die so etwas postuliert, eben mit der Antwort des Naturwissenschaftlers leben, dass es sich nur um eine Fiktion handelt, also etwas was nur in der Vorstellung von Menschen existiert.
    Ich habe mich bemüht, die Erkenntnisse der Naturwissenschaften nur auf diejenigen Bereiche anzuwenden, wo sich Naturwissenschaft und die Postulate der Religionen überschneiden, und da zeigen sich eben klare Inkompatibilitäten. Falls ich bei dieser Argumentation Fehler gemacht habe, höre ich gerne die Gegenargumente. Insbesondere das Argument, dass es sich um eine Angelegenheit außerhalb des Geltungsbereichs der Naturwissenschaft handelt, wäre zu belegen und nicht nur zu behaupten.
    Und von wegen Fehlschluss: Wenn mit dem Aussterben der Gläubigen auch der Glaube an die jeweiligen Götter ausstirbt, ist der Schluss gerechtfertigt, dass die Menschen die Götter erschaffen, und zwar nur als Konzept im Kopf.

  179. “Genau das ist eben nicht der Fall. Wenn die Religionen etwas postulieren, was per definitionem außerhalb des Geltungsraums der Naturwissenschaften liegt, ist das ein argumentativer Taschenspielertrick. Man kann diese Postulate dann weder beweisen noch widerlegen. Dann muss die Person, die so etwas postuliert, eben mit der Antwort des Naturwissenschaftlers leben, dass es sich nur um eine Fiktion handelt, also etwas was nur in der Vorstellung von Menschen existiert.”

    Ich kann als religiöser Mensch sicher ganz gut damit leben das Religion muss aber zwei Dinge anmerken:

    “argumentativer Taschenspielertrick” impliziert das die Theologen irgendwie behaupten Naturwissenschaften zu betreiben, bis auf ein paar Kreationisten und ID Anhänger macht das aber keiner sodass “argumentativer Taschenspielertrick” zumindest ein bischen unfair ist. Die Methodik legen die Theologen ja klar fest, sie manipulieren da in keinsterweise.

    ” dass es sich nur um eine Fiktion handelt, also etwas was nur in der Vorstellung von Menschen existiert.

    ist inzwischen gradezu schrill weil sie doch schon tausendmal darauf aufmerksam gemacht wurden das ihr Glaubensdogma: Was nicht naturwissenschaftlich beschreibbar ist existiert nicht” eben ein Dogma ist. Ist so wenn ich als Christ das apostolische Glaubensdogma immer und immer wieder wiederhole, dadurch wird es doch nicht wahr.

  180. @hwied 04.03. 08:45 / 12:20

    „Hast du schon einmal etwas vom Kreislauf der Natur gehört,
    wenn du schon behauptest, dass ein Weiterleben nach dem Tode unmöglich ist.“

    In der Tat geht das biologische Leben in unseren Kindern weiter. Aber auch die ganzen Ökosysteme bestehen meistens weiter, auch hier ist der Tod ein festes Element. Selbst das Aussterben von ganzen Arten gehört zum Spiel dazu, die machen dann Platz für neue Arten, die geeigneter sind.

    Der Fortbestand des Geistes dieser Welt, wovon wir vermutlich ein Teil sind, ist eine andere Geschichte. Die ist nicht biologisch im engeren Sinne.

    „…die moderne Gottesvorstellung lässt die Leute einander näher rücken.“

    Ja, mit dem Wissen aus Biologie, Medizin und Psychologie wächst nicht nur das anerkannte geteilte Wissen, sondern auch die Gottesvorstellungen können sich präzisieren, indem z.B. eine Personifizierung Gottes weniger plausibel wird. Einfach weil man einer menschlichen Person inzwischen biologische Eigenschaften zuschreibt, die ein Gott nicht hat und auch nicht braucht.

    „Wenn man den blog querliest, bekommt man den Eindruck als ob die Welt nur aus Religion oder Naturwissenschaft/Naturalismus besteht.“

    Nun, es gibt eben Sachen, die man wissen kann und Sachen die man Glauben kann. Und Sachen, die man noch nur glaubt, aber die man irgendwann auch wissen kann. Dazu kommen noch spezielle eigene Erfahrungen, die einen selbst wissen lassen können, die aber andere nur glauben, oder eben nicht glauben können.

    Und wenn man so will, ist auch Expertenwissen etwas speziell: als Laie kann man das dann dem Experten nur glauben, und so wird es erst zum eigenen Wissen. Und wenn man Gründe hat, zu meinen, dass der Experte selbst wiederum doch nicht so glaubwürdig ist, bzw. einer Hybris verfallen ist, dann glaubt man das dann womöglich auch nicht.

    So spielt sich dann Vieles eben immer irgendwo zwischen Wissen und Glauben ab. Auch im persönlichem Lebenskampf hat man ständig mit Wissen versus Glauben zu tun, vieles im Alltag ist provisorisch und unsicher, und man muss sich hier mit Haltung und Wahrscheinlichkeitsrechnung irgendwie durchmogeln. Und manchmal sogar beten.

    @Stephan 04.03. 13:40

    „…beweisen Sie für mich einmal mehr, dass Sie zu denjenigen gehören, die die Toleranz der anderen nur ausnutzen, um ihren eigenen unausgegorenen Krams zu verbreiten.“

    In der Tat, aber das gibt es wohl öfter. Wenn die doch wenigstens mal zuhören würden, dann müssten die nicht ständig Dasselbe schreiben.

  181. @Physiker: Taschenspielertricks

    Dann muss die Person, die so etwas postuliert, eben mit der Antwort des Naturwissenschaftlers leben, dass es sich nur um eine Fiktion handelt, also etwas was nur in der Vorstellung von Menschen existiert.

    Nein: Die Gesetze der Logik sind grundlegender und daraus können bzw. müssen wir ableiten, dass sich (hier: Tatsachen-) Aussagen nur dort widersprechen können, wo sie denselben Gegenstandsbereich haben. Das gehört zum Einmaleins dieser Serie.

    Man könnte Ihnen hier auch einen “Taschenspielertrick” vorwerfen, da Sie nämlich gerade nicht als Naturwissenschaftler, sondern als Philosoph (konkret wohl: als Naturalist) die Religion zur “Fiktion” erklären.

    Sie begehen ganz sicher einen logischen Fehlschluss, wo sie aus der Beobachtung, dass eine Religion (hier: die der Ägypter) ausgestorben ist, ableiten, dass alle Religionen Fiktionen sein müssen.

    Das könnte man allenfalls noch als induktiven Schluss retten – doch dann müsste man sich mehrere Religionen anschauen und wäre doch nicht weiter als Voltaire im 18. Jahrhundert.

    Und Sie begehen implizit auch einen weiteren Fehlschluss, wo Sie gewissermaßen evolutionäre Standards auf Glaubenssysteme anwenden in der Form: Wer sich nicht durchsetzt, hat Unrecht.

    Ich glaube schon, dass Sie sich hier redlich bemühen; aber ohne Übereinstimmung bestimmter grundlegender logischer wie sprachlicher Regeln reden wir hier nur aneinander vorbei. Das sollte nach über 2.500 Kommentaren in dieser Serie eigentlich nicht mehr passieren.

  182. @Tobias: Diskussionskultur

    Ich habe mir das nach Aufklärung und so anders vorgestellt – sehr aufgeklärt finde ich solche Diskussionen nicht. Man sollte doch mehr philosophische Grundlagen in Schule und Studium (und damit meine ich nicht nur das Studium der Philosophie) vermitteln.

    Man muss die Perlen sehen. Die gibt es zum Glück auch.

  183. @Schleim:
    „Nein: Die Gesetze der Logik sind grundlegender und daraus können bzw. müssen wir ableiten, dass sich (hier: Tatsachen-) Aussagen nur dort widersprechen können, wo sie denselben Gegenstandsbereich haben. „
    Das ist ja gerade das Problem: die Religionen behaupten eben nur, dass sie sich auf einen anderen Gegenstandsbereich beziehen. Das sieht man beim Postulat einer immateriellen Seele, die per definitionem nicht naturwissenschaftlich erklärbar ist. Die Frage ist eben: kann man einfach so einen anderen Gegenstandsbereich postulieren, der mit den Naturwissenschaften prinzipiell nichts gemein hat? Ja, kann man, aber das ist eben das, was man Fiktion nennt. Ich habe versucht, aus der Zusammensetzung des Gehirns aus Atomen Schlussfolgerungen über die Möglichkeit von direkter Kommunikation aus dem Gehirn heraus zu ziehen, und da gibt es eine klare Inkompatibilität mit Religion. Das Gehirn ist aber als Teil der Natur Gegenstand der Naturwissenschaften, also ist eine solche Analyse erlaubt. Weiterhin kann man daher klar sagen, dass mit dem Tode die neuronale Aktivität im Gehirn endet, und daher jede mentale Tätigkeit desjenigen Menschen ebenfalls. Wenn etwas davon weiter existieren sollte, müsste es sozusagen ein Backup der wesentlichen Inhalte des Gehirns geben, die dann aber nicht mehr in unserem Universum existieren kann.
    Die Argumentation mit den ausgestorbenen Religionen kann man so erweitern, dass man sagt, alle Götter dieser Religionen waren Fiktion. Dann wäre aber zu klären, was die existierenden Religionen von den ausgestorbenen unterscheidet und warum das widerlegen kann, dass die zur Zeit angebeteten Götter sich von den „alten“ Göttern prinzipiell unterscheiden.
    @Johannes:
    „ Was nicht naturwissenschaftlich beschreibbar ist existiert nicht” eben ein Dogma ist. „
    Dann ist das eben ein Dogma, aber die Erfolge der Naturwissenschaften in den letzten paar Jahrhunderten zeigt doch klar, dass diese Sichtweise extrem erfolgreich bei der Erklärung der Natur ist. Die Religion beschränkt sich nur noch auf den fast unzugänglichen Bereich des menschlichen Gehirns und hat die Erklärung der Natur aufgegeben.
    Das ist meiner Meinung nach das Ende der Diskussion, weil man eben über Gegenstandsbereiche, die per definitionem unterschiedlich sind, nicht diskutieren kann.

  184. @Johannes // 04.03.2021, 14:22 Uhr

    » Glaubensdogma: Was nicht naturwissenschaftlich beschreibbar ist existiert nicht”«

    Geht dieses „Glaubensdogma“ — wenn es denn eines ist, denn das einzige mir bekannte Dogma* der Naturwissenschaften lautet: es gibt keine Dogmen — nicht vielmehr so (oder so ähnlich, eben ganz undogmatisch): „Was prinzipiell nicht naturwissenschaftlich beschreibbar ist, existiert höchstwahrscheinlich nur als Kopfgeburt.“

    Und bitte beachten: Mit den Disziplinen Anthropologie, Verhaltensbiologie, Soziobiologie und in Teilen Psychologie reicht der Erklärungsanspruch der Naturwissenschaft weit in den kulturellen Bereich hinein.


    *vorbeugend: Das zentrale „Dogma“ der Molekularbiologie ist kein Dogma, „Dogma“ war lediglich ein begrifflicher Missgriff, wie er schon mal vorkommen kann.

  185. Physiker,
    “Wenn mit dem Aussterben der Gläubigen auch der Glaube an die jeweiligen Götter ausstirbt, ist der Schluss gerechtfertigt, dass die Menschen die Götter erschaffen, und zwar nur als Konzept im Kopf.”

    Das ist eine alte Kamelle, schon uralt. Sie verwechseln Götter mit Gott.
    Kein Mensch kommt noch auf die Idee Odin aus dem Hut zu zaubern mit Hugin und Munin auf der Schulter.

    Und es ist auch eine irrige Vorstellung, dass ein Christ kein Naturwissenschaftler sein kann. Der Christ kann auch noch Koch sein oder Künstler. Begreifen Sie endlich mal, Christ sein ist kein Beruf.

    Und jetzt kommt das Allerletzte, die Seele die man postulieren muss, die muss man nicht postulieren , die hat man. Man muss auch keine Zahnschmerzen postulieren oder einen Pickel auf der Nase, die hat man.
    Ein schlechtes Gewissen hat man auch und manche Leute begehen sogar Selbstmord deswegen.

    Nachtrag :Ich formuliere absichtlich so bildhaft, wenn Sie sich streitig stellen, ich kann das auch.

  186. “Dann ist das eben ein Dogma, aber die Erfolge der Naturwissenschaften in den letzten paar Jahrhunderten zeigt doch klar, dass diese Sichtweise extrem erfolgreich bei der Erklärung der Natur ist. ”

    Das ist so keine Frage. Aber das ist halt ein Erfolg der Naturwissenschaften. Und nicht ein Erfolg des Dogmas das es außerhalb der Naturwissenschaften keine Erkenntnisse geben kann.

    Wenn man das Dogma das sie haben sehr eng fasst müssten ja alle Nichtnaturwissenschaften gar keine Erkenntnisse produzieren. Da würde meine Frau aber als Literaturwissenschaftlerin protestieren.

    Soweit ich weiß enthielt ihre Dissertation die eine oder andere Erkenntnis.

    “Die Religion beschränkt sich nur noch auf den fast unzugänglichen Bereich des menschlichen Gehirns und hat die Erklärung der Natur aufgegeben.”

    Einen Menschen den ich mal kennenlernen durfte hat (Milad Karemi) hat mal Religion als einen Geschmack für das Unendliche bezeichnet. (Grade mal gegoogelt, hat er von Schleiermacher übernommen, der nannte es “Sinn und Geschmack für das Unendliche)

    Sie dient sicher nicht dazu die Natur zu beschreiben. Kein Theologe behauptet mit den Naturwissenschaften zu konkurrieren.

  187. @Physiker 04.03.2021, 13:51 Uhr

    Da musste ich schmunzeln:

    Wenn mit dem Aussterben der Gläubigen auch der Glaube an die jeweiligen Götter ausstirbt, ist der Schluss gerechtfertigt, dass die Menschen die Götter erschaffen, und zwar nur als Konzept im Kopf.

    Dem Naturalismus geht es nicht anders als den Religionen: Ohne uns gibt es keine Vorstellung mehr von einer unerschaffenen, regelhaften und erkennbaren Welt – oder?

  188. Mussi,
    “holistisch” , das ist der fehlende Begriff. Holistisch sollten wir unsere Existenz begreifen. Darin haben unsere Alltagssorgen Platz, unsere Pflichten, Freuden, und auch eine intellektuelle Auseinandersetzung wie hier gerade.

    Johannes,
    Der Geschmack des Unendlichen, das hört sich werbewirksam an. Der Begriff holistisch kommt da zur rechten Zeit. Die Tragik der Naturwissenschaft ist es, dass sie alles in Begriffen verpacken muss, Sie darf ihren selbstgebauten Käfig nicht verlassen. Die Metaphysik , die das macht, die wird deswegen angefeindet. Ich vergleiche die Physik mit der Königin vor dem Spiegel: Spieglein , Spieglein an der Wand……..und wehe der Spiegel antwortet: aber die Religion ……….

  189. @Physiker: Postulate

    …die Religionen behaupten eben nur, dass sie sich auf einen anderen Gegenstandsbereich beziehen. Das sieht man beim Postulat einer immateriellen Seele, die per definitionem nicht naturwissenschaftlich erklärbar ist. Die Frage ist eben: kann man einfach so einen anderen Gegenstandsbereich postulieren, der mit den Naturwissenschaften prinzipiell nichts gemein hat? Ja, kann man, aber das ist eben das, was man Fiktion nennt.

    Und Sie postulieren, dass der Weg der Naturwissenschaften der primäre Zugang zur Realität ist. Das kann man machen und dafür gibt es sicher Gründe (wie etwa das Funktionieren bestimmter Technologien, die auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen). Ich erkenne in Ihrem Denken aber bestimmte Verabsolutierungstendenzen, wo Sie erwarten, dass alle Anderen Ihr Postulat teilen. Das funktioniert in einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft aber nicht.

    Ich würde es pragmatisch so sehen: Ganz gleich, ob die Naturwissenschaften der primäre (oder gar einzige) Zugang zur Realität sind – sie sind mit ziemlicher Sicherheit nicht der primäre Weg, die Herausforderungen der Menschheit im 21. Jahrhundert zu lösen. (Im Gegenteil scheinen sie Teil des Problems zu sein, wenn wir an Technologien denken, die die Umwelt zerstören, soziale Ungleichheiten verstärken oder massenweise Menschen töten).

    Die Lösung für unsere Herausforderungen werden wir, wenn überhaupt, dann in den Sozial-, Geistes-, Rechts-, Kultur-, Religionswissenschaften usw. finden.

  190. @Balanus: Soziobiologie etc.

    Und bitte beachten: Mit den Disziplinen Anthropologie, Verhaltensbiologie, Soziobiologie und in Teilen Psychologie reicht der Erklärungsanspruch der Naturwissenschaft weit in den kulturellen Bereich hinein.

    Ja – mit schönen Märchen und indem sie sich von der praktischen, angewandten Lebenswelt abschotten. Lang leben der Elfenbeinturm, die TED-Talks und die Bestsellerliste!

  191. @hwied:
    Ich habe gerade noch einmal den Wikipedia-Eintrag über Seele gelesen und festgestellt, dass es eine große Menge an widersprüchlichen Einstellungen dazu gibt. Offenbar ist „Seele“ ein sehr schwer zu definierender Begriff. Wenn man dann die Definition der katholischen Kirche zugrunde legt:
    Die traditionelle Lehre wurde 2005 im Katechismus der Katholischen Kirche bekräftigt: Die Geistseele kommt nicht von den Eltern, sondern ist unmittelbar von Gott geschaffen; sie ist unsterblich. Sie geht nicht zugrunde, wenn sie sich im Tod vom Leibe trennt […].
    dann ist meine Kritik berechtigt: diese Art der Seele ist per definitionem außerhalb der Naturwissenschaft. Man kann dran glauben oder nicht, aber die Existenz kann weder bewiesen noch widerlegt werden.

  192. @Schleim:
    Ich bin mir wirklich keiner Tendenz zu Verabsolutierung bewusst. Meiner Meinung nach soll jeder nach seiner façon selig werden. Die Verabsolutierungen sind eher bei den Vertretern der Religionen zu beobachten gewesen.
    Um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, sind viele Facetten der menschlichen Zivilisation nötig, aber Naturwissenschaften werden da bestimmt eine wichtige Rolle spielen. Bei den Religionen bin ich mir da nicht so sicher, insbesondere wenn man die Richtungen betrachtet, die Naturwissenschaften radikal ablehnen.

  193. Physiker,
    gut, dass Sie der Seele auf den Grund gehen wollen.
    Die Lehrmeinung der katholischen Kirche ist meiner Meinung nach eine Meinung, die einen praktischen Nutzen hat.
    Auch die katholische Kirche kann per Definition keine “Wahrheiten” schaffen.
    Was Seele sein soll ergibt sich aus dem Studium der Bibel und nach der ist sie unsterblich. Das klingt logisch ist es auch, weil ja auch der Mensch nicht nur als biologisches Wesen gesehen wird, sondern eine Kombination aus Fleisch und Geist.
    Und wenn sie mal das schlechte Gewissen plagt, dann haben Sie eine Vorstellung davon, was mit Geist gemeint ist.

  194. @Balanus / 04.03.2021, 16:29 Uhr

    Nur mal interessehalber gefragt: Existiert die EU? Der Wert einer Banknote? Dein persönliches Eigentum? Jemandes unveräusserliche Rechte?

    Welchen existentiellen Status haben solche “Dinge” aus Deiner Sicht? Und sind sie irgendwie von nennenswertem Belang für Dein tägliches Leben?

  195. @Schleim
    (Im Gegenteil scheinen sie Teil des Problems zu sein, wenn wir an Technologien denken, die die Umwelt zerstören, soziale Ungleichheiten verstärken oder massenweise Menschen töten).

    Das Problem sind nicht die Technologien, sondern es sind die Menschen, die sie benutzen. Man denke nur an die Hassbotschaften und Lügen in den “sozialen” Medien. Dabei sind es neben vielen anderen Gottgläubigen (Mafia, mexikan. Drogendealer) ausgerechnet die Evangelikalen in den USA, die sich im unverantwortlichen Gebrauch von Technologien besonders hervortun. Nicht zuletzt steckt dahinter die Prädestinationslehre, nach der von Gott erwählt ist, wer im weltlichen Leben den größten Erfolg und den meisten Zaster hat.

  196. “Das Problem sind nicht die Technologien, sondern es sind die Menschen, die sie benutzen. ”

    Was aber von Naturalisten gerne auf den Mißbrauch von Technik oder Naturwissenschaften beschränkt wird.

    Wenn also eine Kirche mit Hilfe der Medizin selbstlos durch Impfungen Menschen rettet ist das natürlich ein Verdienst der Naturwissenschaften und nicht der Christen.

    Wenn aber Christen mit Hilfe des Internets Lügen verbreiten ist die Technologie natürlich völlig unschuldig sondern die einzig verantwortlichen sind in dem Fall die Christen.

    Leuchtet unmittelbar ein…..

  197. @Reutlinger: Technologie

    Klar, wenn Technologie nutzt, dann ist das ein Beispiel für den Wert der Wissenschaft; wenn Technologie schadet, dann belegt das die Bosheit des Menschen.

  198. Denke wir sollte alle weiter beim Thema bleiben; denn einen sehr wesentlichen Punkt hat Timm Grams benannt:
    Alles, aber ausnahmslos alles was wir in Naturalismus oder Religion formulieren ist von Menschen FÜR Menschen formuliert und all diese Inhalte werden mit dem Verschwinden der Menschen ebenfalls verschwinden. Egal ob das der Naturalismus, eine Naturwissenschaft oder eine Religion oder eine bestimmte Philosophie ist.
    All diese Dinge dienen der Beschreibung UNSERER Welt und KEIN anderes Lebewesen interessiert sich für unsere Beschreibungen.

    Nun, ich kann nicht aus religiöser und nur rudimentär aus philosophischer Sicht argumentieren, aber ich sehe das Problem zwischen Naturalismus und Religion nicht so ganz. Wir kennen doch inzwischen viele Beispiele und ein paar wurden die letzten hunderte Kommentare lang genannt, worin Aussagen der Religion und solche der NaWi überhaupt nicht kollidieren. Schon weil sie sich in weiten Bereichen nicht berühren. Religion trifft keine Aussagen zur Europium-Anomalie des Calcits und NaWi keine zur Theodizee.
    Es sind doch nur wenige Felder und ermüdenderweise immer die gleichen, bei welchen Religion und NaWi kollidieren KÖNNEN.
    Erschaffung der Welt, Entstehung des Lebens und Abstammung der Arten und dann noch heikle Bereiche menschlichen Lebens wie Abtreibung oder Sterbehilfe (bei beiden können religiöse Überzeugungen und naturwissenschaftlich/medizinische Erkenntnisse kollidieren, müssen aber nicht). Dann fällt mir noch der Dauerkonflikt zwischen kritischer und fundamentaler Archäologie im Nahen Osten ein. Das ist aber echt für die Spezialistenecke.

    @Schleim: Lösungen für das 21. Jahrhundert

    Ja, haben sie recht. Was wir aus naturwissenschaftlich Sicht tun müssten, wissen wir eigentlich schon. OB wir es tun und ob das rechtzeitig gemacht wird können Sozial-, Geistes-, Rechts-, Kultur-, Religionswissenschaften finden und ich hoffe sie schaffen das schnell genug. Ich vermisse z.B. eine ausgefeilte Philosophie zum Verhalten von Gesellschaften und des Individuums im Klimawandel. Das ist kein naturwissenschaftliches Thema, brauchen wir aber dringend.

  199. @Physiker 04.03. 17:31

    „Wenn man dann die Definition der katholischen Kirche zugrunde legt:
    …Die Geistseele kommt nicht von den Eltern, sondern ist unmittelbar von Gott geschaffen; sie ist unsterblich. Sie geht nicht zugrunde, wenn sie sich im Tod vom Leibe trennt […].
    dann ist meine Kritik berechtigt: diese Art der Seele ist per definitionem außerhalb der Naturwissenschaft.“

    Ich weiß nicht wie sie darauf kommen, aber hier wird eine Wechselwirkung aus Seele und Gehirn zu Lebzeiten wohl nicht ausgeschlossen. Ich bin kein Katholik, aber wenn Gehirn und Seele an einander vorbei existieren würden, so wäre das doch total schräg. Kann man denn so dämlich überhaupt sein, dass man das annimmt?

    „Man kann dran glauben oder nicht, aber die Existenz kann weder bewiesen noch widerlegt werden.“

    Was sich jetzt natürlich erübrigt. Wenn Seele und Gehirn wechselwirken, dann wird man das auch irgendwann nachweisen können. Oder wirklich falsifizieren können. Man braucht hier eine funktionierende Gehirnsimulation, die haben wir vielleicht schon in den nächsten 20 Jahren, zumindest vorerst bei Mäusen. Ich halte eigentlich recht wenig von der mauen Relevanz der aktuellen Gehirnforschung, aber sie hat doch Zukunftspotential, hoffe ich zumindest.

  200. Der Mensch ist nun mal neugierig und forscht, eine Eigenschaft seines Bewusstseins. Das machen schon kleine Kinder. Vielleicht war das ein Irrtum des Schöpfers! Andererseits ist es eine Überlebensstrategie als Folge der Evolution, indem sich der Mensch über die ganze Erde ausgebreitet hat.

    Forschung ist auch eine Form von Freiheit und sie trägt manch unvorhergesehene Früchte. Anwender sind wir doch alle, aber wir sind natürlich die Guten, die Bösen sind immer die Anderen!!

  201. Holm Tetens ist vom Naturalismus und Atheismus zum Theismus und Idealismus gewechselt und hat ein interessantes Buch “Gott denken” geschrieben,

    hier ist eine interessante Diskussion mit einem (gemäßigten) Naturalisten

    https://www.youtube.com/watch?v=LN0QlfOMRpg&t=615s

    und hier eine Diskussion mit einem Ansgar Beckermann

    https://www.youtube.com/watch?v=duKtfpR8DPU&t=1036s

    https://www.youtube.com/watch?v=QoodJ6VT39o&t=601s

    https://www.youtube.com/watch?v=BLYB8XWWp10

    https://www.youtube.com/watch?v=qAryqBdZggc&t=565s

  202. @Reutlinger:

    Sie machen es sich ein wenig zu einfach und tun damit auch den NaWis keinen Gefallen. Ich zeige mal an zwei Beispielen, dass sich Naturwissenschaftler/Techniker nach meiner Einschätzung eindeutig “schuldig” machen können und eben nicht losgelöst von der Gesellschaft agieren.
    Einsatz von Giftgas im 1. WK und Abwurf der beiden Atombomben.
    Das erste wurde vom Nobelpreisträger Fritz Haber massiv vorangetrieben, der Bau der Bomben von etlichen hochbegabten Physikern (das war eine ganze Batterie von Nobelpreisträgern). In beiden Fällen wären die einsetzenden Militärs NIEMALS in der Lage gewesen, das aus eigener Kraft zu entwickeln. Klar gibt es Ausreden, man wollte den anderen zuvorkommen usw.. Allerdings hält das einer historischen Analyse nicht wirklich stand. Es war in beiden Fällen einfach unglaublicher persönlicher Ehrgeiz am Werk.
    Als es dann passiert war, hatte nicht nur Oppenheimer damit Probleme. Auch z.B. ein Richard Feynman hat sich Los Alamos nie wirklich verziehen. Das wäre ja bei beiden kaum der Fall gewesen, wenn sie das Militär für schuldig befunden hätten.

  203. @Neher/Grams/Schleim
    Im Grunde streiten wir uns ständig um Konjunktion,Disjunktion und Implikation usw. . Das Eigene der jeweiligen Entitäten in Einem.
    Wobei die Implikation=Kausalität durch Russell mehr Bedeutung gewonnen hat:ART.
    Die QM entspricht dem nicht.
    Die Philosophie,die nach Schleim die Mathematik beinhaltet,trennt das nur immer wieder in Natur-/Geisteswissenschaft. Positions- und Rechtfertigungsgründe. Das ist Tradition.
    Das entspricht aber nicht:Denken,Leben,Wirklichkeit.
    Wir haben in der Tat materielle Probleme mit dem Klima,der Biodiversität und der Ökologie=Natur,die auf kultureller Ebene entstanden sind und aber auch gelöst werden müssen. Alleine das berechtigt nicht,auf eine Trennung von Natur und Kultur zu bestehen!!!

  204. @Neher
    Da will ich Ihnen nicht widersprechen. Man muss die Wissenschaftler aber auch in ihrer Zeit, ihrem politischen Umfeld, ihrer Gesellschaft und ihrer Kultur sehen. Dasselbe Problem haben wir in China, in Nordkorea und im Iran. Die Frage ist doch, wie kommt man da raus? Es wäre abwegig, die Forschung deswegen einzustellen. Mit Moralpredigten aus dem Fernsehsessel oder von der Kirchenkanzel ist auch nichts zu erreichen.

    Das größte Problem liegt in ungleicher Machtverteilung, egal ob es die Staats- oder die Wirtschaftsmacht ist. Das sind die Auftraggeber, Wissenschaftler entwickeln keine Atombomben als Spielzeug für sie selber. In den USA gibt es ein liberales Waffengesetz, das jedem Bürger das Tragen von Waffen erlaubt. Die Folge sind nicht nur Schießereien in Schulen, sondern auch die Angst der Polizei bei jeder Fahrzeugkontrolle und ihre Bereitschaft, bei Verdacht sofort zu schießen. Im katholischen Mexiko werden jährlich über 12000 Menschen ermordet. Die Welt ist kompliziert.

  205. @Chrys // 04.03.2021, 17:45 Uhr

    » Existiert die EU? Der Wert einer Banknote? Dein persönliches Eigentum? Jemandes unveräusserliche Rechte?
    Welchen existentiellen Status haben solche “Dinge” aus Deiner Sicht?
    «

    Ich schätze, meine Sicht der Dinge gleicht in etwa der deinen. Die Tüttelchen machen deutlich, dass „Dinge“ dieser Art auf eine andere Weise „existieren“ als materielle, stoffliche Dinge.

    Kurz: Diese „Dinge“ existieren auf dem Papier, (sehr anschaulich im Falle der Banknote), in unseren Köpfen, in den Bedeutungen, als Zuschreibungen, Vereinbarungen, Vertragsinhalte, etc.

    Durch die naturwissenschaftliche Brille könnte man diese „Dinge“ so betrachten, wie man z. B. die Rangordnung in einer Primatenhorde betrachtet. Im Verhalten der Tiere zeigt sich, ob eine Rangordnung „existiert“ oder nicht. Und keine Frage, solche sozialen „Vereinbarungen“ sind sehr wichtig und bedeutsam. Das gilt für den einzelnen Affen genauso wie für mich… ;- )

  206. @Neher: Natur- und andere Wissenschaften

    …heikle Bereiche menschlichen Lebens wie Abtreibung oder Sterbehilfe…

    Hier sehe ich gar keine Möglichkeit der Kollision: Die Biologie/Medizin gibt die technische Möglichkeit vor – was wir daraus Machen, das ist eine Frage der Werte und Gesetze (also Ethik, Politik & Rechtswissenschaft).

    Was wir aus naturwissenschaftlich Sicht tun müssten, wissen wir eigentlich schon. OB wir es tun und ob das rechtzeitig gemacht wird können Sozial-, Geistes-, Rechts-, Kultur-, Religionswissenschaften finden und ich hoffe sie schaffen das schnell genug. Ich vermisse z.B. eine ausgefeilte Philosophie zum Verhalten von Gesellschaften und des Individuums im Klimawandel. Das ist kein naturwissenschaftliches Thema, brauchen wir aber dringend.

    Sehr schön zusammengefasst; danke!

  207. In einem Gastvortrag an der Uni Kiel hatte Joseph Weizenbaum kurz von einem „Gespräch mit einem Physiker“ [1, 2] berichtet, sinngemäß [3]

    Physiker: „Mit diesen Forschungsergebnissen sind wir in der Lage, alles auf dieser Welt zu erklären.“
    Zuhörer: „Oh – dann wissen wir ja, warum aus diesem neugebauten Haus immer wieder Fenster aus dem Rahmen brechen.“

    Hilft die Aussage des Physikers bzgl. der Fenster-Frage?
    Auch aus heutiger Sicht zunächst nicht, denn diese Frage auf der Ebene von Partikeln und Wechselwirkungen zu betrachten, wäre aussichtslos. Beispielsweise wäre es besser, Leute zu fragen, die sich mit Be- und Entlüftung sowie Luftdruck auskennen. Oder solche, die die am Gebäude vorbeiströmende Luft einschätzen können oder die tatsächlich eingebauten Fenster und deren Rahmen.

    Hilfreich wäre die Aussage allerdings in dem Sinne, dass das Wirken von Geistern oder übernatürlichen Kräften ausgeschlossen werden kann und man sich auf die Suche nach natürlichen Kräften beschränken kann. Dazu gehören dann auch menschliche Akteure bzw. Aktionen:
    Beispielsweise ungeeignete Planung des Fenstereinbaus, ungeeignete Auswahl des Materials, Nicht-Beachtung von Montageanweisungen („ach – warum immer mit fünf Schrauben befestigen – drei reichen auch“), Sabotage.

    Hier um göttlichen Beistand zu bitten wäre nur aussichtsreich in Bezug auf die beteiligten Personen, wenn die entsprechend gläubig wären. Demensprechend würde Religion bei dieser Fenster-Frage nur sehr eingeschränkt helfen.

    Und sonst? Auch dieser Blog und viele Kommentare zeigen, dass eher geisteswissenschaftlich geprägte Leute und eher naturwissenschaftlich geprägte Leute leicht aneinander vorbeireden können und es oft auch tun. Bedauerlich, denn „für das ganze Bild“ braucht man doch beide Fachgebiete, wobei ich die Naturwissenschaften als unverzichtbares Fundament ansehe.

    Das Bild Nr. 435 von xkcd („Purity“) passt nicht ganz zum Thema, aber ein bisschen …

    Viel Glück bei der Fortsetzung dieser Blog-Reihe.

    [1] Das war bestimmt nicht der hier gelegentlich zitierte Sean Carroll. Zur Zeit des Vortrags (ca. 1976) war er erst 10 Jahre alt.
    [2] Evtl. waren die Forschungen, auf die sich der oben genannte Physiker bezog, damals noch nicht abgeschlossen.
    [3] Quelle ist meine Erinnerung. Deshalb nicht wörtlich zitiert, sondern sinngemäß notiert. Genauere Unterlagen dazu habe ich nicht gefunden.

  208. @ Physiker

    Ich würde Sie um Ihre Sichtweise zu folgenden Fragen bitten.

    Steuert „Software“ die Prozesse auf der Hardware?

    Ist Computer Software für Sie „geistig“ (also „Information“ und eine andere Kategorie als Hardware), kann sie getrennt vom jeweiligen (einzelnen) System gesehen, also auf vielen gleichartigen Systemen verwendet werden?

    „Überlebt“ Software normalerweise die Hardware (bzw. existiert weiter), z.B. den verschrotteten Computer?

    Ist es für Sie „Information“ was im neuronalen System, z.B. in vielen Menschen gleichzeitig, durch die Bildung von Synapsen (E. Kandel) gespeichert wird?

    Wird der Aufbau von biologischen Strukturen hauptsächlich abhängig von der genetischen Information mittels der Genexpression gesteuert?

    Fall Sie dem zustimmen könnten, warum sollen dann „Meme“ (eines Verstorbenen) keinesfalls in den Gehirnen, bzw. Gene Verstorbener keinesfalls in den nicht verstorbenen Menschen weiter existieren?

    Wie können Sie bei einer derartigen Sachlage, jegliche informelle weitere Existenz von Information nach dem Ende der „Hardware“, letztlich nach dem Tode ausschließen?

  209. • Stephan Schleim
    • 04.03.2021, 17:26 Uhr
    Die Lösung für unsere Herausforderungen werden wir, wenn überhaupt, dann in den Sozial-, Geistes-, Rechts-, Kultur-, Religionswissenschaften usw. finden.

    Das ist aber ein mächtig anspruchsvoller Antritt, finde ich.

    “Die” Lösung gibt es nicht, meines Wissens hat bisher kein Vertreter der Sozial-, Geistes-, Rechts-, Kultur-, Religionswissenschaften einen Li-Ion-Akku erfunden oder eine Möglichkeit, aus Sonnenlicht und H₂O letztendlich H₂ zu machen – und was dergleichen “technischer Kram” wäre. Auch sind solche “Erfindungen” wie die Chemie-, Bio- und Kernwaffen zwar von Wissenschaftlern gemacht, aber meines Wissens nicht von Wissenschaftlern gegen Menschen angewendet worden ( Ausnahmen bestätigen die Regel, ich denke gerade an Fritz Haber und sein Chlorgas ).

    Ich denke, dass das, was Sie “Lösung für unsere Herausforderungen” nennen, eher die Überzeugung der Mehrheit der lebenden homo sapiens sapiens durch die Sozial-, Geistes-, Rechts-, Kultur-, Religionswissenschaften davon ist, sich einschränken zu müssen/zu sollen, um der Wissenschaft für den Auftrag, eine wirklich “nachhaltige” Lebens- und Wirtschaftweise zu erfinden/aufzubauen, genügend Zeit ( und Geld ) zu verschaffen.

  210. @Stephan Schleim: vielleicht anders formuliert?

    Sie schreiben:

    Die Kernaussage des Naturalismus, alles Existierende lasse sich naturwissenschaftlich erklären

    Kann man es vielleicht anders ausdrücken: Nur das, was naturwissenschaftlich erklärbar ist, ist überhaupt erklärbar?

    Den Rest kann man nur still verehren (oder auch nicht …).

  211. Elektroniker
    04.03.2021, 20:26 Uhr
    Fall Sie dem zustimmen könnten, warum sollen dann „Meme“ (eines Verstorbenen) keinesfalls in den Gehirnen, bzw. Gene Verstorbener keinesfalls in den nicht verstorbenen Menschen weiter existieren?

    Sie bringen da – meiner Meinung nach – zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte zusammen und ziehen dann aus der Vermengung beider nicht zutreffende Schlüsse.
    Sicher “erbt” der Sohn ( die Hälfte ) seine(r) Gene von seinem Vater, insofern “leben” ( “existieren” ) diese weiter ( die ” ” sind zur Verdeutlichung, dass es sich um sprachliche Begriffe handelt ). Da aber auf den Genen sehr viel mehr Information gespeichert ist, als sich dann aktuell in der körperlichen Erscheinungsform dokumentiert, ist es möglich, dass der Sohn seinem Vater überhaupt nicht ähnlich sieht, dafür aber seinem Urgroßvater ( oder dem Postboten 😉 ).
    Nach heutigem Wissen sind die Gedanken, Bilder, Erinnerungen etc im Gehirn als Folge von Netzwerken gespeichert, die die vielen Synapsen im Gehirn bilden. Dabei können wir davon ausgehen, dass es bei 100 Menschen, die das gleiche Bild sehen, mindestens 101 ( 😉 ) unterschiedliche Erinnerungen daran/davon gibt. Diese Synapsennetzwerke “leben” davon, dass sie Energie verbrauchen, was wir daran sehen, dass der Anteil des Gehirns bei körperlicher Ruhe etwa 20% des Energieverbrauchs beträgt, bei nur 2-3% Anteil am Gewicht. Ohne Energiezufuhr können die Synapsen nicht “arbeiten”, ohne diese “Arbeit” gibt es kein Netzwerk – und damit ist auch alles Erinnern, Wissen, Können und Wollen futsch.
    Sicher können Lebende das “Wissen” eines Verstorbenen zu dessen Lebzeiten durch Lernen übernommen/adaptiert haben oder nach dessen Tod aus Büchern, aber es ist dann “ihr” Wissen und nicht “sein” Wissen.

  212. @Stephan Schleim
    Dogma (heißt wirklich so …) der Molekulargenetik

    Mit anderen Worten: Lange Zeit hielt man es für naturgesetzlich unmöglich, dass Information in die andere Richtung “fließen” kann (vom Organismus in die DNS). Hier spielte auch der Kalte Krieg herein, denn der Lamarckismus war in der Sowjetunion populär.

    Vorsicht, das ist etwas mehr als die Weismann-Doktrin (die formuliert wurde, bevor man sich allzu sehr mit Genetik auskannte, der Begriff ‘Genetik’ wurde erst lange nach dieser Doktrin geprägt), eher das Dogma der Molekulargenetik. Es gilt auch heute noch, Epigenetik bezieht sich nicht auf Änderungen der DNA, sondern Methylierungs- oder Acetylierungsmuster, und es ist noch nicht bekannt, wie stabil das ist.

    Korrigieren Sie mich, falls ich mich irre: es gibt keinen Mechanismus, der Erfahrungen in die DNA schreibt (okay, eingeklinkte Viren ausgenommen, aber das hat mit Anpassung im Sinne von Informationsübertragung im Sinne Lamarcks nichts zu tun).

    ‘Lamarkismus’ ist auch viel mehr als Vererbung erworbener Eigenschaften. Die Frage ist natürlich interessant, ob der Kalte Krieg Einfluss auf die Genetik im Westen hatte (Ostblock-Staaten natürlich ausgenommen). Meines Wissens nicht, aber vielleicht wissen Sie ja Details.

  213. @Erwin Neher

    ‘Leben’ als Reifizierung

    Was meinen sie mit Leben? Ab wann beginnt Leben für sie?

    gute Frage in dem Kontext, in dem Sie das formuliert haben.

    Vielleicht noch ein anderer Aspekt (nur wenige Biologen formulierten das so deutlich wie Ernst Mayr, der ‘Darwin des 20. Jahrhunderts): ‘Leben’ ist eine Reifizierung. Es gibt nur lebende Systeme, die durch bestimmte Eigenschaften gekennzeichnet sind. Es macht also keinen Sinn, ‘tote’ Materie als mit ‘Leben’ bedacht zu sehen, sondern es ist zu fragen, ab welcher Organisationsstufe stoffliche Systeme als ‘lebendig’ zu bezeichnen sind.

    Sonst ist man bei Dualismen wie ‘Geist’ und ‘Gehirn’ oder ‘Leben’ und ‘tote Materie’. Man kann beides als Emergenzen sehen.

    Einfachste lebende Systeme wären dann meinethalben Protobionten (von denen meines Wissens noch niemand weiß, die die aufgebaut waren).

  214. @Thomas Waschke 04.03. 22:42 / 23:21

    „Kann man es vielleicht anders ausdrücken: Nur das, was naturwissenschaftlich erklärbar ist, ist überhaupt erklärbar?“

    Naja, das würde z.B. irgendwie bedeuten, dass Psychologen wirklich garnichts erklären können, solange sie ihre Begriffe und Konzepte nicht 1:1 neurophysiologisch identifizieren können.

    „‘Leben’ ist eine Reifizierung.“

    Ich finde nicht. Die biologische Definition des Lebens braucht so viel Selbstorganisation, dass sie selbstständig existieren, sich vervielfältigen und evolvieren kann. Das ist eine ganz eindeutige Schwelle, unter dem das Leben einfach nicht bestehen kann. Und wenn es einmal da ist, entwickelt es sich stetig weiter, und kann im Laufe der Zeit immer mehr.

    Man muss sich nur mal vorstellen, in wie vielen Schritten sich die Evolution schon hat fortentwickeln können, und das die ganze Zeit simultan auf dem ganzen Planeten. Da hat sich inzwischen wirklich eine ganz eigene Welt gebildet. Unsere Spezies gibt es erst seit 300.000 Jahren, und wir haben vermutlich noch mindestens 300 Mio Jahre Zeit und Gelegenheit, uns weiter zu entwickeln.

  215. @Balanus / 04.03.2021, 19:12 Uhr

    Ja, das überrascht mich nicht. Aber wenn Du im Alltag die Temperatur eines Heizkörpers genauso selbstverständlich hinnimmst wie den Wert einer Banknote, ist Deine alltägliche Lebenswelt dann nicht ein prima Beispiel für die praktikable Verträglichkeit zweier ganz verschiedener, nennen wir es mal, Magisteria?

    Unter der Bedingung, dass dabei weder die eine noch die andere Seite über den Bereich der eigenen Zuständigkeit hinausgreift — sonst gibt’s an Krawall!

  216. @Andresen: Beschreibungsebenen

    Ein interessantes Beispiel – das mich auch daran erinnert, dass es in unseren so genannten hochentwickelten Gesellschaften zunehmend schwerer wird, beispielsweise einen guten Handwerker zu finden (der dann vielleicht die Fensterrahmen Ihres Beispiels reparieren würde).

    Ich denke, dass uns auch die Coronapandemie zur Bescheidenheit zwingt. Natürlich ist es beachtlich, dass in so kurzer Zeit diese neuen Impfstoffe entwickelt wurden. Die Krise ist darum übrigens (noch?) nicht überwunden. Aber wenn das Virus mutiert, was es ja auch tut, und an seinem Bauplan ein paar Dinge verändert, dann stehen wir wieder relativ am Anfang. Zudem handelt es sich hier nicht um lineare Prozesse: In den Medien liest man von ein paar Mutationen – es könnten genauso gut aber Hunderte, Tausende, Millionen sein!

    Was will ich damit sagen? Wie gesagt, Bescheidenheit (religiöse Menschen würden wohl sagen: Demut). Und wenn man denn einsähe, dass unsere wissenschaftlichen und technologischen Mittel begrenzt sind (diese Einsicht fehlt mir bei vielen Naturalisten), dann würde man vielleicht auch den Nutzen sozialer Technologien wieder mehr schätzen.

    Den größten Teil der Menschheitsgeschichte hat uns eben nicht die Biomedizin geholfen, sondern religiöse Rituale, Schamanen, Medizinmänner/-frauen und so weiter. Der menschliche (in einem konkreten sinn aber auch: biologische) Wert von Hoffnung und Gemeinschaft, nennen Sie es meinetwegen Placebo-Effekt, fehlt mir in der naturalistischen Perspektive. Im Gegenteil machen sich viele darüber sogar lustig.

  217. @Physiker: Absolutismus & Fiktionen

    Tja, den Splitter, den man nicht sieht, kann man selbst auch nicht entfernen. Noch deutlicher, als ich es schon erklärt habe, zum Teil auch mit logischen Prinzipien, kann ich es nicht mehr.

    So viel noch: Alles, was nicht ins eigene Weltbild passt, zur “Fiktion” zu erklären, ist schon absolutistisch – und so wird es auf viele Menschen mit einem anderen Weltbild auch wirken.

    Ich würde übrigens eher von sozialen Konstrukten sprechen mit dem Unterschied, dass diese real sind und wirken, Beispiel Geld, weil wir daran glauben. Das sind streng genommen auch Fiktionen, denn den Wert von Geld kann man nicht im Teilchenbeschleuniger o.ä. messen, wobei der Teilchenbeschleuniger selbst – jedenfalls ins unserer Gesellschaft – interessanterweise finanzielle Transaktionen voraussetzt. Einmal mehr sieht man, dass das Weltbild des Naturalisten unvollständig ist: Ohne das Geld gäbe es nicht die Naturwissenschaften in ihrer heutigen Form; ohne diese Naturwissenschaften gäbe es aber trotzdem das Geld.

    Die Naturwissenschaften sind für unsere Gesellschaft schlicht nicht die grundlegende Ebene, können es gar nicht sein.

  218. @Maier: “grüne Technologien”

    Das hört sich für mich so an, als ob jemand den Lobbyisten aufgesessen ist, Stichwort “Green Washing”. Die Teslas und anderen Batteriefahrzeuge erzeugen wohl mehr Umweltverschmutzung, nur in anderer Form. Und inwieweit der “grüne Wasserstoff” wirklich grün ist und in ausreichender Menge (und bezahlbar) zur Verfügung stehen wird, ist noch nicht ausgemacht. An den Börsen zeichnet sich zurzeit eher ein Crash dieser Spekulationsblase ab (an der ich übrigens etwas mitverdient habe).

    Wahrscheinlich ist es so: Die Naturwissenschften bzw. Technologie soll hier Lösungen für Probleme finden, die wir ohne sie gar nicht hätten. Ja, wie lange sollen wir das denn noch so glauben, nach zwei, bald dreihundert Jahren Industrialisierung? Es ist doch vielmehr der Kapitalismus, der mit jeder “Lösung” wieder neue Probleme bringt, damit Konsum und Wachstum immer so weitergehen.

  219. @Waschke: Erklärung

    Kann man es vielleicht anders ausdrücken: Nur das, was naturwissenschaftlich erklärbar ist, ist überhaupt erklärbar?

    Nein, das kann man nicht.

    Einerseits setzen auch Erklärungen der Naturwissenschaften bestimmte philosophische Annahmen voraus, die sich selbst nicht naturwissenschaftlich erklären lassen…

    …und andererseits – und viel wichtiger! – ist unsere Kultur voller Erklärungen, die mit Naturwissenschaften nicht das Geringste zu tun haben, etwa warum A für X verantwortlich ist oder die Tat T Totschlag ist und nicht Mord. (Solche Erklärungen sind von großer Bedeutung, etwa warum der B für T nur fünf Jahre und nicht lebenslänglich ins Gefängnis muss.)

    Weil die Naturwissenschaft für unsere Gesellschaft nicht die grundlegende Ebene ist und sein kann, greift ihr Erklärungsbegriff auch viel zu kurz für unsere gesellschaftlichen Zwecke.

  220. @Waschke: Molekularbiologie

    Die DNS muss gar nicht verändert werden, um das Dogma zu widerlegen; es geht um die Fließrichtung von Information.

    Diese Frage geht hier aber viel zu weit ins Detail und brauchen wir hier nicht zu klären; ich verweise noch einmal auf meine ausführlichere Quelle.

  221. @Neher & Waschke: Was ist Leben?

    Interessante Frage – und ich finde es als Wissenschaftstheoretiker auch wichtig, Risiken der Reifikation ernst zu nehmen…

    …aber die Frage, was Leben ist (oder eben eine weniger reifizierende Variante), stellt natürlich ein Problem für den Naturalismus dar. Ich fürchte aber, dass wir sie hier im Blog nicht werden lösen können.

  222. @Stephan Schleim

    Epigenetik und DNA

    Die DNS muss gar nicht verändert werden, um das Dogma zu widerlegen; es geht um die Fließrichtung von Information.

    Doch, gerade die Veränderung der DNA ist der Knackpunkt des zentralen Dogmas. Hat schon der Crick, der den Begriff prägte, klar gesehen und später noch präzisiert.

    Wenn Sie nur Fließrichtung von Information sagen, wird es besser, aber dann hat es nichts mehr mit dem zentralen Dogma zu tun.

    Aber okay, das würde jetzt zu kompliziert werden.

  223. @Stephan Schleim

    Leben als Problem für den Naturalismus?

    …aber die Frage, was Leben ist (oder eben eine weniger reifizierende Variante), stellt natürlich ein Problem für den Naturalismus dar. Ich fürchte aber, dass wir sie hier im Blog nicht werden lösen können.

    Gerade hier scheint mir der Naturalismus kein Problem zu haben. Was in diesem Bereich nicht naturalistisch geklärt werden kann, ist überhaupt nicht klärbar. In diesem Bereich ist man sehr nahe an der Ebene der Moleküle und die neu auftretenden Systemeigenschaften sind eher überschaubar als beispielsweise soziologische und psychologische.

  224. @Stephan Schleim

    Naturwissenschaft als Weltbild

    Weil die Naturwissenschaft für unsere Gesellschaft nicht die grundlegende Ebene ist und sein kann, greift ihr Erklärungsbegriff auch viel zu kurz für unsere gesellschaftlichen Zwecke.

    Ich habe mich zu kurz ausgedrückt. Würde aber jetzt zu lang werden.

    Nur etwas weniger kurz: für mich ist ‘Naturwissenschaft’ ein naturalistisches Weltbild. Der menschliche Geist ist ein Teil der Natur. Auch auf gesellschaftlicher Ebene kann nichts durch eine Übernatur erklärt werden. Es ist trivial, dass auf höheren Systemebenen nicht mehr auf der unterer Ebenen erklärt werden kann. Es macht beispielsweise keinen Sinn, zu fragen, wo die Mendelschen Regeln beim Urknall waren, oder auch noch, als es nur Haplonten gab. Es macht auch keinen Sinn, soziologische Phänomene durch Ionenströme durch Neuronenmembranen erklären zu wollen.

    Aber okay, man kann es auch anders sehen und von einer Übernatur ausgehen. Aber halt mit der Asymmetrie, dass die Naturwissenschaften funktionieren. Es gibt meist einen Konsens, und das, was sich bewährt hat, wird weltweit anerkannt. Noch niemand konnte zeigen, wie man durch die Annahme einer Übernatur zu gültigen Erkenntnissen gelangen kann. Es trifft zwar zu, dass die Mehrheit der Menschen an eine Übernatur glaubt, aber mit Sicherheit nicht an die selbe, und keine konkrete Position kann zeigen, dass ihre richtig ist. Sonst gäbe es schon längst eine Einheitsreligion, die zumindest so viel Zustimmung hätte wie die Naturwissenschaften. Selbst innerhalb des Christentums gibt es eine Bandbreite, die fraglich macht, ob der Bezeichner ‘ich bin Christ’ irgendwelche Informationen über den enthält, der das von sich behauptet.

  225. @Tobias Jeckenburger

    ‘Leben’ als Reifizierung

    Bei ‘Reifzierung’ geht es darum, dass beispielsweise aus einem Vorgang ein Substantiv gemacht wird, das dann wie eine Entität verwendet werden kann, also dass es ‘das Leben’ in irgendeiner Art und Weise ‘gibt’ (Wittgenstein würde sagen, dass dann die Sprache ‘feiert’).

    Ein einfaches Beispiel: Bewegung. Wenn ich mich bewege, wo ist dann ‘die Bewegung’? Genauso wenig, wie ‘die Bewegung’ neben mir herläuft, gibt es ‘das Leben’ eines Systems mit bestimmten Eigenschaften.

    Ich finde nicht. Die biologische Definition des Lebens

    Was verstehen Sie unter “die biologische Definition des Lebens”?

    braucht so viel Selbstorganisation, dass sie selbstständig existieren, sich vervielfältigen und evolvieren kann. Das ist eine ganz eindeutige Schwelle, unter dem das Leben einfach nicht bestehen kann. Und wenn es einmal da ist, entwickelt es sich stetig weiter, und kann im Laufe der Zeit immer mehr.

    Ich sehe nirgends, dass Sie für diese Überlegungen ‘das Leben’ benötigen. Es reicht, wenn Sie ein System mit bestimmten Eigenschaften vorliegen haben. Dieses lebt.

    Wenn Sie in Schulbücher nach ‘Kennzeichen des Lebendigen’ schauen, finden Sie in moderneren auch Fähigkeit zur Evolution. Ist natürlich problematisch, denn man kann argumentieren, dass Lebensformen auch die Fähigkeit zur Evolution (meist nicht zur Anpassung, das sind zwei Paar Stiefel) verlieren. Es ist eine alte Weisheit der Paläontologen (beispielsweise Schindewolfs Typostrophenlehre, okay eher obsolet, aber mit einem wahren Kern), dass Evolution meist über unspezialisierte Stammformen erfolgt, während die spezialisierten Formen aussterben.

  226. @Waschke: Zentrales Dogma der Molekularbiologie

    Ich hatte mit Wuketits schon einen Theoretischen Biologen als Quelle genannt; darauf reagieren Sie gar nicht und Sie nennen auch keine eigene Quelle. Wuketits schreibt im folgenden Absatz unter Verweis auf Maynard Smith, The Theory of Evolution, 1975:

    Ändert sich etwas in der Sequenz der Bausteine eines Nukleinsäuremoleküls, dann kann das eine Änderung der Bausteine der Proteine bewirken, was sich letztlich phänotypisch (im Erscheinungsbild des Gesamtorganismus) niederschlagen kann; ändert sich jedoch etwas im Phänotypus (etwa durch individuelle Anpassung) und ändert sich so die Sequenz der Bausteine eines Proteins, dann wird dies nichts an der Sequenz der Bausteine der DNS ändern, so daß die nachfolgende Generation – da keine veränderte (genetische) Information übertragen wird – keine phänotypische Änderung zeigen kann. Demnach können evolutive Neuerungen nur durch Änderungen in der Struktur der DNS bzw. durch Fehler in der DNS-Replikation hervorgerufen werden. (Die Fehler der DNS-Replikation sind die Mutationen.)

    Wuketits, F. M. (1988), Evolutionstheorien: Historische Voraussetzungen, Positionen, Kritik. S. 78-79. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt.

    Diese Zitate und meine Begegnungen mit einigen Biologen bestärken mich in dem Eindruck, dass das Dogma aufgegeben werden muss; über Epigenetik schrieb Professor Volker Herzog hier übrigens vor zehn Jahren einmal einen Gastbeitrag.

    Das ist hier nur als Anregung zum Nachdenken gedacht; hier im Blog geht es nicht wirklich um Molekularbiologie oder Epigenetik.

  227. @Waschke: begriffliche Unschärfe

    Es ist trivial, dass auf höheren Systemebenen nicht mehr auf der unterer Ebenen erklärt werden kann.

    Was Sie hier “trivial” nennen, würde einfach mal so den reduktionistischen Materialismus widerlegen. Meinetwegen…

    Es macht beispielsweise keinen Sinn, zu fragen, wo die Mendelschen Regeln beim Urknall waren, oder auch noch, als es nur Haplonten gab.

    Was aber schlicht an der Tatsache lag, dass es damals noch keine lebenden Organismen gab, für die diese Regeln hätten gelten können. Sie begehen hier auch einen Kategorienfehler, wo sie Ereignisse (wie den Urknall) und Naturgesetze (wie die Mendelschen Regeln) in Zusammenhang bringen wollen. Es ist ja nicht so, dass man das Eine auf das Andere reduzieren wollte.

    Bei den Mendelschen Regeln müsste der Reduktionist zeigen, wie diese aus grundlegenderen physikalischen Regeln erklärbar sind…

    …und er wäre wohl auf den Standpunkt festgelegt, dass wenn es zum Zeitpunkt des Urknalls bereits lebendige Organismen mit hinreichender Komplexität gegeben hätte, diese sich nach den Mendelschen Regeln hätten fortpflanzen müssen.

    Es macht auch keinen Sinn, soziologische Phänomene durch Ionenströme durch Neuronenmembranen erklären zu wollen.

    Schon einmal von Social Neuroscience gehört? Das war zufällig das Gebiet, in dem ich promovierte. Oder anders gesagt: Natürlich gibt es Disziplinen, die soziale Phänomene auf neurobiologische Vorgänge reduzieren wollen.

    Tipp fürs nächste Mal: Erst mal die Gedanken und Begriffe schärfen, bevor man so drauf los philosophiert; das geht meistens schief.

    P.S. Und was für Sie nun “Naturalismus” bedeutet, ist mir auch nicht klar; meiner Meinung nach verwechseln Sie mindestens einmal “naturalistische” mit “naturwissenschaftliche” Erklärung.

  228. @Schleim
    Die Naturwissenschaften sind für unsere Gesellschaft schlicht nicht die grundlegende Ebene, können es gar nicht sein.

    Das ist wieder ein typisches Strohmannargument, denn kein Naturwissenschaftler würde diese Behauptung so stringent aufstellen, wobei zu klären wäre, was “grundlegende Ebene” hier überhaupt bedeuten soll.

    Es gibt gegenständliche Dinge, es gibt Beziehungen zwischen solchen Dingen, es gibt Informationen über Dinge und es gibt Kommunikation über Dinge. Der menschliche Geist ist fähig, Einzeldinge zu umfassenderen Einzeldingen zu aggregieren, von Einzeldingen zu abstrahieren und sie zu verallgemeinern, z.B. “die Menschen”, Einzeldinge zu approximieren und in Gruppen zu gliedern. Dadurch werden nicht neue Dinge geschaffen, wohl aber neue Bezeichnungen oder Namen für Dinge und neue Informationen mit neuen Umgangsformen.

    Die Welt des Menschen wird allmählich von der Welt der gegenständlichen Dinge in die Welt der Informationen oder “geistigen Dinge” verlagert. Gerade in unserer Zeit hat diese Entwicklung an Fahrt aufgenommen, durch die Flut an Bildern und Informationen. Die “grundlegende Ebene” verändert sich dadurch nicht. Bilder und Informationen kann man nicht essen. Naturkatastrophen, wie auch diese Viruspandemie, belehren uns immer wieder über die wahren Grundlagen des Daseins.

    Insofern bildet die Naturwissenschaft ohne Zweifel die “grundlegende Ebene” der Gesellschaft, aber der geistige Überbau, damit die Domäne der Geistes- und Humanwissenschaften, wird zunehmend umfassender und hat an Bedeutung für das gesellschaftliche Leben gewonnen.

  229. @Stephan Schleich

    Zentrales Dogma, Epigenetik, Evolution der Evolutionstheorie etc.

    Ich hatte mit Wuketits schon einen Theoretischen Biologen als Quelle genannt; darauf reagieren Sie gar nicht und Sie nennen auch keine eigene Quelle.

    https://sandwalk.blogspot.com/2007/01/central-dogma-of-molecular-biology.html

    Dort auch O-Ton Crick.

    Wuketits schreibt im folgenden Absatz unter Verweis auf Maynard Smith, The Theory of Evolution, 1975:

    Gehen Sie davon aus, dass ich beide Bücher vorliegen und gelesen habe. Wuketits bin ich ab und an mal über den Weg gelaufen. Ich weiß zudem nicht so recht, wie man ihn einschätzen soll. Es gibt Autoren, die meinen, er habe zu viele Bücher geschrieben, anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Aber das nur so nebenbei, weil sie ja auch öfter erwähnen, wer Ihnen schon über den Weg gelaufen ist.

    Diese Zitate und meine Begegnungen mit einigen Biologen bestärken mich in dem Eindruck, dass das Dogma aufgegeben werden muss; über Epigenetik schrieb Professor Volker Herzog hier übrigens vor zehn Jahren einmal einen Gastbeitrag.

    Soll ich Ihnen nun sagen, wann ich das erste Mal eine Arbeit über Epigenetik gelesen habe?

    Nur nebenbei, wie bewerten Sie Ihren Eindruck über das Aufgeben des zentralen Dogmas, wenn dieses anders lautet, als Sie es interpretieren?

    Das ist hier nur als Anregung zum Nachdenken gedacht; hier im Blog geht es nicht wirklich um Molekularbiologie oder Epigenetik.

    Ich wollte eigentlich Sie zum Nachdenken bewegen. Aber wenn Sie schon mit ganz moderner Biologie kommen wollen, warum dann nicht mit der EES? Die hat auch Epigenetik integriert, neben EvoDevo, Nischenkonstruktion und so weiter. Und auch die Synthetische Theorie der Evolution vertritt auch nicht mehr unbedingt das, was Sie bisher geschrieben haben.

    Aber auch das nur als Anregung. Vielleicht unter dem Aspekt des Anspruchs, den Sie an Menschen erheben, die sich auf dem Gebiet äußern, in dem Sie kompetent sind.

  230. @Schleim
    Die naturalistischen Grundlagen der Mendelschen Regeln sind in den molekularbiologischen Mechanismen der Meiose und Mitose zu finden. Beteiligt daran sind die chemischen Gesetzmäßigkeiten, denen die DNA und andere Biomoleküle unterliegen. Meiose und Mitose sind ungeheuer komplizierte Vorgänge, die schon gut, aber noch nicht vollständig aufgeklärt sind.

    Die entscheidende Frage bei natürlichen Phänomenen ist, auf welcher Abstraktionsebene sie am zweckmäßigsten erklärt und beschrieben werden können. Zum Verständnis der Phänomene des Lebens ist die Reduktion bis auf Zellebene oder bis auf Molekülebene unumgänglich, z.B. für die Entwicklung medizinischer Therapien oder Medikamente.

  231. @Stephan Schleim

    Philosophie vs. Naturwissenschaften

    TW: Es ist trivial, dass auf höheren Systemebenen nicht mehr auf der unterer Ebenen erklärt werden kann.

    Was Sie hier “trivial” nennen, würde einfach mal so den reduktionistischen Materialismus widerlegen. Meinetwegen…

    Da ich einen emergentistischen Materialismus vertrete, sehe ich kein Problem darin, sollte ich den reduktionistischen widerlegen. Letztlich geht es mir um eine ontologische Frage: gibt es eine Übernatur?

    TW: Es macht beispielsweise keinen Sinn, zu fragen, wo die Mendelschen Regeln beim Urknall waren, oder auch noch, als es nur Haplonten gab.

    Was aber schlicht an der Tatsache lag, dass es damals noch keine lebenden Organismen gab, für die diese Regeln hätten gelten können.

    Sie haben verstanden. Aber das gilt dann auch für Haplonten. Und ist auch ein Argument dafür, dass man auf der Systemebene Mensch, Gemeinschaft oder gar Gesellschaft in Theorien nicht mit Elementarteilchen arbeiten sollte.

    Sie begehen hier auch einen Kategorienfehler, wo sie Ereignisse (wie den Urknall) und Naturgesetze (wie die Mendelschen Regeln) in Zusammenhang bringen wollen. Es ist ja nicht so, dass man das Eine auf das Andere reduzieren wollte.

    Dann habe ich Sie falsch verstanden. Mein Punkt war, dass das nicht geht, und zwar aus trivialen Gründen. Wir scheinen uns einig zu sein.

    Bei den Mendelschen Regeln müsste der Reduktionist zeigen, wie diese aus grundlegenderen physikalischen Regeln erklärbar sind…

    Mein Punkt war, dass das nicht geht.

    …und er wäre wohl auf den Standpunkt festgelegt, dass wenn es zum Zeitpunkt des Urknalls bereits lebendige Organismen mit hinreichender Komplexität gegeben hätte, diese sich nach den Mendelschen Regeln hätten fortpflanzen müssen.

    Stimmt. Aber abgesehen davon, dass das niemand behauptet, ist es sowieso problematisch. Sollte DNA ein ‘frozen accident’ sein, könnten die Protobionten einen vollkommen anderen Chemismus als die aktuell bekannten Organismen haben. Ob die Diplonten sein müssen, who kows?

    TW: Es macht auch keinen Sinn, soziologische Phänomene durch Ionenströme durch Neuronenmembranen erklären zu wollen.

    Schon einmal von Social Neuroscience gehört? Das war zufällig das Gebiet, in dem ich promovierte. Oder anders gesagt: Natürlich gibt es Disziplinen, die soziale Phänomene auf neurobiologische Vorgänge reduzieren wollen.

    Sind wir uns einig, dass das nicht klappt, obwohl wir beide das vermutlich anders begründen würden?

    Tipp fürs nächste Mal: Erst mal die Gedanken und Begriffe schärfen, bevor man so drauf los philosophiert; das geht meistens schief.

    Nun ja, aus Ihrer Sicht philosophiere ich drauf los, aus meiner machen Sie naturwissenschaftliche Aussagen, die nicht tragen. Sie sind ausgebildeter Philosoph (mit naturwissenschaftlichen Kenntnissen), ich ausgebildeter Naturwissenschaftler (mit philosophischen Kenntnissen). Nun sollten wir uns halt noch darüber einigen, auf welcher Seinsstufe wir argumentieren möchten.

    P.S. Und was für Sie nun “Naturalismus” bedeutet, ist mir auch nicht klar; meiner Meinung nach verwechseln Sie mindestens einmal “naturalistische” mit “naturwissenschaftliche” Erklärung.

    Ich habe Sie schon auf

    Sukopp, T. (2006) ‘Naturalismus. Kritik und Verteidigung erkenntnistheoretischer Positionen’ Frankfurt, mult., Ontos Verlag

    verwiesen (gedruckte Version einer Diss bei Vollmer).

    Ich weiß auch nicht, ob ich etwas verwechsle oder nur nicht ihrer Terminologie folge. Ist ein Diskussionsforum dazu da, dass man klärt, was strittig ist oder geht es Ihnen um das Festklopfen Ihrer Position?

  232. Reutlinger
    ein Satz (fast)für die Ewigkeit.
    “Die entscheidende Frage bei natürlichen Phänomenen ist, auf welcher Abstraktionsebene sie am zweckmäßigsten erklärt und beschrieben werden können.”
    Was Sie uns schuldig bleiben, was ist ein unnatürliches Phänomen ?

  233. @Waschke: Diskussion

    Mit Verlaub, Sie steigen hier zu einem fortgeschrittenen Standpunkt in die Diskussion ein und haben offenbar den Sinnzusammenhang missverstanden; es ging um die Frage, inwiefern wissenschaftliche Theorien und “Naturgesetze” im Laufe der Zeit verfeinert, angepasst und mitunter revidiert werden. Wissenschaftler sind doch im Allgemeinen so stolz darauf, gerade nicht dogmatisch zu sein, und ihre Positionen an neue Beobachtungen anzupassen, anstatt die Beobachtungen zu leugnen (wie man es etwa der Katholischen Kirche in Reaktion auf Galileis Beobachtungen vorwarf).

    Dann werfen Sie hier mit unscharfen Begriffen um sich, betreiben Name dropping (Crick), greifen meine Quelle (Wuketits) nicht inhaltlich, sondern ad hominem an – und auf meine aufrichtig gestellte Frage, was “Naturalismus” für Sie bedeutet (ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt dieser Serie), reagieren Sie mit keinem Wort.

    Ich habe den von Ihnen verlinkten Blogbeitrag gelesen und nehme mit, dass es auch in der Biologie bei näherer Betrachtung (begrifflich, theoretisch) komplexer wird. Damit rennen Sie bei mir als Philosophen natürlich offene Türen ein.

    Für mich ist damit jetzt alles gesagt und besteht auch kein weiterer Bedarf an einer Diskussion, wenn Sie weiter so auftreten, wie bisher.

  234. @Waschke: P.S. Ich hatte beim Abschicken meines Kommentars Ihre neueste Reaktion noch nicht gesehen; die Kommentare haben sich überkreuzt.

    Ich habe Sie schon auf – Sukopp, T. (2006) ‘Naturalismus. Kritik und Verteidigung erkenntnistheoretischer Positionen’ Frankfurt, mult., Ontos Verlag – verwiesen (gedruckte Version einer Diss bei Vollmer).

    Erstens tauch der Name “Sukopp” hier nun zum ersten Mal auf; zweitens hilft weder mir noch anderen in der Diskussion das weiter, hier schlicht auf ein Buch zu verweisen, das irgendwo im Magazin einer Uni-Bibliothek liegt.

    Es ist aber schon einmal hilfreich zu wissen, dass Sie davon ausgehen, dass der reduktionistische Materialismus falsch ist.

  235. @hwied
    Unnatürliche Phänomene wären bspw. Experimente im Labor unter künstlichen Bedingungen, göttliche Erleuchtungen oder Erscheinungen der Mutter Gottes. Ein unnatürliches Phänomen ist auch der Haarwuchs von Donald Trump.

  236. @anton reutlinger

    Mendelsche Regeln

    Die naturalistischen Grundlagen der Mendelschen Regeln sind in den molekularbiologischen Mechanismen der Meiose und Mitose zu finden.

    Klar, obwohl Meiose (unter Vernachlässigung von Crossing Over genügen würde). Aber wenn Sie die Original-Arbeit, in der Mendel seine Ergebnisse publizierte

    https://www.deutschestextarchiv.de/book/show/mendel_pflanzenhybriden_1866

    lesen, dann sehen Sie, dass man auf einer Seinsstufe Regeln entdecken kann, die dann zwar mit allem, was ‘darunter’ liegt, kompatibel ist, aber weder aus diesen abgeleitet werden kann noch dass dieses Wissen erforderlich ist.

    Ich vermute, dass es Ihnen nicht gelingen wird, aus der Struktur der DNA die Mendelschen Regeln abzuleiten, aber Sie können problemlos die Mendelschen Regeln finden, wenn Sie weder wissen, was DNA oder auch Mitose oder Meiose ist.

    Nur nebenbei, die (Wieder)Entdeckung der Mendelschen Regeln führten dazu, dass innerhalb der Biologie Darwins Selektionstheorie als widerlegt galt.

  237. Reutlinger,
    nichts für Ungut, mir geht es um das Wort Phänomen, dessen Bedeutung muss klar sein, damit wir nicht aneinander vorbeireden. Ich dachte jetzt mal an Edmund Husserl.
    Die Erscheinungen der Mutter Gottes, die sind real, wenn sie von lebenden Menschen bezeugt werden.
    Massenpsychosen sind real , das wird doch niemand leugnen können.
    Eingebungen sind real, Kekulé selbst hat bezeugt, dass er die Formel für das Benzol im Traum gesehen hat. Ich selbst bin in der Nacht aufgewacht und habe eine sehr komplizierte mathematische Formel gewusst.

  238. @Stephan Schleim

    Diskussionskultur

    P.S. Ich hatte beim Abschicken meines Kommentars Ihre neueste Reaktion noch nicht gesehen; die Kommentare haben sich überkreuzt.

    Kein Problem.

    Erstens tauch der Name “Sukopp” hier nun zum ersten Mal auf; zweitens hilft weder mir noch anderen in der Diskussion das weiter, hier schlicht auf ein Buch zu verweisen, das irgendwo im Magazin einer Uni-Bibliothek liegt.

    Ich lese noch nicht so lange hier mit, habe aber die Artikelserie und ein paar andere Beiträge einschließlich der Diskussionen gelesen. Soll ich mir nun die Mühe machen, zu suchen, wie oft jemand zum ersten Mal etwas zitierte, für das Sie sich bedankt haben?

    Es ist aber schon einmal hilfreich zu wissen, dass Sie davon ausgehen, dass der reduktionistische Materialismus falsch ist.

    Gut, dass wir das geklärt haben.

    Nur nebenbei

    Für mich ist damit jetzt alles gesagt und besteht auch kein weiterer Bedarf an einer Diskussion, wenn Sie weiter so auftreten, wie bisher.

    ist in einer Linie mit vielem, vielem, wie Sie in dem, was ich bisher von Ihnen gelesen habe, agieren. Sie sind nicht nur unterschwellig sehr aggressiv, es wird auch dadurch nicht besser, dass Sie aggressiv auf Kritik reagieren.

    Sie müssen sehr viele sehr schlechte Erfahrungen in Diskussionen gemacht haben. Vielleicht sollten Sie gelegentlich an das ‘principle of charity’ denken?

    Nur mal so, als Anregung.

  239. @hwied
    Die Phänomenologie von Husserl ist mir bekannt. Wenn man subjektive Einbildungen als natürliche Phänomene gelten lassen würde, dann hätte der Begriff keinerlei Bedeutung mehr. Natürliche Phänomene sind auch objektive Phänomene, weil jeder gesunde Mensch sie wahrnehmen kann, was für göttliche Erleuchtungen eher nicht gilt. Selbstverständlich gibt es vielerlei Täuschungen der Wahrnehmung, z.B. der Ames Raum oder die Rubinsche Vase. Die Gestaltpsychologie beschäftigt sich mit den Phänomenen der Wahrnehmung selber.

  240. @hwied

    Die Erscheinungen der Mutter Gottes, die sind real, wenn sie von lebenden Menschen bezeugt werden.

    Nein das ist nicht zwingend, es kann auch einfach nur Betrug sein.

  241. @hwied

    Eingebungen sind real, Kekulé selbst hat bezeugt, dass er die Formel für das Benzol im Traum gesehen hat. Ich selbst bin in der Nacht aufgewacht und habe eine sehr komplizierte mathematische Formel gewusst.

    Ja, da sieht man was unser Unterbewusstsein so leisten kann.

  242. @Waschke:

    da sprechen sie eine Punkt bei Diskussionen an. Bevor nicht klar definiert ist, was jemand meint wenn er z.B. Leben oder Bewegung sagt, wird sich jede Diskussion darüber im Kreis drehen.

  243. @Waschke
    Mendel hatte das Glück, eine geeignete Pflanze für seine Experimente zu wählen. Die Mendelschen Regeln gelten nicht universell. Es bedurfte daher der Genetik, nach der Wiederentdeckung 1900, die Ursprünge und die Mechanismen der Mendelschen Regeln zu finden, d.h. den Genotyp als Ursache für den Phänotyp. Ihnen muss ich das nicht erklären.

    Das heißt verallgemeinert, man kann allein in Phänomenen Regelmäßigkeiten oder Gesetzmäßigkeiten entdecken, aber keine Kausalitäten. Die Entdeckung von Kausalitäten erfordert unabdingbar die Reduktion, bis auf eine universell gültige Ebene. Das kann physikalisch die atomare oder molekulare Ebene sein, bei Lebewesen die zelluläre oder organische Ebene.

  244. @ Karl Maier 04.03.2021, 22:47 Uhr
    @ Physiker

    Zitat: „Sicher “erbt” der Sohn ( die Hälfte ) seine(r) Gene von seinem Vater, insofern “leben” ( “existieren” ) diese weiter.“

    Es geht mir nicht um eine Quantifizierung.

    Es geht mir darum aufzuzeigen, dass Menschen und alle Lebewesen in einen riesigen „Informationstransfer“ und in von abstrakten „informellen Objekten“ ausgehende „Steuerungsprozesse“ eingebunden sind. Es entsteht immer wieder neue Information, neue Lebewesen, neue Mechanismen des Verhaltens. Dabei wird Information „abgesondert“ und weiter gegeben.

    Nicht nur genetische und memetische Information, sondern vielfältige z.B. auch bakterielle oder virale Information. Auch wenn dies in der Wissenschaft (Informatik, Genetik, Hirnforschung…) erst seit relativ kurzer Zeit bekannt ist.

    Theologen haben, immerhin bereits seit tausenden Jahren, nicht nur eine die „Prozessoren überlebende Funktion“ vermutet, sondern sogar ein Konzept der „Seelenwanderung“. Sie haben diesem Konzept sogar einen Namen gegeben, „Namenstaufen“ sind ihnen eben wichtig. Möglichst „alles“ soll einen Namen haben….

    Sarkastisch formuliert, jetzt (in Pandemiezeiten) wird einem sogar bewusst, dass wir Menschen, als „Subjekt“ und als vermeintlicher „Höhepunkt der Evolution“, von Viren geradezu „benutzt werden“. Wir müssen sozusagen dazu „herhalten“, dass sich die Viren „entwickeln“ können und wir selbst womöglich dabei sterben müssen. Das ist nicht nur wegen der absurden Folgen, die die Gesellschaft fast verrückt machen können, eigentlich beleidigend für uns, aber offensichtlich auch „wahr“.

  245. Stephan Schleim
    03.03.2021, 09:09 Uhr

    @Mistelberger: P.S. Laplace

    Pierre-Simon Laplace hätte sich nie zu einer solch nebulös formulierten Aussage hinreißen lassen.

    Das gibt die Quellenlage meiner Meinung nach aber auch nicht her.

    Kann doch sein, dass er vor Napoleon mit seinem neuen Werk etwas angeben wollte – und später auf dem Sterbebett frommer wurde. Er wäre nicht der erste große Denker im Laufe der Geschichte gewesen, dem es so erging.

    Ich orientiere mich nicht an der Quellenlage, sondern an mir selber. Sein kann alles. Napoleon gegenüber anzugeben halte ich für keine gute Idee.

    Laplace war die schon zu seinen Lebzeiten grassierende Legendenbildung zuwider. Er hat dies Arago gegenüber bekräftigt und von ihm gefordert, eine entsprechende Passage zu erläutern oder besser ganz zu löschen.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Pierre-Simon_Laplace#I_had_no_need_of_that_hypothesis

    Seit Stephen Hawking (1999) gibt es nichts Neues in der Angelegenheit:

    There is a probably apocryphal story, that when Laplace was asked by Napoleon, how God fitted into this system, he replied, ‘Sire, I have not needed that hypothesis.’ I don’t think that Laplace was claiming that God didn’t exist. It is just that He doesn’t intervene, to break the laws of Science.

    https://web.archive.org/web/20000711060247/http://www.hawking.org.uk/lectures/dice.html

  246. @Waschke: emotionale Ebene

    Sie müssen sehr viele sehr schlechte Erfahrungen in Diskussionen gemacht haben. Vielleicht sollten Sie gelegentlich an das ‘principle of charity’ denken?

    😂 😂 😂

    Ich habe genug Online-Diskussionserfahrung – und damit meine ich nicht nur die rund 22.000 Kommentare hier bei MENSCHEN-BILDER –, um zu wissen, dass solche emotionalen Äußerungen i.d.R. mehr über diejenigen aussagen, die sie tätigen. Kein Problem: Doch ich bleibe lieber auf der inhaltlichen Ebene.

    Und ich stelle – rein inhaltlich – fest, dass Sie hier behaupteten:

    Ich habe Sie schon auf – Sukopp, T. (2006) ‘Naturalismus. Kritik und Verteidigung erkenntnistheoretischer Positionen’ Frankfurt, mult., Ontos Verlag – verwiesen (gedruckte Version einer Diss bei Vollmer).

    Mit der Suchfunktion Ihres Browsers können Sie innerhalb einer Sekunde überprüfen, dass das gar nicht stimmen kann, weil der Name hier in der Diskussion zum ersten Mal auftaucht. Stattdessen weichen Sie wieder aus.

    So stelle ich – rein inhaltlich und nachweislich – fest, dass Sie nicht die Wahrheit sagen und dass Sie nur ausweichend auf meine aufrichtig gestellte und nachdrücklich wiederholte Frage antworten, was “Naturalismus” für Sie bedeutet.

    Wie gesagt, an so einer Diskussion besteht hier kein Bedarf.

  247. @Reutlinger: “Das heißt verallgemeinert, man kann allein in Phänomenen Regelmäßigkeiten oder Gesetzmäßigkeiten entdecken, aber keine Kausalitäten.”
    Frage 1: Folgt ein vom Baum fallender Apfel den Gesetzen der Schwerkraft, auch wenn ich seine Atomstruktur nicht kenne?
    Bitte nur JA oder NEIN

  248. @Mistelberger: Laplace

    Danke für Ihre Recherchearbeit; ich lasse das mal so stehen.

    P.S. Und Angeber untereinander… das wird doch erst richtig schön!

  249. @Reutlinger:
    Frage 2: Folgen die im Apfel enthaltenen Atome dem Apfel zu Boden, wirkt der fallende Apfel also kausal gegenüber den Atomen oder verweigern sie ihm die Gefolgschaft und bleiben in einem Überlagerungszustand zwischen Baum und Boden?

  250. @Stegemann
    Erinnern Sie sich an die Bilder von dem Kometen, der vor einigen Jahren auf den Jupiter stürzte? Er wurde von der Schwerkraft des Jupiter in Teile zerrissen. Dasselbe gilt für viele Kometen, die in die untere Atmosphäre gelangen.

    Der Apfel stürzt als Ganzes zu Boden, weil seine intermolekularen und interatomaren Kräfte größer sind als die Schwerkraft, die ihn zu Boden fallen lässt. Die auf den Apfel wirkende Schwerkraft wirkt nicht nur in Richtung des Erdmittelpunkts. Die auf uns wirkenden Kräfte nehmen wir nur als Resultierende, durch Addition von Vektoren, wahr.

    Die Schwerkraft ist uns seit Kindesbeinen an vertraut. Die stärksten Kräfte sind jedoch die Kräfte, die die Atomkerne zusammenhalten. Deshalb sind die Atome so stabil und deshalb wird bei der Spaltung der Atome so viel Energie frei. Die Menge der Elemente im Periodensystem ist begrenzt und die Eigenschaften von Atomen sind universell, gelten für alle Dinge dieser Welt. Deshalb muss die wissenschaftliche Reduktion nicht immer bis zur atomaren Ebene geführt werden.

  251. @Schleim: Was ist Leben?

    Ja, zur Antwort würde der Blog sehr wahrscheinlich nicht ausreichen. Allenfalls Teilaspekte.

  252. @einer: Naturalismus und Religion im Kreis drehend

    Das ist bei praktisch jedem Thema so, wenn sie nicht sauber definieren worüber geredet werden soll.

  253. @Freunde der Laplace-Interpretationen:

    Die Aussage von Laplace, ob nun so getroffen oder ihm unterstellt besagt lediglich, dass er für die Formulierung einer exakten Himmelsmechanik keinen Gott braucht. Das war es schon.

  254. Stephan Schleim
    05.03.2021, 05:26 Uhr
    @Maier: “grüne Technologien”
    Die Naturwissenschften bzw. Technologie soll hier Lösungen für Probleme finden, die wir ohne sie gar nicht hätten.

    Es ist faszinierend, wie Sie den Fokus auf Nebensächliches und Nichtgemeintes richten, um dagegen argumentieren zu können, um in irgendeiner Weise “Recht” zu behalten, wie mir scheint. Ich habe in keiner Weise gesagt, dass Technik per se “gut” sei, was Sie ja wohl auch den Worten zu den Waffen entnommen haben werden.
    Als homo erectus hatten wir sicher keine Probleme, die aus Wissenschaft und Technik, wollen/sollen wir dann ums Lagerfeuer sitzen und philosophieren ( soweit das sprachlich möglich gewesen ist ), wie schön das Leben wäre, wenn wir nicht jeden Tag unter Lebensgefahr unser Fresschen erbeuten müssten, wenn wir passende Kleidung hätten, warmes Wasser, ein solides Dach über dem Kopf, ein Klo und Klopapier, womöglich sogar nicht mal mehr selber laufen müssten und das Denken irgendwelchem “Zauber” überlassen könnten?
    Bitte machen Sie einen Vorschlag, welches eine mögliche ( technische ) Lösung für unsere Herausforderungen sein könnte, die dann in den Sozial-, Geistes-, Rechts-, Kultur-, Religionswissenschaften usw. gefdunden werden könnte, oder spezifizieren Sie “Herausforderung”, wenn ich das aus Ihrer Sicht nicht korrekt zugeordnet habe.

  255. @Karl Maier: Lösungen durch Geisteswissenschaften

    Herr Maier, sehen sie mir bitte nach, wenn ich mich hier einmische. Ich hatte weiter oben skizziert, dass ein Gesellschaft Probleme nicht alleine durch Naturwissenschaft und Technik lösen kann, ja oft diese Lösungen sogar vorliegen und dennoch nichts gelöst wird. Hier müsste dann eine Politik-, Geschichtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Philosophie oder Soziologie übernehmen, die das leider sehr oft gar nicht oder viel zu langsam machen.
    Wenn sie jetzt denken, “was faselt der?” 2 Beispiele:

    Corona: Wissenschaft und Technik haben funktioniert. Impfstoffe sind fertig entwickelt und können in großem Maßstab produziert werden. Hm, wieso sind dann nicht längst alle oder zumindest viel mehr geimpft, wieso dauert das so lange, wieso gibt es sogar Impfverweigerer usw.

    Nachhaltige Energieversorgung: Ein Land wie Deutschland hat einen so hohen Entwicklungsstand bei Naturwissenschaften und Technik, dass wir jede dem Menschen verfügbare Technik bauen können. Egal ob Wind-, Sonnenenergie, Geothermie usw. können wir alles – wieso stockt dann der Ausbau bei solchen Anlagen? Wieso sind die Leitungsnetze nicht längst viel weiter, wieso gibt es sogar Bürgerinitiativen dagegen???

    DAS sind in beiden Fällen keine naturwissenschaftlichen oder technischen Probleme.

  256. Reutlinger, einer
    Vielleicht können wir uns auf diese Erklärung für „Phänomen“ einigen.
    Ein Phänomen ist für Menschen wahrnehmbar aber noch nicht erklärt.
    Man sollte unterscheiden zwischen physikalischen Phänomenen, soziologischen Phänomenen, psychologischen Phänomenen und religiösen Phänomenen.
    Die Vorgehensweise für eine Erklärung dieser Phänomene muss der entsprechenden Disziplin entsprechen.

    Beispiel : Eine Spur in einer Blasenkammer durch einen Alphastrahler.
    Was sehen wir ? Das Phänomen Spur. Was sehen wir ? Die Alphastrahlung. Falsch, wir sehen die Spur der Alphastrahlung. Bei der Erklärung des Phänomens ist also peinlich darauf zu achten, was wir sehen. Und das geht auch nur mit der Hilfe einer Theorie. Denn einen Atomkern hat noch niemand gesehen. (nicht verwechseln mit dem Atomkern + Elektronenhülle)
    In der Erklärung steckt also eine vorhandene Theorie.

    Beispiel: Panik in einem Fußballstadion. Wir sehen wie die Leute aus dem Stadion rennen , das ist das Phänomen. Warum rennen die Leute in Panik davon?
    Wenn wir keine Augenzeugen mehr haben, können wir nur Vermutungen anstellen und nach Gründen suchen. Vielleicht gab es einen Brand, eine Bombendrohung ?
    Ohne nähere Angaben bleibt es bei dem Phänomen Panik.

    Beispiel: Die Mutter verhört ihren Filius, weil der seiner Schwester die Puppe versteckt hat.
    Beim Verhör streitet der Junge ab, seiner Schwester die Puppe versteckt zu haben. Aber er wendet ständig sein Gesicht ab, ein Zeichen, dass er lügt. Das Phänomen ist also die Körpersprache des Kindes. Warum hat der Junge die Puppe versteckt, das wäre die Erklärung(Motiv) für das sonderbare Benehmen.

    Beispiel: Eine Frau auf dem Friedhof. Nachdem sie die Blumen gegossen hat, bleibt sie ruhig stehen, dann wischt sie ihre Augen mit dem Taschentuch, dann geht sie weg. Das ist das Phänomen. Warum verhält sie sich so ? Wir können es vermuten, wissen tun wir es erst, wenn wir die Frau fragen. Werden wir das Phänomen in Zweifel ziehen ? Werden wir unsere Vermutung in Zweifel ziehen ?

    Im sozialen Bereich sind Phänomene leicht zu durchschauen , weil wir Menschen sind und uns untereinander nur wenig unterscheiden. Sogar im religiösen Bereich kann ein Nichtkonfessioneller mitreden, weil er irgendeinen Konfessionellen kennt.

  257. Lieber Stefan Schleim,
    jetzt verstehe ich erst die Frage der Überschrift: Religion oder Naturalismus – wer gewinnt?
    Die Antwort lautet: keiner. Beide sind dogmatisch und immun gegen jede Kritik. Außerdem geht es hier ausschließlich um Rechthaberei, so erweitert man seinen Horizont nicht.

  258. @Chrys // 05.03.2021, 00:46 Uhr

    »Aber wenn Du im Alltag die Temperatur eines Heizkörpers genauso selbstverständlich hinnimmst wie den Wert einer Banknote, ist Deine alltägliche Lebenswelt dann nicht ein prima Beispiel für die praktikable Verträglichkeit zweier ganz verschiedener, nennen wir es mal, Magisteria?«

    Yep, das wäre ein prima Beispiel für die praktikable Verträglichkeit.

    Aber zu meiner alltäglichen Lebenswelt gehört z. B. auch ein Religionslehrer, der im Unterricht kreationistisches Gedankengut verbreitet. Was mir ein prima Beispiel dafür zu sein scheint, dass es mit der strikten Trennung der „Magisteria“ oft nicht allzu weit her ist. Krawall gab es aber trotzdem nicht, ich bin halt ein sehr nachsichtiger Mensch—sieht man ja auch hier auf Stephans Blog … ;- ).

  259. @hwied
    Phänomen = das Erscheinende. Was uns erscheint, ist logischerweise wahrnehmbar. Bemerkenswert ist, dass wir immer versucht sind, bei Beobachtung eines Phänomens eine ursächliche Erklärung zu finden. Es ist wichtig für das eigene Verhalten, für soziales Handeln und schließlich für das Überleben. Bei typischen Verhaltensweisen ist es der Soziologe oder der Psychologe, der nach Erklärungen sucht. Dabei bleiben die Erklärungen auf der Ebene von Wahrnehmungen und Lebenserfahrungen einzelner Menschen, von spezifischen Gruppen oder Kulturen.

    Bei Phänomenen, die alle Menschen gleichermaßen betreffen, muss tiefer gegraben werden. Da ist die evolutionäre Psychologie, die Neurologie und die Neurobiologie gefragt, also schon am Übergang zur Naturwissenschaft. Auch der Mensch ist Natur und gehorcht den Gesetzen der Natur, bis hinab zu den Biomolekülen, oder bottom-up von den Biomolekülen bis zum Verhalten.

    Da mit der Komplexität von Systemen die Zahl der möglichen Zustände exponentiell zunimmt, kann bottom-up nur sehr selten eine Prognose gemacht werden, das heißt, man kann nicht von Molekülen auf das Verhalten schließen. Das ist so trivial, dass kein Naturwissenschaftler es versuchen würde. Ausnahmen davon sind nur streng deterministische Systeme, die aber strukturell wieder sehr einfach sind, wie z.B. ein Metallgegenstand, im Gegensatz zu lebenden Systemen.

  260. @Wolfgang Stegemann / 05.03.2021, 12:49 Uhr

    » Frage 2: Folgen die im Apfel enthaltenen Atome dem Apfel zu Boden, wirkt der fallende Apfel also kausal gegenüber den Atomen oder verweigern sie ihm die Gefolgschaft[…]?«

    Die Frage war zwar nicht an mich gerichtet, aber spontan würde ich (extrem vereinfacht und wenn man denn so will) sagen, dass der Apfel keine Atome enthält, sondern dass ein Haufen unterschiedlicher Atome zusammen eine Apfel bildet.

    Jedes einzelne Atom unterliegt meines Wissens der Gravitationskraft, und da die Atome im Apfel mehr oder weniger miteinander verbunden sind, fällt am Ende halt der Apfel als Ganzes zu Boden.

    Langer Antwort kurzer Sinn: Eine top-down gerichtete Kausalität (vom Apfel als Ganzes zu seinen Teilen) vermag ich hier nicht zu erkennen.

    (Kann aber auch sein, dass es bloß Rechthaberei meinerseits ist ;- )

  261. @Maier: Fehlverhalten & Lösungen

    Ich wollte Sie nicht “blöd da stehen” lassen; Verzeihung, falls ich diesen Eindruck erweckte.

    Fehlverhalten auf diesem Planeten ist prinzipiell menschliches Fehlverhalten; andere moralische Subjekte gibt es hier nicht. Zusätzlich zu dem, was @Neher hier gerade treffend formuliert hat, würde ich ergänzen:

    Diese Gesellschaft perpetuiert Probleme, statt sie zu lösen. Reden, reden, reden! Und man kann noch nicht einmal mehr einen Bahnhof oder Flughafen ordentlich bauen. Wo ist da der Fortschritt? Gerade heute habe ich übrigens zum wiederholten Mal versucht, eine Klobürste zu kaufen, die nicht nach wenigen Wochen schon abbricht; wieder Fehlanzeige. Die muss ich jetzt wohl auch schon online bestellen (was für Verpackung, Transport usw. wieder Ressourcen verschwendet).

    Konkret hatte ich in mehreren Artikeln in meinem Blog ausformuliert, wie psychologisches/sozialwissenschaftliches Wissen dazu verwendet wird, die Menschen zu immer mehr Konsum anzuregen. Das ist das Kernproblem unserer Zeit, getrieben durch die Industrialisierung seit den letzten rund 250 Jahren. Diejenigen, die daran gut verdienen, sorgen über Lobbyismus dafür, dass die Regeln in ihrem Sinne angepasst oder zumindest nicht zu stark verschärft werden.

    Die technologischen Fähigkeiten der Menschen wachsen viel schneller als ihr psychologisches Verständnis und ihre moralische Einsicht. Darüber wollte ich eigentlich im letzten Teil schreiben.

    Gedanken, auf die ich hier anspiele, wurden u.a. formuliert in:

    Mensch in Körper und Gesellschaft: Was heißt Freiheit?

    Brauchen wir ein Alkoholverbot? Die Verbotsrepublik Deutschland

    Und falls mein Lösungsvorschlag nicht klar ist: Man müsste psychologisches/sozialwissenschaftliches Wissen gerade im Gegenteil dazu verwenden, Menschen dabei zu helfen, viel weniger zu konsumieren.

  262. @Stegemann: Rechthaberei

    Nun ja – meinen Glauben an das Projekt der Aufklärung habe ich aufgrund solcher Online-Diskussionen schon vor vielen Jahren verloren. Aber es gibt immer wieder auch Perlen, über die man sich freuen kann. Schön jedenfalls, dass Sie dabei waren!

  263. @Belanus: “Eine top-down gerichtete Kausalität (vom Apfel als Ganzes zu seinen Teilen) vermag ich hier nicht zu erkennen.”

    Glauben Sie, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland die Menschen dazu bringen, sich (im Großen und Ganzen) an diese Gesetzt zu halten oder glauben Sie, dass die Menschen das getreu dem Kantschen Kategorischen Imperativ auch ohne Gesetze tun würden.
    Methodisch ist es richtig, den einzelnen Bürger als kleinsten Teil des Gemeinwesens identifizieren (Reduktion). Die umgekehrte Folgerung ist falsch (Reduktionismus). Das Gemeinwesen reguliert nicht nur den Einzelnen, es folgt anderen Gesetzmäßigkeiten (nämlich gesellschaftlichen).
    Ich weiß, es ist nicht einfach zu verstehen.

  264. Reutlinger

    Bei Phänomenen, die alle Menschen gleichermaßen betreffen, muss tiefer gegraben werden. 
    Ganz genau. Die Naturkräfte betreffen alle Menschen gleichermaßen. Deshalb hat der Mensch als erstes das Werkzeug erfunden. Dann hat er die Technik entwickelt, mit ihr die Naturphilosophie.
    Und mit dem Entstehen der Städte
    entstanden das Phänomen der Ungerechtigkeit, des Machtmissbrauchs, daraus erwuchsen die ersten Gesetzbücher und die ersten Geschichten über Zielkonflikte. Antigone ist so ein Beispiel , wo es um das Gesetz des Königs geht aber auch um das Gesetz der Moral.
    Antigone , ist eine Tragödie des antiken griechischen Dichters Sophokles mit folgender Handlung: Kreon, Tyrann von Theben, verbietet die Bestattung des Polyneikes, da dieser gegen die eigene Stadt Krieg geführt hat. Antigone, Polyneikes’ Schwester, übertritt das Verbot –, zur Strafe lässt Kreon sie lebendig einmauern. Die Bestrafung löst eine Kette von Suiziden aus. Antigone bringt sich um, darauf tötet sich auch ihr Verlobter Haimon, Kreons Sohn…

    In der hebräischen Kultur geht es auch um Rechtsvorschriften und ihre Übertretung.
    Das Werk nennt sich Altes Testament.
    Und wenn man so will, geht es im Neuen Testament auch um das richtige Handeln im Konfliktfall.
    Man kann die Bibel als ein soziologisches Phänomen betrachten , das es zu verstehen gilt.
    Die Bücherkundigen nennen sich Rabbi im AT und Priester im NT.

    Vom Phänomen zum Verständnis , diese Aufgabe ist zeitenübergreifend.

  265. @Thomas Waschke 05.03. 07:11

    „Was verstehen Sie unter “die biologische Definition des Lebens”?“

    Selbsterhaltung mit Stoffwechsel, Reproduktionsfähigkeit und Evolutionsmöglichkeit.

    „Ich sehe nirgends, dass Sie für diese Überlegungen ‘das Leben’ benötigen. Es reicht, wenn Sie ein System mit bestimmten Eigenschaften vorliegen haben. Dieses lebt.“

    Das Leben ist wohl nur einmal auf diesem Planeten entstanden, und niemand weiß derzeit, ob es zwangsläufig zur Entstehung von Leben kommen muss. Wir wissen schlichtweg nicht, ob es vielleicht 1000 geeignete Planeten und jeweils 2 Mrd Jahre Gelegenheit braucht, damit wenigsten 1 mal Leben entstehen kann, oder ob dies regelmäßig passiert, und schon nach 10 Mio Jahren mit geeigneten Bedingungen überall im Kosmos Leben parallel entstehen kann.

    Jedenfalls ist alles irdische Leben miteinander verwandt, und entsprechend aus einem einzigen Ureinzeller entstanden. Zumindest ist das der Stand der Forschung, soweit mir das bekannt ist.

    Diese Komplexität und diese Einmaligkeit ist für mich ein gutes Argument, hier eine komplette eigene Kategorie für DAS irdische Leben aufzumachen.

  266. Erwin Neher
    05.03.2021, 14:16 Uhr
    @Karl Maier: Lösungen durch Geisteswissenschaften

    Ich denke, dass mir durch Ihren Einwand die “Lösung” klar geworden ist:
    Wir verbinden unterschiedliche Vorstellungen mit dem Begriff “Lösung”.

    Für mich eine “Lösung eines Problems” immer eine technische/wissenschaftliche Antwort auf eine ebensolche Frage, “können” wir es oder “kennen” wir es nur, und wie haben wir Erfolg, direkt, indirekt, auf Umwegen oder überhaupt nicht, weil Physik und Chemie uns entgegenstehen.

    Ihre Vorstellung ( so, wie ich das interpretiere ) von “Lösung” setze ich mit “Anwendung” gleich, nämlich ob wir gesellschaftlich die Technik/wissenschaftliche Erkenntnis anwenden wollen oder auch nicht.

    Und da sehe ich auch Riesendefizite in unserer Gesellschaft, in Zitaten “Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz” und “Mögen hätten wir schon gewollt, aber dürfen haben wir uns nicht getraut”, dazu eine Anspruchshaltung, die ich mit zwei Textzeilen aus neueren Lieder identifiziere: “O LORD, won’t YOU buy me a Mercedes-Benz” und “I wannit ALL, and I wannit NOW”. Das in Zusammenhang mit einem Ausdruck eines pensionierten Bundesrichters ( “institutionalisierte Verantwortungslosigkeit”, ich nenne das “abhaken, knicken, lochen, abheften” ) ist meines Erachtens nicht die Ursache, aber der Antrieb für unseren gesellschaftlichen Stillstand.

  267. Stephan Schleim
    05.03.2021, 15:11 Uhr
    @Maier: Fehlverhalten & Lösungen

    Neben der Erläuterung in meiner Antwort auf >Erwin Neher 05.03.2021, 14:16 Uhr< kommt bei unser beider unterschiedlichem Ansatz wohl auch die Frage nach dem "Primat" zu, ist es die Technik, die die Gesellschaft limitiert, oder ist es die Gesellschaft, die die Technik eingrenzt?
    In unserer heutigen Zeit ist zumindest für die "zivilisierten" Gesellschaften beides unauflöslich miteinander verwoben, aber da die Technik sich ( noch ) nicht selber erfinden kann, ist wohl für die Mehrheit der Mensch/die Gesellschaft mit seinen/ihren vorsteinzeitlichen "Gefühlen" und Bedürfnissen Ursache und die Technik die Auswirkung.
    Persönlich habe ich damit aber Schwierigkeiten, wenn etwas aus physikalischen/chemischen Gründen nicht machbar ist, akzeptiere ich das und suche vielleicht nach einem Um-/Ausweg, aber mit ist klar, dass mit noch so viel "wollen" und "wünschen" kein Erfolg herbeizuzaubern ist. Angesichts der Umstände, dass das Einzige, was uns auf dem Planeten von außen zuströmt, das Sonnenlicht ist und alles andere seit "Anbeginn der Erdzeiten" da war und sich nicht vermehrt, ergeben sich für mich damit Konsequenzen für das Tun und Lassen. Die Biologie löst das Problem seit etwa 2 Giga-a mit dem "natürlichen Kreislauf". Für den Menschen ist darin nur so viel Platz, wie er anderem Leben davon wegnimmt – es sei denn, wir lernen, unsere Gesellschaft, unsere Technik seitens der Ressourcen absolut im Kreislauf zu fahren und das nur mit der Energie, die uns tagtäglich von der Sonne zuströmt, das Bild vom "Raumschiff Erde" also. Vielleicht haben wir aber auch nur den Spruch "macht euch die Erde untertan" im Sinne von "ausbeuten" falsch verstanden …

  268. Hi,
    im Universum gibt es Zerstörung und Neugeburt, es gibt Materie und Strahlung, Anziehendes und Abstoßendes, aus Gegensätzen hat es sich entfaltet. Das spiegelt sich im Menschen wieder, alles was lebt ist gut und böse gleichzeitig. Der Wolf frißt das Schaf, das findet das Schaf schlecht, der Wolf gut. Und der Mensch ist ebenfalls gut und böse gleichzeitig, und ebenso rational wie irrational – Gott sei Dank ! Den Naturalismus als rational und die Religion als irrational darzustellen ist genauso eine einseitige Betrachtungsweise, wie zu behaupten, die Naturwissenschaften seien die beste Methode, zu einer Erkenntnis zu kommen, die uns weiterhilft (beim Überleben). Immerhin hat sie uns zur Atombombe verholfen, aber immerhin auch zum Heizofen gegen die Winterkälte. Wir streben eben alle nach Erkenntnis, aber auch nach Liebe, und das sind eben auch zwei Gegensätze, weil Erkenntnis rational und Liebe irrational ist. Wenn einer glaubt, er habe die ultimative Erkenntnis, verkennt wiederum, dass Erkenntnis immer mit seinem Gegeenpart, dem Unwissen gepaart ist. Da gibt es Physiker, die glauben zu wissen, woraus die Welt besteht, und fragt man dann nach, erfahren wir: aus virtuellen Konstruktionen aus dem Vakuum und Zwitterwesen mal Wellen und Teilchen (beide empirisch nachgewiesen), und fragt man Fundamentalisten, dann kommen nur sie in den Himmel und ich in die Hölle (so steht es geschrieben). Beide sind gleichermaßen ihren eigenen Vorurteilen zum Opfer gefallen – so sind wir eben, wir urteilen und verurteilen. Es wäre doch vielleicht hilfreich, die Welt wie sie, einmal ist aus diesen ihren inhärenten Gegensätzen heraus zu verstehen, die einem sagen: der Glaube des Naturalisten an die Allgewalt der Vernunft unterscheidet sich nicht vom Glauben des Fundamentalisten an die Allgewalt seines Gottes, jedenfalls nicht sonderlich, Beide halten auf Teufel komm raus an ihrem Weltbild fest, wie die Klammeraffen aus Angst vor dem Abgrund. Wir werden niemals das Ganze (die Wahrheit) herausfinden, sondern immer nur etwas über die Beziehungen zwischen den Teilen dem Ganzen.
    Das war jetzt eine schöne Predigt.
    Grüße Fossilium

  269. Fossilium
    heißen Sie mit Nachname Hegel ?
    Das ist eine äußerst versöhnliche Denkweise.

  270. @Maier: Danke – damit könnte ich gut als Kompromiss leben; und es ist auch sehr schön geschrieben so. (Technik oder Mensch – es ist wohl ein Henne-Ei-Problem. Was uns zum Menschen macht, das ist gerade unsere Fähigkeit, die Welt zu verändern: Homo faber.)

  271. @fossiliums Predigt

    Der Wolf frißt das Schaf, das findet das Schaf schlecht, der Wolf gut. Und der Mensch ist ebenfalls gut und böse gleichzeitig, und ebenso rational wie irrational…

    Hmm… Ich denke schon, dass Schafe und Wölfe bestimmte Bewusstseinsinhalte haben, Hunger fühlen, einen Überlebenstrieb haben… aber “gut” und “schlecht” finden sind für mich doch sehr menschliche Kategorien. Insofern finde ich Ihre Beschreibung hier sehr anthropomorph.

    Ich hatte mit meinem Käferbeispiel eine andere Sichtweise auf Naturvorgänge dargelegt.

    Immerhin hat sie uns zur Atombombe verholfen, aber immerhin auch zum Heizofen gegen die Winterkälte.

    Ob man den Heizofen wirklich der Wissenschaft zurechnen kann…? Da gibt es ja immer noch Technologie (von altgr. techne = Kunst). Ich erinnere mich auch noch an Robert B. Laughlin, Physiknobepreisträger, der in einem seiner Bücher die kontroverse These vertrat, dass die Metallurgie (und damit die Grundlage für unsere Brücken, Hochhäuser etc.) eher eine Sammlung von Kochrezepten über die Eigenschaften von Metalllegierungen sei als eine auf Grundlagenforschung basierende Wissenschaft.

    Der Vorwurf, die Wissenschaft mache es sich im Elfenbeinturm bequem, kommt ja nicht von ungefähr; die sogenannte Wehrforschung bildet hier eine Ausnahme, da diese unmittelbar auf Anwendungen abzielt (und diese im Ernstfall auch funktionieren sollen).

  272. @Wolfgang Stegemann // 05.03.2021, 15:38 Uhr

    » Glauben Sie, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland die Menschen dazu bringen, sich (im Großen und Ganzen) an diese Gesetzt zu halten oder glauben Sie, dass die Menschen das getreu dem Kantschen Kategorischen Imperativ auch ohne Gesetze tun würden. «

    Was heißt, „dazu bringen“?

    Es geht doch um Kausalität, also um einen quasi naturgesetzlichen (physikalischen) Zusammenhang.

    Und da stellt sich mir schon die Frage, wie ein Gesetz (also eine immaterielle Entität, sozusagen) mein Verhalten determinieren, bestimmen oder verursachen könnte. Ich sehe da keinen Weg, keinen wie auch immer gearteten Wirkmechanismus. Entweder ich halte mich aus freien Stücken, also aus eigenem Entschluss heraus, als autonomes Individuum an die Gesetze, oder eben nicht.

    Autonome Individuen können gemeinsam vereinbaren, sich an gewisse Regeln/Gesetze zu halten, sie können Städte und Staaten gründen.

    Richtig ist, wenn Viele zusammen kommen, entsteht eine besondere Dynamik, weil jedes Individuum auf die anderen Individuen adäquat reagieren muss. Im Ergebnis resultieren daraus die Gesetzmäßigkeiten des Gemeinwesens, an die sich der Einzelne dann halten kann, aber nicht muss. Denn er ist ja nach wie vor ein selbstbestimmtes, autonomes Subjekt.

    So sehe ich das, sozusagen als ein Hobby-Soziologe, der seinen physikalischen Kausalitätsbegriff nicht aufgeben möchte.

    Ich weiß aber, dass man in der Psychologie (auch) einen anderen Kausalitätsbegriff verwenden kann. Da kann dann auch schon mal etwas, was man nur hört oder sieht, als Ursache einer nachfolgenden Handlung gelten.

    Aber das ist eben, aus meiner Sicht, eine aus rein praktischen Gründen verkürzte und vereinfachende Darstellung der tatsächlich ablaufenden physischen Vorgänge.

  273. @Belanus: (Mein allerletzter Beitrag hier)
    Woher weiß das Atom, dass es ein Apfel werden soll? Ein Reduktion ist muss das wissen.

  274. @Stegemann
    Sorry, aber über solchen Blödsinn kann ich nur den Kopf schütteln!

  275. @Reutlinger: das glaube ich Ihnen gern. Die Frage stammt nicht von mir, sondern von Anton Zeilinger. Und tschüs.

  276. @Stegemann
    Dann war die Frage wohl nicht ernst gemeint. Ich hätte sie Ihnen auch nicht wirklich zugetraut.

  277. @Schleim:Aufklärung
    Es gibt halt genügend,die Bestimmer,Wortstamm Stimme, sein wollen oder müssen. Die Stimmung beherrschen,kontrollieren und beeinflussen wollen oder müssen.
    Die Stimme=Meinung will halt gehört werden.
    Und die Stimme schlägt sich halt in der Wahl nieder.
    Kulminiert sich in Durchsetzung.
    Welche Stimme setzt sich durch?
    Das Selbstverständnis ist dabei wichtiger als die Selbsterkenntnis.
    Selbsterkenntnis setzt Reflektion voraus. Ist bei Selbstverständnis nicht immer der Fall. Vor allem nicht,wenn man sich als Krönung der Schöpfung begreift und belehrt wird.
    Und die Pandemie zeigt,wie @hwied treffend bemerkt,sind wir nur Wirt. Wird schon… 🙂

  278. Das Fenster-Beispiel (mein Kommentar vom 04.03.) hätte als Alltagsphänomen evtl. besser zu Teil 2 dieser Reihe gepasst. Die hier in Teil 5 gestellte Frage hatte ich nur knapp gestreift.

    Zur Frage selbst: „Religion oder Naturalismus – wer gewinnt?“

    Mir scheint diese „Wettbewerbs-“ Frage unpassend gestellt. Wenn man Naturalismus als (Ersatz-) Religion auffasst, würden Allgemeines und Spezielles in Konkurrenz zueinander gestellt. Nicht besonders hilfreich. Wenn man Naturalismus als nicht-religiöse Weltanschauung auffasst, wäre zuvor zu fragen, welche „Ausprägung“ von Naturalismus gemeint ist. In den Beiträgen dieser Reihe und auch in dem Gastbeitrag von Herrn Grams finde ich dazu nur kurze Absätze. Zu Teil 3 der Reihe gab es einen Hinweis auf ein Buch von T. Sukopp – für mich leider nicht zugänglich.

    @Schleim: Evtl. wollen Sie Ihre Anmerkungen bzgl. Sukopp in diesem Teil 5 noch einmal prüfen.

    Religion: das im Christentum geforderte Glaubensbekenntnis und darin Begriffe wie Allmächtiger Gott, Wiederauferstehung, unsterbliche Seele passen nicht zu meinem naturwissenschaftlich geprägten Weltbild. Aber zur Religion gehören auch Regeln für das Zusammenleben (z.B. Gebote 4 bis 10) oder Erzählungen über „gute“ und „schlechte“ Taten.

    Naturalismus (hier angenommen als „so wie es die Natur eingerichtet hat“): Passt aufgrund der Beschränkung auf natürliche Vorgänge zu meinem Weltbild. Aber ohne Regeln für das Zusammenleben würde sich wohl das Prinzip „fressen und gefressen werden“ durchsetzen.

    Religion oder Naturalismus – wer gewinnt? — Keiner!

  279. @Andresen: Ich habe es zehnmal geprüft und die erste Nennung war hier, wo Herr Waschke meinte, mir die Quelle bereits mitgeteilt zu haben.

    Das ist erstens falsch; zweitens ganz schön unsorgfältig und drittens ein argumentativer Bankrott, wenn jemand an einer Diskussion zum Naturalismus teilnehmen will und auf die wiederholte Frage nach seinem Verständnis des Begriffs nur antwortet: Schauen Sie’s in diesem Buch nach.

    Was sollen solchen Kommentare? Sparen Sie sich doch die Zeit.

  280. @Mussi
    Evtl. hatte Herr Schleim bei der Suche nach einer starken Überschrift die Möglichkeit “Religion oder Naturalismus – Pro und Kontra” übersehen?

  281. @Schleim
    Mmh … evtl schon hier?
    Ob das sorgfältig ist oder nicht, ist eine andere Frage.

  282. @Andresen: Ja sicher – mein letzter Beitrag in jenem anderen Diskussionsforum war am 23.2., der letzte Kommentar von einem anderen Leser (Elektroniker) dort am 24.2.

    Sie und Waschke setzen einfach mal voraus, dass irgendjemand alle 2.500 Kommentare dieser Serie im Kopf hat bzw. kontinuierlich an allen möglichen Orten nachschaut, ob jemand dort vielleicht am 4.3. noch einmal etwas geschrieben hat?

    Also nein… Erst einmal frage ich mich, ob Sie und Waschke überhaupt unterschiedliche Personen sind. Und zweitens erinnert mich das Auftreten von Ihnen beiden mit Ihrer indirekten und emotional-psychologisierenden Art an bestimmte NLP-Techniken oder das Verhalten in irgendwelchen Kulten.

    Noch einmal meine Empfehlung: Sparen Sie sich sowas hier. Im Blogbeitrag, den ich hier geschrieben habe, habe ich 14 Punkte formuliert. Darum geht es in der Diskussion. Mir ist nicht aufgefallen, dass sich jemand von Ihnen ernsthaft damit beschäftigt.

    Ich bin nicht nachtragend und habe sowieso ein schlechtes Namensgedächtnis. Wenn Sie wollen, versuchen Sie es ein andermal erneut; dann aber bitte im Einklang mit den Regeln. Sonst: Alles Gute!

    P.S. Verstorbene Autoren ad hominem anzugreifen und sich dann später aufs “principle of charity” zu berufen, das kommt auch nicht so gut an.

  283. @hwied 05.03. 10:50

    „Reutlinger
    ein Satz (fast)für die Ewigkeit.
    “Die entscheidende Frage bei natürlichen Phänomenen ist, auf welcher Abstraktionsebene sie am zweckmäßigsten erklärt und beschrieben werden können.”

    Das ist finde ich wirklich wichtig. Dass die benachbarten Abstraktionsebenen noch Anhaltspunkte liefern können, kommt wohl noch öfter vor. Aber noch mehr Ebenen tiefer oder höher, da geht dann wirklich nur noch wenig Sinnvolles.

    „Was Sie uns schuldig bleiben, was ist ein unnatürliches Phänomen?“

    @anton reutlinger 05.03. 10:59

    „@hwied Unnatürliche Phänomene wären bspw. Experimente im Labor unter künstlichen Bedingungen, göttliche Erleuchtungen oder Erscheinungen der Mutter Gottes.“

    Ich denke jetzt aber, dass auch unnatürliche Phänomene ihre optimale Abstraktionsebene haben. Sowohl im Labor, als auch im Umgang mit spirituellen Erfahrungen. Auch hier können höchstens benachbarte Abstraktionsregeln noch ein wenig helfen.

    Und wenn man eine ganze Welt zusammen hat, verteilt auf vielerlei Abstraktionsebenen, so kann man sich das dann zum eigenen Weltbild zusammenfügen. Mit Lust am Bau sozusagen.

    Es dürft klar sein, dass diese Weltbilder alle recht persönlich seien müssen. Jeder kennt nur einen Teil der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen, jeder kennt andere Geschichten, jeder hat seine eigenen Lebenserfahrungen, und jeder hat seine eigene Art, sich Wissen und Erfahrung zu akkumulieren, und auch nur begrenzt Zeit, an seinem Weltbild Stück für Stück weiter zu basteln.

    Und wenn jetzt Inkompatibles neu dazu kommt, dann guckt man zunächst mal, wie man das denn passend macht, und holt sich manchmal verzweifelt Hilfe auf eigentlich unpassenden Abstraktionsebenen.

    Wenn dann z.B. irgendwas an Spirituellem Erleben zur Debatte steht, verlässt man gerne die eigentlich zuständige Beschreibungsebene der Psychologie, und bemüht lieber die Teilchenphysik, von der man meint, dass sie Spirituelles recht sicher ausschließen kann.

    Obwohl die das m.E. nicht leisten kann, die kennt eben nur nichts Spirituelles, und kann es selber auch nicht ausschließen.

    Sinnvoller erscheint mir hier, dass man eben bei den eigenen Erfahrungen bleibt, und Anderen andere Erfahrungen lässt.

  284. @Andresen, Waschke: P.S. Diskussion

    Falls es Ihnen etwas bedeutet: Ich habe jetzt Herrn Waschkes Kommentare in den anderen Foren gesehen, z.B. hier einen inhaltlich sinnvollen Beitrag zum Agnostizismus. Meine Vermutung, dass Sie vielleicht dieselbe Person sind, ziehe ich zurück.

    Aber dieser Diskussionsstil ist nicht so meine Sache: Die Antwort auf die Frage, was Naturalismus ist, möge man in einem Buch nachschlagen; Wuketits sei eine fragwürdige Person (“Ich weiß zudem nicht so recht, wie man ihn einschätzen soll. Es gibt Autoren, die meinen, er habe zu viele Bücher geschrieben, anstatt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.”); Teilhard de Chardin sei ein Täuscher und habe sich vor allem selbst getäuscht.

    Mir liegt hier vor allem am Austausch von Gründen, nicht so sehr, wer etwas sagt und wie wir das psychologisch bewerten. Wie dem auch sei: Noch ein angenehmes Wochenende allen.

    P.S. Zu dem möglichen Einwand, ich würde mich auch darauf beziehen, wer mir so über den Weg gelaufen ist… Das war eben in dem Zusammenhang, dass es nicht nur Argumente und Veröffentlichungen in diesem Sinne gibt (zum “Dogma der Molekularbiologie”), sondern dass mir auch persönlich schon Menschen (hier: Biologen) begegnet sind, die das sehr ähnlich sahen. Darum ist dieser Standpunkt nicht automatisch wahr – aber wird er konkreter.

  285. Tobias Jeckenburger,
    Ihr Beitrag ist schon fast ein Schlußwort, dem man zustimmen kann.
    Was Spirituelles ist, das muss man selbst erlebt haben, um mitreden zu können.
    Die Erlebnisse in einem Bierzelt z.B.
    Das Materielle ist, dass das Bier gut geschmeckt hat, oder dass man fast einen Bierseidel auf den Kopf bekommen hat, das Spirituelle, die Stimmung über die kann man nur reden, wenn man so eine Stimmung selbst erlebt hat.
    Deswegen gehen die Leute ins Bierzelt, wegen der Stimmung.
    Nachher fühlt man sich besser.
    Bei einem Kirchenbesuch ist das ähnlich. Was das war, das die Wohlfühlstimmung erzeugt, das ist spirituell.

  286. @hwied
    Die Stimmung in einem Bierzelt ist emotional, aber nicht spirituell. Wenn man das schon als spirituell bezeichnen würde, dann hätten wir einen Panspiritualismus. Aber nun verstehe ich Ihre “spirituellen” Erfahrungen. Da ich viele Jahre in München gelebt habe, kenne ich diese Erfahrungen auch sehr gut. Die Stimmung nach der dritten oder vierten Maß lassen wir lieber außen vor, denn das wäre Ekstase oder Tiefschlaf.

  287. “Die Stimmung in einem Bierzelt ist emotional, aber nicht spirituell. ”

    Das finde ich aber auch. Spirituelle (nichtreligiöse) Erfahrungen wären für mich Poetik, Malerei, und Musik.
    Das verändert Menschen und führt auch zu Erkenntnissen die sich eben genauso wie mystische religiöse Erfahrungen (die Menschen ja dramatisch verändern können) mit Worten kaum oder gar nicht zu beschreiben sind.

  288. Jeckenburger
    Sinnvoller erscheint mir hier, dass man eben bei den eigenen Erfahrungen bleibt, und Anderen andere Erfahrungen lässt.

    Dagegen ist nichts einzuwenden. Wir haben die Möglichkeit, über Erfahrungen zu sprechen und sie mit Erfahrungen Anderer zu vergleichen. Genau daraus ist die Wissenschaft entstanden.

    Es ist ein Unterschied, ob man ein System verstehen will, d.h. genauer seinen Zweck und seine Funktionalität, oder ob man ein System bauen will. Um ein vorhandenes System zu verstehen, muss man es in seine Einzelteile zerlegen und ihre Beziehungen zueinander untersuchen. Man muss aber nicht eine Schraube in seine Atome zerlegen, denn die Funktion von Schrauben ist schon bekannt. Wenn man ein System bauen will, dann muss man seine Ganzheit im Blick haben. Man wird dann nach Möglichkeit auf geeignete Einzelteile zurückgreifen, die schon verfügbar sind, statt neue Teile zu schmieden.

    Der Feldzug gegen den reduktionistischen Materialismus ist daher unsinnig. Um die Funktionalität von Geist und Bewusstsein zu verstehen, ist die reduktionistische Vorgehensweise unumgänglich. Die höheren Abstraktionsebenen bleiben davon unberührt und der Psychologie wird dadurch nicht ihre Existenzgrundlage entzogen. Vielmehr wird sie auf festeren Boden gestellt. Dass einzelne Hirnforscher dabei vielleicht über das Ziel hinausschießen, ist kein Kriterium gegen die Wissenschaft.

  289. Johannes , Reutllinger,,
    Jetzt habe ich doch tatsächlich ein 3/4 Jahrhundert gelebt und keinen Unterschied gemacht zwischen spirituell und emotional.
    gerade habe ich gegoogelt und über spirituell diese Definition gefunden.
    “Im Wesentlichen bedeutet spirituell zu sein, eine persönliche Beziehung zu einer höheren Präsenz aufzunehmen, die nicht ohne weiteres direkt erfahrbar ist: Gott.”

    O.K. Kein Widerspruch. Aber meine spirituelle Erfahrung war auch eine emotionale, nicht nur !
    Und……..ein Buddhist, der seine Gebetsmühle dreht und keinen Gott hat, ist der spirituell ?

  290. @Balanus / 05.03.2021, 14:49 Uhr

    »Aber zu meiner alltäglichen Lebenswelt gehört z. B. auch ein Religionslehrer, der im Unterricht kreationistisches Gedankengut verbreitet.«

    In Genesis 1 & 2 lassen sich zwei verschiedene und inkompatible Versionen von bibl. Kreationsmythos finden. Wer meint, die Bibel wortgetreu lesen zu müssen und daraus u.a. schliessen zu können, die Erde sei halt ca. 6,000 Jahre alt, kommt da schon in Bedrängnis.

    Die wortgetreue Lesart ist aber wohl überhaupt eine erst in der Neuzeit aufgekommene Mode. Nach allem, was sich kulturwissenschaftl. sagen lässt, war in der Antike die allegorische Form des Erzählens der gängige Stil des Berichtens bedeutsamer Geschichten und Geschehnisse.

    Religionslehrern mit kreationistischen Neigungen kann man meines Erachtens gewiss einen erheblichen Mangel an kulturhistorichem Verständnis zum Vorwurf machen. Das hat aber auch eine Umkehrung: Wer antike Texte wortgetreu liest und meint, die Sache sei mit darin aufgezeigten Widersprüchen dann einfach erledigt und reif zur Entsorgung, begeht trotz ganz anderer daraus gezogener Schlüsse letztlich den gleichen Fehler.

  291. Chrys,
    Sie haben doch bemängelt, dass Naturwissenschaft die Religion nach meiner Meinung ersetzen kann.
    Ersetzen kann sie sie nicht, aber sie trägt zum richtigen Verständnis der Bibeltexte bei, indem sie geschichtliche Ereignisse benennen kann, zeitlich Kulturelles von Allgemeingültigem zu unterscheiden lehrt.

  292. @Chrys // 06.03.2021, 12:07 Uhr

    Ich glaube, es greift zu kurz, wenn man einem Religionslehrer mit kreationistischen Ansichten bloß einen Mangel an kulturhistorischem Verständnis vorwirft (auch wenn dies vorliegen mag).

    Wichtiger scheint mir, dass dieser Lehrer es einfach nicht mit seinem katholischen Glauben vereinbaren konnte, Gottes Wirken auf die Zündung des Big Bang zu reduzieren.

    Und damit ist er ja beileibe nicht der Einzige, wenn sich anschaut, wie stark die Ablehnung der Evolutionslehre aus rein religiösen Gründen weltweit verbreitet ist.

    Und da hilft es auch nicht, wie z. B. @hwied zu sagen, dass diese Menschen eben ein falsches Glaubens- oder Religionsverständnis haben. Wer könnte sich anmaßen, zu beurteilen, was der rechte Glauben ist?

  293. @Balanus

    Wer könnte sich anmaßen, zu beurteilen, was der rechte Glauben ist?

    – @hwied

    – Ich. (Aber ich verbiete es mir; aus dogmatischen Gründen.)

    – Viele Naturalisten maßen es sich an.

    – Fast alle Anhänger jedweder Religion tun es.

  294. @hwied 06.03. 10:50

    „Jetzt habe ich doch tatsächlich ein 3/4 Jahrhundert gelebt und keinen Unterschied gemacht zwischen spirituell und emotional.“

    So leicht zu trennen ist das auch nicht. Ich erinnere mich an einen Wandspruch:

    Leidenschaft
    Trunkenheit
    Wahnsinn

    „gerade habe ich gegoogelt und über spirituell diese Definition gefunden:
    “Im Wesentlichen bedeutet spirituell zu sein, eine persönliche Beziehung zu einer höheren Präsenz aufzunehmen, die nicht ohne weiteres direkt erfahrbar ist: Gott.”“

    Das ist auf jeden Fall zu eng gefasst, meine ich. Die Beziehungen zwischen einzelnen Lebewesen können mehr als nur emotional sein, und Gott ist sowieso erstmal genauer zu definieren, bevor man sich weitere Gedanken darüber macht, welche Beziehung spirituell sein kann. Herausragende Naturerfahrungen können auch spirituell sein, ohne dass man an Götter dabei denken muss, die besonderen Naturerfahrungen vertragen sich womöglich sogar gut mit einem religiösen Naturalismus.

    @anton reutlinger 06.03. 09:30

    „Die Stimmung in einem Bierzelt ist emotional, aber nicht spirituell. Wenn man das schon als spirituell bezeichnen würde, dann hätten wir einen Panspiritualismus.“

    Hat der nicht was, der Panspiritualismus, ich glaube man nennt das auch Panpsychismus? Die Grenzen hier etwas enger zu fassen, und nicht alle emotionalen Vorgänge als spirituell einzustufen, da bin ich dabei. Aber spezielle Besäufnisse können doch herausragen, sagt mir meine Erfahrung.

  295. @Joker: Pluralismus

    Fast alle Anhänger jedweder Religion tun es.

    Das kann ich so nicht bestätigen…

    – Die Christen haben einander erfreulich lange nicht mehr die Köpfe eingeschlagen; nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Ökumene gegründet (Weltkirchenrat).

    – Die Mystiker verschiedener Strömungen haben schon lange verstanden, dass der Streit um den “wahren Glauben” Zeitverschwendung ist, und jede(r) für sich die passenden Antworten finden muss.

    – Letzteres ist bsp. auch im Sufismus sehr ausgeprägt (eine mystische Strömung im Islam).

    – Im Bahaitum (einer wachsenden Strömung seit dem 19. Jahrhundert) steht die Einheit der Religionen seit Gründung im Vordergrund.

    – Für Buddhisten ist im Endeffekt alles leer – also warum sich über solche (im wörtlichsten Sinne: unwesentlichen) Kategorien streiten?

    – Im “Hinduismus” (übrigens ein Wort, das sich nicht die Inder selbst, sondern die westlichen Orientalisten ausgedacht haben) existieren mehrere Sekten nebeneinander, abhängig vom “Hauptgott” (Iṣṭa-devatā), vor allem Shiva und Vishnu bzw. dessen Avatare (v.a. Krishna); und neben seinem “Hauptgott” verehrt man i.d.R. auch noch die anderen Göttinnen und Götter.

    Usw. usf.

    Seien wir doch ehrlich: In vielen Gegenden und Zeiten haben viele religiöse Strömungen friedlich nebeneinander existiert; und dort, wo es Herrschern nutzte, wurden Gruppen mitunter aufgrund ihres Glaubens gegeneinander ausgespielt (zurzeit bsp. Unterdrückung des Islams in Indien oder Myanmar). Das funktionierte mit religiösen Kategorien, wie “Christ”, “Jude” und “Moslem” – aber auch mit nationalstaatlichen, wie “Deutscher”, “Franzose”, “Türke”, geschlechtlichen wie “Frau”, “Mann” usw.

    Es sind nie die Strömungen (Konzepte), die einander bekämpfen, sondern immer nur die Menschen, die sich mit ihnen identifizieren.

  296. @Balanus 06.03. 13:03

    „Und da hilft es auch nicht, wie z. B. @hwied zu sagen, dass diese Menschen eben ein falsches Glaubens- oder Religionsverständnis haben. Wer könnte sich anmaßen, zu beurteilen, was der rechte Glauben ist?“

    Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis zu ignorieren, bedeutet nicht weltoffen zu sein. Das kann man mit gutem Grund ablehnen. Die im Grundgesetz festgeschriebene Religionsfreiheit differenziert hier nicht aus, was tatsächlich ein Mangel sein kann.

    Erst wenn Fundamentalismus zu Straftaten führt, wird hier die Sache juristisch angreifbar. Da sind auch schon Hassprediger angeklagt worden, vermutlich aber viel zu wenige.

    @Joker 06.03. 13:20

    Die, die am meisten zweifelhaft sind, erheben sich selbst am meisten über andere.

    Dass man seine eigenen Überlieferungen hat, seine eigenen Geschichten und die Weltoffenheit erst nach und nach aktualisiert wird, ist aber ok, würde ich sagen. Da darf man sich auch nach außen Abgrenzen, insoweit ist die Religionsfreiheit auch sehr vernünftig. Sonst darf man ja auch seine eigene Meinung haben.

    Ein Streit ist hier aber produktiv, man kann wirklich mit Recht sich auch über den richtigen Glauben auseinandersetzen, meine ich. Auch undemokratische interne Organisationsstile dürfen gerne kritisiert werden. Dem Vereinsrecht würden manche Kirchen nicht genügen.

  297. @Stephan Schleim

    Die Christen haben einander erfreulich lange nicht mehr die Köpfe eingeschlagen

    Ja, selbst in Irland herrscht heute (März, 2021) weitgehend Waffenruhe.

    Nun scheint mir die Frage nach dem rechten Glauben aber generell eine andere zu sein als die nach Toleranz und Duldung anderer Religionen, mithin fehlgeleiteten Glaubens. Um das zu belegen, möchte ich auf diese glücklicherweise zumindest in Teilen erhalten gebliebene Aufzeichnung eines aufschlussreichen Gesprächs zwischen den damals führenden Vertretern zweier konkurrierender Religionsgemeinschaften hinweisen. (Youtube, 40 Sekunden). Die beiden sympathisieren offensichtlich, speisen sogar zusammen, aber bleiben in der Sache doch unnachgiebig.

  298. @Tobias Jeckenburger // 06.03.2021, 14:06 Uhr

    »Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis zu ignorieren, bedeutet nicht weltoffen zu sein.«

    Das mit der gesicherten Erkenntnis ist bei der Evolutionslehre aber nicht so einfach. Vieles ist noch ungeklärt (wie überhaupt im „Schuldschein-Materialismus“), und fast jede neue Erkenntnis wirft neue Fragen auf, so dass immer Raum bleibt für einen intelligenten Designer.

  299. Manche „Naturalisten“ nutzen nicht alle Konzepte der Mathematik (z.B. Tautologie, Transzendenz), daher haben sie vermeidbare „Erklärungslücken“, die die Theologen nicht haben. Außerdem verwenden manche „Naturalisten“ vermutlich den Allquantor falsch. Einen Teil der „Naturalisten“ geht es weniger um „Wahrheitssuche“, sondern aus psychologischen Gründen darum, Religionen zu demolieren.

    Es scheint klar, wenn es praktisch sicher eine Welt gibt, so muss es auch irgend einen Entstehungsmechanismus geben, selbst wenn man ihn nicht vollständig oder nur zu wenig kennt.

    Nicht einmal einen Bezeichner akzeptieren Naturalisten. Es ist völlig naheliegend und legal auch diesen Mechanismus mit einem Bezeichner zu versehen. Es wäre z.B. völlig absurd, würde sich ein Elternpaar weigern, ihrem geborenen Kind einen Namen zu geben.

    Sieht aus, wie ein „Punktesieg“ der Religionen.

    Für mich sind Wissenschaften sehr wichtig. Besonders die von Information gesteuerten biologischen Prozesse, die grundlegenden Mechanismen z.B. der Wirkungen zwischen viraler DNA und biologischen Molekülen, so wie der Einfluss von elektrischen Ladungsträgern würde mich interessieren. Auf der neuronalen Ebene scheint die Informationsverarbeitung, der “elektrische Teil“ davon, bei entsprechender Vorbildung eher einfach zu verstehen, weil es sich ähnlich wie in der Elektronik/Informatik verhalten dürfte.

    In meinem nächsten Leben würde ich mich für „chemische Prozessoren“ interessieren.

  300. @Balanus / 06.03.2021, 15:31 Uhr

    »Wichtiger scheint mir, dass dieser Lehrer [mit kreationistischen Ansichten] es einfach nicht mit seinem katholischen Glauben vereinbaren konnte, Gottes Wirken auf die Zündung des Big Bang zu reduzieren.«

    Immerhin ist seine für derlei Glaubenszweifel zuständige Kirche da wohl schon weiter. Sogar der wegen vermeintlich oder tatsächlich kreationismus-affiner Statements in der NYT anno 2005 in die Schusslinie geratene Wiener Kardinal Schönborn war dann ersichtlich bemüht, dieses Stigma wieder loszuwerden. Er hat ein Buch geschrieben, wozu es mit Hinblick auf die strittigen Äusserungen bei der Erzdiözese Wien heisst:

    Zweierlei sei nicht Absicht des Kardinals gewesen: “Einerseits sollte die wertvolle Arbeit vieler ehrlich forscher Wissenschaftler nicht abgewertet werden. Andererseits ist der Kreationismus, also die Ansicht, das erste Kapitel der Bibel sei wörtlich als Bericht und damit nach dem Muster eines naturwissenschaftlichen Textes zu verstehen, keine akzeptable theologische Position”.

    @hwied / 06.03.2021, 12:16 Uhr

    Zu einem angemessenen Verständnis von Bibeltexten trägt die Kulturwissenschaft vermutlich erst mal viel mehr bei. Ein wahrhaft klassisches Problem:

    Geschrieben steht: “Im Anfang war das Wort!”
    Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?

    Ja, wer hilft da dem armen Doktor Faust? Die Naturwissenschaften garantiert nicht.

  301. @Balanus 06.03. 15:31

    „Das mit der gesicherten Erkenntnis ist bei der Evolutionslehre aber nicht so einfach. Vieles ist noch ungeklärt (wie überhaupt im „Schuldschein-Materialismus“), und fast jede neue Erkenntnis wirft neue Fragen auf, so dass immer Raum bleibt für einen intelligenten Designer.“

    Ich spreche ja auch von gesicherten Erkenntnissen, nicht jede Neuigkeit muss gleich festgeschrieben werden. Es ist auch kein Problem, wenn Raum für den intelligenten Designer bleibt. Und nicht jede Erkenntnislücke muss gleich von Geistigem ausgefüllt werden.

    Wichtig ist doch das Prinzip DNA, die sich durch Mutation und Selektion weiterentwickelt. Auch Intelligentes Design muss sich daran halten, d.h. wenn Mutationen ausnahmsweise geistig bedingt sind, und/oder die Selektion auch geistig begleitet wird, dann kann der Geist dieses Kosmos schon in der Evolution mitspielen. Aber er tut hier nicht direkt ganz neuen Code editieren. Dann würde die Biologie völlig anders aussehen.

    Die Folgerungen wären daraus, dass hier der menschliche Jetzt-Zustand nicht irgendwas ist, sondern er könnte wesentlich tiefer begründet sein. Insbesondere wären hier Eingriffe in die Keimbahn als eventuell unethisch zu betrachten. Wenn man das bei Tieren macht, insbesondere durch die neuen Genscheren, dann kann man sich darüber womöglich schon beschweren.

    Aber so kann es doch vernünftig sein, dass man Föten vor der Einpflanzung in die Gebärmutter auf Erbkrankheiten testet, oder auch diese gentechnisch repariert. Hier ist dann konkret abzuwägen, wie genau denn der Plan eines Schöpfers hiermit gestört würde. Es sollte auch Kreationisten klar sein, dass Erbkrankheiten nicht unbedingt Gottes Wille sind, zumal entsprechende Genetische Schäden ja auch nicht von Gott spontan repariert werden. Wie überhaupt in der Welt, gehen die Dinge meistens ihren natürlichen Gang. Und dazu gehört, dass die Evolution neben ihrer Weiterentwicklung doch immer wieder dieselben Fehler macht. Da kann also durchaus Handlungsbedarf in Richtung von Therapie von Erbkrankheiten angesagt sein, denen auch ein Kreationist zustimmen könnte.

    Während komplette Designerbabys wohl doch zuviel des Guten sein könnten. Eine gefühlte Abneigung dem gegenüber kann ich irgendwie nachvollziehen.

  302. Chrys,
    “Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort”

    Dieser Satz verträgt keine Interpretation, der wirkt durch das Wort.
    In diesem Satz steckt die ganze Kraft der Religion.

  303. @Andresen:Wettkampf
    Vermutlich ist es eher die Frage,ob er angeboten wird und wir ihn annehmen.
    Ist wie der Fehdehandschuh.
    Mir wäre es recht,wenn @Schleim mal was zum Thema ‘Konflikt’anbieten würde.
    So aus philosophisch psychologischer Sicht.
    Was ist ein Konflikt?Welcher Rolle spielt da Widerspruch und Widerspruchsfreiheit. Mir ist wenig bekannt,was und wie beides ausmacht und auslöst.

  304. Stephan Schleim
    06.03.2021, 14:01 Uhr
    Es sind nie die Strömungen (Konzepte), die einander bekämpfen, sondern immer nur die Menschen, die sich mit ihnen identifizieren.

    Nun, aber die Strömungen (Konzepte) fallen ja nicht vom Himmel, sondern sind zumindest von Menschen gemacht/verkündet und mitunter als “himmlische Vorgaben” deklariert worden, erheben dann aber den Anspruch ( dh die Verkünder erheben diesen ), als “gottgewollt” in jedem Fall und ohne Nachfrage befolgt werden zu müssen. Und schon sind wir zwanglos wieder bei den “Gesetzen” angelangt, dem “Gesetz Gottes”, was um des eigenen Seelenheils befolgt werden muss, dem “Gesetz des Gesetzgebers” ( wer auch immer das sein mag ), was bei Strafandrohung ( manchmal auch Todesstrafe ) befolgt werden muss und dem “Naturgesetz”.
    Aus meiner Sicht verleitet die gemeinsame Verwendung des Wortes “Gesetz” leider viele, diese unterschiedlichen Arten von “Gesetzen” in einem Topf zu verrühren und dann mit der Diskussion über ein “Gesetz XY” Sachverhalte zu vermengen, die nichts miteinander zu tun haben.
    Das physikalische “Fallgesetz” beispielsweise, wie wir die mathematische Beschreibung s=b/2*t² des physikalischen Vorgangs der Beschleunigung gerne nennen, kümmert sich einen Sch…dreck um meine Befindlichkeit, es funktioniert für Menschen, Tiere und unbelebte Materie gleichermaßen.
    “Gesetzgebergesetze” sind von Menschen ( hoffentlich ) zum Wohle der Gesellschaft verfasst und können mit einem Federstrich geändert werden, was wir gerade bei der Disskussion um Art ?? GG sehen, wo der Begriff “wegen seiner Rasse” eben mal durch “aus rassistischen Gründen” ersetzt werden soll, nur als Beispiel für Veränderungsmöglichkeiten genannt und nicht, um hier über “Rasse” oder “rassistische Gründe” zu diskutieren.
    Zum “Gottesgesetz” werde ich den Artikel seinerzeit in der ZEIT nicht vergessen, wo ein französischer Journalist durch das Taliban-Afghanistan reiste und sein “Begleiter” eines Tages zornig-verzweifelt ausrief: “Ich lasse mir meinen Platz im Paradies doch nicht dadurch kaputt machen, dass sich dieser Ungläubige nicht von mir zum wahren Glauben bekehren lassen will!”
    Und so komme ich zum Schluss, dass die “Naturgesetze” solche sind, die ohne Zutun einer Mittlerperson auf mich einwirken, wohingegen “Gottesgesetz” und “Gesetzgebergesetz” solche sind, die in den Köpfen/Gehirnen der Menschen sind und nur durch deren tätliches Wirken zur Realität werden und auf mich einwirken – eine mögliche Selbsteinwirkung im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung nicht ausgenommen.
    Und beantwortet sich die Eingangsfrage nach Physik vs Glaube für mich.

  305. @Stephan Schleim

    Wer könnte sich anmaßen, zu beurteilen, was der rechte Glauben ist? (@Balanus)

    Fast alle Anhänger jedweder Religion tun es. (Ich)

    Das kann ich so nicht bestätigen… (Du)

    Um meinem empirischen Beleg noch ein logisches Argument hinzuzufügen. Wenn jemand glaubt, er würde nicht das Rechte glauben, würde er doch einfach etwas anderes glauben, zum rechten Glauben konvertieren. Glaubst Du nicht?

  306. @Tobias Jeckenburger // 06.03.2021, 18:01 Uhr

    » Es ist auch kein Problem, wenn Raum für den [intelligenten Designer] bleibt. «

    Ich halte es sehr für problematisch, wenn Erklärungslücken als Beleg für das Wirken eines intelligenten Designers angeführt werden. Wenn so etwas versucht wird, dann steht das schlicht im Widerspruch zur Evolutionslehre.

    Wenn also postuliert (oder gemutmaßt) wird, dass manche Mutationen oder Geschehnisse, eventuell solche, die besonders wichtig erscheinen, nicht zufällig aufgetreten sind, sondern von einer allwissenden Intelligenz verursacht wurden, steht eine solche Auffassung m. E. klar im Widerspruch zur Evolutionslehre.

    Denn es ist nicht entscheidend, ob Verlauf und Ergebnis einer Designer-gesteuerten Evolution nicht von einer natürlich verlaufenden Evolution unterschieden werden kann, sondern es kommt allein darauf an, wie, auf welche Art und Weise, das heutige Ergebnis der Evolution zustande gekommen ist, nur zustande kommen konnte.

    Theistische und somit teleologische Vorstellungen zum Evolutionsverlauf stehen nach meinem Vertsändnis eindeutig im Widerspruch zu den Naturwissenschaften.

    In Bezug auf das Evolutionsgeschehen „gewinnen“ somit eindeutig die Naturwissenschaften, und in deren Gefolge dann auch der Naturalismus.

  307. @Joker // 06.03.2021, 13:20 Uhr

    . . . . . » Wer könnte sich anmaßen, zu beurteilen, was der rechte Glauben ist?
    […]
    – Ich. (Aber ich verbiete es mir; aus dogmatischen Gründen.) «

    Schade, dann dürfen wir also weder auf das Ergebnis der Beurteilung noch auf eine schlüssige Begründung hoffen…?

  308. @Maier: Gesetze

    Nun ja – wenn ich meine Steuererklärung nicht (rechtzeitig) einreiche, dann bekomme ich auch eine Strafe; dass wir uns in religiösen Fragen heute frei entscheiden können, ist gerade eine Errungenschaft des liberlaen Rechtsstaats.

    Wenn Ihnen eine Religion keine Orientierung bietet und Ihnen auch nicht bei der Bewältigung Ihres Lebens hilft, dann wäre ich schlicht nicht religiös.

    Die problematische Redeweise von den “Naturgesetzen” (an Stelle von: Natürvorgängen/Naturkräften) haben wir hier ja nun schon mehrmals thematisiert.

  309. @Joker: Konvertierung

    Es gibt ja Leute, die sich konvertieren lassen… andere spüren vielleicht eine Unzufriedenheit, kennen aber noch keine Alternative. Such is life.

    Der Platz als erster Apostel des Schleimismus ist übrigens noch zu vergeben. Freiwillige? 😉

  310. @Chrys // 06.03.2021, 18:00 Uhr

    Ich kann die Nöte Kardinal Schönborns sehr gut nachvollziehen.

    Es bedarf schon erheblicher intellektueller Anstrengungen, das blinde Evolutionsgeschehen mit dem Schöpfungsglauben widerspruchsfrei unter einen Galero zu bringen.

  311. Stephan Schleim
    06.03.2021, 21:36 Uhr

    Wenn ich hier manchen Beitrag lese, wertschätze ich immer mehr die Wissenschaft mit ihren “Naturgesetzen”, die, wie ich ja ausgeführt habe, sine ira et studio und ohne Zutun eines irgendwie Beflissenen funktionieren, im Gegensatz zu den Wort- und Glaubenswissenschaften, bei denen sich ( manchmal/häufig/gerne ) die Menschen mit Worten über Worte, deren ( angebliche/scheinbare ) Bedeutung und ( in einer Art reverse engineering ) deren Bedeutung für die physische Welt (un)absichtlich verbal und manchmal auch körperlich gegenseitig in die Pfanne hauen. In Abwandlung des bekannten Ausspruchs ist mein Motto eher ein “non credo quia absurdum est”, ich kann wohl unterscheiden zwischen dem, was ich vielleicht gerne hätte ( glauben möchte ), und dem, was wahrscheinlich möglich ist ( was ich wissen kann ).

  312. @Balanus / 06.03.2021, 21:59 Uhr

    »… das blinde Evolutionsgeschehen …«

    Blind? Bis anhin dachte ich, das Evolutionsgeschehen sei adaptiv.

    Aber ich verstehe nicht ganz. Mir scheint, erst hast Du ein Problem mit einem kath. Religionslehrer, dessen kreationistische Haltung Du seinem Katholizismus anlastest, und jetzt hast Du ein Problem damit, dass dieser Lehrer gerade wegen seiner Haltung auch mit der Lehre seiner Kirche nicht konform ist?

  313. @hwied / 06.03.2021, 18:24 Uhr

    »Dieser Satz [“Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort”] verträgt keine Interpretation, der wirkt durch das Wort.«

    Ohne Interpretation versteht das doch kein Schwein Mensch. Nicht mal der wortgewaltige Goethe, sonst hätte er das bestimmt nicht so eindrucksvoll dramatisiert.

  314. @Balanus 06.03. 21:17

    „Wenn also postuliert (oder gemutmaßt) wird, dass manche Mutationen oder Geschehnisse, eventuell solche, die besonders wichtig erscheinen, nicht zufällig aufgetreten sind, sondern von einer allwissenden Intelligenz verursacht wurden, steht eine solche Auffassung m. E. klar im Widerspruch zur Evolutionslehre.“

    Finde ich zunächst nicht. Wenn überhaupt geistig bedingte Zufälle als möglich betrachtet werden, dann können die auch Mutationen betreffen. Ich denke, die allgemeine Evolutionslehre kann in diesem Fall im wesentlichen weiter gelten, und würde nur ein wenig ergänzt.

    Wenn also ein spirituell orientierter Mensch einen gewissermaßen „schwachen Kreationismus“ für denkbar hält, dann widerspricht das nur in einem Detail der allgemeinen Evolutionslehre, bzw. dann widerspricht dies auf keinen Fall gesicherten Erkenntnissen. Wenn derartige gezielte Zufälle in der Evolution tatsächlich öfter vorkommen, dann wird man das eventuell mit statistischen Verfahren in Genomuntersuchungen sogar feststellen können. Oder auch falsifizieren können. Das müsste man dann aber erst mal machen, vorher würde ich diese spezielle Frage als ungeklärt einstufen.

    Vielleicht will uns ja die Natur, bzw. der Geist in diesem Kosmos, der für unseren Planeten zuständig ist, ärgern, und versorgt uns fleißig mit immer neuen Coronamutanten, die langsam immer gemeiner werden. Der Mensch reagiert hier offenbar sehr empfindlich, und die Coronagegenmaßnahmen helfen der Natur auf diesem Planeten tatsächlich, erstmal akut einiges an Treibhausgasen einzusparen. Ein Motiv wäre da, vielleicht kann man die Coronamutationen, die virulenter machen, als überzufällig identifizieren? Ein Versuch wäre es wert, das mal zu testen.

    Wer mit Spiritualität in keiner Form was zu tun hat, der möge dies einfach ignorieren und bei der reinen Evolutionslehre bleiben.

  315. @Schleim
    Ich könnte noch einen Ghostwriter für Mussiismus gebrauchen. 🙂
    Nach Reckwitz und den Tendenzen zum Singularismus könnte es auch Reutlingerismus,hwiedismus,Gramsimus und Neherismus,maierismus usw. geben… 🙂

  316. Jokerismus ist sympathisch und die letzte Bergpredigt von Fossilimismus War bemerkenswert… 🙂

  317. “„Wenn also postuliert (oder gemutmaßt) wird, dass manche Mutationen oder Geschehnisse, eventuell solche, die besonders wichtig erscheinen, nicht zufällig aufgetreten sind, sondern von einer allwissenden Intelligenz verursacht wurden, steht eine solche Auffassung m. E. klar im Widerspruch zur Evolutionslehre.“

    Grade der Zufall (was soll das eigentlich sein?) lässt ja für Gott reichlich Platz. Wenn ich ein göttlicher (also unfassbar guter ) Pool Billiard Spieler wäre und mit einem einzigen Stoß alle Kugeln in der richtigen Reihenfolge einlochen würde dann hätten wir einmal eine Kausalkette und zweitens eine teleologische Absicht. Wer nicht wüsste das ich als Billiardspieler existiere könnte unmöglich sagen ob es sich um teleologie oder (zufällige) kausalkette handeln würde.

  318. Chrys,
    ohne Interpretation……
    Gehe einmal bei Windstärke 8 am Meeresstrand spazieren.
    Das wäre jede Interpretation überflüssig.
    Und wer es noch sinnlicher mag, dir begegnet dabei Aphrodite in ihrer vollen Schönheit. Dabei wäre eine Interpretation sogar hinderlich.

    Und so gewaltig wie Windstärke 8 wirkt der Satz, : “Im Anfang war das Wort… ”
    Dagegen ist ein Schwarzes Loch ein Fliegenschiss im Universum.

    Du musst diesen Satz auf dich wirken lassen !

  319. @Chrys // 07.03.2021, 00:51 Uhr

    » Blind? Bis anhin dachte ich, das Evolutionsgeschehen sei adaptiv. «

    Tja, so kann man sich irren… ;- )

    Das gibt mir Gelegenheit, aus dem „Glaubensbekenntnis eines Naturwissenschaftlers“ zu zitieren, welches die besagte religiöse Lehrkraft 2003 verfasst und unter die Schüler gebracht hat (gewissermaßen als weitere gewichtige Stimme neben den Äußerungen von Sean Carroll und Sam Harris):

    Zum Beispiel der Tagpfauenauge-Schmetterling.
    Der schlichte Vorgänger-Schmetterling ohne Flügelbild wurde ständig von Feinden gefressen, so dass er kurz vor dem Aussterben stand. Durch unzählige Zufallsmutationen wurden dann die unzähligen Farbschuppen auf den Flügelflächen (bis zu 600 auf einem Quadratmillimeter) in unendlich langer Zeit so oft durcheinander gemischt, dass irgendwann einmal zufällig jenes „Bild“ entstand, das einen Überlebensvorteil in der feindlichen Umwelt garantierte, indem ein Fressfeind durch die angetäuschten Augen fern gehalten wurden.

    (Der Verfasser ist mir namentlich bekannt)

    Wie man unschwer sehen kann, hat diese Lehrkraft die Lehre von den “nicht überlappenden Gegenstandsbereichen” nicht angenommen.

    » …und jetzt hast Du ein Problem damit, dass dieser Lehrer gerade wegen seiner Haltung auch mit der Lehre seiner Kirche nicht konform ist?«

    Aus welcher meiner Einlassungen schließt Du, dass ich diesbezüglich ein Problem hätte?

    Doch davon abgesehen denke ich nicht, dass die offizielle Lehre der Kirche für einen Gläubigen von besonderer Relevanz ist. Außerdem darf man den Kirchenleuten ohnehin nicht alles glauben. Das Bekenntnis zur wissenschaftlichen Evolutionslehre z. B. ist, so glaube ich, ein bloßes Lippenbekenntnis.

  320. @Johannes / 07.03.2021, 06:43 Uhr

    » Wenn ich ein göttlicher (also unfassbar guter ) Pool Billiard Spieler wäre und mit einem einzigen Stoß alle Kugeln in der richtigen Reihenfolge einlochen würde dann hätten wir einmal eine Kausalkette und zweitens eine teleologische Absicht. Wer nicht wüsste das ich als Billiardspieler existiere könnte unmöglich sagen ob es sich um teleologie oder (zufällige) kausalkette handeln würde. «

    Völlig richtig. Und genau das ist das Problem. Solche Überlegungen illustrieren meines Erachtens eindrücklich, dass die Rede von den „Nonoverlapping Magisteria“ für bestimmte Bereiche tatsächlich bloß eine Rede ist.

    Es kann in Bezug auf das Evolutionsgeschehen eben nicht beides zugleich wahr sein: Ziellosigkeit und Zielgerichtetheit.

    Grob verkürzt: Der Atheist/Naturalist behauptet die Ziellosigkeit, der Gläubige behauptet die Zielgerichtetheit, und der Agnostiker hat dazu keine Meinung bzw. hält beides für möglich.

  321. @Johannes
    Grade der Zufall (was soll das eigentlich sein?) lässt ja für Gott reichlich Platz.

    Man kann den Zufall auch als Gott bezeichnen, kein Problem. Die Sache ist, dass der Zufall nicht vorhersehbar ist, im Gegensatz eben zu regelmäßigen oder gesetzmäßigen Ereignissen. Zufällige Ereignisse sind immer nur ex post “erklärbar”. Deshalb können Theisten nur spontane ad hoc Erklärungen liefern, wenn ein zufälliges, seltsames oder unerwartetes Ereignis beobachtet wurde. Das heißt, die Erklärung ist dann nur auf dieses singuläre Ereignis bezogen, in einer Mischung aus gängiger Sachkenntnis und Phantasie.

    So muss auch das Coronavirus aus theistischer oder kreationistischer Sicht erklärt werden. Dazu ein Zitat aus Wort&Wissen:

    Alles in der Biologie wird kontrolliert und reguliert. Manchmal auf eine Art und Weise, die wir überhaupt nicht erwartet hatten oder noch nicht verstehen. Aus der Sicht der Schöpfung ist anzunehmen, dass solche Viren als Regulatoren Bestandteil der Schöpfung sind, um die Anzahl der Mikroorganismen im Gleichgewicht zu halten. Ein Argument für diese Einschätzung ist die erwähnte Tatsache, dass die meisten bekannten Viren für Pflanzen, Tiere und den Menschen harmlos sind.

    Doch gibt es auch gute Gründe für die Sichtweise, dass nicht alle Viren erschaffen worden sind. Denn bekanntlich sind nicht alle harmlos. Einige sind erst vor kurzem entstanden, wie die RNA-Viren in Eukaryonten – insbesondere die in Säugetieren und Menschen.

    was sind Viren und woher stammen sie?

  322. “Man kann den Zufall auch als Gott bezeichnen, kein Problem. ”

    Ich bezeichne den Zufall aber nicht als Gott. Theisten gehen natürlich davon aus das es keinen Zufall gibt sondern alles teleologisch geplant ist.Siehe mein Billiardbeispiel. Das man Gottes wirken nicht vorrausplanen kann hat Ähnlichkeiten mit mir als Person, was genau ich morgen machen werde kann keiner wissen (ich weiß das nicht mal selbst)

  323. Theisten gehen natürlich davon aus das es keinen Zufall gibt sondern alles teleologisch geplant ist.

    Hier widersprechen sich Naturwissenschaft und Theismus offensichtlich, eindeutig und grundlegend. Es mag Varianten des Theismus geben, aber im Grundsatz ändert das nichts.

    Die teleologische Sicht ist nur aus der Retrospektive möglich und kann sich nur auf die Gegenwart beziehen. Sie geht von einer fertig vorhandenen bzw. erschaffenen und im Prinzip unveränderlichen Welt aus. Außer der Annahme einer Teleologie liefert diese Lehre keinerlei verlässliche Erkenntnis im Hinblick auf ein Telos.

    Was in der Biologie als Regulation erscheint, ist eine logische Folge der physikalischen Kräfte, die anziehend oder abstoßend wirken können. Dadurch können sowohl Gleichgewichtszustände als auch regelmäßige Oszillationen entstehen. Durch die Vielzahl an möglichen Teilchen, Objekten, Vorgängen und Zuständen entstehen scheinbare Zufälligkeiten mangels Berechenbarkeit und die Quantenphysik zeigt die Möglichkeit echter Zufälligkeiten auf.

    Die einzige Teleologie im Naturalismus ist das Maximum der Entropie.

  324. “Hier widersprechen sich Naturwissenschaft und Theismus offensichtlich, eindeutig und grundlegend. Es mag Varianten des Theismus geben, aber im Grundsatz ändert das nichts.”

    Absoluter Blödsinn mit Verlaub, lesen sie nicht was ich geschrieben habe? Die Naturwissenschaften können zu Teleologie nichts sagen.

    Natürlich ist die Aussage: Der mensch ist von Gott teleologisch gewollt keine naturwissenschaftliche Aussage. Sondern erstmal nur eine Behauptung.

    Aber ihre Aussage: In der Natur gibt es keine Teleologie

    Ist ebenfalls nicht Natwurissenschaftlich.Auch nur eine Behauptung.

    Ich vermute mal sie werden jetzt einfach ihre letzte Behauptung mit vielen vielen Wörtern aufgebläht wiederholen aber dadurch wird aus einer Behauptung ja auch keine Tatsache.

  325. @Tobias Jeckenburger / 07.03.2021, 01:18 Uhr

    » Ich denke, die allgemeine Evolutionslehre kann in diesem Fall im wesentlichen weiter gelten, und würde nur ein wenig ergänzt. «

    Dazu müsste man aber den zentralen Lehrsatz aufgeben, dass die Evolution kein bestimmtes Ziel ansteuert.

    Ist vielleicht auch die Frage, was man beim Evolutionsprinzip für wesentlich hält und was nicht. Theisten halten die Ziellosigkeit des Geschehens, die sich u.a. in den Zufallsmutationen ausdrückt, allem Anschein nach nicht für wesentlich.

    Auf jeden Fall aber ist eine Mutation, die herbeigeführt wird, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, per Definition keine Zufallsmutation. Das wäre schlicht Intelligentes Design bzw. Kreationismus.

  326. @Johannes
    Naturgesetze haben nichts mit Teleologie zu tun.
    Können Sie für Ihre Behauptung ein Beispiel nennen?

    „Die Teleologie ist unfruchtbar und gebiert nichts, gleich einer gottgeweihten Jungfrau.“

    Ludwig Feuerbach (1804-1872)

  327. “Dazu müsste man aber den zentralen Lehrsatz aufgeben, dass die Evolution kein bestimmtes Ziel ansteuert.”

    Das ist kein Lehrsatz sondern einfach ein Grundsatz der Naturwissenschaften. Wenn man wie wie ID Ziele erforschen will betreibt man keine Naturwissenschaft. Das hat aber nichts damit zu tun das es keine Teleologie gibt.

  328. Johannes,
    “Ich bezeichne den Zufall aber nicht als Gott.”
    Das ist vernünftig. Gott auf einen Begriff zu reduzieren, das ist in sich falsch.
    Gott ist nicht einmal das Objekt unserer Anschauung.

    Reutlinger,
    Danke für den Link über die Viren. Die Biologie ist überaus komplex und man kann nicht immer entscheiden, ob eine Entwicklung zwangsläufig so oder so verlaufen muss. Das Beispiel mit den Darwinfinken sagt meiner Meinung nach alles. Wenn ein Fuchs in eine Tretfalle gerät, dann beißt er sich die Pfote ab, um sich zu befreien. Ist dieses verhalten determiniert ? Ist es nicht. Nicht alle Füchse tun das und verenden in der Falle.
    Und jetzt kommt ein Mensch und behauptet wir sind determiniert. Wir sind es auch nicht, .(auf das Individuum bezogen)
    Auf alle bezogen verhalten sich die Menschen, die Menschheit , ähnlich. Es zeichnet sich ein Verhaltensmuster ab. Das kann man als teleologisch ansehen.

  329. “Naturgesetze haben nichts mit Teleologie zu tun.
    Können Sie für Ihre Behauptung ein Beispiel nennen?

    „Die Teleologie ist unfruchtbar und gebiert nichts, gleich einer gottgeweihten Jungfrau.“

    Ludwig Feuerbach (1804-1872)”

    Jetzt noch ein Autoritäts”argument” sie beeindrucken mich immer mehr……..

    Aber mal los: Wie würden sie bei meinem göttlichen Billardspieler Gedankenexperiment als Naturwissenschaftler herausbekommen ob es sich um Teleologie oder eine (zufällige) Kausalkette handelt. Geben sie es doch bitte auf es ist offensichtlich das sich Teleologie und Kausalität nicht auschließen.

  330. @anton reutlinger / 07.03.2021, 11:15 Uhr

    » Die einzige Teleologie im Naturalismus ist das Maximum der Entropie. «

    Ich bin ja nun kein großer Kenner des Naturalismus, aber ist es nicht so, dass der Mensch, der ja zweifellos ein Teil der Natur ist, sich durchaus zielgerichtet und zweckmäßig, also teleologisch verhalten kann?

    Daher kommt doch das ganze Missverständnis: So wie der Mensch Dinge schaffen kann, so hat der Schöpfer den Menschen geschaffen. Und fertig ist die Kiste…

  331. @Johannes
    Kausalität ist ein empirisch begründetes, allgemein gültiges Postulat der Naturwissenschaft. Teleologie ist reine Phantasie.

    Teleology, as a device of the understanding, tells us more about how the mind works than about how the world works.

    Matthew Ratcliffe (*1973), brit. Wissenschaftsphilosoph

  332. @ Balanus 07.03.2021, 10:11 Uhr

    Zitat: “Es kann in Bezug auf das Evolutionsgeschehen eben nicht beides zugleich wahr sein: Ziellosigkeit und Zielgerichtetheit.

    Grob verkürzt: Der Atheist/Naturalist behauptet die Ziellosigkeit, der Gläubige behauptet die Zielgerichtetheit, und der Agnostiker hat dazu keine Meinung bzw. hält beides für möglich.“

    Ich habe andere Argumente in diesem Zusammenhang gehört.

    Ein Theologe hat einmal behauptet, Gott könne prinzipiell jedes Werkzeug „bauen“ und beim unaufhörlichen „Schöpfungsgeschehen verwenden“. Keiner könne ihn „zwingen“, auf Zufall beruhende Mechanismus zu verzichten. Auch derartige „Maschinen“ können sehr wohl „intelligent designet“ sein.

    Elektroniker „bauen“ Zufallsgeneratoren, die „Zufallsvariablen“ generieren. Aus Sicht der Mathematiker können diese Variablen, die für Laien immer „zufällig“ scheinen, fast absolut „zufällig“ bis „determiniert“ sein. Es hängt von den genutzten Steuerungsmechanismen ab.

    Beide „Typen“ derartiger Zufallsgeneratoren, mit allen Zwischenstufen, können nebeneinander und gleichzeitig in den verschiedenen Systemen wirken. Man kann das an elektronischen Schaltungen, deren Funktion man genau kennt, nachvollziehbar machen. (Darauf bin ich in einem früheren an „Mussi“ gerichteten Beitrag eingegangen.)

    Ich würde sogar davon ausgehen, dass man DNA als eine Art von Teil einer riesigen „Zählerkette“ betrachten kann, auf der jeweils ein Zählerstand, sozusagen von 0 in Richtung Unendlich (also Ziel gerichtet) „abgebildet“ ist. Bei der Genexpression wird dieser individuelle „Zählerstand“ ausgewertet und weitgehend abhängig von der DNA, und den Expressionsmechanismen die verschiedenen Lebewesen „produziert“.

    An den „niedrigsten Stellen“ dieser „Zählerkette“ stehen sozusagen die Pflanzen, Mikroben, auf den höheren Stellen die nötigen Zufallsvariablen, die z.B. Tiere und Menschen (in den verschiedenen nur mehr relativ geringen Variationen) „generieren“ können.

  333. @Balanus
    Zweifellos kann sich der Mensch zielgerichtet verhalten, in den engen Grenzen seines Körpers und Geistes. Das ist eine Eigenschaft des kognitiven Bewusstseins, nicht aber seiner rein biologischen Eigenschaften. Diese Form von Teleologie ist auf das individuelle, irdische Leben begrenzt. Die theistische Teleologie geht darüber weit hinaus.

  334. “Kausalität ist ein empirisch begründetes, allgemein gültiges Postulat der Naturwissenschaft.”

    Ja

    “Teleologie ist reine Phantasie.”

    Können sie gerne weiter Behaupten wird dadurch auch nicht wahr.

    “Teleology, as a device of the understanding, tells us more about how the mind works than about how the world works.

    Matthew Ratcliffe (*1973), brit. Wissenschaftsphilosoph”

    Und noch ein Autoritäts”argument” wird ihnen das nicht langsam peinlich?

  335. @hwied

    ““Ich bezeichne den Zufall aber nicht als Gott.”
    Das ist vernünftig. Gott auf einen Begriff zu reduzieren, das ist in sich falsch.
    Gott ist nicht einmal das Objekt unserer Anschauung.”

    Nein ich bezeichne den Zufall nicht als Gott weil ich eben (im Konsens mit vielen und Dissenz mit wenigen Theisten) davon ausgehe das es keine Zufälle gibt sonder alles nach dem Willen eines (personal gedachten) Gottes abläuft.

    Streng genommen müsste man den Begriff “Zufall” neu definieren (er bedeutet einfach “nicht berechenbar”) , Naturalisten definieren ihn halt oft als “nicht gewollt”.

    Klar hat man damit das Theodizee Problem verschärft ( Corona ist dann gottgewollt) aber damit habe ich keine Probleme.

    Andere Theisten wollen Gott ein bischen aus der Schusslinie nehmen indem sie proklamieren das Gott die Schöpfung in die Freiheit entlassen hat (was absurd ist wie soll unbelebte Materie, Pflanzen und Tiere frei sein) und damit nicht mehr verantwortlich ist (was ebenfalls absurd ist weil er ja die Verantwortung für die ausgelöste kausalkette trägt)

  336. Johannes,
    es gibt keine Zufälle. Das ist schon einmal eine klare Aussage. Vor einem Jahrzehnt gab es einmal eine Statistik , wie die Deutschen über Determiniertheit und Zufall denken.
    Dabei verlief die Grenze quer durch Europa und quer durch Deutschland. Südlich der Grenze denken die Menschen , es gibt keinen Zufall , alles ist festgelegt. Nördlich der Grenze denken die Menschen , sie haben die Freiheit und es gibt den Zufall.

    Meiner Meinung nach gibt es den Zufall, sonst gäbe es keine Freiheit, und es gibt die Determiniertheit als die Einflussnahme eines Gottes.
    Beides widerspricht sich nicht. Vielleicht liegt die Entscheidung darüber sogar in unserer Hand.
    Wenn der Christ betet, „dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden“.
    Und wenn wir das ganz bewusst so wollen, dann legen wir unser Schicksal in Gottes Hand.

  337. @anton reutlinger / 07.03.2021, 12:14 Uhr

    »Kausalität ist ein empirisch begründetes, allgemein gültiges Postulat der Naturwissenschaft.«

    Nein. Ganz im Gegenteil. Empirisch lässt sich jedoch recht leicht herausfinden, dass gerade in der Physik `Ursache‘ nirgendwo als ein theoretischer Begriff definiert wird. Und das aus gutem Grund.

    The reason why physics has ceased to look for causes is that, in fact, there are no such things. The law of causality, I believe, like much that passes muster among philosophers, is a relic of a bygone age, surviving, like the monarchy, only because it is erroneously supposed to do no harm.
    —Bertrand Russell

  338. @Johannes
    Und noch ein Autoritäts”argument” wird ihnen das nicht langsam peinlich?

    Da unterscheiden wir uns eben. Ich nehme solche Zitate als Literaturhinweis gerne an, sofern sie den Diskurs bereichern, egal ob ich zustimme oder nicht. Oftmals schaue ich mir die Quelle oder den Autor dann näher an. Aber Leute wie Sie sind zufrieden mit ihrem Kenntnisstand und wollen ihr Weltbild nicht infrage stellen lassen.

  339. “Meiner Meinung nach gibt es den Zufall, sonst gäbe es keine Freiheit, und es gibt die Determiniertheit als die Einflussnahme eines Gottes.”

    Damit der Mensch (Willens)frei ist braucht es keinen Zufall. An die Willensfreiheit glaube ich auch. Aber unbelebte Materie kann nicht “frei” sein sondern nur determiniert. Und Tiere und Pflanzen können auch nicht frei sein.

  340. @Elektroniker / 07.03.2021, 12:18 Uhr

    »Ich habe andere Argumente in diesem Zusammenhang gehört.
    Ein Theologe hat einmal behauptet, Gott könne prinzipiell jedes Werkzeug „bauen“ und beim unaufhörlichen „Schöpfungsgeschehen verwenden“. Keiner könne ihn „zwingen“, auf Zufall beruhende Mechanismus zu verzichten.
    «

    Klar kann er das, Gott kann alles und weiß alles. Nur gütig und liebevoll den Menschen zugewandt ist er halt nicht (weshalb es riskant sein kann, nicht an ihn zu glauben).

    » Beide „Typen“ derartiger Zufallsgeneratoren, mit allen Zwischenstufen, können nebeneinander und gleichzeitig in den verschiedenen Systemen wirken. «

    Der Zufall, von dem hier, also z.B. bei der Evolution oder in der Quantenphysik, die Rede ist, der würde sich eventuell darin zeigen, dass die Maschine plötzlich ihren Dienst versagt, weil ein Quantenereignis zum Funktionsausfall eines elektronischen Bauteils geführt hat.

  341. @ ar

    “Da unterscheiden wir uns eben. ”

    Sie zitieren Meinungsäußerungen von berühmten Menschen oder das was sie dafür halten die einfach nur (übrigens jedes mal ohne Argumente) ihre Meinung “bestätigen” Wie soll das einen Diskurs bereichern?

    “Aber Leute wie Sie sind zufrieden mit ihrem Kenntnisstand und wollen ihr Weltbild nicht infrage stellen lassen”

    Glauben sie das subtile Beleidigungen ihre inzwischen vollkommen Argumentationslosen Beiträge (streng genommen widerholen sie ja nur wie eine kaputte Schallplatte immer das gleiche) irgendwie zu Tatsachen hochhypen?

    Ach ja noch mal die Frage:
    Wie würden sie bei meinem göttlichen Billardspieler Gedankenexperiment als Naturwissenschaftler herausbekommen ob es sich um Teleologie oder eine (zufällige) Kausalkette handelt. Geben sie es doch bitte auf es ist offensichtlich das sich Teleologie und Kausalität nicht auschließen.

  342. @Johannes
    streng genommen widerholen sie ja nur wie eine kaputte Schallplatte immer das gleiche

    Das ist doch die Domäne der Theologen, die seit über 2000 Jahren immer dieselben unbeweisbaren oder falschen Behauptungen wiederholen. An der Behauptung, dass die Erde sich um die Sonne dreht, wird sich bis auf weiteres nichts ändern. Naturalisten korrigieren aber ihre Meinung, wenn sie sich als falsch erweist.

  343. @Chrys
    Wenn Kausalität weder empirisch noch theoretisch begründet ist, was ist sie dann? Die philosophische Diskussion um Kausalität oder das Kausalprinzip ist bis heute nicht abgeschlossen. Das Verständnis von Kausalität beginnt jedoch schon im Kleinkindalter.

  344. “Das ist doch die Domäne der Theologen, ”

    Und das nächste fettnäpfchen, kleiner Tipp: Es könnte sein das Theologen und SIE wie eine kaputte Schallplatte immer das gleiche wiederholen.
    Auf welcher Schule haben sie Argumentieren gelernt?

    “Naturalisten korrigieren aber ihre Meinung, wenn sie sich als falsch erweist.”

    Ich habe ihre Behauptung “Teleologie und Kausalität schließen sich aus” mit sehr guten Argumenten wiederlegt. Von ihnen kamen Argumentationslose Zitate, die wiederlegte Behauptung wurde wiederholt, ich wurde beschimpft und Theologen wurden beschimpft. In Anbetracht ist das

    “Naturalisten korrigieren aber ihre Meinung, wenn sie sich als falsch erweist.”

    eine unfassbar komische Aussage von ihnen. Sind sie Komiker?

  345. Reutlinger,
    Die Chaostheorie geht davon aus, dass es einen Zufall gibt. Er ist der Beginn einer Kausalkette. Nehmen Sie nur mal einen Gleichgewichtszustand. Nach welcher Seite fällt die Kugel. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung liefert ein Ergebnis. Aber nur im statistischen Sinn. Nicht für eine konkrete Situation. Beim Beginn einer Kausalkette ist eben die Unbestimmtheit der Ausgangspunkt. Ergo, der Zufall ist immanent.

  346. @all

    kommt mal alle wieder runter (ja, freches Geduze). Sich gegenseitig persönliche Phantasien oder naturalistische wie religiöse Glaubensbekenntnisse um die Ohren zu hauen ist ja kein Argumentieren.

    “Das ist so” ist noch kein Argument.

    Immer daran denken: “Wer behauptet, der belegt!”

  347. @Johannes
    Sie haben gar nichts bewiesen, Sie überschätzen sich nur. Kausalität und Teleologie sind unvereinbar, das hat die Physik bewiesen. Allein schon die Quantelung von Energie macht Teleologie physikalisch unmöglich.

  348. @ Balanus 07.03.2021, 13:26 Uhr

    Zitat: „Klar kann er das, Gott kann alles und weiß alles. Nur gütig und liebevoll den Menschen zugewandt ist er halt nicht (weshalb es riskant sein kann, nicht an ihn zu glauben).

    Der Zufall, von dem hier, also z.B. bei der Evolution oder in der Quantenphysik, die Rede ist, der würde sich eventuell darin zeigen, dass die Maschine plötzlich ihren Dienst versagt, weil ein Quantenereignis zum Funktionsausfall eines elektronischen Bauteils geführt hat.“

    „Gütig und liebevoll“ sind letztlich mehr oder weniger sinnvolle willkürliche Attribute. Menschen haben sozusagen „Softwarefunktionen“ im Gehirn eingebaut, die es uns ermöglichen Gefahren zu entgehen. So wie neue Autos „Schutzengerlfunktionen“ eingebaut haben, die z.B. Fußgänger automatisch davor schützen sollen, angefahren zu werden.

    Ihren quantenphysikalischen „Zufall“ gibt es selbstverständlich auch. Er erhöht den mathematischen Grad an Zufälligkeit.

    Dieser Zufall dürfte eher nicht „zielgerichtet“ sein. Ich kenne jedenfalls den „dahinter stehenden“ Entstehungsmechanismus des „Quantenzufalls“ nicht, allerdings kenne ich den einfachen Mechanismus einer elektronischen Zufallsgeneratorschaltung sehr wohl.

    Wesentlich ist, dass eine „Zufallsgenerator Maschinerie“ systematisch in sehr schneller Folge und auch noch dazu parallel und baumartig, eine sehr große Zahl an weiteren derartigen „Maschinen“ generieren kann, sozusagen die „Kambrische Explosion“ verursachen konnte. Nach den primitiven, nur Mutation nutzenden Maschinen, kamen die schnellen, hoch systematisch Zufallsvariable generierenden, sich fortpflanzenden Zufallsgenerator Maschinerien, die vom Gencode gesteuert werden.

    Es scheint, dass besonders die Elektronik auf viele Mechanismen gestoßen ist, auf die die Evolution gemäß dem „Intelligent Design“ schon längst „gekommen“ ist. Die natürliche Selektion erfolgt stets erst im Nachhinein, so wie ein Metzger erst zugrunde geht, wenn er stinkende Würste verkauft hat….

  349. @anton reutlinger / 07.03.2021, 13:50 Uhr

    Kausalität ist eher eine vorwissenschaftliche Heuristik, die als regulatives Prinzip für den Alltag ganz brauchbar ist, die sich jedoch trotz aller Bemühungen (seit Aristoteles) nicht als ein rigoroses wissenschaftl. Konzept hat formulieren lassen.

    John Norton hat an einem einfachen Beispiel demonstriert, dass die Axiome der klassischen Mechanik “unverursachte” Vorgänge keineswegs ausschliessen. Und Nicholas Rescher hat im Kontext von Markov Ketten ein Beispiel für ein `Discrete State System‘ angegeben, wo zwar alle Ereignisse deterministisch (d.h nicht zufällig) sind, aber kein einziges “verursacht” ist.

    Ja, es lassen sich wohl noch einige Philosophen finden, die “physikalische” Kausalität quasi als ökologische Nische für sich entdeckt haben. Will man Philosophie betreiben, muss man gelegentlich was schreiben — nach diesem Motte wird in der Philosophie aus Mangel an intellektueller Originalität ja immer wieder mal ein alter Käse ausgegraben und erneut durchgekaut. Dass da noch irgendwo ein Genieblitz einschlägt, ist nicht zu erwarten.

    “Kausales Denken” wirft letztlich mehr Licht auf die Gewohnheiten unseres Denkens als auf die Gegenstände, über die dabei irgendwas gedacht wird. Nietzsche hat das Rätsel der Kausalität meines Erachtens schon treffend auf den Punkt gebracht: “Ich bemerke etwas und suche nach einem Grund dafür.” That’s it.

  350. @Chrys // 07.03.2021, 15:37 Uhr

    » Nietzsche […]:“Ich bemerke etwas und suche nach einem Grund dafür.” «

    Und werde Gottseidank hinreichend oft fündig. Denn das hilft mir, zu überleben.

  351. @Balanus 07.03. 10:11

    „Es kann in Bezug auf das Evolutionsgeschehen eben nicht beides zugleich wahr sein: Ziellosigkeit und Zielgerichtetheit.“

    Selbstverständlich geht beides. In der Regel sind die Mutationen rein zufällig, und produzieren schon für sich dennoch jede Menge Fortschritt. Nur wenn das nicht reicht, gibt es hier speziellen Handlungsbedarf. Wenn der Geist, der für diesen Planeten zuständig ist, jetzt akut ein virulenteres Coronavirus braucht, dann kann er mal eine zielführende Ausnahme machen.

    Und auch darin kann er nur auf dem vorhandenem Virus aufbauen, hier werden nicht ganze Sequenzen editiert, wie die Biologen das heutzutage im Labor schon können.

    Die Ziellosigkeit ist in der Evolution der Standard, die Zielgerichtetheit kommt nur bei Bedarf dazu. Zumindest bei akut nutzbaren Coronaviren. Ob der Mensch das Ergebnis einer sehr langfristigen geistigen Strategie ist, ist nochmal was Anderes. Zu dieser Strategie würde ich auch die grundsätzliche Konfiguration der Naturgesetze zählen, und vielleicht auch die astronomische und geologische Pflege unseres Planeten. Nicht nur die biologische Evolution.

    @hwied 07.03. 13:14

    „Meiner Meinung nach gibt es den Zufall, sonst gäbe es keine Freiheit, und es gibt die Determiniertheit als die Einflussnahme eines Gottes.“

    Eben, genau so sehe ich das auch. Das Prinzip Zufall innerhalb einer biologischen Regulation ist extrem erfolgreich, alle biologische Arten dieser Welt gehen daraus hervor. Die Evolution wirkt adaptiv. Zusätzlich kann Nachhilfe per göttlicher Einflussnahme gut dazu passen. Nach dem Motto, erstmal gucken was passiert, und dann sehen, was man noch mehr draus machen kann. Zum Beispiel die Qualität von Bewusstsein bei Menschen und Tieren verbessern.

    @Johannes 07.03. 13:22

    „Damit der Mensch (Willens)frei ist braucht es keinen Zufall.“

    Ich denke die Willensfreiheit ist eher eine Systemeigenschaft unseres Nervensystems, in dem Sinne, dass wir gemäß unserem Wissen versuchen unsere Ziele zu erreichen. Die Zufallseffekte in unserem Nervensystem gehören wohl zur Funktionalität dazu. Wenn hier jetzt wiederum gezielte Zufälle dazu kommen oder nicht, ist das nicht eine Frage unserer Willensfreiheit. Hier gesellen sich dann einfach göttliche Zusätze dazu. Z.B. in Form von Inspirationen.

    „Aber unbelebte Materie kann nicht “frei” sein sondern nur determiniert. Und Tiere und Pflanzen können auch nicht frei sein.“

    Die Freiheit der unbelebten Materie ist sicherlich sinnlos. Ob Zufall oder Gezieltes, um frei zu sein muss man schon ein Lebewesen sein. Freie Steine machen keinen Sinn. Bei Tieren gibt es aber schon Ziele, und eine Freiheit, diese nach eigenem Vermögen zu erreichen zu versuchen. Das ist dann also Willensfreiheit. Und auch Bäume haben Wachstumsziele, die sie erfolgreich erreichen können, oder auch dabei scheitern können.

    Die Biologie und ihre Evolution ist schon ganz gut unterwegs. Ein naturalistischer Standpunkt ist da nachvollziehbar, wenn auch nicht alternativlos. Bzw. eher unvollständig als falsch.

  352. @Tobias Jeckenburger // 07.03.2021, 16:16 Uhr

    …..» „Es kann in Bezug auf das Evolutionsgeschehen eben nicht beides zugleich wahr sein: Ziellosigkeit und Zielgerichtetheit.“

    Selbstverständlich geht beides. «

    Ich hatte da schon die Evolution als Ganzes im Sinn (à la: Evolution von langer Hand geplant mit dem Ziel…), und nicht einzelne Ereignisse.

    (Wir müssen aufpassen, dass wir spirituelle Präferenzen nicht mit dem Erklärungs- und Begründungsanspruch mancher Theologen vermengen)

  353. @ar

    “Sie haben gar nichts bewiesen,”

    Solange sie nicht das Gedankenexperiment Billiardspieler wiederlegen betrachte ich das selbstverständlich als bewiesen. Da ist von ihnen ja nichts als heiße Luft gekommen.

  354. @Balanus / 07.03.2021, 09:55 Uhr

    »Aus welcher meiner Einlassungen schließt Du, dass ich diesbezüglich ein Problem hätte?«

    Okay, also kein Problem. Mal abgesehen davon, dass Du offenbar argwöhnisch bist, wenn Du ein »bloßes Lippenbekenntnis« zur Darwinschen Evolution seitens der kath. Lehre unterstellst.

    Als Biologe kannst Du es doch als Erfolg verbuchen, dass die kath. Kirche sich mit der Evolution arrangiert hat. “Katholischer Kreationismus” wäre demnach eine Form von Häresie. Und Religionslehrer sind ja keine gewöhnlichen Gläubigen. Dass die einfach so ihre unorthodoxen Sichtweisen als vorgeblich kirchliche Lehrmeinung verbreiten dürften, ist nicht wohl nicht statthaft.

    Würde man Dir eine Zahlenfolge vorlegen, die irgendwo der Dezimaldarstellung der Eulerschen Zahl als längerer Abschnitt entnommen ist, was man Dir aber nicht sagt, dann würde Dir diese Sequenz als total zufällig erscheinen. Dass sie algorithmisch generiert worden ist, könntest Du nicht durch Hingucken erkennen. So, what is random? Wie sicher kannst Du Dir sein, dass etwas, das Du für rein zufällig hältst, nicht doch strikt regelhaft zustandekommt?

  355. @Johannes
    Bei Ihrem Billardspiel handelt es sich um zwei verschiedene Agenten: die Natur als Agent oder Urheber der Kausalkette und der bewusste Mensch mit dem Können und der Zielsetzung des Billardspielers. Das ist nicht vergleichbar und hat mit Teleologie nichts zu tun.

    Der Mensch nutzt die natürliche Kausalität für zielgerichtete Handlungen, weil er aus Erfahrung in die nahe Zukunft schauen kann. Das lernen schon Kleinkinder.

  356. Johannes
    “Kausalität ist ein empirisch begründetes, allgemein gültiges Postulat der Naturwissenschaft.”
    In der Quantenphysik gilt das nicht mehr. Hier gibt es nur noch eine statistische Wahrscheinlichkeit.
    Der radioaktive Zerfall von Uran ist ein praktisches Beispiel. Man weiß nicht, wann und wo das nächste Atom zerfallen wird.
    Das reicht doch wohl um dieses Postulat nur noch als eingeschränkt gültig anzusehen.
    Bei Steinen bin ich mir nicht mehr so sicher ob die einen Willen haben. Die liegen immer genau dort, wo man darüber stolpern kann. Der Volksmund nennt das “Tücke des Objekts”. (nur als Anregung)

  357. Herr Reutlinger,
    Sie wollen doch nicht die Berechenbarkeit von Personen als kausal bezeichnen.
    Wenn der Kleine weiß, wie man seine Mutter manipuliert, dann ist das auch nicht kausal.
    Dann wären ja alle Morde im Affekt als straffrei zu behandeln.

  358. @ar

    “Bei Ihrem Billardspiel handelt es sich um zwei verschiedene Agenten: die Natur als Agent oder Urheber der Kausalkette und der bewusste Mensch mit dem Können und der Zielsetzung des Billardspielers. Das ist nicht vergleichbar und hat mit Teleologie nichts zu tun.

    Der Mensch nutzt die natürliche Kausalität für zielgerichtete Handlungen, weil er aus Erfahrung in die nahe Zukunft schauen kann. Das lernen schon Kleinkinder.”

    “Teleologie (altgriechisch τέλος télos, Gen. τελέως teléōs ‚Zweck‘, ‚Ziel‘, ‚Ende‘ und λόγος lógos ‚Lehre‘) ist die Lehre, die beschreibt, dass Handlungen oder überhaupt Entwicklungsprozesse durchgängig zielorientiert ablaufen. ”

    Nun sie scheinen das Problem zu haben das sie Gedankenexperimente nicht richtig verstanden haben. bei Schrödingers Katze zum Beispiel ist nicht wirklich eine Katze in der Kiste.

    Sie können annehmen ,um ihnen das mal ganz einfach zu erklären bei einem Deistischen Welterschaffer (nennen wir ihn mal Gott) das ganze Universum wie bei einem Laplaceschen Dämon so berechnet worden ist das ich hier heute in meinem Wohnzimmer sitze. Das wäre in meinem Beispiel der Kö der auf die weiße Kugel trifft, die Schwarze 8 die eingelocht wird bin ich in meinem Wohnzimmer.
    Ich bin sowohl Kausal vom Urknall (Kö auf weiße Kugel) her verursacht (eine echt lange Kausalkette) als auch teleologisch gewollt. Und über mich geht die Kausalkette weiter wie sie Gott ja schon bei der Erschaffung vorausberechnet hat.

  359. Chrys, Johannes
    what is random ?
    Die Ziffernfolge von Pi oder e kann beides sein. Da wir nur 10 Ziffern haben kann man durch Kombinatorik ausrechnen wieviele Möglichkeiten es gibt. Die genannte Ziffernfolge ist auch dabei.
    Ob also etwas zufällig ist , lässt sich erst beurteilen wie die Umstände waren unter denen das Ergebnis zustande gekommen ist..
    Das Beispiel mit dem Billardspiel ist ein sehr gutes Beispiel. Der Billardspieler, dem es gelingt alle Bälle einzulochen, der ist selber erstaunt. Und damit sind wir beim Phänomen Wunder.

  360. @Neher: Belege

    Immer daran denken: “Wer behauptet, der belegt!”

    Na, das hört sich ja an wie ein Schnellkurs Zivilrecht.

    (Im Niederländischen reimt sich das übrigens sehr schön: Wie eist bewijst!)

  361. @Schleim: Niederländische Reime

    Ist wirklich eine sehr schöne Formulierung.

    Vielleicht ein sehr schneller Schnellkurs. Sollte natürlich kein Eingriff in ihr “Hausrecht” ein.

  362. @hwied

    Die Chaostheorie geht davon aus, dass es einen Zufall gibt. Er ist der Beginn einer Kausalkette.

    Das habe ich aber anders gelernt.
    Das Problem am Anfang der Kausalkette ist, dass ihre Anfangsbedingungen nicht exakt reproduzierbar sind. Daher ist das Ergebnis dieser Kausalkette nicht vorhersehbar, aber eben nicht zufällig.
    Ist eine Kausalkette länger, dann hat man es mit weiteren nicht exakt messbaren o. bekannten Störungen zu tun, die auch wenn sie klein sind das Endergebnis ggf. maßgeblich beeinflussen.
    Entsprechend erscheinen einem die Ergebnisse ggf. zufällig, sie sind es aber nicht, sondern die Messungen sind halt prinzipiell ungenau.

    Die Chaostheorie beschäftigt sich mit Systemen wo diese “Ungenauigkeiten” sichtbar werden.

    oder aus der Wiki:

    Anders als der Begriff Chaos in der Umgangssprache verwendet wird, befasst sich die Chaostheorie nicht mit Systemen, die dem Zufall unterliegen …

  363. @hwied

    Die Ziffernfolge von Pi oder e kann beides sein. Da wir nur 10 Ziffern haben kann man durch Kombinatorik ausrechnen wieviele Möglichkeiten es gibt.

    Kann man das? Wie geht das bei einer unendlichen Folge von Ziffern?

  364. einer,
    einer der sich auskennt! Bei Pi ging es nur um einen Ausschnitt einer Ziffernfolge.
    Grundsätzlich haben Sie Recht, für unendliche Ziffernfolgen gilt das nicht.

    Jetzt noch mal zur Chaostheorie. Einerseits nehmen Sie einen naturwissenschaftlichen Standpunkt ein, wo alles ,was behauptet wird auch bewiesen werden soll, und dann lässt man den Laplacschen Dämon munter gewähren und behauptet einfach, alles ist kausal. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter, in der Quantenphysik ist die strenge Kausalität aufgehoben, die Abhängigkeiten sind nur noch statistisch messbar.
    Beim Doppelspaltversuch braucht man mindestens einige hundert Punkte, bis sich ein Interferenzmuster abzeichnet. Welchen Spalt das nächste Photon nehmen wird, das ist gänzlich zufällig.

  365. @Chrys / 07.03.2021, 17:01 Uhr

    » So, what is random? Wie sicher kannst Du Dir sein, dass etwas, das Du für rein zufällig hältst, nicht doch strikt regelhaft zustandekommt?«

    Das entscheidet sich wohl im jeweiligen Kontext. Wie eine Zahlenfolge entstanden ist, ob etwa bei der Ziehung von Lottozahlen oder durch einen Algorithmus, das kann nur im Nachhinein durch detektivische Kleinarbeit geklärt werden, wenn überhaupt (man könnte auch sagen: mittels empirischer Methoden) .

    Aber auch Lottozahlen sieht man nicht an, ob sie durch eine regelgerechte Ziehung zustande gekommen sind oder durch Manipulation. Man könnte auch fragen, ob bei der Ziehung alles mit rechten Dingen zugegangen ist oder nicht. Womit wir wieder beim Thema wären.

    Bezogen auf das Evolutionsgeschehen:

    Das Zufallsereignis scheint mir das Ereignis zu sein, wo der Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften mit dem des religiösen Schöpfungsglaubens zusammenfällt. An dieser Stelle gibt es keine unterschiedlichen „Magisteria“, nur unterschiedliche Antworten. An der Zufallsfrage scheiden sich die Geister (Naturalist/Atheist, Theist, Spiritist, Agnostiker): Ja, Nein, Sowohl als auch, Weiß nicht.

    Will man an dieser Stelle die NOMA-Idee retten, dann bleibt m. E. nur noch die Möglichkeit, dass es zwei verschiedene Erklärungen für ein Ereignis geben kann, nämlich eine wissenschaftliche und eine unwissenschaftliche, denn die sind bekanntlich strikt voneinander getrennt.

  366. @hwied
    Sie verwechseln Kausalität mit kausaler Determiniertheit. Auch bei Zufallsereignissen ist eine Kausalität vorhanden, z.B. beim radioaktiven Zerfall. Die meisten Zufallsereignisse sind nicht echt zufällig, sondern nur komplex oder unberechenbar. Selbst der radioaktive Zerfall ist nicht vollständig zufällig, sonst wäre die Angabe einer Halbwertzeit nicht möglich.

    Das Interferenzmuster ist schon bei einem einzigen Teilchen gegeben. Das typische Muster wird jedoch nicht als solches sichtbar, weil die Intensität zu schwach ist, das ist erst bei mehreren Teilchen gegeben. Doppelspaltexperimente werden schon mit einzelnen Elektronen gemacht.

  367. a. Reutlinger
    Ich will mich einmal auf ihre Logik einlassen.
    Thermische Vorgänge lassen sich nicht im Einzelnen beobachten, laufen ihrer Vermutung nach determiniert ab. Das ist logisch.
    Wenn die Vorgänge bei Erwärmung determiniert ablaufen, dann müssten die Vorgänge bei Abkühlung genau die umgekehrte Folge zeigen. Und wenn wir Wasser also auf 0 Grad Celsius abkühlen dann gefriert das Wasser. Während das Wassers abkühlt machen wir mit einer High-Speed- Kamera Aufnahmen von der Oberfläche des Eises, das ein Muster zeigt.
    Wir wiederholen den Versuch 100 mal und vergleichen die Muster miteinander.
    Ob die jedesmal das gleiche Muster zeigen ?

  368. @hwied

    Wenn die Vorgänge bei Erwärmung determiniert ablaufen, dann müssten die Vorgänge bei Abkühlung genau die umgekehrte Folge zeigen.

    Nein, nur wenn man jegliche Störungen ausschließen könnte.

  369. @hwied
    Ich habe nirgends behauptet, dass thermische Vorgänge determiniert ablaufen. Gerade die Thermodynamik ist eine statistische Theorie, obgleich parallel dazu die kinetische Gastheorie existiert. Es kommt darauf, was man untersuchen will, das Verhalten von Gaswolken oder Gasteilchen.

    Das Thema ist insgesamt sehr komplex und kann nicht in einigen Zeilen behandelt werden. Das Kausalprinzip ist in der Physik als universell gültig akzeptiert. Aber seine Beziehungen zum Determinismus, zu Zufall und Wahrscheinlichkeit und vor allem zur Quantenphysik werden immer noch intensiv diskutiert.

    Eine Akausalität in der Welt wäre das Tor zur Beliebigkeit oder Chaos des Weltgeschehens.

  370. Reutlinger,
    eine Akausalität hat niemand behauptet, es geht nur noch um die strenge Determiniertheit. Um die geht es, es geht um das Denken, und dass dies nicht determiniert ist.

  371. @Schleim, Diskussion

    Wenn Diskussion misslingt … ich habe für mich etwas wieder gelernt.

    Es ist grundsätzlich bekannt, trotzdem geht’s manchmal daneben, zum Beispiel: Wenn man etwas sagt oder schreibt, ist nicht so wichtig, was man meint, sondern was der oder die andere versteht. Auch korrekte Beobachtungen führen nicht immer zu zutreffenden Folgerungen. Mit Zuspruch oder Zustimmung ist leichter umzugehen als mit Widerspruch oder Verneinung.

    Ich will das jetzt nicht weiter aufdröseln.

    Sie weisen in den Blog-Regeln darauf hin, dass Kommentare sich auf den jeweiligen Blogeintrag beziehen sollen. Ich hatte mir das vorgenommen und bisher nur unvollständig umgesetzt. Ich ergänze das jetzt.

  372. @hwied
    Die Indeterminiertheit des Denkens würde bedeuten, dass Sie über ein und dieselbe Sache in kleinen Zeitabständen verschieden denken würden. Oder es würde bedeuten, dass Sie ein Bild nicht wiedererkennen würden, wenn sie es nach kurzer Zeit wieder anschauen. Natürlich sind kleine Unbestimmtheiten möglich, aber die lebenswichtige Verlässlichkeit des Denkens wäre bei allgemeiner Indeterminiertheit wohl nicht gegeben. Das würde wahrscheinlich als mentale Störung diagnostiziert.

    Gewisse Unbestimmtheiten angesichts der Komplexität des Nervensystems haben mit physikalischem Indeterminismus nichts zu tun. Generell ist die Frage aber gerade deswegen nicht zu beantworten.

  373. Grundsätzliches: Zu den in Ihrem Blog dargestellten Themen kann ich meinerseits oft nur eine Meinung oder meine eigene Überzeugung nennen.
    Zu den 14 Punkten.

    1. Man braucht keinen Gott anzunehmen, um die Welt zu erklären; das wussten wir aber schon vorher (man denke an den berühmten Ausspruch des französischen Mathematikers Pierre-Simon Laplace im 18./19. Jahrhundert, die “Hypothese Gott” brauche er nicht).

    Sehe ich auch so.
    Beispielhaft hatte ich ein „Fenster-Problem“ benannt. Auch wenn die Beteiligten dort (noch) keine Erklärung für das Herausbrechen der Fenster hatten, ist nicht damit zu rechnen, dass man einen Gott für die Erklärung anzunehmen bräuchte.

    2. Was genau als befriedigende Erklärung gilt, führt hier zu weit; es ist eine eigene Forschungsfrage in der Wissenschaftstheorie. In unserer Diskussion kam häufig von naturalistischer Seite der Einwand, Phänomen X könne man naturwissenschaftlich – meist ist gemeint: physikalisch oder biologisch/evolutionär – erklären. Das Phänomen stelle also keinen Riss im naturalistischen Gefüge dar.

    In der Welt beobachtbare „Phänomene“ sind grundsätzlich erklärbar. Manchmal dauert es lange und manchmal erfordert es hohen Aufwand (für den man evtl. keinen „Sponsor“ findet und das Phänomen dann unerklärt belässt).

    3. Beispielsweise seien Menschen religiös, weil das einen evolutionären Vorteil (einen Überlebensvorteil) biete. Oft sind solche Erklärungen aber spekulativ und oberflächlich: Kann schon sein – muss aber nicht. Im dritten Teil hatte ich bereits darüber geschrieben, dass sich manche (viele?) wissenschaftliche Erklärungen beim näheren Betrachten als vorläufig erweisen. Von naturalistischer Seite sollte man konkretere Mindestanforderungen an wissenschaftliche Erklärungen formulieren; denn schon Popper wusste, dass eine Theorie, die alles Mögliche erklärt (etwa der Marxismus), eigentlich nichts erklärt.

    Zum ersten Satz: Sehe ich nicht ganz so. Eher in dem Sinne, dass Menschen, die religiös sind, deshalb (als Gruppe) einen Überlebensvorteil haben. Zum Beispiel, weil sie sich (tendenziell) aufmerksamer um ihren Nachwuchs kümmern, im Zusammenleben friedlicher und für die Alten fürsorglich sind. Über eine empirische Untersuchung dazu hat Herr Blume in seinem Blog „Natur des Glaubens“ berichtet – dabei auch über religiöse Gruppen, die keinen solchen Überlebensvorteil haben.

    Für einen Überlebensvorteil im genannten Sinne wären auch nicht-religiöse Regelungen geeignet.

    Zum Rest von 3… Aus meiner Sicht gehören zu einer wissenschaftlichen Erklärung auch die Grenzen: Unter welchen Randbedingungen oder Voraussetzungen wird etwas erklärt?

    4. Die Kernaussage des Naturalismus, alles Existierende lasse sich naturwissenschaftlich erklären, führt sonst zu einer unzulässigen Immunisierung und einem Verstoß gegen Poppers Falsifizierbarkeitskriterium: Denn entweder wird der Standard für eine wissenschaftliche Erklärung dann so abgeschwächt, dass die Aussage beliebig wird, oder man verspricht die gewünschte Erklärung für irgendwann in der Zukunft. (Hier denke man an Poppers beflügeltes Wort vom “Schuldscheinmaterialismus.”)

    Siehe 2.
    „Noch nicht erklärt“ bedeutet nicht zwingend „nicht erklärbar“.
    Kommt drauf an, für wie wichtig man die Erklärung des Existierenden erachtet und welchen Aufwand man dafür erbringen will.

    5. Religiöse und naturwissenschaftliche Aussagen können, doch müssen sich nicht zwingend widersprechen. Insofern hat die Mehrheit der Naturwissenschaftler Recht, die keinen (zwingenden) Konflikt oder sogar eine Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Religion und Wissenschaft sieht. Mehr braucht ein Gläubiger in dieser Diskussion erst einmal nicht zu zeigen; umgekehrt sollte ein Naturalist nicht so tun, als widerspreche Naturwissenschaft Religion schlechthin: Das ist falsch.

    Kommt drauf an.
    Es gibt religiöse Aussagen, die mit Naturwissenschaft nicht vereinbar sind, weil sie z.B. auf Telepathie, Telekinese, Teleportation usw. hinauslaufen würden. Das hatten andere Kommentatoren sorgfältig dargelegt.

    Die unter 5. genannte Mehrheit der Naturwissenschaftler wurde, wenn ich das richtig verstanden habe, aus einer Fragebogenaktion abgeleitet. Ich meine nicht, dass daraus „Recht haben“ folgt.

    6. Die Diskussion darüber, was die “Naturgesetze” genau ausschließen, hält an. (Ich verwende den Begriff in Anführungszeichen, da ich Gesetze für menschliche Konstrukte halte, die, in diesem Fall, Naturvorgänge und Naturkräfte formalisieren sollen.)

    Die Anführungszeichen bzw. deren Erläuterung sind für mich richtig.
    Aus meiner Sicht ist z.B. ausgeschlossen: Das Wiederbeleben eines Toten, auch wenn es manchmal möglich erscheint. In dem Fall war der wieder Lebende vorher nur vermeintlich gestorben. Das Weiterleben nach dem Tode (abgesehen von den anhaltenden Erinnerungen an einen Verstorbenen bei den Hinterbliebenen und das indirekte Weiterleben in Form von leiblichen Kindern). Ansonsten siehe 5.

    7. Im Zusammenhang damit wird mein Standpunkt deutlicher, dass man diese “Naturgesetze” schlicht anpassen würde, wenn man regelmäßig “Wunder” beobachten würde. Meines Wissens sind Wunderberichte, wie man sie in verschiedenen religiösen Traditionen findet, aber nicht nach wissenschaftlichen Kriterien bestätigt. Umgekehrt sollten Philosophen, die von “naturgesetzlicher (Un)Möglichkeit” sprechen, die Kriterien hierfür genau angeben, um keine leeren Worthülsen zu verbreiten.

    Für mich schwer zu beantworten.
    Aber statt „anpassen“ würde ich lieber „ergänzen“ oder „detaillieren“ sagen.

    8. Offen bleibt die Frage und geht hier auch zu sehr ins Detail, was überhaupt als “Wunder” angesehen werden könnte. (Auch hierzu gibt es eine reichhaltige philosophische Diskussion, z.B. beim Schotten David Hume.)

    Ich sehe die Natur insgesamt als Wunder an … aber das hilft hier nicht weiter. 😉
    Ansonsten: Ein (aus meiner Sicht unmögliches) Wunder wäre die Überwindung der Schwerkraft mit Gedankenkraft. Aber siehe dazu 5. und 6.

    9. In Anbetracht dieser Tatsachen scheint es mir nicht prinzipiell irrational, an etwas Göttliches zu glauben.

    Die Natur als Ganzes? Siehe 8.
    Wenn Sie mit „göttlich“ z.B. „allmächtig“, „allwissend“, „allgegenwärtig“ meinen, dann prinzipiell irrational. Es sei denn, Suggestion oder Autosuggestion wären nicht irrational.

    10. Diesen Glauben kann man aber nur für sich selbst individuell und nicht allgemeinverbindlich für alle begründen.

    Sehe ich auch so.

    11. Dogmatismus bringt die Diskussion nicht weiter und gilt es zu vermeiden. Insbesondere gefährdet Dogmatismus mit seiner Verabsolutierung das tolerante und friedliche Zusammenleben der Menschen.

    Sehe ich auch so.

    12. Aufgrund dieser Punkte scheint mir der Standpunkt des Agnostikers, wie im dritten Teil dieser Serie nach dem Biologen und Philosophen T. H. Huxley definiert, als der vernünftigste.

    Sehe ich nicht so.

    13. Im Detail bliebe zu klären, inwiefern sich dieser Standpunkt mit dem des Kritischen Rationalismus deckt. (Falls es jemanden interessiert.)

    Nicht dagegen.
    Nur wegen des Wortspiels bzw. der Begriffe: Rationale bzw. Irrationale Zahlen sind nicht vernünftige bzw. unvernünftige Zahlen. 😉

    14. Pragmatiker könnten einen Schritt weitergehen und aus praktischen Gründen an etwas Göttliches glauben. Das Argument hierfür lieferte außgerechnet ein Naturalist: Denn bestimmte religiöse Praktiken würden einen Überlebensvorteil bieten. In einer philosophischen Pattsituation könnte das den Ausschlag geben. Tatsächlich sehen wir nicht nur ein stetiges Zunehmen der Weltbevölkerung, sondern insbesondere auch der Anzahl der Gläubigen. Mein Ko-Blogger Michael Blume beschäftigte sich früher mit den praktischen Vorteilen von Religionen in seinem Blog Natur des Glaubens.

    Siehe 3.
    Und eine alltägliche Beobachtung: Im Straßenverkehr benehmen sich nicht alle Autofahrer vernünftig (z.B. durch Drängeln, Nicht-Einhalten des Mindestabstands, zu schnelles Fahren). Das ändert sich fast schlagartig, wenn in der Nähe ein Polizei-Auto zu sehen ist.
    Mögliche Folgerung: Wer sich beobachtet fühlt, achtet genauer auf Regelungen bzw. geht weniger Risiken ein. Entsprechendes könnte sich ergeben, wenn jemand an etwas allwissendes, allgegenwärtiges Göttliches glaubt.

    Genug für heute.

  374. Herr Reutlinger,
    Unser Denken ist determiniert, z.B. beim 1 x 1.
    Da kommt immer das gleiche Ergebnis, alles andere wäre ja fatal.
    Unser Denken ist nicht determiniert bei Schlussfolgerungen. Das weiß jeder Verkäufer, der uns einen TV verkaufen will. Schon 5 Minuten später haben wir unser Urteil revidiert und wir würden den TV nicht mehr kaufen.

  375. @Harald Andresen

    Entsprechendes könnte sich ergeben, wenn jemand an etwas allwissendes, allgegenwärtiges Göttliches glaubt.

    Da gab es schon Studien zu, eine besseres Benehmen der Gläubigen lässt sich statistisch nicht nachweisen.

  376. @hwied

    Unser Denken ist determiniert, z.B. beim 1 x 1.

    Unser Denken ist nicht determiniert bei Schlussfolgerungen.

    Aus 1×1 folgt 1 ist eine Schlussfolgerung.

    Das weiß jeder Verkäufer, der uns einen TV verkaufen will. Schon 5 Minuten später haben wir unser Urteil revidiert und wir würden den TV nicht mehr kaufen.

    Ich hoffe das Revidieren war nicht zufällig, sondern hatte sein Anlass in den Informationen vom Verkäufer .. ergo determiniert.

  377. Hallo Herr Andresen,

    Sie schreiben so ausführlich, das hat auch eine Antwort verdient.
    Grundsätzlich scheine ich die Tendenz herauszulesen, dass Gott für die Menschen die ultima ratio sei.
    Die meisten Gläubigen, die ich kenne ,betrachten Gott als eine Bereicherung, so wie ein Regenbogen, der die Welt nach dem Regen verzaubern kann.

    Die Religion muss auch nicht instrumentalisiert werden. Sie braucht keine Rechtfertigung. Sie ist da wie Sie da sind, oder wissen Sie warum Sie existieren ?

    Jetzt zu den Naturwissenschaften. Die haben ihr Aufgabengebiet, die Religion hat ihr Aufgabengebiet. Die kommen sich nicht ins Gehege.

    Jetzt zu den Wundern. Ein Pfarrer wird sich nicht über den Ereignishorizont eines Schwarzen Loches äußern. Der Physiker soll sich nicht zu einem Wunder äußern.
    „Ich sehe die Natur insgesamt als Wunder an … aber das hilft hier nicht weiter „

    Doch das hilft weiter, das schafft Respekt vor der Schöpfung und mehr wollen wir beide nicht.

  378. @Balanus 07.03. 16:31

    „Ich hatte da schon die Evolution als Ganzes im Sinn (à la: Evolution von langer Hand geplant mit dem Ziel…), und nicht einzelne Ereignisse.“

    Die gezielten Zufälle scheinen wirklich Ausnahmen zu sein, wirklich überwiegend ist hier Versuch und Irrtum die Hauptarbeitsweise der Evolution. Die Zeit geht in die hunderte von Jahrmillionen, die die Entwicklung ganzer Ökosysteme hat, und diese Zeiträume kann die Evolution dann auch nutzen. Alle Zwischenschritte sind für sich wieder eine ganze belebte Welt, hier ist womöglich der Weg sogar das Ziel.

    „Wir müssen aufpassen, dass wir spirituelle Präferenzen nicht mit dem Erklärungs- und Begründungsanspruch mancher Theologen vermengen.“

    Offenbar ist der Mensch sicherlich nicht das einzige Ziel in der Evolution, eine klare Linie bis hin zum Menschen ist wohl nicht durchgängig. Auch die Dinosaurier hatten ihren Lebenssinn, die ganze riesige Vielfalt des Lebens ist in allen Details wunderbar. Als Schöpfung oder nicht gesehen, das macht wohl weniger Unterschied als man denkt.

    Neben unserem eigenem Leben zu leben hat der Mensch allerdings das Potential, das irdische Leben mittels Raumfahrt im Kosmos zu verbreiten, aber offenbar hat sich die Evolution mit uns ganz schön Zeit gelassen. Hier ist eine Geduld zu beobachten, die imponierend ist. Und ob das die aktuelle Kultur überhaupt schafft, sich wirklich einen Rahmen zu geben, dass wir unsere Macht auch im Sinne des Lebens einsetzen, und nicht erstmal alles richtig zu Grunde nutzen, dass wird erst die Zukunft zeigen.

    Macht euch die Erde untertan und seid fruchtbar und mehret euch kann furchtbar enden.

    Die nichtmenschliche Biologie auf diesem Planeten ist nicht weniger lebenswert und in ihrer Existenz sinnvoll wie wir Menschen. Wir können nur mehr, und das sollten wir besser im Sinne des ganzen Lebens anwenden. So mitten drin auf diesem wunderbaren Planeten geht es uns dann spirituell gesehen auch selber viel besser.

    @Johannes 07.03. 17:25

    „Ich bin sowohl Kausal vom Urknall (Kö auf weiße Kugel) her verursacht (eine echt lange Kausalkette) als auch teleologisch gewollt. Und über mich geht die Kausalkette weiter wie sie Gott ja schon bei der Erschaffung vorausberechnet hat.“

    Ich denke nicht, dass unser Kosmos in allen Einzelheiten vorausgeplant ist. Vor allem, weil das gar nicht nötig ist. Die Evolution hat einfach genug Zeit, um alles in Ruhe mal auszuprobieren, und dann noch zu gucken, was man alles noch draus machen kann. Dass hier die Details mal geistig unterstützt sind, das braucht keinen detaillierten Weltplan. Und dass wir in unserem Bewusstsein eventuell eine Synthese mit dem kosmischem Geist eingehen, und somit selbst irgendwie im Geiste existieren, das braucht auch keinen Weltplan.

    Eine allgemeine Konfiguration der Naturgesetze kann da schon eher so gestaltet sein, dass Leben wie unseres auch physikalisch möglich ist. Das sieht allerdings sehr nach Plan aus.

    @hwied 08.03. 09:30

    „Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter, in der Quantenphysik ist die strenge Kausalität aufgehoben, die Abhängigkeiten sind nur noch statistisch messbar.“

    Eben, da kann auch Gott nur begrenzt planen.

    @Balanus 08.03. 10:55

    „Das Zufallsereignis scheint mir das Ereignis zu sein, wo der Gegenstandsbereich der Naturwissenschaften mit dem des religiösen Schöpfungsglaubens zusammenfällt. An dieser Stelle gibt es keine unterschiedlichen „Magisteria“, nur unterschiedliche Antworten. An der Zufallsfrage scheiden sich die Geister (Naturalist/Atheist, Theist, Spiritist, Agnostiker): Ja, Nein, Sowohl als auch, Weiß nicht.“

    Genau, und hier sind dann auch die persönlichen Lebenserfahrungen dafür maßgeblich, wie man dies persönlich einschätzt.

    @einer

    “”Wenn die Vorgänge bei Erwärmung determiniert ablaufen, dann müssten die Vorgänge bei Abkühlung genau die umgekehrte Folge zeigen.”
    Nein, nur wenn man jegliche Störungen ausschließen könnte.“

    Aber die Zufälle in der Quantenwelt sind doch schon Störungen, die sich ganz klar auswirken.

    @anton reutlinger 08.03. 13:10

    Eine Akausalität in der Welt wäre das Tor zur Beliebigkeit oder Chaos des Weltgeschehens.

    Zufall bringt doch auch Freiheit mit sich, und gezielter Zufall geistige Beteiligung, was nicht Chaos, sondern konkrete „göttliche“ Ordnung hinzufügt.

  379. @Jeckenburger
    Es gibt verschiedene Formen von Zufälligkeiten. Die meisten Zufälle sind nicht wirklich Zufälle, sondern beruhen auf hoher Komplexität oder mangelnder Berechenbarkeit. Viele Zufallsereignisse beziehen sich nur auf Zeit oder Ort oder sind begrenzt auf bestimmte Zahlbereiche, wie die Lottozahlen. Andere Ereignisse haben bestimmte Zustände als Vorbedingungen und werden durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst.

    Der Apfel am Baum wächst, bis sein Gewicht so groß wird wie die Haltekraft des Stengels. Dann fällt er zu einem zufällig erscheinenden Zeitpunkt vom Baum, weil ein Windstoß hinzukommt. Was ist daran Zufall und was ist physikalisch determiniert? Die Kausalitäten sind klar.

    “Gezielte Zufälle” sind meines Erachtens ein Widerspruch in sich, jedenfalls wenn sie nicht näher spezifiziert werden.

  380. @Stephan Schleim

    Wie war das mit den drei Fingern, wenn man auf jemanden zeigt?

    Ich habe genug Online-Diskussionserfahrung – und damit meine ich nicht nur die rund 22.000 Kommentare hier bei MENSCHEN-BILDER –, um zu wissen, dass solche emotionalen Äußerungen i.d.R. mehr über diejenigen aussagen, die sie tätigen.

    wenn ich nun auf der sachlichen Ebene bleiben sollte, müsste ich damit angeben, dass 22.000 Kommentare nicht unbedingt die Anzahl meiner Postings in der UseNet-Zeiten irgendwie erreichen würde.

    Auf der emotionalen Ebene würde ich sagen, dass Ihre emotionalen Äußerungen auch viel über Sie aussagen.

    Ich hatte mit Ihnen inhaltlich über Epigenetik oder auch das zentrale Dogma der Molekularbiologie diskutieren wollen. Sie meinten, ad personam gehen zu sollen. Inhaltlich kam nicht viel.

    Mit der Suchfunktion Ihres Browsers können Sie innerhalb einer Sekunde überprüfen, dass das gar nicht stimmen kann, weil der Name hier in der Diskussion zum ersten Mal auftaucht.

    https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/was-ist-naturalismus/#comment-50010

    Okay, war nicht dieser Film, aber Ihr Scilog. Aber inhaltlich und nachweislich habe ich Recht, Sie haben nur nicht gefunden, was Sie suchten. Aber okay, Sie scheinen das nicht gelesen zu haben, weil Sie sich auf aktuellen Scilogs beschränken.

    So gesehen hätte ich gleich verlinken sollen, mein Fehler.

  381. @Tobias Jeckenburger

    ‘Das Leben’ vs. ‘lebende Systeme’

    Selbsterhaltung mit Stoffwechsel, Reproduktionsfähigkeit und Evolutionsmöglichkeit.

    inzwischen werden solche Eigenschaften (übrigens auch Reifizierungen, falls man nicht aufpasst …) auch in Schulbüchern oft als Kennzeichen des Lebendigen bezeichnet. Meist erwähnt man auch noch Reizbarkeit, Bewegung (nicht Fortbewegung), vielleicht noch mehr. Müsste jetzt noch mal nachschauen, seit ich pensioniert bin, muss ich das nicht mehr unterrichten.

    Das Leben ist wohl nur einmal auf diesem Planeten entstanden,

    Das weiß niemand. Es könnten auch Protobionten entstanden sein, die wieder ausstarben, so dass es mehrfach zeitlich gesehen derartige Systeme gab und dazwischen keine.

    Jedenfalls ist alles irdische Leben miteinander verwandt, und entsprechend aus einem einzigen Ureinzeller entstanden. Zumindest ist das der Stand der Forschung, soweit mir das bekannt ist.

    Ich weiß, dass Darwin meinte, dass das die logische Konsequenz seiner Deszendenz-Lehre sei, er hielt sich aber immer bedeckt, weil er nicht wusste, dass es Chemosynthese gibt. Als guter Ökologe war ihm klar, dass diese Wesen sich von etwas ernähren mussten, und wenn die sich nur untereinander aufgefressen hätte, wäre das nicht gut gegangen.

    Meines Wissens geht man inzwischen davon aus, dass es so etwas wie einen gemeinsamen Vorfahren (LUCA, cenancestor) aller heutigen Lebewesen gab. Aber genauso, wie alle heutigen Menschen Nachfahren einer Linie sind, obwohl es ‘damals’ mehrere Menschen-Arten gab, könnten lebende Systeme auch mehrfach und zeitlich nacheinander entstanden sein. Wir kennen nur noch die erfolgreichen …

    Diese Komplexität und diese Einmaligkeit ist für mich ein gutes Argument, hier eine komplette eigene Kategorie für DAS irdische Leben aufzumachen.

    Das war nicht mein Punkt, wir sind uns eher einig, fraglich wird das bestenfalls, wenn man beispielsweise Maschinen betrachtet, die Fabriken bauen, die Maschinen bauen.

    Mein Punkt war, dass ‘Leben’ eine Reifzierung ist und man besser lebende Systeme sagen sollte. Eben weil man sonst Gefahr läuft, dass ‘die Sprache feiert’. Viele Diskussionen werden dadurch einfacher, weil sonst immer wieder von ‘toter Materie’ gesprochen wird, in die ‘Leben’ eingehaucht wird und man diese Fehlvorstellung erst ausräumen muss.

  382. @anton reutlinger

    Mendel: Beschreibung vs. Erklärung

    Mendel hatte das Glück, eine geeignete Pflanze für seine Experimente zu wählen.

    Ihnen muss ich das nicht erklären.

    Danke für das Vertrauen 🙂

    Vielleicht nicht unbedingt nur Glück, dass alle untersuchten Gene auf je einem Chromosom lagen, Mendel hatte viele Voruntersuchungen gemacht. Die Geschichte ging aber noch weiter, aber das ist nichts für das Thema dieses Threads

    Sie haben auf jeden Fall meinen Punkt gesehen:

    Das heißt verallgemeinert, man kann allein in Phänomenen Regelmäßigkeiten oder Gesetzmäßigkeiten entdecken, aber keine Kausalitäten. Die Entdeckung von Kausalitäten erfordert unabdingbar die Reduktion, bis auf eine universell gültige Ebene. Das kann physikalisch die atomare oder molekulare Ebene sein, bei Lebewesen die zelluläre oder organische Ebene.

    Genau das war mein Punkt. Für die kausale Erklärung der Mendelschen Regeln braucht man nur die Chromosomentheorie der Vererbung. Die Kopplungsgruppen widersprachen der 3. Mendelschen Regel, durch Analyse von Chromosomenbrüchen konnte man Gene kartieren. Diese Ebene ist vollkommen hinreichend für Kausalität der Mendelschen Regeln.

    DNA spielt diesbezüglich keine Rolle, genauso wenig wie der Weg vom Gen zum Phän. Man muss bei kausalen Erklärungen immer auf einer sinnvollen Seinsstufe bleiben.

  383. @ Tobias Jeckenburger

    “Ich denke nicht, dass unser Kosmos in allen Einzelheiten vorausgeplant ist. Vor allem, weil das gar nicht nötig ist. Die Evolution hat einfach genug Zeit, um alles in Ruhe mal auszuprobieren, und dann noch zu gucken, was man alles noch draus machen kann. Dass hier die Details mal geistig unterstützt sind, das braucht keinen detaillierten Weltplan. Und dass wir in unserem Bewusstsein eventuell eine Synthese mit dem kosmischem Geist eingehen, und somit selbst irgendwie im Geiste existieren, das braucht auch keinen Weltplan.

    Eine allgemeine Konfiguration der Naturgesetze kann da schon eher so gestaltet sein, dass Leben wie unseres auch physikalisch möglich ist. Das sieht allerdings sehr nach Plan aus.”

    Das denke ich alleine schon deswegen nicht weil ich an den freien Willen des Menschen glaube und den kann man (und auch Gott nicht) vorrausberechnen. Aber zumindest bis erstes Leben entstand war ja wirklich alles determiniert, das hätte ein (angenommener Gott) vorrausplanen (als Kausalkette) oder wenn es nicht geplant ist ein Laplacescher Dämon lückenlos vorrausberechnen können.

  384. @anton reutlinger 08.03. 15:37

    „Es gibt verschiedene Formen von Zufälligkeiten. Die meisten Zufälle sind nicht wirklich Zufälle, sondern beruhen auf hoher Komplexität oder mangelnder Berechenbarkeit.“

    Klar, das ist wohl meistens so. Diese Art Zufall ist vergleichbar mit mathematisch generierten Pseudozufallszahlen, die für viele Anwendungen in der Computertechnik genügen. Aber es gibt in der Computertechnik auch die analogen Zufallszahlen, die letztlich aus Quantenereignissen resultieren. Man hat jetzt aktuell mittels einer speziellen Laserinstallation und einer superschnellen 256-Pixelkamera eine Vorrichtung gebaut, die Terabytes von Zufallszahlen pro Sekunde produziert. Soviel braucht man aber meistens nicht.

    „“Gezielte Zufälle” sind meines Erachtens ein Widerspruch in sich, jedenfalls wenn sie nicht näher spezifiziert werden.“

    Wenn die Zusammenbrüche der Wellenfunktionen derartige analoge Zufallszahlen produzieren, dann kann man hoffen, dass diese ausnahmsweise vom kosmischem Geist auf die Zukunft hin gezielt sein können. Man braucht jetzt kaum technischen Aufwand dafür, eine analoge Fernsehkarte, sofern man noch eine hat, oder eine abgedunkelte Webcam dürften genügen. Wenn ich z.B. Computerkunst damit mache, die große Mengen an Zufallszahlen verwenden, muss ich jetzt noch darauf hoffen, dass der Kosmische Geist auch motiviert ist, meine Computerbilder zu verbessern. Zu erzwingen ist das wohl in keinem Fall. Aber es dürfte klar sein, dass das mit mathematisch generierten Pseudozufallszahlen wohl kaum funktionieren kann.

  385. @Tobias Jeckenburger / 08.03.2021, 14:51 Uhr

    » Offenbar ist der Mensch sicherlich nicht das einzige Ziel in der Evolution, eine klare Linie bis hin zum Menschen ist wohl nicht durchgängig. «

    Naturwissenschaftler, und in deren Gefolge Naturalisten, bestreiten, dass es ein Ziel gibt, überhaupt ein Ziel geben kann. Das geben die Evolutionsmechanismen, soweit bekannt, einfach nicht her.

    Man muss schon von übernatürlichen Eingriffen in den natürlichen Ablauf ausgehen, um hier von Zielen reden zu können. Kann man machen, aber dann bewegt man sich außerhalb wissenschaftlicher Erkenntnisse. Und dass sich daran jemals etwas ändern könnte, ist sehr unwahrscheinlich. Aber auch das ist kein Problem, glauben kann man, was man will, da gibt es keine Grenzen. Diese existieren nur für Naturwissenschaftler—und in deren Gefolge, natürlich auch für Naturalisten.

    » So mitten drin auf diesem wunderbaren Planeten geht es uns dann spirituell gesehen auch selber viel besser. «

    Gottseidank haben wir nicht als Ferkel das Licht der Welt erblickt…

  386. @Stephan Schleim

    Sorry, vergessen: meine Position

    dass Sie nur ausweichend auf meine aufrichtig gestellte und nachdrücklich wiederholte Frage antworten, was “Naturalismus” für Sie bedeutet.

    hmmm, ich habe eigentlich andere Themen angesprochen. Muss wohl überlesen haben, was Sie wiederholt nachfragten.

    Ich schrieb schon, dass ich einen emergentistischen Materialismus vertrete. Warum reicht das nicht?

    Aber okay, auch wenn für sie der Drops schon gelutscht ist, vielleicht für andere:

    Meine ‘Bibel’ ist

    Mahner, M.; Bunge, M. (2000) ‘Philosophische Grundlagen der Biologie’ Berlin; mult., Springer

    oder auch, ziemlich neu,

    Mahner, M. (2018) ‘Naturalismus. Die Metaphysik der Wissenschaft’ Aschaffenburg, Alibri

    Die Bücher stehen natürlich auch nur in irgendwelchen Regalen, tut mit leid, ich darf aus rechtlichen Gründen keine Scans ins Web stellen.

    Zentral sein dürfte aber im zweiten genannten Buch stehen, was auch ich unter ‘Naturalismus’ fassen möchte (S. 54):

    a. Ontologischer Realismus
    b. Gesetzmäßigkeitsprinzip
    c. Ex-nihilo-nihil-Prinzip
    d. Antezedenz- und Kausalitätsprinzip
    e. Kein-Psi-Postulat
    f. Keine-Übernatur-Prinzip.

    Reicht das als Charakterisierung?

  387. @Balanus

    Re-running the tape

    Naturwissenschaftler, und in deren Gefolge Naturalisten, bestreiten, dass es ein Ziel gibt, überhaupt ein Ziel geben kann. Das geben die Evolutionsmechanismen, soweit bekannt, einfach nicht her.

    Ich sehe das auch so, aber es gibt in der Geschichte der Evolutionsbiologie durchaus auch andere Meinungen (beispielsweise Orthogenesen oder auch theistische Evolution). Die Frage ist natürlich, was man unter ‘Ziel’ verstehen soll. Ganz plakativ kann man das mit ‘re-running the tape’ verdeutlichen: Würden, falls die Evolution neu gestartet würde, wieder Menschen (und die anderen Arten) entstehen?

    Stephen Jay Gould, der den Begriff ‘re-running the tape’ prägte, und vermutlich die meisten Evolutionsbiologen, würden davon ausgehen, dass das nicht der Fall ist, eben weil viele Kontingenzen auftreten. Wenn beispielsweise der Meteorit die Dinos nicht gekillt hätte, oder wenn in Afrika durch die Kontinentalverschiebung keine Savanne entstanden wäre, gäbe es nicht die großen Säuger und die Affen hätten nie den Urwald verlassen.

    Interessanterweise gibt es aber eine Gegenposition, die vor allem Simon Conway Morris vertritt. Er geht von ‘constraints’ aus, die so stark sind, dass Evolution zumindest prinzipiell immer gleich verlaufen würde. Conway Morris ist ein erstklassiger Paläobiologe und alles andere als ein Crackpot und es gibt durchaus Argumente.

    Warum gibt es im Spektrum der elektromagnetischen Strahlungen einen Bereich, den wir als ‘sichtbares Licht’ bezeichnen? Trivial, denn längerwellige Strahlung erzeugt nur Molekülschwingungen, kürzerwellige Bindungsbrüche. Nur Strahlung bestimmter Energie vermag Elektronen anzuregen, was die Basis des Sehvorgangs bildet. Es gibt viele andere Beispiele.

    Fraglich ist natürlich, ob die constraints so ‘eng’ sind, dass wieder Menschen entstehen würden. Ich sehe das nicht.

  388. @Balanus

    Evolution und Agnostizismus

    Es kann in Bezug auf das Evolutionsgeschehen eben nicht beides zugleich wahr sein: Ziellosigkeit und Zielgerichtetheit.

    Grob verkürzt: Der Atheist/Naturalist behauptet die Ziellosigkeit, der Gläubige behauptet die Zielgerichtetheit, und der Agnostiker hat dazu keine Meinung bzw. hält beides für möglich.

    Ich fürchte, dass Sie hier der Begriff ‘Agnostiker’ in einem etwas unkorrektem Sinn verwenden. Agnostizismus ist für mich nicht feiges 50:50, sondern ein evidenzbasiertes Urteil. Selbstverständlich kann man als Agnostiker eine Meinung haben, und die kann wohlbegründet sein. Auch “ich kann das nicht zu 100 Prozent wissen, aber alle Evidenz zeigt in Richtung …” ist Agnostizismus. Selbst wenn man beides für möglich hält, heißt das noch lange nicht, dass man beides für gleich plausibel hält.

    Oder sehe ich das falsch?

    Nur nebenbei, Dawkins, der sich auch als Agnostiker bezeichnet, wenn man ihn direkt fragt (aus dem selben Grund wie Russell, ich kann das bei Bedarf gerne zitieren), hat das in ‘The God Delusion’ in einem Kapitel mit dem Titel ‘The Poverty of Agnosticism’ versucht, deutlich zu machen. Eigentlich ein Treppenwitz, sich in einem Kapitel mit diesem Titel als Agnostiker zu outen.

    Aber vielleicht noch problematischer: Es gibt Autoren (beispielsweise Kenneth Miller), die behaupten, dass sich Gott im Quantenrauschen versteckt. Das bedeutet, dass Evolution für uns wie Zufall aussieht, aber dass auch ein Gott sie steuert. Nur nebenbei, Miller ist als römischer Katholik einer der profiliertesten Kämpfer gegen Intelligent Design und war auch der Hauptzeuge im Dover-Prozess. Es ist kein Zufall, dass sein Buch ‘Finding Darwin’s God’ von Naturalisten als Yin und Yang beschrieben wird (so lautet der Titel einer Rezension), eben auf der einen Seite aufrechte Argumentation gegen Intelligent Design, aber eben auf einer anderen Ebene dasselbe vertreten.

  389. @Thomas Waschke

    Meine ‘Bibel’ ist […] oder auch, ziemlich neu, Mahner, M. (2018) ‘Naturalismus. Die Metaphysik der Wissenschaft’ Aschaffenburg, Alibri

    tut mit leid, ich darf aus rechtlichen Gründen keine Scans ins Web stellen.

    Aus dem Vorwort werde ich zitieren dürfen. Martin Mahner schreibt dort:

    Ich danke Dr. Manfred Körkel und Thomas Waschke für hilfreiche Anmerkungen sowie kritische Fragen und Einwände, die zur Verbesserung des Textes geführt haben. Letzterer hat mich insbesondere beim Thema „Intelligent Design“ vor dem einen oder anderen Missverständnis bewahrt, sowie mir den Zugang zu einigen mir bislang unbekannten Literaturstellen ermöglicht.

    Die ‘Heilige Schrift’ ist demnach mit Ihrer Hilfe entstanden. Dafür Dank auch von meiner Seite. Auch wenn ich nach ausführlicher Exegese mir nicht alle Glaubensinhalte zu eigen machen werde.

    Eine der Mahner bislang unbekannten Literaturstellen, war das Sukopp?

    Sie sind mir (reuanmuc) seit vielen Jahren bekannt, als Kämpfer gegen Kreationismus und Antidarwinismus (@anton reutlinger)

    Nun kämpfen Sie hier für den Naturalismus. Dachte ich doch, es gäbe auf den Schlachtfeldern der Metaphysik keinen Blumentopf zu gewinnen (höchstens eine Sperre bei Michael Blumes Blog ‘Natur des Glaubens’). Lohnt sich ein Leben als Kämpfer?

  390. @Joker

    ach, noch vergessen:

    Bunge, M.; Mahner, M. (2004) ‘Über die Natur der Dinge’ Stuttgart, Hirzel

    Da stehe ich auch in der Danksagung.

    Vielleicht hätte ich in diesem Scilog unter Pseudo posten sollen, damit mir solche Peinlichkeiten nicht passieren. Als ‘Joker’ muss man wohl nicht befürchten, dass sich jemand bei ihm bedankt.

  391. @Thomas Waschke / 08.03.2021, 20:36 Uhr

    » Ich fürchte, dass Sie hier der Begriff ‘Agnostiker’ in einem etwas unkorrektem Sinn verwenden. «

    Ja, mag sein. Ich habe den Begriff hier bewusst so verwendet, wie ich meine, dass auch Stephan Schleim ihn verwendet hat, um seine Position zu verdeutlichen, und zwar in Bezug auf die Behauptung von der Existenz Gottes. Da dessen Existenz bzw. Nichtexistenz weder belegt noch widerlegt werden kann, scheint für ihn, wie für viele andere auch, der Agnostizismus die ideale Position zu sein—weil man nicht wissen kann, welche Behauptung zutrifft bzw. wahr ist.

    Ich selbst halte Huxleys Begriffsbestimmung, nämlich Agnostizismus als „Methode“, durchaus für nachahmenswert. Weil ich der Auffassung bin, dass sich unter Beachtung dieser Methode die Behauptung von der Existenz eines Gottes eigentlich von vorneherein verbieten müsste. Huxley: „Folge in Sachen des Intellekts so weit deiner Vernunft, wie sie dich tragen wird, ohne Rücksicht auf andere Überlegungen.“

    Aber gut, wie man sieht, kann man diese Existenzbehauptung auch für vernünftig halten. Dann geht es um die Frage, wie weit die Vernunft tragen kann.

  392. @Balanus

    Huxley und Agnostizismus

    Ich selbst halte Huxleys Begriffsbestimmung, nämlich Agnostizismus als „Methode“, durchaus für nachahmenswert. Weil ich der Auffassung bin, dass sich unter Beachtung dieser Methode die Behauptung von der Existenz eines Gottes eigentlich von vorneherein verbieten müsste. Huxley: „Folge in Sachen des Intellekts so weit deiner Vernunft, wie sie dich tragen wird, ohne Rücksicht auf andere Überlegungen.“

    Eher Wasser auf meine Mühlen, denn die Vernunft kann einen durchaus so weit tragen, eine Meinung begründet vertreten zu können, selbst wenn man sie nicht als absolut gültig erweisen kann.

    Ich habe mir noch nicht die Mühe gemacht, bei Huxley konkret nachzulesen, wie er begründet, was ‘Agnostizismus’ konkret bedeutet. Mir reichte bisher eine sekundäre Quelle:

    Continenza, B. (1999) ‘Darwin. Ein Leben für die Evolutionstheorie’ Heidelberg; Berlin; Oxford, Spektrum

    Den Begriff “Agnostizismus” prägte Julian [sic] Huxley, um diese spezielle Haltung gegenüber religiösen Fragen zu bezeichnen, die sich von jeder Art von “Gnosis” (religiöser Erkenntnis) distanzieren. In einer Abhandlung mit dem Titel ‘Agnostizismus’ schrieb Huxley 1889: “Als ich intellektuelle Reife erlangte und mich zu fragen begann, ob ich ein Atheist, ein Theist oder ein Pantheist, ein Materialist oder ein Idealist, ein Christ oder ein Freidenker sei, stellte ich fest, daß ich, je mehr ich lernte und reflektierte, desto weniger eine Antwort geben konnte, bis ich endlich zu dem Schluß gelangte, daß ich mich mit keiner von diesen Bezeichnungen identifizieren konnte, ausgenommen die letzte. Die einzige Sache, in der all die braven Leute übereinstimmten, war die Sache, in der ich mich von ihnen unterschied. Sie waren sich alle ziemlich sicher, eine bestimmte gnosis erworben zu haben – mehr oder weniger erfolgreich das Problem der Existenz gelöst zu haben, während ich ziemlich sicher war, es nicht gelöst zu haben und vielmehr sehr stark davon überzeugt war, daß dieses Problem unlösbar sei. Und mit Hume und Kant auf meiner Seite glaubte ich, auch nicht überheblich zu sein, wenn ich an meiner Meinung festhielt.” (S. 63)

    Okay, das Zitat ist schon etwas neuer, Huxley muss den Begriff viel früher geprägt haben, denn Darwin, der 1882 verstarb, hat ihn übernommen.

    Das würde aber eher nicht das hergeben, was ich oben geschrieben habe. Man müsste jetzt genauer prüfen, ob man aus ‘unlösbar’ ableiten sollte, ob man sich eines Urteils enthalten muss. Aber es ist ja auch nicht verboten, eine Idee kritisch weiter zu entwickeln. Vielleicht muss man dann aber dazu schreiben, wie man den Begriff verwendet, vielleicht nicht mehr so, wie es ein bestimmter Autor tat.

    Letztlich waren Aussage wie diese

    in Bezug auf die Behauptung von der Existenz Gottes. Da dessen Existenz bzw. Nichtexistenz weder belegt noch widerlegt werden kann, scheint für ihn, wie für viele andere auch, der Agnostizismus die ideale Position zu sein—weil man nicht wissen kann, welche Behauptung zutrifft bzw. wahr ist.

    für mich der Grund, Ignostiker zu werden. Es ist sinnleer, zu behaupten, dass die Existenz ‘Gottes’ weder belegt noch widerlegt werden kann, ohne präzise zu definieren, was man unter ‘Gott’ versteht.

    Wenn man unter ‘Gott’ die logische Ableitung versteht, die den ‘Gott der Philosophen’ auszeichnet, bin auch ich bereit, für 50:50 zu plädieren, denn hier gibt es keine Argumente mehr, außer, dass aus Sätzen über Sätze nichts über das Sein folgt, aber eben auch nicht, dass das Gefolgerte nicht folgt.

    Aber wenn jemand unter ‘Gott’ etwas in dem Sinn versteht, dass die Erde 6000 Jahre alt ist und eine weltumspannende Sintflut stattfand, geht man wohl nicht falsch, die Wahrscheinlichkeit mit praktisch Null zu bezeichnen.

    Andere Gottesbilder liegen dann wohl dazwischen.

  393. @Thomas Waschke 08.03. 20:36

    „Es gibt Autoren (beispielsweise Kenneth Miller), die behaupten, dass sich Gott im Quantenrauschen versteckt. Das bedeutet, dass Evolution für uns wie Zufall aussieht, aber dass auch ein Gott sie steuert.“

    So ähnlich stelle ich mir das auch vor. Meistens sind die Zufälle, die der Zusammenbruch der Wellenfunktionen produziert tatsächlich zufällig, können in Einzelfällen aber auch vom Kosmischen Geist gezielt sein. Das muss aber auch nötig sein, was schon rein zufallsmäßig ganz gut funktioniert, das läuft auch einfach mit dem ungezieltem Zufall.

    Diese Möglichkeit ist attraktiv, weil sie sozusagen minimalinvasiv ist, und die restliche Physik unangetastet lässt. Und reicht dennoch dafür, dass man die meisten spirituellen Erfahrung damit einordnen kann.

    Ich persönlich bin nicht mal Christ, und wenn Bibelgläubige meinen, dass die Welt 6000 Jahre alt ist, und Gott Mensch und Tier quasi am Stück erschaffen hat, dann kann ich da auch nur mit dem Kopf schütteln. Was soll man da machen? Aber eine geistlose Welt muss man nicht postulieren, um solchen Unsinn los zu werden. Hier müsste eigentlich Verstand, Redlichkeit und Authentizität reichen.

    @Johannes 08.03. 17:30

    „Aber zumindest bis erstes Leben entstand war ja wirklich alles determiniert, das hätte ein (angenommener Gott) vorrausplanen (als Kausalkette) oder wenn es nicht geplant ist ein Laplacescher Dämon lückenlos vorrausberechnen können.“

    Auch das brauchen wir jetzt nicht: In Zeiten wo es noch kein Leben gab, hatte Gott eben nicht konkretes am Quantenrauschen zu verbessern, ebenso auf anderen, leblosen Planeten wie auch sonst im Interplanetarem Raum. Das läuft dann alles frei nach Zufall. Determiniert wird es aber deswegen auch nicht. Auch rein zufälliges Quantenrauschen ist ein Element der Unberechenbarkeit, auch wenn es meistens keine makroskopischen Auswirkungen hat und sich einfach herausmittelt. Aber empfindliche nichtlineare Systeme können doch mit der Zeit auch auf Quantenrauschen makroskopisch reagieren.

    Von daher ist der Kosmos grundsätzlich nicht determiniert. Ich denke das Gott schon Pläne haben mag, die er aber doch erst in der aktuellen Gegenwart per gezieltem Quantenzufall in die Tat umsetzen muss. Von daher wäre Gott dann mit uns durch die Zeiten unterwegs, und ähnlich wie wir in der Reise der Gegenwart präsent. Improvisation wäre hier die Methode der Wahl. Den totalen Plan und die totale Kontrolle braucht es nicht, wenn die Dinge gut genug vorbereitet sind.

  394. @Tobias Jeckenburger

    Welt mit menschlichem Geist

    Aber eine geistlose Welt muss man nicht postulieren, um solchen Unsinn [Kurzzeit-Kreationismus, T.W.] los zu werden. Hier müsste eigentlich Verstand, Redlichkeit und Authentizität reichen.

    Auch als emergentistischer Materialist geht man von einer Welt mit Geist aus, aber eben nicht mit einem von der Funktion eines hinreichend komplexen Gehirns unabhängigen.

    Für mich als jemand, der sich sehr intensiv mit Evolutionsbiologie befasst hat, ist der Gedanke an eine Entität, die das steuert, grauenhaft. Die genialsten Einrichtungen in der Natur, die ich kenne, sind die Vermehrungszyklen von Parasiten, beispielsweise

    https://de.wikipedia.org/wiki/Kleiner_Leberegel

    Da opfert sich ein Mitglied einer Kohorte, um das Überleben des Rests zu ermöglichen, indem das Verhalten eines Tiers so manipuliert wird, dass es von einem Pflanzenfresser gefressen wird. Auf der einen Seite genial, aber nicht nett.

    Wenn so etwas ‘einfach so’ evolviert, okay, läuft dann unter ‘shit happens’. Aber wenn so etwas bewusst konstruiert wurde, schlimm. Nicht viel besser, falls so etwas zugelassen wurde. Mit so einer Entität möchte ich keine Ewigkeit zubringen, vor allem, weil ich nicht wüsste, dass dort weniger dilettiert wurde als hinieden.

    Diese Möglichkeit ist attraktiv, weil sie sozusagen minimalinvasiv ist, und die restliche Physik unangetastet lässt. Und reicht dennoch dafür, dass man die meisten spirituellen Erfahrung damit einordnen kann.

    So eine Position kann ich nicht nachvollziehen, sie ist nicht Fisch noch Fleisch. Warum sollte man die ‘restliche Physik’ nicht antasten? Das setzt doch falsche Prioritäten. Entweder, man ist Materialist. Dann lässt man den Substanzdualismus weg. Oder man ist es nicht. Warum sollte man dann einen Anspruch haben, die Physik möglichst wenig zu verletzen? Das bedeutet doch, dass man von einer Übernatur ausgeht, die extrem viel Wert darauf legt, nicht erkannt zu werden.

    Für mich macht das keinen Sinn.

  395. @ Tobias Jeckenburger

    “Auch das brauchen wir jetzt nicht: In Zeiten wo es noch kein Leben gab, hatte Gott eben nicht konkretes am Quantenrauschen zu verbessern, ebenso auf anderen, leblosen Planeten wie auch sonst im Interplanetarem Raum. Das läuft dann alles frei nach Zufall. Determiniert wird es aber deswegen auch nicht. Auch rein zufälliges Quantenrauschen ist ein Element der Unberechenbarkeit, auch wenn es meistens keine makroskopischen Auswirkungen hat und sich einfach herausmittelt. Aber empfindliche nichtlineare Systeme können doch mit der Zeit auch auf Quantenrauschen makroskopisch reagieren.”

    Prinzipiell glaube ich auch an einen kreativen Gott der sich in die Zeit begeben hat und mit der Schöpfung eher interagiert als alles kontrolliert, aber ich kann mir “Zufall” bei unbelebter Materie nicht vorstellen. Eben weil sie kausal determiniert ist ist das Universum ja berechenbar, Und das ziemlich genau. Die einzige nicht berechenbare Karte die Gott ins Spiel gepackt hat ist meiner Meinung nach der Mensch , damit hat er die Kontrolle über seine Schöpfung verloren , eben weil der Mensch frei ist.

  396. “Wenn so etwas ‘einfach so’ evolviert, okay, läuft dann unter ‘shit happens’. Aber wenn so etwas bewusst konstruiert wurde, schlimm. Nicht viel besser, falls so etwas zugelassen wurde. Mit so einer Entität möchte ich keine Ewigkeit zubringen, vor allem, weil ich nicht wüsste, dass dort weniger dilettiert wurde als hinieden.”

    Naja das ist halt die gute alte Theodizee Frage die ja seit ein paar Jahrhunderten diskutiert wird. Vorher war die Schuld Frage interessanter aber inzwischen ist es die Leidensfrage.

    Auf die gibt es natürlich eine ganze Menge Antwortmöglichkeiten, für immer noch die beste (und mich überzeugende) halte ich

    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_beste_aller_m%C3%B6glichen_Welten

    die beste aller möglichen Welten.

    Fast noch besser ist die vereinfachte Variante das Gott auch eine dunkle für den Menschen unverständliche Seite hat und wir die Erklärung für das Leiden krebskranker Kinder erst erfahren wenn wir gestorben sind.

    Da sind die Theisten auch nicht schlechter dran als die Atheisten/Agnostiker. Die haben ja auch keine Erklärung. “Pech gehabt” ist ja keine sondern einfach eine Form von “Weiß nicht warum”

  397. @Johannes

    Theodizee-Frage

    Auf die gibt es natürlich eine ganze Menge Antwortmöglichkeiten, für immer noch die beste (und mich überzeugende) halte ich

    https://de.wikipedia.org/wiki/Die_beste_aller_m%C3%B6glichen_Welten

    die beste aller möglichen Welten.

    nun ja, wenn Gott nicht mehr möglich ist …

    Da sind die Theisten auch nicht schlechter dran als die Atheisten/Agnostiker. Die haben ja auch keine Erklärung. “Pech gehabt” ist ja keine sondern einfach eine Form von “Weiß nicht warum”

    Warum sollte es eine Erklärung geben? Die Welt läuft, wie sie läuft, das Problem haben nur die Theisten.

    Die Theodizee-Problematik, nach Büchner der ‘Fels des Atheismus’, ist selbstgebastelt und entsteht, wie Sie ja auch angeführt haben, nur durch das Eigenschaften-Tupel allmächtig *und* allgütig. So kann man Gott beschreiben, muss es aber nicht. Kennen Sie das einschlägige Kapitel aus Klings ‘Känguru-Chroniken’? Falls nicht, kann ich es gerne verlinken. Dort wird diese ‘Lösung’ auch thematisiert.

  398. “Warum sollte es eine Erklärung geben? Die Welt läuft, wie sie läuft, das Problem haben nur die Theisten.”

    Naja wenn du mit dem Elternteil eines krebskranken oder gestorbenen Kindes zu tun hast hast du auch als Atheist das Problem das es keine Erklärung gibt. Die “warum ich” frage kannst du ja auch nicht beantworten.

  399. @Johannes

    Welche Antwort gibt es auf keine Frage?

    Naja wenn du mit dem Elternteil eines krebskranken oder gestorbenen Kindes zu tun hast hast du auch als Atheist das Problem das es keine Erklärung gibt. Die “warum ich” frage kannst du ja auch nicht beantworten.

    Natürlich nicht. Ich kann auch nicht beantworten, warum sich gerade diese Eizelle mit jenem Spermium verbunden hat. Warum sollte ich dann eine Erklärung für einen Krebstod suchen? Die Welt läuft, wie sie läuft. Die Fragen entstehen nur, wenn man meint, es müsse einen Sinn geben.

    Wenn man, wie Popper, davon ausgeht, dass die Welt den Sinn hat, den wir ihr geben, stellt sich das Problem nicht. Gegebenenfalls merkt man, dass die Welt kein Ponyhof ist und sich nicht darum schert, dass mein Wunsch nach meinem Sinn in Erfüllung geht.

  400. “Natürlich nicht. ”

    Eben. Da tun sich Atheisten und Theisten nichts. In so einem Fall nehmen beide zur Kenntnis das es Dinge gibt die sprachlos machen.

  401. @Johannes

    Was soll ‘Sprachlosigkeit’ bedeuten?

    Da tun sich Atheisten und Theisten nichts. In so einem Fall nehmen beide zur Kenntnis das es Dinge gibt die sprachlos machen.

    warum machen diese Dinge Atheisten sprachlos? Das ist doch, wie ich geschrieben habe, nur eins der vielen, vielen Dinge, die ‘einfach so’ passieren und eben, je nach Tönung, als ‘lucky’ oder ‘shit happens’ verbucht werden. Warum um alles in der Welt sollte so etwas sprachlos machen?

    Klar, so etwas wühlt emotional auf, aber ist sozusagen ‘eingepreist’. Darwin beispielsweise hat den Rest seines Glaubens durch den Tod seiner Lieblingstochter verloren. Das könnte man so interpretieren, dass sich seine Sprachlosigkeit so legte, denn nun hatte er das Problem nicht mehr.

    Der Theist hat, je nach Gottesbild, ein Riesen- bis immerhin ein Problem. Aber dessen Sprachlosigkeit entsteht angesichts einer geglaubten Offenbarung oder des konstruierten Gottesbildes.

    Ich kann beim besten Willen die von Ihnen konstruierte Gemeinsamkeit nicht erkennen.

  402. “warum machen diese Dinge Atheisten sprachlos? ”

    Weil ich hoffentlich davon ausgehe das sie einem Elternteil das grade ein Kinder verloren hat nicht sagen “Das Leben ist kein Pony Hof” und “Ist halt so Pech gehabt” sondern eben das machen was Menschen in solchen Situationen eben machen: Schweigen.

  403. Waschke , Johannes,

    Die Theodizee hat schon längst keine Bedeutung mehr seitdem ihre innere Logik entschlüsselt ist.
    Mit ihr soll ja bewiesen werden, dass es Gott nicht geben kann.
    Versuchsweise probiere ich das mit einem Dackel, der sinnigerweise Theo heißt.
    (schon etwas älter )

    Die Logik ist notwendig zur Erklärung der Welt , aber sie ist nicht hinreichend. Um ihnen die Grenzen des logischen Denkens aufzuzeigen, lasse ich jetzt mal einen Dackel verschwinden.

    Unser Nachbarshund heißt Theo. Gestern hat er meine Frau angesprungen und ihr einen Fleck in die Hose gemacht. Heute werde ich ihn zur Strafe verschwinden lassen.

    1. Theo ist unser Nachbarshund.
    2. Theo ist in der Lage einen Einbruch zu verhindern.
    3. Theo ist auch willig einen Einbruch zu verhindern.
    4. Theo ist manchmal unfähig, weil er zu viel gefressen hat.
    5. Theo ist manchmal bösartig
    6. Theo ist aber meistens gut und verhindert Böses.

    Behauptung: Wenn Theo in der Lage und willig ist, Böses zu verhindern, dann verhindert er es.
    Wenn Theo existiert, dann ist er weder bösartig noch unfähig. Diese Schlussfolgerung ist wichtig

    Im folgenden Beweis, werde ich Theo verschwinden lassen, indem ich ich Aussagen negiere.

    7 Wenn Theo nicht in der Lage ist den Einbruch zu verhindern, dann ist er unfähig.
    8 Wenn Theo den Einbruch nicht verhindern will, dann ist er bösartig.
    9 Theo verhindert nicht das Böse.!
    Theo ist also entweder nicht in der Lage oder nicht willig Böses zu verhindern.
    Wenn er nicht in der Lage ist, dann ist er nach Aussage 7 unfähig.
    Wenn er nicht willig ist, dann ist er nach Aussage 8 bösartig.
    Theo ist also entweder unfähig oder bösartig oder beides zugleich.

    Das steht im Widerspruch zur Eingangsbehauptung , dass Theo weder bösartig noch unfähig ist.

    Was tun?
    Jetzt kommen die Logikgesetze zu Wort.
    Der Modus Tollens besagt, dass wenn die Schlussbehauptung negiert ist, auch die Eingangsbehauptung (die 1. Prämisse) negiert werden muss.
    Die erste Prämisse heißt: Theo ist unser Nachbarshund oder Theo existiert.

    Folglich existiert Theo nicht !

    Was sagst du dazu Theo? „Wuff“

    Und das funktioniert mit allem. Mit Supermann, dem Weihnachtsmann es geht auch mit Gott und heißt dann theodizee.

  404. @Johannes

    Weil ich hoffentlich davon ausgehe das sie einem Elternteil das grade ein Kinder verloren hat nicht sagen “Das Leben ist kein Pony Hof” und “Ist halt so Pech gehabt” sondern eben das machen was Menschen in solchen Situationen eben machen: Schweigen.

    bin ich kein Mensch, wenn ich diesen Menschen mein Mitgefühl ausspreche und Hilfe anbiete? Das ist weder Sprachlosigkeit noch Schweigen. Ich gaukle diesen Menschen nur nicht vor, dass es einen Sinn gibt.

    Nur nebenbei, ich habe durchaus etliche Male erlebt, dass Priester besser geschwiegen hätten …

    Ich fürchte, Sie konstruieren ein Patt wo es keins gibt. Sie gehen von falschen Prämissen aus.

  405. @Harald Andresen: Hier begegnen die unterschiedlichsten Menschen einander; vergessen wir auch nicht, dass es ein begrenztes Kommunikationsmedium ist; und Sprache kann zu Missverständnissen führen. Sie sind hier auf jeden Fall willkommen und ich bedaure auch die eine oder andere unnötig provozierende Formulierung.

  406. “bin ich kein Mensch, wenn ich diesen Menschen mein Mitgefühl ausspreche und Hilfe anbiete? Das ist weder Sprachlosigkeit noch Schweigen. Ich gaukle diesen Menschen nur nicht vor, dass es einen Sinn gibt.”

    Habe ich doch gesagt sie machen das gleiche wie ein Theist. Schweigen. Ihre Erklärungen bzw. Nichterklärungen stehen dem Leid genauso hilflos gegenüber wie die Theistischen. und kein seelsorgerisch halbwegs gebildeter Priester wird die in Anbetracht des Leides ebenso große Plattitude “Alles hat einen Sinn” bringen.

  407. @Andresen: Erklärung & Tod

    Dass wir X zum Zeitpunkt t nicht (vollständig) naturwissenschaftlich erklären können, ist eine Tatsache; dass wir X zum Zeutpunkt t+y vielleicht einmal (vollständig) werden erklären können, ist Spekulation.

    Ich halte mich lieber an die Tatsachen als an die Spekulationen.

    Und zum Sterben bzw. Tod ein interessanter Gedanke:

    Aus meiner Sicht ist z.B. ausgeschlossen: Das Wiederbeleben eines Toten, auch wenn es manchmal möglich erscheint. In dem Fall war der wieder Lebende vorher nur vermeintlich gestorben.

    Ein Name für den Tod im Altgriechischen war atropos, wörtlich: der Unumkehrbare (für die Liebhaber: einer der Totenkopfschmetterlinge heißt acherontis atropos; Acheron war einer der Flüsse in die griechische Unterwelt).

    Gerade aus naturalistischer Perspektive würde ich aber nicht verstehen, wieso der Tod unumkehrbar sein müsste. Wenn Leben (nichts als) ein biologischer Prozess ist, dann müsste sich dieser doch wieder künstlich in Gang setzen lassen, wenn er natürlich zum Erliegen gekommen ist.

    Unsere Vorstellung vom Tod hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Der letzte Schub mit dem “Hirntod” kam durch Entwicklungen in der Notfallmedizin in den 1970ern: Jetzt konnte man z.B. Menschen mit Herzstillstand wiederbeleben. Warum sollte es nicht eines Tages möglich sein, Menschen mit “Gehirnstillstand” wiederzubeleben? (Ja, man müsste die Apoptose, den Zelltod rückgängig machen.)

  408. @Waschke: Naturalismus

    Ja, das ist konkreter, danke.

    Ex-nihilo-nihil-Prinzip

    Sie haben sich intensiv mit Bunges und Mahners Philosophie beschäftigt. Dieser Zugang überzeugt mich nicht so. Beispielsweise verstehe ich nicht, wie es dann überhaupt etwas geben kann, wenn aus nichts nicht etwas entstehen kann.

    Aber gut: Zur Klärung solcher Fragen müsste man jetzt viel tiefer einsteigen und sich in der Tat auch in ein paar der Bücher einlesen. Vielleicht ein Andermal.

  409. @Waschke: Dawkins & Agnostizismus

    Das überrascht mich; wenn der “neue Atheismus” in Wirklichkeit doch nur ein Agnostizismus ist – wozu dann der ganze Trubel? Vielleicht, um seine Bücher verkaufen zu können?

    P.S. Dawkins war übrigens vor ein paar Jahren bei uns an der Uni in Groningen und hielt einen inspirierenden Abendvortrag; am Folgetag hielt ich am Seminarraum neben ihm einen Kurs. Tja, so viel Fame für ein paar Minuten. 😉

  410. @Waschke: Metaphysik

    …dass aus Sätzen über Sätze nichts über das Sein folgt…

    Und wer erklärt das nun noch diesem Gabriel?

    P.S. Julian Huxley war Enkel des von mir so gerne zitierten Thomas H. Huxley und später auch für die UNESCO tätig. Er schrieb auch über einen “evolutionären Humanismus”, was mich aber so wenig überzeugte wie die Gedanken Schmidt-Salomons zum selben Thema.

  411. @Stephan Schleim

    Apoptose vs. Nekrose

    (Ja, man müsste die Apoptose, den Zelltod rückgängig machen.)

    meinten Sie Nekrose?

    https://de.wikipedia.org/wiki/Apoptose

    Das wäre dann aber aus Sicht des Naturalisten ein vollkommen anderer Thread als das Wiederherstellen der Herzfunktion. Wenn größere Nekrosen im Herz (wie das beispielsweise bei einem Infarkt erfolgt) vorliegen, ist alle ärztliche Kunst vergebens. Okay, Herz-Lungen-Maschine mit Herztransplantation wäre eine Option. Aber ob man ein Gehirn verpflanzen sollte?

  412. Begriffe, die eigentlich ziemlich klar sind, werden hier zuweilen in eigentümlicher und schwer verständlicher Weise verwendet. Ich will nur den Begriff des Agnostizismus herausgreifen. Stephan Schleim hat die ursprüngliche von Thomas Huxley stammende Definition hier eingebracht. An ihr gibt es eigentlich nichts herumzudeuteln. Aber was soll ich beispielsweise mit diesem Satz anfangen?

    Wenn man unter ‘Gott’ die logische Ableitung versteht, die den ‘Gott der Philosophen’ auszeichnet, bin auch ich bereit, für 50:50 zu plädieren, denn hier gibt es keine Argumente mehr, außer, dass aus Sätzen über Sätze nichts über das Sein folgt, aber eben auch nicht, dass das Gefolgerte nicht folgt.

    Diese Auffassung geht wohl auf Richard Dawkins zurück, der meint, dass man der Existenz Gottes eine Wahrscheinlichkeit zumessen könne und er beschreibt den Agnostiker als jemanden, der der Existenz Gottes eine Wahrscheinlichkeit von um die fünfzig Prozent zumesse (The God Delusion, 2006, Seite 50).
    Eine Wahrscheinlichkeitszumessung zur Existenz Gottes ist jedoch ohne Sinn, da jeglicher Erfahrungshintergrund fehlt. Das gilt jedenfalls für die frequentistische Auffassung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs, da es keine Statistik zur Existenz Gottes gibt. Also bleibt nur der subjektive oder induktive Wahrscheinlichkeitsbegriff.
    Aber der ist eben subjektiv und für die Kommunikation ungeeignet, solange sich keine objektivierbaren Argumente finden lassen. Mir fallen nur zwei Argumente ein: 1. das Indifferenzprinzip und 2. der Wettquotient, der sich ergibt, wenn man Kenner der Materie auf einen bestimmten Sachverhalt – hier die Existenz Gottes – wetten lässt. Beide Argumente sind im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der von Richard Dawkins präsentierten Skala des Agnostizismus fehlt so jeglicher Sinn.
    Eine Neubelebung des induktiven Wahrscheinlichkeitsbegriffs und des Indifferenzprinzips unternehmen Rudolf Carnap und Wolfgang Stegmüller in ihrem Werk Induktive Logik und Wahrscheinlichkeit aus dem Jahr 1959. Demselben Thema widmet sich Georg Pólya in seinem auf Schulniveau gehaltenen zweibändigen Werk Mathematik und plausibles Schließen (1962/1963).

  413. @Stephan Schleim

    Julian Huxley

    P.S. Julian Huxley war Enkel des von mir so gerne zitierten Thomas H. Huxley und später auch für die UNESCO tätig. Er schrieb auch über einen “evolutionären Humanismus”, was mich aber so wenig überzeugte wie die Gedanken Schmidt-Salomons zum selben Thema.

    er hat außerdem mit

    Huxley, J. (1942) ‘Evolution: The Modern Synthesis’ London, Allen and Unwin

    der lange Zeit als Standard geltenden Evolutionstheorie ihren Namen gegeben (auch wenn das Buch inhaltlich und in seiner Bedeutung gegenüber denen der üblicherweise als Architekten der Synthese bezeichneten Autoren etwas abfällt). Huxley hat sich zudem anlässlich der Darwin-Feiern 1959 in den USA sehr unbeliebt gemacht, weil er ausgerechnet am Thanksgiving Day meinte, buchstäblich von der Kanzel herab Atheismus predigen zu sollen. Zudem setzte er Ende der 1940er Jahre eine Diskussion in Gang, ob die (körperliche) Evolution des Menschen nicht abgeschlossen sei.

    ‘The Evolutionary Vision’ von der Kanzel herab

    Wr das jetzt wieder etwas, was sich Toten gegenüber nicht ziemt? Ich könnte mich jetzt natürlich hinter Quellen verstecken und nur zitieren.

    Aber vielleicht das Positive: ich kann Schmidt-Salomon diesbezüglich auch wenig abgewinnen. Auch in der Diskussion mit Kahl hat er mich nicht überzeugt und Hoerster hatte durchaus Argumente, die mit Schmidt-Salomon zu tun hatten, als er die gbs im Streit verließ. Aber das wissen Sie sicher alles auch.

    Schmidt-Salomon ist mir als einer der ganz wenigen im UseNet in Erinnerung, der wie ich gegenüber Atheisten das Fähnlein des Agnostizismus hoch hielt. Seit er bei der gbs sein Geld verdient, wird das nicht mehr so deutlich.

  414. @Timm Grams

    Agnostizismus: ‘fence sitting’ oder evidenzbasierte Argumentation?

    Aber was soll ich beispielsweise mit diesem Satz [aus meinem Posting https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/religion-oder-naturalismus-wer-gewinnt/#comment-50218, T.W.] anfangen?

    Wenn man unter ‘Gott’ die logische Ableitung versteht, die den ‘Gott der Philosophen’ auszeichnet, bin auch ich bereit, für 50:50 zu plädieren, denn hier gibt es keine Argumente mehr, außer, dass aus Sätzen über Sätze nichts über das Sein folgt, aber eben auch nicht, dass das Gefolgerte nicht folgt.

    Diese Auffassung geht wohl auf Richard Dawkins zurück

    nein, das ist eine Eigenproduktion von mir, auf der Basis vieler, vieler Diskussionen aus über 40 Jahren nicht nur in diversen Foren, sondern auch in RL-Diskussionen mit (A)Theisten, in denen mir als Agnostiker von (A)Theisten feiges ‘fence-sitting’ vorgeworfen wurde, eben ein feiges 50:50 auf der Basis von Entscheidungsschwäche für (A)Theismus.

    Ich habe nur auf Dawkins verwiesen, weil der bekannter ist als ich. Selbstverständlich sind Angaben von konkreten Wahrscheinlichkeiten sinnlos (es sei denn, 50:50, eben wenn man keine Evidenzen für eine Entscheidung hat, in etwa in Situationen, die Kant als Aporien bezeichnet hat). Übrigens, wenn Sie S. 50f in dem von Ihnen genannten Buch lesen, sollte implizit klar sein, dass auch Stufe 6 (“Very low probability, but short of zero. De facto atheist. ‘I cannot know for certain but I think that God is very improbable, and I live on the assumption that he is not there.'”) zu finden ist. Aus meiner Sicht ist das durchaus noch agnostisch, eben weil man keine der beiden Alternativen ausschließen kann, aber gute Argumente für oder gegen eine Alternative hat.

    Sie haben nur die Stufe 4 erwähnt, den “Completely impartial agnostic”.

    Ich habe, wie ich an anderer Stelle in dem Posting, aus dem Sie zitiert haben, beschreibe, für mich die Konsequenz gezogen, mich eben nicht mehr als Agnostiker sondern als Ignostiker zu bezeichnen. Eben weil es vom Gottesbild abhängig ist, ob man Argumente für die Annahme oder Ablehnung hat.

    Ist das dann aus Ihrer Sicht hinreichend wissenschaftlich?

    Vielleicht noch eine Überlegung. Ist Agnostizismus vs. Atheismus nicht vielleicht sogar ein Kategorienfehler? Agnostizismus ist eine epistemische, Atheismus eine (lebens)pragmatische Einstellung, keine der beiden eine ontologische Position. Man kann problemlos atheistischer oder theistischer Agnostiker sein. Die ‘negative Theologie’ scheint mit ein ziemlich lupenreiner Agnostizismus zu sein.

  415. @Thomas Waschke 09.03.2021, 11:17 Uhr
    Ihre Haltung kann ich gut verstehen. Aber das Indifferenzprinzip ist auf die Aussagen “Gott existiert” und “Gott existiert nicht” einfach nicht anwendbar. Also auch das 50:50 hat keine Basis. Weiter darüber zu streiten, lohnt sich aber nicht.

  416. @Waschke: Strategien

    MSS finde ich inhaltlich sehr dünn; wahrscheinlich ist er für die GBS auf gelungene PR-Aktionen angewiesen…

    …wobei in der GBS übrigens einige Personen im Beirat sitzen, die früher in meinem Leben eine größere Rolle spielten (vor allem Metzinger & Birnbacher; nur am Rande Hoerster, habe ja in Mainz studiert).

    Wie Sie gesehen haben, arbeite ich hier im Blog mitunter auch mit Provokation. Das tue ich aber nicht zum Einwerben von Spenden, sondern für etwas mehr Dynamik in der Diskussion. Und mir ist wichtig, dass eine Tür offen bleibt, um wieder zum “normalen” Gespräch zurückzufinden, mehr im Sinne von Habermas’ Diskursethik.

    P.S. Danke für die interessanten Hintergrundinformationen zu Julian Huxley; das wusste ich noch nicht. Dawkins trat bei uns in Groningen auch in einer Kirche auf.

  417. @Balanus / 08.03.2021, 10:55 Uhr

    Vorab noch zum Begriff Zufall: Im Englischen wird da unterschieden zwischen `chance’ und `randomness’. Durch Werfen einer Münze mit den Seiten “Kopf” = 0 und “Zahl” = 1 können wir eine Binärfolge `by chance’ erhalten. Die muss aber nicht wirklich `random’ sein, denn es ist noch nicht gesagt, dass die Münze `fair’ und hier kein Betrug im Spiel ist. Binäre Folgen lassen sich andererseits auch deterministisch erhalten, und auch hier ergibt sich sinnvoll die Frage, ob der Output `random’ ist, also ob die Abfolge der einzelnen Bits vorhersagbar ist oder nicht.

    `Randomness’ bei einer (endlichen) Binärfolge meint deren Zufälligkeit im Sinne eines Fehlens von Regelhaftigkeit, ganz unabhängig davon, ob die Folge stochastisch oder deterministisch erhalten wird. Letztlich auf Leibniz (1686) geht die Idee zurück, eine solche Folge dann als `random’ zu charakterisieren, wenn sie nicht komprimierbar ist. Und komprimierbar ist eine binare Folge aus N Bits prinzipiell dann, wenn sie sich mit einem algorithmischen Programm reproduzieren lässt, dessen in Bits bemessene Länge kleiner als N ist.

    Das wirft dann die Frage auf, ob da vielleicht ein universelles Verfahren existiert, mit welchem sich für eine beliebig vorgegebene endliche Binärfolge entscheiden liesse, ob sie komprimierbar ist. Die Antwort ist nein, ein solches Verfahren kann es nicht geben, und das Problem der Komprimierbarkeit ist im gleichen Sinne unentscheidbar wie Turings Halteproblem.

    Bezogen auf die Empirie: Binärfolgen bekommen wir auch als digitalisierte Daten aus Observationen, und die Frage nach gegebenenfalls darin regelhaft auftretenden Mustern ist gerade die Frage nach deren Komprimierbarkeit. Die grundsätzliche Unentscheidbarkeit dieses Problems ist dann aber auch eine prinzipielle Grenze für die Gewissheit, ob etwas, das observationell wie blinde Zufälligkeit erscheint, tatsächlich `random’ ist. Da wäre dann — nicht zuletzt hinsichtlich der biolog. Evolution — der Punkt, wo die Theorie mit ihrer Weisheit am Ende ist und die persönliche Entscheidung einsetzen muss.

    Du entscheidest Dich dabei eben auf diese, der Kardinal Schönborn hingegen auf jene Weise. Und ein Agnostiker zieht es vor, darüber zu schweigen, worüber man nicht sprechen kann.

  418. @Stephan Schleim

    … noch was zu gbs, Huxley und Evolution

    MSS finde ich inhaltlich sehr dünn; wahrscheinlich ist er für die GBS auf gelungene PR-Aktionen angewiesen…

    Eher umgekehrt, die gbs ist auf seine PR-Aktionen angewiesen. Das mit dem ‘dünn’ sehen nicht nur Sie so.

    …wobei in der GBS übrigens einige Personen im Beirat sitzen, die früher in meinem Leben eine größere Rolle spielten (vor allem Metzinger & Birnbacher; nur am Rande Hoerster, habe ja in Mainz studiert).

    Interessant. Ich habe mich immer wieder gefragt, ob die Mitglieder des Beirats stets darüber informiert waren, was die gbs so alles konkret treibt. Vermutlich wäre der Beirat viel kleiner, falls sich das dort herumsprechen würde. Okay, sind auch HardLiner darunter.

    Wie Sie gesehen haben, arbeite ich hier im Blog mitunter auch mit Provokation. Das tue ich aber nicht zum Einwerben von Spenden, sondern für etwas mehr Dynamik in der Diskussion. Und mir ist wichtig, dass eine Tür offen bleibt, um wieder zum “normalen” Gespräch zurückzufinden, mehr im Sinne von Habermas’ Diskursethik.

    Kein Problem, ich kann ‘austeilen’ und ‘einstecken’. Ich habe nur Probleme mit Menschen, die nicht ‘einstecken’ können.

    BTW, im Ethik-Unterricht behandelt man eher die Transzendentalpragmatik Apels als die Habermas’sche Diskursethik, obwohl sie darauf basiert.

    P.S. Danke für die interessanten Hintergrundinformationen zu Julian Huxley; das wusste ich noch nicht. Dawkins trat bei uns in Groningen auch in einer Kirche auf.

    Interessant in diesem Kontext ist vielleicht auch, dass die Darwin-Feiern in Chicago, in denen eine Woche lang Veranstaltungen, mit Umzug, Theater, wissenschaftlichen Konferenzen und weiß der Herr was noch alles stattfanden (nur falls es Sie interessiert, ist alles in

    Tax, S.; (ed.) (1960) ‘Evolution After Darwin. 3 vols’ Chicago, University of Chicago Press

    dokumentiert, der 3. Band enthält einen ausführlichen Bilder-Teil, daraus stammt auch das verlinkte Bild), für Smocovitis mit der Grund war, zu behaupten, dass das der Auslöser für das Gründungswerk des Kurzzeit-Kreationismus (Whitcomb, J.C.; Morris, H.M. (1961) ‘The Genesis Flood: The Biblical Record and Its Scientific Implications’ Phillipsburg, Presbyterian and Reformed) gewesen sein soll, vor allem die Rede von Huxley. Andere Autoren haben das eher nicht bestätigt (müsste ich nun nachflöhen, war aber meines Wissens nie so direkt ein Thema), klingt aber durchaus plausibel.

    Smocovitis, V.B. (2000) ‘The 1959 Darwin centennial celebration in America’ Osiris 14:274-323

    Zeigt natürlich auch immer, dass viele Aktionen Reaktionen sind und Extreme sich bedingen können.

    Ich habe meinen Schülern immer eine Folie gezeigt, in der die Namen der die bedeutendsten Evolutionsbiologen zurzeit der Evolutionären Synthese aufgelistet waren, mit zunächst nicht ausgefüllter letzter Spalte für deren weltanschaulicher Position. Darunter finden Sie alles, vom Panpsychisten über ganz fromme Evangelikale und Russisch-Orthodoxe bis hin zu knallharten Atheisten. Wobei zu bemerken ist, dass einer der härtesten Atheisten (Mayr) bis zu dessen Tod sehr eng mit dem russisch-orthodoxen Dobzhansky befreundet war. Man kann durchaus vertreten, dass die beiden die wichtigsten Architekten der Evolutionären Synthese waren.

    Kam in den Gruppen immer gut an, da ich in einer der beiden Gegenden in Deutschland lebe, wo man pro Kopf die meisten Kurzzeit-Kreationisten findet, war in jeder Gruppe mindestens eine Person, die so was glaubte, und für die war das durchaus ein ‘consciousness raiser’.

    Evolution ist per se nicht atheistisch (allerdings mit etlichen Gottesbildern nur sehr schwer unter einen Hut zu bringen), und was Krawall-Chargen wie Dawkins treiben, ist eher kontraproduktiv. Das hat ihm übrigens Ruse expressis verbis ins Stammbuch geschrieben. Vermutlich kennen Sie die Geschichte aber auch.

  419. @Chrys

    interessante Überlegungen. Sie wissen sicher, dass solche Fragen im Bereich der Intelligent Design Bewegung eine große Rolle spielen und dass sich vor allem Dembski (der dort inzwischen kaum noch aktiv ist, er hat sich vom DI getrennt) sehr intensiv mit dieser Frage befasst hat.

    Vielleicht noch eine laienhafte Anmerkung: es gibt keine (nicht unendliche lange) Reihe von Zufallszahlen, die Sie nicht komprimieren im Sinn von ‘mit weniger Zeichen beschreiben’ können. Sie werden die immer beispielsweise in der Dezimalabwicklung von pi (oder jeder anderen arithmetischen Operation, die unendlich viele nicht-periodische Nachkomma-Stellen erzeugen kann) finden. Die Aussage: ‘Stelle x bis y’ ist kürzer als eine längliche Folge von Zeichen.

    Kann natürlich sein, dass unter ‘komprimierbar’ etwas anderes verstanden wird, ich kenne mich da nicht aus.

    Die Diskussion über Schönborns OpEd in der NYT

    Schönborn, C. (2005) ‘Finding Design in Nature’

    http://www.nytimes.com/2005/07/07/opinion/finding-design-in-nature.html

    war übrigens auch Thema bei Papst Benedikt. Kennen Sie

    Horn, S.O.; Wiedenhofer, S.; (Hrsg.) (2007) ‘Schöpfung und Evolution. Eine Tagung mit Papst Benedikt XVI. in Castel Gandolfo’ Augsburg, Sankt Ulrich Verlag

    Die Diskussion wurde ‘damals’ auf sehr niedriger Flamme geköchelt, weil Papst Benedikt zufälligerweise gleichzeitig etwas nicht so Kluges über den Islam geschrieben hatte und sich daher etwas bedeckter halten musste, als er das wohl üblicherweise getan hätte.

  420. @Thomas Waschke 09.03. 06:29

    „Nicht viel besser, falls so etwas zugelassen wurde. Mit so einer Entität möchte ich keine Ewigkeit zubringen,…“

    Ich habe auch nicht vor, ein ewiges Leben im Jenseits fristen zu müssen. Das irdische Leben reicht mir eigentlich. Wenn ich hier zuweilen geistige Unterstützung bekomme, die womöglich sogar wesentliche Funktionalität in meinem Bewusstsein übernimmt, dann reicht mir das völlig. Die Härten des Lebens gehören wohl dazu – die Beste aller Welten nicht mal will ich fordern, aber eine unterm Strich ganz gute Welt, die haben wir wohl.

    Das hier nicht alles des Menschen Moral entspricht, das ist allein des Menschen Problem. „Gott“ ist eben kein Mensch. Und der Mensch ist nicht das einzige Lebewesen, um das es in diesem Kosmos geht. Deswegen „darf“ er eben auch mal gefressen werden.

    Was den Menschen aber nicht davon abhalten soll, die Dinge selber in die Hand zu nehmen. Das ist mal recht einfach, wenn etwa Polarforscher einfach ein Gewehr dabei haben, um sich gegen Eisbären zu wehren. Ein Coronaimpfstoff ist da schwieriger, aber offenbar noch praktikabel, andere Krankheiten sind eventuell wesentlich schlechter zu behandeln. Und die Unsterblichkeit muss schon gar nicht sein.

    „Warum sollte man die ‘restliche Physik’ nicht antasten? Das setzt doch falsche Prioritäten.“

    Weil die restliche Physik schon für sich ein wunderbares Universum zaubern kann, dass so super funktioniert, dass es geistige Einflussnahmen in weiten Bereichen eben gar nicht braucht. Eine Geborgenheit für uns Menschen wäre noch mal ein Extraservice, und eine gewisse Kontrolle der Evolution womöglich doch essentiell. Ich bin mir nicht sicher, ob die Ökosysteme von selber so stabil sind, wie man das beobachten kann.

    „Das bedeutet doch, dass man von einer Übernatur ausgeht, die extrem viel Wert darauf legt, nicht erkannt zu werden.“

    Wieso manche Menschen spirituelle Erfahrungen haben, und andere nicht, das ist mir auch ein Rätsel. Offenbar kommt der Mensch aber mit beidem klar. Die Mannigfaltigkeit der Natur zu erleben ist in jedem Fall ein besonderer Genuss, diese so vielfältige Welt hat genug zu bieten, auch ohne dass man sich mit Übernatur auseinandersetzen muss. Aber eben die Geborgenheit, die mit einer Erwartung von geistiger Unterstützung einhergeht, die ist auch nicht zu verachten. Und die tatsächliche praktische Unterstützung hilft dann auf vielfältige Weise.

    @Johannes 09.03. 06:46

    „aber ich kann mir “Zufall” bei unbelebter Materie nicht vorstellen. Eben weil sie kausal determiniert ist ist das Universum ja berechenbar, Und das ziemlich genau.“

    Umlaufbahnen sind noch sehr berechenbar, aber die ganze Chemie und die ganzen Einzelheiten, die das Leben mit sich bringt, sind eben viel mit Zufall vermengt, da ist unabhängig von der Geistesfrage keine völlige Determiniertheit gegeben. Determinierte Phänomene beziehen sich immer nur auf Teilbereiche. Etwa die Gravitationskraft, die auf Satelliten einwirkt. Welche Genmischung ein konkretes Kind von den Eltern bekommt, ist offenbar zufällig, und muss das sogar sein, das gehört zu der äußerst wirksamen Methode der sexuellen Fortpflanzung.

  421. Nachdem ich Friedrich Engels “Anti Dühring” gelesen habe würde ich meinen ich sitze wie die beiden alten Herren in der Muppets-Show in der Loge und verfolge die fünftausendste Vorführung dieses Lustspiel “Wer gewinnt Religion oder Naturalismus” leicht amüsiert . Die Religion wird solange gewinnen bis der Mensch das was da in seinem Gehirn vorgeht -noch- nicht begriffen hat. Worüber haben eigentlich die Menschen philosophiert als es Gott bzw. das Christentum noch nicht gab , also vor Moses ,Bahman oder Buddha ?

  422. @Jeckenburger
    Wieso manche Menschen spirituelle Erfahrungen haben, und andere nicht, das ist mir auch ein Rätsel.

    Es könnte daran liegen, dass Sie Ihre Erfahrungen als spirituell bezeichnen, was Andere als emotional empfinden würden. Man kann sich auch in solche Erfahrungen hinteinsteigern, wie Esoteriker es gerne tun, eventuell mit entsprechenden Mittelchen. Autosuggestion kommt nicht so selten vor. Geist und Psyche sind eben sehr kompliziert.

    Neben der logischen Deduktion gibt es die logische Abduktion. Das bedeutet, manche Menschen schließen von einem Ereignis auf seine Ursache, wobei sie diejenige Ursache wählen, die ihnen am besten gefällt. Alle anderen möglichen Ursachen werden ausgeblendet oder ignoriert. Fast immer ist das bei Verschwörungsgläubigen der Fall.

  423. @Chrys // 09.03.2021, 13:27 Uhr

    »Da wäre dann — nicht zuletzt hinsichtlich der biolog. Evolution — der Punkt, wo die Theorie mit ihrer Weisheit am Ende ist und die persönliche Entscheidung einsetzen muss.«
    Du entscheidest Dich dabei eben auf diese, der Kardinal Schönborn hingegen auf jene Weise. Und ein Agnostiker zieht es vor, darüber zu schweigen, worüber man nicht sprechen kann. «

    Bei allem Verständnis für die Probleme mit der Komprimierbarkeit von Binärfolgen, bist Du wirklich der Meinung, dass die Verschiedenheit der Nachkommenschaft* eine Sache ist, worüber man (als Agnostiker) schweigen sollte, weil man im Grunde nicht entscheiden kann, ob hier der Zufall waltet oder Gott? Und vor allem: Darf ich annehmen, dass solcherart komplizierten Überlegungen den Äußerungen Kardinal Schönborns zugrunde liegen?

    Von dieser gewiss zufälligen Verschiedenheit in der Nachkommenschaft* ausgehend braucht man bloß ein Stück weiter zu denken, und schon ist man beim Evolutionsprozess. Mir erscheint das absolut schlüssig, Aber gut, Kardinal Schönborn und der Agnostiker sehen das anders, muss man wohl hinnehmen…

    —–
    *Da haben @Tobias Jeckenburger (09.03.2021, 14:22 Uhr) und ich unabhängig voneinander und nicht ganz zufällig den gleichen Gedanken gehabt.. :- )

  424. Jeckenburger
    über die Materie,
    alle Gesteine bestehen aus Isotopengemischen. Die zerfallen
    wieder zu anderen Isotopen. Man kann sogar behaupten, jedes Gestein ändert sich in jeder Sekunde.

    Große Sonnen zerfallen auch, entweder in Richtung Roter Riese oder in Richtung Weißer Zwerg. Das Universum ändert sich in jeder Sekunde.
    Und Sie wollen behaupten , da ist kein Zufall möglich ? Das hört sich wie ein Glaubensbekenntnis an.

  425. @Stephan // 09.03.2021, 10:06 Uhr

    An die Adresse von Harald Andresen schreibst Du u.a.:

    »Wenn Leben (nichts als) ein biologischer Prozess ist, dann müsste sich dieser doch wieder künstlich in Gang setzen lassen, wenn er natürlich zum Erliegen gekommen ist.«

    Ja, das geschieht auch ungezählte Male, wieder und wieder—unter zwei Bedingungen: Erstens, „künstlich“, also durch Menschenhand, ist nicht zwingend, und zweitens, mit „zum Erliegen gekommen“ ist nicht „irreversibel zum Erliegen gekommen“ gemeint.“

    In vielen trockenen Samenkörnern und in zahllosen Pilz- und Bakteriensporen kommen die Prozesse des Lebendigen praktisch zum Erliegen, zumindest lassen sich keine mehr feststellen. Und man kann, ganz ähnlich wie bei Schrödingers Katze, nicht entscheiden, ob das Teil noch lebt oder schon tot ist. Das entscheidet sich erst, wenn Wasser hinzukommt und die Lebensprozesse wieder zum Laufen kommen oder eben nicht.

    Irreversibel zum Erliegen gekommen ist das “Leben” dann, wenn lebensnotwendige Strukturen zerstört sind.

    Wobei, wie verhält es sich eigentlich bei tiefgefrorenen Lebewesen oder Zellen? Leben die bei -80 °C?

    (Ich hoffe, ich habe hier nicht auf eine Deiner Provokationen reagiert… ;- )

  426. Theistischer Bias? Ich beobachte eine Asymmetrie. Die theistische Lobby wird nicht kritisiert, wohl aber die atheistische. Dabei ist letztere ein notwendiges Gegengewicht gegen erstere. Benachteiligungen nichtreligiöser Menschen gibt es immer noch, z.B. in primär staatlich finanzierten aber kirchlich betriebenen Einrichtungen. *Ich* möchte auch nicht in einem “Gottesstaat” leben, die Freiheit der Wissenschaft ist ebenfalls ein hohes Gut. Wer im Übrigen überzeugte Atheisten als “extrem” bezeichnet, müsste dies aus logischen Gründen auch bei überzeugten Theisten tun.

    Zum Agnostizismus: Den gibt es in vielen Formen. Leider haben Sie, werter Herr Schleim, das nicht weiter präzisiert. Es müsste eigentlich erläutert werden, wie weit die Vernunft trägt (Huxley).

    Wenn mit Agnostizismus Fallibilismus (Irrtumsvorbehalt) gemeint ist, dann bin ich auch Agnostiker. Schließlich ist das Münchhausentrilemma nicht überwunden. Fallibilisten fällen allerdings unter Berücksichtigung der Beleglage vorläufige (revidierbare) Urteile.

    Mit Agnostizismus dürfte aber häufiger die Urteilsenthaltung gemeint sein. Wann ist letztere angemessen? Wenn eine Aussage sinnlos erscheint, wird man ihr wohl nicht zustimmen. Dennoch ist in diesem Falle ein vorläufiges Urteil möglich, nämlich jenes, dass die Aussage sinnlos erscheint. Das entspricht nicht ganz einer Urteilsenthaltung. Eine Urteilsenthaltung hinsichtlich einer Aussage A, erscheint aber insbesondere dann adäquat, wenn A und Nicht-A gleich plausibel aussehen. (Dawkins hätte bei seiner Skala besser den Begriff “plausibel” statt “wahrscheinlich” gebrauchen sollen.) Wenn sich A und Nicht-A jedoch ganz erheblich in ihrer Plausibilität unterscheiden und dennoch auf einer Urteilsenthaltung beharrt wird, müsste erläutert werden, warum im Falle der Aussagen B oder C bei ähnlichem Plausibilitätsverhältnissen (vorläufig) geurteilt wird, im Falle A jedoch nicht. Unerläutert erscheint diese Asymmetrie irrational.

  427. Ostmane: Gehirn verstehen

    Die Frage, was wir genau verstanden haben, wenn wir “das Gehirn verstanden” haben, würde ich sowieso im letzten Teil ansprechen.

  428. @Waschke: Folie

    Ich lasse das als (meiner Meinung nach: gelungenes) Fazit mal so stehen…

    …die Folie mit berühmten Biologen und ihren Glaubensüberzeugungen wäre auch heute noch interessant.

  429. @Feodor: Vernunft

    Meiner Erinnerung nach hat Huxley hier vor allem das Angeben von Gründen im Sinn, für das sich schon Sokrates stark machte. Das Gesamtwerk T. H. Huxleys ist gemeinfrei im Internet verfügbar. Da finden Sie auch den Essay zum Agnostizismus; lesenswert!

    Viel wäre doch schon gewonnen, wenn sich alle an die negative Seite der Agnostischen Methode halten würden: “Gebe in Sachen des Intellekts nicht vor, dass Schlussfolgerungen sicher sind, die nicht bewiesen wurden oder nicht beweisbar sind.” Das könnte sich auch so mancher Naturalist hier im Forum mal hinter die Ohren schreiben.

  430. @Feodor

    Theistischer Bias? Ich beobachte eine Asymmetrie. Die theistische Lobby wird nicht kritisiert, wohl aber die atheistische.

    Wo beobachten Sie denn?

    Im Artikel selbst steht zuvörderst:

    1. Man braucht keinen Gott anzunehmen, um die Welt zu erklären

    Das könnte man zumindest als so etwas wie Kritik an entsprechenden Lobbyisten betrachten.

    Falls Sie das hier in der Kommentarecke machen, sollten Sie mal überprüfen, ob ihre Beochatung nicht einem besonders augeprägten Bias unterliegt. Vielleicht hilft es auch, mehr zwischen den Zeilen zu lesen?

  431. @Stephan Schleim

    Berühmte Evolutionsforscher und Weltanschauung

    Die Folie mit den 10 Evolutionsbiologen habe ich auf meine Site gestellt:

    http://www.waschke.de/forscher.pdf

    Ist natürlich grob geschnitzt, einige Forscher haben im Laufe des Lebens auch die Weltanschauung geändert. Die Angaben dürfte gegen Ende des Lebens der inzwischen längst verblichenen Forscher einigermaßen korrekt sein.

    BTW, ich habe den Titel des Vortrags bewusst nicht gelöscht 😉

  432. @Joker

    Bias?

    Feodor schrieb:

    Theistischer Bias? Ich beobachte eine Asymmetrie. Die theistische Lobby wird nicht kritisiert, wohl aber die atheistische.

    Joker darauf:

    Wo beobachten Sie denn?

    Wir könnten einfach gelegentlich eine Auflistung der Beiträge von Herrn Schleim erstellen und checken, wie er auf welche weltanschauliche Position reagiert. Ich vermute, es würde sich durchaus zeigen, dass eine Asymmetrie herrscht. Theistisch trifft es sicher nicht, eher nicht-naturalistisch bzw. anti-naturalistisch.

    Und ja, ‘zwischen den Zeilen lesen’ hilft in diesem Fall durchaus.

    Und nein, das ist keine Kritik. In meinen Beiträgen werden Sie problemlos eine extreme Asymmetrie finden. In Ihren doch auch.

    So what?

  433. @Feodor
    Ihr ‘bias’ resultiert wohl eher aus Gründen, was man als Institution anerkennt bzw. akzeptiert oder toleriert.

  434. @Thomas Waschke

    Bias?

    In meinen Beiträgen werden Sie problemlos eine extreme Asymmetrie finden. In Ihren doch auch.

    Wenn sich die Aussage von @Feodor auf die Aussagen eines Einzelen, wie z.B. @hwied, beziehen würde, könnte ich sie nachvollziehen.

    Stephan Schleim sehe ich allerding nicht als Vorreiter von einem “Gottesstaat”, in dem @Feodor nicht leben möchte. Trotz aller Ungewissheiten neige ich auch in dieser Frage nicht zum Agnostizismus.

  435. Interessant ist doch die Feststellung im Vorblog ‘Konflikt und Vereinbarkeit’, dass die abrhamitischen Religionen Unfehlbarkeit/Absolutismus reklamieren,die Wissenschaft zumindest in den letzten Dekaden auf Fallibilismus fußt. passt nicht zusammen.
    Welche ‘Rückversicherung’ wird suggeriert oder ‘Rückbessinnung’ liegt vor?

  436. Wirkt Tradition im Lern- und Lehrsystem stärker als Reflexion. Hat Reflexion im System Mensch Schwierigkeiten gegenüber Prägung?
    Ist Prägung vorliegender vor Erkenntnis?

  437. @Schleim
    Was sagt die Psychologie/spädagogik zur Prägung zur Erklärung der Welt bei Kinderfragen zur Herkunft und Elternantworten traditionell? In der Prägungsphase?

  438. @Stephan Schleim // 09.03.2021, 09:57 Uhr

    … ist angekommen und verstanden. 🙂

    Ich bin Informatiker mit einer Affinität zur Mathematik und mit einem naturwissenschaftlich geprägten Weltbild. In Ihrem Blog fühle ich mich oft wie in einer Uni-Veranstaltung „für Hörer aller Fakultäten“ – interessant, lehrreich, unterhaltsam, kontrovers in bunter Mischung und Ausprägung. Das weitet den Horizont und schärft den Blick.


    Der Hund mahnt. Es ist Zeit für den abendlichen Rundgang.

  439. Ich beobachte eine Asymmetrie.

    Benachteiligungen nichtreligiöser Menschen gibt es immer noch, z.B. in primär staatlich finanzierten aber kirchlich betriebenen Einrichtungen

    Ich möchte auch nicht in einem “Gottesstaat” leben.

    Den [Agnostizismus] gibt es in vielen Formen. [] Es müsste eigentlich erläutert werden, wie weit die Vernunft trägt.

    Wenn sich A und Nicht-A jedoch ganz erheblich in ihrer Plausibilität unterscheiden und dennoch auf einer Urteilsenthaltung beharrt wird, müsste erläutert werden, warum im Falle der Aussagen B oder C bei ähnlichem Plausibilitätsverhältnissen (vorläufig) geurteilt wird, im Falle A jedoch nicht. Unerläutert erscheint diese Asymmetrie irrational.

    Das sind keine Argumente zum Thema. Wer darauf eingeht, ist gut beschäftigt und der ernsthaften Diskussion erst einmal entzogen.

  440. @Balanus

    Irreversibel zum Erliegen gekommen ist das “Leben” dann, wenn lebensnotwendige Strukturen zerstört sind.

    Wobei, wie verhält es sich eigentlich bei tiefgefrorenen Lebewesen oder Zellen? Leben die bei -80 °C?

    Beantwortet nicht Ihr erster Satz den zweiten?

    Vielleicht muss man hier den alten Aristoteles ausgraben, der von Aktualisierung einer Potentialität sprechen würde. Im ersten Fall ist die zerstört, im zweiten Fall harrt sie ihrer Aktualisierung.

  441. @Timm Grams

    Das sind keine Argumente zum Thema. Wer darauf eingeht, ist gut beschäftigt und der ernsthaften Diskussion erst einmal entzogen.

    Hier sollten Sie etwas ausführlicher werden. Um welches Thema geht es Ihnen?

    Was wäre Ihrer Meinung nach eine ernsthafte Diskussion? Feodor hat sinnvolle Fragen gestellt. Aber Sie sind dem auch schon in der ‘Antwort’ auf mein Posting ausgewichen.

    Wollen Sie Diskussion durch ‘stacking the deck’ führen?

  442. @Thomas Waschke / 08.03.2021, 23:44 Uhr

    »Eher Wasser auf meine Mühlen, denn die Vernunft kann einen durchaus so weit tragen, eine Meinung begründet vertreten zu können, selbst wenn man sie nicht als absolut gültig erweisen kann.«

    Ja, schon richtig, irgendwie. Vernunft wird ohnehin überschätzt.

    Aber meine Überlegungen zielen eigentlich auf etwas anderes, nämlich darauf, dass der Gottesbegriff nicht naturgegeben ist, sondern dem Individuum irgendwann im Laufe seines Lebens begegnet (meistens leider bereits in der Kindheit). Und dann muss er/sie/es sich irgendwie dazu verhalten.

    Das heißt, noch bevor die Vernunft überhaupt zum Tragen kommen kann, wird der heranwachsende Mensch mit dem Gottesbegriff oder sonstigen überempirischen Entitäten konfrontiert.

    Was für das Individuum gilt, trifft auch auf die Entstehungsgeschichte der Menschheit zu: Hätte der Mensch von Anbeginn an Huxleys Methode beherzigen können (gehe so weit, wie die Vernunft trägt, unterlasse voreilige Schlussfolgerungen, wo Belege fehlen), hätten Behauptungen über die Existenz überempirischer Mächte gar nicht erst aufkommen können. Da bin ich mir sicher.

    Aber leider ist es anders gekommen. Als der Mensch endlich in nennenswertem Maße Vernunft entwickelte, also vernünftig wurde, hatte das Überempirische (Götter, Geister, usw.) in fast allen Gesellschaften bereits Fuß gefasst.

    Wenn ich diesen Gedankengang konsequent zu Ende denke, komme ich zu dem Schluss, dass Thomas H. Huxley (1825-1895) in seinem tiefsten Innern ein Naturalist gewesen sein muss.

    Aber ich kann mich auch irren…

  443. @Thomas Waschke /09.03.2021, 20:52 Uhr

    » Beantwortet nicht Ihr erster Satz den zweiten? «

    Natürlich. Ich hoffe, dass auch andere das bemerkt haben, nicht nur Sie… ;- )

  444. @Thomas Waschke 09.03.2021, 20:56 Uhr

    Sie fragen:

    Um welches Thema geht es Ihnen?

    Das Thema ist von Stephan Schleim abgesteckt worden. Es geht um Naturalismus und Religion, nicht um Kirche und staatliche Ordnung. Aufforderungen wie “Es müsste eigentlich erläutert werden, wie weit die Vernunft trägt” empfinde ich auch nicht gerade als zielführend.

    Feodor hat sinnvolle Fragen gestellt.

    Das mag sein, im passenden Zusammenhang. Den kann ich hier nicht sehen.

    Welche Ihrer Frage meinen Sie? Diese?

    Ist Agnostizismus vs. Atheismus nicht vielleicht sogar ein Kategorienfehler?

    Nennen Sie die Kategorien und ich gebe Ihnen eine Antwort.

  445. Ergänzung zu meinem letzten Beitrag.

    Kirchenkritik ist von Religionskritik zu unterscheiden. Karlheinz Deschner war ein herausragender Kirchenkritiker, der sich zum Agnostizismus bekannte.

  446. @Timm Grams

    Es geht um Naturalismus und Religion, nicht um Kirche und staatliche Ordnung.

    Okay, dann kann man das so sehen. Aber man kann auch nachdenken, dann findet man möglicherweise einen Zusammenhang.

    Aufforderungen wie “Es müsste eigentlich erläutert werden, wie weit die Vernunft trägt” empfinde ich auch nicht gerade als zielführend.

    Für was? Wollen Sie die Vernunft aus dem Spiel lassen, wenn Sie über derartige Fragen diskutieren wollen? Meinen Sie, dass die Vernunft hier überfordert ist? Das sehe ich nicht. Man kann durchaus rational gegen Religion argumentieren, weil es sehr gute Gründe für den Naturalismus (plakativ “Alles geht mit rechten Dingen zu”, detaillierter habe ich es weiter oben geschildert) gibt.

    Welche Ihrer Frage meinen Sie? Diese?

    Ist Agnostizismus vs. Atheismus nicht vielleicht sogar ein Kategorienfehler?

    Nennen Sie die Kategorien und ich gebe Ihnen eine Antwort.

    Das habe ich doch geschrieben. Wenn Agnostizismus eine epistemische Position ist und Atheismus eine (lebens)pragmatische, dann sind das zwei Kategorien.

    Man kann problemlos ohne Widerspruch atheistischer oder theistischer Agnostiker sein. Es macht keinen Sinn, die beiden Positionen als Gegensätze zu sehen, denn dann müssten sie in eine Kategorie gehören.

  447. @Timm Grams: Ich helfe gerne. Stephan Schleim hatte Agnostizismus im 3. Teil mit einem Huxley-Zitat erläutert:

    “Positiv formuliert kann das Prinzip so ausgedrückt werden: Folge in Sachen des Intellekts so weit deiner Vernunft, wie sie dich tragen wird, ohne Rücksicht auf andere Überlegungen. Und negativ: Gebe in Sachen des Intellekts nicht vor, dass Schlussfolgerungen sicher sind, die nicht bewiesen wurden oder nicht beweisbar sind.”

    Darin enthalten: “Folge [..] deiner Vernunft, wie sie dich tragen wird”. Was heißt das für den Agnostizismus?

  448. @Timm Grams

    Ist Agnostizismus vs. Atheismus nicht vielleicht sogar ein Kategorienfehler?

    Nennen Sie die Kategorien und ich gebe Ihnen eine Antwort.

    Lesen Sie das, wennn ich ihnen die Kategorien nenne?

    Agnostizismus ist eine epistemische, Atheismus eine (lebens)pragmatische Einstellung, keine der beiden eine ontologische Position. Man kann problemlos atheistischer oder theistischer Agnostiker sein.

  449. @Thomas Waschke 09.03.2021, 22:04 Uhr

    Sir fragen mich:

    Wollen Sie die Vernunft aus dem Spiel lassen, wenn Sie über derartige Fragen diskutieren wollen?

    Natürlich nicht. Hauptwerke der Philosophie von Descartes und Kant befassen sich damit. Die Reichweite der Vernunft ist im konkreten Fall zu klären. Grundsatzfragen können meines Erachtens nicht so nebenbei mit abgehandelt werden.

    Wenn Agnostizismus eine epistemische Position ist und Atheismus eine (lebens)pragmatische, dann sind das zwei Kategorien.

    Das sehe ich anders. Agnostizismus bezieht sich genau wie Atheismus und Theismus auf die Metaphysik; da reicht die Wissenschaft nicht hin. Genau das besagt Agnostizismus. Daraus folgt für mich, dass Ihre Aussage

    Man kann problemlos ohne Widerspruch atheistischer oder theistischer Agnostiker sein.

    falsch ist. Gern konzidiere ich, dass der Agnostiker konfliktfrei mit Gläubigen, Theisten und Atheisten, zusammenleben kann. Genau das praktiziere ich, der Agnostiker, ganz pragmatisch.

    Ebenso widerspreche ich auch Joker, wenn er meint

    Agnostizismus ist eine epistemische, Atheismus eine (lebens)pragmatische Einstellung, keine der beiden eine ontologische Position.

    (Das muss für heute genügen. Morgen gern mehr.)

  450. @Thomas Waschke / 09.03.2021, 14:20 Uhr

    Das passende Stichwort dazu ist Algoithmic Information Theory (AIT). Wie man von da die Kurve zu Leibniz, Gott und Naturgesetzen hinkriegt — hier nur ein Link zu dem im Plauderton gehaltenen Artikel Leibniz, Information, Math and Physics von Gregory Chaitin. Der hoffentlich niemanden verschreckt.

    @Balanus / 09.03.2021, 17:06 Uhr

    Wenn für Dich hier der Zufall waltet, was meinst Du damit, und wie verträgt sich das mit der berühmten “kausalen Abgeschlossenheit”? Wird da aus Deiner Sicht jetzt echt irgendwie “gewürfelt”, und wenn schon “der Alte nicht würfelt”, wer würfelt dann?

  451. @hwied 09.03. 17:39

    „Das Universum ändert sich in jeder Sekunde.
    Und Sie wollen behaupten , da ist kein Zufall möglich ? Das hört sich wie ein Glaubensbekenntnis an.“

    Wo meine ich, dass es keinen Zufall gibt? Die Welt ist voll davon, auch wenn es mal doch echt so aussieht, dass er gezielt sein kann. Aber nur wenn es ohne dem nicht vernünftig läuft.

  452. Religiöser Agnostizismus mit Proliferationseffekt?

    Ich nehme im Folgenden hypothetisch an, dass mit Agnostizismus die Urteilsenthaltung und nicht der Fallibilismus gemeint ist.

    Nun kommt es darauf an, bei welchen religiösen Aussagen eine Urteilsenthaltung erfolgt. Als Beispiel sei die Aussage betrachtet, dass allmächtige übernatürliche Entitäten aktiv ins Weltgeschehen eingreifen. Allmächtige übernatürliche Entitäten können definitionsgemäß beliebige Ereignisse auslösen. Ein urteilsenthaltender Agnostizismus im Hinblick auf *diese* Aussage hat nun Auswirkungen auf die Grundannahmen naturwissenschaftlichen Arbeitens. Eine dieser hypothetischen Grundannahmen ist die Geltung zeitinvarianter Naturgesetze, was die Grundlage für Prognoseleistungen bildet. Naturgesetze werden hier verstanden als regelmäßige Muster im Verhalten der Dinge. Diese Grundannahme lässt sich nun nicht mehr postulieren. Sie muss ersetzt werden durch: Das Verhalten der Dinge kann sich jederzeit beliebig ändern, braucht es aber nicht.

    Kompatibilität mit dem kritischen Rationalismus?

    Diese letzte Aussage ist jedoch nicht kritisierbar und empirisch leer, denn sie ist mit Beliebigem vereinbar. Die ursprüngliche Annahme, dass es regelmäßige Muster im Verhalten der Dinge gibt, ist hingegen kritisierbar und zwar durch den empirischen Beleg kapriziösen Verhaltens, das sich partout nicht in Einklang mit zeitinvarianten Naturgesetzen bringen lässt. Das wiederum zeigt, dass ein Agnostizismus, der diesen negativen Footprint in der Wissenschaftstheorie hinterlässt, mit dem kritischen Rationalismus nicht kompatibel ist. Letzterer fordert schließlich, dass sowohl wissenschaftliche als auch metawissenschafltiche Aussagen kritisierbar sein sollen.

    Das soll nur zeigen, dass nicht alle Varianten agnostischer Urteilsenthaltung mit dem kritischen Rationalismus kompatibel sein müssen.

    Dass die Annahme der zeitinvarianten Naturgesetzlichkeit kritisierbar ist, schien mir bestritten worden zu sein. Zitat: “damit wird mein Standpunkt deutlicher, dass man diese ‘Naturgesetze’ schlicht anpassen würde, wenn man regelmäßig ‘Wunder’ beobachten würde.” Das behandle ich ich in einem weiteren Beitrag.

  453. @Balanus 09.03. 20:59

    „Was für das Individuum gilt, trifft auch auf die Entstehungsgeschichte der Menschheit zu: Hätte der Mensch von Anbeginn an Huxleys Methode beherzigen können (gehe so weit, wie die Vernunft trägt, unterlasse voreilige Schlussfolgerungen, wo Belege fehlen), hätten Behauptungen über die Existenz überempirischer Mächte gar nicht erst aufkommen können. Da bin ich mir sicher.“

    Ein sympathischer Gedanke. Aber was ist, wenn spirituelle Erfahrung bei Steinzeitmenschen noch häufiger waren, als heute. Auch angesichts er Drogen, die da teilweise im Umlauf waren?

    Und überhaupt, sollte man den Steinzeitmenschen nicht intellektuell unterschätzen. Der war durchaus zur Vernunft fähig.

    Als die Zivilisationen aufkamen, und damit meine ich die Idee einer Elite, die das Volk regiert, da kamen dann die verschiedenen großen Religionen auf, die u.a. auf eine gute Regierbarkeit der Bevölkerung ausgerichtet waren. Entsprechend wurden die Religionen in der Regel zur absoluten Pflicht, und jede Kritik war meistens lebensgefährlich.

    Ich denke, dass dieser Druck wesentlicher war, als dass die Menschen schon früh mit dem Gottesbegriff konfrontiert waren. Obwohl das sicher eine Rolle spielt. Die Überwindung des Pflichtglaubens ist tatsächlich erst über Generationen langsam gewachsen, ein Prozess, der anscheinend immer noch anhält.

    Seit dem die Menschen ihre Freiheit wiederhaben, da geht es auch mit den Kirchen bergab. Die müssen sich neu ausrichten, und unabhängig davon glauben immer mehr Menschen das, was sie wirklich wollen.

    Inzwischen hat die Wissenschaft entsprechend viel gesichertes Wissen angesammelt, dessen Kenntnis dann auch viele ehemaligen Glaubensfragen ersetzen kann. Eine weltoffene Religiosität ist eine vernünftige Konsequenz daraus, einige Glaubensfragen sind aber noch übrig geblieben.

  454. @Timm Grams 09.03.2021, 23:00 Uhr

    Agnostizismus

    [Ich:] Wollen Sie die Vernunft aus dem Spiel lassen, wenn Sie über derartige Fragen diskutieren wollen?

    Natürlich nicht. Hauptwerke der Philosophie von Descartes und Kant befassen sich damit. Die Reichweite der Vernunft ist im konkreten Fall zu klären. Grundsatzfragen können meines Erachtens nicht so nebenbei mit abgehandelt werden.

    Mir geht es aber genau um diese Grundsatzfragen. Daher meine Nachfrage, weil Sie sehr missverständlich formuliert hatten.

    [Ich:] Wenn Agnostizismus eine epistemische Position ist und Atheismus eine (lebens)pragmatische, dann sind das zwei Kategorien.

    Das sehe ich anders. Agnostizismus bezieht sich genau wie Atheismus und Theismus auf die Metaphysik;

    Mich würde interessieren, wie Sie begründen, dass Ihre Auffassung von ‘Agnostizismus’ korrekt ist und nicht meine.

    da reicht die Wissenschaft nicht hin. Genau das besagt Agnostizismus.

    Das hängt an Ihrer Definition. Und genau um diese geht es mir. Nur nebenbei, kennen Sie

    Heer, F.; Kahl, J.; Deschner, K. (1977) ‘Warum ich Christ/ Atheist/ Agnostiker bin’ Köln, Kiepenheuer & Witsch

    Daraus folgt für mich, dass Ihre Aussage

    Man kann problemlos ohne Widerspruch atheistischer oder theistischer Agnostiker sein.

    falsch ist.

    Ich vertrete diese Auffassung seit vielen Jahren, auch Theologen gegenüber und mir ist bisher nicht widersprochen worden. Ich habe das auch in meinem ‘Glaubensbekenntnis’ auf meiner Webseite stehen. Dieser Text wurde in Materialsammlungen für den Religionsunterricht übernommen und bisher hat niemand protestiert. Daher wundere ich mich über Ihre Aussage.

    Mein Standpunkt

    ‘Negative Theologie’ ist ein fast lupenreiner Agnostizismus. Aber vermutlich müssten wir erst klären, ob Ihre Definition von ‘Agnostizismus’ der meinigen widerspricht. Dazu gehört auch, wie Sie oder ich begründen, warum wir eine bestimmte Definition verwenden.

    Nur nebenbei, ich bin inzwischen Ignostiker, aus eben den Gründen, die unseren Dissens bedingen. Daher sollte ich den erwähnten Text auf meiner Homepage anpassen, ich habe ihn nur dort belassen, falls jemand den Text in einer Materialsammlung findet.

    Gern konzidiere ich, dass der Agnostiker konfliktfrei mit Gläubigen, Theisten und Atheisten, zusammenleben kann. Genau das praktiziere ich, der Agnostiker, ganz pragmatisch.

    Das ist orthogonal zu dem, was wir diskutieren. Aber ich sehe Ihren Punkt. Ich habe mich auch aus dem Grund als ‘Agnostiker’ bezeichnet, um bei Diskussionen mit Theologen so sinnleeren ‘Argumenten’ wie “Sie können doch nicht begründen, warum es keinen Gott geben kann …” den Wind aus den Segeln zu nehmen.

    Nur nebenbei, kennen Sie

    Russell, B. (1947) ‘Am I An Atheist Or An Agnostic? A Plea For Tolerance In The Face Of New Dogmas’

    Russell schreibt dort, dass er sich, wenn er mit dem ‘Mann auf der Straße’ redet, als Atheist bezeichnet, aber wenn er vor Philosophen spricht, sich selbstverständlich als Agnostiker bezeichne. Das macht übrigens auch Dawkins, aus demselben Grund wie Russell.

    Es wird durchaus komplex, wenn man diese Definitionen näher untersucht, und ich vermute, dass Sie nicht unbedingt die Deutungshoheit beanspruchen können.

    Ebenso widerspreche ich auch Joker, wenn er meint

    [Joker zitiert mich mit:] Agnostizismus ist eine epistemische, Atheismus eine (lebens)pragmatische Einstellung, keine der beiden eine ontologische Position.

    Es scheint Ihnen entgangen zu sein, dass Joker mich aus einem Posting an Sie zitiert hat,

    https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/religion-oder-naturalismus-wer-gewinnt/#comment-50243

    auf das Sie sogar ‘geantwortet’ haben.

  455. @Timm Grams

    ich habe Ihnen ausführlich geantwortet, aber das Posting erscheint nicht. Vermutlich enthielt es zu viele Links oder war zu lang.

    Kann sein, dass Herr Schleim entscheiden muss, ob das Posting erscheinen kann. Ich warte mal ab, falls es nicht erscheint, poste ich eine Version ohne Links.

  456. Jeckenburger,
    “Existenz überempirischer Mächte ”
    Schon wieder ein neuer Begriff ?
    Wenn eine Macht nicht erfahrbar ist, dann ist sie keine Macht.
    Der Gott der Juden hat sie aus der Gefangenschaft geführt und so haben es die Juden erfahren und geglaubt bis in die heutige Zeit.
    Wollen Sie dem widersprechen ?

    wollen Sie auftreten und sagen: Hört mal her, ihr habet Euch geirrt, nach meinem Wissenschaftsverständnis unterliegt ihr einem Irrtum!

    Wir haben es hier mit Kultur zu tun, und nicht mit einer naturwissenschaftlichen Theorie. Begreifen Sie endlich mal, die Naturwissenschaft darf keine Aussagen bezüglich Religion machen. Wiederholen Sie nicht den Fehler, den die Religion gemacht hat, als sie ein Denkverbot verhängt hat über einen Bereich, für den die Religion nicht zuständig ist.

  457. @Stephan Schleim

    ad fontes

    Da sich unser etwas unerfreulicher Disput daran entzündete, dass wir in medias res über eher biologische Details gekabbelt haben, vielleicht doch noch ganz allgemein zu Ihren Punkten, über die Sie eigentlich diskutieren wollten. Ich kürze Ihre Punkte, Sie wissen sicher, was Sie sonst noch geschrieben haben.

    1. Man braucht keinen Gott anzunehmen, um die Welt zu erklären;

    Man braucht die Übernatur (darunter fasse ich alles, was nicht naturalistisch ist) nicht, um den Lauf der Welt zu erklären, aber warum es überhaupt eine Welt gibt, führt zu der nicht lösbaren Frage brute fact vs. Schöpfung. Wenn man irgendwo eine Übernatur braucht, dann hier. Dann gibt es entweder keine Erklärung (‘brute fact’) oder nur eine Zwischenlösung (Schöpfung durch einen als ‘brute fact’ hinzunehmende Übernatur).

    2. In unserer Diskussion kam häufig von naturalistischer Seite der Einwand, Phänomen X könne man naturwissenschaftlich – meist ist gemeint: physikalisch oder biologisch/evolutionär – erklären.

    Unter der Prämisse, dass es überhaupt eine Erklärung gibt, geht der emergentistische Materialist davon aus, dass sie keine Übernatur benötigt. Wenn man davon ausgeht, dass das Sein in Ebenen (und das auch noch diachron) organisiert ist, von subatomaren Teilchen bis hin zum Universum, und davon ausgeht, dass auf Seinsschichten Gesetzlichkeiten emergieren, die nicht durch Eigenschaften von Elementen tieferer Seinsschichten erklärbar sind, ist die Auffassung einer Übernatur auf der Ebene der bewusst argumentierenden Menschen zu sehen und kann hier wie eine Erklärung aussehen. Das Problem ist aber, dass sich nirgends auf den tieferen Stufen die Wirkung einer eingreifenden Übernatur zeigt. Daher widerspricht die Auffassung, dass durch eine Übernatur erklärt werden kann, letztlich den Eigenschaften des Seins.

    Der Naturalist (verstanden als ‘jemand, der davon ausgeht, dass alles mit rechten Dingen zugeht’) geht also nicht davon aus, dass Geistiges (also das, was Menschen denken) durch Befunde auf der Ebene der Elementarteilchen erklärt werden könnte, aber er behauptet, dass die Erklärungen nichts widersprechen, was auf dieser Ebene gilt. Da man dort keine Wirkung einer eingreifenden Übernatur findet, ist sie auch nicht auf der Ebene des Geistigen zulässig.

    3. Beispielsweise seien Menschen religiös, weil das einen evolutionären Vorteil (einen Überlebensvorteil) biete.

    Dazu müsste man zunächst definieren, was ‘religiös’ bedeuten soll. Fakt ist, dass es keine naturalistische Gesellschaft schaffte, auch nur 100 Jahre lang eine Reproduktionsrate zu erzielen, die den Bestandserhalt sichert. Wenn Religion psychische Stabilität verschafft (was durchaus plausibel ist), was dazu führt, dass man auf die Zunkunft vertraut, ist es plausibel, dass man eher Kinder zeugt als wenn man pessimistisch eingestellt ist. Ist ein weites Feld, aber meiner Meinung nach plausibel. Aber eben nichts, was etwas über den Wahrheitsgehalt einer Religion aussagen würde.

    4. Die Kernaussage des Naturalismus, alles Existierende lasse sich naturwissenschaftlich erklären,

    Ich sehe eher, dass keine Erklärung im Bereich des Existierenden eine Erklärung ist, wenn sie von einer Übernatur ausgeht. Auch wenn Nobelpreisträger in den Naturwissenschaften religiös sind, findet man diese Übernatur nicht in deren Theorien, die sie publizieren.

    5. Religiöse und naturwissenschaftliche Aussagen können, doch müssen sich nicht zwingend widersprechen.

    Wenn ich mit dem, was ich oben geschrieben habe, Recht habe, widersprechen Religionen, die von einer Übernatur ausgehen, zwingend naturwissenschaftlichen Aussagen. Religionen vertreten bestenfalls in Teilbereichen Positionen, die naturwissenschaftlichen Aussagen nicht widersprechen. Aber das sind letztlich Bereiche, die mit Religion nichts zu tun haben.

    6. Die Diskussion darüber, was die “Naturgesetze” genau ausschließen, hält an. (Ich verwende den Begriff in Anführungszeichen, da ich Gesetze für menschliche Konstrukte halte, die, in diesem Fall, Naturvorgänge und Naturkräfte formalisieren sollen.)

    Exakt, ‘Naturgesetze’ sind letztlich Reifzierungen für regelhaft verlaufende Prozesse, sie werden auch meiner Meinung nach konstruiert und nicht gefunden. Sollte es eine eingreifende Übernatur gehen, würde sie einem Naturgesetz nicht unbedingt entsprechen, falls es sich um einen intentionalen Akteur handelt. Der könnte erratisch agieren, obwohl er wirkt.

    7. Im Zusammenhang damit wird mein Standpunkt deutlicher, dass man diese “Naturgesetze” schlicht anpassen würde, wenn man regelmäßig “Wunder” beobachten würde.

    Exakt. Aber bisher steht der Nachweis aus, dass ‘Wunder’ passieren. Und, wie gesagt, ein regelhaft agierender Schöpfer würde sich nicht von einem ‘Naturgesetz’ unterscheiden. Allerdings ein intentionaler Akteur, und wenn ich richtig informiert bin, gehen die mir bekannten Religionen, falls sie einen Schöpfer vertreten, von einer derartigen Entität aus. Daher würde sich deren Wirken als Bruch in den bisher bekannten Regelhaftigkeiten zeigen.

    8. Offen bleibt die Frage und geht hier auch zu sehr ins Detail, was überhaupt als “Wunder” angesehen werden könnte.

    Stimmt. Man könnte beispielsweise einen Schabernack, den uns technisch weit überlegene Aliens spielen, nicht von einem ‘Wunder’ unterscheiden.

    9. In Anbetracht dieser Tatsachen scheint es mir nicht prinzipiell irrational, an etwas Göttliches zu glauben.

    Das erscheint mir als ein non sequitur. Rational wäre das dann, wenn es sich zeigen ließe, dass eine eingreifende Übernatur existiert.

    10. Diesen Glauben kann man aber nur für sich selbst individuell und nicht allgemeinverbindlich für alle begründen.

    Kann das dann noch rational sein? Das ist dann doch ‘faith’ vs. ‘belief’ oder auch ‘Wahrheit’ vs. ‘Gewissheit’.

    11. Dogmatismus bringt die Diskussion nicht weiter und gilt es zu vermeiden.

    Wie sagt Lisa Eckhart: “Man muss sich auch mal trauen, Recht zu haben …” (aus dem Gedächtnis zitiert). Wenn man evidenzbasierte Argumente hat, sollte man sich auch zutrauen, eine andere Auffassung unter Irrtumsvorbehalt als falsch einzuschätzen.

    Insbesondere gefährdet Dogmatismus mit seiner Verabsolutierung das tolerante und friedliche Zusammenleben der Menschen.

    Das ist natürlich richtig, aber eher ‘orthogonal’. Ein wahrer Satz ist ein wahrer Satz, ob er gefällt oder nicht. Ich würde Ihnen auf der Ebene der Gesellschaft zustimmen: da könnte ‘wahr’ sein, was der Gesellschaft dient, vollkommen unabhängig davon, ob das faktisch korrekt ist oder auch nicht. Wir diskutieren aber auf rationaler Ebene, oder sehe ich das falsch?

    12. Aufgrund dieser Punkte scheint mir der Standpunkt des Agnostikers, wie im dritten Teil dieser Serie nach dem Biologen und Philosophen T. H. Huxley definiert, als der vernünftigste.

    Ich denke, dass mit “in necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas” das Wesentliche gut ausgedrückt ist. Ich würde unter ‘necessariis’ aber durchaus das fassen, was naturwissenschaftlich gesichert ist. Wenn ein Glaube dem widerspricht, ist Agnostizismus im Sinne von Urteilsvorbehalt eine schlechte Wahl.

    13. Im Detail bliebe zu klären, inwiefern sich dieser Standpunkt mit dem des Kritischen Rationalismus deckt. (Falls es jemanden interessiert.)

    Ich vertrete zwar weitgehend diesen Standpunkt, aber das ist dann wohl doch etwas diffizil.

    14. Pragmatiker könnten einen Schritt weitergehen und aus praktischen Gründen an etwas Göttliches glauben.

    Das hatten wir implizit schon oben (unter 3).

    Das Argument hierfür lieferte außgerechnet ein Naturalist: Denn bestimmte religiöse Praktiken würden einen Überlebensvorteil bieten.

    Ich habe hier nicht alles gelesen. Wen meinen Sie?

    In einer philosophischen Pattsituation könnte das den Ausschlag geben.

    Aber auch nur dort, und daraus würde ziemlich exakt Null für das ‘Sein des Seienden’ folgen, s.o.

    Tatsächlich sehen wir nicht nur ein stetiges Zunehmen der Weltbevölkerung, sondern insbesondere auch der Anzahl der Gläubigen.

    Ich würde darin ein Argument sehen, falls es nur eine Religion gäbe. Dazu sollte man Religiosität und Religion unterscheiden. Religiosität ist wohl das Produkt exaptierter neuronaler Module, die beim bewussten Menschen für bestimmte Gefühle zuständig sind. Diese ‘freischwebende Religiosität’ wird möglicherweise in Form einer konkreten Religion gelebt. Sollte es eine eingreifende Übernatur geben, wäre eher plausibel, dass sich irgendwann alle Glaubenden auf eine Religion einigen würden. Es ist sicher kein Zufall, dass die meisten Menschen den Glauben vertreten, in den sie hineinsozialisiert wurden.

    So, das waren meine 0,02 Euronen zum eigentlichen Thema.

  458. Aussagen wie

    Man kann problemlos atheistischer oder theistischer Agnostiker sein (Joker).

    scheinen mir auf eine Sprachverwirrung zurückzugehen, die von der Wikipedia angerichtet worden ist.

    Der Wikipedia-Eintrag zum Agnostizismus zeigt, dass Schwärme oft nur Mittelmäßiges hervorbringen. Ein Problem ist, dass die Wikipedia spachschöpferisch tätig wird und darüber den enzyklopädischen Auftrag vergisst. Begriffsgrenzen werden verwischt und Begrissabgrenzungen aufgehoben, derart, dass ein Agnostiker auch Theist oder Atheist sein kann. Diese Vermengung von Begriffen ist der Verständigung nicht förderlich.

    Ich bleibe bei den landläufigen Auffassungen:
    Glaube ist das nicht methodisch begründete dennoch zweifelsfreie Für-wahr-Halten (Brockhaus, 2005). Agnostizismus im Sinne Huxleys schließt dieses nicht nachweisliche Für-wahr-Halten ausdrücklich aus.

  459. @Schleim
    “Gebe in Sachen des Intellekts nicht vor, dass Schlussfolgerungen sicher sind, die nicht bewiesen wurden oder nicht beweisbar sind.”

    Würde dieses Prinzip konsequent befolgt, dann gäbe es keine Naturwissenschaft, von Religion ganz zu schweigen. Es bleibt nichts anderes übrig, als einen pragmatischen, d.h. im Fall der Naturwissenschaften einen empirischen, Standpunkt einzunehmen. Oder man muss vorab klären, was man als Beweis anerkennen will, sonst handelt man wie die russische Regierung, die jeden Beweis ihrer Handlungen infrage stellt oder als unzutreffend zurückweist. Auch die Vertreter einer Religion nehmen für sich Intellekt und Vernunft in Anspruch!

    Logische Beweise schaffen keine neue Information, sondern machen unsichtbare Information sichtbar, oder machen implizite Information explizit.

    Es ist ein ganz irriges logisches Vorurteil, daß sich alle Wahrheit beweisen lassen müsse. Durch alle Beweise können wir vielmehr nichts erkennen und entdecken, was nicht schon implizit in den Grundsätzen lag, wir können uns nur dieses deutlicher machen und klarer zu Bewußtsein bringen. Beweise sind nur notwendig und möglich für mittelbare, abgeleitete Sätze, aber ebenso unnötig wie unmöglich für Grundsätze.

    Ernst Cassirer (1874-1945), Der kritische Idealismus.

  460. @ Thomas Waschke 10.03.2021, 09:22 Uhr

    Zitat: “1. Man braucht keinen Gott anzunehmen, um die Welt zu erklären;“

    Sie brauchen überhaupt keinen bestimmten Begriff anzunehmen um irgendwas zu erklären, aber es führt zu mitunter skurrilen Problemen. Vermutlich gibt es deswegen Begriffe, Namen …. um vernünftig Kommunikation betreiben zu können.

    Eine wohlhabende aber etwas „eigenwillige“ alte Frau in meiner Umgebung, hat vor rund 60 Jahren den Begriff „Sessel“ strikt abgelehnt, und das Wort „Stuhl“ benutzt, ähnlich wie Atheisten das Wort „Gott“ ablehnen.

    Das hat natürlich zu subtilen „Ausgrenzungen“ geführt. Z.B. Kinder, denen die „Eigenart“ aufgefallen ist und die sie ärgern wollten, benutzten das „Tabu Wort“ wo immer es ging, aber auch besonders das Ersatzwort wenn es zu absurden Zweideutigkeiten führte.

    Im Zusammenhang mit „Gott“ scheint klar, wenn es praktisch sicher eine „Welt“ gibt, so muss es auch irgend einen Entstehungsmechanismus geben, selbst wenn man ihn nicht vollständig oder nur zu wenig kennt. Es scheint auch klar, naheliegend und völlig legal, diesem Mechanismus einen „Bezeichner“ zu geben, so wie eben z.B. das Programm „Word, Word heißt.

    Theologen haben den Begriff „Gott“ gewählt, ihn als transzendent und immer wahre Tautologie definiert. Die Mechanismen im Zusammenhang mit der Weltentstehung sind eben ganz genau so wie sie wirklich sind und weil man sie nur unzureichend versteht, eben transzendent. Das ist absolut legal, auch die Mathematiker haben z.B. Pi oder e vergleichbar definiert.

    Man kann kritisieren dass sie bei der Nutzung des „Allquantors“ (Allmächtig, All gütig) widersprüchlich waren. Aber gegen ihre Definition von „Gott“ kann man nur vergeblich anrennen, die scheint absolut „felsenfest“.

  461. Nelson Gyles
    ” Naturalism may just emerge the unscathed post-modern religion in a sense.”
    as well as here in the blog.

  462. Elektroniker,
    das war ihre beste Erklärung.
    Nachtrag: Gott ist ein Name, kein Begriff. Deswegen lässt sich “Gott ” nicht definieren.

  463. @ Thomas Waschke 10.03.2021, 09:22 Uhr

    Zitat: „Wenn ich mit dem, was ich oben geschrieben habe, Recht habe, widersprechen Religionen, die von einer Übernatur ausgehen, zwingend naturwissenschaftlichen Aussagen. Religionen vertreten bestenfalls in Teilbereichen Positionen, die naturwissenschaftlichen Aussagen nicht widersprechen.“

    Ich meine nicht, dass für Religionen alles zwingend „übernatürlich“ ist. Sie glaubten ehemals z.B. an die nahe liegende „Weltscheibentheorie“ und das war ein Desaster. Wissenschaftler „glaubten“ an die eigentlich, aus Sicht der normalen Betrachtungsebene, unnatürliche und völlig absurde „Weltkugeltheorie“.

    Die Katholiken haben offensichtlich die Wissenschaft einfach “ausgelagert”, weil die in der Wissenschaft häufig notwendigen „Updates“ in einer die Menschen steuernden Ideologie nicht vermittelbar wären. Es kann heute nicht gelten, was gestern noch verboten war. Sieht man jetzt in der Pandemie Krise. Die teilweise scheinbaren Widersprüche machen die Menschen fast verrückt…

    Religionen wollen dies möglichst vermeiden.

  464. @Chrys / 10.03.2021, 00:22 Uhr

    » Wenn für Dich hier der Zufall waltet, was meinst Du damit…?«

    Wie ich schrieb, Zufall (als Konzept der Physik/Biophysik/Biochemie) statt Gott (als Konzept der Metaphysik).

    »…und wenn schon “der Alte nicht würfelt”, wer würfelt dann? «

    Die Ziehung der Lottozahlen halte ich im Zusammenhang mit Zufall und der genetischen Variabilität der Nachkommenschaft für das passendere Bild. Wir haben zwei Ziehungstrommeln (eine pro Elternteil) und die Zahlen stehen für die genetische Information, die am Ende in einen Topf kommt. In diesem Setting ergibt die Frage, wer, wenn nicht der „Alte“, die resultierenden Zahlensequenzen bestimmt, meines Erachtens keinen Sinn. Denn es ist offensichtlich, dass die Maschine aufgrund ihrer Konstruktion die Zahlen ohne fremde Hilfe aus der Trommel fischen kann.

    Kardinal Schönborn mag gerne glauben, dass Gott bei der Ziehung seine Finger im Spiel hat, und der Agnostiker mag dazu schweigen, aber der Rest der Welt darf mit Recht davon ausgehen, dass auch hier alles mit rechten Dingen zugeht.

  465. @Elektroniker 10.03. 12:18

    „Die Katholiken haben offensichtlich die Wissenschaft einfach “ausgelagert”, weil die in der Wissenschaft häufig notwendigen „Updates“ in einer die Menschen steuernden Ideologie nicht vermittelbar wären.“

    In der Tat zeigt sich hier auch, dass wissenschaftliche Erkenntnisse leichter nur vorläufig sind, als es scheint. Gerade wenn irgendwas Hip ist, dann gehen hier schnell Fakten als wahr durch, die erst Jahrzehnte später als Fakes erkannt werden. Dem Wissenschaftler ist dies meistens eher klar, aber gerade was über die Medien dem Laien präsentiert wird, wird dann öfter Jahre später doch wieder zurückgenommen. Das fördert gar nicht das generelle Image der Wissenschaft.

    Umso wichtiger ist:

    “Gebe in Sachen des Intellekts nicht vor, dass Schlussfolgerungen sicher sind, die nicht bewiesen wurden oder nicht beweisbar sind.”

    Lügen haben kurze Beine, heißt es auch. Auch wenn der Wissenschaftler mit einer unsicheren Aussage sehr sympathisiert, wenn es sich dann nur ab und an mal doch als voreilig erweist, macht das einen ganz schlechten Eindruck. So kann man Vertrauen verspielen.

    @Thomas Waschke 10.03. 09:22

    „…,dass auf Seinsschichten Gesetzlichkeiten emergieren, die nicht durch Eigenschaften von Elementen tieferer Seinsschichten erklärbar sind, ist die Auffassung einer Übernatur auf der Ebene der bewusst argumentierenden Menschen zu sehen und kann hier wie eine Erklärung aussehen. Das Problem ist aber, dass sich nirgends auf den tieferen Stufen die Wirkung einer eingreifenden Übernatur zeigt“

    Das ist hier der Kern des Problems. Dass Physiker immer nur nach Regelmäßigkeiten suchen, ist schlichtweg ihre Methode, die ihren Sinn hat. Mit Unregelmäßigkeiten kann man eher keine Maschinen bauen, das ist weniger interessant. Aber wer nur Regelmäßigkeiten sucht, der findet auch nur Regelmäßigkeiten. Auf der Grundlage zu behaupten, es gäbe keine Unregelmäßigkeiten, das ist eben einfach vorgegriffen.

    Und es ist ja nicht so, dass hier niemand aufgrund eigener spiritueller Erfahrungen dagegen protestiert, und meint, dass es doch „Übernatur“ geben muss. Hier immer noch einfach zu behaupten, es sei ERWIESEN, dass es dies nicht geben kann, ist meiner Ansicht nach einfach unredlich und auch respektlos.

    Ich meine man sollte hier eben in den sauren Apfel beißen, und akzeptieren, dass man eigentlich nie wirklich nach der „Übernatur“ auf den tieferen Stufen der Physis gesucht hat. Und dem zufolge kann man gerne GLAUBEN, des es diese nicht gibt. Wenn einer keine eigenen spirituellen Erfahrungen hat, ist das angesichts der persönlichen Faktenlage sogar fast alternativlos, und keiner hat hier was dagegen. Aber wer hier vorgibt, es zu WISSEN, der disqualifiziert sich dabei eigentlich nur selbst.

  466. Noch ein paar „Rück-Kommentare“:

    @Stephan Schleim … hier

    …Bescheidenheit …

    ist richtig und wichtig im Umgang mit der Natur.

    Den größten Teil der Menschheitsgeschichte hat uns eben nicht die Biomedizin geholfen, sondern religiöse Rituale, Schamanen, Medizinmänner/-frauen und so weiter. Der menschliche (in einem konkreten sinn aber auch: biologische) Wert von Hoffnung und Gemeinschaft, nennen Sie es meinetwegen Placebo-Effekt, fehlt mir in der naturalistischen Perspektive. Im Gegenteil machen sich viele darüber sogar lustig.

    Nichts Grundsätzliches gegen religiöse Rituale, Schamanen, Medizinmänner/-Frauen usw.

    Bzgl. Gesundheit gibt es viele Einschränkungen (z.B. Verletzungen, Krankheiten), von denen ein Patient durch Selbstheilungskräfte (z.B. Verheilen von Wunden oder Knochenbrüchen, Bekämpfen von Krankheitserregern durch das Immunsystem) „von alleine“ genesen kann.

    Rituale usw. können die Selbstheilungskräfte dabei effektiv unterstützen (z.B. durch Beruhigung, geschützte Umgebung) und dabei helfen, z.B. Entzündungen oder Folgeerkrankungen zu vermeiden – mit der Einschränkung, dass der jeweilige „Helfer“ zum Patienten passen muss. Für nicht religiöse Menschen würde ich z.B. Autogenes Training unter „usw.“ einbeziehen.

    Sie sind zu jung, um aus eigenem Erleben zu wissen, dass in den 1950er Jahren eine Polio-Welle in Deutschland zu zahlreichen Ansteckungen und Erkrankungen bis zu Todesfällen führte. Eine Impfung gegen Polio war erst ab Ende der 1950er Jahre verfügbar. Ab ca. 1962 war Deutschland „voll“ mit Plakaten mit der Aufschrift „Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam“.

    Allein mit Ritualen und den anderen genannten Helfern hätte man damals nichts erreicht.

  467. Zusammengefasstes …
    @einer // 08.03.2021, 14:27 Uhr

    Da gab es schon Studien zu, eine besseres Benehmen der Gläubigen lässt sich statistisch nicht nachweisen.

    Gut, dass ich „könnte“ geschrieben hatte.

    @hwied // 08.03.2021, 14:48 Uhr

    Grundsätzlich scheine ich die Tendenz herauszulesen, dass Gott für die Menschen die ultima ratio sei.

    Na ja, bei mir selbst sehe ich diese Tendenz nicht.

    Doch das hilft weiter, das schafft Respekt vor der Schöpfung und mehr wollen wir beide nicht.

    Statt „Schöpfung“ würde ich in diesem Satz lieber „Natur“ sagen. Aber sonst stimme ich zu.

  468. @ Balanus 10.03.2021, 13:23 Uhr
    @ Thomas Waschke

    Zitat: “Kardinal Schönborn mag gerne glauben, dass Gott bei der Ziehung seine Finger im Spiel hat, und der Agnostiker mag dazu schweigen, aber der Rest der Welt darf mit Recht davon ausgehen, dass auch hier alles mit rechten Dingen zugeht.“

    Beim Konzept des „Intelligent Design“ kommt es vermutlich darauf an, dass „intelligente Funktionen“ eine Rolle spielen, letztlich Muster systematisch auftreten und verarbeitet werden können. Die Muster können auch von einer „Zufallsgenerator Maschinerie“, alles auf Basis chemischer und physikalischer Gesetzmäßigkeiten, generiert und ausgewertet werden.

    Eine derartige „Maschinerie“ hat den Vorteil, dass in besonders schneller Folge die Prozesse ablaufen können und nicht langsame natürliche Mutationen „abgewartet“ werden müssen. Die schnelle Folge kann dadurch entstehen, weil schnelle („Takt“) Zyklen die jeweiligen Prozesse „anstoßen“.

    Interessant finde ich, dass derartige Zufallsgeneratoren, abhängig vom „Betriebsmodus“, einerseits immer neue Variationen generieren können, aber auch in einen anderen Modus „geschaltet“ (bzw. „fallen“) können und nur mehr sehr geringe neue Variationen, abhängig z.B. von der elterlichen DNA erzeugen können.

    Derartige Maschinerien die extrem viele und extrem lange DNA Ketten von „zufällig“ angeordneten DNA Codeelementen generiert haben, können in einen „Modus verfallen“ und nur mehr bestimmte Abschnitte z.B. Codes für eine Pflanze, Maus, Mensch …. auswerten, bzw. „exprimieren“.

    Bedeutet: Von den vielen Richtung Unendlich gehenden Zufallsvariablen, dürften viele überhaupt nicht genutzt werden, aber bestimmte Abschnitte wenn sie exprimiert werden, können die Existenz und das generative Verhalten verschiedener Lebewesen bewirken.

    Der Grund dass die Maschinerie in einem bestimmten Modus geschaltet wird, könnte meiner Meinung nach sein, dass jeweils auf bestimmte Steuerungszyklen „geschaltet“ wird, bzw. relevant werden. Biologische Maschinen könnten jeweils im einen bestimmten Status „verfallen“.

    In der Elektronik kann man Zufallsgeneratoren bauen, die in einer praktisch endlosen Folge immer wieder neue Zufallsfolgen generieren, aber auch in einen anderen Modus „geschaltet“ werden können und immer wieder die gleichen Zufallsfolgen generiert werden können.

  469. @Jeckenburger
    Das ist hier der Kern des Problems. Dass Physiker immer nur nach Regelmäßigkeiten suchen, ist schlichtweg ihre Methode, die ihren Sinn hat.

    Das stimmt so nicht. Regelmäßigkeiten kann man immer erst im Nachhinein erkennen, wenn man genügend viele Beobachtungen gemacht hat. Die Physiker suchen nach Erklärungen für die Beobachtungen. Dabei wird nach Wiederholungen bzw. Regelmäßigkeiten gesucht. Das ist der Sinn der Wissenschaft. Aus den Regelmäßigkeiten ergeben sich die Naturgesetze und Vorhersagemöglichkeiten.

    Singuläre Phänomene können Zufälligkeiten oder Beobachtungsfehler bzw. subjektive Wahrnehmungstäuschungen sein. Daraus lassen sich keine Schlussfolgerungen und keine objektiven Erkenntnisse ziehen.

  470. @Elektroniker 10.03.2021, 15:45 Uhr

    Ich habe versucht, das, was Sie schreiben, mit dem, was ich über Molekulargenetik, Evolution und Intelligent Design ‘Theorie’ weiß, irgendwie unter einen Hut zu bringen. Es ist mir auch nicht ansatzweise gelungen.

    Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum mir das nicht gelingt?

  471. @Stephan Schleim // 09.03.2021, 10:06 Uhr

    Ich halte mich lieber an die Tatsachen als an die Spekulationen.

    OK, allerdings …
    In dem Zusammenhang wäre deutlicher darzustellen, was das „Phänomen X“ ist, wie und von wem es beobachtet wurde, wann und wie oft es beobachtet wurde …
    „(Vollständig) … erklärt“ klingt für mich nach einem formalen Beweis, der hier sicher nicht möglich wäre. Ab wann könnte eine begründete Vermutung zusammen mit empirischen Ergebnissen als gut begründete Erklärung gelten? Evtl. ist meine Einschätzung hier eher Hoffnung als Zuversicht.

    Wenn Leben (nichts als) ein biologischer Prozess ist, dann müsste sich dieser doch wieder künstlich in Gang setzen lassen, wenn er natürlich zum Erliegen gekommen ist.

    Dazu hatte Balanus schon kommentiert und meine knappe Formulierung präzisiert. Vielen Dank.
    @Balanus // 09.03.2021, 17:40 Uhr

    Für heute muss das genügen. 🙂

  472. Tobias Jeckenburger 10.03.2021, 14:33 Uhr

    Das ist hier der Kern des Problems. Dass Physiker immer nur nach Regelmäßigkeiten suchen, ist schlichtweg ihre Methode, die ihren Sinn hat.

    In Physik bin ich blutiger Laie, das, was ich schrieb, basiert auf Kenntnissen in (Evolutions)biologie.

    Mit Unregelmäßigkeiten kann man eher keine Maschinen bauen, das ist weniger interessant. Aber wer nur Regelmäßigkeiten sucht, der findet auch nur Regelmäßigkeiten. Auf der Grundlage zu behaupten, es gäbe keine Unregelmäßigkeiten, das ist eben einfach vorgegriffen.

    Es ist etwas diffiziler. Sie haben Recht, seit man versucht, auf gut klassisch gesprochen, episteme via techne zu gewinnen, spielen ‘Maschinen’, ganz allgemein Einrichtungen, zu deren Funktion Kenntnisse von Regelhaftigkeiten gehören (dazu gehören beispielsweise auch biochemische Experimente), die zentrale Rolle. Scheint, zumindest unter der Annahme eines methodologischen Naturalismus, besser zu funktionieren als alle anderen Möglichkeiten.

    Für einmalige Ereignisse sind die Geschichtswissenschaften zuständig. Allerdings enthält die Evolutionsbiologie immer ein narratives Element und ist auch in Richtung singuläre Prozesse offen. Aber auch hier findet man keine Eingriffe einer Übernatur, zumindest nicht, wenn man übliche Standards anlegt.

    Und es ist ja nicht so, dass hier niemand aufgrund eigener spiritueller Erfahrungen dagegen protestiert, und meint, dass es doch „Übernatur“ geben muss. Hier immer noch einfach zu behaupten, es sei ERWIESEN, dass es dies nicht geben kann, ist meiner Ansicht nach einfach unredlich und auch respektlos.

    Es ist unbestritten, dass Menschen spirituelle Erfahrungen gemacht haben. Es wäre respektlos, das zu bestreiten. Die Frage ist nur, was davon irgendetwas darüber aussagt, was außerhalb der Schädeldecke dieser Personen erfolgt. Sie werden nie hören, dass ich behaupte, es sei erwiesen, dass dem nichts entspricht. Aber ich gehe davon aus, dass derjenige begründungspflichtig ist, der etwas behauptet. Das hat nichts mit Respektlosigkeit zu tun, ist kritisches Denken, mehr nicht.

    Ich meine man sollte hier eben in den sauren Apfel beißen, und akzeptieren, dass man eigentlich nie wirklich nach der „Übernatur“ auf den tieferen Stufen der Physis gesucht hat.

    Ich kenne etliche Arbeiten von Physikern, die meinen, hier etwas gefunden zu haben. Aber sie konnten das nicht evident machen. Zudem steht es jedem frei, sich mit solchen Fragen zu befassen und die Ergebnisse kritisch prüfen zu lassen.

    Und dem zufolge kann man gerne GLAUBEN, des es diese nicht gibt.

    Bitte nicht die Begründungspflicht verschieben. Der Skeptiker muss Sie nicht widerlegen, Sie müssen zeigen, dass Ihren subjektiven Empfindungen etwas Objektives zugrunde liegt.

    Wenn einer keine eigenen spirituellen Erfahrungen hat, ist das angesichts der persönlichen Faktenlage sogar fast alternativlos, und keiner hat hier was dagegen. Aber wer hier vorgibt, es zu WISSEN, der disqualifiziert sich dabei eigentlich nur selbst.

    Ich denke eher, dass Menschen, die nicht zeigen können, dass ihren subjektiven Empfindungen, die bestenfalls zu einer subjektiven Gewissheit führen können, etwas zugrunde liegt, das objektive Geltung beanspruchen könnte, Gefahr laufen, sich zu disqualifizieren. Denn der Skeptiker bezweifelt nicht die Erfahrung, nur, dass der etwas Objektives entspricht, das sich außerhalb der Schädeldecke des Empfindenden befindet.

    Wie gesagt, Ihre Pflicht, das zu zeigen, nicht meine, zu zeigen, dass so etwas prinzipiell nicht möglich ist.

  473. @Elektroniker 10.03.2021, 11:29 Uhr

    Sie haben nicht mich, sondern den ersten Punkt von Herrn Schleim im Eingangsartikel zitiert. Daher fühle ich mich nicht angesprochen

    Zitat: [Stephan Schleim, T.W.] “1. Man braucht keinen Gott anzunehmen, um die Welt zu erklären;

    Sie brauchen überhaupt keinen bestimmten Begriff anzunehmen um irgendwas zu erklären, aber es führt zu mitunter skurrilen Problemen. Vermutlich gibt es deswegen Begriffe, Namen …. um vernünftig Kommunikation betreiben zu können.

    Als Ignostiker vermeide ich den Begriff ‘Gott’ wenn irgend möglich, weil er derartige unscharf ist, dass man nicht weiß, was darunter zu verstehen sein soll. Ich kenne nur Gottesbegriffe bzw –bilder, von nebulösen wie dem Vonwoher meines Umgetriebenseins, dem SeinSelbst oder dem Möglichmachenden des Seins bis hin zum Wolkenopa, nicht nur der abrahamitischen Religionen bis hin zu Pandämonien mit einer Fülle von Gottheiten. Daneben noch den ‘Gott der Philosophen’ als logische Herleitung aus Sätzen über Sätze.

    Daher muss man für eine vernünftige Diskussion präzisieren, was man unter ‘Gott’ verstehen möchte. Man sollte nicht vergessen, dass die Äquivokation einer der beliebtesten Tricks der Theisten ist.

  474. @ Thomas Waschke 10.03.2021, 16:57 Uhr

    Zitat: „Ich habe versucht, das, was Sie schreiben, mit dem, was ich über Molekulargenetik, Evolution und Intelligent Design ‘Theorie’ weiß, irgendwie unter einen Hut zu bringen. Es ist mir auch nicht ansatzweise gelungen.

    Können Sie sich einen Grund vorstellen, warum mir das nicht gelingt?“

    Kann ich mir gut vorstellen. Sie haben sich vermutlich ihr ganzes Forscherleben mit Biologie, Evolution sicherlich auch mit chemischen Prozessen intensiv beschäftigt und sind vermutlich auch nicht von den üblichen „Denkpfaden“ abgewichen. Das ist selbstverständlich absolut ok und ich schätze die überragenden Leistungen aller Biologen sehr hoch ein.

    Aber falls Sie sich, zumindest theoretisch, auch mit möglichst „abstrakten“ aber elektronisch realisierbaren „Zufallsgenerator Mechanismen“ beschäftigt haben sollten, würde ich Sie bitten mir zu erklären warum derartige Systeme absolut nicht mit biologischen Konzepten kompatibel sein können, zumal ich vermute dass „die Natur“ derartige Konzepte schon längst höchst erfolgreich nutzt.

    Mir ist klar dass es sich um völlig unterschiedliche „Welten“ handelt. Aber in der Elektronik und in Computersimulationen hat man unglaublich viele Sachverhalte der Natur „abgeschaut“ und auf einer anderen Ebene erfolgreich realisiert.

    Techniker hatten auch ihren Spaß daran, Konzepte aus der Natur, sogar aus der Religion, wie z.B. die scherzhaft (intern auch) „Schutzengerlfunktionen“ genannten „Fahrerassistenzsysteme“ zu realisieren, die höchst erfolgreich in immer mehr Autos eingebaut werden.

    Es könnte zweckmäßig sein dies auch in umgekehrter Richtung zu versuchen. Also nach Konzepten die sich Elektroniker/Informatiker ausgedacht haben, in der Biologie zu suchen. Als Elektroniker erkennt man, dass die Natur sozusagen weitaus schneller war und neu entdeckte Konzepte schon längst in der Natur realisiert wurden.

    Die Techniker konnten sich über ihre Funktionen „austauschen“, Konstruktionspläne entwickeln und Betriebshandbücher weitergeben. Sie als Biologe haben das Pech, dass Sie keine Betriebs- bzw. Konstruktionsdetails haben. Heutzutage haben Sie höchstens insofern Glück, als Sie wenigstens auf die Steuerungssoftware (DNA) zugreifen können, aber nicht auf das Entwicklungskonzept.

    Elektronische Zufallsgeneratoren kann man gut nachvollziehbar erklären, ist allerdings für Fachfremde nicht so einfach.

    In meinem Beitrag habe ich stark zusammengefasst, man könnte es einfacher erklären.

  475. @Elektroniker 10.03.2021, 17:56 Uhr

    nur nebenbei, man hat mich auch Informatik studieren lassen.

    Mein Punkt war, dass das, was Sie schreiben, mit dem, was ich von Intelligent Design ‘Theorie’ weiß (ich befasse mich mit dem Thema, seit die ID-Bewegung gegründet wurde, und habe dazu schon die eine oder andere Publikation geschrieben, glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede), nicht viel zu tun hat. Sie greifen sich ein (aus meiner Sicht vollkommen irrelevantes) Detail heraus, das in diesem Kontext keinen Sinn macht.

    Aber falls Sie sich, zumindest theoretisch, auch mit möglichst „abstrakten“ aber elektronisch realisierbaren „Zufallsgenerator Mechanismen“ beschäftigt haben sollten, würde ich Sie bitten mir zu erklären warum derartige Systeme absolut nicht mit biologischen Konzepten kompatibel sein können, zumal ich vermute dass „die Natur“ derartige Konzepte schon längst höchst erfolgreich nutzt.

    Dann werden Sie doch konkret. Bei der Realisierung der Vielfalt der möglichen Antikörper des Immunsystems (die DNA könnte prinzipiell nicht die erforderliche Information enthalten, es ist verblüffend, mit wie wenig Genen man wie viele Proteine erzeugen kann) spielen Zufallsprozesse eine enorme Rolle. Zeigen Sie, dass Ihr Modell diesbezüglich Sinn macht. Und gehen Sie dann weiter und bringen Sie klonale Selektion mit in die Überlegungen ein. Dann hätten Sie die Grundlage gelegt, dass so ein Modell nützlich sein könnte.

    Oder zeigen Sie, dass die Experimente, die Axe als Intelligent Design-Vertreter mit zufällige erzeugten Protein-Domänen durchführt, mit Ihrem Ansatz sinnvoll bewertet werden können.

    So etwas würde mich überzeugen.

    Nur nebenbei, das Übertragen von Denkweisen wie die von Elektronikern, Technikern etc. auf Prozesse oder Strukturen in der Biologie ist das zweite Standbein der Intelligent Design ‘Theorie’. Der Mensch als ‘imago dei’ dient hier als Modell für Wirken des Designers in der Natur.

  476. @Balanus 09.03.2021, 20:59 Uhr

    Naturgegebene Religiosität vs. ‘positive’ Religion

    OffTopic: ‘Balanus’ klingt hübsch. Eine Anspielung auf Darwins ‘Initiationsritus’?

    Aber meine Überlegungen zielen eigentlich auf etwas anderes, nämlich darauf, dass der Gottesbegriff nicht naturgegeben ist, sondern dem Individuum irgendwann im Laufe seines Lebens begegnet (meistens leider bereits in der Kindheit). Und dann muss er/sie/es sich irgendwie dazu verhalten.

    Das heißt, noch bevor die Vernunft überhaupt zum Tragen kommen kann, wird der heranwachsende Mensch mit dem Gottesbegriff oder sonstigen überempirischen Entitäten konfrontiert.

    Klingt plausibel. Ich denke, es geht noch einen Tick weiter: die exaptierten neuronalen Module, die uns das Gefühl der Religiosität vermitteln, werden uns von der Evolution in die Wiege gelegt. Fruchtbarer Boden für Religionen mit deren Gottesbildern.

    Was für das Individuum gilt, trifft auch auf die Entstehungsgeschichte der Menschheit zu: Hätte der Mensch von Anbeginn an Huxleys Methode beherzigen können (gehe so weit, wie die Vernunft trägt, unterlasse voreilige Schlussfolgerungen, wo Belege fehlen), hätten Behauptungen über die Existenz überempirischer Mächte gar nicht erst aufkommen können. Da bin ich mir sicher.

    Auch hier gehe ich mit. Aber vermutlich musste auch hier erst eine Entwicklung einsetzen, bevor man ‘das Flüstern in uns’ (kennen Sie das Buch von Barash ‘Das Flüstern in uns. Menschliches Verhalten im Lichte der Soziologie’?) rational bewerten und in Bahnen lenken konnte.

    Aber leider ist es anders gekommen. Als der Mensch endlich in nennenswertem Maße Vernunft entwickelte, also vernünftig wurde, hatte das Überempirische (Götter, Geister, usw.) in fast allen Gesellschaften bereits Fuß gefasst.

    Kann man so sehen. Aber selbst wenn das Überempirische nicht mehr in Form von Göttern vertreten wird, bricht es sich doch oft Bahn. Viele Menschen, die traditionellen Religionen abspenstig wurden, vertreten nun andere Irrationalismen. Man könnte fast versucht sein, das ‘kleinere Übel’ zu identifizieren versuchen.

    Wenn ich diesen Gedankengang konsequent zu Ende denke, komme ich zu dem Schluss, dass Thomas H. Huxley (1825-1895) in seinem tiefsten Innern ein Naturalist gewesen sein muss.

    Aber ich kann mich auch irren…

    Sorry, überfragt, mit Huxley habe ich mich nur am Rande befasst. Der andere Weggefährte Darwins, Wallace, war jedenfalls dem Spiritismus zugeneigt und Darwin und Wallace haben sich über die Evolution des Menschen meines Wissens nicht zuletzt aus diesem Grund zerstritten.

    Welche weltanschauliche Einstellung Huxley vertrat ist vermutlich nicht leicht zu klären, vor allem, weil ‘man’ sich damals eher bedeckt hielt. Ich habe über ein Dutzend Darwin-Biographien gelesen, wenn Sie darin nach dessen religiöser Einstellung suchen, finden Sie alles, vom Atheisten bis zum frommen Theisten.

    Wenn man ihm selber glaubt, ist sein Theismus (Darwin war als er die Beagle bestieg, so fromm, dass er von der durchaus ebenfalls frommen Mannschaft verlacht wurde, kehrte aber, nicht zuletzt wegen seiner Diskussionen mit dem Kapität Fitzroy, als dessen Tischgenosse er mit auf dem Schiff war, als ‘Agnostiker’, okay, den Begriff gab es noch nicht, zurück) sanft entschlafen, obwohl er immer wieder die Position wechselte und nie zum Atheisten wurde. Marx hat ihm einen Band seines Kapitals gewidmet, worüber Darwin ‘not amused’ war, er weigerte sich auch, von Atheisten vereinnahmt zu werden.

    Ich glaube nicht, dass Huxleys Einstellung einfacher zu klären ist …

    Aber vielleicht weiß ja jemand mehr als wir.

  477. @Andresen: Was gilt als Erklärung?

    Das ist eine eigene Frage in der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie.

    Ich habe schon mehrmals auf Forschung zu New Mechanism verwiesen. Vorteil: Mechanistische Erklärungen sind integrativ, nicht reduktiv.

    Man muss also nicht so tun, als sei die Welt einfacher, als sie ist.

  478. @Andresen & Balanus: Wissenschaft & Leben

    Man kann nicht beides haben: Sagen, Leben sei nichts als ein molekularer Vorgang; und doch zu behaupten, es lasse sich nicht molekular beherrschen.

    Wenn meine Identität vollständig durch mein Gehirn/mein Nervensystem/meinen Körper bestimmt ist, dann müsste sie zum Beispiel auch durch einen 1:1-Klon meines Gehirns/meines Nervensystems/meines Körpers vollständig kopiert werden. (Lesetipp: Bin ich derselbe wie vor und in einem Jahr?)

  479. @Andresen: Rituale & Heilung

    Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Ich wurde als Kind vielfach geimpft und habe mich auch als Erwachsener mehrfach impfen lassen.

    Allein mit Ritualen und den anderen genannten Helfern hätte man damals nichts erreicht.

    Weiß nicht, ob man das so sagen kann: Nicht alle, die mit dem Krankheitserreger (hier: Polio) in Kontakt kamen, sind auch erkrankt. Neben biologisch-genetischen Faktoren spielt die psychische Gesundheit eine bedeutende Rolle. Das hat man beim (angeblichen) Siegeszug des molekularen Paradigmas schmerzhaft vergessen; das hat sicherlich viele viele Lebensjahre gekostet. Neue Disziplinen wie Psychoonkologie, Psychoneuroimmunologie und Psychoneuroendokrinologie singen hiervon ein Lied.

    Mit anderen Worten: Für eine gesunde Psyche zu sorgen, kann nur nutzen, ganz gleich, ob es eine biologische Behandlung gibt oder nicht.

  480. @Waschke: Thesen

    Danke, ich habe Ihre Argumente mit Interesse gelesen. Bei mir ist beim jetzigen Zeitpunkt die Luft etwas raus, alles wieder von vorne zu diskutieren. Und bei meiner Meinung nach wenig geistreichen Floskeln wie: “In der Welt geht es mit rechten Dingen zu.”, vergeht mir auch die Lust.

    Ihren Dualismus zwischen Naturalismus und Übernatur halte ich für verfehlt. Viele Phänomene gibt es unabhängig davon, was wir denken. Wer sie letztlich erklären kann, werden wir (wahrscheinlicher: unsere Nachkommen) sehen.

  481. @Stephan Schleim 10.03.2021, 19:53 Uhr

    1:1 Klon

    Wenn meine Identität vollständig durch mein Gehirn/mein Nervensystem/meinen Körper bestimmt ist, dann müsste sie zum Beispiel auch durch einen 1:1-Klon meines Gehirns/meines Nervensystems/meines Körpers vollständig kopiert werden.

    stimmt, das ist die Konsequenz. Abgesehen davon, dass das technisch schwierig ist, gibt es ein prinzipielles Argument dagegen?

    Ich habe jetzt kein konkretes Zitat, aber ich habe ‘irgendwo’ gelesen, dass man Tiere etwas lernen ließ, sie dann eingefroren hat, und als sie wieder reanimiert wurden, das Gelernte noch konnten. Das ist zwar nicht ganz das, was Sie unter ‘1:1-Klon’ verstehen, aber sollte doch in die Richtung gehen.

  482. @Schleim
    Wenn meine Identität vollständig durch mein Gehirn/mein Nervensystem/meinen Körper bestimmt ist, dann müsste sie zum Beispiel auch durch einen 1:1-Klon meines Gehirns/meines Nervensystems/meines Körpers vollständig kopiert werden.

    Es gibt dazu Debatten und Gedankenexperimente in der Philosophie des Geistes, z.B. der Sumpfmann von Donald Davidson. Die Frage ist aber einfach zu beantworten: es gibt keine genauen Kopien eines Menschen, denn das ist nicht möglich. Zwei Menschen unterscheiden sich nicht nur in der materiellen Struktur, sondern auch in der Dynamik der Lebensprozesse. Diese Dynamik chemischer Reaktionen und Signalübertragungen kann man nicht kopieren. Mit der Erklärung von D.Donaldsen zum Sumpfmann bin ich allerdings nicht einverstanden, sie ist inkonsequent.

  483. “stimmt, das ist die Konsequenz. Abgesehen davon, dass das technisch schwierig ist, gibt es ein prinzipielles Argument dagegen?”

    Eine Folge von Star Trek The next Generation hat das malo durchgespielt, Riker wurde da bein beamen durch einen technischen Fehler zwei mal Materialisiert, einer blieb auf dem Planeten zurück, der andere machte Karriere.
    Wenn die materialistische Sichtweise richtig wäre wäre das natürlich möglich.

  484. @Stephan Schleim 10.03.2021, 20:12 Uhr

    Kein Problem, ich wollte mir nur nicht nachsagen lassen, ich hätte mich nicht bemüht.

    Und bei meiner Meinung nach wenig geistreichen Floskeln wie: “In der Welt geht es mit rechten Dingen zu.”, vergeht mir auch die Lust.

    Das war die Kurzform, ich habe das in einem anderen Posting

    https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/religion-oder-naturalismus-wer-gewinnt/#comment-50211

    weiter ausgeführt und mich auf Literatur bezogen und zitiert, was die Grundlagen des Naturalismus ausmacht.

    Ihren Dualismus zwischen Naturalismus und Übernatur halte ich für verfehlt. Viele Phänomene gibt es unabhängig davon, was wir denken.

    Das verstehe ich nicht. Meinen Sie das ‘Sein des Seienden’ oder etwas, das in Richtung Supranaturalismus gehen würde? Haben Sie konkrete Beispiele dafür, was als Phänomen zu werten ist, womit der Naturalismus ein Problem hätte?

    Mahner und Bunge trennen die Welt in ‘Dinge’ und ‘Konstrukte’. Alles, was in die Welt der ‘Konstrukte’ gehört (Gedanken, Zahlen, Theorien, Qualia und so weiter) existiert nur, solange es gedacht wird. Das ist im Naturalismus eingepreist, weil das als Emergenz der Materie, die als hinreichend komplexes Nervensystem organisiert ist, gesehen wird. Die ‘Dinge’ (also alles, was unabhängig vom Denken existiert) ebenso. Kennen Sie noch weitere Klassen von Seiendem?

    Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, vertreten Sie doch auch keinen Substanz-Dualismus.

    Wer sie letztlich erklären kann, werden wir (wahrscheinlicher: unsere Nachkommen) sehen.

    Sind wir uns einig, dass Ihr Vorwurf, ‘der Naturalismus’ sei ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft auch den Supranaturalismus trifft?

  485. @anton reutlinger 10.03.2021, 20:23 Uhr

    1:1 Klon

    Die Frage ist aber einfach zu beantworten: es gibt keine genauen Kopien eines Menschen, denn das ist nicht möglich.

    Technisch oder theoretisch? Wenn Sie davon ausgehen, dass der aktuelle Zustand durch die Wechselwirkung von Molekülen vollständig zu beschreiben ist (man müsste dazu die Position aller Atome in allem Molekülen mit der aktuellen Bewegung und weiteren Wechselwirkungen in einem konkreten Augenblick speichern und dann wieder realisieren können), müsste das möglich sein.

    Ich bin jetzt aber überfragt, ob hier beispielsweise die Heisenbergsche Unschärferelation oder andere Phänomene ein Problem sein könnten.

    Noch spannender wäre natürlich, wenn Sie das in einem Computer in Echtzeit simulieren könnten. Dann hätten Sie eine Kopie von sich im Computer. Aber aus denselben Gründen nicht lange …

    Zwei Menschen unterscheiden sich nicht nur in der materiellen Struktur, sondern auch in der Dynamik der Lebensprozesse.

    Selbstverständlich. Identisch wären, falls man gleichzeitig zwei derartige Lebewesen generieren würde, die beiden nur einen Sekundenbruchteil. Ab dann würden sie unterschiedliche Erfahrungen machen. Das würde schon damit losgehen, dass sie nicht an der selben Stelle des Raums stehen können.

  486. Faszinierend, wie weit wir inzwischen von der Ursprungsfrage >Religion oder Naturalismus – wer gewinnt? b” wiedergeben lassen ( naja, so ungefähr wenigstens ).

    Auf der anderen Seite haben wir eine von der Person, ihrer Muttersprache und der Zeit abhängige Nutzung von Alltagsworten mit ungenauen Definitionen aus unterschiedlichen Sprachen ( wobei sich die Philosophen gerne auch des Lateins bedien(t)en, weil kein native speaker widersprechen kann ), wobei dann gerne auch ein Beispiels-Hase zur Erklärung des Verhaltens eines Igels herangezogen wird.

    Nehme ich nun den Begriff “Religion” für die Beschäftigung der Sprache mit der Sprache über die Sprache und den Begriff “Naturalismus” für die formelhafte Wissenschaft, wer soll denn da was “gewinnen”?

  487. @Waschke
    Die molekulare Struktur könnte man, rein theoretisch natürlich, originalgetreu kopieren. Aber Sie haben selber ein Beispiel gegeben für die dynamischen Unterschiede. Das würde auch bedeuten, dass die nächste Umwelt eine andere wäre. Also praktisch wäre eine originalgetreue Kopie aus vielerlei Gründen unmöglich.

    Davidson meinte, dass die Lebensgeschichte der Kopien unterschiedlich wäre, so dass sie für sprachliche Erinnerungen andere Bedeutungen hätten. Da bin ich wiederum anderer Meinung, denn die Erinnerungen, Wahrnehmungen wie auch Gedanken und somit die Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken liegen in der molekularen Struktur, die sich aber in jedem Moment verändert.

    .

  488. @Johannes
    Wenn die materialistische Sichtweise richtig wäre wäre das natürlich möglich.

    Gerade auch aus der materialistischen, genauer hier der physikalistischen Sichtweise, halte ich das für unmöglich, weil es nicht konsequent durchdacht ist.

  489. Man sollte wenigstens “copy & Paste” beherrschen …
    Hier der erste Absatz in der Originalform:

    Auf der einen Seite haben wir die Wissenschaft, die Messergebnisse im Rahmen der aktuellen Messgenauigkeit erfasst, die sich dann innerhalb der nötigen Axiome in Formeln ( „Gesetze“ ) der Art „a -> b” wiedergeben lassen ( naja, so ungefähr wenigstens ) und die mit mathematischen Formeln jongliert, deren Rechenergebnisse dann hoffentlich durch Messungen bestätigt werden.

  490. Noch’n Versuch:

    Faszinierend, wie weit wir inzwischen von der Ursprungsfrage >Religion oder Naturalismus – wer gewinnt? b” unabhängig von Ort, Zeit, Sprache und Person wiedergeben lassen ( naja, so ungefähr wenigstens ) und die mit mathematischen Formeln jongliert, deren Rechenergebnisse dann hoffentlich durch Messungen bestätigt werden.

  491. JETZT verstehe ich das Problem, es lag am Hypertext und nicht an mir! ( nur an meiner Art zu “quotieren” )

    Faszinierend, wie weit wir inzwischen von der Ursprungsfrage „Religion oder Naturalismus – wer gewinnt?“ entfernt sind.
    Auf der einen Seite haben wir die Wissenschaft, die Messergebnisse im Rahmen der aktuellen Messgenauigkeit erfasst, die sich dann innerhalb der nötigen Axiome in Formeln ( „Gesetze“ ) der Art „a = b” unabhängig von Ort, Zeit, Sprache und Person wiedergeben lassen ( naja, so ungefähr wenigstens ) und die mit mathematischen Formeln jongliert, deren Rechenergebnisse dann hoffentlich durch Messungen bestätigt werden.

  492. @anton reutlinger // 10.03.2021, 20:23 Uhr

    » Die Frage ist aber einfach zu beantworten: es gibt keine genauen Kopien eines Menschen, denn das ist nicht möglich.«

    Cave: Mir scheint, hier wird nicht klar genug unterschieden zwischen der Kopie im Moment des Kopierens und dem, was zeitlich danach aus der Kopie wird, was mit ihr passiert.

    Die Argumentation Davidsons bez. des Sumpfmanns konnte ich aber auch nicht nachvollziehen: Denn wenn im Moment des Blitzschlags Vorlage und Kopie bis zum letzten Molekül identisch sind (wobei es auf eins mehr oder weniger gar nicht ankommt), dann haben beide exakt die gleichen Erinnerungen an die Zeit vor dem Blitzschlag und beide müssen demzufolge davon überzeugt sein, der andere könne nur ein Duplikat sein.

    Inwiefern die „materialistische Sichtweise“ (@Johannes) dabei eine Rolle spielen soll, also für bzw. gegen die prinzipielle Möglichkeit einer solchen Kopie spricht, erschließt sich mir nicht.

  493. @anton reutlinger // 10.03.2021, 20:23 Uhr

    Nachtrag.

    Wahr ist aber auch, dass nur einer von den beiden vor dem Blitzschlag tatsächlich gelebt hat. Aber wer, das ist nicht mehr feststellbar.

  494. @Balanus 10.03.2021, 22:05 Uhr

    Denn wenn im Moment des Blitzschlags Vorlage und Kopie bis zum letzten Molekül identisch sind (wobei es auf eins mehr oder weniger gar nicht ankommt),

    Genauer, einschließlich aller Wechselwirkungen zwischen und Bewegungen der Moleküle, das ist zwingend erforderlich.

    dann haben beide exakt die gleichen Erinnerungen an die Zeit vor dem Blitzschlag und beide müssen demzufolge davon überzeugt sein, der andere könne nur ein Duplikat sein.

    Nicht unbedingt, beide könnten auch einsehen, dass diese Frage nicht entscheidbar ist.

    Wie gesagt, nach kürzester Zeit entwickeln sich die beiden getrennt. Interessant wäre auch, ob sich die Erinnerungen der beiden Wesen an die Zeit vor der Duplizierung verändern würden.

    Meiner Meinung nach spricht viel dafür, weil sich durch die Erfahrungen auch die Struktur des Gehirns ändert.

  495. @Balanus 10.03.2021, 22:05 Uhr

    Seele nicht vergessen …

    Inwiefern die „materialistische Sichtweise“ (@Johannes) dabei eine Rolle spielen soll, also für bzw. gegen die prinzipielle Möglichkeit einer solchen Kopie spricht, erschließt sich mir nicht

    .

    nun, wenn man, wie das die katholische Kirche macht, davon ausgeht, dass die Geistseele von Gott eingestiftet wird, würde nur der Körper kopiert. Man kann sich durchaus fragen, ob Gott dem zweiten Wesen auch eine (selbstverständlich andere) Seele einpflanzen würde. So gesehen basiert diese Überlegung auf dem Naturalismus.

    Diese Frage wurde auch tatsächlich diskutiert, und zwar meines Wissens anhand der beiden Damen, die nur einen Rumpf und zwei Köpfe hatten (hießen irgendwie ‘böhmische Nachtigallen’ oder so ähnlich, muss schon länger her sein, dem Foto an das ich mich erinnere nach zu urteilen). Das Wesen trat auf dem Jahrmarkt auf und die beiden Köpfe haben Duette gesungen. Damals wurde auch thematisiert, ob diese Wesen eine oder zwei Seelen haben.

    Man merkt halt, an welche Grenzen die Natur das auf Sätzen über Sätze basierende Denken der klassischen Philosophen und Theologen bringt, das nie eine Bodenhaftung hatte.

    Ach, da fällt mir noch was zu Huxley ein. Der hatte sich mit ‘Soapy Sam’ (Bischof Wilberforce) das bekannte Duell geliefert. Kurz darauf stürzte Wilberforce vom Pferd und zog sich tödliche Kopfverletzungen zu. Huxleys Kommentar war nicht nett: “Das war das erste Mal, dass sich sein Kopf und die Tatsachen berührten. Das Ergebnis war fatal.” (aus dem Gedächtnis zitiert …).

  496. @Thomas Waschke // 10.03.2021, 22:17 Uhr

    » Genauer, einschließlich aller Wechselwirkungen zwischen und Bewegungen der Moleküle, das ist zwingend erforderlich. «

    Noch genauer: Die Körpertemperatur muss mitkopiert werden, dann ergeben sich die Wechselwirkungen und biochemischen Prozesse von selbst.

    » Nicht unbedingt, beide könnten auch einsehen, dass diese Frage nicht entscheidbar ist. «

    Hm, ich glaube, hier steht Vernunft gegen Gefühl: Es ist zwar der Fall, dass diese Frage nicht entscheidbar ist, aber das Gefühl sagt einem, dass man der Echte ist. Bauch schlägt Gehirn, sozusagen.

  497. @Thomas Waschke // 10.03.2021, 22:32 Uhr

    » Seele nicht vergessen …«

    @Johannes’ Einwand hatte ich verstanden, aber nicht, was @anton reutlinger hiermit meinte:

    »Gerade auch aus der materialistischen, genauer hier der physikalistischen Sichtweise, halte ich das für unmöglich, weil es nicht konsequent durchdacht ist.«


    Ad Huxley: :- )

  498. @Balanus 10.03.2021, 22:43 Uhr

    Zitat anton reutlinger:

    Gerade auch aus der materialistischen, genauer hier der physikalistischen Sichtweise, halte ich das für unmöglich, weil es nicht konsequent durchdacht ist.

    Ich denke, das muss er selber beantworten.

    Ich habe ja schon angedeutet, dass hier physikalische Prinzipien problematisch werden könnten, beispielsweise die Heisenbergsche Unschärferelation. Wenn du die Moleküle in der richtigen Geschwindigkeit an den richtigen Ort bringen willst (‘Körpertemperatur’ ist viel zu generell, die ist ja nicht an allen Stellen gleich), musst du Ort und Impuls kennen, das sind konjugierte Größen, die nicht beide gleichzeitig beliebig genau bekannt sein können. Es könnte auch noch andere Probleme geben.

    Sind halt ‘constraints’, die man eventuell erst ad hoc bemerkt, wie das beispielsweise auch der Fall sein kann, wenn einem die Gödel-Sätze einen Strich durch die Rechnung machen.

    Gedanken-Experimente haben dasselbe Problem wie das Denken in Sätzen über Sätze: es ist halt oft GIGO.

  499. @Balanus / 10.03.2021, 13:23 Uhr

    Dann ist `Zufall’ praktisch Deine Sammelbezeichnung für alle `verborgenen Variablen’, deren Werte für den jeweiligen Outcome des fraglichen Vorgangs zwar relevant sind, die Du jedoch nicht kennst.

    Deine Unkenntnis wäre jetzt für den Kardinal Schönborn vermutlich kein so überzeugendes Argument, wenn Du ihm erklären wolltest, es sei völlig ausgeschlossen, dass der Herrgott die Werte einiger `verborgener Variablen’ adjustiert und damit den Outcome in seinem Sinne beeinflusst. Du kannst ihm da so wenig beweisen wie er Dir, es prallt hier lediglich Deine Unkenntnis auf seine Unkenntnis. Und jeder bleibt bei dem, wovon er glaubt, es sei das Richtige.

  500. @Thomas Waschke; @Balanus

    Nicht unbedingt, beide könnten auch einsehen, dass diese Frage nicht entscheidbar ist.

    Also noch zwei Agnostiker. Die unterhalten sich, A: “Wer von uns geht zurück zur Familie?”, B: “Wer bekommt die Rente?”

    Bei Davidson war das übrigens einfacher, er selbst wurde vom Blitz erschlagen. Da überlebte nur der Klon, der Sumpfmann. (Was mit seiner Seele war, weiß ich nicht mehr.)

  501. @1:1-Klon meines Gehirns

    The 6th Day mit Arnold Schwarzenegger, ein Science-Fiction-Thriller aus dem Jahr 2000 hat das gut thematisiert. Die technische Seite war zwar völliger Unfug. Da wurde in einem Tag ein kompletter Klon großgezüchtet, und über einen Netzhautscan des lebenden Originals konnte der aktuelle Erinnerungszustand ausgelesen werden, der dann auf den Klon überspielt wurde.

    Aber Schauspielerisch hat man hier alle die interessanten Verwicklungen gehabt, die mit dem Thema zusammenhängen. Das Beste war gegen Ende des Films, wo der noch nicht ganz fertige Klon vom Oberschurken dann seinem eigenem Original vollkommen emotionslos beim Sterben zugesehen hat. Wogegen der Schwarzenegger und sein Klon von besserem Charakter waren, und nach anfänglichem Zusammenraufen dann doch gut zusammengearbeitet haben.

  502. @ anton reutlinger 10.03.2021, 20:23 Uhr

    Zitat: „Wenn meine Identität vollständig durch mein Gehirn/mein Nervensystem/meinen Körper bestimmt ist, dann müsste sie zum Beispiel auch durch einen 1:1-Klon meines Gehirns/meines Nervensystems/meines Körpers vollständig kopiert werden.“

    Praktisch wird es kaum möglich sein. Aber theoretisch scheint es mir denkmöglich, falls absolut alle Atome, alle Ladungsträger, Teilchen samt Spin und jeglichem existierenden physikalischen Status, …. absolut in örtlicher und zeitlicher Sicht zum „berechneten“ Zeitpunkt t0 absolut gleichzeitig verfügbar sind.

    Wenn auch der Ladungsstatus auf jeder Ebene für t0 „passt“, müsste vielleicht das System nicht einmal gestartet (Defibrillator) und „hochgefahren“ werden. Dass jegliche Software in der korrekten Art (DNA,Verknüpfungen, Ladungsträger…) dabei materiell „gespeichert“ und vorhanden ist, muss vorausgesetzt werden.

    Dass derartiges realisierbar ist, glaube ich allerdings nicht, jedenfalls nicht so bald.

    Selbstverständlich würde das System sofort beginnen (nicht materielle) Information auszugeben und Information aufzunehmen. (Ich vermute, jetzt habe ich Sie mit meiner „Art von Materialismus“ noch übertroffen????)

  503. @Joker 10.03.2021, 23:21 Uhr

    Also noch zwei Agnostiker. Die unterhalten sich, A: “Wer von uns geht zurück zur Familie?”, B: “Wer bekommt die Rente?

    Das ‘Also’ ist ein pralles non sequitur.

    Sie haben aber Recht, das Leben ist kein Ponyhof, rationales Denken ist der Mehrheit der Menschheit nicht vergönnt.

    Die praktischen Fragen vernebeln zudem den Verstand, Gier war schon immer ein schlimmes Motiv.

    Oder wollten Sie etwas anderes mitteilen?

  504. @Elektroniker 11.03.2021, 01:34 Uhr

    Wenn auch der Ladungsstatus auf jeder Ebene für t0 „passt“, müsste vielleicht das System nicht einmal gestartet (Defibrillator) und „hochgefahren“ werden

    Hier sehen sie, was passiert, wenn ein Theoretiker sich Gedanken über etwas macht, das auf der materiellen Ebene abläuft. Oder von den Maschinen, die er bastelt oder mental konstruiert auf das Sein schließt.

    Dabei kommt auch nicht mehr heraus als im Denken in Sätzen über Sätze, woran alle Philosophen, die sich vor der Einführung der empirischen Wissenschaften Gedanken über das Sein machten, scheiterten. Falls sie etwas Sinnvolles ausgesagt haben sollten, wussten Sie es nicht. Das Gegenteil hätte genauso gut realisiert sein können.

  505. @Thomas Waschke 10.03.2021, 07:22 Uhr

    Sir schrieben mir:

    ich habe Ihnen ausführlich geantwortet, aber das Posting erscheint nicht[… ], falls es nicht erscheint, poste ich eine Version ohne Links

    Bin erwartungsvoll.

  506. @Elektroniker
    Aber theoretisch scheint es mir denkmöglich, falls absolut alle Atome, alle Ladungsträger, Teilchen samt Spin und jeglichem existierenden physikalischen Status, ….

    Denkmöglich ist es natürlich, denn es sind Gedankenexperimente!
    Dennoch gibt es Hindernisse, da ist z.B. die Körpertemperatur, die @Balanus erwähnt hatte. Die allgegenwärtige Temperatur beeinflusst die Schnelligkeit chemischer Reaktionen. Zwei Körper können nicht am gleichen Ort sein, schon deshalb haben sie nicht genau dieselben Umgebungsbedingungen. Es gibt also Argumente gegen die Möglichkeit der Realisierung der Experimente. Im übrigen ist mir nicht klar, was diese philosophischen Experimente genau beweisen sollen.

    Vielversprechender sind die neuen Fachgebiete der Biokybernetik und der Bioinformatik. Sie abstrahieren und illustrieren viele chemische und biologische Vorgänge im Organismus auf einer Ebene zwischen Biologie und Psychologie. Mein Standardbeispiel ist der Vergleich zwischen Transmitter und Rezeptor, wie er jeder Intelligenzleistung zu Grunde liegt. Weitere wichtige Instrumente der Kybernetik sind Signale, Schalter, Filter, Schablonen, Kodierer und andere, die auch im Organismus bzw. Gehirn zu finden sind. Und schließlich und nicht zufällig sind Gedanken nichts anderes als Informationen.

    Man muss allerdings aufpassen, dass man Analogien nicht zu weit treibt!

  507. @Timm Grams 10.03.2021, 10:29 Uhr

    vielleicht noch allgemein zu Terminologie

    Möglicherweise ist es sinnvoller, erst terminologische Grundlagen zu klären.

    Aussagen wie

    Man kann problemlos atheistischer oder theistischer Agnostiker sein (Joker [der mich wörtlich aus einem Posting, auf das sie geantwortet haben, zitiert , T.W.]).

    scheinen mir auf eine Sprachverwirrung zurückzugehen, die von der Wikipedia angerichtet worden ist.

    Nein, ich habe das schon so vertreten, bevor Wikipedia gegründet wurde.

    Der Wikipedia-Eintrag zum Agnostizismus zeigt, dass Schwärme oft nur Mittelmäßiges hervorbringen. Ein Problem ist, dass die Wikipedia spachschöpferisch tätig wird und darüber den enzyklopädischen Auftrag vergisst.

    Sie müssen sich, wie schon Popper lehrte, damit abfinden, dass Begriffe Werkzeuge sind. Es macht keinen Sinn, in einer Diskussion auf einer Bedeutung zu bestehen. In diesem Fall muss man eventuell einen neuen Begriff prägen, falls nicht beide Seiten dasselbe unter einen Begriff verstehen möchten. Ich habe beispielsweise bei Diskussionen mit kompetenten Evolutionskritikern immer versucht, den Begriff ‘Evolution’ zu vermeiden und präzisiert. Zudem bezeichne ich mich in dem Bereich, für den üblicherweise ‘Agnostiker’ verwendet wird (also in der ‘Gottesfrage’) als Ignostiker, denn bestimmten Gottesbildern gegenüber mach Agnostizismus keinen Sinn.

    Begriffsgrenzen werden verwischt und Begrissabgrenzungen aufgehoben, derart, dass ein Agnostiker auch Theist oder Atheist sein kann. Diese Vermengung von Begriffen ist der Verständigung nicht förderlich.

    Denken Sie daran, dass sich der Gehalt von Begriffen ändern kann. Es ist noch nicht lange her, dass beispielsweise ‘Dirne’ ein üblicher Bezeichner für ein Mädchen war (denken Sie an die Liedzeile “Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn”) und ‘niederträchtig’ ein Lob war (meines Wissens wurde Elisabeth von Marburg so bezeichnet, weil sie ‘nach den Niederen trachtete’ im Sinne von ‘sich um sie kümmerte). Warum sollte ausgerechnet die Definition von ‘Agnostizismus’ in Stein gemeißelt sein?

    Selbstverständlich haben Sie ein Argument, wenn Sie beispielsweise sagen “Autor x verwendet den Begriff wie folgt …”. Aber dann ist “ich verstehe unter dem Begriff …” immer noch zulässig. Ich sehe auch nicht, dass das ein Problem sein könnte.

    Schlimm wird es nur, wenn mit Äquivokationen gearbeitet wird, wie das bei Theologen durchaus üblich ist.

    Ich bleibe bei den landläufigen Auffassungen:

    Dann müssten wir noch klären, was ‘landläufig’ ist. Macht es einen Unterschied, in welchem Kreis von Philosophen Sie sich bewegen oder gar außerhalb dieser Gemeinschaft?

    Glaube ist das nicht methodisch begründete dennoch zweifelsfreie Für-wahr-Halten (Brockhaus, 2005). Agnostizismus im Sinne Huxleys schließt dieses nicht nachweisliche Für-wahr-Halten ausdrücklich aus.

    Wenn Sie darüber nachdenken, gäbe es nur Glaube (zumindest außerhalb der von Menschen geschaffenen formalen Systeme, und selbst dort gibt es Probleme, wie die Gödel-Sätze oder Aporien). Oder hat inzwischen jemand den Solipsismus widerlegt?

    Es hat schon seinen Grund, warum Vollmer den hypothetischen Realismus zur Grundlage der modernen Naturwissenschaften erklärte, oder Mahner und Bunge davon ausgehen, dass eine vom erkennenden Subjekt unabhängige Realität ein Postulat ist.

    Es geht darum, wie man auf der Basis der Erkenntnis, dass kein sicheres Wissen möglich ist (immer unter dem Vorbehalt, dass nicht gezeigt werden kann, dass es sicheres Wissen gibt, dann macht Agnostizismus keinen Sinn mehr), zu dem gelangt, was noch am relativ sichersten evident gemacht werden kann. Auch wenn man letztlich agnostisch bleiben muss, heißt das noch lange nicht, dass es nicht möglich ist, evidenzbasiert zu rationalen Entscheidungen zu gelangen. Das ist dann im Fallibilitätsprinzip eingepreist.

  508. @anton reutlinger 11.03.2021, 08:28 Uhr

    Sinn von philosophischen Gedankenexperimenten

    Im übrigen ist mir nicht klar, was diese philosophischen Experimente genau beweisen sollen.

    Ich habe mich nicht allzu intensiv mit solchen Fragen befasst, eher als ‘Beifang’ in Arbeiten, die ich aus anderen Gründen gelesen habe. Meiner Meinung nach sind solche Gedankenexperimente übliche Methoden von Philosophen, um zu hinterfragen oder auch zu präzisieren, was mit bestimmten Begriffen oder Behauptungen gemeint ist. Dadurch werden auch nicht auf den ersten Blick ersichtliche Konsequenzen deutlich, sie können auch als ‘consciousness raiser’ dienen.

    Wenn man beispielsweise davon ausgeht, dass ‘Leben’ eine (metaphysische) Substanz ist, die der ‘toten Materie’ eingehaucht wird (wie man das beispielsweise in Schöpfungsmythen, nicht nur in der Genesis, weltweit findet), würde das Experiment nicht funktionieren, selbst wenn es technisch realisierbar wäre. Der emergentistische Materialist hingegen müsste einräumen, dass das funktioniert.

  509. @Chrys // 10.03.2021, 23:03 Uhr

    »Du kannst ihm [Kardinal Schönborn] da so wenig beweisen wie er Dir, es prallt hier lediglich Deine Unkenntnis auf seine Unkenntnis.«

    Du weißt ja, wie das so ist mit den Beweisen in den Naturwissenschaften, es gibt sie praktisch nicht. Ich kann nur beschreiben, was beobachtet wurde, was in der Wissenschaft als gesichertes Wissen gelten werden darf.

    Was die „verborgenen Variablen“ angeht: Ich dachte, es gäbe keine, bzw., dass Physiker deren Existenz bestreiten. Hat sich das mittlerweile erledigt?

  510. @ Thomas Waschke 11.03.2021, 06:24 Uhr

    Bei auch hoch komplexen technischen Chips, mit z.B. 1 Milliarde Transistorfunktion, schaffen es die Techniker, diese weitgehend gleich zu bauen, so dass sie auch weitestgehend „gleich“ funktionieren. Diese Leute haben zumindest eine Ahnung worauf es ankommt.

    Natürlich gibt es auch Spezialisten, die sich sozusagen die Haare raufen, weil es eben doch Abweichungen gibt, die sie in den Griff bekommen müssen.

    Bei biologischen Systemen erscheint dies noch schwieriger, weil man manche Sachverhalte zumindest nicht zuverlässig versteht (z.B. das Qualiaproblem).

    Die Philosophen wollten und man verlangte es auch von ihnen, über Sachverhalte zu diskutieren, von denen sie praktisch keine Ahnung haben.

  511. @ anton reutlinger 11.03.2021, 08:28 Uhr

    Zitat: „Im übrigen ist mir nicht klar, was diese philosophischen Experimente genau beweisen sollen.“

    Ich vermute, Philosophen möchten herausfinden ob es „Wunder“ (womöglich außerhalb der Naturgesetze) gibt, oder eben nicht.

    Für mich gibt es eben einen genau „Natur gesetzlichen Gott“ („der“ eben ganz genau so ist, wie „er“ nun einmal „wirklich“ ist).

    Das Problem ist, wir verstehen die Naturgesetze nicht vollständig und für uns ist es daher ein „Wunder“, was über die gedachten und verstandenen Naturgesetze hinausgeht….

  512. Karl Maier.
    Das Gewinnen ist nicht allzu wörtlich zu nehmen. Alle werden gewinnen, weil wir zum ersten Male darüber nachgedacht haben, ob ein Klon eine Seele hat.
    Auch das Wort Seele ist nicht allzu wörtlich zu nehmen. Seele ist immateriell, sie ist modern gesagt der Adapter zwischen uns und der geistigen Welt, die die einen Gott nennen, die anderen Universum.
    Wobei ein kleiner Unterschied anzumerken wäre, das Universum hat einen Anfang und ein Ende, Gott hat keinen Anfang und kein Ende, er ist der Anfang und das Ende, die Christen sagen das Alpha und das Omega.
    Oder noch etwas tiefsinniger: Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.

  513. “Wenn man beispielsweise davon ausgeht, dass ‘Leben’ eine (metaphysische) Substanz ist, die der ‘toten Materie’ eingehaucht wird (wie man das beispielsweise in Schöpfungsmythen, nicht nur in der Genesis, weltweit findet), würde das Experiment nicht funktionieren, selbst wenn es technisch realisierbar wäre. Der emergentistische Materialist hingegen müsste einräumen, dass das funktioniert.”

    Startrek hat da immer die Position des Materialisten eingenommen, Data wurde einfach Bewusstsein attestiert und damit Menschenrechte zugebilligt, in einer Folge wurde die klassisch emergentische Position vertreten das sehr komplexe Systeme irgendwie Bewusstsein entwickeln (in dem Fall das Raumschiff selbst), ich finde solche Gedankenexperimente ganz interessant.

  514. Wärme hat man bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts für einen Stoff gehalten.
    Dann hat sie sich als Bewegung der Atome herausgestellt.
    Leben ist auch nur Bewegung der Atome, wer aber den ersten Anstoß gegeben hat, , das können die Naturalisten nicht beantworten.

  515. @Balanus / 11.03.2021, 09:32 Uhr

    »Ich kann nur beschreiben, was beobachtet wurde, was in der Wissenschaft als gesichertes Wissen gelten werden darf.«

    Recht so. Weder wird eine “Gott”-Hypothese für die Wissenschaft gebraucht, noch wäre so eine Hypothese da überhaupt methodisch konsistent unterzubringen. Das heisst, methodisch bedingt ist empirische Wissenschaft gegenüber jeglicher Metaphysik prinzipiell agnostisch. Wer dieser oder jener Metaphysik zugeneigt ist, kann sich dazu zwar als Privatperson äussern, was dann unter Meinungsfreiheit fällt, aber eben nicht mit Berufung auf eine professionelle wissenschaftl. Kompetenz e.g. als Biologe.

    »Was die „verborgenen Variablen” angeht: Ich dachte, es gäbe keine, bzw., dass Physiker deren Existenz bestreiten. Hat sich das mittlerweile erledigt?«

    Vielleicht hätte ich hier nicht von `verborgenen Variablen’ sprechen sollen, sondern besser von `known unknowns’ und `unknown unknowns’ — Rumsfeld’s Wisdom ist schliesslich auch für Evolutionsbiologen von Interesse.

    Doch um es nochmals zu unterstreichen (das Thema hatten wir hier ja kürzlich schon): Bell’s Theorem schliesst nicht grundsätzlich `hidden variables’ aus — das ist anscheinend ein populäres Missverständnis — sondern lediglich die Kombination von `hidden variables’ mit `locality’.

  516. Meine Formulierung zu Gedankenexperimenten war etwas nachlässig. Ich meinte speziell den Sumpfmann oder auch den Zombie und deren Bedeutung für den Materialismus, die mir nicht klar geworden ist. Nach meinem Eindruck sprechen sie weder dafür noch dagegen. Sicher kann man daraus die eine oder andere interessante Schlussfolgerung ziehen. Generell bin ich der Meinung, dass die Antimaterialisten zu wenig von Biologie und Chemie verstehen, obwohl bspw. bei Wort&Wissen auch fachkompetente Leute sitzen.

  517. @Thomas Waschke 11.03.2021, 09:08 Uhr

    Agonstizismus, Terminologie

    Generell stimme ich Ihrer Aussage zu:

    Es macht keinen Sinn, in einer Diskussion auf einer Bedeutung zu bestehen. In diesem Fall muss man eventuell einen neuen Begriff prägen, falls nicht beide Seiten dasselbe unter einen Begriff verstehen möchten. Ich habe beispielsweise bei Diskussionen mit kompetenten Evolutionskritikern immer versucht, den Begriff ‘Evolution’ zu vermeiden und präzisiert.

    Da wir uns mit dem Konflikt Naturalismus kontra Religion beschäftigen und insbesondere mit den Auswirkungen der Evolutionslehre, sollten wir uns am Sprachgebrauch der Urheber orientieren: Charles Darwin und Thomas Henry Huxley. Darwin benutzt den von Huxley eingeführten Begriff des Agnostizismus. Wenn wir so verfahren wollen, erübrigt sich auch die Einführung neuer Begriffe wie Ignostizismus.
    Jetzt halte ich ein längeres Zitat aus der Biografie Darwins für angemessen (Nora Barlow, 1985, Religious Belief): Darwin schreibt, wie er über das riesige und wundervolle Universum nachdenkt …

    When thus reflecting I feel compelled to look to a First Cause having an intelligent mind in some degree analogous to that of man; and I deserve to be called a Theist.
    This conclusion was strong in my mind about the time, as far as I can remember, when I wrote the Origin of Species; and it is since that time that it has very gradually with many fluctuations become weaker. But then arises the doubt – can the mind of man, which has, as I fully believe, been developed from a mind as low as that possessed by the lowest animal, be trusted when it draws such grand conclusions? May not these be the result of the connection between cause and effect which strikes us as a necessary one, but probably depends merely on inherited experience? Nor must we overlook the probability of the constant inculcation in a belief in God on the minds of children producing so strong and perhaps an inherited effect on their brains not yet fully developed, that it would be as difficult for them to throw off their belief in God, as for a monkey to throw off its instinctive fear and hatred of a snake.
    I cannot pretend to throw the least light on such abstruse problems. The mystery of the beginning of all things is insoluble by us; and I for one must be content to remain an Agnostic.

    Glaube oder Wissen: Ersteres ist Sache der Metaphysik und Letzteres Sache Wissenschaft. Die Grenze dazwischen hat Popper mit seinem Abgrenzungskriterium gezogen. Der Agnostizismus bezieht sich auf das Reich der Metaphysik. Im Reich der Wissenschaft haben wir den „öffentlichen Charakter der wissenschaftlichen Methode“ und die dadurch bewirkte Objektivität (K. R. Popper, „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, dreizehntes Kapitel „Wissenssoziologie“). Mit dieser Anmerkung sollte auch folgender Einwand erledigt sein:

    Auch wenn man letztlich agnostisch bleiben muss, heißt das noch lange nicht, dass es nicht möglich ist, evidenzbasiert zu rationalen Entscheidungen zu gelangen. Das ist dann im Fallibilitätsprinzip eingepreist.

    Die Ideen von Bunge, Vollmer und Mahner stehen hier zur allgemeinen Debatte. Ich nehme sie jedenfalls nicht als gesetzt hin.

  518. Sehr geehrter Herr Schleim,

    in einem vorangegangenen Posting hatte ich gezeigt, dass nicht alle Varianten agnostischer Urteilsenthaltung mit dem kritischen Rationalismus kompatibel sein müssen. Was noch fehlt, ist eine etwas ausführlichere Betrachtung Ihrer Thesen über Naturgesetze, Wunder und Kritisierbarkeit:

    “7. Im Zusammenhang damit wird mein Standpunkt deutlicher, dass man diese ‘Naturgesetze’ schlicht anpassen würde, wenn man regelmäßig ‘Wunder’ beobachten würde. […] 8. Offen bleibt die Frage und geht hier auch zu sehr ins Detail, was überhaupt als ‘Wunder’ angesehen werden könnte. […] 13. Im Detail bliebe zu klären, inwiefern sich dieser Standpunkt mit dem des Kritischen Rationalismus deckt.”

    Leider ist selbst eine nur grobe Analyse dieser drei Thesen nicht in wenigen Worten möglich. Zunächst erfolgt die notwendige Begriffserläuterung, dann untersuche ich kurz die Beziehung zwischen Wundern und Naturgesetzen und schließlich gehe ich der Frage der Kritisierbarkeit des Naturgesetzlichkeitspostulats nach.

    Naturgesetz: Das im Mainstream eingebürgerte Wort “Naturgesetz” ist eine Kurzform für “regelmäßige Muster im Verhalten der Dinge”. Die Regelmäßigkeit schließt ein, dass sich diese Muster über die Zeit nicht ändern dürfen. Zwar werden Naturgesetze sprachlich und insbesondere mathematisch gefasst, sie beziehen sich aber auf eine (angenommene) Wirklichkeit. Naturgesetzaussagen sollen nämlich empirisch prüfbar sein. Auch wenn der Begriff “Gesetz” mit enthalten ist, wird in der Wissenschaft und der Wissenschaftstheorie kein Gesetzgeber unterstellt, was am Fehlen geeigneter Belege liegt.

    Wunder: Der Begriff der “regelmäßig beobachteten Wunder” scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Was regelmäßig geschieht, kann kein Wunder sein, denn zum Begriff des Wunders gehört das außergewöhnlich sein. Etwas regelmäßig Beobachtetes wird jedoch zum Gewöhnlichen. Vielleicht war auch einfach nur gemeint, dass sich Wunder häufiger zeigen.

    Wunder und Naturgesetze: In wissenschaftstheoretisch relevanter Hinsicht muss es sich bei einem Wunder um ein Ereignis handeln, das *deutlich* in Konflikt zu *gut bewährten* Naturgesetzaussagen steht. Beispiele für solche Wunder wären, wenn auf der Erde ein Fels plötzlich und unerklärlich anfinge zu schweben oder sich das Rote Meer überraschend teilte. Der schwebende Fels, der vorher immer fest auf der Erde stand, widerspräche den Gravitationsgesetzen, die sich in diesen Fällen bislang immer bewährt hatten. Ähnlich im Falle der Meeresteilung: Woher kommen plötzlich die Kräfte, die das Wasser teilen, eine Schlucht entstehen lassen und stabilisieren? Wasserflächen hatten sich auf der Erde noch nie geteilt. Anders gesagt: Im Falle eines Wunders scheitern Naturgesetzaussagen ganz erheblich genau in den Situationen, in denen sie sich bisher millionenfach bewährt hatten.

    Wunder naturgesetzlich einfangen? Dass sich derartig erstaunliche Anomalien wieder mit modifizierten Naturgesetzaussagen in Einklang bringen ließen, scheint ausgeschlossen. Der Grund dafür liegt darin, dass es sich bei den Naturgesetzen begrifflich um *regelmäßige* Muster im Verhalten der Dinge handeln muss. Kapriziös verändertes Verhalten ist aber kein regelmäßiges Verhalten. Zum Begriff des Naturgesetzes gehört schließlich die Zeitinvarianz. Letztere ist notwendig, um überhaupt Voraussagen machen zu können. Unmöglichkeitsaussagen sind eine Klasse derartiger Prognosen. (Dazu gehören auch Vorkommnisse, die extrem unwahrscheinlich und daher de facto unmöglich sind, wie etwa das Vorkommnis, dass sich alle Luftmoleküle in einer Ecke des Raumes versammeln.)

    Beispiele für naturgesetzabgeleitete Unmöglichkeitsaussagen: Die Kernphysik sagt voraus, dass sich Atomkernzerfälle zufällig ereignen und schließt zeitliche Muster wie z.B. einen längeren Cha-cha-Rhythums als praktisch unmöglich aus. Die naturgesetzliche Regelmäßigkeit des Naturprozesses liegt in diesem Falle in einer konstanten Zufallsverteilung. Die Gravitationstheorie schließt aus, dass ein Felsbrocken auf der Erde einfach so zu schweben beginnt, während ein daneben liegender Stein fest liegen bleibt. Die Evolutionstheorie sagt als unmöglich voraus, dass auf der Erde plötzlich hochkomplexe Spezies neu entstehen, die mit keiner bekannten Spezies verwandt sind. Es sind zahllose derartige Beispiele möglich.

    Anomalien: Was aber ist mit den tatsächlich in der Naturwissenschaft festgestellten Anomalien? Hier wird das theoriehierarchische Korrespondenzprinzip wichtig: Bislang enthielten neue Theorien jeweils ihre älteren bewährten Vorgänger als gute Näherungen in bestimmten Kontexten. Bei den festgestellten Anomalien handelte es sich nämlich nicht um erhebliche Abweichungen von vorher regelmäßig beobachtetem Verhalten, sondern um Abweichungen, die in Situationen auftreten, welche noch nicht untersucht waren. Ein Beispiel: Die Newtonsche Theorie bewährt sich auch heute noch ausgezeichnet, wenn die Relativgeschwindigkeiten und Massen hinreichend klein sind. Die allgemeine Relativitätstheorie erweitert den Gültigkeitsbereich der Theorie für sehr große Massen und Relativgeschwindigkeiten. Es ist eben nicht so, dass auf der Erde plötzlich massereiche schwebende Gegenstände aufgetaucht wären oder dass sich Lichtstrahlen im Labor auf einmal stark gekrümmt hätten. D.h. es liegt überhaupt kein Beleg dafür vor, dass sich die Gravitations- und Bewegungsgesetze auf der Erde irgendwie geändert hätten, was einem Wunder entspräche. Schließlich ist nicht jedes seltene Ereignis inkompatibel mit Naturgesetzen. Auch stabilere Atomkerne können zerfallen. Diese seltenen Zerfallsereignisse sind aber keine Wunder, sondern im Einklang mit der niedrigen Zerfallsneigung.

    Sind Naturgesetze mit beliebigen Ausnahmen noch Naturgesetze? Nein. Beliebige Ausnahmen invalidieren Naturgesetze, denn der Begriff des Naturgesetzes lässt keine beliebigen Ausnahmen zu.

    Prognosen und Kritisierbarkeit: Ein gewisser Prognoseerfolg ist eine notwendige Eigenschaft wissenschaftlicher Naturgesetzaussagen. Ein minimaler Prognoseerfolg besteht darin, dass Ereignisse, die Naturgesetzaussagen deutlich widersprechen, nicht eintreten. Wenn sich aus Naturgesetzaussagen keine als unmöglich vorhergesagten Ereignisse ableiten lassen, sind die Naturgesetzaussagen empirisch leer. Sie sagen dann alles voraus und damit nichts. Nur Naturgesetzaussagen, die prinzipiell an der Erfahrung scheitern können, haben überhaupt empirischen Gehalt.

    Kritischer Rationalismus: Naturgesetzaussagen sind – wie alle Aussagen über die Wirklichkeit – bislang nicht letztbegründbar, können sich aber bewähren und auch de facto scheitern. Naturgesetzaussagen, die mit Beliebigem vereinbar sind, sind kritikimmun, da sie nicht an der Erfahrung scheitern können.

    Naturgesetzlichkeit == Religion? Ist die (fallibilistische) Annahme der zeitinvarianten Naturgesetzlichkeit des Universums auch nur eine Religion? Um dies zu beurteilen, sollen 3 Kriterien betrachtet werden: 1. Irrtumsvorbehalt, 2. Belegverfügbarkeit und 3. Kritisierbarkeit. (1) In den Religionen gibt es üblicherweise keinen Irrtumsvorbehalt, an ihre Aussagen soll schließlich unabhängig von Evidenzen geglaubt werden. Das wissenschaftliche Naturgesetzlichkeitspostulat steht demgegenüber unter Irrtumsvorbehalt. (2) Religiöse Aussagen werden durch empirisch gewonnene Belege kaum gestützt. Das Naturgesetzlichkeitspostulat bewährt sich hingegen jeden Tag milliardenfach durch funktionierende Maschinen. Unregelmäßigkeiten würden hier rasch auffallen. (3) Religiöse Behauptungen werden durch avancierte Rhetorik kritikimmunisiert, was z.B. Hans Albert ausführlich herausgearbeitet hat. Die Annahme der zeitinvarianten Naturgesetzlichkeit kann hingegen scheitern, wenn entsprechende starke Belege hierfür auftauchen. Da dies gelegentlich bestritten wird, gehe ich darauf weiter unten noch einmal ein. Zwischenfazit: Bei der Naturgesetzlichkeitsannahme kann es sich kaum um ein religionsähnliches Statement handeln, dafür unterscheidet sich diese Annahme zu sehr von einer religiösen Doktrin.

    Kritisierbarkeit der Naturgesetzlichkeitsannahme: Gelegentlich wird behauptet, dass zwar spezifische Naturgesetzaussagen kritisierbar seien, die Annahme einer generellen Naturgesetzlichkeit jedoch nicht. Anders gesagt: Die Naturgesetzlichkeitsannahme könne angeblich nicht empirisch scheitern, da sich Naturgesetzaussagen immer so modifizieren ließen, dass sie mit allen denkmöglichen Ereignissen kompatibel seien. Für die folgende Überlegung ist wichtig, dass sich das Naturgesetzlichkeitspostulat immer auf die von Menschen untersuchbare Wirklichkeit bezieht. Oben wurde der Begriff des “Wunders” als kapriziöse Veränderung der Verlaufs von Naturprozessen eingeführt. Des weiteren wurde erläutert, warum Naturgesetze mit beliebigen Einzelfall-Ausnahmen sich nicht als zeitinvariante Naturgesetze auffassen lassen. “Wunder” im obigen Sinn haben demnach das Potenzial, die Annahme der Naturgesetzlichkeit des Universums scheitern zu lassen, wenn sie sich denn ereigneten. Die Allgemeinheit des Naturgesetzlichkeitspostulates erleichtert diese Kritikmöglichkeit sogar, denn es reicht bereits, auch nur eine Naturgesetzaussage scheitern zu lassen, um das generelle Postulat in Frage zu stellen. Die Verallgemeinerung fördert die Kritik, anstatt sie zu erschweren. Nun könnte man auf die Idee kommen, dass das System von Naturgesetzaussagen so stark empirisch unterdeterminiert ist (ala Duhem-Quine), dass sich dieses Aussagesystem wegen seiner großen Freiheitsgrade doch mit beliebigen Ereignisfolgen kompatibel machen lässt. In der Rückschau geht das. Es lässt sich aber nicht zeigen, dass die Naturgesetzaussagen damit nicht ihre Vorhersagekraft verlieren. Die minimal geforderte Prognosefähigkeit besteht im Vorhersagen von unmöglichen Ereignissen. Diese Prognosefähigkeit ist aber nicht absolut gegeben, da es sich nicht ausschließen lässt, dass immer genau die als unmöglich charakterisierten Ereignisse eintreffen, sobald das System der Naturgesetzaussagen neu justiert wurde. Jede allmächtige übernatürliche Entität könnte das definitionsgemäß bewirken. Das allgemeine Naturgesetzlichkeitspostulat kann also prinzipiell scheitern und kann daher nicht als kritikimmun gelten.

    Bescheidenheit: Sollten nur kritikimmune Annahmen getroffen werden, die alles zulassen, um der Forderung nach Bescheidenheit zu genügen? Das leuchtet kaum ein. Kritikimmunisierung hat wohl kaum etwas mit Bescheidenheit zu tun. Wenn man unbedingt von Bescheidenheit sprechen will, wirkt ein Irrtumsvorbehalt verbunden mit dem konzeptionellen Zulassen eines Scheiterns durch erfolgreiche Kritik viel eher bescheiden.

    Vorläufiges Fazit:

    Zum aktuellen Begriff des Naturgesetzes gehört die Zeitinvarianz und die Minimalforderung, dass sich aus den Naturgesetzaussagen unmögliche oder extremst unwahrscheinliche Ereignisse bzw. Ereignisfolgen prognostizieren lassen.

    Im Rahmen dieses Naturgesetzbegriffs lassen sich Naturgesetzaussagen nicht so modifizieren, dass sie mit *beliebigen zukünftigen* Ereignisfolgen kompatibel bleiben, denn es könnten immer gerade die Ereignisse eintreten, welche naturgesetzlich ausgeschlossen waren. Dies widerspricht der These Nr.7.

    Zwar wurden Naturgesetzaussagen immer wieder angepasst, um ihren Geltungsbereich zu erhöhen, was aber nur deshalb gelingen konnte, weil die beobachteten Ereignisfolgen gerade nicht beliebig waren, sondern bestimmte Muster aufwiesen.

    Die Allgemeinheit des Naturgesetzpostulates fördert seine Kritisierbarkeit sogar, anstatt sie zu erschweren.

    Die These 7 passt daher nicht zum kritischen Rationalimus, was im Punkt 13 gefragt war.

  519. @Chrys // 11.03.2021, 12:52 Uhr

    » Das heisst, methodisch bedingt ist empirische Wissenschaft gegenüber jeglicher Metaphysik prinzipiell agnostisch. «

    Ich würde eher sagen: Indifferent.

    Zumindest dann, wenn „agnostisch sein“ bedeutet, dass man sich an Huxleys Methode orientiert.

    Denn was Huxley da seinerzeit als „Methode“ mit Blick auf einen Glauben formuliert hat, lässt sich meines Erachtens prima verallgemeinern und passt auch auf die übliche Vorgehensweise in den Wissenschaften: Gehe nicht weiter, als die Vernunft trägt und vermeide unbelegte Schlussfolgerungen.

    Das heißt, was aus nichtwissenschaftlicher Sicht zu biologischen Vorgängen gesagt wird, von wem auch immer, dürfte in den meisten Fällen schlicht irrelevant sein; zumindest dann, wenn das Gesagte nicht mit Huxleys Methode zu vereinbaren ist.

    » Bell’s Theorem schliesst […] lediglich die Kombination von `hidden variables’ mit `locality’ [aus]. «

    Ok, und was bedeutet das dann für den quantenmechanischen Zufall, für das biophysikalische Grundrauschen, sozusagen?

  520. @Stephan Schleim
    Zu @Andresen & Balanus: Wissenschaft & Leben

    Bis wann das Sterben auch bei einem Menschen evtl. noch aufgehalten werden kann, mag sich zukünftig ändern. Darüber will ich jetzt nicht spekulieren und bleibe bei meiner Einschätzung: Die Wiederbelebung eines Toten halte ich für ausgeschlossen.
    Zu der Idee „1:1 Klon“: Ich versuche, mir die Werkstatt oder den Herstellungsbetrieb vorzustellen, in dem viele, viele, sehr viele Moleküle an der richtigen Stelle und mit passenden Randbedingungen platziert werden sollen. … Ich schätze, dass man von dieser Idee Abstand nehmen und es beim herkömmlichen Weg belassen wird.

    Zu @Andresen: Rituale & Heilung

    Da hatte ich wohl etwas übertrieben. Aber „Übertreibung macht anschaulich“. Dazu gehört auch der Gebrauch von Wörtern wie z.B. „alles“, „nichts“, „immer“ oder „nie“, die man sonst eher vermeiden sollte. Nicht übertrieben wäre:

    „Allein mit Ritualen und den anderen genannten Helfern hätte man damals sehr, sehr wenig erreicht.“

    Ansonsten: Zur Biologie des Menschen gehören Leib und Seele gemeinsam, nicht getrennt. Das ist auch bei der Betreuung / Behandlung von Kranken zu beachten.

  521. @ Feodor 11.03.2021, 14:52 Uhr

    Was würden Sie zur folgenden, nicht ganz alltäglichen Sichtweise, „Gott und die Naturgesetze“ betreffend, sagen?

    Es existiert ein transzendenter „Gott“ als absoluter Ausgangspunkt jeglichen Geschehens, als Bezeichner für ein transzendentes „Superobjekt“, dass ganz genau so ist, wie es wirklich in jedem Augenblick ist.

    „Superobjekt“ wäre ein die üblichen Objekteigenschaften und Funktionen weit übertreffendes Objekt im Sinne der Informatik, (kann Prozessor – Prozess – Information inkludieren), mit absolutem Einfluss auf jegliches Naturgeschehen, selbst auf die jeweils aktuellen Naturgesetze.

    Eine derartige „tautologische Deklaration“ stimmt immer, auch wenn die Erkenntnisse über Naturgesetze verbessert würden, selbst wenn die Naturgesetze auf rätselhafte Weise „verrückt spielen“ würden.

    Dieses Konstrukt enthält nur einen Allquantor, daher dürfte es kaum Widersprüche geben. Die Religionen könnten und haben eigentlich schon vieles, was irgendwie problematisch oder widersprüchlich sein könnte, an die Wissenschaft ausgelagert. Sie behalten immer ihre „weiße Weste“.

    „Fehler“ werden von der Wissenschaft kurzerhand, wie üblich, durch z.B. stündliche Updates gepatcht?

  522. @Waschke: Kategorien & Erkenntnis

    Natur vs. Übernatur; Dinge vs. Konstrukte – diese und ähnliche Kategorien sind keine Kategorien, die ich für hilfreich halte (ich finde es auch verwirrend, mir grundlegende Größen wie Energie oder Information als “Ding” vorzustellen, werde das hier aber nicht mehr weiter inhaltlich diskutieren).

    Am Anfang dieser Serie versuchte ich auszudrücken, dass meinn Zugang epistemisch ist, nicht ontologisch. Die Welt ist für mich nicht monistisch oder dualistisch, sondern so pluralistisch auf der Beschreibungsebene, wie wir sie benötigen. Die ontologische Interpretation überlasse ich gerne den “Gurus”, die meinen, aus Sätzen über das Sein etwas über das Seiende ableiten zu können.

  523. @Feodor: Thesen

    Danke für den ausführlichen Diskussionsbeitrag – der eher ein Koreferat ist (manche nennen es eine “Blogwall”) –, den ich mit Interesse gelesen habe.

    An @Waschke hatte ich gerade formuliert, dass ich die Redeweise von den “Dingen” für problematisch halte. “Naturgesetze” würde ich eher als “Formalisierungen von Naturphänomenen” sehen. Wer sich am Phänomenbegriff stört, kann meinetwegen auch von der “Formalisierung von Naturbeobachtungen” sprechen. Das ist meiner Meinung nach sparsamer und zutreffender als Ihre Sichtweise.

    Nach Ihrer Definition werden wohl Wunder – per definitionem – ausgeschlossen; und das ist wahrscheinlich die Agenda des Naturalisten. Das Verhältnis von “Anomalie” und “Wunder” könnte man sich noch einmal näher anschauen.

    Wie Sie darauf kommen, dass Naturgesetze zu allen Zeiten und an allen Orten im Universum gleich sein müssen, verstehe ich nicht; Paul Feyerabend hat sich mit dieser Frage beschäftigt und war hierfür tiefer in die Physik eingestiegen als ich.

    Wie ich @Waschke gerade schrieb, bleibe ich auf der Beschreibungsebene: Da haben wir Muster in Beobachtungen, die sich mathematisch formalisieren lassen. Warum darüber hinaus noch metaphysische Spekulationen anstellen?

  524. @Timm Grams 11.03.2021, 14:08 Uhr

    Grundannahmen

    Da wir uns mit dem Konflikt Naturalismus kontra Religion beschäftigen und insbesondere mit den Auswirkungen der Evolutionslehre, sollten wir uns am Sprachgebrauch der Urheber orientieren: Charles Darwin und Thomas Henry Huxley. Darwin benutzt den von Huxley eingeführten Begriff des Agnostizismus. Wenn wir so verfahren wollen, erübrigt sich auch die Einführung neuer Begriffe wie Ignostizismus.

    Vergessen Sie aber bitte nicht, dass sich Evolutionsbiologie (so gut wie alle modernen Theorien sind nicht-darwinisch, Darwins Selektionstheorie, auch deren Erweiterung als Modern Synthesis kann bestenfalls die Adaptation, nicht aber die Entstehung von Neuheiten erklären), Wissenschaftstheorie (Darwin war hier ziemlich fortschrittlich, aber nicht auf dem Stand, auf dem wir aktuell sind) und Philosophie (deren Rolle sich durchaus extrem geändert hat) weiter entwickelt haben. Es macht keinen Sinn, mit Begriffsinhalten zu argumentieren, die vor über 100 Jahren aktuell waren.

    Die eher ‘klassischen’ Philosophen hatten sowieso das Problem, nicht über Sätze aus Sätzen hinauszukommen. Alles, was sie über das, was wir heute durch Empirie herausgefunden haben, schrieben, war bestenfalls zufällig korrekt.

    Bestenfalls könnte man sich überlegen, ob man die ‘klassischen’ Begriffe überhaupt noch verwenden sollte, wenn sich deren Gehalt geändert hat. ‘Naturphilosophie’ hatte beispielsweise, bevor der Begriff ‘Biologie’ geprägt wurde, eine vollkommen andere Bedeutung als heute. ‘Philosophie’ in diesem Kontext (denken Sie beispielsweise an den Titel von Lamarcks Buch von 1809) bedeutete in etwa das, was wir heute unter ‘Theorie’ verstehen.

    [ Darwin-Zitat ]

    Ich habe mich sehr umfassend mit der Geschichte der Evolutionsbiologie seit Darwin befasst. Wie auch in dem von Ihnen zitierten Text zum Ausdruck kommt, hat sich Darwins Position im Laufe seines Lebens immer wieder verändert, und zwar eher ‘erratisch’.

    Fakt ist, dass Darwin (wie letztlich auch Kant) erkannte, dass es kein Argument dafür gibt, dass wir zu ‘wahrer’ Erkenntnis fähig sind. Letztlich erklärt Darwin, warum das zu erwarten ist, während Kant nur Aporien konstatieren konnte.

    Glaube oder Wissen: Ersteres ist Sache der Metaphysik und Letzteres Sache Wissenschaft. Die Grenze dazwischen hat Popper mit seinem Abgrenzungskriterium gezogen.

    Sie werden sicher auch mitbekommen haben, dass es Popper nicht gelang, ein gültiges Abgrenzungskriterium zu formulieren. Die Frage ist auch heute noch offen. Das ist übrigens ein großes Problem bei der Diskussion mit Evolutionsgegnern, vor allem Intelligent Design-Vertretern. Es gibt gute Gründe, wie sie beispielsweise Laudan, Kitcher oder Monton (bei Bedarf kann ich Ihnen Literatur nennen oder auch zitieren), die Frage nach einem Abgrenzungskriterium in diesem Kontext gar nicht zu stellen. Selbstverständlich gibt es auch Autoren, die das anders sehen. Aber genau das ist ja mein Punkt: Es gibt keinen Standard.

    Der Agnostizismus bezieht sich auf das Reich der Metaphysik.

    Wenn ich richtig informiert bin vor allem auf die Gottesfrage.

    Im Reich der Wissenschaft haben wir den „öffentlichen Charakter der wissenschaftlichen Methode“ und die dadurch bewirkte Objektivität (K. R. Popper, „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“, dreizehntes Kapitel „Wissenssoziologie“).

    Sie wissen sicher, dass Popper nicht unbedingt der Standard der Wissenschaftstheorie ist. Oder meinen Sie, es gäbe inzwischen einen Standard? Das wäre mir vollkommen neu. Zudem finde ich, dass “die wissenschaftliche Methode” eine Worthülse ist. Je nach Wissenschaftstheorie sieht es etwas anders aus, was man genau darunter verstehen möchte. Vergessen Sie in diesem Kontext auch nicht, dass im Deutschen ‘Wissenschaft’ breiter ist als ‘science’ im Englischen. Ob es eine Methode gibt, die in allen Wissenschaften funktioniert, wage ich zu bezweifeln.

    Mit dieser Anmerkung sollte auch folgender Einwand erledigt sein:

    [Ich:] Auch wenn man letztlich agnostisch bleiben muss, heißt das noch lange nicht, dass es nicht möglich ist, evidenzbasiert zu rationalen Entscheidungen zu gelangen. Das ist dann im Fallibilitätsprinzip eingepreist.

    Das sehe ich beim besten Willen nicht. Sie fordern Prämissen ein, die diskutabel sind.

    Die Ideen von Bunge, Vollmer und Mahner stehen hier zur allgemeinen Debatte. Ich nehme sie jedenfalls nicht als gesetzt hin.

    Ich auch nicht, aber ich vertrete Sie. Und zwar mit Argumenten und unter klarer Angabe der Grundlagen, auf die ich mich beziehe. Das, was Sie als gesetzt hinnehmen, ist aus meiner Sicht weniger vertretbar als das, was ich als plausibel erachte. Sie haben Recht, dass sich die Diskussion genau um diese Frage dreht, und zwar als Grundlage für alles, was dann daraus folgt.

    Wenn ich Ihre Postings richtig interpretiere, scheinen Sie davon auszugehen, dass es einen Standard gibt, den Ihre Diskussionspartner nur nicht kennen würden. Gehen Sie davon aus, dass man mit guten Gründen anderer Meinung sein kann.

  525. @Andresen: (Un)Umkehrbarkeit des Tods

    Die Wiederbelebung eines Toten halte ich für ausgeschlossen.

    Das klingt für mich irgendwie esoterisch/okkultistisch…

    …wenn wir (als gute Naturalisten) alles “Übernatürliche” ausschließen, was sollte einem Gestorbenen dann abhandengekommen sein, was ihm die Natur – prinzipiell! – nicht zurückgeben könnte? (Jetzt etwas metaphorisch gesprochen. Ich hoffe, mein Gedanke ist klar.)

    Dass eine “Auferstehung von den Toten” bisher nicht beobachtet wurde, kann hier kein Argument sein: Wir stellen uns ja vor, dass eine Superwissenschaft der Zukunft über alle Möglichkeiten verfügt. Und natürlich geht es hier mit “rechten Dingen” zu. (Zwinkersmiley)

  526. @Stephan Schleim 12.03.2021, 07:37 Uhr

    Moderation

    Danke für den Hinweis.

    Sollten Sie das Posting aus einem Spam-Ordner holen könnten, wäre das sehr freundlich.

    Da ich mit @Timm Grams schon die wesentlichen Unterschiede zwischen unseren Positionen diskutiere, ist es aber auch nicht schlimm, wenn mein Posting ‘verloren’ ist.

    Ich könnte es aber, falls es doch jemanden interessieren sollte, ohne mehr als zwei Links noch einmal posten.

    Danke auch für Ihre andere Antwort, ich gehe noch darauf ein.

  527. @Waschke: P.S. Huxley

    Ich fand spontan diesen Hinweis:

    [Bishop Samuel Wilberforce] was killed in a riding accident in 1873 and it was reported that Thomas Huxley very unkindly commented that Wilberforce’s brains had at last come into contact with reality, and the result had been fatal.

    Ich habe Thomas H. Huxley über seine Essays als Gelehrten kennengelernt; natürlich rutscht einem Menschen auch mal ein unpassender Witz heraus. Jedenfalls sollte man solche Anekdoten nicht all zu ernst nehmen. Die Tatsache, dass sie so überliefert wird, ist aber an sich schon interessant.

    Bei meiner Recherche fand ich diesen Essay (Wilberforce and Huxley: A Legendary Encounter) aus dem Jahr 1979 über die berühmte Debatte, den ich mir bei Gelegenheit durchlesen will; möglicherweise braucht man aber einen Uni-Zugang für den Zugriff.

    P.S. Ich schaue gleich mal nach den Kommentaren; habe auf diesem Gerät das Passwort nicht zur Hand. An dieser Plattform ist vieles nicht optimal. Wir sind allenfalls ein Appendix des Verlags und müssen mit dem Vorlieb nehmen, was wir haben – oder umziehen.

  528. @Schleim
    Wie Sie darauf kommen, dass Naturgesetze zu allen Zeiten und an allen Orten im Universum gleich sein müssen, verstehe ich nicht; Paul Feyerabend hat sich mit dieser Frage beschäftigt und war hierfür tiefer in die Physik eingestiegen als ich.

    Naturgesetze müssen nicht gleich sein, aber sie müssen gleichermaßen gültig sein, allen Orten und zu allen Zeiten. Das bedeutet, sie müssen invariant sein gegenüber Transformationen von Ort oder Zeit.

    Das “anything goes” von Feyerabend wird gerne missverstanden. Es bedeutet eben nicht “anything goes”, wie manche Wissenschaftskritiker oder Wundergläubige meinen, sondern es bedeutet, dass die Wissenschaft sich nicht an bestimmte oder vorgegebene Methoden halten muss, dass sie frei ist in der Wahl ihrer Methoden.

  529. @ Stephan Schleim 12.03.2021, 08:14 Uhr

    P.S. Huxley

    Ich fand spontan diesen Hinweis:

    [Bishop Samuel Wilberforce] was killed in a riding accident in 1873 and it was reported that Thomas Huxley very unkindly commented that Wilberforce’s brains had at last come into contact with reality, and the result had been fatal.

    Ich habe das oben in einem Posting an @Balanus auch erwähnt:

    https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/religion-oder-naturalismus-wer-gewinnt/#comment-50332

    Ich habe Thomas H. Huxley über seine Essays als Gelehrten kennengelernt; natürlich rutscht einem Menschen auch mal ein unpassender Witz heraus. Jedenfalls sollte man solche Anekdoten nicht all zu ernst nehmen. Die Tatsache, dass sie so überliefert wird, ist aber an sich schon interessant.

    Ich habe mich intensiv mit Wissenschaftsgeschichte (speziell der Evolutionstheorie) befasst und in diesem Kontext sehr viele (Auto)Biographien gelesen, weil mich immer der Mensch hinter der Theorie interessierte. Huxley war für mich aber nicht so bedeutsam, daher ist das, was ich über ihn weiß, eher ‘Beifang’ oder halt der Tatsache geschuldet, dass ich mich lange als ‘Agnostiker’ bezeichnet habe.

    Bei meiner Recherche fand ich diesen Essay (Wilberforce and Huxley: A Legendary Encounter) aus dem Jahr 1979 über die berühmte Debatte, den ich mir bei Gelegenheit durchlesen will; möglicherweise braucht man aber einen Uni-Zugang für den Zugriff.

    Stephen Jay Gould hat das auch irgendwo ausführlich dargestellt (kann sogar sein, dass er die von Ihnen zitierte Arbeit verwendet hat, danke für das Zitat, ich habe einen JSTOR-Zugang, ich müsste jetzt in den Keller gehen, in alten Büchern stöbern, falls ich den Gould-Artikel finden soll).

    Ist eins der vielen Beispiele für eine Schilderung, die man überall findet, die aber eben falsch sind, falls man es nachprüft. Hier ist oft der Wunsch der Vater des Gedankens, passt halt ins Bild, wird wohl stimmen und dann ungeprüft übernommen …

    Se non è vero è molto ben trovato trifft es ganz gut 😉

    P.S. Ich schaue gleich mal nach den Kommentaren; habe auf diesem Gerät das Passwort nicht zur Hand. An dieser Plattform ist vieles nicht optimal. Wir sind allenfalls ein Appendix des Verlags und müssen mit dem Vorlieb nehmen, was wir haben – oder umziehen.

    Leider ist das so. Ich kann das aber verstehen. Ich musste mein Forum dicht machen, weil dort pro Tag Hunderte von Spam-Einträgen auftauchten und ich nicht die Zeit hatte, das zu fixen.

    Eins vermisse ich an ihrem SciLog: Blume hat zumindest Ebenen, das heißt, dass man auf ein Posting antworten kann, die Antwort taucht dann an einer sinnvollen Stelle auf, nicht ‘irgendwo’. Wollten Sie das nicht oder geht das bei Ihnen nicht?

    Machen Sie sich aber nicht zu viel Mühe, ich denke, das was relevant ist, habe ich inzwischen wieder angeführt.

  530. @Stephan Schleim
    12.03.2021, 07:56 Uhr

    Wie ich @Waschke gerade schrieb, bleibe ich auf der Beschreibungsebene: Da haben wir Muster in Beobachtungen, die sich mathematisch formalisieren lassen. Warum darüber hinaus noch metaphysische Spekulationen anstellen?

    Ich vermute, dass das die Grunddifferenz (nicht nur) zwischen uns ist. Ich schreibe dazu noch etwas ausführlicher, muss noch etwas nachlesen, damit ich nichts Falsches sage (geht letztlich um den ‘Positivismusstreit’, Adorno hat dort Popper gegenüber gemeint, dass er nichts anerkennen könne, was seine Position von vorne herein widerlegen würde; ist schon lange her, ich habe das Buch gelesen, als es aktuell war, denke aber, dass sich das ganz gut auf den Hintergrund von unserem Dissens anwenden lässt).

    Letztlich geht es um die Frage, warum diese Formalisierungen im Sinne von ‘sie funktionieren’ möglich sind. Letztlich die Begründung (selbstverständlich unter Fallibilitätsvorbehalt), warum der methodologische Naturalismus funktioniert, durch den ontologischen.

    Auf jeden Fall ist das für Menschen wie mich ein befriedigenderes Weltbild, und es ist sogar in gewissem Umfang prüfbar. Was Ihnen vermutlich daran nicht gefällt, ist, dass dadurch bestimmte Auffassungen ausgeschlossen werden. Ihnen liegt vermutlich mehr an einem friedlichen Zusammenleben als am einem mit Anspruch auf Geltung zu vertretendem konsistenten Weltbild, das Grenzen absteckt.

    Details später, es sei denn, Sie sagen, dass ich mit meinen Vermutungen vollkommen falsch liege.

  531. “…wenn wir (als gute Naturalisten) alles “Übernatürliche” ausschließen, was sollte einem Gestorbenen dann abhandengekommen sein, was ihm die Natur – prinzipiell! – nicht zurückgeben könnte? (Jetzt etwas metaphorisch gesprochen. Ich hoffe, mein Gedanke ist klar.)”

    Es gibt ja auch Christen die 100% materialistisch denken (z.B. die Zeugen Jehovas aber auch andere) die von einer leiblichen Wiederauferstehung ausgehen, also das Gott den Menschen (unbeseelt) als 1:1 Kopie wiedererschafft. Das Problem ist nur das diese Religiösen lieber Armageddon zu Lebzeiten erleben wollen, weil eine Kopie meiner selbst, selbst wenn sie exakt so wäre wie ich eben nicht ich wäre. Ist irgendwie kein Trost.

  532. @Waschke: Übersichtlichkeit

    Glauben Sie mir, mit diesen (sowieso nur unvollständig implementierten: nach ein paar Stufen hört es einfach auf) Ebenen würde das letzte Bisschen Übersicht verloren gehen. Sie – und alle, die mitdiskutieren wollen – müssten immer wieder nach oben und unten scrollen und schauen, ob irgendwo vielleicht noch ein neuer Kommentar steht. Auf einem SmartPhone oder Tablet wäre es schon viel früher nicht mehr auszuhalten.

    Als das eingeführt wurde, sorgte ich dafür, dass es so schnell wie möglich wieder ausgeschaltet wird. Bei mehr als ein paar Dutzend Kommentaren wird die Diskussion unmöglich. Am Anfang der SciLogs (damals noch BrainLogs) plädierte ich übrigens dafür, die Chronologie umgekehrt anzuzeigen: mit den neuesten Beiträgen am Anfang. Das konnte sich nicht durchsetzen. Würde die Übersicht aber stark verbessern, v.a. auf SmartPhones und Tablets.

    Ideal wäre ein Forum wie bei Heise Online; aber das wird’s hier wohl nicht geben.

    P.S. Heben Sie sich die übrigen Gedanken vielleicht für den Schlussartikel auf. Ich denke, dass ich hier kaum noch teilnehmen werde; habe die nächsten Tage viel zu tun.

  533. @Thomas Waschke 12.03.2021, 07:57 Uhr

    Nach einem gut geglückten Einstieg in unsere Auseinandersetzung drängt sich bei Ihnen allmählich der gläubige Naturalist in den Vordergrund, was die Diskussion für mich zunehmend unerquicklich macht. Sie gehen ins Allgemeine, wo Konkretisierungen hilfreicher wären. Dass sich “Wissenschaftstheorie und Philosophie” seit Darwin “weiter entwickelt haben” bezweifelt hier doch keiner. Dass berechtigt aber nicht zum Schluss:

    Es macht keinen Sinn, mit Begriffsinhalten zu argumentieren, die vor über 100 Jahren aktuell waren.

    Sie schreiben ferner:

    Sie werden sicher auch mitbekommen haben, dass es Popper nicht gelang, ein gültiges Abgrenzungskriterium zu formulieren. Die Frage ist auch heute noch offen. Das ist übrigens ein großes Problem bei der Diskussion mit Evolutionsgegnern, vor allem Intelligent Design-Vertretern. Es gibt gute Gründe, wie sie beispielsweise Laudan, Kitcher oder Monton (bei Bedarf kann ich Ihnen Literatur nennen oder auch zitieren), die Frage nach einem Abgrenzungskriterium in diesem Kontext gar nicht zu stellen. Selbstverständlich gibt es auch Autoren, die das anders sehen. Aber genau das ist ja mein Punkt: Es gibt keinen Standard.

    Man kann mit Naturwissenschaftlern aus der Skeptikerbewegung durchaus auch zielführend diskutieren, wie ich im Zusammenhang mit dem Abgrenzungskriterium erfahren durfte. Dieses erfreuliche Erlebnis habe ich in dem Hoppla!-Artikel Skepsis ohne (metaphysische) Scheuklappen festgehalten. Autoritätsargumente wie

    Ich habe mich sehr umfassend mit der Geschichte der Evolutionsbiologie seit Darwin befasst.

    machen dem Angesprochenen keine Lust auf weitere Diskussion.

    Gehen Sie davon aus, dass man mit guten Gründen anderer Meinung sein kann.

    Ja doch, mache ich. Dann lassen wir das so stehen.

  534. @Stephan // 12.03.2021, 08:01 Uhr

    » …wenn wir (als gute Naturalisten) alles “Übernatürliche” ausschließen, was sollte einem Gestorbenen dann abhandengekommen sein, was ihm die Natur – prinzipiell! – nicht zurückgeben könnte? (Jetzt etwas metaphorisch gesprochen. Ich hoffe, mein Gedanke ist klar.) «

    Kurz und knapp: Nichts! Abhandengekommen sind lediglich die funktionalen, sich selbst erhaltenden Strukturen. Könnte man die technisch wiederherstellen, stünde der Wiederbelebung eines Toten im Prinzip(!) nichts mehr im Wege.

  535. @Balanus / 11.03.2021, 19:00 Uhr

    »Ich würde eher sagen: Indifferent.«

    In Ordnung. Darüber mit Dir zu streiten sehe ich keine Veranlassung, und es scheint mir hier einvernehmlich klar zu sein, worum es geht.

    »Ok, und was bedeutet das dann für den quantenmechanischen Zufall, für das biophysikalische Grundrauschen, sozusagen?«

    Erst auf Deine Nachfrage hin habe ich gestern abend noch eine scholar.google Suche zu “quantum” kombiniert mit “biology” gestartet. (Die quantum-Connection war nicht unbedingt, was ich in meinem vorletzten Kommentar mit den `verborgenen Variablen’ im Sinn hatte, das war da eher metaphorisch gemeint.) Aber gut, in einem Heuhaufen von ziemlich estorisch-spekulativ anmutendem Zeug habe ich schlussendlich auch eine Nadel gafunden, einen mir noch unbekannten Artikel zweier mir namentlich schon bekannter Autoren, den ich Dir nicht vorenthalten will, auch wenn ich das jetzt noch nicht alles genauer lesen konnte.

    Calude, C. S., & Longo, G. (2016). Classical, quantum and biological randomness as relative unpredictability. Nat. Comput., 15(2), 263-278. [PDF]

    Das passt thematisch hier doch ganz prima — also erst mal besten Dank für die Anregegung zur Suche, und ich hoffe, dass das Gefundene auch Dir etwas bringt.

  536. @ Stephan Schleim 12.03.2021, 10:55 Uhr

    danke für die Infos zur ‘Technik’ des Blogs. Okay, ich arbeite fast ausschließlich an einem PC mit sehr großem Bildschirm. An Smartphone etc. habe ich nicht gedacht, stimmt, da ist alles anders

    Ideal wäre ein Forum wie bei Heise Online; aber das wird’s hier wohl nicht geben.

    Stimmt, wäre durchaus eine Option. Als altmodischer Mensch finde ich immer noch, dass UseNet durchaus optimal war. Bei Heise Online fehlt mir der Überblick.

    P.S. Heben Sie sich die übrigen Gedanken vielleicht für den Schlussartikel auf. Ich denke, dass ich hier kaum noch teilnehmen werde; habe die nächsten Tage viel zu tun.

    Okay, danke für den Hnweis.

    Ich warte dann mal ab.

    Bis denne …

  537. @Timm Grams 12.03.2021, 11:10 Uhr

    Autoritätsargument?

    Autoritätsargumente wie

    [Thomas Waschke] Ich habe mich sehr umfassend mit der Geschichte der Evolutionsbiologie seit Darwin befasst.

    machen dem Angesprochenen keine Lust auf weitere Diskussion.

    Ich bin jetzt etwas verwirrt.

    Wenn ich meine Meinung hinter berühmten Namen versteckt hätte, wäre das in etwa das, was ich unter einem Autoritätsargument verstehe.

    Wenn ich darauf hinweise, dass ich bestimmte Grundkenntnisse habe, will ich damit zum Ausdruck bringen, dass Sie etwas voraussetzen können. Bestenfalls als dezenten Hinweis darauf, dass Sie dann auch bestimmte Kenntnisse haben sollten, wenn Sie mit mir kontrovers über derartige Themen diskutieren möchten. Mehr nicht.

    [Thomas Waschke] Gehen Sie davon aus, dass man mit guten Gründen anderer Meinung sein kann.

    Ja doch, mache ich. Dann lassen wir das so stehen.

    Okay, wird wohl das Beste sein.

  538. Reutlinger,
    Die Zusammenhänge in der Natur sind in der Sprache der Mathematik geschrieben. Bei dem Wort “Naturgesetz” erwartet man einen Wortlaut.
    Deswegen wird der Begriff Naturgesetz nicht mehr verwendet.

    Was jetzt die Behauptung, Naturgesetze müssen überall und zu jeder Zeit gleich gültig sein betrifft, das ist doch eher Wunschdenken.
    Ob in einem Schwarzen Loch die Erhaltungssätze noch gelten, das ist nicht bewiesen.

  539. @ Herr Schleim

    “Nach Ihrer Definition werden wohl Wunder – per definitionem – ausgeschlossen; und das ist wahrscheinlich die Agenda des Naturalisten.”

    Wie sie das aus meinem Text herausgelesen haben, bleibt mir ein Rätsel.

    Ereignisse lassen sich – wie alle anderen Vorkommnisse – nicht per Definition ausschließen. Definiert bzw. erläutert habe ich nur den Begriff einer Klasse von Ereignissen, die als Wunder bezeichnet werden können. Wenn diese Wunder aufträten, wäre das Postulat zeitinvarianter Naturgesetze de facto gescheitert. Daher ist das Naturgesetzlichkeitspostulat kritisierbar, denn es könnte empirisch in Frage gestellt werden.

    Im kritischen Rationalismus bevorzugt man möglichst starke Hypothesen, denn diese lassen sich leichter kritisieren. Durch Kritik werden Fehler aufgedeckt, die man anschließend versucht zu beseitigen. Was ausdauernde Kritik übersteht ist bewährt, aber natürlich nicht letztbegründet. Kritisierbarkeit ist eine wichtige Eigenschaft (meta)wissenschaftlicher Hypothesen.

    Aus der Astrophysik gibt es Hinweise darauf, dass Naturgesetze über sehr lange Zeiträume konstant sind. Das macht die Hypothese plausibler, ist aber kein Beweis. Wissenschaftstheoretisch entscheidender ist die Kritiserbarkeit durch davon abweichende Erfahrung.

    Es lassen sich auch andere (schwächere) Naturgesetzkonzepte konstruieren, die auch kritisierbar sind. Das führt aber zu weit.

  540. @hwied

    Was jetzt die Behauptung, Naturgesetze müssen überall und zu jeder Zeit gleich gültig sein betrifft, das ist doch eher Wunschdenken.

    Es ist eine kritisierbare Hypothese, die an der Erfahrung scheitern, aber nicht letztbegründet werden kann. Ob da jemand einen Wunsch hat oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Nichts aus der Wissenschaft lässt sich letztbegründen, dennoch gibt es gut bewährte Theorien.

    Ihr spirituelles Erleben bleibt davon völlig unberührt oder sollte es sein.

  541. @hwied
    Ob in einem Schwarzen Loch die Erhaltungssätze noch gelten, das ist nicht bewiesen.

    In einem Schwarzen Loch gelten andere Naturgesetze, vielleicht gar keine. Auch die relativistische Physik hat andere Naturgesetze. Die Naturgesetze der klassischen Physik gelten unter den Bedingungen der klassischen Physik. Deshalb hat es nichts mit Wunschdenken zu tun, sondern mit den Gültigkeitsbereichen der Naturgesetze.

    Heute habe ich gelesen, dass es Forschern in Wien gelungen ist, die Gravitation zwischen Goldkügelchen von 90 milligramm mit Torsionspendeln zu messen. Bisher lag die Grenze wohl bei einem Kilogramm. Die Grenze zu Quanteneffekten der Gravitation wird bei 0,01 milligramm vermutet. Die Schwierigkeiten für solche Messungen liegen in der Abschirmung störender Effekte. Könnte man Quanteneffekte der Gravitation erkennen, wäre das ein riesiger Fortschritt für die Physik.

  542. @Elektroniker:

    Zum “Superobjekt”.

    Sie können freilich alles mögliche zusätzlich annehemen. In der Wissenschaft wird das üblicherweise per Occam’s Razor eliminiert. Wenn man alles denkmögliche in die Wissenscaft übernähme, gäbe es eine Explosion bei der Zahl der Entitäten, ohne dass dadurch bessere Theorien entstünden.

    Abgesehen davon werden keine Entitäten postuliert, deren Existenzannahme unbelegt und kritikimmun ist (Stichwort kritischer Rationalismus).

  543. @Stephan Schleim – (Un)Umkehrbarkeit des Tods

    Das klingt für mich irgendwie esoterisch/okkultistisch…

    Na ja, wenn Sie für so etwas empfänglich sind…

    Beim Nachdenken über eine Antwort habe ich im Hinterkopf auch die Vorstellung, dass ein Esoteriker aus meinem nachbarschaftlichen Umfeld „Hurra, er ist einer von uns!“ jubeln könnte, was mir nicht gefiele.

    Das „… klingt für mich irgendwie…“ habe ich nicht überlesen. Trotzdem bin ich überrascht von Ihrer Einschätzung. Ein Missverständnis? Eine Übertreibung? Eine Provokation?
    Da es hier um Leben und Tod geht, versuche ich es mit einer ernsthaften Antwort.

    Der Mensch als biologisches System ist in vielerlei Hinsicht robust. Andernfalls wäre ein Überleben in der „feindlichen Umwelt“ für eine beträchtlich lange Zeit (Lebenserwartung in Deutschland ca. 80 Jahre) nicht möglich. Ein paar regelmäßige Dinge sind fürs Überleben zwingend erforderlich und je nach Konstitution kann ein Mensch unterschiedlich lange darauf verzichten, ohne dass das Überleben bedroht wird oder eine vollständige Erholung / Genesung unwahrscheinlich würde. Beispielsweise

    Essen, Ernährung … Tage oder Wochen ohne geht
    Trinken, Wasser … Stunden ohne geht
    Atmen, Luft (Sauerstoff) … eine Minute ohne geht – aber das ist schon schwer
    Umgebungswärme … außerhalb der Wohlfühltemperatur auch längere Zeit mit „persönlicher Schutzausrüstung“ also Bekleidung

    Und es gibt Dinge / Gefahren, deren Vermeiden fürs Überleben (mehr oder weniger) zwingend erforderlich sind. Auch hier ein paar Beispiele:

    Stürzen aus großer Höhe
    (Heftiges) Stoßen durch etwas Schweres / Hartes (z.B. Stein, Wisent, LKW)
    (Heftiges) Berühren durch etwas Scharfes / Spitzes (z.B. Raubtierzahn, Dorn, Messer)

    Auf lebensbedrohende Krankheiten will ich hier nicht weiter eingehen. Auch nicht aufs Altern.

    Als völlig unwissenschaftlichen Beleg für die alltäglichen Gefahren verweise ich auf den Song „Everything Is Dangerous“ von Tom Smith, von ihm so zusammengefasst:

    From the moment that you’re born until the day you die,
    Everything might kill you, and a lot of things will try,
    So you’ve got two choices, and they’re easy to compare,
    Everything is dangerous, or everything’s just there.

    Wenn genannter Verzicht zu lange dauert oder wenn genannte Gefahren tatsächlich eintreten, kann das zum Sterben führen.

    Der Übergang vom Leben in den Tod, also das Sterben, geht, abhängig vom (erzwungenen) Verzicht bei den erstgenannten Dingen oder vom (erzwungenen) Nicht-Vermeiden bei den zweitgenannten Dingen, unterschiedlich schnell und kann, solange keine irreversiblen Schäden eingetreten sind, durch den Menschen selbst oder durch Helfer (Betreuer, Rettungssanitäter, Ärzte) so aufgehalten werden, dass ein Weiterleben möglich ist. Diese „Wiederbelebung“ bezieht sich auf einen Patienten, der noch nicht tot war, bei dem aber ohne diese Behandlung der Tod vermutlich eingetreten wäre.

    Bei irreversiblen Schäden lebensnotwendiger Strukturen ist das nicht möglich und das Sterben schließt ab mit dem Tod. (Präzisierung durch @Balanus hier einbezogen.)

    Die Unterscheidung zwischen reversibel und irreversibel kann schwer sein.
    Überspitzt: Wenn die Verwesung eingesetzt hat, ist wohl nichts mehr zu machen. Auch keine Wiederbelebung.

  544. @Harald Andresen // 12.03.2021, 14:39 Uhr

    Dem ist nichts hinzuzufügen… :- )

    Da es hier um Leben und Tod geht,… « )

  545. @anton reutlinger 10.03. 16:06

    „Aus den Regelmäßigkeiten ergeben sich die Naturgesetze und Vorhersagemöglichkeiten.
    Singuläre Phänomene können Zufälligkeiten oder Beobachtungsfehler bzw. subjektive Wahrnehmungstäuschungen sein. Daraus lassen sich keine Schlussfolgerungen und keine objektiven Erkenntnisse ziehen.“

    Das meine ich ja gerade. Die kleinen Wunder im Leben gehen im wissenschaftlichem Prozess systematisch verloren. Wer jetzt sowieso schon meint, die kleinen und größeren Wunder kann es nicht geben, der merkt hier auch wirklich nichts davon.

    Thomas Waschke 10.03. 17:23

    „Denn der Skeptiker bezweifelt nicht die Erfahrung, nur, dass der etwas Objektives entspricht, das sich außerhalb der Schädeldecke des Empfindenden befindet.
    Wie gesagt, Ihre Pflicht, das zu zeigen, nicht meine, zu zeigen, dass so etwas prinzipiell nicht möglich ist.“

    Ich fühl mich jetzt nicht verpflichtet, zu beweisen, dass meine Erfahrungen anderer Leute Konzepte genügen. Und es ist genauso nicht Ihre Pflicht, ihren Naturalismus zu beweisen. Glauben Sie was Sie wollen, ich glaube auch, was ich will. Und von mir aus können Sie auch gerne glauben, dass Sie wissen, dass Sie Recht haben. Die Religionsfreiheit erlaubt auch dieses.

    Ich kann das nur nicht teilen. Und mach derweil bei mir weiter. Und ich glaube nicht, das wir am Ende der Geschichte angekommen sind.

  546. @Tobias Jeckenburger 12.03.2021, 15:16 Uhr

    Sinn von Diskussionen

    Ich fühl mich jetzt nicht verpflichtet, zu beweisen, dass meine Erfahrungen anderer Leute Konzepte genügen. Und es ist genauso nicht Ihre Pflicht, ihren Naturalismus zu beweisen.

    Damit kann ich leben. Die Frage ist nur, was uns dann in Diskussionsforen treibt. Das sind doch dann bestenfalls Befindlichkeitsschilderungseinrichtungen.

    Glauben Sie was Sie wollen, ich glaube auch, was ich will. Und von mir aus können Sie auch gerne glauben, dass Sie wissen, dass Sie Recht haben.

    Ich weiß nicht, ob ich Recht habe. Ich habe nur meine Argumente geschildert und interessiere mich dafür, ob es Gegenargumente gibt.

    Die Religionsfreiheit erlaubt auch dieses.

    Nein, das ist in unserem Grundgesetz so geregelt. Wenn ich daran denke, wie Religionen mit diesem Grundrecht umgegangen sind und vor allem auch heute noch umgehen (denken Sie beispielsweise daran, was einem Muslim droht, wenn er Christ wird), sehe ich nicht, dass ‘Religionsfreiheit’ in diesem Kontext ein sinnvoller Bezeichner ist.

    Sagen Sie Grundrecht auf Meinungsfreiheit, das passt.

  547. @Feodor: Natur & Wunder

    Wir müssen es doch nicht jedes Mal komplizierter machen, als es ist:

    Wenn Sie Naturgesetze fest an Muster/Regelmäßigkeit binden und Wunder als etwas definieren, das unregelmäßig ist bzw. nicht ins Muster passt, dann sind Wunder – naturgesetzlich – unmöglich, per definitionem.

    Jetzt klar?

  548. Feodor,
    “Es ist eine kritisierbare Hypothese, die an der Erfahrung scheitern, aber nicht letztbegründet werden kann. Ob da jemand einen Wunsch hat oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Nichts aus der Wissenschaft lässt sich letztbegründen, dennoch gibt es gut bewährte Theorien.”
    Richtig ! hysik hat einen praktischen Nutzen.
    Herr Reutlinger sollte diese Antwort auch lesen, weil der die Beweisbarkeit als oberstes Kriterium für die Rechtfertigung naturwissenschaftlichen Denkens heranzieht.
    Und Sie schreiben ja zu recht, spirituelle Erfahrungen werden davon nicht berührt.
    In der Religion gibt es auch gut bewährte Ansichten über die Menschenwürde und schon allein deswegen ist Religion damit begründet.

  549. @Andresen (und vielleicht Balanus): Leben & Tod

    Wir müssen es doch nicht jedes Mal komplizierter machen, als es ist:

    Wenn Leben nur ein molekularer Prozess ist, dann ist die Wiederherstellung des Lebens doch nur eine Frage der technischen Möglichkeiten. Gibt es dann überhaupt noch den Tod im Sinne eines unumkehrbaren Prozesses, wie wir ihn (heute) verstehen?

  550. @hwied
    Herr Reutlinger sollte diese Antwort auch lesen, weil der die Beweisbarkeit als oberstes Kriterium für die Rechtfertigung naturwissenschaftlichen Denkens heranzieht.

    Das habe ich ganz sicher nicht so geschrieben. Naturgesetze müssen sich empirisch bewähren, oder sie können durch Beobachtung bzw. Experimente widerlegt werden. Beweisen kann man sie nicht. Beweisen kann man nur ihre mathematisch-logische Konsistenz, d.h. Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit.

  551. @ Herrn Schleim:

    “Wenn Sie Naturgesetze fest an Muster/Regelmäßigkeit binden und Wunder als etwas definieren, das unregelmäßig ist bzw. nicht ins Muster passt, dann sind Wunder – naturgesetzlich – unmöglich, per definitionem.”

    Wunder sind nur dann naturgesetzlich unmöglich, wenn die Naturgesetzlichkeitsannahme gültig ist. Die Naturgesetzlichkeit ist aber lediglich ein fallibles Postulat und nicht per Definition gültig. Somit ist auch die Vorhersage der Unmöglichkeit von Wundern fallibel. Das Naturgesetzlichkeitspostulat kann sich bewähren oder auch scheitern, wenn sich Wunder belegen lassen. Wunder werden nicht a priori ausgeschlossen, es gibt dafür bislang nur noch keine Belege, die wissenschaftlichen Kriterien genügen würden.

  552. @Schleim
    Zu @Andresen (und vielleicht Balanus): Leben & Tod

    Sie hatten an anderer Stelle deutlich zwischen Fakten und Spekulation unterscheiden wollen. Die von Ihnen angesprochenen technischen Möglichkeiten halte ich für spekulativ.
    Zu “komplex” und “kompliziert” könnte ich etwas schreiben. Darüber muss ich erst nachdenken und auch recherchieren.
    Für diesen Blog-Beitrag (Teil 5) muss das so genügen.

  553. @ Thomas Waschke 12.03.2021, 12:15 Uhr

    Ich hätte schon länger eine Frage an die (Evolutions)Bilologie, die Sie wegen Ihrer Kenntnisse in (hoffentlich) auch „Technischer Informatik“ ideal beantworten könnten.

    Wie Ihnen in Erinnerung sein wird, sind Computer „Takt gesteuert“. Die elektrisch- logischen Verknüpfungen (Boolsche Algebra) können sehr schnell realisiert und die Prozesse können in rascher Abfolge, sozusagen vom Systemtakt „angetrieben“ werden. Es spielt sich jeweils alles streng systematisch in einer großen Zahl von „Zeitschlitzen“ (der Zeit zwischen jeweils 2 Taktimpulsen) ab.

    Andererseits wird meines Wissens nach und das weiß ich leider zu wenig, der Zeitaspekt bei chemischen Prozessen nicht wirklich relevant genutzt. Außer dass eben nach dem Start eines chemischen Prozesses das Ende abgewartet wird und allenfalls der nächste Prozess in einer Prozesskette gestartet wird.

    Auch zyklische Steuerungsmechanismen, z.B. bei Pflanzen, werden mitunter untersucht. Sie reagieren z.B. auf den Sonnenaufgang/Untergang. Ich frage mich aber, ob Zyklen entweder nur zeitabhängig, oder von anderen natürlichen Prozess Zyklen abhängig, im Sinne einer Prozesssteuerung praktisch in der Biologie genutzt werden. Bzw. dieser Aspekt bei natürlichen Lebensvorgängen z.B. bei der Genexpression untersucht wird?

    Von außen hat man den Eindruck, nur die Kardiologen interessieren sich für die Dynamik in biologischen Prozessen, aber auch nur soweit es die Herzfunktionen betrifft.

    Ich will damit sagen, der elektrischen Zyklus steuert die Pumpfunktion des Herzen, gleichzeitig den Transport chemischer Ressourcen. Bedeutet diese chemischen Stoffe, auch z.B. Sauerstoff werden gepulst den chemischen Prozessen zugeführt. Dies alles dürfte letztlich die Dynamik lebender Systeme bewirken.

    Ich würde Sie als Insider bitten, mir entweder mittels Beispielen kurz zu erklären dass dies ohnehin ein „alter Hut“ in der Biologie ist, oder einen Grund nennen, warum derartiges nicht näher erforscht wird?

  554. Komplexe Lebensprozesse sind sind praktisch nicht umkehrbar, auch wegen der Zeitstruktur.

    Das ist einfach begründbar. Es gibt einerseits chemische Prozesse die sind gar nicht oder nur sehr schwierig umkehrbar, andererseits benötigen die Prozesse unterschiedliche „Zeitspannen“.

    Besonders aber bei der Vielzahl aller parallelen und seriellen Prozesse müsste auch die Umkehrung jedes einzelnen Prozesses mit der gleichen Geschwindigkeit erfolgen wie der ursprüngliche Prozess und dies erscheint völlig unmöglich.

  555. @Elektroniker
    Es gibt einen eigenen Zweig in der Biologie, der sich mit Funktionen der Zeit beschäftigt, das ist die Chronobiologie. Die Periodizität chemischer Prozesse ist eine entscheidende Voraussetzung des Lebens. Energie muss zugeführt und wieder abgeführt werden, bei Pflanzen geschieht es im Tag-Nacht-Rhythmus. Man denke auch an den Zyklus der Zellteilung, der fest vorgegeben ist. Eine Zellteilung beim Menschen dauert durchschnittlich etwa 24 Stunden. Rückkopplungsprozesse, die im Organismus sehr häufig sind, wie der Citratzyklus, haben per se einen (zeitlichen) Zyklus.

  556. @Elektroniker
    Komplexe Lebensprozesse sind sind praktisch nicht umkehrbar, auch wegen der Zeitstruktur.

    Das stimmt so nicht. Es gibt in der Biochemie sehr viele umkehrbare Prozesse, die sich in der Regel in einem fließenden Gleichgewicht befinden. Wenn dieses Gleichgewicht längere Zeit gestört wird, dann gibt es organische Störungen. Die Zeit spielt dabei weniger eine Rolle, wohl aber die Zu- und Abflüsse der beteiligten Substanzen. Im Organismus werden ständig Substanzen synthetisiert und abgebaut. Die Lebensprozesse sind hochdynamisch, auch wenn von außen alles ziemlich unveränderlich erscheint!

  557. @Feodor: Naturgesetze, nächste Runde

    Wir reden ständig aneinander vorbei. Wir hatten es mit der Frage zu tun, was ein Naturgesetz ist. Dazu schrieben Sie als Definition:

    regelmäßige Muster im Verhalten der Dinge

    Einen Absatz später schrieben Sie dann selbst:

    Was regelmäßig geschieht, kann kein Wunder sein, denn zum Begriff des Wunders gehört das außergewöhnlich sein.

    Wenn man 1 und 1 zusammenzählt, dann ergibt das 2: Bei Naturgesetzen geht es um Regelmäßigkeit; Wunder sind mit Regelmäßigkeiten nicht vereinbar; also sind – unter diesen Definitionen – Wunder naturgesetzlich unmöglich.

    Wir brauchen gar nicht mit “a priori” anzufangen – per definitionem ist völlig hinreichend und es steht da so deutlich wie 1+1=2.

    Bei Ihnen und einigen anderen, die hier einen naturalistischen Standpunkt vertreten, fällt mir immer wieder eine ungünstige Vermischung der Sprach- und Seinsebene auf. Das ist nicht mein Ansatz.

  558. @Elektroniker 12.03.2021, 18:18 Uhr

    Computeranalogien in biologischen Systemen

    Letztlich ist das eine Frage der Physiologie, weniger der Evolutionsbiologie.

    Bevor Sie in Taktzyklen etc. denken (so was gibt es selbstverständlich an verschiedensten Stellen im Organismus) sollten Sie sich den grundlegenden Unterschied zwischen einem Computer und einem Organismus klar machen.

    Im Organismus spielt sich alles in Lösung ab, mit Teilchen, die sich sehr schnell und zufällig bewegen, und es gibt keine ‘globalen’ Kräfte, die diese Bewegungen ordnen könnten. Zudem gibt es oft Gradienten und vor allem auch Wechselwirkungen an Oberflächen. All das spielt in Computern keine Rolle.

    Daher ist es schon fast ein Kategorienfehler, aus Bauteilen in Computern auf Analoga in Organismen zu schließen. Ich fürchte, Sie kommen mit ihrer Technik-affinen Denke in der Biologie auf keinen grünen Zweig.

    Sie haben den gepulsten Kreislauf erwähnt. Bedenken Sie, dass in den Kapillaren die Blutkörperchen sich einzeln durchquetschen müssen. Wie weit die da pro Systole kommen, ist unterschiedlich. Die Austauschvorgänge laufen parallel und über Diffusion ab, längs des gesamten Wegs. Sie müssen einfach die Diffusionsgeschwindigkeiten im Gewebe mit dem Pulsschlag vergleichen, um die relative Bedeutung einschätzen zu können. Zudem sind die Austauschvorgänge konzentrations-gesteuert. Dasselbe Molekül transportiert je nach pH-Wert und Temperatur sowohl O2 als auch CO2. Der Puls spielt hier nur eine marginale Rolle, eher als Massenphänomen, dass pro Zeit mehr Substrat in die erforderliche Richtung diffundieren kann.

    Chronobiologie ist ein Forschungszweig, mit dem ich mich nicht intensiver befasst habe. Die Beispiele, die Sie benannt haben, kenne ich nur oberflächlich. Es gibt meines Wissens öfter Zyklen, die auf Außenreize reagieren. Das bedeutet, dass es einen ‘Grundzyklus’ gibt, der aber durchbrochen wird, falls er von außen getriggert wird. Sie sollten sich aber nicht durch die Begriffe täuschen lassen und nun Analoga von elektronischen Bauteile vermuten.

    Die Frequenz des Herzschlags beispielsweise wird auf der einen Seite autonom durch diverse Nervenknoten im Herzen bestimmt. Zusätzlich wird der Blutsauerstoffgehalt im Carotis-Bereich gemessen, der diesen autonomen Rhythmus durch andere Impulse übertrumpft. Zudem gibt es noch weitere Einflüsse wie Hormone, beispielsweise bei Stress. Das Ganze ist ein enorm komplexes System mit sehr vielen Einflussgrößen, so dass es vollkommen sinnlos wäre, das mit der Taktfrequenz eines Computers zu vergleichen.

    Ich habe mal eine schöne Definition von ‘Informatik’ gehört: “Umwandlung von Prozessen in der Welt in eine maschinenverarbeitbare Form”. Wie komplex das wird, sehen Sie schon daran, welchen Aufwand Sie betreiben müssen, wenn Sie rationale Zahlen binär darstellen wollen. Sie merken dann schon, dass da was nicht ‘passt’. Und das wird umso problematischer, je weiter nach unten in den biologischen Systemebenen Sie gehen. Im Computer (zumindest in den digitalen) läuft alles binär ab, in der Natur sind eher analoge Phänomene üblich, selbst wenn die, genau betrachtet, eventuell gequantelt sind. Auf den üblichen Systemebenen (Moleküle bis Gewebe) mittelt sich das aber heraus.

    Es gibt übrigens auch ‘chemische Uhren’, die Belousov-Zhabotinsky-Reaktion ist ein oft zitiertes Beispiel,

    https://de.wikipedia.org/wiki/Belousov-Zhabotinsky-Reaktion

    das aber in der Biochemie nicht unbedingt als Modell hilfreich ist.

    Mein guter Rat: bleiben Sie auf hohen Seins-Ebenen, mindestens dem des menschlichen Gehirns. Dort können Sie eventuell Modelle entwickeln, die sinnvolle Analoga im Bereich von Computern aufweisen. Im EEG finden Sie eine ganze Reihe von Wellen, die regelmäßig sind. Dort können Sie vielleicht Überlegungen zu Oszillatoren sinnvoll anwenden. Auf der Ebene der Biochemie werden Sie vermutlich wenig glücklich werden, bestenfalls auf der Ebene abstrakter Beschreibungen. Aber dann sind Sie beim Äquivalent von Sätzen über Sätze und haben das Problem der Interpretation der Kalküle. Das wird kaum gelingen.

    Letztlich können Sie das, was Sie aus der Computerwelt kennen, als Analogien fassen. Aber Analogien waren noch nie kausale Schlüsse und sie tragen meist nicht allzu weit.

  559. @Andresen, Balanus: Leben und Tod, Fortsetzung

    Aha – für den Naturalisten (bzw. reduktionistischen Materialisten) ist es erlaubt, auf die Zukunft zu verweisen, wenn er meint, alle Leistungen des Gehirns (bzw. alle Aspekte des Menschen) ließen sich vollständig naturwissenschaftlich erklären…

    …aber wenn ich Frage, wieso man aus naturalistischer (bzw. reduktionistisch-materialistischer) Sicht Tote nicht wiederbeleben kann, dann betreibe ich Spekulation.

    Das hier ist echt spaßig! 😂 😂 😂

  560. Herr Schleim, Sie schrieben zunächst:

    “Nach Ihrer Definition werden wohl Wunder – per definitionem – ausgeschlossen; und das ist wahrscheinlich die Agenda des Naturalisten.”

    Darin stellten Sie fest, dass ich “Wunder – per definitionem – ausgeschlossen” hätte, ohne die Bedingung zu nennen. Ich habe noch mal sicherheitshalber betont, dass dieser Ausschluss nur bedingt gültig ist, von einem falliblen Postulat abhängt und empirisch scheitern kann, was ganz zentral ist.

    Der Ausschluss von Wundern folgt deduktiv aus dem Begriff des zeit- und rauminvarianten Naturgesetzes. Insofern gibt es (hoffentlich) keinen Dissens. Die Gültigkeit von Naturgesetzaussagen wird aber nicht dogmatisch oder ideologisch festgelegt, sondern vielmehr empirisch geprüft. Naturgesetzaussagen scheitern de facto, wenn plötzlich krasse Abweichungen von den Vorhersagen ermittelt werden. Ich sehe leider die Notwendigkeit, das immer wieder zu betonen.

    Sie sind frei darin zu erläutern, wie Sie das Verhältnis zwischen dem kritischen Rationalismus, Wundern und Naturgesetzen sehen. Sind Naturgesetzaussagen, die beliebige Ausnahmen (Wunder) zulassen, überhaupt noch kritisierbar?

  561. @Stephan Schleim
    @Andresen, Balanus: Leben und Tod, Fortsetzung

    Hatten Sie diesen Satz in meinem früheren Kommentar hierzu nicht gelesen?

    Bei irreversiblen Schäden lebensnotwendiger Strukturen ist das nicht möglich und das Sterben schließt ab mit dem Tod. (Präzisierung durch @Balanus hier einbezogen.)

    Technische Möglichkeiten, das Sterben trotz irreversibler Schäden lebensnotwendiger Strukturen aufzuhalten, halte ich persönlich für Spekulation. Finden Sie das zum Lachen?

  562. Stephan Schleim
    12.03.2021, 20:56 Uhr

    Auch wenn es um Leben und Tod geht: Evidenzbasierte Extrapolation vs. Spekulation; Noch was zu Huxley

    Aha – für den Naturalisten (bzw. reduktionistischen Materialisten) ist es erlaubt, auf die Zukunft zu verweisen, wenn er meint, alle Leistungen des Gehirns (bzw. alle Aspekte des Menschen) ließen sich vollständig naturwissenschaftlich erklären…

    Ich bin mir nicht sicher, ob wir dasselbe unter ‘Naturalismus’ verstehen. Der Naturalist, so wie ich das verstehe, vertritt, dass wir auch in Zukunft nichts ‘Geistiges’ im Sinne von Supranaturalismus benötigen werden, um etwas zu erklären. Damit ist nicht impliziert, dass etwas überhaupt erklärbar wird. Und es ist fallibel: Wenn Sie zeigen, dass man etwas benötigt, das supranaturalistisch ist, nur zu. Dann haben Sie den Naturalismus widerlegt.

    …aber wenn ich Frage, wieso man aus naturalistischer (bzw. reduktionistisch-materialistischer) Sicht Tote nicht wiederbeleben kann, dann betreibe ich Spekulation.

    Ihnen wurden Argumente benannt, warum das nicht möglich sein wird. Auf diese Argumente sind Sie nicht eingegangen. Ich habe noch ein paar Präzisierungen gemacht, welche die von Ihnen genannten Autoren nicht gemacht haben.

    Wenn Sie bedenken, dass auch nur kurzzeitiger Ausfall der Sauerstoff-Versorgung irreversible Nekrosen im Hirngewebe auslöst, wäre schon etwas mehr als rein philosophische Spekulationen, wie man so etwas reparieren könnte, erforderlich.

    Meiner Meinung nach sollte man evidenzbasierte Extrapolationen von philosophischen Spekulationen trennen. Viele Naturalisten, die ich kenne, machen das durchaus, kritische Rationalisten sowieso. Es mag Autoren aus meinem Lager geben, die hier ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Aber das ist kein Argument für Ihre Spekulationen.

    Und noch ein Nachtrag zu Huxley: Einen interessanten Artikel finden Sie hier:

    http://www.branchcollective.org/?ps_articles=jonathan-smith-the-huxley-wilberforce-debate-on-evolution-30-june-1860

    Die Quelle für die Arbeit von Gould, auf die ich verwiesen habe, lautet:

    Gould, S.J. (1991) ‘Knight Takes Bishop?’ in: Gould, S.J. ‘Bully for Brontosaurus. Reflections in Natural History’ New York; London, Norton S. 385-401

  563. Stephan Schleim
    12.03.2021, 20:52 Uhr
    … fällt mir immer wieder eine ungünstige Vermischung der Sprach- und Seinsebene auf. Das ist nicht mein Ansatz.

    Meiner ist das auch nicht.
    Leider aber können wir die “Sein”s-Ebene aber auch nur mit “Sprache” – ja, wo denn – auf der Sprachebene besprechen.
    Und angesichts meist fehlender allgemeingültiger Definitionen von Worten – auch nur wieder auf der Sprachebene möglich – geraten wir leicht durcheinander.
    In der Biologie sehen wir, wohin das führt, wir sind aus gewissen Materialen aufgebaut und funktionieren mit gewissen Materialien, die gleich strukturiert sind, wir sind also quasi Reagenz und Reaktionsgefäß aus dem gleichen Stoff.
    Und ( aber jetzt kann ich nicht anders 😉 ) das führt dazu, dass wir uns den großen Zeh anstoßen und aus dem Mund kommt ein lautes “Aua!”, das Sein wird zur Sprache …

  564. @Feodor: Anomalien

    Naturgesetzaussagen scheitern de facto, wenn plötzlich krasse Abweichungen von den Vorhersagen ermittelt werden. Ich sehe leider die Notwendigkeit, das immer wieder zu betonen.

    Es gibt doch immer wieder Abweichungen – und unerklärte Phänomene. Die nennt man dann halt “Anomalien”, nicht “Wunder”. Ein anderes Wort; Problem gelöst?

    Wenn solche Anomalien persistieren und sich nicht irgendwie wegerklären lassen, dann passt man i.d.R. die Theorie (bzw. das “Naturgesetz”) an, damit die Theorie (bzw. das Gesetz) auch zu dieser Beobachtung passt.

    Thomas Kuhn hat Beispiele dafür gesammelt, dass Anomalien, wenn sie nicht wegerklärt werden können und persistieren, zu einer Krise und dann zu einer wissenschaftlichen Revolution führen können (der berühmte Paradigmenwechsel).

    Das scheint mir alles zu meiner Vermutung zu passen, dass man Wunder, wenn es sie denn gäbe, in ähnlicher Weise in die Wissenschaft integrieren würde.

    Im Übrigen habe wir hier noch keinen sinnvollen, inhaltlichen Wunderbegriff: Sie sprechen von außergewöhnlichen Mustern, die nicht zu den Naturgesetzen passen. Wie außergewöhnlich ist “außergewöhnlich”? Wann ist ein Muster hinreichend unvereinbar?

    Vielleicht geht Ihnen jetzt ein Lichtlein auf, dass es hier letztlich um normative Fragen geht. Das ist für mich einfach keine interessante Welterkenntnis, welche Werte Subjekt A, B oder C hat; jedenfalls nicht im Hinblick darauf, ob es Wunder gibt oder nicht. Auch wenn Grenzziehungen in ihren Extremen oft sinnvoll sind (z.B. ist ein Sandkorn oder sind 100.000 Sandkörner ein Haufen?) gibt es zwischendrin eine mehr oder weniger willkürliche Grauzone.

  565. @Andresen: irreversibel

    Aber wenn ich nur meine Moleküle bin – wo soll hier denn etwas verloren gehen? Zur Not gibt es halt neue Moleküle aus dem 3D-Drucker. So weit wird man ja wohl noch denken dürfen.

  566. @Maier: Sein und Sprache

    Der wesentliche Unterschied liegt für mich darin, dass ich offen auf der sprachlichen Ebene bin und bleibe – und mich als Agnostiker nicht festlege (weil ich z.B. Versuche, Sachverhalte nicht als bewiesen auszugeben, die nicht bewiesen oder beweisbar sind).

    Der Naturalist will aber, ähnlich dem Metaphysiker, viel mehr, nämlich von der Sprache zum Sein. Ließe er das besser mal sein!

  567. @Chrys // 12.03.2021, 11:43 Uhr

    » “Classical, quantum and biological randomness as relative unpredictability”«

    Toller Fund :- ) , und soweit ich das beurteilen kann, ein fundierter. lesenswerter Aufsatz. Schön auch, dass die Autoren (C. S. Calude und G. Longo, 2015) ihn als „personal copy“ ins Netz gestellt haben.

    Vor allem der Abschnitt, wo es darum geht, wo überall in der Biologie „der Zufall waltet“ (Selbstzitat), spricht mir aus der Seele (meine Fettung):

    We next discuss a few different manifestations of randomness in biology and stress their positive role.

    Allerdings kommt mir manches recht reduktionistisch vor:

    First, there exists massive evidence of the role of quantum random phenomena at the molecular level, with phenotypic effects […].

    Quantenphänomene, die phänotypische Auswirkungen haben?

    Sind Cristian S. Calude und Giuseppe Longo etwa verkappte Reduktionisten?

  568. @Feodor: P.S. Wunder

    Was ist eigentlich mit dem “Urknall”? Ist so ein Ereignis, das einmal in rund 14 Milliarden Jahren auftritt, außergewöhnlich genug? Oh Wunder!

  569. Herr Schleim,
    manche Anomalien (Wunder) lassen das allgemeine Naturgesetzlichkeitspostulat scheitern und manche nicht. Das habe ich hier ausführlicher dargelegt. Ich empfehle dritten Personen, das bei Interesse auch genau zu lesen und mit Ihren Statements genau zu vergleichen, bevor ein Urteil gebildet wird. So sollte es auch sein, wenn schon von der normativen Ebene auch die Rede ist.

    Des Weiteren haben sie oben unterstellt, dass “Beweisbarkeit” behauptet wurde. Ich hingegen schrieb immer nur von Bewähren und Scheitern.

    Es macht nichts, wenn hier keine Einigung erzielt wird.

  570. Stephan Schleim
    12.03.2021, 23:27 Uhr
    … (weil ich z.B. Versuche, Sachverhalte nicht als bewiesen auszugeben, die nicht bewiesen oder beweisbar sind). Der Naturalist will aber, ähnlich dem Metaphysiker, viel mehr, nämlich von der Sprache zum Sein. Ließe er das besser mal sein!

    Ob ich nun Agnostiker bin, weiß ich nicht, für mich ist das auch nur ein Wort, aber mit dem, was ich da von Ihnen zitiert habe, “bin ich ganz bei Ihnen”, wie man so sagt. Für mein Verständnis verwenden wir viel zu oft den sprachlichen Indikativ mit dem Unterton “so ist es”, anstatt dass wir den Konjunktiv mit dem Unterton “so könnte es sein” benutzen. Meine Einstellung zur “Sprache” ist, dass es nur eine unvollkommene Möglichkeit ist, einen “Sachverhalt” zu beschreiben/benennen und die Information darüber weiterzugeben. Im Rahmen unserer Messungen stellen wir fest, dass “Sachverhalte” existent sind, gleich, ob ich sie messe oder nicht ( also auch unabhängig von der Existenz der Spezies Mensch ) und auch unabhängig davon, ob ich sie im Rahmen einer Axiomatik nun “X” oder “Y” nenne. Die Evolution hat uns Menschen in die Lage versetzt, nicht nur über solche “Sachverhalte” zu sprechen/nachzudenken, sondern mittels derselben Sprache auch über “ungelegte Eier”, und pikant wird es dann doch, wenn wir über die Farbe des Dotters solcher ungelegten Eier sinnieren und dann darüber, ob wir gesättigter sind, wenn das Dotter eine sattgelbe Farbe hat. Und verzwickt wird es, wenn wir nach dem Gespräch satt und zufrieden die Lippen lecken und ohne Magenknurren einschlafen … Ist dann das sattgelbe Dotter des ungelegtes Eis existent ;-)?

  571. @Stephan Schleim 12.03.2021, 23:27 Uhr

    Vom Sein zur Sprache

    Der Naturalist will aber, ähnlich dem Metaphysiker, viel mehr, nämlich von der Sprache zum Sein. Ließe er das besser mal sein!

    wenn ich richtig informiert bin, will der Naturalist vom Sein zur Sprache kommen. Beispielsweise über eine Evolution.

    Ich vermute, dass erst geklärt werden müsste, was Vorder- und was Hinterbühne ist. Also warum also Sie dafür plädieren, auf den Kraftschluss zwischen Sein und Sprache zu verzichten, während genau dieser Zusammenhang für den Naturalisten eine tolle Sache ist.

    Aber das wollten wir ja auf die Diskussion Ihres nächsten Postings verschieben …

  572. @Stephan Schleim 12.03.2021, 23:23 Uhr

    ‘Tag’ und ‘Nacht’ trotz ‘Dämmerung’ sinnvoll anwendbar

    Vielleicht geht Ihnen [@Feodor, T.W.] jetzt ein Lichtlein auf, dass es hier letztlich um normative Fragen geht. Das ist für mich einfach keine interessante Welterkenntnis, welche Werte Subjekt A, B oder C hat; jedenfalls nicht im Hinblick darauf, ob es Wunder gibt oder nicht. Auch wenn Grenzziehungen in ihren Extremen oft sinnvoll sind (z.B. ist ein Sandkorn oder sind 100.000 Sandkörner ein Haufen?) gibt es zwischendrin eine mehr oder weniger willkürliche Grauzone.

    Eben. Biologie ist die Wissenschaft der Ausnahmen, in der kaum Allsätze gelten. Daher sind für einen Biologen derartige Fragen eher Standard. Fragen Sie einen Systematiker, wie er beispielsweise mit einer Kline oder einem Artenkreis umgeht.

    Aber um ein anderes Beispiel zu verwenden, das den Sachverhalt vielleicht klarer macht: Man kann ‘Tag’, ‘Nacht’ und ‘Dämmerung’ unterscheiden. Es ist vollkommen willkürlich, ob man bei bestimmten Helligkeitswerten noch von ‘Tag’ oder schon von ‘Dämmerung’ spricht, aber es sollte klar sein, ob ‘Tag’ oder ‘Nacht’ ist (klar, man kann nun noch über irgendwelche Phänomene diskutieren, die die ‘Nacht’ zum ‘Tage’ machen oder umgekehrt, aber s.o.). Wobei das Problem noch wäre, dass sehr viel für die Existenz von ‘Tag’ spricht, während vollkommen offen ist, ob es ‘Nacht’ überhaupt gibt. Da hinkt das Beispiel natürlich.

    Und hier unterscheiden sich Ihre und die Position beispielsweise von @Feodor und mir. Wir plädieren dafür, dass man ‘Tag’ (‘es geht mit rechten Dingen zu …) von ‘Nacht’ (‘es gibt eine Übernatur …’) klar trennen kann. Sie hingegen betonen, dass es ‘Dämmerung’ gibt und dass deshalb eine Entscheidung, ob es ‘Tag’ oder ‘Nacht’ sei, willkürlich sei. Der Naturalist wird auf die vielen Argumente für ‘Tag’ und das Fehlen derselben für ‘Nacht’ hinweisen und das als evidenzbasierte Argumentation für das Fehlen von ‘Nacht’ werten, Sie hingegen wollen der ‘Nacht’ eine Existenzberechtigung einräumen, nur weil nicht immer ‘Tag’ ist. Und das, obwohl noch niemand zeigen konnte, dass es ‘Nacht’ überhaupt gibt.

    Aus meiner Sicht macht das keinen Sinn bzw. spricht für eine Agenda.

  573. @Feodor: Urknall

    Man hätte es doch beantworten können, ob der Urknall gemäß Ihrer Definition nicht als Wunder angesehen werden müsste.

    Aber macht nichts.

  574. @Waschke: Phänomene & Sprache

    Ich habe Wahrnehmungen; das sind Phänomene. Diese drücke ich mitunter in Sprache aus. Mit der Sprache entferne ich mich aber sofort von den Phänomenen. Deshalb versuche ich, metaphysisch äußerst sparsam zu sein.

    Sie hingegen betonen, dass es ‘Dämmerung’ gibt und dass deshalb eine Entscheidung, ob es ‘Tag’ oder ‘Nacht’ sei, willkürlich sei.

    Da muss ich widersprechen: Nicht willkürlich, sondern bis auf Weiteres unentscheidbar.

    P.S. Fun Fact des Tages: In den Niederlanden ist das ganz klar definiert, denn von 6-12 Uhr ist Morgen, von 12-18 Uhr Mittag, von 18-24 Uhr Abend und von 24-6 Uhr Nacht. Das geht sogar so weit, dass man z.B. um 11:59 Uhr auf die Uhr schaut, wenn man jemandem begegnet, um zu kontrollieren, ob man “Goedemorgen” oder “Goedemiddag” sagt; oder dass man um 12:01 Uhr an der Supermarktkasse korrigiert wird, wenn man noch “Goedemorgen” sagt. Auch dies sind Normen; und so ziemlich die Einzigen, an die sich (so gut wie) alle Niederländer halten. 😉

  575. @Stephan Schleim 13.03.2021, 09:07 Uhr

    Welt der Dinge vs. der Welt der Konstrukte

    Ich habe Wahrnehmungen; das sind Phänomene. Diese drücke ich mitunter in Sprache aus. Mit der Sprache entferne ich mich aber sofort von den Phänomenen. Deshalb versuche ich, metaphysisch äußerst sparsam zu sein.

    Mein Punkt war, dass das im aktuellen Kontext keinen Sinn macht. Sie sprechen eine andere Ebene an. Phänomene gehören in den Bereich der Konstrukte. Es geht um die Begründung, was man mit dieser Sparsamkeit gewinnt, vor allem in der Welt der Dinge.

    Sie hingegen betonen, dass es ‘Dämmerung’ gibt und dass deshalb eine Entscheidung, ob es ‘Tag’ oder ‘Nacht’ sei, willkürlich sei.

    Da muss ich widersprechen: Nicht willkürlich, sondern bis auf Weiteres unentscheidbar.

    Das in etwa ist die Differenz zwischen einem Agnostiker und einem Ignostiker. Der Agnostiker stellt das ‘nicht entscheidbar’ in den Vordergrund und wirft alles in einen Topf. Der Ignostiker geht von Graden der Entscheidbarkeit aus und begründet dann evidenzbasiert sein Urteil. Als Agnostiker steht man vor ‘der Gottesfrage’ und konstatiert, dass sie nicht entscheidbar ist. Als Ignostiker lässt man sich das Gottesbild erklären. Dann kann man durchaus begründet Unterschiede machen.

    Der Hinweis auf Definition ist lustig (vor allem, weil die Niederländer nicht gerade dafür bekannt sind, dass sie sich an Normen halten, deshalb ist es eine interessante Frage, warum sie ausgerechnet diese Norm so hoch halten), geht aber am Thema vorbei. Wenn das funktionieren würde, hätte sich die ‘deutsche Physik’ oder der Lyssenkoismus auch international durchsetzen können. Es macht schon einen Unterschied, ob man sich in der Welt der Konstrukte (wozu derartige Definitionen gehören) oder der der Dinge (in der es eben auch ‘Dämmerung’ gibt) bewegt.

    Aus meiner Sicht übertragen Sie etwas, das im Bereich der Konstrukte Sinn macht (Definitionen kann man hinterfragen und nach Bedarf willkürliche erstellen und ändern) mit dem Bereich der Dinge. Da kann man an der Realität scheitern, in etwa wie ‘Soapy Sam’.

  576. Paretoprinzip

    Noch einmal ein Gedanke in die Runde, der meinem Denken sehr nahe kommt: Laut dem Paretoprinzip erreichen wir 80% des Ergebnisses mit 20% des Aufwands – und müssen für die restlichen 20% des Ergebnisses 80% des Aufwands einsetzen. Ist das noch rational? Vor allem dann, wenn man die Opportunitätskosten berücksichtigt, nämlich was man mit diesen 80% Aufwand ansonsten hätte gewinnen können.

    Ich hab den Eindruck, dass in unserer sogenannten hochentwickelten Kultur schon so viele Prozesse optimiert sind (auch in der Wissenschaft), dass wir für die letzten 20, 10, 5… Prozent des Ergebnisses immense Energie aufwenden müssen – während wir andere Prozesse sträflich vernachlässigen (denken wir an die Umwelt, die soziale Gerechtigkeit, die Bildung, die Infrastruktur, das gute Leben, die Gesundheit).

    Ich denke jedenfalls, dass der Aufwand, den wir erbringen müssten, um in der Diskussion Religion vs. Wissenschaft entscheidende Schritte voranzukommen, die Opportunitätskosten nicht rechtfertigt. In diesem Sinne: Allen ein möglichst gutes und langes Leben!

  577. @Stephan Schleim 13.03.2021, 08:58 Uhr

    Wunderbarer Urknall?

    Man hätte es doch beantworten können, ob der Urknall gemäß Ihrer Definition nicht als Wunder angesehen werden müsste.

    Ich weiß jetzt nicht, was @Feodor antworten würde, vielleicht schreibt er noch was dazu.

    Wenn man unter ‘Wunder’ versteht, dass Naturgesetze gebrochen werden und davon ausgeht, dass eben diese erst beim Urknall oder gar erst im Laufe der Entwicklung des Universums entstanden (wahlweise auch die Regelhaftigkeiten, die wir als ‘Naturgesetz’ beschreiben, der Unterschied ist hier irrelevant), macht diese Frage genauso viel Sinn wie die, was nördlich des Nordpols zu finden sei.

    Man kann noch weiter gehen, selbst wenn der Urknall durch eine Quantenfluktuation in einem ewigen Was auch Immer erfolgt sein sollte, wäre er trivialerweise gesetzmäßig. Dann wäre der Urknall auch nach der üblichen Definition kein Wunder.

    Ein ‘Wunder’ in diesem Kontext wäre für den Naturalisten das Wirken eines Schöpfers. Wenn er aber seither nichts mehr weiter getrieben haben sollte, wäre er für alle praktischen Belange irrelevant. In etwa wie die Frage, ob ein Teekesselchen im Orbit treibe.

  578. @Waschke: Phänomene & Konstrukte

    Phänomene gehören in den Bereich der Konstrukte.

    Nein – gerade nicht! Phänomene sind das Grundlegendste, was uns gegeben ist (man beachte auch die Bedeutung von empirisch, von griechisch empeirikós, zu: émpeiros = erfahren).

    (Mir ist klar, dass mein Wahrnehmungsapparat die Welt in einem bestimmten Sinne konstruiert; ich kann die Welt aber nicht ohne mein Gehirn und diesen Körper. Ich erinnere noch einmal an die erkenntnistheoretischen Überlegungen aus Teil 1.)

    Es geht um die Begründung, was man mit dieser Sparsamkeit gewinnt, vor allem in der Welt der Dinge.

    Ihre “Dinge” sind viel mehr Konstrukte als meine Phänomene, nur scheint Ihre Metaphysik das vertuschen zu wollen. Und noch einmal: Energie und Information sind wohl… keine “Dinge”.

    Sie hingegen betonen, dass es ‘Dämmerung’ gibt und dass deshalb eine Entscheidung, ob es ‘Tag’ oder ‘Nacht’ sei, willkürlich sei.

    Auch das sage ich gar nicht. Ich sage: Es gibt Fälle, in denen sich klar sagen lässt, ob es Tag oder Nacht ist – und eine große Grauzone dazwischen, in der die Grenze verschwimmt.

    Das ist ganz offensichtlich nicht, was Sie sagen, dass ich sage!

  579. @Balanus / 12.03.2021, 23:27 Uhr

    Der Artikel von Calude & Longo sagt mir auch sehr zu. Und es freut mich, dass wir uns da einig sind.

    »Quantenphänomene, die phänotypische Auswirkungen haben?«

    Makroskopische Manifestationen von Quantenphänomenen sind ja nicht so exotisch — das beginnt schliesslich schon bei Plancks Erklärung der Strahlung des Schwarzen Körpers (1900) und reicht dann über die Atomuhr bis zum Quantencomputer.

    Der von den beiden Autoren für die biolog. Aspekte zuständige Giuseppe Longe kommt mir insgesamt nicht gerade sehr reduktionistisch vor. Und, by the way, der Artikel von Buiatti & Longo (2013), auf den in diesem Kontext noch verwiesen wird, ist auch frei zugänglich [PDF].

  580. @Stephan Schleim 13.03.2021, 09:45 Uhr

    Phänomene als ‘Konstrukte’

    Ups, ich habe vergessen, ‘Konstrukte’ (also das, was nur im Denken existiert) und ‘Dinge’ (also das, was unabhängig vom Denken existiert, wobei diese Existenz als Postulat betrachtet wird) zu schreiben und darauf hinzuweisen, dass das die Terminologie von Mahner und Bunge ist. Sorry, ich habe es in den Zitaten korrigiert.

    [Thomas Waschke] Phänomene gehören in den Bereich der ‘Konstrukte’.

    Nein – gerade nicht! Phänomene sind das Grundlegendste, was uns gegeben ist (man beachte auch die Bedeutung von empirisch, von griechisch empeirikós, zu: émpeiros = erfahren).

    Natürlich sind uns nur die ‘Konstrukte’ gegeben und wir können über ‘Dinge’ nur in ‘Konstrukten’ sprechen. Aber es gibt ‘Konstrukte’ von ‘Dingen’, und ‘reine Konstrukte’. Aus meiner Sicht wenden Sie Überlegungen, die für ‘Konstrukte’ gelten, auf ‘Dinge’ an, was einem Kategorien-Fehler entspricht. Übrigens kann das auch in der anderen Richtung gelten, und das geißeln Sie zu Recht.

    Nur nebenbei, Begriffe sind Werkzeuge. Wir reden auch von ‘Evolution’, obwohl dieser Begriff von der Etymologie her das genaue Gegenteil dessen besagt, was unter ‘Evolution’ verstanden wird. Darwin wurde der Begriff von Spencer aufgezwungen, Darwin hat ihn nur widerwillig übernommen und in keinem Buchtitel verwendet.

    ‘Fakt’ ist übrigens von ‘facere’ abgeleitet …

    (Mir ist klar, dass mein Wahrnehmungsapparat die Welt in einem bestimmten Sinne konstruiert; ich kann die Welt aber nicht ohne mein Gehirn und diesen Körper. Ich erinnere noch einmal an die erkenntnistheoretischen Überlegungen aus Teil 1.)

    Das ist nicht mein Punkt, mir geht es darum, ob man diese ‘Konstrukte’ an den ‘Dingen’ prüfen kann.

    [Thomas Waschke] Es geht um die Begründung, was man mit dieser Sparsamkeit gewinnt, vor allem in der Welt der ‘Dinge’.

    Ihre “Dinge” sind viel mehr Konstrukte als meine Phänomene, nur scheint Ihre Metaphysik das vertuschen zu wollen. Und noch einmal: Energie und Information sind wohl… keine “Dinge”.

    Nein, sie drückt das vollkommen klar aus. Selbstverständlich ist ‘Energie’ (klingt ein wenig nach Reifizierung) in dieser Terminologie ein ‘Ding’ genauer, ein Bezeichner für ein ‘Ding’. ‘Information’ hingegen ist ein klassisches ‘Konstrukt’, wie oft in diesen Fällen genauer gesagt ein Bezeichner für ein Konzept.

    Es ist zwar beispielsweise üblich, von ‘Information’ einer DNA-Sequenz zu reden, aber letztlich macht das keinen Sinn. Es ist nur ein Makromolekül, das in einem komplexen System etwas bewirken kann. ‘Information’ gibt es hier nur auf der Ebene der Beschreibung.

    [Thomas Waschke] Sie hingegen betonen, dass es ‘Dämmerung’ gibt und dass deshalb eine Entscheidung, ob es ‘Tag’ oder ‘Nacht’ sei, willkürlich sei.

    Auch das sage ich gar nicht. Ich sage: Es gibt Fälle, in denen sich klar sagen lässt, ob es Tag oder Nacht ist – und eine große Grauzone dazwischen, in der die Grenze verschwimmt.

    Eben. Aber in meinem Beispiel gibt es keine Evidenz für etwas, das ‘Nacht’ entsprechen würde. Mein Punkt war, warum Sie dann auf ‘Dämmerung’ Wert legen. Aus meiner Sicht ist die Existenz von ‘Dämmerung’ eher lästig, für Sie scheint sie wichtig zu sein. Letztlich geht es mir um diese Differenz.

    Das ist ganz offensichtlich nicht, was Sie sagen, dass ich sage!

    Jetzt klarer geworden?

  581. @Schleim
    Ich denke jedenfalls, dass der Aufwand, den wir erbringen müssten, um in der Diskussion Religion vs. Wissenschaft entscheidende Schritte voranzukommen, die Opportunitätskosten nicht rechtfertigt.

    Das ist Spekulation, die man auch vor 1000 Jahren schon hätte anbringen können. Man kann auch sagen, dass diese Opportunitätskosten allemal besser investiert sind als für Religionskriege oder Kreuzzüge!

  582. @Stephan Schleim 13.03.2021, 09:35 Uhr

    Pareto-Prinzip

    ups, überlesen, sehr interessanter Gedanke.

    Ich denke jedenfalls, dass der Aufwand, den wir erbringen müssten, um in der Diskussion Religion vs. Wissenschaft entscheidende Schritte voranzukommen, die Opportunitätskosten nicht rechtfertigt.

    Exakt die Differenz (lohnt sich der Aufwand?) zwischen uns. Interessanterweise zwischen zwei Menschen, die sich als ‘Agnostiker’ zumindest bezeichnet haben.

    Wäre interessant, herauszufinden, worauf diese Differenz beruht.

  583. @Balanus: „Toller Fund :- ) , und soweit ich das beurteilen kann, ein fundierter. lesenswerter Aufsatz. Schön auch, dass die Autoren (C. S. Calude und G. Longo, 2015) ihn als „personal copy“ ins Netz gestellt haben.“

    Noch interessanter finde ich den dort zitierten Maël Montévil. Er spricht von Möglichkeitsräumen und Phasenübergängen in der Evolution. Die Umwelt stellt also Räume zur Verfügung, ich ergänze, in die sich Leben hineinentwickelt. Und hier stellt sich für mich die spannendste Frage überhaupt: Wie sieht die Binnenstruktur eines solchen Phasenübergangs aus.
    Wie werden dort Varianten gebildet, die dem Möglichkeitsraum entsprechen? Durch Zufall? Wohl kaum. Woher soll der Zufall „wissen“, welche Varianten in den Möglichkeitsraum „passen“. Vielmehr spricht dafür, dass der Möglichkeitsraum ein Spektrum von Varianten „provoziert“, von denen dann die beste sich durchsetzt. Dies aber nicht im neodarwinistischen Sinn, sondern im ontologischen Sinn, bei dem Anpassung etwa durch das Sparsamkeitsprinzip oder fehlende Konkurrenz etc. erfolgt.
    D.h. Varianten in der Evolution werden von außen induziert. Das Gegenteil dessen, also Varianten durch rein zufällige Mutationen, würde jede Spezies früher oder später auslöschen. Und: man denke an die hoch angepassten Lebewesen, etwa solche, die ihre Farbe im Sekundentakt in Abhängigkeit von Farbänderungen ihrer Umgebung ändern können. Eine solche Anpassung durch zufällig erzeugte Mutanten kann man aus rein stochastischen Gründen ausschließen.
    Und nun kann man dieses Prinzip erweitern und auf alle Stufen der (biologischen) Regulation anwenden: Einzeller, Mehrzeller, Organismen, Zentralnervöse.

  584. @Wolfgang Stegemann 13.03.2021, 11:16 Uhr

    Internalismus, Externalismus, ‘constraints’?

    Wie werden dort Varianten gebildet, die dem Möglichkeitsraum entsprechen? Durch Zufall? Wohl kaum. Woher soll der Zufall „wissen“, welche Varianten in den Möglichkeitsraum „passen“. Vielmehr spricht dafür, dass der Möglichkeitsraum ein Spektrum von Varianten „provoziert“, von denen dann die beste sich durchsetzt. Dies aber nicht im neodarwinistischen Sinn, sondern im ontologischen Sinn, bei dem Anpassung etwa durch das Sparsamkeitsprinzip oder fehlende Konkurrenz etc. erfolgt.

    Was Sie hier ansprechen, ist ein zentrales Thema seit über Evolutionsmechanismen nachgedacht wird.

    Schon zu Darwins Lebzeiten war klar, dass die Selektionstheorie den ‘survival of the fittest’ durchaus erklären kann, und das war letztlich unbestritten und lässt sich heute mit populationsgenetischen Modellen bis in jedes Detail hinein modellieren. Der Pferdefuß dabei ist, dass man immer als Startpunkt ein existierendes System voraussetzen muss, das in Grenzen variieren kann (‘Gradualismus’). Dieser Bereich der Evolutionsbiologie ist übrigens meines Wissens der einzige, der nach den Ansprüchen der Wissenschaftstheorie, die von theoretischen Physikern dominiert wird, als Theorie qualifiziert ist.

    Aber schon zu Darwins Lebzeiten war umstritten, dass so auch der ‘arrival of the fittest’ erklärt werden könne. Darwins Geniestreich bestand darin, aus der ‘dualistischen’, von Lamarck stammenden (im Sinne von unterschiedlichen Mechanismen für die Anpassung und die Entwicklung von Neuheiten) Theorie eine ‘monistische’ (im Sinne, dass ein Mechanismus, eben die Selektionstheorie, beide Phänomene erklärt) machte. Das galt um 1900 als widerlegt, und damals gab es eine Reihe von Konkurrenten, wie Orthogenesen, Neo-Lamarckismus, theistische Evolution, Mutationstheorie und so weiter. Durch die Evolutionäre Synthese, die sich etwa 1949 als Standard etabliert hatte, galten diese Alternativen als widerlegt.

    Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass die Standard-Theorie eben nicht erklären kann, wie Neuheiten entstehen. Zufall ist etwas problematisch, und es werden eine ganze Reihe von Alternativen diskutiert. Eine neue Theorie ist die Erweiterte Evolutionäre Synthese, bei Bedarf kann ich Ihnen gerne Literatur nennen.

    Wenn es Ihnen gelingen sollte, einen Zusammenhang zwischen dem ‘Möglichkeitsraum’ (der übrigens nicht präexistent sein muss, es könnte Möglichkeitsräume geben, die nie real werden können, weil die zufällig entstandenen Baupläne das nicht hergeben, auf der anderen Seite entstehen durch diese Baupläne solche Räume) und den darin auftretenden Varianten, zu zeigen, ist Ihnen der Nobelpreis sicher.

    Übrigens, Lamarck ging davon aus, dass neue Formen (die von einer ‘scala naturae’ vorgegeben sind, die eine Eigenschaft der belebten Materie darstellt) unabhängig von den Bedürfnissen zwangsläufig entstehen.

  585. @ anton reutlinger 12.03.2021, 19:31 Uhr

    Zitat: „Die Zeit spielt dabei weniger eine Rolle, wohl aber die Zu- und Abflüsse der beteiligten Substanzen. Im Organismus werden ständig Substanzen synthetisiert und abgebaut. Die Lebensprozesse sind hochdynamisch, auch wenn von außen alles ziemlich unveränderlich erscheint!“

    Dass im Organismus ständig Substanzen synthetisiert und abgebaut werden ist mir klar, es gibt aber ein sozusagen „zeitliches Logistikproblem“. Die Substanzen müssen genau zum „richtigen Zeitpunkt“ vorhanden bzw. abgebaut werden.

    Das funktioniert aber nur richtig wenn die „Zeitstrukturen passen“. Wie auch z.B. bei Autofirmen. Der Transportlogistiker muss genau darauf achten, dass seine LKW mit Bauteilen genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Port der Firma andocken, damit die Produktionsabläufe korrekt funktionieren.

    Es ist Sache des Transportlogistikers dafür zu sorgen, dass z.B. Verkehrsstaus kompensiert werden können.

  586. @ Thomas Waschke 12.03.2021, 20:53 Uhr

    Danke für Ihre umfangreiche Stellungnahme bezüglich Computeranalogien in biologischen Systemen.

    Dass es sich in Computern wesentlich einfacher verhält als bei den vielfältigen mitunter unerklärlichen Wechselwirkungen von Molekülen in biologischen Systemen, dass sehe ich auch so.

    Bei den ‘globalen’ Kräften, bin ich mir nicht so sicher, ob sie steuernden Einfluss nehmen könnten.

    Das Kategorienproblem ist mir bewusst.

    Ich wollte eigentlich nur 2, eigentlich „komplementäre“ Anregungen aus der Elektronik/Informatik in die Biologie einfließen lassen.

    1. Dass chemische Prozesse immer wieder, womöglich in schneller Abfolge, einen neuen „Anstoß“ erhalten um sich schneller entfalten zu können. (Z.B. „Zufallsgenerator“).

    2. Dass im Sinne einer „Prozesssteuerung“ (z.B. DNA Expression) nur Zeit verbrauchende „Pseudoprozesse“ die sozusagen nur Zeit brauchen, aber z.B. keine Eiweiße bilden stattfinden. Ich vermute dass derartiges bei der Referenzierung der “Junk DNA“ stattfindet, sozusagen die sinnvolle Aufgabe der „Junk DNA“ ist. So ähnlich wie der Teig beim Backen mitunter „rasten“ muss, sich laufende Prozesse besser entfalten können, ehe er weiter verarbeitet wird.
    Ihre Sicht dazu würde mich sehr interessieren.

    Beim Gehirn ist sich der Mainstream der Forscher sicherlich einig, dass die „Informationen“ hauptsächlich von der „Elektronik verarbeitet“ wird. Die Biologie erklärt die Ressourcenbereitstellung. In meinen Beiträgen habe ich auf Beispiele aus der Elektronik verwiesen die zu einem besseren Verständnis der Hirnfunktionen führen könnten.

  587. Zum Problem Leben – Tod und Umkehrbarkeit der Prozesse habe ich eine ganz pragmatische Sicht.

    In der Bibel steht ungefähr „Auferstehung nach dem Tod“ und nicht „nach der Verwesung“, z.B. 1 Monat nach dem Tod.

    Diese Aussage geht vermutlich von der damaligen Sichtweise über den Tod, wie er definiert war, aus. Heutzutage gibt es Möglichkeiten der „Reanimierung“. Damit wird ein bestimmter „Lebensstatus“, mehr oder wenige exakt, wiederhergestellt.

    Es ist die Frage wie exakt die Wiederherstellung dem Original entspricht.

    Früher oder später wird die Wissenschaft vermutlich einen ausgestorbenen Saurier aus DNA Fragmenten wieder rekonstruieren, so dass Zoobesucher einen echten Dino, der womöglich den Besuchern aus der Hand frisst, im Zoo bewundern können.

    Angeblich hatte Maria, die Mutter von Jesus, verwandtschaftliche Beziehungen zum Herrscherhaus, damit auch Zugang auf die höchste Wissensebene.

    Bzw. könnte sie von Teilen der Wissenschaftler „benutzt“ worden sein, zur Installierung einer neuen Religion beizutragen.

    Angeblich haben die „internen Streitereien“ der Juden nicht gerade zur Stabilität des Judenstaates beigetragen. (Auch heute will ungefähr die Hälfte der Juden einen bestimmten Mann an der Spitze des Staates und die andere Hälfte lieber im Knast sehen). Bestimmte Kreise hätten es damals sozusagen, sensationell formuliert vorgezogen, lieber die andere Wange nach einer Ohrfeige auch noch hinzuhalten, als sich endlose Ressourcen vernichtende Konflikte um das „absolute Recht anzutun“. (Aber vielleicht fördern die „endlosen Diskussionen“ die geistige Leistungsfähigkeit der Juden?)

    Um bei der Religionsgründung erfolgreich zu sein, mussten sie natürlich mit „Sensationen“ aufwarten. Rund 100 Jahre nach „Erfindung“ des Kaiserschnitts war die Jungfernzeugung „fällig“ und Beweis für die Kompetenz der christlichen „Systemdesigner“, wie später auch die „Auferstehung“, z.B. als eine frühe Form der Reanimation.

    Diese Sichtweise habe ich mir irgendwann in meinem Leben „aufgerissen“ und kenne auch keine Quellen mehr. Jedenfalls habe ich kaum Zweifel, viele Aussagen der Bibel für „wahr“, zumindest für möglich zu halten.

    Bestimmte Aussagen, z.B. im Zusammenhang mit der Seele und auch der Seelenwanderung halte ich für sensationell, weil sie vor tausenden Jahren gemacht wurden und erst mit den Mitteln unserer Zeit auch nachvollziehbar sind.

  588. @Chrys // 13.03.2021, 10:00 Uhr

    »Giuseppe Longo kommt mir insgesamt nicht gerade sehr reduktionistisch vor.«

    Naja, immerhin “erklärt” er bestimmte phänotypische Merkmale mittels Quantenphänomene. Das überspannt doch etliche Seinsstufen und naturwissenschaftliche Disziplinen.

    @Wolfgang Stegemann: gelesen… muss drüber nachdenken

  589. @Wolfgang Stegemann 13.03. 11:16

    „Die Umwelt stellt also Räume zur Verfügung, ich ergänze, in die sich Leben hineinentwickelt. Und hier stellt sich für mich die spannendste Frage überhaupt: Wie sieht die Binnenstruktur eines solchen Phasenübergangs aus.“

    Ich denke hier etwa an die Laktosetoleranz. Die Enzyme, die den Milchzucker spalten können, sind ja ohnehin vorhanden. Hier reicht eine Mutation, die ihre Expression nicht mehr auf die frühe Kindheit beschränkt. Anders wäre es bei der Verdauung von Plastik. Hierfür gibt es eben keinerlei Vorlagen von Enzymen, die irgendwie Plastik verdauen könnten.

    Anders sieht das wohl aus, wenn man das Reservoir aller existenten Bakterien betrachtet. Hier könnte eventuell doch irgendwann Mikroben anfangen, Plastik verarbeiten zu können. Wenn hier weltweit über Jahrhunderte massenweise Mikroplastik vorliegt, das darauf wartet verstoffwechselt zu werden, dann könnten sich eventuell doch mal Enzyme ausbilden, die das verdauen können. Das ist eben solch ein aktuell vorliegender Möglichkeitsraum.

    Eventuell kann hier die Gentechnik nachhelfen. Aber nicht, dass auf einmal PVC verdaut werden kann, und die entsprechenden Mikroben anfangen, die Isolierungen der ganzen vergrabenen Stromleitungen zu zersetzen. Das käme einer mäßigen Apokalypse gleich.

    Die Verdauung von Teer und anderen Erdölprodukten ist hier schon eher möglich. Entsprechende Enzymvorlagen wird es wohl irgendwo geben, da Erdöl ja auch natürlich vorkommt. Das muss sich nur lokal ordentlich einrichten, dann können Bakteriengemeinschaften auch manche Altlasten verputzen.

  590. @Balanus / 13.03.2021, 12:06 Uhr

    »Naja, immerhin …«

    … liest man beispielsweise hier über Giuseppe Longo (Fettung im Original kursiv):

    In this review-essay, Giuseppe Longo outlines some important reasons for reading Sergio Chibbaro, Lamberto Rondoni, and Angelo Vulpiani’s Reductionism, Emergence and Levels of Reality: The Importance of Being Borderline, and reflects on the damage done by reductionist models of, and in, science

  591. @Waschke: “…einen Zusammenhang zwischen dem ‘Möglichkeitsraum’…und den darin auftretenden Varianten, zu zeigen…”

    Interessant. Wenn ich meinem Ansatz der kausalen Emergenz [ich habe den Satz von Hoel geändert von macro beats micro in macro regulates micro und ergänzt durch micro constitutes macro im Sinne einer Dialektik] folge, heißt das Prinzip “von außen nach innen und von oben nach unten”. Das aber sind nichtlineare Prozesse, die in etwa so verlaufen: Umwelt stößt als System (A) das biologische System (B) an, und zwar einzelne Elemente von System B (a bis n). Wie sich die Elemente a bis n verhalten, ist nicht vorhersagbar, sondern hängt u.a. von der genetischen Verfasstheit (Konstitution) von B ab. Es ist anzunehmen, dass ständige Impulse von außen Phasenverschiebungen (von innen betrachtet) verursachen, die entweder als Pathologie enden oder (evolutionstheoretisch) über Phänotypen in einem neuen Genotyp landen. Wenn ich diesen (nicht biologischen, nicht medizinischen, sondern systemtheoretischen) Ansatz übertrage auf die Entstehung (genetisch bedingter) Krankheiten, hieße das, die Regulationsebene des Genoms wäre nicht die Zelle, sondern der Zellverband und dort müsste nach (Master-) Genregulatoren gesucht werden, welche etwa Krebs auslösen.

  592. Stephan Schleim
    13.03.2021, 09:35 Uhr
    Paretoprinzip
    Ich denke jedenfalls, dass der Aufwand, den wir erbringen müssten, um in der Diskussion Religion vs. Wissenschaft entscheidende Schritte voranzukommen, die Opportunitätskosten nicht rechtfertigt.

    Zustimmung!
    Vor allem, wenn wir uns dabei wie eine Ameise auf einer schwebenden Kugel bewegen, das “Ende der Welt” suchend …

  593. @Elektroniker
    Dass im Organismus ständig Substanzen synthetisiert und abgebaut werden ist mir klar, es gibt aber ein sozusagen „zeitliches Logistikproblem“. Die Substanzen müssen genau zum „richtigen Zeitpunkt“ vorhanden bzw. abgebaut werden.

    Die Chemie hat ihre eigenen Methoden zur zeitlichen Steuerung von Prozessen. Der wichtigste Taktgeber im Organismus ist der circadiane Rhythmus von Helligkeit und Dunkelheit. Prozesse werden sehr häufig über die Konzentration beteiligter Substanzen gesteuert, z.B. die Konzentration von Melatonin. Bei hoher Konzentration einer bestimmten Substanz ist die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion und damit die Schnelligkeit eines Prozesses höher oder niedriger. Außer den wenigen exogenen Stimulantien wird keine externe Uhr benötigt, der Organismus regelt das selbst, oftmals in Form von Regelungsschleifen.

    Letztlich haben wir die Zeit von der Natur abgeschaut, nicht umgekehrt! Viele psychische und organische Probleme entstehen durch die Ignoranz der natürlichen Zeit.

  594. @Stephan / Das metaphysische Prinzip des denkunabhängigen Denkens

    It’s very easy: Denk’ Dir einfach eine denkunabhängige Welt, beschwöre sie durch Magic Spells Postulate ins materielle `Sein’ — und fertig ist der metaphysische Naturalismus.

    Dazu fällt mir noch dies ein:

    Metaphysics has usually followed a very primitive kind of quest. […] So the universe has always appeared to the natural mind as a kind of enigma, of which the key must be sought in the shape of some illuminating or power-bringing word or name. That word names the universe’s PRINCIPLE, and to possess it is, after a fashion, to possess the universe itself. ‘God,’ ‘Matter,’ ‘Reason,’ ‘the Absolute,’ ‘Energy,’ are so many solving names. You can rest when you have them. You are at the end of your metaphysical quest.
    —William James, Pragmatism (1907)

    Man beachte, `Matter’ hatte er explizit in seiner Liste magischer Worter.

  595. @Elektroniker 13.03.2021, 11:56 Uhr

    Chemische Prozesse, DNA

    1. Dass chemische Prozesse immer wieder, womöglich in schneller Abfolge, einen neuen „Anstoß“ erhalten um sich schneller entfalten zu können. (Z.B. „Zufallsgenerator“).

    Das ist sehr allgemein. Üblichwerweise werden Stoffwechselprozesse reguliert. Meist sind das enzymatische Prozesse, es gibt beispielsweise den Fall, dass das Endprodukt einer Kette das erste Enzym hemmt. Regulation kann auch auf der Ebene des Gens erfolgen: Ein Substrat bindet an einen Repressor auf der DNA und macht diesen inaktiv, dadurch kann die Ablesung beginnen. Das hat alles nichts mit Zufall zu tun, ganz im Gegenteil. Ich sehe aber nicht, wie hier ein ‘Anstoß’ in Ihrem Sinn aussehen könnte.

    2. Dass im Sinne einer „Prozesssteuerung“ (z.B. DNA Expression) nur Zeit verbrauchende „Pseudoprozesse“ die sozusagen nur Zeit brauchen, aber z.B. keine Eiweiße bilden stattfinden. Ich vermute dass derartiges bei der Referenzierung der “Junk DNA“ stattfindet, sozusagen die sinnvolle Aufgabe der „Junk DNA“ ist. So ähnlich wie der Teig beim Backen mitunter „rasten“ muss, sich laufende Prozesse besser entfalten können, ehe er weiter verarbeitet wird.

    Die Frage ist extrem komplex, weil schon umstritten ist, ob es eigentlich ‘Junk’-DNA gibt. Zwei Extrem-Positionen: Larry Moran, der sich mit Junk-DNA befasste, lange bevor das ein Thema in der Öffentlichkeit war. Suchen Sie in seinem

    https://sandwalk.blogspot.com

    Forum nach encode oder junk-dna, dann erfahren Sie mehr über Junk-DNA als Sie jemals wissen wollten, von jemandem, der sich wirklich mit dem Thema auskennt.

    Oder, die Gegenposition, Jonathan Wells, ein Intelligent Design-Vertreter, der das eher als Hobby betreibt, der dafür plädiert, dass es eben keine Junk-DNA gibt (wäre ein wenig intelligenter Designer, der so etwas bastelt …) hat ein Buch zu dem Thema geschrieben:

    Wells, J. (2011) ‘The Myth of Junk DNA’ Seattle, Discovery Institute Press

    Die Funktion der Junk-DNA, die sie vermuten, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht realisiert. DNA wird ständig abgelesen, die m-RNA wird, beginnend von Promotoren oder ähnlichen Sequenzen, bis zu Terminatoren durchgeführt. Das primäre Genprodukt enthält bei Prokaryonten oft viele Gene für Proteine mit je einer Start- und Stop-Sequenz und dazu noch nicht abgelesene Teile. Bei Eukaryonten ist das noch wesentlich komplexer, da erfolgt noch ein ‘processing’ der m-RNA, bei dem Introns herausgeschnitten werden. Und es gibt noch etliche andere Prozesse. Nichts davon ist ein Pseudo-Prozess, der NOPs entsprechen würde. Regulation der Genaktivität erfolgt auf ganz anderen Ebenen als der Produktion von Genprodukten, die nicht weiter verwertet werden.

    Beim Gehirn ist sich der Mainstream der Forscher sicherlich einig, dass die „Informationen“ hauptsächlich von der „Elektronik verarbeitet“ wird. Die Biologie erklärt die Ressourcenbereitstellung. In meinen Beiträgen habe ich auf Beispiele aus der Elektronik verwiesen die zu einem besseren Verständnis der Hirnfunktionen führen könnten.

    Das sehe ich auch anders. Denn hier ist ja nichts elektrisch in dem Sinn, wie ein Fluss von Elektronen durch einen Leiter, sondern es sind Diffusionsprozesse von Ionen durch Neuronenmembranen, die ein Ladungsungleichgewicht erzeugen, das sich aus ausbreitet. Das sind meist graduierte Potenziale, was noch am ehesten einem elektrischen Phänomen entspricht sind bestenfalls Aktionspotenziale. Aber die werden auf der einen Seite auch chemisch weitergeleitet, und was sie auslösen muss nichts mit Elektrizität zu tun haben. Ich fürchte, auch hier kommen Sie nicht weit.

    Anders sieht es bei Summenphänomenen aus, also der Aktivität ganzer Neuronenverbände. Dort könnte ich mir Analogien zu Schaltungen vorstellen (dort sind tatsächlich AND und OR und so weiter realisiert). Wie gesagt, je näher Sie der Ebene der Biochemie kommen, desto weniger Sinn machen Ihre Überlegungen.

  596. @Wolfgang Stegemann 13.03.2021, 14:10 Uhr

    Umwelt stößt als System (A) das biologische System (B) an, und zwar einzelne Elemente von System B (a bis n). Wie sich die Elemente a bis n verhalten, ist nicht vorhersagbar, sondern hängt u.a. von der genetischen Verfasstheit (Konstitution) von B ab.

    Für mich klingt das sehr abstrakt. Haben sie ein konkretes Beispiel für ein derartiges Phänomen, also eine konkrete biologische Strukturen für (B)?

    ‘Krebs’ ist meines Wissens ein Sammelname für eine Fülle unterschiedlicher Prozesse, denen nicht viel gemeinsam ist, außer dass sich Zellen unkontrolliert vermehren.

  597. @Thomas Waschke: Das Ganze ist hochkomplex und mehrdimensional: „von außen nach innen“ und „von oben nach unten“ wird ergänzt durch eine vierte Dimension, die Zeit. Systeme oszillieren um einen Attraktor und produzieren, wenn sie in Grenzzyklen geraten, möglicherweise Proteine, die sich regulatorisch auswirken. Man kann auch sagen, wenn ein System in „Unordnung“ gerät, agieren die Elemente a bis n nicht mehr geordnet, sondern chaotisch. Chaos bedeutet hier Zufall, und dieser bietet vorhandenen Onkogenen neue Möglichkeitsräume. Dies wären zwei unterschiedliche Beschreibungsweisen desselben Prozesses.
    Wie gesagt, dies ist ein systemtheoretischer Versuch, also abstrakt. Er müsste, falls er Vorhersagekraft haben soll, fachdisziplinär konkretisiert werden.

  598. @Thomas Waschke: Ein “Beleg” findet sich vielleicht hier: https://www.spektrum.de/news/schluesselgene-fuer-die-gedaechtnisbildung-identifiziert/1846189.
    Dort heißt es: “An der Spitze all dieser Gene steht offenbar SMAD3, das nach Angaben der Autoren wie eine Art Masterregulator für die Hub-Gene fungiert. Diese waren zudem überraschenderweise nicht in den Neuronen selbst aktiv – sondern in den Gliazellen, die vor allem eine Stütz- und Schutzfunktion ausüben.”
    M.a.W. die Genregulation erfolgt nicht in den Zellen, sondern außerhalb, wenn man so will, auf einer übergeordneten, kontrollierenden Ebene.

  599. @Wolfgang Stegemann 13.03.2021, 16:14 Uhr

    Danke für die Hinweise und den Link.

    Okay, ich erinnere mich dunkel an den Hype um die Chaostheorie vor vielen Jahren. Meines Wissens haben sich viele Erwartungen, die man ‘damals’ hatte, nicht erfüllt (ich habe ‘damals’ etliche populärwissenschaftliche Arbeiten zu dem Thema gelesen, auch solche, die sich auf biologische Systeme bezogen haben). Kann natürlich sein, dass ich mich nicht hinreichend informiert habe.

    Das, was Sie gerade geschrieben haben, kommt mir von der Begrifflichkeit her bekannt vor, aber eben nicht aus dem, was ich über Biologie weiß. Ich bin aber in Biologie (Examen 1980) sicher nicht mehr auf dem aktuellen Stand in den Gebieten, mit denen ich mich seither nicht mehr intensiver befasst habe.

    Wie gesagt, dies ist ein systemtheoretischer Versuch, also abstrakt. Er müsste, falls er Vorhersagekraft haben soll, fachdisziplinär konkretisiert werden.

    Genau. Ein Potenzial dieses Ansatzes ist sicher vorhanden, aber es muss noch realisiert werden.

  600. @Stephan Schleim
    Zu @Andresen: irreversibel

    Aber wenn ich nur meine Moleküle bin – wo soll hier denn etwas verloren gehen? Zur Not gibt es halt neue Moleküle aus dem 3D-Drucker. So weit wird man ja wohl noch denken dürfen.

    Falls sich die Frage für Sie noch nicht erledigt hat: Es geht nicht nur um die Moleküle. Bzgl. irreversibel geht es um die Strukturen, die aus den Molekülen gebildet werden (z.B. Zellen unterschiedlicher Art, Zellverbände, Organe).

  601. Feodor,
    Bei dem Video zur Sonnenfinsternis wird deutlich, wie klein und zerbrechlich der Mensch ist. Stellen Sie sich vor, es bleibt dunkel……….
    Aber unser Verstand leuchtet selbst im Dunkeln. Deswegen ist die Naturwissenschaft hoch einzuschätzen.

  602. Urknall: Es ist bislang nicht zu sehen, dass der Urknall, bei dem das Universum offenbar erst entstand, inkompatibel mit Naturgesetzen im Universum (die die Wissenschaft durch Naturgesetzaussagen zu rekonstruieren sucht) sein müsste. Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass der Urknall spontan erfolgte, ähnlich wie ein Atomkern spontan zerfällt.

    Nun eine allgemeine Frage an alle.
    Was antworten Sie (bzw. was antwortet ihr), wenn jemand fragt:
    “Bist du nur ein Phänomen?”

  603. @Feodor 13.03.2021, 17:38 Uhr
    Die Frage “Bist du nur ein Phänomen?” wird in der Philosophie gründlich abgehandelt. Seit Descartes gewinnt die Einsicht Raum, dass die Frage nicht sinnvoll ist, weil bereits das “Ich” als ein angedachtes Objekt der Vorstellung zum Widerspruch führt.

    Da es hier üblich ist, Diskussionsteinehmer mit Literaturhinweisen zu versorgen, hier etwas noch nicht Verstaubtes: Thomas Metzingers “EGO-Tunnel” und Schnädelbachs “Was Philosophen wissen”.

  604. @Chrys // 13.03.2021, 13:06 Uhr

    Danke für die weiteren Hinweise auf zufall- und reduktionismusrelevante Literatur!

    In Giuseppe Longos Review-Essay kommt mir ein bisschen viel Theologie und Gott vor, aber insgesamt halte ich es für eine gute Nachricht, dass man von Quantenphänomenen zum Organismus und darüber hinaus gelangen kann, ohne Reduktionist zu sein.

    [@Stephan] »Denk’ Dir einfach eine denkunabhängige Welt«

    Klingt lustig, aber was lehrt uns das — über Sprache und über die Welt da draußen (sofern es eine gibt)?

  605. @Harald Andresen // 13.03.2021, 16:59 Uhr

    »Bzgl. irreversibel geht es um die Strukturen, die aus den Molekülen gebildet werden..«

    Das hat Stephan Schleim mit Sicherheit mitgekriegt und auch kapiert.

    Ich schätze, ihm geht es um was anderes. Nämlich darum, zu zeigen, dass das „Rätsel Leben“ nach wie vor ungelöst ist, dass das Phänomen „Leben“ noch immer nicht erklärt und verstanden ist, denn hätte man es verstanden, dann könnte man auch (prinzipiell) Tote wieder zum Leben erwecken. Wie sich das ein Agnostiker halt so vorstellt… ;- )

  606. Balanus
    13.03.2021, 18:38 Uhr
    … aber was lehrt uns das — über Sprache und über die Welt da draußen (sofern es eine gibt)?

    Nun, die erst mal konsistent erscheinenden Messungen ergeben für das Alter des Universums ~ 13.500.000.000 Zeiteinheiten, die wir “Jahre” nennen, für den Planeten, den wir “Erde” nennen und der um den Stern kreist, den wir “Sonne” nennen, ergeben sich ~ 4.500.000.000 Jahre, den Beginn dessen, was wir “Leben” nennen, datiert auf einen Ursprung vor ~ 3.000.000.000 Jahren, das mehrzellige, “höher” organisierte Leben auf ~ 750.000.000 Jahre … und das Lebewesen, was sich selbst “Mensch” nennt, lässt sich auf ~ 300.000 Jahre zurückdatieren und das, was wir Schrift nennen, auf ~ 7.500 (?) Jahre. Nicht, dass “man” sich auch schon vor 50.000 Jahren “Gedanken” gemacht hätte, woher alles kam und wohin alles gehen wird, aber angesichts dieser Zeiträume ohne “Mensch”, ohne “Sprache” und ohne “Schrift” erscheint mir der Anspruch, der sich für mich aus >>Klingt lustig, aber was lehrt uns das — über Sprache und über die Welt da draußen (sofern es eine gibt)?<< ausgesprochen belustigend.

  607. @Feodor

    Was antworten Sie (bzw. was antwortet ihr), wenn jemand fragt:
    “Bist du nur ein Phänomen?”

    Ja stimmt, ich bin einfach phänomenal.

  608. @ Thomas Waschke 13.03.2021, 15:47 Uhr

    Eine „Maschine“ die in Folge und planmäßig „mehr oder weniger zufällige“ Variable generiert, wird in der Elektronik häufig allgemein „Zufallsgenerator“ bezeichnet.

    In der Technik „arbeiten“ die Transistoren praktisch absolut determiniert, wie auch weitestgehend die chemischen Prozesse in der Biologie. Der „Zufall“ entsteht in der Elektronik weil einerseits eine Zählerkette mit jeweils 2 Transistoren (Flip-Flop) von einem Oszillator „angetrieben“, z.B. 1 Million mal pro Sekunde dauernd zwischen 0 und 1 kippen.

    Andererseits erhält man abhängig davon in welchem „Zeitmuster“ man die Zählerkette „abfragt“, eine Folge von „Zufallsvariablen“.Der Grad der Zufälligkeit hängt vom „Zeitmuster“ der Abfrage ab, nicht von einem zufälligen Verhalten der Transistoren bzw. der chemischen Prozesse. Erst das Ergebnis ist wegen der Zeitmuster „zufällig“.

    Besonders „zufällig“ wäre das Ergebnis, wenn man das „Zeitmuster“ aus Zerfallsprozessen ableitet.

    Ich bin kein Chemiker, könnte mir aber vorstellen, dass ähnlich wie Monomere zu Polymeren (die Polymerisierung entspräche grob der Funktion einer Zählerkette) verknüpft werden, allerdings abhängig von variablen weiteren Prozessen, die eigentlich jeweils systematisch einen Anstoß zur Bildung unterschiedlicher DNA Elemente geben sollten, die zu langen variablen Ketten verknüpft werden. Auch hier könnten, abhängig vom „Zeitmuster“ der Prozesse, die entstehenden Variablen unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich dem Grad der Zufälligkeit haben.

    In diesem allgemeinen Sinne könnten z.B. in irgend welchen „Stammlebewesen“, das könnt selbst Pflanzen gewesen sein, die mitunter besonders lange Gensequenzen aufweisen, mehr als z.B. bei Menschen, die DNA Codeelemente generiert worden sein. Werden diese z.B. mittels Viren in andere Lebewesen, allenfalls sogar in Mikroben eingebracht, könnten sich von den Genabschnitten die z.B. viral übertragen werden abhängig, immer mehr neue Lebewesen entwickelt haben.

    Junk’-DNA gibt es in dem Sinne, dass sie offensichtlich keine Eiweiße produziert, aber deswegen noch lange nicht „Junk“ sein muss. Angeblich wird die Junk DNA zur Bestimmung der Abstammung verwendet. Dies würde darauf hindeuten, dass die Ausprägung der individuellen Persönlichkeitsmerkmale von der Junk DNA beeinflusst wird.

    Meine Überlegungen zu den Gehirnfunktionen bauen auf Ladungsträgertransporte, den Triggereffekt des einzelnen Neurons und den Summenphänomenen auf, also auch der Aktivität ganzer Neuronenverbände. Die Biochemie nehme ich als gegeben an, ähnlich wie z.B. Kennlinien in der Technik.

    Es geht mir um neuere erweiterte Interpretationen der Erkenntnisse von W. McCulloch/Turing, E. Kandel, … um die Zeitstrukturen, und eine „Brücke“ zur Elektronik/Informatik um die Informationsverarbeitung im Gehirn erklären zu können.

    Mit den Methoden der Biologie scheint das offensichtlich nicht möglich.

  609. @Elektroniker: Wenn man die von mir postulierten Regulationsebenen (Zelle, Gewebe, Organe, ZNS) nimmt und das Gehirn betrachtet, dann sieht man, dass dieses alle Ebenen intergiert. Es ist ein Organ, besteht aus Gewebe sowie aus Zellen, es ist quasi ein Integral und arbeitet auch so: bioelektrisch, hormonell, proteinbildend. Diese multimodale Informationsverarbeitung lässt sich nicht mit technisch-mechanischen begriffen nachzeichnen. Computer arbeiten nicht hormonell. Auch die Speicherung erfolgt anders: nach meinem Ansatz erfolgt sie als virtuelles Hologramm. Virtuell deshalb, weil es denselben Effekt hat wie ein Hologramm, aber nicht dieselbe Technik. Man kann bei Lashley nachlesen, wie Gedächtnis erhalten bleibt auch nach Wegnahme von Gehirnteilen (ich weiß, dass es da Kritik gibt). Aber auch bei Läsionen des Hippocampus leidet zwar das Kurzzeit- aber das Langzeitgedächtnis bleibt weitgehend erhalten. Eine holographische Speicherung gibt es bei Computern nicht.

  610. @Elektroniker 13.03.2021, 19:21 Uhr

    Eine „Maschine“ die in Folge und planmäßig „mehr oder weniger zufällige“ Variable generiert, wird in der Elektronik häufig allgemein „Zufallsgenerator“ bezeichnet.

    So etwas finden Sie in den Zellen, die letztlich die Vielfalt der Antikörper produzieren. Hier könnten Sie eventuell fündig werden.

    Vermutlich spielen hier aber Zeitmuster keine Rolle

    Ich bin kein Chemiker, könnte mir aber vorstellen, dass ähnlich wie Monomere zu Polymeren (die Polymerisierung entspräche grob der Funktion einer Zählerkette) verknüpft werden, allerdings abhängig von variablen weiteren Prozessen, die eigentlich jeweils systematisch einen Anstoß zur Bildung unterschiedlicher DNA Elemente geben sollten, die zu langen variablen Ketten verknüpft werden. Auch hier könnten, abhängig vom „Zeitmuster“ der Prozesse, die entstehenden Variablen unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich dem Grad der Zufälligkeit haben.

    Wie gesagt, so etwas gibt es, zumindest bei der Codierung der Antikörper. Interessant ist dann, was dann passieren muss, damit das System nicht Amok läuft.

    In diesem allgemeinen Sinne könnten z.B. in irgend welchen „Stammlebewesen“, das könnt selbst Pflanzen gewesen sein, die mitunter besonders lange Gensequenzen aufweisen, mehr als z.B. bei Menschen, die DNA Codeelemente generiert worden sein. Werden diese z.B. mittels Viren in andere Lebewesen, allenfalls sogar in Mikroben eingebracht, könnten sich von den Genabschnitten die z.B. viral übertragen werden abhängig, immer mehr neue Lebewesen entwickelt haben.

    Das ist (funktionaler) horizontaler Gentransfer, kommt fast nur bei Prokaryonten vor, und auch dort meist über Plasmide oder auch Viren. Das mit Viren funktioniert auch bei Eukaryonten, aber eher nicht in Form einer Erweiterung der Fähigkeiten. Ein großer Prozentsatz der Junk-DNA besteht aus eingeklinkten Viren, die aber oft so mutiert sind, dass sie nur Schrott darstellen.

    ‘Junk’-DNA gibt es in dem Sinne, dass sie offensichtlich keine Eiweiße produziert, aber deswegen noch lange nicht „Junk“ sein muss. Angeblich wird die Junk DNA zur Bestimmung der Abstammung verwendet. Dies würde darauf hindeuten, dass die Ausprägung der individuellen Persönlichkeitsmerkmale von der Junk DNA beeinflusst wird.

    Vermutlich meinen Sie den genetischen Fingerabdruck. Der funktioniert mit STRs, die werden nicht abgelesen und haben phänotypisch, wenn ich richtig informiert bin, keinerlei Auswirkungen. Daher sind die Ergebnisse des genetischen Fingerabdrucks auch wenig informativ: Wenn Sie diese Daten haben, wissen Sie nichts über den Phänotyp. Der biologische Sinn dieser Sequenzen ist meines Wissens nicht geklärt.

    Meine Überlegungen zu den Gehirnfunktionen bauen auf Ladungsträgertransporte, den Triggereffekt des einzelnen Neurons und den Summenphänomenen auf, also auch der Aktivität ganzer Neuronenverbände. Die Biochemie nehme ich als gegeben an, ähnlich wie z.B. Kennlinien in der Technik.

    Okay, dann sollten Sie sich einfach die Mühe machen, konkret zu werden. Dann sage ich gerne etwas dazu.

    Es geht mir um neuere erweiterte Interpretationen der Erkenntnisse von W. McCulloch/Turing, E. Kandel, … um die Zeitstrukturen, und eine „Brücke“ zur Elektronik/Informatik um die Informationsverarbeitung im Gehirn erklären zu können.

    Ich vermute, dass Sie die Ebene der Beschreibung nicht mit der Implementierung vermischen sollten. Es ist durchaus möglich, etwas funktional als ‘xxx’ zu beschreiben, sich darüber zu informieren, wie ‘xxx’ in der Technik realisiert ist, und dann zu entdecken, dass das ‘xxx’ in der Biologie vollkommen anders funktioniert. Die Frage ist dann, ob Sie das, was sie theoretisch fordern, in der Realität auch finden werden.

    Mit den Methoden der Biologie scheint das offensichtlich nicht möglich.

    Das ist die spannende Frage, eben die der Beschreibungs- bzw. Erklärungsebene. Es gibt bottom up und top down Erklärungen. Wenn ich richtig informiert bin, ist ‘bottom up’, falls prinzipiell überhaupt möglich, extrem aufwändig und letztlich sinnlos (beispielsweise, wenn sie soziologische Phänomene mit Ionenströmen durch Neuronenmembranen erklären wollen). ‘Top down’ ist vermutlich besser, aber eben mit den Problemen behaftet, die ich oben angedeutet habe.

  611. @Erwin Neher: Sie haben natürlich recht. Aber die arbeiten anders als das Gehirn. Hier ist Holographie ein Phänomen, aber keine Technik daher bezeichne ich es als virtuell.

  612. @Erwin Neher 13.03.2021, 20:27 Uhr

    hier noch eine Kleinigkeit zum horizontalen Gentransfer bei Pflanzen:

    https://www.scinexx.de/news/biowissen/pflanzen-tauschen-untereinander-chloroplasten-aus/

    Danke für den Link. Scinexx ist durchaus seriös, aber den Beitrag sollte man sehr genau lesen. Vor allem, unter welchen Bedingungen was ausgetauscht wird. Chloroplasten und Mitochondrien sind Endosymbionten und daher eigentlich nicht die Pflanze. Dass das Genom der Pflanzen, also die Kerne der Pflanzenzellen, so ausgetauscht werden, vermuten die Autoren nur. Dazu kommt, dass die Versuchsbedingungen nicht unbedingt besonders ‘natürlich’ sind.

    Klar, die Ergebnisse sind durchaus sehr interessant, aber bevor ich mir Gedanken zur evolutionären Bedeutung dieser Prozesse mache, hätte ich noch ein paar Detail-Fragen.

  613. @Thomas Waschke:

    Einverstanden. Das löst natürlich noch keine detaillierten Fragen und ich wäre sehr vorsichtig aus solchen Experimenten gleich auf Bedeutung für die Evolution zu schließen. Ist in meinen Augen ein Hinweis auf einen möglichen Effekt, nicht mehr und nicht weniger.

  614. @Wolfgang Stegemann:

    Ja. Was sie mit ihrem Ansatz beschreiben wollen ist sicher was anderes als ein holografischer Speicher der Computertechnik.
    Man sollte ohnehin sehr vorsichtig sein, ausgehend von Technik, dann Analogien zu biologischen Systemen zu ziehen.

  615. @Schleim: Der ewige Schleim

    Könnte man Stephan Schleim nach dem Tod wieder herstellen/reparieren in quasi auf ewig erhalten?

    Mir fallen 1000 Gründe ein weshalb es technisch bzw. praktisch vermutlich nicht geht oder absurd schwierig wäre, aber sie wollen ja wissen ob es prinzipiell möglich ist.

    Wer da mitdenken möchte, vielleicht zum Einstieg: Weshalb altert Stephan Schleim und weshalb altert ein Einzeller bei genügend Nahrung und gutem Nährmedium nicht. Der teilt sich irgendwann, aber altert er?

  616. @Andresen, Neher: Klon

    Man muss es doch nicht komplizierter machen, als es ist:

    Wenn man Naturalist ist und eine 1:1 Kopie eines Körpers auf molekularer Ebene herstellt, inklusive aller Strukturen, dann hat man zweimal dieselbe Person. (Ob es technisch möglich ist, ist eine andere Frage; zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl eher nicht.)

    Nach meinem Ansatz ist u.a. die Person “Stephan Schleim” ohnehin ein soziales Konstrukt.

    Siehe auch: Bin ich derselbe wie vor und in einem Jahr?

  617. @ Stephan Schleim:

    Na wenn sie es schlicht mögen.
    Ja, Klon wie sie meinen geht prinzipiell, fertig.

    Aber war die ursprüngliche Frage nicht die Wiederherstellung eines toten Schleim?
    Dazu müssten sie einiges “reparieren”.
    Aber sie wollten ja philosophisch schlicht.

  618. @Wolfgang Stegemann // 13.03.2021, 11:16 Uhr

    » Die Umwelt stellt also Räume zur Verfügung, ich ergänze, in die sich Leben hineinentwickelt. «

    So ähnlich habe ich es auch gelernt.

    » Wie werden dort Varianten gebildet, die dem Möglichkeitsraum entsprechen? Durch Zufall? Wohl kaum. Woher soll der Zufall „wissen“, welche Varianten in den Möglichkeitsraum „passen“. «

    Solche Fragen entstehen, wenn man vom Ende her denkt: Woher wusste ich, welche Zahlen im Lotto gezogen werden? Die Antwort ist natürlich: Ich wusste es nicht, und meine Nachkommenschaft weiß auch nicht, welche Genvariante für die Zukunft die günstigste ist.

    »D.h. Varianten in der Evolution werden von außen induziert.«

    Das scheint nur so. Das Antibiotikum induziert keine resistenten Varianten, sondern selektiert die zufällig resistenten Varianten aus.

    » Das Gegenteil dessen, also Varianten durch rein zufällige Mutationen, würde jede Spezies früher oder später auslöschen. «

    Das kann passieren (ist als Antibiotikumwirkung sogar erwünscht) und ist auch in der Regel der Fall. Rezente Arten belegen nur, dass es in der Vergangenheit immer wieder Varianten gegeben hat, die ein Überleben der Spezies ermöglichten. Innerhalb einer Abstammungslinie lassen sich keine Arten zeitlich exakt voneinander abgrenzen, es gibt keine Sauriereier, aus denen Vogelküken geschlüpft sind, und es gibt keine Äffin, die ein Menschkind zur Welt brachte.

    » Und: man denke an die hoch angepassten Lebewesen, etwa solche, die ihre Farbe im Sekundentakt in Abhängigkeit von Farbänderungen ihrer Umgebung ändern können. Eine solche Anpassung durch zufällig erzeugte Mutanten kann man aus rein stochastischen Gründen ausschließen. «

    Um hier etwas definitiv ausschließen zu können, fehlen vermutlich die Daten. Welche Gene liegen den Strukturen, die die Farbänderungen bewirken, denn zugrunde, wo kommen diese Varianten her, wann sind sie erstmals in der Geschichte aufgetaucht, in welcher Umwelt mussten sich die Varianten bewähren?

    Mag sein, dass ich neuen Ideen gegenüber zu wenig aufgeschlossen bin, aber ich finde das Konzept oder „Prinzip“, so wie Sie es hier—vermutlich stark verkürzt—darstellen, insgesamt einfach nicht überzeugend

  619. @Schleim
    Man muss es doch nicht komplizierter machen, als es ist:

    Es ist aber kompliziert. In einer durchgängig deterministischen, Laplaceschen Welt wäre eine Kopie möglich. Aber wir sind nicht in einer deterministischen Welt. Das sagen die Quantenphysiker, das sagt die Quantelung der Energie und das sagt Heisenbergs Unschärferelation. Es gibt kein unendlich klein und deshalb gibt es unbeherrschbare Zufälligkeiten, die eine in jeder Hinsicht originalgetreue Kopie unmöglich machen.

    Eine molekül- und atomgetreue Kopie wäre gedanklich durchaus möglich, wobei auch die Abstände der Atome originalgetreu kopiert werden müssten. Physikalische Kräfte sind bekanntlich vom Abstand der Teilchen abhängig, sogar quadratisch oder noch höher. Wäre eine Kopie mit psychischer und geistiger Identität möglich?

    Aus naturalistischer Sicht spricht nichts, auch nicht die quantenphysikalischen Einwände, gegen eine instantane Kopie mit psychischer und geistiger Identität. Selbstverständlich müssten nicht nur die atomaren Strukturen, sondern auch die aktuellen, physikalischen Zustände der Atome kopiert werden. Erst die weitere Entwicklung würde Divergenzen hervorrufen, so wie bei eineiigen Zwillingen.

    Es besteht aber wohl keine Aussicht auf Realisierung einer solchen Kopie, deshalb bleibt es bei rein gedanklicher und spekulativer Spielerei.

  620. @hwied: “Viele niedere Organismen, die keine Keimbahn aufweisen, altern nicht und sind potenziell unsterblich. Man spricht dabei auch von einer somatischen Unsterblichkeit.[16] Zu diesen potenziell unsterblichen Organismen gehören die Prokaryoten, viele Protozoen (beispielsweise Amöben und Algen) und Arten mit ungeschlechtlicher Teilung (beispielsweise auch Mehrzeller wie Süßwasserpolypen (Hydra)[45]). Faktisch haben diese Organismen allerdings sehr wohl eine begrenzte Lebensdauer. Äußere Faktoren, wie beispielsweise ökologische Veränderungen oder Fressfeinde (Prädatoren), limitieren die Lebenserwartung erheblich und führen zum sogenannten Katastrophentod.[46]”
    (Wikipedia).

  621. @Balanus: “» Wie werden dort Varianten gebildet, die dem Möglichkeitsraum entsprechen? Durch Zufall? Wohl kaum. Woher soll der Zufall „wissen“, welche Varianten in den Möglichkeitsraum „passen“. «
    Solche Fragen entstehen, wenn man vom Ende her denkt: Woher wusste ich, welche Zahlen im Lotto gezogen werden? Die Antwort ist natürlich: Ich wusste es nicht, und meine Nachkommenschaft weiß auch nicht, welche Genvariante für die Zukunft die günstigste ist.”

    Sie kennen die Lottozahlen erst, wenn sie gezogen sind, Sie können immer nur vom Ende her denken.

    “» Das Gegenteil dessen, also Varianten durch rein zufällige Mutationen, würde jede Spezies früher oder später auslöschen. «
    Das kann passieren (ist als Antibiotikumwirkung sogar erwünscht) und ist auch in der Regel der Fall.”

    Es geht um Evolution und nicht um direkte Eingriffe. Eine Gewehrkugel ins Herz macht diesem ein abruptes Ende. Da ist dann nichts mehr mit Entwicklung und schon gar nicht Top-Down oder sonstwie.

  622. @ Wolfgang Stegemann 13.03.2021, 19:44 Uhr

    Zitat: „Wenn man die von mir postulierten Regulationsebenen (Zelle, Gewebe, Organe, ZNS) nimmt und das Gehirn betrachtet, dann sieht man, dass dieses alle Ebenen intergiert. Es ist ein Organ, besteht aus Gewebe sowie aus Zellen, es ist quasi ein Integral und arbeitet auch so: bioelektrisch, hormonell, proteinbildend.“

    Diese Aussage ist praktisch immer „wahr“, eine Tautologie, sie ist allerdings weitaus noch unvollständig und viele Fragen bleiben unbeantwortet. Fast jeder Wissenschaftler würde es im Prinzip so ähnlich sehen.

    Zitat: „Diese multimodale Informationsverarbeitung lässt sich nicht mit technisch-mechanischen Begriffen nachzeichnen.“

    Diese Aussage ist allein wegen Nutzung des Allquantors heikel. Man kann möglichst sinnvolle auch abstrakte Betrachtungsebenen „einziehen“, den Sachverhalt in Komponenten zerlegen, diese einzeln analysieren und alles zusammenführen. Das ist eigentlich ein Grundprinzip und macht die Wissenschaft immer wieder.

    Abstraktion ist eine typische Intelligenzfunktion. Man möchte abstrakte Funktionsebenen mit den Mitteln der Mathematiker in einer Art von “Zwischensprache“ beschreiben und formalisieren.

    Als ich noch (am Anfang meiner Berufstätigkeit) als Elektroniker gearbeitet habe, habe ich alles den jeweiligen Fachwissenschaften überlassen, was nicht zu meinem Fachgebiet gehört und aus deren Erkenntnissen die Schlüsse gezogen die für meine Arbeit wichtig waren, im Prinzip Information verarbeitende „Maschinchen“ zu bauen, die insgesamt im Verbund mit einer riesigen Zahl ähnlicher „Maschinchen“, letztlich die damals größte Welt umspannende „Maschinerie“, das Telefonnetz ergaben.

    So ähnlich sehe ich auch die vernetzten Gehirnfunktionen. Die absolut wichtigsten grundlegenden „Maschinchen“ der Informationsverarbeitung sind die Neuronen und die Synapsen.

    Mich interessiert nur, dass Neurone immer dann triggern können, wenn auf möglichst vielen Eingängen möglichst gleichzeitig elektrische Ladungsträger eintreffen. Dies entspricht einem „qualifizierten UND Gatter“. Die Synapsen bilden sich, Wissen abbildend, immer dann, wenn sie im Sinne der Hebbschen Regel möglichst oft „Ladungsträger verarbeiten“ was E. Kandel erklärt hat. Beide der wichtigsten Elemente arbeiten bioelektrisch.

    Mich interessiert hauptsächlich die Gatterfunktion der Neuronen und die „Lötpunktfunktion“ der Synapsen. Mit diesen Grundfunktionen, abhängig von ihrer Struktur, lässt sich für Elektroniker die Informationsverarbeitung erklären, auf die Boolsche Algebra so wie sie offensichtlich im Gehirn abläuft zurückführen.

    Eine Besonderheit ist nur, dass es sich stochastisch verhält, sozusagen die Mehrheit der Schaltvorgänge bestimmend ist, Menschen letztlich zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Würden sich die Prämissen als grundlegend (nicht nur „gelegentlich“ ein „wenig“) falsch herausstellen, würde ich meine Aussagen selbst in die Tonne kippen.

    Bei der Speicherung ist wesentlich dass Muster, Objekte (sozusagen Daten und Programme) im Sinne der Informatik, in den synaptischen Verknüpfungen abgebildet, also hoch redundant gespeichert werden. Deswegen funktioniert das Gehirn nach Läsionen verhältnismäßig stabil, auch wenn es oft absurde Folgen hat.

  623. @Stephan Schleim
    Zu @Andresen, Neher: Klon
    Auch hier wieder: Falls sich die Frage für Sie noch nicht erledigt hat…

    Man muss es doch nicht komplizierter machen, als es ist:

    Hier verstehe ich als „Untertext“ noch: „Es ist eine einfache Frage. Antworten Sie mit Ja oder Nein.“ Da ist allerhöchste Vorsicht geboten. Oh, es ist gar keine Frage, sondern eine bedingte Aussage.

    Wenn man Naturalist ist und eine 1:1 Kopie eines Körpers auf molekularer Ebene herstellt, inklusive aller Strukturen, dann hat man zweimal dieselbe Person.

    Ja, diese Herstellung ist prinzipiell möglich. Aber:
    Nein, dann hat man zwei Personen mit derselben genetischen Ausstattung, mit gleicher Gestalt und mit den bis dahin gleichen Erinnerungen, Erfahrungen usw. Beide Personen unterliegen den allgemeinen Risiken des Lebens inkl. Altern und werden später sterben.

    Wenn Sie als Stephan Primus Schleim überlegen, die Kopie aus Ihren heute erfassten Daten erst in 25 Jahren als Stephan Secundus Schleim verwirklichen zu lassen, dann hätten Sie im Jahre 2046 einen um 25 Jahre jüngeren Zwillingsbruder mit Erinnerungen, Erfahrungen usw. bis inkl. 14.03.2021.

    Ob eine technische Möglichkeit besteht (aus meiner Sicht nicht), wollten Sie hier nicht weiter betrachten.

    Mit der Frage zur „Wiederbelebung eines Toten“ hat dieses Gedankenexperiment nichts zu tun.

  624. ach – trotz Vorsicht übersehen …
    Der zu kopierende Körper ist natürlich ein lebender Körper inkl Geist.

  625. @Wolfgang Stegemann // 14.03.2021, 12:10 Uhr

    » Sie kennen die Lottozahlen erst, wenn sie gezogen sind, Sie können immer nur vom Ende her denken. «

    Ich hatte missverständlich formuliert. Gemeint war teleologisches oder zielgerichtetes Denken, weil Sie fragten: »Woher soll der Zufall „wissen“, welche Varianten in den Möglichkeitsraum „passen“? «

    In der Evolution entsteht „Angepasstheit“ an die jeweilige Umwelt durch einen stochastischen Prozess (in etwa: Zufallsvariation und Selektion).

    In der Ontogenese ist das anders, da passen sich Individuen direkt an bestehende Umweltbedingungen an, soweit es denn die genetische Ausstattung erlaubt.

    »Es geht um Evolution und nicht um direkte Eingriffe.«

    Aus Sicht einer Bakterienpopulation (z. B. im Ökosystem Mensch) ist das Auftauchen eines Antibiotikums vergleichbar mit einer Naturkatastrophe. Wenn es gut geht, überlebt ein Teil der Population diese Katastrophe—eben weil Zufallsvarianten existieren, die zufällig unempfindlich gegenüber das Antibiotikum sind. Hier können wir im Kleinen live beobachten, wie Evolution im Prinzip funktioniert.

  626. @Wolfgang Stegemann // 14.03.2021, 12:10 Uhr

    »Sie kennen die Lottozahlen erst, wenn sie gezogen sind, Sie können immer nur vom Ende her denken.«

    Ich hatte wohl missverständlich formuliert. Gemeint war teleologisches oder zielgerichtetes Denken, weil Sie fragten: »Woher soll der Zufall „wissen“, welche Varianten in den Möglichkeitsraum „passen“? «

    Aber vielleicht treffen es die Begriffe „teleologisch“ und „zielgerichtet“ auch nicht so richtig. Ist hier auch nicht so wichtig.

    In der Evolution entsteht „Angepasstheit“ an die jeweilige Umwelt durch einen stochastischen Prozess (in etwa: Zufallsvariation und Selektion).

    In der Ontogenese ist das anders, da passen sich Individuen direkt an bestehende Umweltbedingungen an, soweit es denn die genetische Ausstattung erlaubt.

    »Es geht um Evolution und nicht um direkte Eingriffe.«

    Aus Sicht einer Bakterienpopulation (z. B. im Ökosystem Mensch) ist das Auftauchen eines Antibiotikums vergleichbar mit einer Naturkatastrophe. Wenn es gut geht, überlebt ein Teil der Population diese Katastrophe—eben weil Zufallsvarianten existieren, die zufällig unempfindlich gegenüber das Antibiotikum sind. Hier können wir imj Kleinen live beobachten, wie Evolution im Prinzip funktioniert.

  627. @Wolfgang Stegemann // 14.03.2021, 12:10 Uhr

    »Sie kennen die Lottozahlen erst, wenn sie gezogen sind, Sie können immer nur vom Ende her denken.«

    Ich hatte wohl missverständlich formuliert. Gemeint war teleologisches oder zielgerichtetes Denken, weil Sie fragten: »Woher soll der Zufall „wissen“, welche Varianten in den Möglichkeitsraum „passen“? «

    Aber vielleicht treffen es die Begriffe „teleologisch“ und „zielgerichtet“ auch nicht so richtig. Ist hier auch nicht so wichtig.

    In der Evolution entsteht „Angepasstheit“ an die jeweilige Umwelt durch einen stochastischen Prozess (in etwa: Zufallsvariation und Selektion).

    In der Ontogenese ist das anders, da passen sich Individuen direkt an bestehende Umweltbedingungen an, soweit es denn die genetische Ausstattung erlaubt.

    »Es geht um Evolution und nicht um direkte Eingriffe.«

    Aus Sicht einer Bakterienpopulation (z. B. im Ökosystem Mensch) ist das Auftauchen eines Antibiotikums vergleichbar mit einer Naturkatastrophe. Wenn es gut geht, überlebt ein Teil der Population diese Katastrophe—eben weil Zufallsvarianten existieren, die zufällig unempfindlich gegenüber das Antibiotikum sind. Hier können wir im Kleinen live beobachten, wie Evolution im Prinzip funktioniert.

  628. @Balanus

    Im Feedreader ist dein Kommentar an @Wolfgang Stegemann (bereits 3 mal) zu lesen, hier (noch) nicht: Ein Wunder!

  629. @ Thomas Waschke 13.03.2021, 11:39 Uhr

    Zitat: „Möglichkeitsraum … Zufall …. Varianten als Startpunkt ein existierendes System voraussetzen muss, das in Grenzen variieren kann (‘Gradualismus’). Dieser Bereich der Evolutionsbiologie ist übrigens meines Wissens der einzige, der nach den Ansprüchen der Wissenschaftstheorie, die von theoretischen Physikern dominiert wird, als Theorie qualifiziert ist.“

    Maschinerien aus Zufallsgeneratoren die ihre Zufallsereignisse genau zwischen „determiniert“ und „absolut zufällig“, abhängig von geringen Modusänderungen, generieren können, entspricht doch dem ‘Gradualismus’, wie Sie es bezeichnen. Das Problem ist nur, für Laien ist zufällig eben zufällig und nichts sonst. Statistiker sehen das völlig anders.

    Eine Frage wäre auch, ob die Evolution auf Mechanismen gestoßen ist, die intelligent Mustervergleiche und Wechselwirkungen zwischen Mustern (auf verschiedenen Ebenen) erkennen und steuern können.

    Der Mensch kann es offensichtlich, KI Systeme können es auch. Es geht darum, ob nicht nur in der „langsamen“ Realität, sondern womöglich in einer schnellen „Simulation“ Zufallsvariable generiert werden können, die mit der Realität wechselwirken können.

    Genau vor dieser Frage stehen wir jetzt. Können wir zur Bekämpfung der Pandemie schneller Impfstoffe aus schnellen Computersimulationen entwickeln und einsetzen, oder sind die Viren als „Frontarbeiter“ schneller, haben die bereits den schnellsten „Zufallsgeneratormechanismus“ eingebaut?

    Dass Immunsystem schließt offensichtlich die Entstehung neuer Arten weitgehend aus, weil es unerwünschte Eindringlinge abwehrt. Das war in der Anfangsphase offensichtlich nicht der Fall.

    Ich vermute, die biologischen Wissenschaften beschäftigen sich zu wenig mit den „Zeitstrukturmustern“ bei chemischen Prozessen.

    Für die Nachrichtentechnik sind zeitabhängige Signalmuster die Grundlage ihrer Arbeit. Ich möchte das nachstehend an einem ausgedachten chemischen System aufzeigen.

    Als Beispiel sollte man sich 4 Zeit – Impulsdiagramme untereinander vorstellen die sozusagen Polymerisierungsketten abbilden.

    So wie ehemals in der Schule der Chemielehrer Fasern aus Polymeren aus einer Flüssigkeit „gezogen“ hat. Man stelle sich vor, man misst an der Flüssigkeitsgrenze die Zeit, bis jeweils ein neues Molekül entstanden ist, bei 2 Flüssigkeiten für verschiedene Moleküle gleichzeitig. Man weiß auch wie lange das Molekül wechselwirken könnte. Wenn es noch nicht vollständig entstanden ist, kann es auch noch nicht wechselwirken, so die Annahme.

    Diagramm A und das darunter stehende Diagramm B zeigen, so die Annahme, die Entstehung von Molekülkettenfolgen als mäanderförmige Impulse.

    Diagramm C bildet die zur Auswertung von A und B notwendigen Impulse einer geeigneten Polymerkette zu einem bestimmten Zeitpunkt ab.

    Diagramm D das Ergebnis zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig von A, B, C.

    Das wäre z.B.
    Variable x wenn zum Anfangs Zeitpunkt von C=1 auch A=1 und B=1, Variable y wenn zum Anfangs Zeitpunkt von C=1 auch A=1 und B=0, Variable z wenn zum Anfangs Zeitpunkt von C=1 auch A=0 und B=1, Variable u wenn zum Anfangs Zeitpunkt von C=1 auch A=0 und B=0, wäre.

    Unter völlig gleichen Umständen würden immer wieder die gleichen Ketten generiert werden.
    Ändern sich aber die Anfangszustände, entstehen immer andere, danach aber immer gleiche Ketten abhängig vom gleichen Anfangszustand.

    Damit können Variable von 0 ausgehend in Richtung Unendlich generiert werden. Seriell, Parallel und hoch exponentiell, sofern und solang die Bedingungen es zulassen.

    Das Immunsystem war sicherlich ein gewaltiger Schuss vor dem Bug… es hat die Entwicklung eingebremst.

  630. @ Thomas Waschke

    Mein Beitrag von

    „Elektroniker 14.03.2021, 12:14 Uhr
    @ Wolfgang Stegemann 13.03.2021, 19:44 Uhr“

    richtet sich auch an Sie.

  631. @Balanus

    Angeblich “Fehler”

    Der gläubige Naturalist wird einfach behaupten, sowas liese sich nie ganz verhindern, der Teufel steckt im Detail.

  632. @Elektroniker 14.03.2021, 15:07 Uhr

    ich muss leider gestehen, dass ich bei Ihnen ‘zwischen den Zeilen’ erkenne, dass Sie die Grundlagen der Molekularbiologie nicht verstehen. Daher sind ihre Spekulationen vollkommen sinnleer. Mein Rat: Suchen Sie sich ein *konkretes* Beispiel und formulieren Sie ein *konkretes* Modell, dann sind Sie in Spiel.

    Unter ‘konkret’ verstehe ich, dass in der Beschreibung biochemische Termini vorkommen, und zwar möglichst konkret. Nicht irgendwie diffus ‘Polymer’, sondern exakt welche Monomere Sie auf welche Weise wie zusammenlagern möchten

    Vorher leider nicht.

    Zitat Thomas Waschke: „Möglichkeitsraum … Zufall …. Varianten als Startpunkt ein existierendes System voraussetzen muss, das in Grenzen variieren kann (‘Gradualismus’). Dieser Bereich der Evolutionsbiologie ist übrigens meines Wissens der einzige, der nach den Ansprüchen der Wissenschaftstheorie, die von theoretischen Physikern dominiert wird, als Theorie qualifiziert ist.“

    Maschinerien aus Zufallsgeneratoren die ihre Zufallsereignisse genau zwischen „determiniert“ und „absolut zufällig“, abhängig von geringen Modusänderungen, generieren können, entspricht doch dem ‘Gradualismus’, wie Sie es bezeichnen.

    Nein. Informieren Sie sich doch einfach darüber, was in der Evolutionsbiologie unter ‘Gradualismus’ verstanden wird. Mit ‘unbeschränkt variieren’ wäre Saltationismus gemeint. Sie müssten Ihre Terminologie etwas anpassen.

    Das Problem ist nur, für Laien ist zufällig eben zufällig und nichts sonst. Statistiker sehen das völlig anders.

    Für Laien in Evolutionsbiologie bedeutet ‘Zufall’ nicht das, was der Begriff dort bedeutet: Ohne Zusammenhang mit den Selektionsbedingungen. Denken Sie als evolutionsbiologischer Laie vielleicht darüber nach, bevor Sie Statistiker gegen andere Laien ausspielen möchten.

    Eine Frage wäre auch, ob die Evolution auf Mechanismen gestoßen ist, die intelligent Mustervergleiche und Wechselwirkungen zwischen Mustern (auf verschiedenen Ebenen) erkennen und steuern können.

    Ja. Sie hat den Menschen hervorgebracht. Der schafft das. Auf der Ebene der Beschreibung. Die Kunst ist, das auf der Ebene des Seins zu demonstrieren. Das ist Ihr Part, nicht meiner, zu zeigen, dass das prinzipiell nicht geht.

    Ich bin da vollkommen offen. Aber nicht für reine Spekulationen ohne fachwissenschaftliche Basis.

  633. @Evolution und System

    Mehrzeller verfügen über ein System, dass erstmal selbstregulierend ist, und auch mit vielfältigen Störungen umgehen kann. Da ist eine Menge Redundanz eingebaut, die immer wieder Defekte ausgleichen kann. Insbesondere das Zentralnervensystem spielt hier eine wesentliche Rolle, auch die Psyche findet immer wieder Lösungen, die mit den vielfältigsten Erfahrungen klar kommen können.

    Hier ist tatsächlich vor allem eine Organisation wirksam, die von oben nach unten wirkt. Das konstituierende von unten ist im wesentlichen auf das Funktionieren des Systems ausgerichtet.

    Bei wechselnden Anforderungen passt sich das System so direkt an, ohne dass hier neue Gene benötigt werden.

    Wenn eine neue Mutation auftaucht, z.B. ein längerer Hals, der einen Vorteil bietet, weil man so an höhere Blätter von Bäumen herankommt, so wird dieser eventuell von der Selektion bevorzugt. Aber der längere Hals belastet auch für sich wieder das System des Tieres. So muss etwa das Herz mehr Pumpen, weil der Kopf wegen dem längeren Hals höher hängt und schwieriger mit Blut zu versorgen ist.

    Eine solche genetische Innovation wird also in der Folge eine ganze Reihe von weiteren genetischen Veränderungen nach sich ziehen. Die Situation mit dem längeren Hals wird zunächst allerhand Genvariationen fördern, die das durch die Neuerung belastete System schrittweise wieder in einen entspannteren Zustand bringen. Die in der Population vorhandenen genetischen Variationen etwa, die ein stärkeres Herz bedingen, werden im Laufe der Generationen nun auch gefördert und werden zum neuen Standard der ganzen Population.

    Und auch ein Potential für eine weitere Mutation im Sinne von einem stärkerem Herz würde durch die Ursprungsmutation des längeren Halses erst eröffnet.

    Wir haben hier immer ein Wechselspiel von innovativen genetischen Neuerungen, die zunächst die Systeme belasten, und der über viele Generationen hinweg erstmal Anpassungen folgen, die die Systeme selbst wieder konsolidieren. So erklärt sich auch, dass man Haustiere schnell überzüchten kann, wenn man hier zu schnell die verschiedensten Innovationen heranzüchtet, die dann die Systeme so belasten, dass die Tiere immer empfindlicher und weniger robust werden. Weil es eben viel Zeit braucht, bis die verschiedenen Neuerungen der Züchtung in die Systeme richtig integriert sind.

  634. @Balanus: “In der Evolution entsteht „Angepasstheit“ an die jeweilige Umwelt durch einen stochastischen Prozess (in etwa: Zufallsvariation und Selektion).”

    Sie sagen Stochastik, letztlich also endogene Mutation, ich sage Epigenetik. Die Selbstreproduktion von Leben im Allgemeinen und des Genoms im Besondern bedeutet, dass Störungen “repariert” werden (unnötige, überflüssige, störende Teile des Genoms werden von diesem „gelöscht“). Es sei denn, sie werden nicht als solche “empfunden”, sondern lassen sich ins Genom integrieren. Ich hatte hier einmal Selbstorganisation beschrieben als Wachstum (sowie in der Folge Reduktion), und dieses wiederum als Agglomeration von Gleichem bzw. Kompatiblem. Interne Änderungen des Genoms, welche als zufällige Mutationen erscheinen, sind solche, von außen induzierte, Änderungen, die zum Genom “passen” (Adaption, von innen betrachtet). Störungen im Sinne von pathogenen Entwicklungen werden von der Evolution selektiert, in der Ontogenese nicht. Wären Mutationen endogen zufällig verursacht, müssten sie sich den Reparaturmechanismen widersetzen und, könnten sie dies, würde Evolution sich “totlaufen”, da die Wahrscheinlichkeit des reinen Zufalls dafür groß genug wäre. Das Entscheidende ist, wie Thomas Waschke schon sagte, die genaue Beschreibung des „Phasenraums“ von genetischen Änderungen. Hier würde mein Modell sagen (es ist nur ein Modell, und zwar ein systemtheoretisches), dass die Konstitution eines spezifischen genetischen Mosaiks entscheidet, welche Änderungen, als „Anforderungen“ von außen möglich sind. Es sieht so aus, dass eine diskrete Kommunikation zwischen ‚innen‘ und ‚außen‘ stattfindet.
    Ich denke, mehr kann man in einem solchen Blog nicht ausführen, sonst wird es zu speziell und interessiert niemanden mehr.

  635. @Balanus / 13.03.2021, 18:38 Uhr

    »In Giuseppe Longos Review-Essay kommt mir ein bisschen viel Theologie und Gott vor, …«

    Das kommt nicht zuletzt aus dem Buch, das er da rezensiert, und dessen Autoren offenbar auch etwas zur Historie von Reduktionismus & Co. geschrieben haben.

    »Klingt lustig, aber was lehrt uns das — über Sprache und über die Welt da draußen (sofern es eine gibt)?«

    Die “denkunabhängigen Dinge” verstehe ich mal als die “empirischen Gegenstände”. Doch auch die sind uns nicht “denkunabhängig” gegeben. Vielmehr konstituieren wir sie in unserer Vorstellung als etwas, das bei variierten Szenarien der Observation erhalten bleibt. Kein empirisches “Ding” ist uns schlussendlich anders vorstellbar als aus der angenommenen Perspektive eines Beobachters. Oder mit anderen Worten,

    Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt.
    —Humberto Maturana

    Das Zitat war Dir gewiss schon bekannt; zum Hintergrund aber hier noch ein weiterführender Link [PDF].

  636. @Chrys // 15.03.2021, 11:25 Uhr

    » Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt.
    —Humberto Maturana
    «

    Hätte ich so etwas gegenüber Stephan geäußert, hätte der sich sicherlich gekugelt vor Lachen….

    Erinnerst Du Dich an meine Einlassungen, als es um die Erziehung von Kindern ging? Ich schrieb:

    » Im Grunde geht es darum, dass ein Organismus—physikalisch gesehen—ein gegenüber der Umwelt weitgehend abgeschlossenes System darstellt, mit Lunge, Verdauungstrakt und Haut als selektive Grenzflächen zur Außenwelt.«

    Diesem Gedankengang liegt genau das zugrunde, was auch Maturanas Ausführungen zugrunde liegt und was ich auf MENSCHEN-BILDER seit Jahren predige: Alles Lernen und Verhalten geht allein vom Individuum aus.

    Denn was ist denn der „Beobachter“, was setzt denn den Menschen überhaupt in Stande, Beobachtungen anstellen zu können? Richtig, es ist sein Nervensystem, mit dem Gehirn als zentrale Steuerungs- und Beobachtungseinheit. Dort laufen alle Sinneseindrücke zusammen und werden sozusagen zu „Beobachtungen verarbeitet“.

    Es gibt also keine beobachter- oder denkunabhängige Umwelt, wie von Stephan behauptet, die hier irgendwie als Akteur wirksam werden und Verhalten von außen steuern könnte.

    Dennoch habe ich, was die Welt der Dinge betrifft, andere Vorstellungen als Maturana, die er in der von Dir verlinkten PDF (Danke!) zum Besten gibt.

    Denn natürlich existieren die Dinge, schon bevor ich sie beobachte—wenn auch nicht für mich, in meinen Gedanken tauchen die Abbilder der Dinge erst dann auf, nachdem ich sie beobachtet habe. Falls Du fragen solltest, woher ich weiß, dass sie bereits vor der Beobachtung existiert haben: Ich kenne jemanden, der hat mir das aufgrund seiner Beobachtungen bestätigt.

  637. @Wolfgang Stegemann // 15.03.2021, 09:11 Uhr

    Ich tue mich ein bisschen schwer mit diesen abstrakten Modellen und Vorstellungen. Deshalb würde ich gerne konkret bleiben.

    Ich sage also ‚Stochastik‘ (also Selektion von Zufallsvariation) , Sie sagen ‚Epigenetik‘, und meinen damit offenbar die transgenerationale Weitergabe von genregulatorischen Markern.

    Über epigenetische Faktoren und Mechanismen hatten wir uns ja schon ausgetauscht. Wenn es da also keine neuen Erkenntnisse gibt, dann sehe ich nicht, wie mir das weiterhelfen könnte beim Verständnis eines Evolutionsmodells, das nicht auf Zufallsänderungen im Erbgut und dem anschließenden Reproduktionserfolg (Selektion) basiert, sondern auf bislang unbekannte Erbmechanismen. Denn meines Wissens werden evtl. noch vorhandene epigenetische Markierungen größtenteils entfernt, wenn die ontogenetische Individualentwicklung startet.

    »Interne Änderungen des Genoms, welche als zufällige Mutationen erscheinen, sind solche, von außen induzierte, Änderungen, die zum Genom “passen” (Adaption, von innen betrachtet). «

    Wenn damit gemeint sein sollte, dass nur solche Mutationen Bestand haben und an die nächste Generation weitergegeben werden, die keine allzu schädlichen Auswirkungen haben, dann wäre dem zuzustimmen. Aber wenn damit angedeutet werden soll, dass passende Mutationen in Abhängigkeit von der aktuellen oder zukünftigen Umwelt erfolgen, dann würde mich interessieren, wie das molekularbiologisch funktionieren soll.

    Ich meine, die Evolutionsbiologie ist inzwischen schon ganz schön weit fortgeschritten, wenn man also heutzutage ein neues evolutionsbiologisches Modell aufstellt, und sei es auch (bloß) ein systemtheoretisches, dann muss man schon Butter bei die Fische tun, sprich konkrete Beispiele bringen, wenn daraus was werden soll.

    Womit ich aber keineswegs bestreiten will, dass ein neues systemtheoretisches Modell oder Konzept neue Einsichten in das Evolutionsgeschehen bringen könnte.

  638. @Balanus: “Ich tue mich ein bisschen schwer mit diesen abstrakten Modellen und Vorstellungen.”

    Macht nichts 😉

    Mein Modell ist kein evolutionstheoretisches, sondern ein systemtheoretisches. Von seiner Logik her sagt es, dass Mutationen nicht dem reinen Zufall unterliegen. Punkt. Alles Weitere muss man dann konkretisieren. Aber nicht hier. Sie wissen, dass man Daten so oder so interpretieren kann. Auf der rein abstrakten logischen Ebene bestreite ich, dass Anpassung durch reinen Zufall möglich ist. Ich sage, dass Mutationen sich in einem bestimmten Phasenraum bewegen, der abhängig ist von der Genstruktur auf der einen und einer diskreten Interaktion des Genoms mit der epigenetischen “Umgebung” auf der anderen Seite.

  639. @Balanus: kurze Ergänzung noch: Zufall war eine einleuchtende Erklärung, auch um sich gegenüber Theisten und Teleologen abzugrenzen.
    Ich spanne den Bogen im Unterschied zur (biologischen) Epigenetik weiter, nämlich bis “hinauf” zum ZNS, denn dort werden Umwelteinflüsse rezipiert, verarbeitet und “nach unten” weitervermittelt.
    Der Psychologe und genetische Erkenntnistheoretiker Jean Piaget, der in biologischer Entwicklung und Lernen ähnliche Prinzipien sah, sprach von Entwicklung mit ‘Übersteigungen’ und meinte damit, dass bereits Prädispositionen enthalten sind, die die weitere Entwicklung und damit Adaption beschleunigen. Im Entwicklungsschritt des Kindes beim Rechnen von 3+3+3 hin zu 3×3 ist der nächste Schritt hin zu 3 hoch 2 bereits prädisponiert. Luria sprach daher auch von Lernen in der Zone der nächsten Entwicklung.
    Ähnlich dürfte sich genetische Veränderung abspielen: Impuls – Respons – Übersteigung. So ließen sich jedenfalls extrem schnelle und effektive Adaptionen erklären.

  640. @Stegemann
    Die Evolutionsbiologie macht laufend Fortschritte. Seit einigen Jahren wird die Entwicklungsbiologie mit der Evolutionsbiologie verknüpft zu “Evo-Devo” oder Erweiterte Synthetische Theorie der Evolution. Auch Systemtheorie und Epigenetik ist darin integriert. Daraus ergeben sich neue Einsichten in Variation und Selektion. Die Evolution ist wesentlich komplexer als die meisten Laien ahnen. Auch die Privattheoretiker hier haben offensichtlich erhebliche Lücken in ihren Kenntnissen zur Evolutionsbiologie.

    Es gibt sowohl zufällige als auch nichtzufällige Mutationen, es gibt Punktmutationen und es gibt Chromosomenmutationen. Dazu ist die Variation nicht ausschließlich an Mutationen und Gene geknüpft. Die Vielfältigkeit und Komplexität der Evolution entspricht der Komplexität der Organismen.

    Selbstverständlich ist eine naturalistische Theorie der biologischen Evolution einer der Eckpfeiler des Naturalismus. Bisher gibt es daran keine begründeten Zweifel. Vermeintliche Widersprüche konnten noch immer ausgeräumt werden, oder beruhen auf Fehlinterpretationen. Unwissen ist kein valides Argument, sondern ein Motiv zur Forschung.

    Wissenschaft ist nicht Schaffung von Wissen, sondern Beseitigung von Unwissen.

  641. @Reutlinger: Sie haben recht, vor allem, was die Privattheoretiker anbelangt. Allerdings wissen Sie auch, dass die ganz großen Sprünge in der Wissenschaftsgeschichte neue Theorien waren, die zwar auf empirischem Wissen letztlich basierten, aber völlig neue Perspektiven eröffneten. Beispiele erspare ich mir. Die quasi buchhalterische Verwaltung von Wissenschaft führt nicht weiter. Ihren letzten Satz sehe ich völlig anders.

  642. @Andresen: Klone

    Man muss es doch nicht komplizierter machen, als es ist:

    Wenn man – aus naturalistischer Sicht! – die Zustände der Person zu unterschiedlichen Zeiten kopiert, dann hat man eben genau das: die Zustände der Person zu unterschiedlichen Zeiten. Wo ist hier der Erkenntnisgewinn, wenn wir solche Banalitäten als Gegenargument betrachten?

    Für Hintergrundwissen verweise ich auf meinen vorherigen Artikel zum Thema: Bin ich derselbe wie vor und in einem Jahr?

  643. @Neher: Naturalismus, Person & Klon

    Ich hatte das hier übersehen – und mich sowieso (nach über 3.000 Kommentaren in dieser Serie, seufz) etwas aus der Diskussion zurückgezogen.

    Der Punkt war doch: Wenn ein Naturalist die Person mit ihrem materiellen Körper (Moleküle, deren Anordnung und was sonst noch dazu gehört) identifiziert, dann kann er/sie nicht prinzipiell gegen die Auferstehung von den Toten sein. (Es ist allenfalls eine Frage der technischen Machbarkeit, geschenkt.)

    Da Naturalisten an anderer Stelle behaupteten, ein Phänomen wie die Auferstehung von den Toten würden den Naturalismus widerlegen, sehen wir, dass der Naturalismus den Naturalismus widerlegt.

    Das ist doch herrlich!

    (Und philosophisch etwas tiefsinniger könnten wir denken, dass hier eine Äquivokation vorliegt, und “Auferstehung von den Toten” hier unterschiedliche Bedeutungen hat. Das möge dann aber der Naturalist einmal selbst widerspruchsfrei formulieren.)

  644. @Wolfgang Stegemann // 16.03.2021, 09:10 Uhr

    »Zufall war eine einleuchtende Erklärung, …«

    Ist es noch. Ansonsten müsste das System (biologisch, lebend, nicht lebend, wie auch immer) Information besitzen über das Eintreten zukünftiger Ereignisse. Schwer vorstellbar, finde ich.

    Dass im ZNS die Umwelt erfahren und verarbeitet wird, und dass daraus Handlungen und Aktionen resultieren, steht außer Frage. Auch, dass insbesondere bei der Hirnentwicklung und Reifung epigenetische Faktoren wirksam werden, ist meines Wissens gut belegt.

    Ich stelle auch nicht in Abrede, dass die Erkenntnis- und Lernfähigkeit des Menschen davon abhängt, welche Hirnstrukturen vorab vorhanden sind (was man als ‚Prädisposition‘ bezeichnen könnte).

    Aber: All das ist im Laufe der Evolutionsgeschichte entstanden. Die Hirnstrukturen, die ein Kind bei seiner Geburt mitbringt, sind das Ergebnis einer Milliarden Jahre langen „Entwicklung“. Die postnatale Modifizierung dieser Strukturen, etwa durch Lernen, kann nur im Rahmen dieser vorgegebenen Strukturen erfolgen.

    Kurzum, was ontogenetisch im individuellen lebenden System abläuft, ja überhaupt nur ablaufen kann, ist das Ergebnis evolutionär entstandener Strukturen. Ob diese ontogenetischen Vorgänge nun wieder auf evolutionäre Mechanismen (rück)übertragen werden können, da habe ich doch meine Zweifel.

    PS: Sehr gefallen hat mir Ihre Bemerkung:
    » Sie wissen, dass man Daten so oder so interpretieren kann. «

    Ja, in der Tat, wäre es anders, wäre Wissenschaft ein ziemlich langweiliges Geschäft…

  645. @Balanus: schön, dass Sie versuchen, inhaltlich auf mein Posting einzugehen. Konstruktive Kritik ist wichtig und führt im Optimalfall zu weiteren Denkanstößen, im Gegensatz zu bloßer Krittelei.
    Ich sehe aber die Grenzen dieses Blogs, meine Gedanken so darzustellen, dass sie verständlich werden. Ich sehe das an Ihrer Antwort. Darüber hinaus bin ich leider kein guter Didaktiker. Vielleicht noch ein Denkanstoß: Zufall kommt in der Wissenschaft immer dann ins Spiel, wenn Kausalitäten begrenzt sind oder begrenzt scheinen. Bei konkreten empirischen Untersuchungen, die auf einen kleinen Ausschnitt begrenzt sind, ist es nachvollziehbar, dass erweiterte Kausalitäten nicht Gegenstand sein können. Das heißt aber nicht, dass sie nicht existieren.

  646. @Schleim
    Wenn ein Naturalist die Person mit ihrem materiellen Körper (Moleküle, deren Anordnung und was sonst noch dazu gehört) identifiziert, dann kann er/sie nicht prinzipiell gegen die Auferstehung von den Toten sein.

    Ein solches Junktim ist nicht zu verstehen. Die Kopie eines toten Körpers wäre selbstverständlich ebenfalls tot. Und die Kopie des lebenden Körpers wäre lebend. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Dass der Tod sich über einige Zeit hinstreckt, weil nicht alle Zellen gleichzeitig absterben, ändert daran nichts.

  647. @Schleim:
    „Der Punkt war doch: Wenn ein Naturalist die Person mit ihrem materiellen Körper (Moleküle, deren Anordnung und was sonst noch dazu gehört) identifiziert, dann kann er/sie nicht prinzipiell gegen die Auferstehung von den Toten sein. (Es ist allenfalls eine Frage der technischen Machbarkeit, geschenkt.) „
    Nein, das ist kompletter Quatsch. Reden Sie doch einfach mal mit einem kompetenten Mediziner und fragen, ab wann die Wiederbelebung nach einem Herzstillstand nicht mehr möglich ist. Weiterhin, was sich für irreversible chemische Veränderungen im Gehirn und im Körper des Toten abspielen.
    Ihre Argumentation hört sich so an wie : „Wenn die Wiederbelebung möglich wäre, dann wäre sie möglich“. Sie ist aber eben NICHT möglich.

  648. @Balanus / 15.03.2021, 17:19 Uhr

    Auf die Schnelle wäre ich etwas überfordert mit einer Analyse, woran genau es liegt, dass Du Dich da von Stephan womöglich missverstanden siehst. An einer Klärung zur Sache müsste er selbst schon aktiv mitwirken.

    Nur damit hinsichtlich Maturana möglichst Klarheit herrscht: Es geht um die Bedeutung der Rolle des Beobachters für das Ergebnis von Beobachtungen. Die individuelle Besetzung dieser Rolle hat austauschbar zu sein, denn schliesslich sollte das Ergebnis nicht davon abhängen, ob Alice oder Bob oder sonstwer im konkreten Fall beobachtet hat. Doch irgendwie muss die Rolle besetzt sein, sonst wird ja gar nichts beobachtet.

    Das traditionell naive Verständnis von Beobachtung wäre, dass ein “unbeteiligtes” Observans dabei “objektive” Tatsachen an einem Observandum feststellt. Spätestesten bei Messungen in der Quantenphysik kann von “unbeteiligt” aber keine Rede mehr sein. Und “objektiv”, also nur vom Observandum und nicht vom Observans abhängig, wären die getroffenen Feststellungen nur dann, wenn sich die Rolle des Observans im Ergebnis gleichsam herauskürzen liesse. In den 1920ern war man speziell im Wiener Kreis bemüht, ein “Herauskürzen” durch die Entwicklung geeigneter induktiver Logiken zu rechtfertigen.

    Das hat nicht geklappt mit der induktiven Logik, was nicht nur für die Logischen Empiristen ein fatales Problem war. Das bremst auch alle Mataphysik aus, die darauf hofft, ein beobachtungsfreies “Ding an sich” quasi “hinter den Phänomenen” greifen zu können.

    Das Problem der Metaphysik ist absolut unentscheidbar,” schreibt Wolfgang Stegmüller. Was natürlich niemanden daran hindern muss, einer ganz privaten Metaphysik anzuhängen. Wenn Elon Musk meint, er sei so gut wie sicher eine Simulation, dann ist das sein privates Vergnügen und eine metaphysische Position, die er garantiert verteidigen kann. Es wäre witzlos und völlig verfehlt, ihn durch vermeintlich unabweisbare Argumente eines besseren belehren zu wollen.

  649. @Schleim:
    Um meine Argumentation etwas zu präzisieren: nach dem Tode setzt bekanntlich die Verwesung ein, erst langsam dann immer schneller. Die können wir nicht umkehren, genau so wenig wie wir den faulen Apfel aus der Obstschale wieder frisch machen können oder die kaputte Teetasse wieder so intakt wie vor dem Fall vom Tisch. Wenn wir das könnten, würde man das entweder Wunder nennen, oder Magie. Ihr Versuch, mit so etwas gegen den Naturalismus zu argumentieren, ist offensichtlicher Quatsch.

  650. @Physiker: Replikation

    Was “verwest” ist, wird dann halt im 3D-Drucker neu gedruckt; das schrieb ich doch schon.

    Wenn wir das könnten, würde man das entweder Wunder nennen, oder Magie.

    Ist Ihnen klar, dass Sie hiermit am naturalistischen Ast sägen, auf dem Sie sitzen?

  651. @ Wolfgang Stegemann
    @ Balanus

    Nebenbei gesagt, Theologen würde es vermutlich nicht wagen, Gott das „Würfeln“ verbieten zu wollen.

    Ihrer These, dass im Gehirn „Holografie“ eine Rolle spielt, stimme ich eigentlich vorsichtig zu.

    Holografie nutzt den Wellencharakter des Lichts und es kommt zu Überlagerungen. Auch auf elektrischen Leitungen können Wellen übertragen werden uns sich überlagern. Physiker könnten eventuell erklären, ob derartiges auch auf neuronalen Leitungen und mit Ionen möglich sein könnte. Da aber auch, sogar auf Wasser, Wellen entstehen können, scheint dies gut möglich.

    Es steht fest, dass die Synapsen Wissen abbilden. Die Vorgänge hat E. Kandel, erklärt. (Ich weiß allerdings nicht, ob er auch die Örtlichkeit ihrer Entstehung begründet hat.

    Etwas unklar??? scheint möglicherweise, warum sich die Synapsen ausgerechnet genau an bestimmten Stellen bilden. Einerseits scheint klar, dass überhaupt genetisch verursacht und sozusagen vom Talent abhängig (wie auch Balanus vermutet), an bestimmten Stellen geeignete „Leitungen“ vorhanden sein müssen.

    Meine Vermutung ist, dass die von Information abhängigen Signale, sozusagen „Wellen bedingt“ an bestimmten Stellen z.B. „Maxima“ haben und an diesen Stellen sich die Synapsen bilden können, die sich immer mehr in ihrer Wirkung verstärken, bzw. zusätzliche Synapsen entstehen Hebbsche Regel), wenn diese Stellen durch intensives Lernen besonders oft elektrisch aktiviert werden.

    Einerseits könnte man vermuten, dass bei der Aktivierung der Synapsen „Bewusstsein“ entsteht, besonders das „empfindende“ Bewusstsein.

    Allerdings könnte es sozusagen zu einem „wilden Gewitter“ im Bewusstsein kommen, wenn zu viele Synapsen, womöglich ungeordnet, gleichzeitig aktiviert werden. Die Ordnung bewirken vermutlich auch interne, keine äußere Information abbildenden Zyklen, die in besonderen Netzstrukturen generiert werden.

    Es ist besonders wichtig, dass die Informationen, die Inputmuster, in einem besonderen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang gebracht werden müssen. Flächige und zeitliche Strukturen eignen sich, derartiges abzubilden.

    Ich bin vor Jahrzehnten beim Deutschlehrer angeeckt, weil ich nicht ausreichend Empathie für einen Literaten hatte, der in „geistige Umnachtung“ fiel, weil er die gleichzeitig „einströmenden Gedanken“ nicht mehr „ordnen“ konnte.

    Auch deswegen meine ich, dass Bewusstsein hauptsächlich an flächigen Strukturen, wie z.B. das „visuelle“ Bewusstsein, an der Netzhaut entsteht. Letztlich eine Art von „Hirnkino“ mit Empfindungen ist. Empfindungen wie Schmerz und Lust könnten allerdings allenfalls auch in „die Tiefe“, nicht nur in die Fläche gehen.

  652. @Elektroniker: Lesen Sie bei Karl Pribram nach, was er über das holographische Gedächtnis gesagt hat. Er hat es zunächst als Analogie benutzt, später dann entsprechend der holographischen Technik als Überlagerung von Lichtwellen. Mein Begriff ist der des virtuellen Hologramms. Virtuell deshalb, weil ich denke, dass nicht nur die Bioelektrik beteiligt ist, sondern alle Kommunikationsarten, also auch hormonelle und proteinbildende, man also Gedächtnis und Bewusstsein als Intgral verstehen sollte.

  653. @Schleim
    Was “verwest” ist, wird dann halt im 3D-Drucker neu gedruckt; das schrieb ich doch schon.

    Ihre Vorstellungen sind doch reichlich naiv. Gibt es eine Kopie des Originals, nach der eine Kopie im 3D-Drucker hergestellt werden kann? Menschen sind individuell, insbesondere im Kopf. Von einer Teetasse gibt es sehr wahrscheinlich eine Kopie, zumal Teetassen eine sehr einfache Struktur haben. Aber Sie haben das Wesentliche nicht verstanden. Es gibt millionen Möglichkeiten, eine Teetasse zu zertrümmern, aber es gibt nur eine einzige Möglichkeit, das Original präzise wiederherzustellen. Deshalb ist es realistisch unmöglich, zumal ohne zusätzlichen Kleber, es wäre also ein Wunder.

  654. @Schleim:
    „Was “verwest” ist, wird dann halt im 3D-Drucker neu gedruckt; das schrieb ich doch schon. „
    Das setzt dem Unsinn noch eins drauf. So stellt sich klein Fritzchen den 3-D Druck vor.
    Kein 3-D Drucker arbeitet auf atomarer Ebene und wird es auch nie können, zumindest nicht, wenn man makroskopische Objekte exakt replizieren will. Wir können noch nicht einmal einen kleinen Felsbrocken genau auf atomarer Ebene replizieren, weil wir nicht die Art der Atome und Moleküle und ihren Zustand genau genug bestimmen können, also keinen unabhängigen Bauplan erstellen können. Für alle komplexeren Objekte gilt das verschärft. Eins zu eins Kopien auf atomarer Ebene können wir nur in Form von hochreinen Kristallen herstellen, zum Beispiel als Silizium- Einkristalle, wo die Bestandteile und die Anordnung klar sind.
    Wenn Sie weiter mit Argumenten spielen, bei denen die Thermodynamik ausgesetzt sein muss damit sie funktionieren, machen Sie sich wirklich zum Affen.

  655. @Chrys // 16.03.2021, 13:20 Uhr

    »Nur damit hinsichtlich Maturana möglichst Klarheit herrscht: Es geht um die Bedeutung der Rolle des Beobachters für das Ergebnis von Beobachtungen.«

    Diesbezüglich gibt es keinen Dissens. War schon immer meine Rede: „Nichts, was ein Lebewesen erfährt, ist unabhängig von ihm“ (Bildunterschrift im verlinkten Maturana-Interview).

    Ich hätte an Pörksens Stelle beispielsweise auch nicht gefragt: „Da draußen gibt es, so nimmt man gemeinhin an, eine Welt der Objekte, die bestimmt, was wir wahrnehmen und beschreiben“.

    Die Objekte bestimmen nämlich gar nichts, allein der Beobachter „bestimmt“, was wie wahrgenommen und beschrieben wird. Habe ich schon unzählige Male andernorts behauptet, aber mir glaubt ja keiner…

    Aber Maturana, so mein Eindruck, sagt ja viel mehr, er bestreitet nämlich schlankweg die Existenz einer äußeren, von uns unabhängigen Wirklichkeit. So, als verdanke sich die Wirklichkeit (was immer wir darunter verstehen wollen) der gemeinschaftlichen Anstrengung aller Beobachter, beziehungsweise einer kollektiven Beobachtung.

    Das geht mir eindeutig zu weit, denn ohne existierende Objekte gäbe es wohl nichts zu beobachten. Dass es schlichtweg nicht möglich ist, einen beobachterunabhängigen Standpunkt einzunehmen (nur einem „Gott“ sei das möglich, meint Maturana), ist für das Ergebnis der Beobachtung unerheblich.

    »Die individuelle Besetzung dieser [Beobachter-]Rolle hat austauschbar zu sein, denn schliesslich sollte das Ergebnis nicht davon abhängen, ob Alice oder Bob oder sonstwer im konkreten Fall beobachtet hat.«

    Hm, wie soll das gehen, dass das Ergebnis einer Beobachtung unabhängig vom jeweiligen konkreten Beobachter ist?

  656. @Schleim – Klone

    Man muss es doch nicht komplizierter machen, als es ist:

    Also weniger kompliziert, sozusagen ganz banal.

    Wenn man Naturalist ist und eine 1:1 Kopie eines Körpers auf molekularer Ebene herstellt, inklusive aller Strukturen, dann hat man zweimal dieselbe Person.

    Dass dieses Herstellen auch mit besseren technischen Mitteln wohl unmöglich ist, hatten Ihnen schon zahlreiche Kommentatoren aufgezeigt. Immerhin hatte ich zuvor darauf hingewiesen, dass das Zitierte eine bedingte Aussage ist.

    Ich sehe mir den Satz aus etwas größerer Ferne an und lese „Wenn A, dann B.“
    Dabei ist „A“ falsch. Also „Wenn falsch, dann B“.

    Als Informatiker denke ich zuerst an eine Anweisung in einem Programm. Dann lese ich „Wenn falsch. Punkt.“, denn eine bedingte Anweisung wird in dem Fall nicht ausgeführt. Als nicht ganz so gut geschulter Logiker lese ich „Wenn falsch, dann B“ und sage: bzgl. „B“ ist das ohne Bedeutung, denn aus Falschem kann man Beliebiges schließen.

    Bevor Sie jetzt Spekulation meinerseits bzgl. der technischen (Un-) Möglichkeiten eines geeigneten Superduper-3D-Druckers vermuten, weise ich darauf hin, dass Sie auch an das (beliebig wiederholbare (?)) Scannen zwecks Erfassung der Informationen denken sollten.

    Ausgangspunkt meiner Überlegungen dazu ist, dass das zu klonende Lebewesen als Original diesen Vorgang unversehrt überstehen soll. Deshalb kommen nur nichtinvasive Verfahren in Frage, wie z.B. Ultraschall, Untersuchung mit (sichtbarem) Licht oder Röntgen-Strahlen, Magnet-Resonanz-Tomographie.

    Ein paar Zahlen, die ich nicht auswendig wusste und für die ich in der Wikipedia kurz gestöbert hatte. Diese Zahlen veranschaulichen die Größenordnungen, die hier zu beachten sind:

    ca. 50 bis 250 pm – Atomradien (Wassermolekül ca. 100 pm)
    ca. 1 mm – Auflösung bei Ultraschall
    ca. 500 nm – Auflösung bei Lichtmikroskopen (aber: die Haut ist undurchsichtig!)
    ca. 20 bis 30 nm – Auflösung bei Röntgenmikroskopen (aber ionisierend)
    ca. 1 mm – Auflösung MRT im klinischen Bereich
    ca. 0,02 mm – Auflösung MRT im Forschungsbereich (ungesund starke Magnetfelder)

    Skalierung beim Meter:
    1 m = 1.000 mm // 1mm = 1.000 µm // 1 µm = 1.000 nm // 1 nm = 1.000 pm

    Höhere Auflösungen sind an Oberflächen möglich. Aber ein schichtweises Abtragen des zu scannenden Objektes sollte hier nicht in Betracht gezogen werden. Deshalb begründete Einschätzung: “A” ist falsch.

    Haben Sie andere Erkenntnisse oder Vermutungen bzgl. der Realisierbarkeit solcher technischen Scanner bzw. 3D-Drucker? Also andere als den Wunsch, dass es zukünftig so sein möge, damit Sie naturalistisch motivierte Kommentatoren aufs Glatteis führen können?

    Das muss jetzt genügen zu diesem Gedankenexperiment.

  657. @Balanus: Maturana verfolgt einen extremen Konstruktivismus. Allerdings ist er nicht so naiv, zu glauben, es gäbe keine Objekte. Es geht ihm ums Prinzip, und das besteht in der (neurophysiologisch beobachtbaren) Konstruktion der Welt, allerdings nicht der materiellen, sondern der bildlichen Welt. Dennoch gibt es natürlich eine Übereinkunft über die (bildliche) Beschaffenheit der Welt, etwa in der empirischen Wissenschaft. Die ewige Frage ist, wie ähnlich unser Bild der tatsächlichen Welt ist. Nur Gott wüsste die Antwort, oder ein neutraler Beobachter. Vielleicht ein Fotoapparat. Er bannt auf die Fotoplatte dieselben Umrisse und Farben, die wir auch direkt wahrnehmen. Ob dieses Beispiel tragfähig ist, weiß ich allerdings selber nicht.

  658. Kann mir mal jemand verraten, warum in diesem philosophischen Blog fast ausschließlich Informatiker unterwegs sind??? Gibt es da eine besondere Affinität, die mir bis dato verborgen geblieben ist?

  659. @Stegemann – Informatiker
    Bei der gängigen Aufteilung der wissenschaftlichen Gebiete in (eher) geistes- und (eher) naturwissenschaftliche sitzen die Informatiker als Struktur-Wissenschaftler oft zwischen den Stühlen… 😉

  660. @Physiker – Klone
    Hier stand als Deutung des Gedankenexperiments wohl das “rechtzeitige” Erfassen des Originals vor dem lebensbedrohlichen Ereignis im Raum.

  661. @Elektroniker // 13.03.2021, 12:02 Uhr
    Leben und Tod und damalige Sichtweise
    Da stimme ich zu: Bei alten Berichten über außergewöhnliche Vorgänge und deren heutige Einschätzung muss man die damalige Sichtweise und den damaligen (Er-) Kenntnisstand berücksichtigen. Danke für den Hinweis.

  662. Hallo Herr Andresen,
    Sie haben ja klar gezeigt, dass schon die Erfassung des Lebewesens unmöglich ist, ich habe mich mit der Synthese beschäftigt. Zum Glück ist so eine Replikation völlig ausgeschlossen, das wäre ja der Traum jedes Diktators. Ich vermute, dieses noch-nicht-einmal-Gedankenexperiment war von Herrn Schleim nur als Provokation gedacht. Es taugt nicht als Argument gegen Naturalismus.

  663. @Balanus / 16.03.2021, 17:56 Uhr

    »Die Objekte bestimmen nämlich gar nichts, allein der Beobachter „bestimmt”, was wie wahrgenommen und beschrieben wird. Habe ich schon unzählige Male andernorts behauptet, aber mir glaubt ja keiner…«

    Das glaube ich Dir schon, dass dies Deine Auffassung ist, die auch aus meiner Sicht völlig konsensfähig ist. (Habe ich Dir irgendwo den gegenteiligen Eindruck vermittelt? Das wäre von mir nicht so beabsichtigt gewesen.) Dir ist aber doch gewiss auch bewusst, dass nicht alle Naturalisten das auf diese Weise darstellen?

    »Aber Maturana, so mein Eindruck, sagt ja viel mehr, er bestreitet nämlich schlankweg die Existenz einer äußeren, von uns unabhängigen Wirklichkeit.«

    Bernhard Pörksen hat dazu selbst noch eine Erläuterung, auf die ich hier einfach als Zitat aus einer weiteren Leseprobe hinweisen möchte:

    Entscheidend ist, dass die Existenz einer Außenwelt hier nicht verneint wird; es ist nicht die Äußerung eines Solipsisten, der alles zur Schimäre und dem Produkt des eigenen Geistes erklärt, die hier vorliegt. Ebenso wenig steht sein Autor [Humberto Maturana] im Verdacht, ein naiver Realist zu sein. Er glaubt nicht an eine beobachterunabhängige Existenz der Objekte, die sich — ontologisch korrekt — im Bewusstsein eines Erkennenden spiegeln. […] Die Existenz einer Außenwelt wird von ihm und den anderen Begründern dieser Denkschule, die sich mit der Entstehung und Erschaffung von Wirklichkeitsvorstellungen befasst, nicht geleugnet, wohl aber verneinen sie stets die voraussetzungsfreie Erkennbarkeit dieser äußeren Welt. Jeder Akt der Kognition beruht, so nimmt man an, notwendig auf den Konstruktionen eines Beobachters — und nicht auf der punktgenauen Übereinstimmung der eigenen Wahrnehmungen mit einer externen Wirklichkeit. „Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt.”

    »Hm, wie soll das gehen, dass das Ergebnis einer Beobachtung unabhängig vom jeweiligen konkreten Beobachter ist?«

    Die Ergebnisse der gemeinhin Galilei zugeschriebenen Fallversuche hatte zuvor bereits der vielseitige Niederländer Simon Stevin erhalten. Und publiziert. Ich hoffe mal, Galilei hat sich da selbst als Beobachter betätigt und nicht nur einfach von Stevin plagiiert. Falls also dabei alles mit rechten Dingen zugegangen ist — man weiss ja nie so genau — sollten beide das Phänomen des freien Falls auf gleiche Weise beobachtet haben können. Kurzum, gemeint war schlicht der Anspruch auf prinzipielle Reproduzierbarkeit und intersubjektive Gültigkeit experimentell gefundener Resultate.

  664. @ Balanus 16.03.2021, 17:56 Uhr

    Es kommt darauf an, was man beobachtet, wie man beobachtet, auf die Methodik!

    Man kann sozusagen einen “Prozessor“, das „Gegenständliche“ nach äußere Eigenschaften beobachten.

    Man kann sozusagen einen “Prozess“, das Geschehen, den Mechanismus, die Funktionen die „hinter“ dem Gegenstand stehen“ und oft ein Grund für die Nutzung sind, hinsichtlich ihrer Eigenschaften beobachten.
    Das scheint ein Grund, dass Sie gelegentlich kontrovers mit Herrn Schleim diskutieren.
    Für sie geht ein „Funktionsfehler“ z.B. vom Gehirn, nicht von der Lunge, oder der Leber aus.
    Für Herrn Schleim kann die Person samt Gehirn, Lunge und Leber absolut gesund sein, ein Handlungsfehler geht (sehr oft) von der problematischen „Programmierung“ aus, also davon das z.B. die Person einfach Pech mit ihrem sozialen Background hatte.

    Man kann sozusagen auch bei der „Information“ ansetzen. Der besonders glückliche 3. Fall, wenn sogar die „Information“, also die „Prozess steuernde Software“, die sozusagen die „Hardware“ steuert, „beobachtet“ werden kann. In dieser glücklichen Lage sind häufig die Elektroniker/Informatiker.

    Sie erkennen die Software und können sie manipulieren, reparieren. Derartiges versuchen letztlich auch die Psychologen, auch wenn sie die steuernde Information nicht direkt auf „Maschinenebene“ beobachten können.

  665. @Chrys // 17.03.2021, 11:12 Uhr

    Pörksen (aus der zweiten Leseprobe):

    Die Existenz einer Außenwelt wird von ihm und den anderen Begründern dieser Denkschule, die sich mit der Entstehung und Erschaffung von Wirklichkeitsvorstellungen befasst, nicht geleugnet, wohl aber verneinen sie stets die voraussetzungsfreie Erkennbarkeit dieser äußeren Welt.

    Das klingt ja dann schon ein bisschen anders als das, was Maturana im Eifer des Gefechts u.a. sagte, nämlich dass das Verschwinden des Beobachters „das Ende und das Verschwinden der uns bekannten Welt“ wäre. Zugegeben, im Kontext wird schon klar, wie das gemeint ist, aber dennoch,… Ist ja auch irgendwie bezeichnend, dass Pörksen meint, das klarstellen zu müssen.

    Weiter oben (16.03.2021, 17:56 Uhr) hätte ich übrigens statt „existierende Objekte“ besser von „existierenden Dingen“ geschrieben. Ein ‚Objekt‘ macht begrifflich ja nur Sinn als Korrelat zum ‚Subjekt‘. Und genau diese gegenseitige Abhängigkeit galt es ja zu vermeiden.


    Als ich schrieb: „..mir glaubt ja keiner“, dachte ich vor allem an Stephan ;- )

  666. @Andresen, Physiker: Naturalismus und Klone

    Das Beispiel habe ich gar nicht als Widerlegung des Naturalismus aufgefasst, sondern um dem Naturalisten die Implikationen seines Standpunkts zu verdeutlichen: Wenn Leben nichts als ein naturalistischer, materiell-molekularer Prozess ist, dann muss eine “Auferstehung von den Toten” prinzipiell möglich sein – oder geht es hier etwa nicht mit rechten Dingen zu?

    Ob sie technisch möglich ist, das habe ich doch jetzt oft genug betont, ist eben eine Frage der technischen Möglichkeiten. Zum heutigen Zeitpunkt wohl eher nicht.

    Das Problem hat der Naturalist, der behauptet, eine Auferstehung von den Toten würde seinen Standpunkt widerlegen – denn dann ist sein Standpunkt in sich widersprüchlich. Man kann nicht gleichzeitig behaupten, das Leben sei nichts als ein naturalistischer, materialistisch-molekularer Prozess, es dann aber doch aus dem Bereich der naturalistischen, materialistisch-molekularen Verfügbarkeit ausklammern, weil einem die Implikation (Auferstehung von den Toten) nicht gefällt.

    Nicht immer alles komplizierter machen, als es ist. 😉

  667. @Balanus
    Doch, ich glaube Ihnen. Die Begriffe “Emergenz” und “Phänomen” können mit gutem Grund als Synonyme verstanden werden, beide bedeuten soviel wie “Erscheinung”. Der Satz “Die Welt erscheint uns als Phänomen” ist also ein Pleonasmus, ein “weißer Schimmel”. Die Welt ist ein Phänomen, oder eine Emergenz, bzw. Gesamtheiten davon. Das Pendant dazu ist die Wahrnehmung, folglich die menschliche Wahrnehmung der Phänomene. Da der Mensch keine “tabula rasa” ist, sondern ein Produkt der Evolution und der genetischen Ausstattung, ist die Wahrnehmung nicht physikalisch objektiv, sondern mit artspezifischen Prädispositionen behaftet. Deutlich herausgearbeitet wurde dies in der Gestaltpsychologie. Deutlich wird es auch in Wahrnehmungstäuschungen verschiedener Art, die manchmal als Rätsel angeboten werden (z.B. Vergleich von Linienlängen, Parallelen und dgl.).

    Das Fazit ist, dass das Konzept der Emergenz keine zusätzliche Erkenntnis bringt, weil es falsch ist. Es verführt dazu, nach etwas zu suchen, was nicht vorhanden sein kann, z.B. nach einem “Lebenshauch”, oder eben nach einem emergenten, irgendwie seienden Bewusstsein. Den Anhängern des Emergenzkonzepts ist es bisher nicht gelungen, einen einzigen Beitrag zu daraus folgenden, neuen Erkenntnissen zu liefern. Die Annahme einer Emergenz könnte vielleicht praktisch nützlich sein für die Forschungsarbeit, solange man nicht weiß, wonach man suchen soll.

    Der ideologische Kampf gegen den “reduktionistischen Materialismus” verläuft im Sand. Das Hauptziel der Hirnforschung ist nicht die Erklärung des Bewussstseins, sondern das neurobiologische Verständnis der kognitiven Funktionen. Erst wenn diese verstanden werden, kann der menschliche Geist als integratives Ganzes verstanden werden. Bis dahin wird viel geredet und geschrieben.

  668. @Stephan Schleim – Technische Möglichkeiten

    Ob sie technisch möglich ist, das habe ich doch jetzt oft genug betont, ist eben eine Frage der technischen Möglichkeiten. Zum heutigen Zeitpunkt wohl eher nicht.

    Herr Schleim, Sie überschätzen die technischen Möglichkeiten. Was ich Ihnen skizzenhaft zum Scannen aufgezeigt hatte, heißt nicht nur „zum heutigen Zeitpunkt unmöglich“, sondern „prinzipiell unmöglich“. So ähnlich wie Interstellare Reisen in Über-Lichtgeschwindigkeit nicht nur heute, sondern prinzipiell unmöglich sind. Jedenfalls, wenn man die grundlegenden Erkenntnisse der Physik (Standardmodell, ART, QED) berücksichtigt.

    In den hier angesprochenen Punkten „We’re all molecules, bouncing around“ und „Wiederbelebung eines Toten ist ausgeschlossen“ bleibe ich bei meiner Einschätzung.

  669. @Balanus / 17.03.2021, 17:57 Uhr

    Bemerkenswert an Maturanas Aphorimus ist meines Erachtens, wie mit diesem schlichten und auf den ersten Blick wenig beeindruckenden Satz ein Grundmuster menschlichen Erkennens auf den Punkt gebracht wird.

    Zur Würdigung der Rolle des Beobachters und dem Nachdenken über die sich daraus ergebenden Konsequenzen hat die Entwicklung der Quantenphysik im 20. Jhdt gewiss enorm beigetragen. Das folgende Zitat von Hans Primas, Realism and quantum mechanics (1994), hatte ich meiner Erinnerung nach schon mal irgendwo gebracht, aber es gefällt mir und passt hier gerade: (Fettung im Original kursiv):

    In scientific theories, the problem of realism is the question of the ontological status of the material reality while it is not observed. Since the existence of an external reality is not provable with the means available to science, we have to consider realism as a purely metaphysical regulative principle, free from any experimentally testable physical content, and without presupposing a particular compartmentalization of the material world.

    Mittelbar über Primas (weil der zitierte Artikel dort als Quelle angeführt wird) kriege ich sogar wieder die Kurve zum grossen Meta-Thema `Bewusstsein’, und vielleicht interessiert’s ja noch irgendwen:

    Prentner, Robert. Die Entstehung der Objekte: Überlegungen zu einer exakten Wissenschaft von Bewusstsein. Diss. ETH Zurich, 2017. [Click here]


    »Als ich schrieb: „..mir glaubt ja keiner”, dachte ich vor allem an Stephan ;- )«

    Ja, ja, das hatte ich mir schon gedacht…

  670. @Chrys // 19.03.2021, 00:17 Uhr

    » Zur Würdigung der Rolle des Beobachters und dem Nachdenken über die sich daraus ergebenden Konsequenzen hat die Entwicklung der Quantenphysik im 20. Jhdt gewiss enorm beigetragen. «

    Interessant, dass ich nicht sagen kann, ab wann ich mit dieser Würdigung angefangen habe. War wohl ein schleichender Erkenntnisprozess. Begann vielleicht mit dem ersten Blick durchs Schülermikroskop, oder mit einem Büchlein, in dem es um die Abenteuer von Kindern ging, die auf die Größe einer Amöbe geschrumpft worden waren.

    Was die Quantenphysik betrifft, kann man sagen, dass dieses Forschungsgebiet im Grunde das Kind einer reduktionistischen Denkweise ist? Ohne das Bestreben, alles Beobachtbare bis aufs Letzte, aufs Allerkleinste zurückzuführen, gäbe es dieses Forschungsfeld doch gar nicht (und der Menschheit wäre sicherlich einiges erspart geblieben).

    Und worin besteht eigentlich der Nutzen dieses Forschungsunternehmens für die Menschheit als Ganzes? Um Probleme zu lösen, die wir ohne diese wissenschaftliche Neugier gar nicht hätten?

    Fragen über Fragen … ;- )

    Abschließend: Was Hans Primas da sagt bzw. schreibt, passt aus meiner Sicht hervorragend zur evolutionären Erkenntnistheorie (naturgegebene Begrenztheit der Erkenntnisfähigkeit), die bekanntlich eine der Säulen des Naturalismus bildet. Aber Hans Primas war sicherlich kein Naturalist, oder?

  671. @Balanus / 20.03.2021, 10:28 Uhr

    »Fragen über Fragen … 😉«

    So ist es. Jedenfalls ist daher vorläufig nicht zu erwarten, das es allzu langweilig wird…

    Zu Hans Primas und seiner in zwei Aufsätzen (1985) behandelten Frage “Kann Chemie auf Physik reduziert werden?” habe ich noch einen allgemein gehaltenen Vortrag des Tübinger Chemikers Wolfhard Koch aufgetrieben [PDF]. Gerade mit Hinblick auf die von Dir aufgeworfenen Fragen schätze ich, dass das Dein Interesse findet.

    Spoiler: Koch beendet seinen Vortrag mit dem Einstein-Zitat “Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann.

  672. @Chrys // 23.03.2021, 11:05 Uhr

    » …schätze ich, dass das Dein Interesse findet. «

    So isses… gut erkannt :- )

    Schöner Vortrag.

    Was ich mir vielleicht merken sollte, ist, dass man beachten muss, „daß die Frage der Reduzierbarkeit sinnvoll nur innerhalb von formalisierten, logisch konsistenten und empirisch richtigen Theorien […] diskutiert werden kann.“

    Mir scheint, das wird nicht immer beachtet.

    Und:

    Ohne Quantenmechanik sind chemische Phänomene nicht zu verstehen.

    Das gilt natürlich auch für biochemische Phänomene und somit ebenfalls für viele zellphysiologische Vorgänge. Das ist halt das Schöne am Fach Biologie, dass man hier etliche Beschreibungsebenen im Blick haben muss (auch wenn man nicht auf allen Ebenen kompetent ist).

    Erstaunlich:

    Natürlich ist eine vollständig quantenmechanische, physikalisch richtige Beschreibung von Molekülen durchaus denkbar.
    […]
    Für Atome, Moleküle und Ionen mit nicht allzu großer Elektronenzahl sind quantenchemische Voraussagen (z.B. der Geometrie des Kerngerüsts, der Dissoziations- und Aktivierungsenergien) vielen geschulten Experimentatoren zugänglich.

    Das war (vor) 1985. Inzwischen ist man da ja ein ganzes Stück weiter gekommen, wenn ich richtig informiert bin.

  673. WUNDER

    In einer vor ca. zwei Jahren ausgestrahlten Sendung der Öffentlich-Rechtlichen, ging es um die Bekämpfung von Schmerzen, die die Schulmedizin nicht mehr behandeln konnte. In diesem Beitrag wurde gezeigt, wie in einem Göttinger Krankenhaus den Patienten durch handauflegen die Schmerzen genommen wurden. Der vorher nachher Effekt wurde mittels Wärmebildkamera festgehalten. In dem Krankenhaus wird diese Behandlungsart tagtäglich angewandt. Die Patienten bestätigen erstmals Schmerzfrei zu sein.

    Wie lässt sich das erklären?

    Ist dies ein Wunder?

  674. Hallo alle,

    Ich bin Dr. David Bright, Kräutermediziner aus TEXAS USA, ich habe eine Lösung zu Ihnen nach Hause gebracht, wenn Sie depressiv oder gebrochen sind oder in irgendwelchen Schwierigkeiten des Lebens sind. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen. Ich bin auf Halber-Behandlungen spezialisiert. Vergessen Sie nicht Gesundheit ist Reichtum, Ihnen ein gutes Leben zu bieten, ist meine Priorität. Dies sind die unten aufgeführten Fälle:
    Ex-Liebhaber zurückbringen
    Wiederherstellung von kaputten Häusern,
    Wirken von Liebeszaubern
    Aschmal
    Hypertonie
    Tuberkulose
    Tripper
    Hoher Blutdruck
    Krankheiten
    Hautausschlag
    Miliaria
    Infektion im Virginal
    Nierenkrebs
    Lungenkrebs
    Bakterielle Infektion
    Stimmbanderkrankung
    Durchfall
    Syphilis
    Dochtwirkung
    Niedrige Spermienzahl
    Sperma wässern
    Diabetes
    Streicheln
    Erbrechen
    Und so viel mehr.
    Interessenten sollten mich per E-Mail (davidbright255@gmail.com) für weitere Informationen kontaktieren
    Mit freundlichen Grüßen
    Dr David

Schreibe einen Kommentar