Was wir vom Rätsel Bewusstsein lernen können

Abschluss der Serie: Warum wir für Mensch und Natur eine andere Wissenschaft brauchen

Serie in sechs Teilen

  1. Grundlagen: Materialismus, Reduktionismus, Ontologie & Epistemologie (3.2.2021)
  2. Zwischenbilanz & Erklärung von Alltagsphänomenen (8.2.2021)
  3. Naturalismus & Ost vs. West (15.2.2021)
  4. Intermezzo: Konflikt oder Vereinbarkeit? (22.2.2021)
  5. Zwischenfazit (1.3.2021)
  6. Was wir vom Rätsel Bewusstsein lernen können (15.3.2021)

Am Anfang dieser Serie haben wir das erkennende Subjekt in den Mittelpunkt gerückt: Was sind überhaupt die Voraussetzungen unseres Wissens? Auch jede wissenschaftliche Tätigkeit enthält bestimmte Annahmen darüber, wie die Welt erkannt werden kann. In einem Exkurs haben wir gesehen, dass wissenschaftliche Erklärungen von Alltagsphänomenen oft nur vorläufig sind. Unser Zwischenfazit zum Thema Wissenschaft & Religion war, dass sich diese Sphären nicht zwingend widersprechen müssen – was zum empirischen Beleg passt, dass auch die Mehrheit der Naturwissenschaftler das so sieht.

Damit haben wir den Rahmen für den Schlussteil abgesteckt: Die Welt ist nicht so schwarzweiß, wie sie sich viele Naturalisten und Materialisten vorstellen. Am Rätsel Bewusstsein werden wir jetzt nachvollziehen, was uns eine vollständige wissenschaftliche Erklärung des Phänomens nutzen würde – und was nicht. Die großen Fragen und Herausforderungen der Menschheit würden bleiben. In der westlichen Wissenschaft hat sich leider ein Spezialistentum verbreitet, das zu oft an den Problemen der Lebenswelt vorbeigeht.

Rätselhaftes Bewusstsein

Die westliche Zivilisation hat zwar Menschen auf den Mond gebracht, kann aber noch nicht einmal eine einzige anerkannte psychische Störung im Gehirn identifizieren (Antwort auf die Frage: Was heißt es, dass psychische Störungen Gehirnstörungen sind?). Dabei hat man seit der “Dekade des Gehirns”, den 1990ern, viele Milliarden in diesen Bereich investiert. Das ist eine Anomalie für den biomedizinischen Ansatz zum Verständnis des Menschen – und sollte uns zu Bescheidenheit mahnen.

Dabei hat es große Durchbrüche in der Biomedizin gegeben: Denken wir an das Humangenomprojekt im Jahr 2000, neue bildgebende sowie intervenierende Verfahren für die Erforschung des Gehirns und die heutige Bündlung der Kräfte im europäischen Humangehirnprojekt. Erinnern wir uns noch einmal an das, was elf führende Hirnforscher anno 2004 in ihrem berühmten Manifest der Öffentlichkeit versprachen:

“Geist und Bewusstsein – wie einzigartig sie von uns auch empfunden werden – fügen sich also in das Naturgeschehen ein und übersteigen es nicht. Und: Geist und Bewusstsein sind nicht vom Himmel gefallen, sondern haben sich in der Evolution der Nervensysteme allmählich herausgebildet. Das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis der modernen Neurowissenschaften.”

Das Manifest führender Hirnforscher, 2004

Stand der Bewusstseinsforschung

Dem sollte man die neuere Überblicksarbeit von Christof Koch, einem der Autoren des Manifests, sowie einigen anderen führenden Bewusstseinsforschern aus dem Jahr 2016 gegenüberstellen (Koch et al., 2016). Darin räumen die Fachleute nämlich ein, sich in Experimenten lange Zeit über das untersuchte Phänomen geirrt zu haben:

Anstatt Bewusstsein, habe man meist Aufmerksamkeit untersucht. Die frontalen Bereiche der Großhirnrinde, auf die wir Menschen oft so stolz sind, scheinen demnach fürs Bewusstsein gar nicht relevant zu sein, sondern mehr fürs Ausführen von Instruktionen. Das nennen wir in der Psychologie oft “exekutive Funktionen”. Spezifische Vorgänge fürs Bewusstsein verortet man jetzt in einer “hinteren heißen Zone” (engl. “posterior hot zone”), also einem unscharf definierten Netzwerk in den Parietal-, Temporal- und Okzipitallappen.

Vielversprechende Kandidaten aus der Neurophysiologie, gewonnen mit der zeitlich sehr viel genaueren und seit den 1930ern entwickelten Elektroenzephalographie (EEG), haben auch keinen Durchbruch gebracht: Auch die Gamma-Synchronizität, die von Wolf Singer, einem anderen Autor des Manifests, mitentdeckt wurde, signalisiere eher Aufmerksamkeit. Das P3b-Signal, das ca. 300ms nach einer Stimuluspräsentation gemessen werden kann, fehle zu oft, wenn Menschen etwas zweifellos bewusst wahrnehmen. Ähnlich verhält es sich mit dem Aktivitäts-EEG.

Hier im Blog hatte ich schon 2012 erklärt, warum dieser reduktionistische Ansatz zu kurz greift (Warum der Neurodeterminist irrt). Dummerweise hat die einseitige Ausrichtung der Wissenschaft aber auch einen Preis.

Der Preis des Neuro-Reduktionismus

Auf der ernüchternden Suche nach einem “neuronalen Korrelat des Bewusstseins” hat man nämlich in alternative Ansätze – man denke nur an die Phänomenologie – kaum mehr investiert. Diese Alternative sieht Bewusstsein als ein subjektives Phänomen an, das primär von innen heraus verstanden werden muss. Als sich in der Psychologie der alles objektivieren wollende Behaviorismus durchsetzte, kanzelte man die Phänomenologie und mit ihr die Introspektion (wörtlich: Innenschau) als zu ungenau ab. Ich wage zu bezweifeln, dass die heutigen Hirnscans so viel genauer sind – und vor allem: uns mehr über Bewusstsein verraten.

Besonders bitter ist das für Psychiatriepatienten: Denn mit der Suche nach den neuronalen Mechanismen (“Schaltkreisen”) für psychische Störungen geht die Hoffnung nach neuen Therapien einher. Nach über 170 Jahren Suche kann man aber noch keine einzige psychische Störung aufs Gehirn reduzieren (Antwort auf die Frage: Was heißt es, dass psychische Störungen Gehirnstörungen sind?).

Man forscht immer weiter und weiter und verschiebt so die Hoffnung auf neue Behandlungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Zählt das heutige Leiden der allein in Europa vielen Millionen Patientinnen und Patienten etwa nicht?

Glücklicherweise hat man sich nun in Teilen der Humanwissenschaft vom reduktionistischen Denken gelöst, weil es einen in vielen Fällen nicht weiterbringt. Der neue Ansatz des “New Mechanism” integriert verschiedene Erklärungsebenen, anstatt sie auf irgendeine grundlegende Ebene zurückzuführen. Die Zukunft sieht interdisziplinär und vielschichtig aus, nicht einseitig. Das sind schlechte Neuigkeiten für die eingangs erwähnten Materialisten und Naturalisten.

Von Mechanismen zum Sinn

Doch nehmen wir einmal an, wir hätten eine vollständige naturwissenschaftliche Erklärung vom Bewusstsein. Was wüssten wir, wenn wir genau wüssten, wo und wann im Nervensystem bei diesem oder jenem psychischen Prozess etwas mehr Strom fließt? Schon Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) dachte sich hierfür ein treffendes Gedankenexperiment aus: Selbst wenn wir ein denkendes System so vergrößern könnten, dass wir in ihm herumlaufen und es studieren könnten wie eine Windmühle, würden wir das Wahrnehmen, Denken und Fühlen so nicht verstehen (Monadologie, §17).

Rund 150 Jahre später hat der berühmte Physiologe Emil du Bois-Reymond (1818-1896) mit seiner Ignorabimus-Rede aufsehen erregt, als er behauptete, wir würden niemals verstehen, wie aus Materie und Energie Gedanken entstehen. Bis heute haben er und Leibniz Recht behalten, während die Versprechen der Autoren des Manifests, die man mit ihrem Programm wohl als Naturalisten bezeichnen darf, weiter uneingelöst sind. Karl Popper (1902-1994) sprach bereits vom “Schuldscheinmaterialismus”, der die fehlende Erklärung immer weiter in die Zukunft verschiebt.

Doch fragen wir uns noch einmal: Was wüssten wir eigentlich, wenn es einmal so eine Erklärung des Bewusstseins gäbe? Inwiefern würde sie uns als Menschheit weiterbringen? Gäbe uns eine Theorie des Bewusstseins oder gar eine Weltformel Anleitung fürs Leben? Wohl kaum. Selbst wenn wir von jedem Atom, subatomaren Teilchen, jedem Energiequäntchen im Universum Ursprung, Herkunft und Ziel wüssten, würde daraus nichts für Bedeutung und den Sinn unseres individuellen Lebens und als Menschheit folgen. Die Frage, wie wir richtig und gut leben und zusammenleben können, bliebe offen.

Orientierung und Einheit

Es ist kein Zufall, dass “Materialismus” in der Alltagssprache bedeutet, dass Gewinn und Besitz – was wir landläufig “materielle Güter” nennen – das Wichtigste im Leben sind. Denn in der Welt des philosophischen Materialismus sind Werte nicht vorgesehen: Es herrscht ein Nihilismus, alle Standpunkt sind gleich sinnlos. Ohne moralische Orientierung werden Menschen im Endeffekt wohl schlicht das tun, was ihr Belohnungssystem aktiviert; und dies wiederum ist eine Folge angeborener Strukturen und sozialer Konditionierung.

Wir sehen, dass uns dieser Standpunkt keine Leitlinien bietet: Weder dafür, wie wir selbst leben sollen, noch wie wir mit anderen Menschen oder anderen Völkern zusammenleben sollen. Allerdings stimmt auch der Gegenstandpunkt, dass Religionen nicht zwingend notwendig für ein Wertesystem sind und sie auch nicht immer die besten Werte vermitteln. So weit ist man in der Philosophiegeschichte aber schon lange. Woran sollen sich Menschen im 21. Jahrhundert also orientieren?

Diese Lücke können die Natur- und Sozialwissenschaften nicht auffüllen. Wie im Werturteilsstreit Anfang des 20. Jahrhunderts überzeugt dargelegt wurde, dürfen die Wissenschaften politische Ziele nur nach Vorgabe informieren, etwa in der Form: Wenn die Reduktion der sozialen Ungleichheit oder der Umweltverschmutzung ein Ziel ist, dann ist Gesetz soundso die beste Wahl. Die Zielsetzung selbst kann aber nicht aus der Wissenschaft kommen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass diese im demokratischen Entscheidungsfindungsprozess zustande kommen soll – auch wenn man den heutigen Zustand etlicher Demokratien kritisieren kann (und vielleicht sogar muss).

Es ist aber schlicht eine empirische Tatsache, die auch und vor allem die Naturalisten anerkennen sollen, dass sich die große Mehrheit der Menschheit außerhalb der säkularen westeuropäischen Enklave nach wie vor an religiösen Systemen orientiert. Und selbst aus dem Westen pilgern seit den 1960er Jahren viele Sinnsucher nach Asien.

Das Leben scheint ohne Spiritualität oder gar Religion unangenehm leer zu sein. Und in den östlichen Kulturen gibt es genügend Orientierung, die dem Einzelnen im Ganzen Sinn und Bedeutung gibt: beispielsweise der Konfuzianismus mit der moralischen Natur der Welt, der Daoismus mit seinem dao (Weg), ähnlich dem japanischen do (Weg), oder der Hinduismus mit dharma und karma (etwa: moralische Ordnung beziehungsweise Gesetz von Ursachen und Wirkungen des Handelns).

Zusammenfassung & Ausblick

Wir stehen am Ende einer philosophischen Reise, die doch nur einen Anfang markiert: den Anfang unseres zukünftigen Lebens.

Wir sprachen über Materialismus, Dualismus, Reduktionismus, Physikalismus und Naturalismus. Wir haben etwas über den wichtigen Unterschied von Ontologie und Epistemologie (Seins- und Erkenntnislehre) gelernt. Wir haben uns kritisch mit (natur-) wissenschaftlichen Erklärungen auseinandergesetzt. Wir haben gelernt, dass selbst dann, wenn es eine naturwissenschaftliche Erklärung des Bewusstseins gäbe, diese uns keine Orientierung bieten würde.

Die philosophische Frage nach dem tiefsten Wesen der Welt ist wahrscheinlich unentscheidbar; darum wird sie seit über 2.000 Jahren immer wieder neu gestellt. Wer die Welt mit dem identifizieren will, was sich (natur-) wissenschaftlich erklären lässt, der darf das tun, sollte andere Standpunkte – und damit den größten Teil der Menschheit – aber nicht aus der Diskussion ausschließen.

Immerhin sind angesichts der Herausforderungen von Bevölkerungswachstum, Klimawandel und Wohlstandsungleichheit, um nur ein paar herauszupicken, konstruktive Lösungen für ein friedliches Miteinander dringender dann je. Zudem hört derjenige auf, zu lernen, der meint, schon alles zu wissen. Dies ist eine alte asiatische Weisheit.

Wir haben im Westen eine hochentwickelte Technologie – doch haben wir wirklich gelernt, sie überwiegend zum Wohl von Mensch und Natur einzusetzen? Und hat die Technologie nicht an vielen, viel zu vielen Stellen neue, noch größere Probleme geschaffen?

Bescheidenheit

Ein Blick auf die Welt sollte uns eher bescheidener werden lassen. In der seit über einem Jahr andauernden Corona-Pandemie wird schon das Loblied auf die Wissenschaft gesungen: Immerhin habe man noch nie so schnell einen Impfstoff entwickelt. Noch ist die Krise aber nicht überwunden. Und wir laufen der Natur immer nur hinterher. Wenn es neue Mutationen gibt, stehen wir vielleicht wieder am Anfang. Und die wissenschaftlich-technisch beschleunigte Welt begünstigt die Entstehung und Verbreitung solcher Krankheiten.

Natürlich ist auch die Kritik an Religionen wichtig und muss sie immer wieder erneuert werden. Hierzu gibt es aber seit Feuerbach, Marx, Nietzsche und Freud – also bereits seit dem 19. Jahrhundert – gewichtige Beiträge. Um die Tatsache, dass viele Menschen dennoch spirituelle oder religiöse Orientierung suchen, kommen wir aber nicht herum.

Das lässt sich nicht bloß damit ändern, wie immer noch viel zu viele Naturalisten zu glauben scheinen, diesen Menschen bloß genug “Fakten” zu vermitteln. Diese Haltung zeugt selbst von einem Mangel an Psychologie. Und die auch von Richard Dawkins und anderen Naturalisten vorangetriebene Spaltung in “Supers” (damit sind Aber- bzw. Gottgläubige gemeint) und “Brights” (wörtlich: die Schlauen) polarisiert die Gesellschaft immer weiter.

Wir haben im Westen insbesondere auch Philosophie, Soziologie und Psychologie von Spiritualität und Religion getrennt, was so in vielen asiatischen Kulturen nicht der Fall ist. In Asien erwartet man von Philosophie und Psychologie Antworten für das Leben – wofür hat man sie sonst? Das dürfte einen Teil des heutigen Reizes für so viele Westler erklären.

Für die Trennung dieser Bereiche im Westen gibt es natürlich historische wie fachliche Gründe – aber wenn Philosophen nur noch Begriffe analysieren, Psychologen nur noch das am einfachsten Messbare erforschen oder, um es mit dem Universitätsaussteiger Hans Harbers zu sagen, hochspezialisierte Wissenschaftler nur noch die Fragen beantworten, die sie einander stellen, dann ist uns etwas Wertvolles verlorengegangen.

Die gute Nachricht ist, dass wir von anderen Kulturen lernen können, dass es auch anders geht. Es wäre nicht das erste Mal in unserer Geschichte, dass wir vom Osten etwas lernen, das wir im Westen lange vergessen haben. Die Zukunft der Menschheit und der Welt sollte es uns wert sein.

Literatur

Titelgrafik: geralt auf Pixabay.

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Die Diskussionen hier sind frei und werden grundsätzlich nicht moderiert. Gehen Sie respektvoll miteinander um, orientieren Sie sich am Thema der Blogbeiträge und vermeiden Sie Wiederholungen oder Monologe. Bei Zuwiderhandlung können Kommentare gekürzt, gelöscht und/oder die Diskussion gesperrt werden. Nähere Details finden Sie in "Über das Blog". Stephan Schleim ist studierter Philosoph und promovierter Kognitionswissenschaftler. Seit 2009 ist er an der Universität Groningen in den Niederlanden tätig, zurzeit als Assoziierter Professor für Theorie und Geschichte der Psychologie.

1.123 Kommentare

  1. Nur zwei Anmerkungen :

    1.) zu :

    Die westliche Zivilisation hat zwar Menschen auf den Mond gebracht, kann aber noch nicht einmal eine einzige anerkannte psychische Störung im Gehirn identifizieren […] Das ist eine Anomalie für den biomedizinischen Ansatz zum Verständnis des Menschen – und sollte uns zu Bescheidenheit mahnen.

    Die Technologie, die hinter der Mondbesteigung (so wurde das damals genannt und klingt, wie einige finden, auch heute nicht schlecht) steht, ist nicht so-o komplex, wenn mit den Versuchen einer oder mehrerer “CPUs” verglichen wird in andere “CPUs” zu schauen. – Versus ‘Anomalie’.
    An sich wäre echtes Weltwissen hier erforderlich, nicht wahr? (anders denken womöglich nur sog. Szientisten), also weggehend von der szientifischen skeptizistischen Methode, die ja “nur” naturwissenschaftliche Theorien als Provisorien mit unbekanntem Scope und unbekanntem Verfallsdatum kennt. (Das in Anführungszeichen geschriebenen Nur ist natürlich wundervoll und sozusagen zentrales Leistungsmerkmal dieser Methode.)
    Leider steht “echtes Weltwissen” dem erkennenden Subjekt, das Weiltteilnehmer und nicht Weltbetreiber ist, nicht zV, definitorisch bereits nicht.

    2.) zu :

    Die gute Nachricht ist, dass wir von anderen Kulturen lernen können, dass es auch anders geht.

    Es geht immer anders, bspw. barbarisch oder animalisch.
    Was ist “westlich”`? – Dr. Webbaer regt an diese Metaphorik an das Sapere Aude! zu binden, die u.a. zur Aufklärung, zur modernen skeptizistischen Naturwissenschaftlichkeit (es wird ja, dankenswerterweise, nicht mehr verifiziert) und zu der bekannten und auch in der BRD geübten Herrschaftsform geführt hat. (Fernab also von Richtungen, die diesen Planeten meinen.)

    Lernen ohne Vernunft geht nicht, insofern gilt es u.a. auch auf dem genannten Kontinent genau hinzuschauen, pfiffig war man womöglich in Fernost, seit langer Zeit, Yin und Yang und so. Dr. W seziert gelegentlich alte fernostasiatische Schriften.
    Von (traditioneller) fernöstlicher Medizin oder “Medizin” raten, dies nur ein Beispiel, einige abär streng ab.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer (der nichts gegen den Begriff “Europäische Aufklärung” hat, auch wenn so auch anderswo, bspw. in Asien oder Amerika (Europäer, fürwahr – dennoch diese “Westlich”-Metaphorik in Frage stellen) ebenfalls zeitnah gedacht worden ist)

  2. Eine Zielsetzung könnte sein,sich nicht der globalen demographischen Entwicklung preis zu geben,sondern aktiv eine Schrumpfung auf 1 mrd anzugehen und sich eine globale Selbstbeschränkung der Masse des homo sapiens aufzuerlegen:Freiraum für Wildnis und Evolution.

  3. @Webbär: Mond, Mars… und was dann?

    Es war wohl vor allem auch eine politische Machtdemonstration: Yes, we can! First!

    Über die naive Technikgläubigkeit, man könne ja den Mars kolonisieren, wenn man erst inmal die Erde ruiniert hat, kann ich mich nur wundern.

  4. @Webbär: Ost/West & Aufklärung

    In Indien gab es wohl schon Jahrhunderte früher Universitäten als in Europa. Man müsste erst einmal die Geschichte akkurat und frei von kolonialistischem Rassismus erzählen. Mir wurde darüber an der Philosophischen Fakultät wirklich nichts beigebracht. Lesetipp: Taking Back Philosophy.

    Und die Aufklärung, wo ist die eigentlich hin? Hätte man in Asien nicht unsere antiken Quellen bewahrt, dann hätte es in Europa wohl nicht so eine Renaissance gegeben.

  5. @ Kommentatorenfreund ‘Mussi’

    Sicherlich ist diese Klammer :

    Wir haben im Westen insbesondere auch Philosophie, Soziologie und Psychologie von Spiritualität und Religion getrennt, was so in vielen asiatischen Kulturen nicht der Fall ist.
    […]
    Die gute Nachricht ist, dass wir von anderen Kulturen lernen können, dass es auch anders geht.

    … im Sinne des Sapere Aude! ungünstig gesetzt.

    Darum wird Dr. W ja auch, nicht despektierlich meinend, ein wenig sozusagen geil, geilie (den Komparativ meinend) bis geilomat, den Superlativ meinend, vgl. auch mit ‘geilon’, McFittie (“MC Fittie) war so freundlich hier semantisch zu ergänzen.


    Das Weltverständnis, es darf an dieser Stelle auch mit dieser freundlicherweise von der NASA bereit gestellten kleinen Animation verglichen werden :

    -> https://www.youtube.com/watch?v=uaGEjrADGPA (die ursprüngliche Animation basierte auf dem mittlerweile inkriminierten sogenannten Flash-Player und wird aus diesem Grunde hier nicht webverwiesen)

    …ist kompiziert.


    Sicherlich muss in diesem Sinne – ‘Wir haben im Westen insbesondere auch Philosophie, Soziologie und Psychologie von Spiritualität und Religion getrennt, was so in vielen asiatischen Kulturen nicht der Fall ist.’ ein ‘reaktionär’, die Iden und Werte der Aufklärung meinend, gesetzt werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  6. Sicherlich muss in diesem Sinne – ‘Wir haben im Westen insbesondere auch Philosophie, Soziologie und Psychologie von Spiritualität und Religion getrennt, was so in vielen asiatischen Kulturen nicht der Fall ist.’ – ein ‘reaktionär’, die Ideen und Werte der Aufklärung meinend, gesetzt werden.

  7. @Mussi: Schrumpfung

    Die Weltbevölkerung sollte auf ein Achtel schrumpfen? Und wer entscheidet darüber, wer sich fortpflanzen darf? Da ist der nächste Weltkrieg vorprogrammiert.

    Aber von außen betrachtet tut die Menschheit zurzeit sowieso schon sehr viel zur Schaffung der Voraussetzungen ihrer eigenen Abschaffung. Aus dieser Perspektive werden wir früher oder später wieder bei einer Milliard ankommen.

    Und dann?

    P.S. Man vergleiche einmal den ökologischen Fußabdruck der Nord- mit dem der Südhalbkugel der Erde, auch historisch; das sollte sehr deutlich machen, wie weit man mit einer anderen Verteilung der Ressourcen käme.

  8. @webbaer
    ich bin mir sicher,Sie hat keiner verstanden…will Sie nachvollziehen…

  9. @Schleim:Ressourcen
    Da machen die südhalbkugel eigentlich alles richtig. Wir Westlersind das Übel. Es ist diametral verschoben.

  10. Wir diskutieren aus der Nordhalbkugel und Westlicher Sicht und merken aus Wohlstandsverlusten nicht,dass wir das Problem sind…

  11. Und die Aufklärung, wo ist die eigentlich hin? Hätte man in Asien nicht unsere antiken Quellen bewahrt, dann hätte es in Europa wohl nicht so eine Renaissance gegeben.
    Das ist inkorrekt, wie kommen Sie darauf, Herr Dr. Schleim?
    Es gab auch keine wie gemeinte ‘Renaissance’, sondern die Aufklärung war ein einzigartiger Akt, der zwar, gerade auch aus heutiger Sicht : plausibel (“beiklatschend”) ist, aber eben doch der Idee benötigte, dass zwar nicht alle Menschen gleich sind, aber gleich geboren sind (eine Metapher).

    Ihre Kompetitivität mag Dr. Webbaer, Sie kommen nicht auf die (eigentlich naheliegende, “doitsche” Idee inkonvenierendes Feedback auszulöschen), nice1!

    Ansonsten, es ist unmöglich einer “CPU” sozusagen ins Auge zu schauen.

    MFG
    Wb

  12. Und die Aufklärung, wo ist die eigentlich hin? Hätte man in Asien nicht unsere antiken Quellen bewahrt, dann hätte es in Europa wohl nicht so eine Renaissance gegeben.

    Das ist inkorrekt, wie kommen Sie darauf, Herr Dr. Schleim?
    Es gab auch keine wie gemeinte ‘Renaissance’, sondern die Aufklärung war ein einzigartiger Akt, der zwar, gerade auch aus heutiger Sicht : plausibel (“beiklatschend”) ist, aber eben doch der Idee benötigte, dass zwar nicht alle Menschen gleich sind, aber gleich geboren sind (eine Metapher).

    Ihre Kompetitivität mag Dr. Webbaer, Sie kommen nicht auf die (eigentlich naheliegende, “doitsche” Idee inkonvenierendes Feedback auszulöschen), nice1!

    Ansonsten, es ist unmöglich einer “CPU” sozusagen ins Auge zu schauen.

    MFG
    Wb

    (Korrigiert, und wo die effing Aufklärung “eigentlich her kommt” wissen Sie selbt, Dr. W regt sich gerade auf, etwas, das er nie tun sollte.
    Wo kommen Sie her? Welche Ausbildung haben Sie genossen? (et cetera))

  13. *
    wissen Sie sel[s]bt, Dr. W regt sich gerade auf, etwas, das er nie tun sollte.


    Dr. W wird nun anderswo reinschauen, jawoll!

  14. Aha, es geht darum, wo die Aufklärung ‘hin geht’, vergleiche :

    Und die Aufklärung, wo ist die eigentlich hin? Hätte man in Asien nicht unsere antiken Quellen bewahrt, dann hätte es in Europa wohl nicht so eine Renaissance gegeben. [Dr. Stephan Schleim]

    Wobei gemeint ist, wo sie her kommt.

    Sie kommt nicht aus einem Barbaren-A, sie benötigt neben der Schrift die Sprache, sie benötigt Denker wie im alten Griechenland vorkommend, erstmalig : womöglich, unsere jüdischen Freunde, deren Welt, wie kolportiert wird, vor ziemlich (wie es sich gehört, wie es sich ziemt) vor ca. 6.000 Jahren entstanden sein soll, es benötigt das Christentum und das alte Rom (diese “Barbaren” waren nicht schlecht) und vor allem natürlich das Sapere-Aude!

    Kulturrelatvistisches Gequatsche ist schlecht, es ist zwar korrekt, dass es in Fernost bereits vor sehr langer Zeit Denker gab, die es (halbwegs) bspw. mit Dr. Schleim wie mit der hiesig vorkommenden Kraft aufnehmen konnten, aber ca. 99,9 Prozent der Menschheit, vielleicht beginnend mit dem sogenannten Cro-Magnon-Menschen waren dull bis extra-dull, die Suche und vor allem auch das Finden von Erkenntnis meinend.

    Dieses Personal ist abär mitzudenken.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    PS und Hausaufgabe :

    -> https://www.youtube.com/watch?v=33AoJDIh3kw&list=PL6YIVISaL3ACfHXgY9olMRqBTo9F3X5_R

  15. Verehrter Herr Professor Schleim, dies:

    “Es ist kein Zufall, dass ‘Materialismus’ in der Alltagssprache bedeutet, dass Gewinn und Besitz – was wir landläufig ‘materielle Güter’ nennen – das Wichtigste im Leben sind. Denn in der Welt des philosophischen Materialismus sind Werte nicht vorgesehen: Es herrscht ein Nihilismus, alle Standpunkt sind gleich sinnlos.”

    entspricht der unterkomplexen Technik der Äquivokation. Ihre Einlassung lässt sich leider nur als Provokation verstehen. Ein fruchtbarer Diskurs wird so ganz sicher nicht gefördert.

  16. [Sie haben Ihre Gedanken über Nahtodereignisse hier schon seit vielen, vielen Jahren auf MENSCHEN-BILDER (und meines Wissens ebenso anderen Blogs) verbreitet. Hierher gepasst haben sie noch nie. Akzeptieren Sie das endlich einmal. S. Schleim]

  17. Zusatzinformation

    Herrn Prof. Grams habe ich am 16. Januar eine CD mit einem ausführlichen 44-Seiten Text zugeschickt, wo Nah123-Erfahrungen und die dabei erkennbare Arbeitsweise des Gehirns in so einfacher Sprache erklärt werden, dass sogar ein Hauptschüler intellektuell nicht überfordert sein sollte.
    (1=t, 2=o, 3=d)

    Wer solche Hinweise 2 Monate lang ignoriert sollte sich nicht zu Themenbereichen wie ´Bewusstsein´ äußern. Entweder fehlt die Fachkompetenz oder es geht nur darum, zu manipulieren.

  18. Das Fazit (nachdem ‘wir’, wer auch immer damit gemeint sein soll, etwas gelernt haben …) lautet wohl

    Das Leben scheint ohne Spiritualität oder gar Religion unangenehm leer zu sein.

    und man fragt sich, was das wohl für Menschen sind, auf die das zutrifft.

    Irgendwie erinnert mich das an die alten Griechen, welche ‘die Gottheit’ anerkannten und ‘die Götter’ als für den dummen Pöbel fürs Leben (oder wenigstens zu dessen besseren Beherrschung) zwingend erforderlich betrachteten.

    Als Gemeinplätzchen und Folgerung aus Prozentzahlen ist das okay, und sicherheitshalber mit ‘es scheint’ getaggt. Ich freue mich aber immer, wenn andere Menschen nicht meinen, mir sagen zu sollen, wie sich ‘das Leben’ für mich anfühlen sollte.

    Schön, wenn nun die formalen Agnostiker wieder so weit sind wie diese alten Griechen, wenn auch mit etwas mehr Blick nach Asien.

  19. @Schleim

    Wir haben im Westen insbesondere auch Philosophie, Soziologie und Psychologie von Spiritualität und Religion getrennt, was so in vielen asiatischen Kulturen nicht der Fall ist. In Asien erwartet man von Philosophie und Psychologie Antworten für das Leben …

    In welchem Asien (oder Westen) ist das so?
    Wenn ich da an Russland und China denke … kommen wir da so meine Zweifel.

  20. @KRichard 16.03.2021, 05:39 Uhr
    Ich schrieb Ihnen am 3.3.2021:

    danke für die Unterlagen. Eine Durchsicht zeigt mir: Dazu kann ich, der Ingenieur und Informatiker, nichts beitragen. Das Thema ist mir weitgehend fremd. Ich denke, Sie sollten sich an wissenschaftliche Kreise und Publikationen wenden, die näher dran sind: Psychiatrie, Psychologie, Neurophysiologie. Auch Thomas Metzinger könnte ein geeigneter Ansprechpartner sein.

    Sie antworteten am Tag darauf:

    Vielen Dank für die Rückantwort. [… ] Wenn Sie also in Ihrem Bekanntenkreis eine Person haben, der sie wissenschaftlichen Erfolg wünschen, sollten Sie meine Texte weitergeben. Und eine Kopie davon sollten Sie in Ihr Archiv aufnehmen – denn diese stammt von der Originalquelle.
    Herrn Prof.Metzinger habe ich schon vor Jahren angeschrieben (weill meine Infos genau zu seinem Arbeitsgebiet passen) – ohne dass eine Reaktion kam. Leider ist es immer noch so, dass das Thema NTE von ´Wissenschaftlern´ einfach ignoriert wird. Aber die Unfähigkeit anderer Leute ist nicht mein Problem – daran bin ich nicht schuld.

    Ich kann nicht verstehen, warum Sie mich hier anschwärzen.

  21. @KRichard

    Stimmt das?

    In einer Mail an Herrn Grams, der so nett war, auf eine wenig nette Geste von Ihnen mit einem genauso wenig netten Hinweis durch ein öffentlich Machen einer privaten Mail zu antworten, erfahren wir:

    [KRichard] Leider ist es immer noch so, dass das Thema NTE von ´Wissenschaftlern´ einfach ignoriert wird.

    Ich habe mich immer wieder mal mit Menschen gekabbelt, meist auf FaceBook, die mit irgendwelchen Quellen meinten, NTE plausibel machen zu sollen. Dabei haben die oft auf Wissenschaftler verwiesen, und zwar Pro und Contra.

    Ich kann Ihre Einschätzung daher beim besten Willen nicht teilen (und ja, ich kenne Personen, von denen ich meine, zu wissen, dass die mich nicht belügen, die mir Standard-Versionen dessen, was man in der Diskussion ständig erfährt, berichtet haben).

    Ist halt wie bei ‘Gottes’erfahrungen oder anderen spirituellen Phänomenen: Diese Personen haben ‘etwas’ erfahren. Die Frage ist halt, was dahinter steht. Reicht dazu das, was innerhalb der Schädeldecke stattfindet, oder muss man ‘irgendwas’ postulieren?

    Selbstverständlich sollte jeder, der so etwas erforschen will, das betreiben und die Ergebnisse publizieren können. Meines Wissens ist beides schon ziemlich umfänglich erfolgt.

  22. @Grams, Waschke: KRichard

    Dieser Nutzer sucht seit vielen, vielen Jahren (damit ist gemeint: wohl mindestens eine Dekade) Aufmerksamkeit für seine Theorie. Er hat seine Ideen und Links hier oft genug verbreiten können. Bitte tappen Sie nun nicht in diese Falle. Das Thema gehört nicht hier zu MENSCHEN-BILDER.

  23. P.S. KRichard: Weil ich das Administratorenfenster gerade offen hatte: Tatsächlich war sein erster Kommentar zum Nicht-Thema dieses Blogs am 19.7.2008. In diesem Sinne hat sich seitdem (leider) nichts geändert.

  24. @Webbär: Ich kann Ihnen nur dringend empfehlen, Ihr Geschichtsmodul zu updaten; es entspricht nicht mehr dem Stand der Wissenschaft.

    Sie haben doch diesen Beitrag gelesen, in dem ich erklärte, dass u.a. der Philosoph Pyrrhon Alexander den Großen (365-323 v. Chr.) auf dessen Indienfeldzug (326 v. Chr.) begleitete – und dort Kontakt mit indischen Weisen hatte, den sogenannten Gymnosophisten. (Jedenfalls haben Sie diesen Beitrag kommentiert; ob Sie ihn wirklich gelesen haben, weiß ich natürlich nicht.)

    Auf diesem und anderen Wegen wurden Ideen in den Westen importiert. Eine asiatische Vorläufersprache des Sanskrit ist auch die Vorläufersprache von Altgriechisch und Latein. Nicht ohne Grund spricht man von indo-germanischen, inzwischen besser: indo-europäischen Sprachen.

  25. @Feodor: Äquivokation

    Eine Äquivokation ist ein Argumentationsfehler, z.B. der Form

    (1) (Allen) Materialisten geht es nur um Spaß, Spaß, Spaß.
    (2) (Alle) Naturalisten sind Materialisten.
    (3) (Allen) Naturalisten geht es nur um Spaß, Spaß, Spaß.

    Der Fehler (die Äquivokation) besteht hier darin, dass “Materialist” in (1) einen Vulgärmaterialisten bezeichnet, in (2) aber einen philosophischen Materialisten.

    Ich kann diesen Fehlschluss gar nicht begangen haben, da ich die Materialismen auseinander halte. Schauen Sie gut in den Text: Da spreche ich klar vom philosophischen Materialismus – und erkläre ich, dass es kein Zufall ist, dass er Alltagsmaterialismus (oder Vulgärmaterialismus) diesen Namen trägt: Für den philosophischen Materialismus ist alles ohne Sinn und Bedeutung; deshalb bleibt für den Vulgärmaterialismus nur Spaß, Spaß, Spaß.

    Und lassen Sie doch dieses “Herr Professor”. So reden wir hier nicht miteinander.

  26. @Waschke: Spiritualität und Griechenland

    Interessanter Gedanke. Dass das in Griechenland (auch) so war, das wusste ich noch gar nicht.

    Doch könnte man es auch positiv formulieren: Für unterschiedliche Menschen gibt es unterschiedliche Zugänge. Die einen denken vielleicht mehr in Begriffen; die anderen mehr in Bildern. Darum enthält eine spirituelle Strömung, die sich an alle Menschen richtet, Begriffe und Bilder und was es sonst noch alles geben mag.

    Das ist doch ein schöner Gedanke. Man kann es natürlich aber auch so formulieren, dass es sich wie Unterdrückung anhört.

  27. Unser Bewusstsein ist kein Rätsel. Wir sind uns bewusst, auch wenn wir den Begriff Bewusstsein nicht kennen.
    Unser Bewusstsein ist auch nicht an Sprache gebunden. Taubstumme sind sich auch bewusst.
    Überhaupt wird die begriffliche Sprache überschätzt.
    Man kann sich über Gestik und Körpersprache unterhalten.
    Fazit: Bewusstsein ist ein Arbeitsbegriff, der seine Berechtigung hat.

  28. @einer: Asien

    Ich denke hier wesentlich an Südostasien. Sie haben Recht, dass Asien größer ist, als das. Über Russland weiß ich zu wenig. Religionen/spirituelle Strömungen scheinen dort aber durchaus verbreitet, mit nur ca. 5-13% Atheisten.

    Bei China wäre ich mir nicht so sicher. Den Daoismus habe ich hier im Text ja ausdrücklich genannt. Aber diese Diskussion lenkt vom Kern der Frage ab.

  29. @all: In der Welt

    Mir geht es darum, Mensch und Welt in den Wissenschaften wieder zentral zu stellen. Was steht heute viel zu oft im Zentrum? Die Publikation in “führenden Zeitschriften” und möglichst viele Zitationen für die Karriere der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

    Besonders schlimm ist das in der Biologischen Psychiatrie: Der Direktor der führenden Forschungseinrichtung bezeichnet sein Fachgebiet selbst als “Schaltkreisepsychiatrie” – und meint das ernst! Man forscht seit Jahrzehnten an genetisch modifizierten und geklonten Mäusen und Ratten, angeblich mit Depressionen, Schizophrenie, Angststörung usw., im Labor. Seit Jahrzehnten bringt diese Forschung (so gut wie) nichts.

    Mit einem mehr holistischen und phänomenologischen Ansatz käme man nie auf den Gedanken, das komplexe Leid eines Menschen auf molekuläre Vorgänge in dessen Gehirn zu reduzieren. Diesen Fehler hat man in bestimmten, südostasiatischen Kulturkreisen nie begangen. Daher mein Hinweis auf diese Strömungen.

  30. @all: Potenzial

    Und sehr bedenklich ist, dass viele unserer klügsten Köpfe einen wesentlichen Teil ihres Lebens darauf verwenden, Publikationen in wissenschaftlichen Top-Zeitschriften unterzubringen; in der freien Wirtschaft: Werbung immer effizienter zu machen (man denke an Google/Alphabet, Facebook, Amazon usw.).

    Das ist verschwendetes Potenzial; die Menschheit hat nun größere Herausforderungen zu bewältigen!

  31. Schön. So gut wie volle Zustimmung. Zumal da auch die klare Stellungsnahme ist, die ich zuletzt ein wenig vermisst hatte. Seitdem wir mal auf Telepolis öffentlich debattiert haben, hatte ich Deine Haltung interpretiert als: “Materialismus ist der Default; wir können ihn halt nur nicht beweisen.” Da hatte ich Dich wohl missverstanden.
    Ich finde es nur trotzdem zwar inhaltlich korrekt, aber ein kleines Bisschen unfair, einer hypothetischen vollständigen Erklärung des Bewusstseins vorzuhalten, dass sie keinen Sinn und Wert zu bieten hätte. Das stimmt zwar, gilt aber natürlich für jede naturwissenschaftliche Erklärung. Auch Relativitätstheorie und Quantenphysik, die Beschreibung der Photosynthese und die Evolutionstheorie bieten uns keine Anleitung zum Leben. Das verhindert ja nicht, dass es intellektuelle Freude bereiten kann, sich damit zu beschäftigen. Und dasselbe gilt für die Philosophie des Geistes.

  32. Und noch ein kleiner Nachsatz, um die Atheisten zu ärgern:
    Ich unterstelle mal, dass die meisten von ihnen in irgendeiner Form an den Fortschritt glauben. Das ist zwar nicht logisch zwingend – im Gegenteil, es widerspricht sich -, aber es geht wohl meist zusammen. Denn die Haltung des Materialisten ist doch meist: “Früher hatten die Leute keine bessere Erklärung für die Welt als Geister und Götter, aber heute wissen wir es besser; und wenn erst einmal alle Leute die wissenschaftlichen Erkenntnisse verstanden haben, wird es keine Religion mehr brauchen.”
    Piekser 1: Der Fortschritt ist seinerseits ein blutleerer Ersatzgott, den die Aufklärung erfunden hat. Vorher gab es das Wort in der heutigen Bedeutung gar nicht. Man kann bei Herder (einem protestantischen Geistlichen) sehr schön sehen, wie er “Fortschritt” in der Geschichte synonym mit “Vorsehung” und “Gott” einführt. Es ist mithin niemand Atheist, der an den Fortschritt glaubt.
    Piekser 2: Ich gebe mir gerade (und wohl noch für mehrere Jahre) das herrliche geistige Vergnügen, Will und Ariel Durants “Kulturgeschichte der Menschheit” zu lesen – ein Genuss, den ich jedem Menschen nur dringendst ans Herz legen kann. Da habe ich zum ersten Mal von den Nastika in Indien gelesen. “Nastika” heißt “Neinsager”, und zwar zur Existenz von Göttern oder göttlicher Offenbarung. Nastika sind Atheisten – und zwar irgendwann vor Buddha, 6. oder 7. Jhd. v. Chr., wenn ich mich richtig erinnere. – Soviel zur Idee, Atheismus wäre der neue heiße Scheiß.

  33. @Konrad: Wissenschaft als intellektuelle Freude

    Stimmt schon! Aber als intellektuelle Freude sollte die Wissenschaft eher etwas wie ein Teilzeithobby sein. Mein Standpunkt, den ich hier noch einmal zugespitzt habe, ist,

    dass man das Wozu der Wissenschaft wieder mehr ins Zentrum rücken sollte; und Wissenschaft für den Menschen und in der Welt eine Rolle spielen sollte und nicht nur in der simulierten bzw. modellierten Scheinwelt des Labors und der Fachzeitschriften.

    Ein gutes Verhältnis wäre vielleicht 80% für Mensch und Natur und 20% als intellektuelle Freude.

  34. @Konrad: Geschichte des Atheismus

    Schön, dass du hier auf das Begriffspaar āstika und nāstika verweist.

    Das Jahrtausend v. Chr. war in Indien sehr fruchtbar. Zu nāstika zählen, v.a. wegen der Ablehnung der alten heiligen Schriften Indiens (der Vedas), der Gottes- (Ishvara) und/oder Seelenvorstellung (ātman), unter anderem Buddhismus, Jainismus und der Materialismus der Cārvāka-Schule, der meines Wissens älter ist als der Materialismus des antiken Griechenlands.

    Der Jainismus hat als kleine, jedoch anerkannte Gruppe in Indien überlebt (Bekannte einer Freundin essen zum Beispiel keine Kartoffeln oder Zwiebeln, weil die unter der Erde wachsen und bei der Ernte zu viele Insekten getötet werden, was schlechtes Karma bedeutet); der Buddhismus ist eine “Weltreligion” geworden, doch v.a. außerhalb Indiens; und den Materialismus kennt man vor allem über die Schriften der sechs großen theistischen Schulen Indiens, die die Annahmen der Cārvāka-Schule widerlegen wollten – deren originale Schriften hat man wohl entweder vernichtet oder schlicht nicht mehr kopiert, wodurch sie verloren gingen.

    Und ja: Diese philosophischen Materialisten waren gleichzeitig Vulgärmaterialisten. Sie meinten, man solle das Diesseits genießen, ältere Herren sollten sich z.B. mit jüngeren Damen vergnügen, denn man habe nur dieses eine Leben. Nur dass mir jetzt keiner sagt, er habe das von MENSCHEN-BILDER!

  35. “Ein gutes Verhältnis wäre vielleicht 80% für Mensch und Natur und 20% als intellektuelle Freude.”

    Hmmm. Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Wenn ich diese Wunschvorstellung mal absichtlich als Forderung missverstehe, dann wird sie viel Beifall ernten, wenn sie auf Psychologie und Hirnforschung bezogen wird. Aber statt Beifall nur Kopfschütteln, wenn man sie auf Astrophysik oder Paläontologie bezieht. Das ist doch wieder unfair, oder?
    Und ich finde es auch albern, dass seit Jahren jede neurowissenschaftliche Veröffentlichung, mag sie auch noch so knochenharte Grundlagenforschung beschreiben, in den Conclusions einen Textbaustein hat von der Art: “These results will be helpful in developing new therapies for psychatric diseases . . .” Dürfen wir nicht dazu stehen, dass Neugier und Erkenntnis einen Wert an sich darstellen?

    Andererseits teile ich durchaus Deine Sicht des selbstreferentiellen, überhitzten, weltfernen Wissenschaftsbetriebs.
    Vielleicht verlangt eine Synthese auch hier, dass wir systemisch denken. Ändern müsste sich nicht zuerst die Wissenschaft für sich, sondern ihre Stellung in der Gesellschaft, und letztlich das kapitalistische Wirtschaftssystem, in dem Alles verwertbar zu sein hat. In einer besseren Welt könnten die Universitäten wieder Humboldtsche Paradiese sein, wo neugierige Gelehrte in Ruhe und Weitsicht Fragestellungen nachgehen könnten, die ihnen am Herzen liegen (und schon dadurch wohl weltbezogen wären), ohne auf Titel zu gieren oder um Drittmittel zu kämpfen.

  36. Der Hauptfehler ist, von “Bewussstsein” zu reden, als wäre es eine selbstständige Entität mit eigener “frei schwebender” Existenz. Besser wäre es, von “Bewusstheiten” zu reden, der Bewusstheit unserer Wahrnehmungen, Erinnerungen, Gedanken, Gefühle, Wünsche, Absichten. Auf Franz Brentano geht der Begriff der “Intentionalität” zurück, das ist die Gerichtetheit der Gedanken auf ein Etwas, z.B. “ich liebe dich”. Nicht zufällig entspricht diese Struktur der Struktur von Informationen als binäre Relation. Brentano sah die Intentionalität als charakteristische Eigenschaft des Bewusstseins, sie darf aber nicht mit dem Begriff der Intention als Absicht verwechselt werden. Die Intentionalität ging in die Phänomenologie von Husserl ein.

  37. @Konrad: Perspektive

    Das kommt darauf an… Astrophysik und Paläontologie würden dann eher, global gesehen, in die 20% zum reinen Erkenntniserwerb fallen; und bei der Paläontologie wäre ich mir noch nicht einmal so sicher (man denke nur an das Thema: Erderwärmung). Nagel mich bitte nicht auf das 80-20-Verhältnis fest; es ging mir darum, überhaupt mal eine Zahl zu nennen.

    Und ob man den Kapitalismus gleich abschaffen müsste…? Damit rückt das Ziel in weite Ferne; und ich sehe durchaus Teile des Kapitalismus, die gut funktionieren. Der frühere Harvard-Ökonom David C. Korten hat eine Art “spirituellen Kapitalismus” entwickelt, in dem Natur und Erde einen eigenen Wert beigemessen bekommen und nicht nur zur Bedürfnisbefriedigung von und Müllhalde für Menschen da sind: Change the Story, Change the Future: A Living Economy for a Living Earth. Das ist der beste Vorschlag zum Thema, den ich bisher gesehen habe.

  38. @anton reutlinger

    Der Hauptfehler ist, von “Bewussstsein” zu reden […] Besser wäre es, von “Bewusstheiten” zu reden […] Brentano sah die Intentionalität als charakteristische Eigenschaft des Bewusstseins

    Brentano ist also der Hauptfehler unterlaufen, er hätte besser von charakteristischen Eigenschaften der Bewusstheiten reden sollen. Macht das die Sache wirklich klarer? – Nun gut, wenn Sie meinen. In der Bewusstheit, dass Sie es nur gut meinen.

  39. “Nastika” … sind Atheisten
    Naja so ganz stimmt das aber nicht. Zu den Nastikas zählt man den Buddhismus, Jainismus und die materialistischen Charvaka- oder Lokayata-Schule.

    Im Jainismus sieht z.B. jede Seele als quasi unreine Götter, ergo es gibt sehr viele Götter.
    Auch kennt der Buddhismus Devi (Götter) “Im Buddhismus werden die Devas als „Himmelswesen“ oder „Götter“ bezeichnet. Sie leben in den Sechs Daseinsbereichen in einer „glücklichen Sphäre“,” (Wiki)

    Das passt zu der Annahme von keinen Göttern (Atheismus) nicht so recht.

  40. Mein Fazit:

    Gewalt ist auch mit Religion gut vereinbar. Ein älteres Beispiel ist der heilig gesprochene Kreuzzugsprediger Bernhard von Clairvaux. Ein modernes Beispiel aus Indien ist die 1992 erfolgte gewaltsame Zerstörung der Babri-Moschee in Nordindien, die durch Hindu-Fundamentalisten angeheizt wurde. Es folgten Unruhen mit Hunderten Toten.

    Von einer Ontologie kann nicht auf eine Ethik geschlossen werden, die Bereiche sind unabhängig. Religion ist keineswegs Garant besserer Ethiken, sie war oft genug auch Mitursache wilden Gemetzels. Menschenrechte mussten gegen religiösen Widerstand durchgesetzt werden. “Gottesstaaten” stellen sich nicht als Menschenrechtsparadiese heraus. Ebenso ist spirituelles Erleben von ontologischen Erwägungen unabhängig. Fühlen und Denken sind verschiedene Kategorien.

    Die religiöse Übergriffigkeit auf die wissenschaftliche Theoriebildung hat eine lange Tradition. Die Freiheit der Wissenschaft musste hat erkämpft werden. Dieser Kampf ist leider noch nicht zu Ende, Rückschritt ist möglich.

  41. @religiöser Naturalismus?

    Wenn sich der Naturalismus darin äußert, dass man das Leben in der realen Welt als Sinn begreift, die Schönheit der Natur als wesentliche Lebensqualität betrachtet und die Erkenntnisse der Wissenschaften auch als spirituelle Beschäftigung sieht, dann hat das ja was.

    Hier mag zwar fehlen, dass man sich wirklich bewusst ist, Teil vom Ganzen zu sein, und man wird auch nicht mit geistiger Unterstützung rechnen, aber wenn man wirklich die Probleme der Zeit anpackt, ist dann unterm Strich viel gewonnen.

    Eine religiöse Orientierung, die in dem Sinne weltfremd ist, dass sie das irdische Leben an sich problematisiert und alle Qualität auf nach dem Tod verschiebt, die ist jedenfalls richtig kontraproduktiv. Das kann gerne weg.

    Es gibt hier, finde ich zwei Bereiche, die wirklich wichtig sind. Einmal die Gestaltung unserer Technik im Sinne einer langfristigen Erhaltung der ökologischen Rahmenbedingung, im Sinne von uns Menschen selbst, aber auch mit hinreichender Koexistenz von naturbelassenen Naturräumen.

    Das andere ist eine Orientierung auf sozusagen geistige Nahrung. Hier stellt gerade die Wissenschaft viel Material zur Verfügung, das einfach nur interessant ist. Und hier kann die Wissenschaft auch gerne in Richtungen forschen, die ansonsten nutzlos sind. Etwa die Astronomie, die ist finde ich die inspirierenste aller Wissenschaften, und kurz- und mittelfristig doch vollkommen nutzlos. Alles was über die Satellitentechnik hinausgeht, müssen wir eigentlich nicht wissen.

    Ich denke es gehört auch zu den Herausforderungen der näheren Zukunft, dass man Alternative Beschäftigungen findet, die nicht auf Konsum und Naturverbrauch ausgerichtet sind. Wissenschaft gehört hier sicher dazu, sowohl in der Produktion wie in der Rezeption der Erkenntnisse.

    @Mussi 15.03. 19:09

    „sondern aktiv eine Schrumpfung auf 1 mrd anzugehen„

    Ich würde sagen 4 Mrd reicht, wenn wir genügsamer sind auch 6 Mrd. Und wenn das mit den Bakterienkulturen klappt, die mit grünem Wasserstoff gefüttert werden, und es dann kaum noch Landwirtschaftliche Flächen mehr braucht, dann gehts auch mit 20 Mrd, würde ich sagen.

    Mehr Menschen heißt auch mehr Wissenschaftler, mehr Forschung, mehr Technik, mehr Fortschritt. Auch was etwa interstellare Raumfahrt angeht, so wird hier mit mehr Menschen auch mehr möglich sein. Voraussetzung ist natürlich eine naturverträgliche Kreislaufwirtschaft, aber auch ein friedliches Zusammenleben.

    Und eine Lebensweise, die der Natur des Menschen entspricht. Hier könnte in der Tat mal die Psychologie mehr Verwertbares liefern, nicht nur für den Umgang mit psychischen Krankheiten, auch für das „normale“ Menschenleben. Aber Hirnforschung mag dennoch langfristig interessant sein. Etwa auch, wenn es um die Frage geht, ober unsere innere Erlebniswelt mit samt dem Bewusstsein nicht doch auch wirklich in Geisteswelten hineinreicht. In jedem Falle ist Hirnforschung wohl auch noch für KI-Fragen interessant – und einfach, um unserer Neugier neues Material zu liefern.

  42. @Schleim
    dass man das Wozu der Wissenschaft wieder mehr ins Zentrum rücken sollte; und Wissenschaft für den Menschen und in der Welt eine Rolle spielen sollte und nicht nur in der simulierten bzw. modellierten Scheinwelt des Labors und der Fachzeitschriften.

    Sie wissen doch selbst, dass Wissenschaft mehrere Sparten umfasst, von der Grundlagenforschung bis zu technischen und medizinischen Entwicklungen oder ökonomischen und ökologischen Anwendungen wie Klimaschutz. Forschende Neugier kann man den Menschen nicht verbieten, man kann ihnen natürlich das nötige Geld verweigern. Die Ursachen problematischer Anwendungen von Wissenschaft sind Macht, Geldgier, Prestige. Es ist richtig, dass die Wissenschaft in diesen Belangen zu wenig Widerstand leistet, aber die Macht regiert eben auch über die Köpfe der Wissenschaft. Vom Lehnstuhl des Philosophen in einem demokratischen Rechtsstaat ist leicht zu urteilen!

  43. @einer: oberflächlich

    Fragen wie die, ob es im Jainismus Seelen gibt (und wenn ja: was das heißt) oder ob es im Buddhismus Götter gibt (und wenn ja: was für welche) sollte man nicht nur nach einem oberflächlichem Studium eines Wikipedia-Artikels beantworten; wenn man sich schon damit beschäftigt.

    Im Ursprungsbuddhismus gab es keine Götter; und im Übrigen auch keine Götterbilder. Später änderte sich das, vielleicht, um andere “Zielgruppen” anzusprechen. Heute würde man das Marketing nennen.

    Einige versuchen hier ständig, mit Maßstäben aus dem späten 20./frühen 21. Jahrhundert über Menschen in den 2500 Jahren davor zu urteilen. Ich bin gespannt, was die Menschen im 30./31. Jahrhundert einmal über uns denken werden, wenn wir nicht so blöd sind, einander vorher auszulöschen.

    P.S. Ihr Antwort bezog sich wohl vor allem auf Konrad Lehmann; es würde helfen, wenn Sie das kenntlich machen.

    P.P.S. Aus den drei Kriterien, die ich nannte, und dem Und/Oder hätten Sie sich selbst ableiten können, dass nāstika-Strömungen möglicher-, doch nicht zwingenderweise atheistisch sind.

  44. @Feodor: einseitig

    Zur intellektuellen Redlichkeit gehört übrigens, dass man Fehler einräumt; aber gut…

    Die Einseitigkeit Ihrer Sichtweise ist mir schon vorher aufgefallen. Wer gründete die ersten Universitäten? Die Kirche. Und schauen Sie sich z.B. den Nationalen Ethikrat an, wer da sitzt, wenn Sie sich mit dem Beitrag der evangelischen und katholischen Theologie zu ethischen Herausforderungen unserer Zeit beschäftigen wollen.

    MENSCHEN-BILDER ist kein Ort zur Verbreitung von Vorurteilen. Bei Ihnen mache ich mir da aber nicht mehr so viel Hoffnung. Jedenfalls überzeugt mich Ihr Auftreten ganz und gar nicht.

  45. @Schleim
    Ich bin gespannt, was die Menschen im 30./31. Jahrhundert einmal über uns denken werden, wenn wir nicht so blöd sind, einander vorher auszulöschen.

    Glauben Sie an das ewige Leben oder Ihre Wiederauferstehung? Ihren Agnostizismus nehme ich Ihnen nicht ab, er erscheint mir nur als Fassade!

  46. @Schleim

    Wer gründete die ersten Universitäten?

    Das kommt stark darauf an wie man Universität definiert.

    Schulen höheren Lernens gab es lange vor der Kirche.

    Platonic Academy in Athen z.B. 387 BC
    Das Lyceum mit der Schule der Philosophie 334 BC
    Das Museion in Alexandria ~300BC

    Auch in Indien gab es diverse philosophische Schulen so um 300 BC
    Ebenso in Persien … etc.

    Schon in Babylon gab es Schulen … immerhin kommen da die ältesten Hinweise auf den Satz des “Pythagoras”, pi, quadratische Gleichungen etc. her. (je nach Inhalt ab 2000 BC in Nippur)

    Sind obige Schulen “Universitäten”? Im Sinne von „Gemeinschaft der Lehrer und Schüler“ sicherlich.

  47. Mathematik in Babylon lässt sicher sicher bis ins dritte oder gar in fünfte Jahrtausend BC zurückverfolgen … vieles was man damals konnte, benötigte sicher Schulen, um es zu lernen.
    Oft waren das Privatschulen … oder halt Unis.

  48. Shulgi (~2000 BC) spricht von seinen staatlich geförderten Akademien in Nippur und Ur “Häuser der Weisheit der strahlenden Nisaba” und “Ort des Lernens”.
    Es ist nicht schwer vorstellbar, dass die Schreibausbildung in der Ur-III-Zeit wie so vieles andere unter die Kontrolle des Staates geriet. Aus den Dokumenten geht hervor, dass die Provinzgouverneure für die Instandhaltung der Schreiber der Lernenden in den örtlichen Zentren verantwortlich waren.

    Andrew George 2005 (School of Oriental and African Studies (SOAS))

  49. “Was wir vom Rätsel Bewusstsein lernen können (15.3.2021)”

    Ich denke, wir können lernen, dass die reduktive Methode der (Natur-) Wissenschaft sowohl der Neugier der Wissenschaftler folgt als auch sehr erfolgreich ist.
    Wir lernen aber auch, dass die Verabsolutierung der Methode zur Methodologie, nämlich alles aus der Reduktion heraus erklären zu können, schlichtweg falsch ist. Erst wenn man begreift, dass (irreduzible, starke) Emergenzen existieren, die nach anderen Regeln funktionieren, als die Elemente, kann man eine synthetische Humanwissenschaft schaffen, die mit ein und derselben Kategorie materielle wie ideelle (nämlich bedeutungshafte) Phänomene beschreibt, wie z.B. Bewusstsein. Eine synthetische Sichtweise steuert darüber hinaus den Fokus der Forschung.
    Zur Illustration: kriecht man in einem stockdunklen Kuppelbau mit der Taschenlampe an der Wand entlang, kennt man das Material, weiß aber nicht, in welchem Gebäude man sich befindet. Hängt man an der Decke eine Lampe auf, kennt man das Gebäude, aber nicht das Material. Ergo: synthetische Betrachtung.

  50. @einer: Universitäten

    Ja – wenn einem die Antwort nicht passt, dann schraubt man an der Definition, bis sie passt. Ist das für Sie wissenschaftliches Arbeiten?

    Also die europäische Kulturgeschichte ist da relativ eindeutig: Die ersten Universitäten konnten nur mit Zustimmung des Papstes oder Kaisers gegründet werden, sonst hätten sie gar keine akademischen Grade verleihen können. Die drei klasssichen Fakultäten waren: Medizin, Rechtswissenschaft & Theologie…

    …und weil Sie sich jetzt nicht nicht genug ins Fettnäpfchen gesetzt haben, kommen Sie u.a. mit Platons Akademie. Klar, damals gab’s noch kein Christentum, also konnte die (christliche) Kirche diese Akademien auch nicht gründen. Die Platoniker waren natürlich alle Atheisten, Materialisten und Naturalisten erster Güte, mit Ihrem Glauben an die Ideen und die unsterblichen Seelen.

    Auch für Sie gilt, ebenso wie für @Feodor, dass man allein aus intellektueller Redlichkeit einen Irrtum einräumen sollte, sonst begeht man einen zweiten. Aber auch bei Ihnen mache ich mir da kaum noch Hoffnungen. Das ist der eigentliche Skandal: Sie erreichen nicht einmal das Niveau der Philosophie von vor 2.500 Jahren.

  51. @Reutlinger: echte reutlingersche Logik

    Klar: Aus der Tatsache, dass ich behaupte, dass es im 30./31. Jahrhundert noch Menschen geben wird, falls wir uns nicht vorher schon ausgelöscht haben, schlussfolgert ein echter Reutlinger, ich würde an eine Wiederauferstehung glauben. Hä?

    Warum lassen Sie mich mit Ihrem Quatsch nicht endlich in Ruhe?

  52. @Stephan: Reutlinger
    Nein, fairerweise muss man einräumen, dass er sich vermutlich auf Dein einleitendes “Ich bin gespannt” bezieht.
    Bloß keine lebendige Sprache benutzen! Es kann alles gegen uns verwendet werden.

  53. @Schleim
    Solche Antworten nennt man ad hominem, weil der berechtigte Widerspruch nicht geschmeckt hat! Haben Sie die islamischen Mauren in Spanien vergessen?

    Man liest von den Übersetzerschulen von Toledo, wo das wissenschaftliche und philosophische Erbe der griechischen Antike weitervermittelt und eigenständig weiterentwickelt wurde. Man staunt, wie hoch die Dichtung geachtet und geschätzt wurde. Und man begegnet den bedeutendsten Denkern des Mittelalters, die hier guten Nährboden fanden. Christliche Monarchen huldigten den Kalifen von Córdoba, der Papst selbst reiste an. Im 10. Jahrhundert hatte die Christenheit dem Glanz und der Kultiviertheit des Kalifats nichts entgegenzusetzen.

    Georg Bossong: Das maurische Spanien.

  54. @Reutlinger: ad hominem?

    ad hominem – weil man Ihnen wieder und wieder logische Fehler nachweist?

    Was Sie hier an einem Tag an Unsinn verbreiten, hätte ich mir nicht vorstellen können. Ich ignoriere Sie seit Tagen – trotzdem schreiben Sie immer weiter an mich. Das kann man schon als Belästigung auffassen. Ich würde Sie hier jedenfalls nicht vermissen.

  55. Reutlinger,
    was wollen Sie denn beweisen, wenn Sie das Kalifat in Südspanien mit den christlichen Barbaren aus Nordspanien vergleichen.
    Dazwischen liegen 1500 Jahre Geschichte.
    Die Alhambra haben die Sklaven bauen müssen. Und die Ritter aus Nordspanien haben die Sklaven befreit.
    Bei Cordoba, da war selbst der spanische König entsetzt, als man in die mezquita eine Kirche gesetzt hat.

  56. @hwied:

    witzig was sie da schreiben, selbst in Wikipedia steht das irgendwie anders:

    Unter der Herrschaft der Kalifen von Córdoba war Al-Andalus ein reiches, blühendes Land. Kunst und Wissenschaft waren weltberühmt, das Handwerk galt in ganz Europa als Vorbild. Für alle Kinder gab es Schulen, für die Einwohner der Stadt Krankenhäuser, Bibliotheken und Freizeitzentren. Die Straßen waren befestigt, und es gab überall Wasserleitungen – im christlichen Europa war solch ein Luxus unbekannt. Im Emirat von Granada, obwohl politisch und wirtschaftlich in hohem Maße von Kastilien abhängig, erlebte diese Kultur eine letzte, späte Blüte.

    Wer befreit nun wo welche Sklaven?

    Auch die slawischen Fürsten konsolidierten mit dem Menschenhandel ihre Herrschaft. Um das Jahr 960 befand sich nach Angaben des jüdisch-arabischen Reisenden Ibrahim ibn Yaqub einer der bekanntesten Sklavenmärkte unterhalb der Hauptburg der přemyslidischen böhmischen Fürsten in Prag.[19] Mit der Christianisierung ging die Sklaverei im hochmittelalterlichen Mitteleuropa, wo es Christen verboten war, andere Christen als Sklaven zu verkaufen oder zu erwerben, zurück. Südlich der Alpen – etwa in den italienischen Seerepubliken, im Schwarzmeerraum, auf dem Balkan und in Ägypten – wurden Sklaven jedoch weiterhin in großem Umfang gehandelt. Auch Päpste und Klöster besaßen Sklaven. Mittelalterliche Theologen wie Thomas von Aquin begründeten unter Berufung auf Aristoteles die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit der Sklaverei aus dem Naturrecht.[20]

    Was? wie? Etwa Christen die Sklaven halten? Sowas

    Wie war das mit den spanischen Rittern welche Sklaven befreit haben wollen?

  57. @Stegemann:

    Nur kurz zur Methodik. Wenn sie eine starke Emergenz postulieren wäre es hilfreich auch ein genau definiertes Beispiel dafür anzugeben. Ein komplett unscharfer Begriff wird da nicht reichen.

  58. @Neher: Ich vermute, Sie verstehen unter Emergenz etwas anderes als ich. Ich hatte das Beispiel Bewusstsein angeführt. Sie werden aber sicher eine reduktionistische physikalische Definition im Kopf haben. Macht aber nichts, ich bin hier Krittelei gewohnt.

  59. @Jeckenburger
    Heute habe ich mal die Frage ‘Wem gehört die Erde?’ gegoogelt.
    Philosophisch ziemlich unbesetzt,obwohl die Naturethik dem Leben einen intrinsischen Wert zuschreibt.

  60. @Schleim
    Ich würde Sie hier jedenfalls nicht vermissen.

    Das glaube ich Ihnen gerne. Aber leider kann ich Ihnen nicht immer zustimmen, andere Diskutanten offenbar auch nicht. Sie sind es, der den Blog geschrieben hat, also richten sich Kritik und Widerspruch hauptsächlich an Sie. Und es scheint, dass manche Schreiber hier einen Hochschulabschluss haben wie Sie. Bleiben Sie sachlich.

    “daß jeder guter Christ bereitwilliger sein muß, die Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verurteilen; und wenn er sie nicht retten kann, erkundige er sich, wie jener sie versteht, und versteht jener sie schlecht, so verbessere er ihn mit Liebe; und wenn das nicht genügt, suche er alle angebrachten Mittel, damit jener, indem er sie gut versteht, sich rette.”

    Ignatius von Loyola (1491-1556), Praesupponendum

  61. @Stephan Schleim

    Glücklicherweise hat man sich nun in Teilen der Humanwissenschaft vom reduktionistischen Denken gelöst, weil es einen in vielen Fällen nicht weiterbringt. Der neue Ansatz des “New Mechanism” integriert verschiedene Erklärungsebenen, anstatt sie auf irgendeine grundlegende Ebene zurückzuführen. Die Zukunft sieht interdisziplinär und vielschichtig aus, nicht einseitig.

    Wunderbar, tolle Aussichten.

    Das sind schlechte Neuigkeiten für die eingangs erwähnten Materialisten und Naturalisten.

    Ich vertrete einen emergentistischen Materialismus und bin Naturalist bis auf die Knochen. Ich finde diese Neuigkeiten toll und zukunftweisend.

    Keine Ahnung, welches Problem ich mit diesen neuen Ansätzen haben sollte. Aber ich gehöre ja nicht zu den eingangs erwähnten. Vielleicht ist die Welt der Naturalisten und Materialisten bunter, als Sie es sich vorstellen?

    Ich hätte erst dann ein Problem, wenn jemand zeigen könnte, dass der Substanzdualismus korrekt ist. Denn dann würde es aus meiner Sicht nicht mehr ‘mit rechten Dingen zugehen’. Aber das würde ich akzeptieren und zum Substanzdualismus konvertieren. Aber eben erst, wenn jemand zeigen konnte, dass es eine Übernatur gibt.

  62. @Neher: ich habe hier schon in zig Beiträgen von Bewusstsein als emergentem System gesprochen, von daher verstehe ich Ihre Fragen nicht. Was wollen Sie genau??

  63. @Stegemann

    Es geht um ihre Aussage der starken Emergenz. Das Bewusstsein emergent ist bezweifelt keiner. Aber das ist auch jeder Fischschwarm.
    Also, wieso starke Emergenz?

  64. @Neher: Bewusstsein ermöglicht ein philosophisches Gespräch. Wie wollen Sie das rein neuronal fassen? Geht nicht. Es ist in diesem Sinne also stark emergent. Aber nicht nur im “ideellen” Sinn, also in Form von Bedeutungen, sondern auch rein materiell ist Bewusstsein nicht auf die Funktion einzelnen Elemente reduzierbar. Nach meiner Theorie ist Bewusstsein, Denken, Gedächtnis multimodal (bioelektrisch, hormonell, proteinbildend) sowie virtuell holographisch, und zwar sowohl im Sinne einer “holographischen” Speicherung (nicht technisch gemeint) wie auch im Sinne eines ganzheitlichen Erlebens und Empfindens. Ich kann natürlich versuchen zu definieren, ab welcher ‘effektiven Information’ (Tonnoni) Bewusstsein entstehen kann, das ist dann aber ein technischer Teilaspekt.

  65. @Reutlinger: Hausordnung

    Halten Sie sich an die Diskussionsregeln. Ich habe schon mehrmals gesagt: Ich rede nicht mehr mit Ihnen. Also belästigen Sie mich nicht mehr. Insbesondere werde ich mir von Ihnen keine Unterstellungen mehr der Form bieten lassen, ich versteckte meine wahren Ansichten hinter einer Fassade.

    Sie haben jetzt meine tieforangefarbene Karte und fliegen hier halt raus, wenn Sie weiter Ihr Spielchen spielen. Mehr sage ich dazu nicht mehr.

  66. @Waschke: nicht-reduktionistischer Naturalismus?

    Wir verwenden unterschiedliche Begrifflichkeiten. Ihr Standpunkt klingt für mich nach einem nicht-reduktiven Materialismus oder einem Eigenschaftsdualismus. Inwieweit in einem starken Sinne emergente Phänomene mit einem Naturalismus vereinbar sind, hängt wohl von der genauen Definition ab.

    Mir kommt der Eindruck, dass wir hier wieder auf die unterschiedlichen Ebenen aufpassen müssen: epistemisch oder ontologisch? Ihnen ist klar, dass ich über die Ontologie keine Aussage treffen kann und will? Vielleicht ist das der Unterschied: dass Naturalismus eben doch eine Form von Metaphysik ist, während ich auf der Erkenntnis- bzw. Beschreibungsebene bleiben muss.

    P.S. Wollen Sie mich eigentlich ärgern, mit den “rechten Dingen”? 😉

  67. Brauchen wir für Mensch und Natur eine andere Wissenschaft?

    Mein persönliches Fazit aus dieser Blog-Reihe inkl. Kommentaren: Für das „gesamte Bild“ benötigt man beide, nämlich (eher) geisteswissenschaftliche und (eher) naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Für das friedliche Zusammenleben der Menschen sind (eher) geisteswissenschaftliche Erkenntnisse womöglich wichtiger als (eher) naturwissenschaftliche Erkenntnisse.

    Allerdings sind für mich die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse unabdingbares Fundament. Wenn das ignoriert wird, hilft das nicht für das gesamte Bild.

    Was in einem Buch für Kinder völlig in Ordnung ist („Ich mach mir die Welt, wie-de-wie-de wie sie mir gefällt“), ist in der Forschung oder in der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse schlicht ärgerlich.

  68. @Stephan Schleim 16.03.2021, 21:14 Uhr

    Emergentistischer Materialismus

    Wir verwenden unterschiedliche Begrifflichkeiten. Ihr Standpunkt klingt für mich nach einem nicht-reduktiven Materialismus

    Warum verwenden Sie nicht einfach den Begriff emergentistischer Materialismus?

    oder einem Eigenschaftsdualismus.

    Nein, emergentistisch reicht. Das ist sogar ein Eigenschaftenpluralismus auf der Erklärungs- und Beschreibungsebene. Aggregate von Materie haben Eigenschaften, die den Bestandteilen nicht zukommen. Wie Wagenschein so schön formulierte: “Wasser ist nicht gewinkelt, und H2/O ist nicht nass.” Mutatis mutandis zieht sich das durch bis zum menschlichen Geist.

    Inwieweit in einem starken Sinne emergente Phänomene mit einem Naturalismus vereinbar sind, hängt wohl von der genauen Definition ab.

    Selbstverständlich, ich habe schon mehrfach gesagt, dass ich mich auf Bunge und Mahner beziehe. Die haben das längelang ausgeführt, und zwar schon vor über 20 Jahren. Ich habe auch auf Sukopp verwiesen. Ist natürlich durchaus ein Problem, dass man hier mit Äquivokationen unterwegs sein kann. Da ich klar formuliert habe, was ich unter ‘Naturalismus’ verstehe, fühle ich mich nicht betroffen.

    Mir kommt der Eindruck, dass wir hier wieder auf die unterschiedlichen Ebenen aufpassen müssen: epistemisch oder ontologisch?

    Ich halte diese Ebenen sauber getrennt. Wenn ich Recht habe, können Sie epistemisch machen was auch immer Sie wollen, sie treiben das mit Emergenzen von ‘Materie’ (was auch immer das konkret sein mag, solange es nicht ‘geistig’ ist). Zumindest so lange, bis Sie einen Substanzdualismus evident machen können.

    Nur nebenbei, komisch, dass man ‘epistemisch und ontologisch’ sagt, und weder ‘epistemologisch und ontisch’ oder, eigentlich korrekt, ‘epistemisch und ontisch’. Es sei denn, man spricht über diese Kategorien und wie man was mit diesen treiben möchte. Ist wie mit ‘methodisch’ und ‘methodologisch’.

    Ihnen ist klar, dass ich über die Ontologie keine Aussage treffen kann und will?

    Aus meiner Sicht verzichten Sie dadurch auf eine konsistente Weltsicht. Dogmatismus kann man dadurch entgehen, dass man seinen Standpunkt evidenzbasiert unter Fallibilitätsvorbehalt vertritt. Wenn eindeutige Hinweise auf Supranaturalismus vorliegen, gebe ich meinen Standpunkt auf. Aber eben erst dann.

    Nur nebenbei, selbstverständlich ist der emergentistische Materialismus auch mit einem (nicht radikalen) Konstruktivismus verbunden. Denken Sie daran, dass in dieser Ontologie ‘die Welt’ in ‘Dinge’ und ‘Konstrukte’ eingeteilt wird.

    Ach, und noch was. Ich vermute, dass wir auch ‘Agnostizismus’ unterschiedlich verstehen. Für mich ist das kein Schlupfloch für eine Übernatur. Auch wenn ich etwas nicht ausschließen kann, heißt das noch lange nicht, dass es sinnvoll ist. Das war letztlich der Grund, warum ich zum Ignostizismus konvertierte.

    Vielleicht ist das der Unterschied: dass Naturalismus eben doch eine Form von Metaphysik ist, während ich auf der Erkenntnis- bzw. Beschreibungsebene bleiben muss.

    Wie Mahner und Bunge lehren: es gibt keine Wahl zwischen einer Ontologie oder keiner Ontologie. Man hat nur die Wahl zwischen einer guten und einer schlechten. Auch der Verzicht auf eine Ontologie ist keine Tugend. BTW, Ontologie und Metaphysik sind für Bunge und Mahner mehr oder weniger Synonyme.

    Natürlich kann man auf der Ebene der Beschreibungsebene verbleiben. Aber ist das Erkenntnis, wenn man sich weigert, zu überlegen, was man denn da eigentlich beschreibt und wie das zustande kommt?

    P.S. Wollen Sie mich eigentlich ärgern, mit den “rechten Dingen”?

    Nein, ich verwende eine meines Wissens übliche Terminologie. Was ist daran ärgerlich, wenn man eine Übernatur als ‘nicht mit rechten Dingen zugehend’ beschreibt?

  69. Thomas Waschke 16.03.2021, 21:55 schreibt:

    Aber ist das Erkenntnis, wenn man sich weigert, zu überlegen, was man denn da eigentlich beschreibt und wie das zustande kommt?

    Das ist die unverhohlene Forderung nach einem Glaubensbekenntnis. Der Agnostiker sieht sich unziemlich bedrängt.

  70. Nachtrag: Die Logik der Forschung, von K R Popper später kritischer Rationalismus genannt, dient der Erkenntnis und kommt ohne metaphysische Grundlegung aus.

  71. @Thomas Waschke 16.03. 21:55

    „Wenn eindeutige Hinweise auf Supranaturalismus vorliegen, gebe ich meinen Standpunkt auf. Aber eben erst dann.“

    Ok, das ist eine Haltung. Es gibt aber offenbar Menschen, die meinen, dass sie spirituelle Erfahrung haben, und oft ist für sie der „Supranaturalismus“ durchaus etwas belegt, wenn auch nur persönlich. Wie soll man sonst mit eigenen Erfahrungen umgehen?

    @Timm Grams 17:03. 00:04

    „Das ist die unverhohlene Forderung nach einem Glaubensbekenntnis. Der Agnostiker sieht sich unziemlich bedrängt.“

    Hier möchte ich dann den Agnostiker verteidigen: Der Agnostiker sieht ja auch einerseits Menschen, die spirituelle Erfahrungen und entsprechende Weltmodelle haben, und am anderen Ende, solche, die dieses prinzipiell ausschließen. Wieso sich hier festlegen? Die Gegensätze sind da, sich zurückzuhalten und abzuwarten, welche Erkenntnisse die Zukunft bringt, das ist doch eine intelligente Haltung.

  72. Harald Andresen
    16.03.2021, 21:54 Uhr
    Brauchen wir für Mensch und Natur eine andere Wissenschaft?

    Ihren Ausführungen kann ich noch folgen, anderen hier nicht.
    Was die “Geisteswissenschaften” angeht, so ist für mich die Kardinalfrage, wo der Geist vor der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle ist, ab wann er danach auftritt und wo er bleibt, wenn der für medizinisch tot erklärte Körper schließlich eingeäschert wurde.
    Der Glaube hat darauf eine Antwort, die Naturwissenschaft nicht, hat die Geisteswissenschaft eine?
    Die Naturwissenschaften versuchen sine ira et studio Fragen aus dem Zustand “davor”, “während” und “danach” zu beantworten, Irrtum vorbehalten, klärt sich hoffentlich später auf.
    Was ist “Geist”?
    Ich möchte mal ein Beispiel versuchen: Ich kann ein Auto bis zur letzten Schraube zerlegen, aber ich werde bei der Aktion keine “Geschwindigkeit” finden, die entsteht erst während des Betriebs durch das Zusammenwirken aller Teile. Ich kann mich aber über die “Geschwindigkeit” unterhalten und sogar streiten, die vor Kindergärten, Altenheimen, in der Stadt, über Land, auf der Autobahn, ob sie zu hoch, unangepasst oder angemessen ist.
    Die Diskussion über “Geschwindigkeit” erklärt aber immer noch nicht die Funktionsweise des Autos, höchstens die Funktion in Bezug auf den Menschen darin und davor.
    Was ist “Geist”?

  73. @Andresen, Grams, Jeckenburger, Waschke: Ende der Diskussion?

    Mich beschleicht so ein Gefühl, dass wir zwar keinen Konsens finden werden, einander aber besser verstehen als vorher. Vielleicht ist das ein (gutes) Zeichen dafür, dass sich die Diskussion dem Ende nähert.

    Mir kam übrigens in Reaktion auf dieser Serie der Gedanke, vielleicht im nächsten Jahr einmal ein Büchlein zu diesem Thema zu veröffentlichen. Mal schauen.

  74. @Andresen: Naturwissenschaften

    Danke für diese versöhnlichen Worte… aber rein interessehalber, nicht als Provokation: Die Naturwissenschaften brauchen wir als Fundament… wofür genau?

  75. @Waschke: Emergenz & Skepsis

    Danke für die Zeit und die Mühe, mit der Sie hier Ihren Standpunkt verdeutlichen (und den Mahners/Bunges). Fast hätten Sie mich überzeugt… 😉

    Aber wenn ich es einmal etwas persönlicher formulieren darf (sonst könnten wir natürlich noch endlos darüber diskutieren, was “Emergenz” ist), dann kommt mir der Eindruck: Sie (und Mahner/Bunge) versuchen, einen irgendwie “objektiven” Standpunkt einzunehmen, den der Beobachter-unabhängigen Dinge; für mich sind die Erfahrungen (Phänomene) primär und ich versuche, ähnlich den antiken Skeptikern, keine falschen Interpretationen/Überzeugungen zu haben, vielleicht am Ende sogar gar keine. Dann kann man mir natürlich vorwerfen, ich wolle mich nicht festlegen – das ist für mich aber gerade eine Tugend und kein Laster.

    Insofern ergibt sich für mich auch keine Notwendigkeit, mir über “Emergenz” den Kopf zu zerbrechen. Erkenntnistheoretisch skeptisch bin ich in der Lebenswelt ganz praktisch/pragmatisch: Beschreibungen dienen bestimmten Zwecken – und diejenigen Beschreibungen sind die Besten, die die Zwecke am besten erfüllen.

  76. @Maier: Geistes-, Naturwissenschaften und so

    Man sollte diese Kategorien nicht Verdinglichen (reifizieren). Sie sind traditionell gewachsen und schon im englischsprachigen Bereich nicht mehr dieselben (vgl. humanities vs. sciences).

    Insofern sollte man nicht denken, die “Geisteswissenschaften” würden sich primär mit irgendeinem “Geist” befassen, schon gar nicht einer Art “Weltgeist”, wie man ihn sich vielleicht im deutschen Idealismus vorstellte. Damit ist die Frage, was mit dem Geist geschehe, wenn der Körper vergehe, auch vom Tisch. (Lesetipp: Das kleine Einmaleins des Leib-Seele-Problems).

    Und ob die Philosophie sich in diese Dualität von Geistes- und Naturwissenschaften überhaupt einordnen lässt, ist wieder eine Frage für sich. Früher gab es einmal: Medizin, Rechtswissenschaft & Theologie. Alles andere war “Philosophie”. Daher gibt es in vielen (den meisten?) Ländern sogar in naturwissenschaftlichen Fächern einen Dr. phil., den berühmten PhD.

  77. @Waschke: ontisch/ontologisch

    Ja, man sollte sich natürlich schon präzise ausdrücken…

    …aber auch die Perspektive des Gegenübers berücksichtigen. Die Texte hier sind so schon anspruchsvoll (das Blog-System bedenkt mich oft mit einer roten Ampel in der Lesbarkeitsanalyse).

    Vor Jahren hatte ich mal eine Diskussion mit einem Genetiker, den störte, wenn man von “monogenetischen” statt “monogenen Erkrankungen” spreche. Seitdem bemühte ich mich um die korrekte Formulierung, erntete damit meistens aber Unverständnis, insbesondere auch in englischsprachigen Kontexten (“monogeneic disorders”?!).

    Mit jedem λόγος (lógos) kommt man auf eine abstraktere Ebene: Wort, Vernunft – eigentlich lässt es sich gar nicht richtig übersetzen. Tun wir ein Körnchen Salz hinzu.

  78. @Timm Grams 17.03.2021, 00:04 Uhr

    [Waschke:] Aber ist das Erkenntnis, wenn man sich weigert, zu überlegen, was man denn da eigentlich beschreibt und wie das zustande kommt?

    Das ist die unverhohlene Forderung nach einem Glaubensbekenntnis. Der Agnostiker sieht sich unziemlich bedrängt.

    Ersetzen Sie ‘Glaubensbekenntnis’ durch ‘evidenzbasierte Entscheidung unter Fallibilitätsvorbehalt’, dann haben Sie vollkommen Recht.

    Ich bin zum Ignostiker geworden, weil Agnostiker sich angeblich zu weigern hätten, evidenzbasiert Entscheidungen zu treffen. Daher kann ich ihnen nur sagen, dass es möglich ist, der Wahrheit ins Auge zu sehen und sich nicht von Gefühlen leiten zu lassen.

    Nachtrag: Die Logik der Forschung, von K R Popper später kritischer Rationalismus genannt, dient der Erkenntnis und kommt ohne metaphysische Grundlegung aus.

    Mir ist schleierhaft, wie man meinen kann, Erkenntnis ohne metaphysische Grundlegung sei möglich. Wie kommen Sie eigentlich darauf, etwas erkannt zu haben, wenn Sie gar nicht wissen, was es eigentlich ‘gibt’? Sie bleiben dann im Bereich von Sätzen über Sätze und es ist reiner Zufall, wenn diese auf das Sein passen.

  79. @Tobias Jeckenburger 17.03.2021, 00:48 Uhr

    Spirituelle Erfahrungen, Agnostizismus

    [Waschke:] Wenn eindeutige Hinweise auf Supranaturalismus vorliegen, gebe ich meinen Standpunkt auf. Aber eben erst dann.

    Ok, das ist eine Haltung. Es gibt aber offenbar Menschen, die meinen, dass sie spirituelle Erfahrung haben, und oft ist für sie der „Supranaturalismus“ durchaus etwas belegt, wenn auch nur persönlich. Wie soll man sonst mit eigenen Erfahrungen umgehen?

    Kritisch. Hinterfragen, wie diese Erfahrungen zustande kommen, mit denen anderer Menschen vergleichen und berücksichtigen, welche exaptierten neuronalen Module wir der Evolution verdanken.

    Wenn dann etwas intersubjektiv Gültiges bleibt, ist das ein Argument. Bisher sehe ich das nicht, aber das kann sich ändern.

    Und noch was zu Agnostizismus. Ich habe lange Jahre in diversen UseNet- und anderen Foren viele Prügel eingesteckt, weil ich Atheisten gegenüber den Agnostizismus vertreten habe. Ich habe meinen Standpunkt aufgegeben, und zwar deshalb, weil ich nicht nur über Evolutionsgegner publiziert, sondern auch viel mit diesen persönlich diskutiert habe. Als mir auffiel, dass einige der aktivsten Kämpfer gegen diese Menschen selber Christen waren, musste ich intensiver nachdenken. Es muss doch möglich sein, ein Gottesbild als nicht evident einzuschätzen und andere als so inhaltsleer zu betrachten, dass man sie nicht weiter beachten sollte. Beiden Gottesbildern gegenüber einfach agnostisch zu sein war für mich nicht hinreichend trennschaft. Dazu kam, dass ich mich wunderte, dass Naturalisten meinten, mit Supranaturalisten der einen Sorte zusammen auf Supranaturalisten der anderen Sorte eindreschen zu sollen. Das schien mir intellektuell nicht so ganz redlich zu sein.

  80. @Stephan Schleim 17.03.2021, 02:38 Uhr

    Philosophie

    Und ob die Philosophie sich in diese Dualität von Geistes- und Naturwissenschaften überhaupt einordnen lässt, ist wieder eine Frage für sich.

    Der Gehalt dieses Begriffs hat sich meines Wissens im Bereich der Naturwissenschaften durchaus gewandelt. Auch in anderen Bereichen, ich vermute, dass in etlichen Bereichen eine Wissenschaft ‘Philosophie’ entstanden ist, die mit den geistigen Höhenflügen nicht an empirischen Befunden geerdeter Spekulationen der Altvorderen nicht viel zu tun hat.

    Die englische Sprache ist oft vorbildlich, nicht nur ‘science vs. humanities’ finde ich sehr hilfreich, auch ‘faith vs. belief’, ‘sky vs. heaven’ oder ‘ape vs. monkey’ ist in vielen Diskussionen durchaus nützlich.

    Früher gab es einmal: Medizin, Rechtswissenschaft & Theologie. Alles andere war “Philosophie”.

    Denken Sie beispielsweise an den Titel von Lamarcks wichtigstem Buch:

    Philosophie zoologique, ou, Exposition des considérations relative à l’histoire naturelle des animaux

    ‘Philosophie’ bedeutete damals in etwa das, was wir heute als ‘Theorie’ bezeichnen, es gab keine Naturwissenschaften, nur ‘Naturphilosophie’.

    Daher gibt es in vielen (den meisten?) Ländern sogar in naturwissenschaftlichen Fächern einen Dr. phil., den berühmten PhD.

    Wenn ich richtig informiert bin, erhielten in Deutschland (zumindest früher) auch Naturwissenschaftler, die kein Diplom- sondern ein Lehramtsstudium hinter sich hatten, diesen Doktor-Titel.

  81. @Stephan Schleim 17.03.2021, 02:44 Uhr

    Begrifflichkeit

    Mit jedem λόγος (lógos) kommt man auf eine abstraktere Ebene: Wort, Vernunft – eigentlich lässt es sich gar nicht richtig übersetzen. Tun wir ein Körnchen Salz hinzu.

    Klar, aber der Rubikon wird dann überschritten, wenn man Jesus darunter verstehen möchte. Dann hat man den Begriff eindeutig überzogen (schon merkwürdig, wenn man als Jude hellenistisches Gedankengut verarbeitet und dann aus dem ‘Geist über den Wassern’ einen Logos zu machen müssen meint).

    Seit wir aber unsere Sprache durch die Genderei ziemlich verhunzen, ist die Frage, ob man ontisch oder ontologisch schreibt eher eine Petitesse, über die man sich eher keinen Kopp mehr machen sollte. Genauso wenig beispielsweise, ob man ‘in silico’ oder ‘in silicio’ schreibt.

    Solange man versteht, was gemeint ist, kein Problem. Schlimmer wird es, wenn Äquivokationen ins Spiel kommen. Im Bereich der Evolutionsbiologie war beispielsweise der Begriff ‘Selektion’ ein Problem, was erst im Nachhinein deutlich wurde, als die Forscher merkten, dass sie aneinander vorbei redeten.

  82. @Thomas Waschke 17.03.2021, 05:55 Uhr

    Sie machen aus einer Pointe einen unstrittigen Gemeinplatz:

    Ersetzen Sie ‘Glaubensbekenntnis’ durch ‘evidenzbasierte Entscheidung unter Fallibilitätsvorbehalt’, dann haben Sie vollkommen Recht.

    Dass ich den wunden  Punkt getroffen habe, zeigt Ihr letzter Absatz:

    Mir ist schleierhaft, wie man meinen kann, Erkenntnis ohne metaphysische Grundlegung sei möglich. Wie kommen Sie eigentlich darauf, etwas erkannt zu haben, wenn Sie gar nicht wissen, was es eigentlich ‘gibt’? Sie bleiben dann im Bereich von Sätzen über Sätze und es ist reiner Zufall, wenn diese auf das Sein passen.

    Ich frage mich, wie man die Logik der Forschung so gründlich missverstehen kann.

  83. @Schleim

    Ja – wenn einem die Antwort nicht passt, dann schraubt man an der Definition, bis sie passt. Ist das für Sie wissenschaftliches Arbeiten?

    Ich fragte nach Ihrer Definition von Universität.

    Die ersten Universitäten konnten nur mit Zustimmung des Papstes oder Kaisers gegründet werden,

    Dann erzeugen Sie aber einen Zirkelschluss.

    Wenn man es den Kirchen zu verdanken hat, dass diese die ersten Universitäten gründeten und Universitäten halt per Definition nur von der Kirche gegründet werden konnten … was sagt das dann aus?
    Nichts, die Bildungseinrichtungen vorher waren natürlich nicht christlich ergo dann keine Universitäten. Aber waren die damit “schlechter”?

    Von Atheismus und Unis hatte ich nichts geschrieben.

  84. @Thomas Waschke

    Wo findet man denn so etwas? Dass

    Agnostiker sich angeblich zu weigern hätten, evidenzbasiert Entscheidungen zu treffen.

  85. University, institution of higher education, usually comprising a college of liberal arts and sciences and graduate and professional schools and having the authority to confer degrees in various fields of study. A university differs from a college in that it is usually larger, has a broader curriculum, and offers graduate and professional degrees in addition to undergraduate degrees. Although universities did not arise in the West until the Middle Ages in Europe, they existed in some parts of Asia and Africa in ancient times.

    Encyclopaedia Britannica

    Aber das ist vermutlich unwissenschaftlicher Unsinn, richtig?

  86. @Waschke, Grams: “evidenzbasiert”

    Natürlich will man Entscheidungen lieber “evidenzbasiert” treffen. Mir ist noch nie jemand begegnet, der das Gegenteil behauptet…

    …aber das verlagert die Entscheidung auf die Ebene, was man als Evidenz ansieht; und das ist eine philosophische Entscheidung.

    In der biomedizinischen Forschung (und zum Teil auch der Politik) hat sich das zu einem Buzzword und Marketing-Sprech entwickelt: Dann braucht man nicht mehr zu argumentieren, sondern nur noch mit dem Finger auf etwas zu zeigen und zu sagen: evidenzbasiert/nicht evidenzbasiert.

    P.S. Was wohl passieren würde, würde man die übereinstimmenden Berichte von Mystikern und Meditationserfahrenen unterschiedlicher Kulturen der letzten 2.500 Jahre als Evidenz zulassen…?

  87. @einer: zwei Seiten einer Medaille

    Im katholischen Kirchenrecht gibt es die Anforderung, bei z.B. der Heiligsprechung von jemandem nicht nur einen advocatus diaboli zu hören, der wie Sie die schlechtesten Taten von jemandem zusammenträgt, sondern auch einen advocatus dei, der die besten Taten berichtet.

    Diskutieren wir weiter, wenn Sie wenigstens diesen Anforderungen des Kirchenrechts genügen? Danke.

    P.S. Und zu der anderen Diskussion: Ich weiß selbst, dass es in Indien wahrscheinlich schon früher “Universitäten” gab. Das steht hier überhaupt nicht zur Diskussion. Sie sollen einfach mal die historische Tatsache anerkennen, dass viele Bildungseinrichtungen in Europa, einschließlich Universitäten, von der, später: den Kirchen gegründet wurden. Wenn Sie immer so auf Wissenschaftlichkeit pochen, warum ignorieren Sie dann die Geschichtswissenschaft? Es ist auch kein Zirkelschluss, weil Päpste solche Privilegien verliehen haben, denn sie hätten es ja auch lassen können.

  88. @Waschke: Begriffe

    Danke jedenfalls, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, Ihren Standpunkt hier in der Diskussion so lange und so klar zu verdeutlichen.

    Ich sah im “Logos” keinen Jesus, hätte nicht einmal im Traum daran gedacht. Der Hinweis auf die Naturphilosophie ist treffend – wobei man aber bedenken sollte, dass es z.B. die N. aristotelischer Art war, die sich Galileos Entdeckungen am Anfang mehr in den Weg gestellt hat als die Kirche. Es war ein Machtkampf; die N. bangten um den Verlust ihrer Autorität.

    In der angesehenen britischen Royal Society gab es am Anfang auch Naturphilosophen und wollte man “experimentelle Philosophie” betreiben. Wieder einmal zeigt sich: Es gibt solche und solche.

    In diesem Sinne: nullius in verba! Frei: Glaube nicht den Worten!

  89. @Stephan Schleim 17.03.2021, 08:55 Uhr
    So sieht’s der Philosoph:

    Natürlich will man Entscheidungen lieber “evidenzbasiert” treffen. Mir ist noch nie jemand begegnet, der das Gegenteil behauptet…
    …aber das verlagert die Entscheidung auf die Ebene, was man als Evidenz ansieht; und das ist eine philosophische Entscheidung.

    Der Soziologe setzt andere Schwerpunkte und macht ein soziologisches Problem daraus. Wissenschaftliche Objektivität ist für ihn

    ein Ergebnis des sozialen oder öffentlichen Charakters der wissenschaftlichen Methode.

    Robin Crusoe mag nach eingehenden Studien richtig liegen. Wissenschaft wird nicht daraus. Das erklärt K R Popper im dreizehnten Kapitel von “Die offene Gesellschaft und ihre Feinde”, Band 2.

    Die Welt ist ziemlich bunt. Gut so.

  90. @Timm Grams 17.03.2021, 08:08 Uhr

    Ich frage mich, wie man die Logik der Forschung so gründlich missverstehen kann.

    Da ich mich nie auf Popper bezogen habe, frage ich mich, was mir diese Worte sagen sollen.

    Nur nebenbei, ist die Wissenschaftstheorie 1934 stehen geblieben?

  91. @Stephan Schleim 17.03.2021, 09:08 Uhr

    Ich sah im “Logos” keinen Jesus, hätte nicht einmal im Traum daran gedacht.

    Ich habe Sie nur darauf hingewiesen, dass die Welt noch bunter ist als Sie mir zeigen wollten. Selbstverständlich wollte ich Ihnen nichts unterstellen.

    Der Hinweis auf die Naturphilosophie ist treffend – wobei man aber bedenken sollte, dass es z.B. die N. aristotelischer Art war, die sich Galileos Entdeckungen am Anfang mehr in den Weg gestellt hat als die Kirche. Es war ein Machtkampf; die N. bangten um den Verlust ihrer Autorität.

    Genau. Aber die Kirche hat sich auch nicht mit Ruhm bekleckert und selbst nach Darwin hatte man noch massivst mit Aristoteles zu kabbeln (denken Sie an den Essenzialismus, der auch Kant davon abhielt, zum Vorläufer Darwins zu werden, und weshalb man der Kategorie ‘Art’ einen viel zu hohen Stellenwert eingeräumt hatte, warum hätte Darwin sonst sein Buch ‘Entstehung der Arten’ so benamst, wenn er nichts zu dem Thema darin schrieb).

    Und halt wieder mal ein Hinweis darauf, dass man nicht viel auf Philosophen geben sollte, die etwas über die Natur schrieben, bevor es von den empirischen Naturwissenschaften untersucht wurde. Auch heute noch behandelt man die Ethik von Aristoteles mit Gewinn im Ethik-Unterricht. Wenn man das, was Aristoteles über Biologie schrieb, im Biologie-Unterricht macht, erzielt man bestenfalls Heiterkeit. Die ‘zeitlosen Wahrheiten’, die uns Philosophen bescherten, beziehen sich meist auf ‘geistige Dinge’, die, aufgrund der Natur des Menschen, wohl zeitlos sind. Eben weil die Geschichte der Menschheit nur einen Wimpernschlag der Evolution darstellt.

    In der angesehenen britischen Royal Society gab es am Anfang auch Naturphilosophen und wollte man “experimentelle Philosophie” betreiben. Wieder einmal zeigt sich: Es gibt solche und solche.

    Wie immer. Und, abwechslungsweise mal Popper: Begriffe sind Werkzeuge. Damit ist eigentlich alles gesagt.

    In diesem Sinne: nullius in verba! Frei: Glaube nicht den Worten!

    Stimmt. Die Inhalte sind relevant.

    Schön, dass wir uns einig sind.

  92. @Thomas Waschke 17.03.2021, 10:01 Uhr

    Ein Dialog
    – Ich studiere gerade Kant
    – Da gibt’s etwas Besseres
    – Was denn?
    – Dieses Buch hier auf dem Tisch

    Sie erraten sicher, wer die beiden waren. (Das Buch: Über die Natur der Dinge von Bunge und Mahner)

  93. Thomas Waschke 17.03.2021, 10:01 Uhr

    Sie:

    Da ich mich nie auf Popper bezogen habe

    Doch, haben Sie. (Die Rückverfolgung des Gesprächsfadens zeigt das.)

  94. @Timm Grams 17.03.2021, 10:38 Uhr

    [Waschke:] Da ich mich nie auf Popper bezogen habe

    Doch, haben Sie. (Die Rückverfolgung des Gesprächsfadens zeigt das.)

    Müsste ich jetzt nachschauen. Als ausgebildeter Biologe habe ich aber sowieso mein Problem mit Wissenschaftstheoretikern, die aus der theoretischen Physik kommen. Ich beziehe mich durchaus auf Popper, beispielsweise mit seiner Erkenntnis, dass das Leben den Sinn hat, den wir ihm geben. Oder mit seiner Ablehnung des Begriffs-Essenzialismus.

    Aber das heißt nicht, dass ich nun Popperianer in allen Gebieten sein muss. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich mich nicht auf die ‘Logik der Forschung’ bezogen habe.

    Nur nebenbei, Popper hat seine Meinung auch ab und an mal geändert, was natürlich löblich ist. Nur heißt das halt auch, dass “Popper hat vertreten, dass …” möglicherweise spezifiziert werden muss.

    Schön, dass Sie Kant schätzen. Sie wissen sicher auch, dass Kant auch nicht das Siegel der Philosophen war. Er war ein Kind seiner Zeit, ein Musterbeispiel dazu, was dabei herauskommt, wenn Menschen sich Gedanken über Ontologie auf dem Kenntnisstand ihrer Zeit machen. Sie wissen sicher, dass es Autoren gibt, die in Kants a priori a posteriori der Evolution sehen, darunter welche, die mit Konrad Lorenz in Wien Indianerles gespielt haben.

    Selbstverständlich sollte uns das auch bescheiden machen, aber eben weniger gegenüber den Inhalten dessen, was diese Autoren geschrieben haben.

    Schön, dass sie das Buch von Bunge (und ja, ich weiß, dass er als theoretischer Physiker ausgebildet ist, aber sein Ko-Autor ist Biologe) und Mahner lesen.

  95. Die (neuro)wissenschaftliche Erforschung des Bewusstseins stellt aufgrund ihrer experimentellen Forschung und auf Physik und Mathematik beruhenden Überlegungen prinzipiell widerlegbare Theorien über die neurophysiologischen Korrelate des Bewusstseins auf. Philosophische Überlegungen aus der Philosophie des Geistes und der Metaphysik berücksichtigen auch – angetrieben durch die Erkenntnisse der eigenen Endlichkeit und Sinnhaftigkeit – die Emergenzen aus den Netzwerkhypothesen der Neurowissenschaftler, die wir das Bewusstsein nennen und somit erschaffen.
    Die Wissenschaftler schreiben Papers, die Philosophen schreiben Essays. Ich finde, beide Seiten ergänzen sich. “Bescheidenheit” als Überschrift des letzten Absatzes des Beitrags passt da sehr gut.
    Und nicht vergessen: „Der Zweck der Philosophie ist die logische Klärung der Gedanken. Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit.“ (L. Wittgenstein, Tractatus logico-philosophus 4.112)

  96. @Thomas Waschke / 17.03.2021, 06:41 Uhr

    »(schon merkwürdig, wenn man als Jude hellenistisches Gedankengut verarbeitet und dann aus dem ‘Geist über den Wassern› einen Logos zu machen müssen meint).«

    So kann man sich irren. Der Λόγος als “Sohn Gottes” ist tatsächlich ein Motiv aus der jüdischen Philosophie.

    Der Lógos im Johannes-Evangeliums ist praktisch eine bei Philon von Alexandia plagiierte Idee, und originär christlich ist dabei nur die Kopplung an die Figur Jesus Christus.

  97. @Thomas Waschke 17.03.2021, 12:21 Uhr

    Oh ja. Es gibt wohl kaum einen namhaften Philosophen, der sich nicht lustvoll zu seinen Meinungsumschwüngen geäußert hätte. Hilary Putnam dürfte in dieser Hinsicht spitze gewesen sein. Nun bin ich nicht verpflichter, alle Schlenker meiner “Idole” mitzumachen. Da halte ich es wie Sie:

    Aber das heißt nicht, dass ich nun Popperianer in allen Gebieten sein muss.

    Deshalb gebe ich meine Fundstellen an.

  98. @Stephan Schleim
    Zu @Andresen: Naturwissenschaften // Fundament

    Grundsätzliches: Bei fast jeder nicht-trivialen Fragestellung kann man „Bottom Up“ oder „Top Down“ vorgehen. Bottom Up ist meistens mühsam, oft sehr aufwändig und manchmal aussichtslos. Top Down passt meistens besser zur Fragestellung. Bei einer gefundenen Lösung sollte man aber sicher sein, dass man dabei „fest“ auf dem Boden naturwissenschaftlicher Erkenntnis oder auf anderen darauf aufbauenden Erkenntnissen steht.

    Ein Beispiel: Im Zusammenhang mit der „Pallas“-Havarie (1998) wurde über hochseetaugliche (Notfall-) Schlepper an der Nordseeküste gestritten und allgemein über Risiken der Schifffahrt diskutiert. Aus „Berlin“ kam die Idee, bei einem in Seenot befindlichen Schiff die Besatzung und die Passagiere einfach auf ein anderes Schiff umsteigen zu lassen. Vermutlich von „Binnenländlern“, die dabei an Ein- und Ausstieg im Hafen gedacht hatten und sich die Auswirkungen von Wellen nicht vorstellen konnten.
    Diese hat ungefähr zu der Zeit ein aus einem Hubschrauber aufgenommenes Video von einem Seenotfall im Pazifik aufgezeigt: Zwei Schiffe nebeneinander in der aufgewühlten See. In einem Moment lag das Deck des einen Schiffes viele Meter über dem des anderen Schiffes, wenig später war es genau andersrum. Keine Chance für ein Umsteigen. Bei dieser Idee wurden naturwissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert.

    Gedankenexperimente (das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen, siehe „Klon“-Thread 😉 ): Gedankenexperimente sind in vielerlei Hinsicht hilfreich, z.B. um die Grenzen einer Idee, Vermutung, Hypothese abzuwägen und einzuschätzen. Das gilt insbesondere, wenn man ein aufwändiges reales Experiment plant oder wenn reale Experimente mit Schäden an Leib und Leben verbunden wären. Bevor man aus Gedankenexperimenten Schlussfolgerungen zieht, sollte man die Realisierbarkeit zumindest analysieren.
    Oder flapsig formuliert für den Beipackzettel bei Gedankenexperimenten: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker oder Naturwissenschaftler.

  99. @Stephan Schleim

    Diskutieren wir weiter, wenn Sie wenigstens diesen Anforderungen des Kirchenrechts genügen? Danke.

    Ich habe “hier” doch gar nicht über die Kirche hergezogen?!

    Ich wusste aber auch nicht das Scilogs eine kirchliche / katholische Veranstaltung ist?!

    In der Regel ist mit das Kirchenrecht egal, da ich nicht für diesen Verein arbeite.

    Ich reagierte auf “Wer gründete die ersten Universitäten?” … von Europa oder Universität im kirchlichen Sinne war da nicht die Rede.

    P.S. Und zu der anderen Diskussion: Ich weiß selbst, dass es in Indien wahrscheinlich schon früher “Universitäten” gab. Das steht hier überhaupt nicht zur Diskussion.

    Doch! Erst geht es um Universität im Allgemeinen .. dann auf einmal um “Die ersten Universitäten konnten nur mit Zustimmung des Papstes oder Kaisers gegründet werden, sonst hätten sie gar keine akademischen Grade verleihen können.”
    Das ist insgesamt mindestens missverständlich WAS nun gemeint war.

    Sie sollen einfach mal die historische Tatsache anerkennen, dass viele Bildungseinrichtungen in Europa, einschließlich Universitäten, von der, später: den Kirchen gegründet wurden.

    Ja und woanders gab es ähnliches schon lange vorher …

    Wenn Sie immer so auf Wissenschaftlichkeit pochen, warum ignorieren Sie dann die Geschichtswissenschaft?

    Keine Sorge das tue ich ganz und gar nicht. Ich denke nur wenn jemand von “erste” o.ä. spricht nicht gleich “ach der meint bestimmt nur Europa und die Kirche”.

    Es ist auch kein Zirkelschluss, weil Päpste solche Privilegien verliehen haben, denn sie hätten es ja auch lassen können.

    Doch, weil jede Bildungseinrichtung vorher dann einfach per Definition keine Uni gewesen sein kann. Dann hätte man auch “kirchliche Bildungseinrichtung” schreiben können. Anfangs war das ja nichts anderes. Dann ist das mit dem “erste” nur albern, weil die ersten kirchlichen Bildungseinrichtungen natürlich von der Kirche errichtet wurden.

  100. @Chrys 17.03.2021, 12:50 Uhr

    [Waschke:] (schon merkwürdig, wenn man als Jude hellenistisches Gedankengut verarbeitet und dann aus dem ‘Geist über den Wassern› einen Logos zu machen müssen meint).«

    So kann man sich irren. Der Λόγος als “Sohn Gottes” ist tatsächlich ein Motiv aus der jüdischen Philosophie.

    Ups, danke für den Hinweis, mein Fehler. Ich habe mich mit den Details nur am Rande befasst, Theologie, egal welche, ist nicht mein Feld.

    War aber in dem Kontext eher nebensächlich, es ging mir nur darum, dass unter ‘Λόγος’ noch mehr verstanden wurde als mein Vorredner anführte.

  101. @Rüdiger Mende 17.03.2021, 12:47 Uhr

    Und nicht vergessen: „Der Zweck der Philosophie ist die logische Klärung der Gedanken. Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit.“ (L. Wittgenstein, Tractatus logico-philosophus 4.112)

    Sehr gute Einsicht, ich denke, dass sich das durchs ganze Werk von Wittgenstein (dem Stegmüller als einzigem Philosophen in seinen ‘Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie’ zwei Beiträge gewidmet hat, eben weil er einen so radikalen Schwenk einlegte wie kaum ein anderer Philosoph) zieht, nur eben auf zwei verschiedenen Baustellen.

    Ich vermute aber, dass nach dem Kriterium, das Wittgenstein hier anführt, sehr viele der alten Philosophen (und auch viele neuere bis aktuelle) keine sind. Die waren oft Systembauer oder meinten, mehr als Sätze über Sätze, die in der Luft hängen, über das ‘Sein des Seienden’ formulieren zu können, obwohl sie über keinerlei Kraftschluss zum Sein verfügten.

    Es war schon ein gewaltiger Schritt, dass man die Erkenntnis zumindest der Natur empirisch angeht und den Philosophen dann überlässt, das Ganze genauer zu bewerten. Es gab übrigens in der Geschichte der Evolutionsbiologie den interessanten Fall, dass sich Fachwissenschaftler einen Philosophen zu Hilfe holten, weil sie merkten, dass sie mit ihren Möglichkeiten nicht weiter kamen.

  102. @Thomas & Chris
    Zum Logos.
    Lawson, Jack N. “Mesopotamian Precursors to the Stoic Concept of Logos.” In: R. M. Whiting (ed.). Mythology and Mythologies. Methodological approaches to intercultural influences. Melammu Symposia 2. Helsinki: The Neo-Assyrian Text Corpus Project 2001, 68-91.

    könnte euch interessieren.

  103. Aus obigem Text von mir übersetzt:

    Die Götter Mesopotamiens – in und durch ihre kraftvolle Sprache symbolisiert – stehen als Vorläufer des universellen Prinzips der Stoa. In all seinen wesentlichen Aspekten hat der von den Stoikern dargelegte Logos Vorläufer in der Literatur und im Denken des alten Mesopotamien.
    Wie und wo Verbindungen zwischen den Zivilisationen Mesopotamiens und den frühen Philosophen Ioniens hergestellt wurden, ist, wie oben erwähnt, unerheblich. Wichtig ist, dass benachbarte Zivilisationen im Osten mindestens zwei Jahrtausende vor dem Aufstieg der Stoikschule der Philosophie Literatur hervorgebracht hatten, die Ideen eines kosmischen, kreativen Prinzips darlegte, Ideen, die um die göttliche Sprache oder das „Wort“ organisiert waren . ” Es war auch das eigentümliche Genie der griechischen Zivilbevölkerung, die Idee in ihre philosophische Sicht der Welt einzubeziehen und sie damit unverkennbar zu prägen. Aber wenn die Münze in Griechenland geschmiedet wurde, stammte das Erz aus Mesopotamien.

  104. @Timm Grams 17.03.2021, 13:09 Uhr

    Deshalb gebe ich meine Fundstellen an.

    Kann sein, dass ich, weil ich davon ausging, dass Sie das tun, als sie Logik der Forschung schrieben, das einschlägige Werk ‘Logik der Forschung’ von Popper meinten.

    Sollten sie mit “Logik der Forschung” aber nur die Logik dessen, was man als ‘Forschung’ bezeichnen kann, gemeint haben, wäre das, was Sie geschrieben haben, weit, weit problematischer gewesen. Es gibt nicht die Logik der Forschung. Es gibt viele Wissenschaftstheoretiker (also Menschen, die sich meist normativ oder präskriptiv damit befassen, wie Forschung zu betreiben sei), die diesbezüglich durchaus nicht nur in Details unterschiedlicher Meinung sind, und es gibt auf keinen Fall eine anerkannte Wissenschaftstheorie mit dem Motto ‘one fits all’ für alles, was ‘Wissenschaft’ im Namen führt.

    Und wenn Sie Popper erwähnen, wird es noch komplexer. Sie kennen sicher das Buch von Thomas Kuhn ‘Logic of Discovery or Psychology of Research?’ Dort wird anhand dessen Kabbelei mit Popper durchaus anschaulich beschrieben, dass man Wissenschaftstheorie auch deskriptiv betreiben kann.

  105. Stephan Schleim
    17.03.2021, 02:38 Uhr
    @Maier: Geistes-, Naturwissenschaften und so

    Ich denke, dass Ihnen bewusst ist, das ich diese Formulierungen mit Absicht so gewählt habe, um meine Einordnung sehr deutlich zu machen. Ich habe auch absolut keinen Zweifel daran, dass ich mit meinen Äußerungen hier das Philosophiegebäude nicht, und sei es auch nur um den Durchmesser ( wenn man das so sagen will ) eines Elektrons, verrücken kann. Aus meiner Sicht ist völlig klar, dass die Struktur unseres Gehirns, die uns in ihrer Funktionsweise ( cum grano salis ) zu dem gemacht hat, dass wir uns heute “Mensch” und “homo sapien sapiens” nennen können, dazu führt, dass wir uns “Gedanken machen” können, die über das reine Überleben, das Finden eines Sexualpartners und das Essen für heute und vielleicht morgen hinausgehen. Solche Gedanken sind unabhängig davon, ob sie nun rein “virtuell” sind, eine Art Simulation von etwas Möglichem darstellen oder ob sie ( vielleicht auch in einer Art self fulfilling prophecy ) in gewisser Weise Realität werden oder diese nur beschreiben. So lange die Bibel als einzige Grundlage der Erkenntnis zulässig/zugänglich war, war es durchaus gerechtfertigt, aus den Informationen des AT und scharfsinnigen Schlüssen das Alter der Erde zu berechnen, und ich denke, dass es damals auch zu hitzigen Diskussionen darüber gekommen ist, aus heutiger Sicht … Schwamm drüber.
    Ebenso kann man sich auf Basis solcher Informationen trefflich auseinandersetzen, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz finden – wenn wir denn erst mal definiert hätten, welche Nadel wir denn meinen, eine Näh-, eine Stopf-, eine Strick- oder eine Impfnadel? Dann sollten wir definieren, was eine “Spitze” ist, mit welcher Vergrößerung wir diese betrachten, aus subatomarer Sicht ist auch die schärfste Nadelspitze noch eine weite Ebene. Dann kommen wir zu den Engeln, wegen der Anzahl, und da eröffnet sich meines Erachtens die größte Diskussion. Nehmen wir die Engel als fermionische Wesen an, so kann nur ein Engel da sein, wo kein anderer ist, mit der angenommen kleinsten “Größe” der eines Quarks kann man somit auf gegebener Fläche ( “Nadelspitze” ) die maximale Engel berechnen. Sind die Engel hingegen bosonische Erscheinungen, so müssten wir die Mathematik bemühen, die unterschiedlich unendliche Unendlichkeiten kennt und diese auch unterscheiden kann.
    Und was hat das alles mit der Frage zu tun, ob morgen oder übermorgen Speise auf meinem Teller ist?
    Nichts, es sei denn, ich würde für solche oder vergleichbare Fragestellungen und Antworten darauf bezahlt.

  106. @Thomas Waschke 17.03.2021, 15:18 Uhr

    Was sollen diese Spielchen?

    Sollten sie mit “Logik der Forschung” aber nur die Logik dessen, was man als ‘Forschung’ bezeichnen kann, gemeint haben…

    Dabei haben Sie mich weiter oben sogar zitiert:

    Die Logik der Forschung, von K R Popper später kritischer Rationalismus genannt, dient der Erkenntnis und kommt ohne metaphysische Grundlegung aus

    Worum es geht, ist doch sonnenklar, oder? Die Kritik daran durch Kuhn und Feyerabend ist mir bekannt. Deren Einwendung betreffen aber nicht meinen Punkt, nämlich die Entbehrlichkeit einer Ontologie.

  107. @Timm Grams 17.03.2021, 17:57 Uhr

    Keine ‘Spielchen’

    Ich habe nicht immer alles im Kopf, was ich mit wem diskutiert habe und erlaube mir, nachzufragen und zu vertiefen. Wenn ich ‘Spielchen’ treiben würde, würde ich Sie darauf aufmerksam machen, warum ich keine, doppelte und einfache Anführungszeichen verwendet habe (allerdings nicht unbedingt so wie auf S. XI des Buchs, das Sie aktuell vor sich liegen haben, beschrieben, eher so wie es dort im vorletzten Satz steht).

    Worum es geht, ist doch sonnenklar, oder? Die Kritik daran durch Kuhn und Feyerabend ist mir bekannt.

    Schön, dass das geklärt ist.

    Deren Einwendung betreffen aber nicht meinen Punkt, nämlich die Entbehrlichkeit einer Ontologie.

    Sind Sie sicher, dass Popper behauptet hat, eine Ontologie (im Sinne von Bunge und Mahner) sei entbehrlich? Haben sie eine Quelle dafür (besonders eine neuere, es könnte auch hier sein, dass Popper hier seine Auffassung geändert hat).

    Wenn Sie Wikipedia bemühen, finden Sie

    https://de.wikipedia.org/wiki/Drei-Welten-Lehre

    Die Drei-Welten-Lehre ist eine ontologische Position, die die Existenz dreier Welten annimmt. Diese drei Welten sind die Außenwelt (= physikalische Welt materieller Objekte, z. B. Berge, Autos, Häuser), die Welt des Bewusstseins (z. B. Gedanken, Gefühle, Empfindungen) und die Welt der objektiven Gedankeninhalte (z. B. mathematische Sätze).

    Wenn ich das richtig interpretiere, ist die Existenz einer Außenwelt exakt das, was ich als ontologische Grundlage der Naturwissenschaft interpretieren würde. Mahner und Bunge betrachten das als fallibles Postulat, zumindest, bis der Solipsismus widerlegt wurde (letzteres ist meine Formulierung, müsste aber passen, erforderlichenfalls kann ich bei Mahner nachfragen). Diese Ontologie ermöglicht aber ein konsistentes Weltbild und hängt nicht in der Luft wie alle anderen Positionen, die sich hier um Aussagen herummogeln.

  108. @Thomas Waschke 17.03.2021, 18:35 Uhr
    Ihre Frage

    Sind Sie sicher, dass Popper behauptet hat, eine Ontologie (im Sinne von Bunge und Mahner) sei entbehrlich?

    beantworte ich mit einem klaren Nein. In der frühen Fassung der “Logik der Forschung” (1934) kommt so etwas einfach nicht vor.

    Im neuen Anhang “*XV. Über Wahrheitsnähe” (1981) bezeichnet sich Popper als Realist. In “Vermutungen und Widerlegungen” präzisiert er seinen Realismus im Kapitel 10 “Wahrheit, Rationalität und das Wachstum, der wissenschaftlichen Erkenntnis” (1960/62). Die “Idee der Wahrheit” ist für Popper nur eine regulative Idee. Ein solcher schwacher Realismus ist meilenweit weg vom Realismus Mahners oder Vollmers.

    Die Beschäftigung mit seiner Drei-Welten-Lehre habe ich beendet, bevor mir schwindlig hätte werden können. Wie gesagt: Ich bin nicht verpflichtet, alle Schlenker meiner “Idole” mitzumachen. In meinem Hoppla!-Artikel Sechstes Intermezzo: Basics für Skeptiker steht, was ich dazu sagen kann.

  109. @Timm Grams 17.03.2021, 19:31 Uhr

    Im neuen Anhang “*XV. Über Wahrheitsnähe” (1981) bezeichnet sich Popper als Realist. In “Vermutungen und Widerlegungen” präzisiert er seinen Realismus im Kapitel 10 “Wahrheit, Rationalität und das Wachstum, der wissenschaftlichen Erkenntnis” (1960/62). Die “Idee der Wahrheit” ist für Popper nur eine regulative Idee.

    Danke für die Literatur-Hinweise. Darauf hatte ich in etwa angespielt, als ich meinte, dass Popper seine Auffassung geändert habe.

    Okay, muss vielleicht doch mal in den Keller gehen und in die von Ihnen erwähnten Bücher schauen. Ist schon Jahrzehnte her, seit ich mich intensiver mit Popper beschäftigt habe.

    Evidenzbasierte fallible Ontologie scheint mir allerdings nichts mit einer ‘Idee der Wahrheit’ in dem Sinn, dass man wahre Sätze als wahre Sätze erkennen kann, zu tun zu haben. Wie Sie oben auch zumindest als Titel anführen, hat Popper irgendwann erkannt, dass er kein Argument für eine Annäherung an die Wahrheit hat. Ich bin mir jetzt nicht einmal sicher, ob er auch selber eingesehen hat, warum sein Fallibilitätsprinzip nicht trägt. Aber das ist kein Widerspruch zu dem, was Bunge, Mahner oder Vollmer (der übrigens auch bei Bunge in Montreal war) lehren.

    Ein solcher schwacher Realismus ist meilenweit weg vom Realismus Mahners oder Vollmers.

    Das ist der wohl Grund, warum ich Mahner und Bunge und nicht Popper folge. Aber schön, dass Sie zumindest einräumen, dass Popper Realist ist.

    Die Beschäftigung mit seiner Drei-Welten-Lehre habe ich beendet, bevor mir schwindlig hätte werden können. Wie gesagt: Ich bin nicht verpflichtet, alle Schlenker meiner “Idole” mitzumachen.

    Schön, dass wir hier einig sind (hatten wir weiter oben schon). Ich erlaube mir auch, eigene Gedanken zu haben, auch wenn Autoren, auf die ich mich gerne stütze, etwas anderes lehren.

    In meinem Hoppla!-Artikel Sechstes Intermezzo: Basics für Skeptiker steht, was ich dazu sagen kann.

    Schaue ich mir gelegentlich an. Danke für den Tipp.

  110. @Stephan Schleim 17.03.2021, 08:55 Uhr

    Vorder- und Hinterbühne

    Natürlich will man Entscheidungen lieber “evidenzbasiert” treffen. Mir ist noch nie jemand begegnet, der das Gegenteil behauptet…

    Schön, dass wir uns schon mal so weit einig sind.

    …aber das verlagert die Entscheidung auf die Ebene, was man als Evidenz ansieht; und das ist eine philosophische Entscheidung.

    Yepp, und das ist dann das, was ich als ‘Hinterbühne’ bezeichne (Hilbert Meyer hat diese Begrifflichkeit in einem sehr lesenswerten Buch mit Tipps für Lehramtsstudenten verwendet, ich weiß nicht, ob er die Begrifflichkeit geprägt oder übernommen hat). Vermutlich hat aber niemand hier Interesse, das zu klären. Trotzdem ein paar Gedanken dazu.

    Man kann beispielsweise Agnostizismus (‘Vorderbühne’) vertreten, weil man ‘Lieb Kind’ mit allen Menschen sein möchte und daher ein Schlupfloch für Supranaturalismus offen halten muss (‘Hinterbühne’), oder man kann mit dem Wissenschaftsbetrieb unzufrieden sein, gesellschaftliche Fehlentwicklungen kritisieren und so weiter (‘Vorderbühne’) und die Hoffnung auf das setzen, was Religiöse Positives geleistet haben, vielleicht auch eine Sehnsucht nach dem haben, was anderen Halt im Leben gibt und das man selber nicht haben kann (‘Hinterbühne’) und dann irgendwie alles ablehnen, was irgendwie nach Kirchenkampf, Religionskritik oder irgendwas in dieser Richtung aussieht (‘Mittelbühne’).

    Man kann natürlich auch Agnostizismus (‘Vorderbühne’) vertreten, weil man so effektiver gegen Theisten zumindest consciousness raiser setzen kann als wenn man gleich mit Atheismus mit der Tür ins Haus fällt (‘Hinterbühne’), oder natürlich auch einen emergentistischen Materialismus vertreten und sich als ‘Naturalist’ bezeichnen (‘Vorderbühne’), weil man, wie beispielsweise Sommer in dem sehr sehenswerten Streitgespräch mit Drossel, sich nicht negativ (A-Theist) bezeichnen möchte,

    https://www.spektrum.de/news/was-haben-glaube-und-vernunft-gemein/1587770

    aber als Naturalist so nebenbei mit allen Supranaturalismen auch die ontologische Grundlage für so gut wie alle theistischen Religionen mit beseitigt (‘Hinterbühne’).

    Ist halt vielschichtig.

    In der biomedizinischen Forschung (und zum Teil auch der Politik) hat sich das zu einem Buzzword und Marketing-Sprech entwickelt: Dann braucht man nicht mehr zu argumentieren, sondern nur noch mit dem Finger auf etwas zu zeigen und zu sagen: evidenzbasiert/nicht evidenzbasiert.

    Solange man damit Recht hat, dass keine Evidenz vorliegt und die Begründungspflicht-Frage geklärt ist, macht es sehr viel Sinn, genau das zu machen. Eine Seite der Diskussion sollte dann erst mal die Hausaufgaben machen, bevor man ihr den ‘benefit of doubt’ einräumt.

    Das wird wohl der wesentliche Unterschied zwischen Ihnen und mir sein.

    P.S. Was wohl passieren würde, würde man die übereinstimmenden Berichte von Mystikern und Meditationserfahrenen unterschiedlicher Kulturen der letzten 2.500 Jahre als Evidenz zulassen…?

    Das ist doch längst geschehen. Ist es nicht allgemein anerkannt, dass diese Menschen (aber eben nicht alle Menschen) ‘etwas’ erfahren (aber eben nicht so übereinstimmend, wie Sie behaupten) und dass man das durchaus rational und wissenschaftlich untersuchen kann? Genauer, was kann man daraus lernen? Dass die, die so etwas erlebt haben, sich inhaltlich irren, wenn sie das auf bestimmte Art und Weise interpretieren, oder dass es ‘etwas’ jenseits der Schädeldecke geben muss, das für diese Erfahrungen verantwortlich ist?

    Nur ein Beispiel. Als es aktuell war (Kübler-Ross war ‘damals’ ein Riesen-Thema) wurde erforscht, dass es NTE und ähnliche Phänomene gibt. Sehr viele Menschen (darunter auch solche, die ich persönlich kenne und bei denen ich sicher bin, dass diese mir geschildert haben, was sie erlebten) haben einen Tunnel erlebt, den sie durchschritten, und am Ende war Licht. Manche sahen dort Jesus, andere irgendwelche Menschen, wieder andere gar keine Menschen und so weiter, manche hörten Stimmen, andere nicht. Was folgt nun daraus, wenn man das ernst nimmt? Doch nicht mehr, als dass diese Menschen ‘etwas’ erlebten und dass das durch ihre weltanschauliche Grundposition ‘getönt’ war. Oder war da mehr?

    Was ist hier ‘evidenzbasiert’, und wer ist begründungspflichtig, falls man behauptet, dass da ‘mehr’ ablaufen muss als interne Vorgänge? Ein schönes Bild stand damals IIRC im SPIEGEL: Man steht abends am Fenster, hinter sich ein Kaminfeuer. Es wird immer dunkler, und irgendwann sieht man das Kaminfeuer im als Spiegelung im Fenster. Wenn man das auf NTE überträgt, macht das für mich hinreichend Sinn (wenn im Gehirn bestimmte Verrechnungsprozesse in den Hintergrund treten, werden andere bewusst, die sonst überdeckt werden), ohne dass ich darin etwas hineingeheimnissen müsste.

    Andere mögen das anders sehen.

    Aber Sie haben Recht, die Diskussion kann man durchaus auch beenden. War interessant, vielleicht irgendwann bis später mal wieder.

  111. Nach einigen Tausend Kommentaren habe ich das Gefühl, dass einige Diskutanten mit dem Thema intellektuell überfordert sind. Daher möchte ich es hier einmal simplifiziert darstellen, und zwar am Beispiel des Autos:
    Der Reduktionist untersucht das Auto bis hin zur kleinsten Schraube (bravo!), er meint, mit der Schraube auch Dinge wie Fahrverhalten oder Bremsweg erklären zu können (falsch!). Der nichtreduktive Materialist will ihm das ausreden, aber er ist verstockt und meint, eines Tages werde das möglich sein. Der Emergentist versucht ihm zu erklären, dass man die Physik des ganzen Autos nicht mit der Physik der Schraube beschreiben könne, es nützt alles nichts. Der synthetische Emergentist weiß, dass das Auto nicht nur technisch ein Ganzes ist, sondern, dass sein Design als eigene Bedeutungsebene existiert. Der Dualist sagt, beides seien verschiedene Welten, die nichts miteinander zu tun hätten. Der Physikalist sagt, es gäbe kein Design, von daher bräuchte man es auch nicht zu beschreiben. Ein Herr namens Laplace meint, bei Kenntnis aller Schräubchen könne er voraussagen, dass Opa Karl eines Tages vergessen würde, Öl nachzufüllen und es zum Kolbenfraß käme. Der Esoteriker führt den Defekt am Scheibenwischer auf Quantenzufälle zurück die auch dafür verantwortlich seien, dass ihm letztens schwindelig geworden wäre. Der Theist sagt, eine Maschine, die zweihundert km/h schnell fährt, könne nicht von Menschenhand gemacht sein, der Agnostiker sagt, doch, aber warum das Benzin im Zylinder explodiert und den Kolben in Bewegung setzt, werden wir nie ganz verstehen. Der Idealist behauptet, die Idee des Autos gäbe es schon seit dem Urknall, sie wäre aber erst vor hundert Jahren realisiert worden. Der Informatiker meint, man könne die Technik des Autos auf den Menschen übertragen, denn er fahre ja auch. Zwei Scholastiker streiten sich über die Frage, ob Carl Benz die Idee zum Motor am 2.4. 1890 gehabt habe – oder zwei Wochen später. Der Mensch ist schon ein lustiger Geselle, oder? Ich verabschiede mich und wünsche allen gute Fahrt.

  112. @Waschke: Psychologie des Agnostizismus

    Interessante Analyse…

    …doch für mich hört sich das teilweise zu sehr nach einer Psychologisierung des agnostischen Standpunkts an (es sich nicht mit den “Supers” verscherzen wollen).

    Dass man sich in einer Entscheidung zwischen entweder A oder B enthält, weil man keine schlagenden Gründe sieht, ist das nicht hinreichend?

    Ich würde meinen Standpunkt am liebsten noch nicht einmal mit dem Etikett “agnostisch” versehen, doch die meisten Menschen scheinen solche Kategorien zu brauchen.

  113. @Stegemann: dualistisches Auto

    Auch ich schließe mich an: schöner Vergleich.

    Beim Dualist…

    beides seien verschiedene Welten, die nichts miteinander zu tun hätten

    …scheint mir das aber doch zu kurz gegriffen: Im Interaktionismus steuert die Seele den Körper und erfährt dessen Sinneseindrücke; im Parallelismus ticken sie sozusagen synchron; im Prästabilibilismus(?) sind sie von Anfang an gleich gestimmt.

  114. @Thomas Waschke 18.03. 07:29

    „Solange man damit Recht hat, dass keine Evidenz vorliegt und die Begründungspflicht-Frage geklärt ist, macht es sehr viel Sinn, genau das zu machen. Eine Seite der Diskussion sollte dann erst mal die Hausaufgaben machen, bevor man ihr den ‘benefit of doubt’ einräumt.“

    Brauchen wir denn die absolute Theorie, die verstanden, nachgewiesen und auch noch von Allen akzeptiert wird?

    Wenn ich mir vorstelle, dass verschiedene Menschen verschiedene Erkenntnisstufen erreichen können, dann bricht doch dieses Vorhaben zusammen. Wer die mathematischen Grundlagen der Physik nicht versteht, der kann doch gar kein wirklich physikalisches Weltbild haben. Wer im Sinne seiner eigenen persönlichen Lebenserfahrungen verschiedene spirituelle Erfahrungen macht, oder im Spezialfall eben überhaupt keine solche Erfahrungen macht, der muss doch zu verschiedenen Weltmodellen kommen.

    Und diese kann man nicht verallgemeinern, es bleiben immer verschiedene Glaubensinhalte übrig, auch wenn man in weiten Bereichen durchaus Schnittmengen hat. Die ganzen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Soziologie, Psychologie, Biologie und Physik sind doch, soweit ein Mensch sie kennt und auch verstehen kann, dann in jedem Fall eine gemeinsame Grundlage.

    Dazu kommen dann aber eben die ganzen persönlichen Differenzen, die sich z.T. einfach aus Unkenntnis ergeben, oder auch oft aus Unverständnis ergeben, weil die mathematischen Kenntnisse nicht ausreichen. Aber auch die eher menschlichen Erfahrungswelten machen am Ende Unterschiede.

    Es nützt hier auch wenig die Leute insofern einfach platt zu diskutieren, und ihnen eben jene Unkenntnisse vorzuwerfen, um ihnen nahe zu legen, sich doch besser am Diskurs dann erst gar nicht zu beteiligen. Diese Leute werden dennoch ein Weltbild haben. Und wenn ich persönlich mit realen Menschen zu tun habe, macht es viel Sinn, den anderen einfach zu verstehen, in dem, so wie er ist, und dann zu sehen, was man denn zusammen machen kann, und was nicht.

    Beim Doppelkopf z.B. gibt es verschiedene Versionen von Spielregeln, und wenn man zusammen spielen will, muss man sich zuerst auf die Regeln einigen, aber dann kann man zusammen spielen. Wenn hier jeder auf seine bevorzugten Spielregeln besteht, dann kann man eben nicht zusammen Doppelkopf spielen.

    Wenn einer zum Homöopathen geht, dann soll er das doch machen. Immerhin schaden die verdünnten Substanzen wenigstens nicht. Bei kleineren Beschwerden kann man doch mit einem nett ausgeschmückten Placebo zufrieden sein, und bei schwereren Krankheiten macht der Homöopath vielleicht dann Sinn, wenn die evidenzbasierte Medizin auch nicht wirklich helfen kann. Das Einzige, das hier wirklich ärgert, dass ist der entgangene Umsatz, wenn ein Patient zur Konkurrenz wechselt.

  115. @Wolfgang Stegemann 18.03.2021, 08:10 Uhr

    Interessanter Text.

    Außerdem sehr nützlich, falls man veranschaulichen möchte, was es bedeutet, dass Vergleiche hinken.

  116. @Stephan Schleim 18.03.2021, 11:19 Uhr

    …doch für mich hört sich das teilweise zu sehr nach einer Psychologisierung des agnostischen Standpunkts an (es sich nicht mit den “Supers” verscherzen wollen).

    Was um alles in der Welt soll das Aufzeigen von ‘Vorderbühne’ und ‘Hinterbühne’ anderes sein als Psychologisierung? Hätte ich den Begriff noch explizit dazu schreiben müssen?

    Dass man sich in einer Entscheidung zwischen entweder A oder B enthält, weil man keine schlagenden Gründe sieht, ist das nicht hinreichend?

    Nein, eben nur dann, wenn es nicht hinreichend Evidenzen gibt. Es ging ja gerade darum, ob es diese gibt, und davon hängt es ab, ob das hinreichend ist, oder eben auch nicht. Und das führt dann eben zu der Frage, was nun die ‘Hinterbühne’ ist, wenn man Wert darauf legt, sich nicht entscheiden zum müssen, und dazu eventuell die Epistemologie ein wenig anpasst.

    Ich hatte das schon ausgeführt: als Ignostiker enthält man sich beim ‘Gott der Philosophen’, eben weil das eine logische Ableitung ist, die bestenfalls in eine Aporie führt und es keine Evidenz für die eine oder andere Alternative gibt.

    Aber die ‘Supers’ (ein Begriff, der sich zum Glück, nicht durchgesetzt hat, auch ‘Brights’ ist nicht besser, aber leider etabliert) vertreten doch meist vollkommen andere Gottesbilder. Und da ist die Enthaltung nicht mehr zu rechtfertigen. Von der anderen Seite wird das genauso gesehen (“Wer nicht für mich ist, ist gegen mich …”). Bei stramm Frommen läuft der Agnostiker auch nicht besser auf als der Atheist.

    Bertrand Russell (und auch Dawkins) wissen, dass sie ‘eigentlich’ Atheisten sind, auch wenn sie sich als Agnostiker bezeichnen, wenn sie es mit Philosophen zu tun haben. Kennen Sie

    Russell, B. (1947) ‘Am I An Atheist Or An Agnostic? A Plea For Tolerance In The Face Of New Dogmas’ URL: http://scepsis.net/eng/articles/id_6.php

    Auch als ich noch Agnostiker war hat mich immer genervt, dass das von vielen Menschen aus beiden Lagern als ‘feiges Fence-Sitting’ bezeichnet wurde, als Entscheidungsschwäche und so weiter.

    Meine Frage war halt, was einen Menschen dazu bringt, sich einer Entscheidung zu enthalten, wenn es Evidenzen gibt. Scheint auf das alte Problem hinauszulaufen, dass man ‘die Wahrheit’ nicht erkennen kann, aber dennoch handeln muss. Die hohe Kunst scheint mir darin zu bestehen, das sicherste Wissen, das aber nicht sicher ist, zu finden, und auf dieser Basis zu handeln. Das Problem ist, dass man sich dadurch eventuell Wege versperren kann. Aber die andere Seite ist, dass man auch sehr viele Holzwege zur Verfügung hat, die man nun nicht unbedingt alle kartieren muss.

    Ich würde meinen Standpunkt am liebsten noch nicht einmal mit dem Etikett “agnostisch” versehen, doch die meisten Menschen scheinen solche Kategorien zu brauchen.

    Wie wäre es beispielsweise mit Accomodationismus oder Kompatibilismus? Zum ersten Begriff gibt es einen wunderbaren Artikel von Michael Ruse, leider funktioniert der Link aktuell nicht, soll aber in Reparatur sein. Bei Bedarf kann ich Ihnen den Artikel aber auch gerne mailen.

    https://biologos.org/files/modules/ruse_scholarly_essay.pdf

    Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie einige Gemeinsamkeiten mit Ruse haben könnten.

  117. @Waschke: offene Fragen
    Bleiben offene Fragen ohne eindeutige Antworten. Da gibt es nichts zu entscheiden. Ausser,dass vermutlich dann Glaube anfängt und man dann entscheidet,bewusst oder unterbewusst, glauben zu wollen oder nicht.
    Offene Fragen sind der Grund und bleiben Grund für alles mögliche. Damit kann man etwas ‘rumspielen’. Macht das Leben bunter…

  118. @Waschke:Urteil
    Mir macht es den Eindruck, Sie verwechseln Entscheidung und Urteil bzw. vermischen die Begriffe.
    Wie steht es mit beiden in Zusammenhang mit offenen Fragen?

  119. @Tobias Jeckenburger, @Mussi

    ich habe Ihnen gerade ausführlich geantwortet, leider erscheint mein Beitrag nicht. Keine Ahnung warum, vielleicht habe ich einen Begriff verwendet, der mich aus dem Rennen wirft. Links habe ich keine gesetzt.

    @Stephan Schleim: Können Sie den Beitrag eventuell freischalten?

  120. @Mussi 19.03.2021, 07:18 und 07:30 Uhr

    Offene Fragen

    Bleiben offene Fragen ohne eindeutige Antworten. Da gibt es nichts zu entscheiden.

    Da bleibt nur die Entscheidung. Auch sich nicht zu entscheiden ist eine Entscheidung (in etwa wie “you cannot not communicate …”)

    Ausser,dass vermutlich dann Glaube anfängt und man dann entscheidet,bewusst oder unterbewusst, glauben zu wollen oder nicht.

    Es gibt Grade der Gewissheit. Stimmt, irgendwann wird aus ‘belief’ dann ‘faith’.

    Offene Fragen sind der Grund und bleiben Grund für alles mögliche. Damit kann man etwas ‘rumspielen’. Macht das Leben bunter…

    Eben. Aber offene Fragen werden von manchen Menschen aus strategischen Gründen dazu verwendet, um everybodies darling zu sein auch Antworten auf geklärte Fragen nicht wahrhaben zu wollen. Nur damit habe ich ein Problem, nicht mit offenen Fragen.

    Entscheidung vs. Urteil

    Mir macht es den Eindruck, Sie verwechseln Entscheidung und Urteil bzw. vermischen die Begriffe.

    Mir ist dieser Unterschied durchaus klar. Es geht mir genau um diesen Unterschied, und zwar hinsichtlich der Begründung der Entscheidung durch ein Urteil.

    Sind wir uns einig, dass eine Entscheidung ohne Begründung insuffizient ist?

    Wie steht es mit beiden in Zusammenhang mit offenen Fragen?

    Hier ist bestenfalls Konsilienz hilfreich. Zudem scheitern Entscheidungen auch bei offenen Fragen ab und an der normativen Macht des Faktischen.

    Es gibt aber auch Aporien. Dann kann man eine Münze werfen …

  121. @Waschke: Wahl
    Oder man entscheidet sich, noch nicht mal eine Münze zu werfen…

  122. @Waschke: Position
    Was sollte mich bei Aporien Position beziehen lassen ( müssen)?

  123. @Mussi 19.03.2021, 08:41 Uhr

    Relaxation

    Ich habe mich für Tante Google entschieden und fand die hilfreiche Definition:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Relaxation

    in der historischen kirchlichen Rechtssprache ein euphemistischer Ausdruck für die Hinrichtung des aufgrund eines Geständnisses verurteilten Häretikers auf Veranlassung der Inquisitionsbehörde, siehe Inquisition

    Bingo!

    Wieder was für’s Leben gelernt 🙂

  124. @Mussi 19.03.2021, 09:08 Uhr

    Ataraxie?

    Aus dem Studium kannte ich folgende Definitionen (zitiert nach Wikipedia):

    Relaxation (Naturwissenschaft), in den Naturwissenschaften (insbesondere in Physik, Chemie, Materialwissenschaften) den Übergang eines Systems in seinen Grundzustand oder in einen Gleichgewichtszustand (häufig nach einer Anregung)

    Oberflächenrelaxation, in der Festkörperphysik und Oberflächenchemie eine Veränderung der Atomabstände an der Festkörperoberfläche

    Relaxation (NMR), in der Kernphysik und bildgebenden Medizintechnik
    Relaxationsprozesse bei kernmagnetischer Resonanz

    Muskelrelaxation, in der Medizin a) die reversible medikamentöse Lähmung der Skelettmuskulatur und b) die physiologische Lösung der Muskelanspannung
    sowie in der Kardiologie die Entspannungsphase der Herzkammern innerhalb der Austreibungsphase des Herzens, siehe Diastole

    in der Informatik einen Schritt des Dijkstra-Algorithmus

    muss aber gestehen, dass mir im aktuellen Kontext keine zu passen schien und ich mich offensichtlich schlau machen musste.

    Gleichgewicht zwischen Widersprüchen auffassen: Homöosthase des Geistes – Ausgeglichenheit.

    Dafür würde ich, dem, was ich auch im Studium gelernt habe, folgend, eher den Begriff Ataraxie bevorzugen.

  125. @Waschke:
    Dann wären wir von den Begrifflichkeiten wieder eher bei der Trennung zwischen Körper und Geist und entdecken doch Gemeinsames.

  126. @Thomas Waschke 18.03.2021, 20:37 Uhr
    @Mussi

    “Wie hast du’s mit dem Spaghetti-Monster?” Darauf keine Entscheidung, sondern das Urteil: “… lohnt keinen Gedanken”.

  127. @Grams: Spaghettimonster
    Interessant:was gilt nicht als Sekte oder Aberglaube was sich heute als neue Religion (sich postmodernen bildend) neben traditionellen formieren ließe?
    Passte eher zu Religion vs Naturalismus.

  128. Da ja heute die Wissenschaft das Maß aller Dinge ist, es aber keine wissenschaftliche Erklärung für das Bewusstsein gibt, kann das wohl nur beudeuten, dass es gar kein Bewusstein gibt. Es ist vielmehr unwissenschaftlicher Quatsch oder wie man heutzutage sagt eine “Schwurbelei”.

  129. @Müller
    Wenn ein Phänomen trotz aller Anstrengungen nicht erklärt werden kann, dann muss man sich tatsächlich fragen, ob dieses Phänomen überhaupt existiert und nicht einfach nur ein Wort ist, ohne direkt beschreibbare Bedeutung. Jeder glaubt zu wissen, was Leben ist, was seine Eigenschaften sind, aber niemand kann es erklären. Man hat sich an die Existenz des Wortes gewöhnt, an die Dinge und die Eigenschaften, die damit gemeint sind, aber ohne die Existenz und das Wesen des Bezeichneten selbst zu prüfen. Es gibt Vögel, Insekten und Flugzeuge, die fliegen können, aber gibt es “das Fliegen” mit eigener Existenz? Ist es nicht einfach nur eine Fähigkeit gewisser Dinge oder Klassen von Dingen, die von den Dingen losgelöst wurde? So ist es wohl auch mit dem Leben und dem Bewusstsein.

  130. @anton reutlinger 19.03.2021, 20:14 Uhr

    Reifizierungen

    Es gibt Vögel, Insekten und Flugzeuge, die fliegen können, aber gibt es “das Fliegen” mit eigener Existenz? Ist es nicht einfach nur eine Fähigkeit gewisser Dinge oder Klassen von Dingen, die von den Dingen losgelöst wurde? So ist es wohl auch mit dem Leben und dem Bewusstsein.

    Exakt der Punkt. Ich kann Ihnen bei Bedarf eine Passage von Ernst Mayr, dem ‘Darwin des 20. Jahrhunderts’, kopieren, der betont, dass kein Biologe weiß, was ‘das Leben’ ist. Es ist eine Reifzierung dessen, was lebende Systeme ausmacht.

    Ich habe das meinen Schülern immer so erklärt, dass ich vor ihnen hin und her gegangen bin und gesagt habe, dass sie nun sehen, dass der Waschke sich bewegt, dass sie also den Waschke in Bewegung sähen. Wo aber ist dann ‘die Bewegung’ vom Waschke? Ich habe dann immer demonstrativ um nicht geschaut und gefragt, wo sie denn nun sei, ‘die Bewegung’, die hier angeblich zu sehen sei. Moustaki hat etwas Ähnliches gesungen, eben dass er nie alleine sei, weil er ja immer noch ‘die Einsamkeit’ habe.

    Das ist übrigens ein typischer Fall dafür, dass die Sprache ‘feiert’ (wie Wittgenstein so schön formulierte). Ein Prozess oder irgendwas anderes wird mit einem Hauptwort bezeichnet, das sich dann in einem Satz wie ein real seiendes Ding verwenden lässt.

    ‘Das Leben’ gibt es genauso wenig wie ‘den Stoffwechsel’, ‘die Verdauung’ oder ‘die Universität von Marburg’.

  131. “@Müller
    Wenn ein Phänomen trotz aller Anstrengungen nicht erklärt werden kann, dann muss man sich tatsächlich fragen, ob dieses Phänomen überhaupt existiert und nicht einfach nur ein Wort ist, ohne direkt beschreibbare Bedeutung. ”

    Warum sollte der Mensch Wörter herbeihalluzinieren und benutzen die keine Bedeutung haben?
    Aber sicher eine sehr elegante Lösung: Was Naturwissenschaften nicht erklären können existiert nicht. Obs außerhalb der eigenen Bubble zur Glaubwürdigkeit beiträgt wage ich aber eher zu bezweifeln (ich finde es übrigens lächerlich)

  132. @Johannes 19.03.2021, 22:23 Uhr

    Warum sollte der Mensch Wörter herbeihalluzinieren und benutzen die keine Bedeutung haben?

    Weil er Halluzinationen mit Begriffen belegen möchte?

    Selbstverständlich haben die Wörter Bedeutung, wenn sie benutzt werden. Die Frage ist eher, ob einem Wort etwas entsprechen muss.

    Goethes ‘Faust’ hat dazu eigentlich schon das Relevante gesagt …

  133. @Thomas Waschke / 19.03.2021, 21:26 Uhr

    »Ein Prozess oder irgendwas anderes wird mit einem Hauptwort bezeichnet, das sich dann in einem Satz wie ein real seiendes Ding verwenden lässt.«

    Wenn also jemand beispielsweise sagt, »wenn ich richtig informiert bin, will der Naturalist vom Sein zur Sprache kommen,« ist darin implizit als logische Bedingung enthalten, dass der Naturalist zuvor vermittels grammatischer Substantivierung des Hilfsverbs `sein’ von der Sprache zum `Sein’ kommen muss. Einverstanden?

  134. @Chrys 20.03.2021, 09:36 Uhr

    Sprache und Sein bzw. Sprache vom Sein

    Wenn also jemand beispielsweise sagt, »wenn ich richtig informiert bin, will der Naturalist vom Sein zur Sprache kommen,« [Zitat aus einem Posting von Thomas Waschke] ist darin implizit als logische Bedingung enthalten, dass der Naturalist zuvor vermittels grammatischer Substantivierung des Hilfsverbs `sein’ von der Sprache zum `Sein’ kommen muss. Einverstanden?

    Bitte zwei Ebenen nicht vermischen.

    Der Naturalist geht davon aus, dass durch eine Evolution materieller Bestandteile des Seins Systeme entstanden, die über ein Nervensystem einer Komplexität verfügten, das ‘Sprache’ ermöglicht. Im Kontext, aus dem Sie meinen Satz entnommen haben, sollte das eigentlich klar geworden sein, und darauf war mein Satz gemünzt.

    Sie sprechen eine andere Ebene an, Sprache als solche. Das war nicht mein Punkt. Wir könnten uns jetzt natürlich unterhalten, ob es Sinn macht, Reifizierungen im aktiven Wortschatz zu verwenden. Solange die Sprache nicht ‘feiert’ ist das problemlos.

    Selbstverständlich ist auch beispielsweise ‘Evolution’ eine Reifizierung, und auch hier besteht die Gefahr, dass Menschen Formulierungen wie ‘die Evolution schafft …’ verwenden, als sei ‘Evolution’ ein Bezeichner für einen intentional handelnden real existierenden Akteur. Dieser Sprachgebrauch ist das Problem, nicht die Reifizierung an sich.

  135. Thomas Waschke ,
    bei ihrer Denkweise assoziiere ich sofort „Kulturanarchist“.
    Das Wesen der Kultur besteht darin, die Phänomene in Worten zu fassen und dann mit ihnen umzugehen, als ob es sie wirklich gäbe.
    Die Schönheit, die Anmut, die Freude, der Hass, der Tod (hier lassen Sie sich hoffentlich überzeugen). Mit der Hilfe der Sprache lassen sich Gefühle erzeugen, denken Sie mal an Gedichte, an Romane, an Hollywood, das lebt von den Gefühlen.
    Die Sprache ist nicht er Sklave der Naturwissenschaft, dafür gibt es die Mathematik. Die Mathematik ist geduldig, die lässt sich versklaven.
    Tipp: Versuchen Sie mal ein Gedicht zu schreiben, das Menschen zu Tränen rührt.

  136. @Chrys 20.03.2021, 09:36 Uhr

    Kommt die sein-Sein-Debatte daher, dass wir top-down denken und bottom-up analysieren, wie ich das in meiner Tabelle versucht habe darzustellen?

  137. @hwied 20.03.2021, 10:17 Uhr

    bei ihrer Denkweise assoziiere ich sofort „Kulturanarchist“.

    Dieser Begriff ist in meinem passiven Wortschatz nicht enthalten. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie den pejorativ konnotieren?

    Was ist, falls mich interessiert, wie Sprache in die Welt kam, und nicht, wie ich mit Sprache Menschen zu Tränen rühren kann?

    Oder auch, wie Wittgenstein so schön formulierte, mich dafür interessiere, wie ‘die Spache feiert’?

    Bin ich dann immer noch ‘Kulturanarchist’, auch wenn ich in diesem Kontext nicht sehe, welche Rolle Gefühle spielen könnten?

  138. “Selbstverständlich haben die Wörter Bedeutung, wenn sie benutzt werden. Die Frage ist eher, ob einem Wort etwas entsprechen muss.”

    Klar muss jedem Wort etwas entsprechen sonst würde es ja das Wort nicht geben. Ich vermute mal sie meinen “in der Realität entsprechen” aber auch das ist falsch denn natürlich existiert auch der Osterhase “in der Realität” nämlich als kulturelles Phänomen. Wahrscheinlich meinen sie mit “entsprechen” irgendwie materiell oder “real” also auch “ohne das menschliche Bewusstsein” existierend aber auch da ist die These das das was die Naturwissenschaft nicht erkennen kann nicht existiert einfach nur doof. Wirklich doof. Erst den Anspruch haben alles erklären zu können und wenn man dann offensichtlich scheitert einfach zu Behaupten das das was man nicht erklären kann (Bewusstsein) nicht existiert und die Fragen die man nicht beantworten kann (Sinn) überflüssig ist, ganz ehrlich das wirkt außerhalb ihrer Bubble die sich ja hier grade gegenseitig Beweihräuchert ziemlich lächerlich.

  139. Waschke
    unser Mitkommentator Johannes kann den Sachverhalt „Waschke und die Kultur“ etwas glatter formulieren.
    Der Ausdruck Kulturanarchist ist nicht nur provozierend, er ist auch bewundernd.
    (Sonst hätte ich mir gar nicht eingemischt)
    Also lassen Sie Wittgenstein in Ruhe schlafen, reparieren Sie ihr Auto, aber lassen Sie die Finger von den Menschen und ihrer Kultur.

  140. @Timm Grams // 20.03.2021, 10:40 Uhr

    »… top-down denken und bottom-up analysieren…«

    Worin besteht für Sie der Untertschied zwischen ‚denken‘ und ‚analysieren‘?

  141. @hwied
    Für Kultur interessiert sich der Kulturwissenschaftler, für die Natur der Naturwissenschaftler. Die Sprache gehört zur Kultur. Dinge, die keine physische Existenz haben, können für den Naturwissenschaftler kein Forschungsgegenstand sein. Den Biologen als Naturwissenschaftler interessieren die lebenden Dinge in der Welt mit ihren spezifischen Eigenschaften und mit verallgemeinerten Gesetzmäßigkeiten.

    Selbstverständlich ist speziell das menschliche Leben sowohl ein Subjekt als auch ein Objekt der Kultur. Den Kulturwissenschaftler interessieren andere Aspekte des Lebens als den Naturwissenschaftler. Beide Bereiche überlappen sich, denn Naturwissenschaft als solche ist ebenfalls Teil der Kultur, besonders die Sprache und die Begriffe, vielfach mit historischem Erbe.

    Das Bewusstsein hat ohne Zweifel sowohl naturwissenschaftliche als auch kulturwissenschaftliche oder humanwissenschaftliche Facetten. Man muss sie auseinander halten. Den Naturwissenschaftler interessiert die Funktionsweise. Dazu muss er die Strukturen von Modulen, die Substanzen, die Prozesse untersuchen und analysieren. Wenn man sie kennt, kann man wieder das integrative Ganze im Zusammenspiel synthetisch betrachten. Dann kann man tragfähige Brücken bauen zu den Human- oder Geisteswissenschaften.

  142. Reutlinger,
    Zustimmung.
    Die Gesetzmäßigkeiten der Natur sind auch poetisch, betrachten Sie nur die Kristalle. Diamanten sind nicht nur wegen ihrer Härte geschätzt.
    Wie sich eine Pflanze im Zeitraffer bewegt, das ist schön. Das Rauschen der Brandung, der Schrei der Möwe, die kann es mit Maria Callas aufnehmen in La Traviata.
    Anmerkung: Eine der besten Opern überhaupt.
    Wenn Herr Waschke allerdings pejorativ konnotiert, dann hilft nur noch das Geknatter eines Trabbi.

  143. @hwied
    Mit Sprache kann man sehr viel Unheil anrichten, das haben wir bei Trump deutlich gesehen. Deshalb muss man hin und wieder die verbalen Samthandschuhe ausziehen. Herr Waschke hat es sicher nicht pejorativ gemeint.

    Zu sprachlichen und anderen Missverständnissen ein aktuelles Beispiel aus USA: ein 21jähriger hat in Atlanta 8 Menschen erschossen, davon 6 aus Asien stammende Frauen. Deshalb ist von Rassismus die Rede. Die Frauen waren Angestellte in Massagesalons, in denen nicht zufällig viele asiatischstämmige Frauen arbeiten. Das Motiv und Ziel des Mannes waren aber nicht die Frauen, sondern die Salons selber.

    Er war Mitglied einer reaktionären Kirchengemeinde, in der jede Form von Sex außerhalb der traditionellen Ehe als Sünde streng verboten ist. Folglich konnte er seine sexuellen Bedürfnisse nicht ohne tiefe Gewissensbisse und Ängste ausleben. Da er seine Bedürfnisse nicht unterdrücken konnte, wollte er die Stätten seiner “teuflischen Begierden” auslöschen. Die Kirchengemeinde hat sich von ihm danach distanziert, mit den heuchlerischen Gründen seines “sündigen” Verhaltens. In Wirklichkeit ist ihre widernatürliche “Kultur” das wahre Motiv für die Schreckenstat!

  144. @Balanus 20.03.2021, 11:58 Uhr
    Stimmt. Ich hätte sauberer formulieren sollen. Ich versuch’s noch einmal.

    Kommt die sein-Sein-Debatte daher, dass wir top-down denken und dass die Ursache-Wirkungsrichtung genau entgegengesetzt, nämlich bottom-up gerichtet ist, wie ich das in meiner Tabelle versucht habe darzustellen?

    In der Tabelle spielt der weiße Pfeil auf diesen Gedanken Kants an: Da wir nur die Erscheinungen erfahren, und nicht „die Dinge an sich“, gruppieren wir die vermeintlichen Dinge der Außenwelt nach Maßgabe der Erscheinungen. Wir „denken“ also in Pfeilrichtung.

  145. “Den Naturwissenschaftler interessiert die Funktionsweise.”

    Markus Gabriel beschreibt das sehr deutlich mit dem Beispiel Fahrad (Gehirn) und von Koblenz nach Worms Fahrad fahren (Bewusstsein). Der Naturwissenschaftler beschreibt die Funktionsweise des des Fahrades (Gehirn) über das von Koblenz nach Worms Fahrad fahren (Bewusstsein) kann er überhaupt nichts sagen, eine Brücke zu den Geisteswissenschagten kann es folglich auch gar nicht geben.

    Die Aussage : Der Naturwissenschaftler interessiert sich für die Funktionsweise des Bewusstseins ist monumentaler Schwachsinn.

    Sie Behaupten: Gehirn=Bewusstsein.

    Genausogut könnten sie sagen: Sonne=Mond oder 1=2

  146. Reutlinger,
    Sex und Religion,
    die Evangelischen haben damit kein Problem. Kulturell betrachtet, waren die Einschränkungen bezüglich Sex zum Schutz der Frauen erdacht worden, weil unverheiratete Frauen von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden.

    Widernatürliche Kultur und Religion. Die Menschen könnten schon früher nicht unterscheiden zwischen kulturellen Tabus und religiösen Tabus.
    Heute ist man da viel weiter. Der Vorsitzende der J . i. D. , den Name lasse ich mal weg, der musste zurücktreten, weil er sich mit Zwangsprostituirten aus dem Ostblock eingelassen hatte.

  147. @hwied
    Es ist keine Frage, dass der Natur des Menschen an manchen Stellen Grenzen gesetzt werden müssen, als kulturelle Regeln oder Schranken. Die Gründe dafür sind evident, wir sehen es an den Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern oder Gewalt gegen Frauen. Es funktioniert aber nicht, wenn man die Natur des Menschen mit willkürlichen und ideologischen Verboten vergewaltigt. Die Sexualität der Menschen ist vielgestaltig, das kann man nicht einfach leugnen und verteufeln. Der Hass auf LGBT und die Ablehnung ist widernatürlich und ein Verbrechen an der Menschlichkeit mit Gewaltverbrechen in Folge.

    Die Brücken zwischen Natur und Kultur müssen tragfähig sein, nicht aus verrottetem Holz. Zur Natur gehört primär die individuelle Freiheit des Menschen, dafür hat er Verstand, Vernunft, Wille und Bewusstsein! Gesellschaft und Kultur können das Leben erleichtern und verschönern, bedeuten aber auch Einschränkungen auf freiwilliger Basis.

  148. @hwied
    Halten Sie es für gerechtfertigt, dass man Opfer von Verbrechen zusätzlich mit Verboten bestraft, angeblich zum Schutz vor diesen Verbrechen? Das ist so zynisch wie “Schutzhaft” in Diktaturen. In fundamental christlichen Ländern wie Polen und USA sind Abtreibungen sogar nach Vergewaltigung verboten. Die Frauen werden also auch noch juristisch und psychisch vergewaltigt, während die Vergewaltiger oftmals straflos bleiben.

  149. Deswegen ziehen wir weder nach Polen, noch in die USA.
    Soweit ich unterrichtet bin, hat Polen die meisten Abtreibungen trotz Verbot.
    In Irland nennt sich das Menstruationsschwierigkeiten.

  150. @Thomas Waschke / 20.03.2021, 10:08 Uhr / cc @Timm Grams

    Die zu unterscheidenden Ebenen sind die von Objektsprache und Metasprache.

    Unter Beachtung dieser hierarchischen Gliederung kann die Linguistik dann Entstehung und Evolution von Sprache als vorfindliche Struktur zum Gegenstand theoretischer Betrachtungen mit wiederum sprachlichen Mitteln machen, was zwangsläufig natur- wie kulturhistorische Aspekte beinhaltet, insofern da etwas empirisch Vorfindliches untersucht wird. `Evolution’ ist hierbei dann ein theoretischer Begriff der Objektsprache, dessen kontextuelle Bedeutung in der Metasprache semantisch konstituiert wird.

    Was eine solche Theorie über Evolution von Sprache jedoch keinesfalls antinomienfrei begründen kann, ist ihre eigene Metasprache. Kurzum, sie wäre unvollständig.

    Wann immer Sie `Evolution’ zwecks Erklärung ins Spiel bringen wollen — erklärt werden kann grundsätzlich nur objektsprachlich durch Konzepte, die eine Metasprache als konstitutive Vorbedingung erforden.

    Erst recht ist Philosophie stets nur in einem sprachlichen Rahmen möglich, über den man mit den Mitteln der Sprache auch nicht hinausgreifen kann. Speziell hat alle Ontologie Sprache zur konstitutiven Vorbedingung; das `Seinende’ wird so letztlich zur reinen Einbildung, bedingt durch mangelnde Reflexion der sprachlichen Mittel, und ist “nicht weniger fiktiv als der Mann im Mond” (Stegmüller).

  151. @Chrys 20.03.2021, 18:32 Uhr

    [ übereinstimmungshalber gesnippt ]

    Erst recht ist Philosophie stets nur in einem sprachlichen Rahmen möglich …

    Voll d’accord. Es ging um die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass es Philosophen gibt. Wie diese Menschen später etwas, beispielsweise ihre Evolution, beschreiben, ist diesbezüglich sekundär.

    Sind wir uns hier einig?

  152. Thomas Waschke,
    etwas wird im Gedächtnis zurückbleiben und nach Wochen seine segensreiche Wirkung entfalten.

  153. @ Johannes 20.03.2021, 10:45 Uhr

    Zitat: „Erst den Anspruch haben alles erklären zu können und wenn man dann offensichtlich scheitert einfach zu Behaupten das das was man nicht erklären kann (Bewusstsein) nicht existiert und die Fragen die man nicht beantworten kann (Sinn) überflüssig ist, ….“

    Mich erinnert es an die Fabel vom Fuchs und den Trauben, die er nicht erreichen kann:

    „Der Fuchs biss die Zähne zusammen, rümpfte die Nase und meinte hochmütig: „Sie sind mir noch nicht reif genug, ich mag keine sauren Trauben.“ Mit erhobenem Haupt stolzierte er in den Wald zurück.“

  154. @Elektroniker 20.03.2021, 22:17 Uhr

    Saure Trauben hoch hängen vs. Strohmännchen abfackeln

    [Zitat Johannes]: „Erst den Anspruch haben alles erklären zu können und wenn man dann offensichtlich scheitert einfach zu Behaupten das das was man nicht erklären kann (Bewusstsein) nicht existiert und die Fragen die man nicht beantworten kann (Sinn) überflüssig ist, ….“

    Mich erinnert es an die Fabel vom Fuchs und den Trauben, die er nicht erreichen kann

    Mich erinnert das an den Strohmann, den man abfackelt, wenn man nicht verstanden hat, um was es ging.

    Der naturalistische emergentistische Materialist bestreitet nicht, dass es ein Bewusstsein gibt, er bestreitet nur, dass es etwas sei, zu dessen Erklärung man mehr als organisierte Materie benötigen würde.

    Sie hätten Recht, sollte es jemandem entweder gelingen, eine Evidenz für eine Übernatur zu zeigen, oder einen empirischen Unmöglichkeitsbeweis zu konstruieren, dass organisierte Materie eben nicht in der Lage sein kann, Bewusstsein zu erzeugen, und der Naturalist dann, um seine Position zu retten, behaupten würde, es gäbe gar kein Bewusstsein.

    Ich sehe für beide Alternativen kein Argument. Zudem leugne beispielsweise ich nicht, dass es ein Bewusstsein gibt.

    Nur nebenbei, man sollte sich schon etwas damit befassen, mit welchem Typ ‘Naturalist’ man diskutiert.

    In http://bettinabussmann.info/wp-content/uploads/2018/09/Bussmann-2016-Naturalismus.pdf finden Sie ein Zitat von Keil, in dem dieser ‘Attribut-Naturalismen’ auflistet (s. 2):

    “Geert Keil nennt eine ganze Reihe von Attribut-Naturalismen: methodologischer, ontologischer, semantischer, wissenschaftlicher, radikaler, reduktiver, aposteriorischer, eingeschränkter, eliminativer, gemäßigter, integrativer, kooperativer, reformistischer, revolutionärer, szientistischer und uneingeschränkter Naturalismus.”

    Als Quelle für das Zitat nennt die Autorin:

    Keil, Geert: „Anthropologischer und ethischer Naturalismus“. In: Goebel, Bernd/ Hauk, Anna Maria/ Kruip, Gerhard (Hrsg.): Probleme des Naturalismus. Philosophische Beiträge. Paderbron, 2005. S. 65-100.

    Versuchen Sie einfach, aufzulisten, welche Adjektive auf den Naturalismus eines emergentistischen Materialisten wie mich zutreffen 🙂

  155. “Der naturalistische emergentistische Materialist bestreitet nicht, dass es ein Bewusstsein gibt, er bestreitet nur, dass es etwas sei, zu dessen Erklärung man mehr als organisierte Materie benötigen würde.”

    Ich verweise noch mal auf Markus Gabriel. Wenn das Gehirn ein Fahrrad ist und Bewusstsein von Koblenz nach Worms Fahrrad fahren , dann behauptet also der emergentische Materialist das man mit der Funktionsweise des Fahrrades die Fahrradtour erklären kann.

    Oha.
    Ich denke mal der Elektroniker hat recht , hier wird einfach ein Zauberwort kreiert das DEN Widerspruch im Naturalismus zukleistern soll denn das aus dem Fahrrad auf magische Weise eine Fahrradtour entstehen (emergieren) soll, naja wers glaubt…….

  156. @Johannes 21.03.2021, 08:23 Uhr

    Woher kommt denn der Radfahrer?

    Ich verweise noch mal auf Markus Gabriel. Wenn das Gehirn ein Fahrrad ist und Bewusstsein von Koblenz nach Worms Fahrrad fahren , dann behauptet also der emergentische Materialist das man mit der Funktionsweise des Fahrrades die Fahrradtour erklären kann.

    Wenn Sie den Substanz-Dualismus in die Prämissen mogeln und meinen, so ein Argument zu haben, viel Spaß.

    Sie vermeiden so effektiv, ernst genommen werden zu können.

  157. @Johannes
    Nehmen Sie statt eines Fahrrades doch einen von der Evolution derart programmierten Roboter, dass er selbsttätig nach geeigneten Steckdosen sucht und zwischendurch mit seinesgleichen Fußball spielt.

  158. “Woher kommt denn der Radfahrer?”

    Ich behaupte doch gar nicht zu wissen woher das Bewusstsein kommt. Sie müssen erklären woher denn der Radfahrer (Bewusstsein) kommt.Ihre Behauptung (eigentlich ist es nur eine Meinung, Behauptung wäre ja besser belegt): Die Fahrradtour entsteht aus dem Fahrrad. Wer eine Behauptung aufstellt (Bewusstsein entsteht aus Materie) ist auch in der Beweispflicht.

  159. “Nehmen Sie statt eines Fahrrades doch einen von der Evolution derart programmierten Roboter, dass er selbsttätig nach geeigneten Steckdosen sucht und zwischendurch mit seinesgleichen Fußball spielt.”

    Was daran schön ist ist ja das all diese Roboter (wir Menschen) glauben eine Absicht und einen freien Willen zu haben, obwohl sie ja nur programmiert sind und Unfrei, noch erstaunlicher ist das einige dieser Menschen (die Intelligentesten) Naturalisten werden und mit ihrem unfreien Willen erkennen das sie einen unfreien Willen haben und nur programmierte Roboter sind. Spektakulär würde ich mal sagen…..

  160. “Sie vermeiden so effektiv, ernst genommen werden zu können.”

    Ob SIE mich ernst nehmen , glauben sie mir es gibt kaum etwas was mir weniger wichtig wäre. Ich frage mich allerdings warum sie einen materiellen Dualismus für irgendwie gehaltvoller halten als einen Substanz Dualismus .

  161. @Johannes
    Was nützt ein Fahrrad ohne Radfahrer und was macht ein Radfahrer ohne Fahrrad? Mit passenden Analogien kann man wichtige Erkenntnis gewinnen, mit unpassenden kann man jeden Blödsinn begründen.

  162. “Was nützt ein Fahrrad ohne Radfahrer und was macht ein Radfahrer ohne Fahrrad? Mit passenden Analogien kann man wichtige Erkenntnis gewinnen, mit unpassenden kann man jeden Blödsinn begründen.”

    Die zweite Möglichkeit ist das Menschen Analogien intellektuell überfordert .

  163. @Johannes 21.03.2021, 10:12 Uhr

    Ob SIE mich ernst nehmen , glauben sie mir es gibt kaum etwas was mir weniger wichtig wäre.

    Das freut mich. Ich hatte schon gefürchtet, Sie würden es als unhöflich empfinden, wenn ich nicht weiter auf Ihre Postings eingehe.

  164. “Das freut mich. Ich hatte schon gefürchtet, Sie würden es als unhöflich empfinden, wenn ich nicht weiter auf Ihre Postings eingehe.”

    Ich finde es zeugt von einer gewissen Größe das sie Zugeben keine Argumente mehr zu haben. War mir allerdings schon klar als sie angefangen haben unter die Gürtellinie zu schlagen.

  165. @anton reutlinger // 21.03.2021, 10:12 Uhr

    » Mit passenden Analogien kann man wichtige Erkenntnis gewinnen…«

    Mir ist noch keine wirklich passende Analogie untergekommen, die das Verhältnis von bewusstem phänomenalem Erleben (das scheint für viele ja der Knackpunkt zu sein) und Gehirn adäquat beschreiben würde.

    Kennen Sie eine?

  166. @Johannes
    Fahrrad und Radfahrer bilden ein zusammengehörendes System. Es ist keine Analogie, sondern es ist das System Mensch mit Bewusstsein selber! Der Mensch bzw. sein Bewusstsein hat ein Ziel auf Grund von Erinnerungen, den Willen oder ein Motiv, die Wahrnehmung zur Selbst- und Zielkontrolle, die Steuerung der Muskeln bzw. Motorik und die Beine als ausführende Glieder. Alles zusammen ist der bewusste Mensch! Das Fahrrad ist nur ein Vehikel zur Unterstützung der Beine.

  167. @Balanus
    Da der Mensch einmalig ist und ein Fremdbewusstsein nicht ohne geeignete Kommunikation nachempfunden werden kann, gibt es wohl keine passende Analogie dazu. Könnten wir Hunde kommunikativ verstehen, dann könnten wir vielleicht auch ihr Bewusstsein verstehen. Vielleicht können es die sogenannten Hunde- oder Pferdeflüsterer, ein wenig.

  168. @ Johannes 21.03.2021, 08:23 Uhr

    Ich habe mich der grundsätzlichen Sichtweise der Informatiker angeschlossen, die mit der Sicht der Theologen kompatibel sein sollte.

    Man geht von Prozessoren, Prozessen und Information aus, was letztlich eine besondere Abstrahierung des Dreifaltigkeitskonzepts sein soll.

    In der Theologie ist „Gott“ sozusagen der „Ausgangspunkt, das Absolute“, allerdings auch transzendent, weil man einerseits manches noch nicht, bzw. überhaupt nicht verstehen kann. Ähnlich wie Physiker einen Ausgangspunkt, eine „Basis, das „Urmeter“ oder das „Zeitnormal“ brauchen, bzw. haben wollen. Psychologen meinen, dass es Menschen besonders in Notsituationen helfen kann, wenn sie einen besonderen Bezug zur Welt, einen „Repräsentanten“, haben können.

    Zitat 1: “Der naturalistische emergentistische Materialist bestreitet nicht, dass es ein Bewusstsein gibt, er bestreitet nur, dass es etwas sei, zu dessen Erklärung man mehr als organisierte Materie benötigen würde.”

    Zitat 2: „Ich verweise noch mal auf Markus Gabriel. Wenn das Gehirn ein Fahrrad ist und Bewusstsein von Koblenz nach Worms Fahrrad fahren , dann behauptet also der emergentische Materialist das man mit der Funktionsweise des Fahrrades die Fahrradtour erklären kann.

    Zu 1: Unter „organisierter Materie“ könnte man verstehen, dass es auch mit Information beschreibbare und von Information gesteuerte Prozesse gibt, die hauptsächlich im Gehirn (Prozessor), allenfalls mit der „Umwelt“ (auch Prozessor) wechselwirkend, „ablaufen“ können.

    Zu 2: Der emergentische Materialist würde versuchen alle Wechselwirkungen der Komponenten des Fahrrades zumindest mit der Fahrtstrecke (z.B. Steigungen,…) zu erklären. Würde es sich um ein „selbstfahrendes Auto“ handeln, würde dieses auch den Verkehr und den Straßenverlauf, vielleicht sogar die Landschaft berücksichtigen, so dass der Fahrer die schöne Landschaft bewundern kann.

    Es ist für mich kein Widerspruch, wenn man z.B. wegen transzendenter Eigenschaften, oder wenn man an der Schau eines „Zauberers“ teilnimmt, nicht „alles versteht“ und womöglich deswegen von „Wundern“ sprechen könnte.

  169. @ Thomas Waschke 20.03.2021, 22:39 Uhr

    Zitat: „Der naturalistische emergentistische Materialist bestreitet nicht, dass es ein Bewusstsein gibt, er bestreitet nur, dass es etwas sei, zu dessen Erklärung man mehr als organisierte Materie benötigen würde.“

    Abgesehen davon, dass man nicht alles vollständig verstehen kann, sehe ich es so wie Sie.

    Meine recht materialistischen „Denkmuster“ habe ich mir vermutlich bei ehemaligen Lehrern aufgerissen, die im Krieg in der Naziforschung gearbeitet haben und teilweise nach einem „Knastaufenthalt“ wegen „problematischer Experimente“, sich nach dem Krieg als Physik-, Chemie-, Biologielehrer verdingt haben.

    Meine Sichtweise ist, dass „Qualia“ (auch Lust und Schmerz) ganz allgemein als „Phänomen“ z.B. in einer Sensorik dann auftreten könnten, wenn irgend ein (besonders auch resonanter) Einfluss auf die Elektronenbahnen und die Kohäsionskräfte zwischen chemisch, allenfalls auch über größere Entfernung mittels Ladungsträger (Elektronen, Ionen), verknüpften Molekülen, z.B. durch Kräfte, Licht, chemische Prozesse…. verursacht auftritt und Elektronen aus ihre Bahn fliegen, die vom neuronalen System ausgewertet werden. Diese Sicht sollen ehemals sogar die Spatzen von den Dächern (der Forschungseinrichtungen) „gepfiffen“ haben.

    Ich habe versucht, meine „Weltsicht“ im vorigen Beitrag zu vermitteln.

    Mir ist der Aspekt der „Information“, letztlich die „algorithmische Beschreibbarkeit“ auch der natürlichen Prozesse wichtig. Die Natur selbst, „nutzt“ sozusagen nur die „Prozess steuernde Funktion“ von Information, Beschreibungen gibt es (leider) nicht.

    Arbeiten Menschen an „Prozessen“ und neuen Sachverhalten, so müssen sie sich zwangsweise mittels einer Sprache „verständigen“. Wenn es um neue Sachverhalte geht, ist die Sprache eher unzureichend, weil es noch keine geeigneten optimalen Begriffe gibt.

  170. Name & Benanntes

    Hier scheint sich ja nun eine sprachphilosophische Diskussion zu entwickeln.

    Die Feststellung, es gebe Vögel, doch nicht “das Fliegen”, lässt sich ausdehen: Gibt es denn Vögel? Und schon sind wir beim alten Universalienstreit.

    Wenn man es richtig formuliert bzw. versteht, dann bedeutet eine Frage wie “Was ist Bewusstsein?” (“Was ist Fliegen?”), eben: Was unterscheidet bewusste Prozesse von nicht-bewussten Prozessen? (Fliegende Gegenstände von nicht-fliegenden Gegenständen? Lebende Organismen von nicht-lebenden Organismen? Welche Tiere zählen wir zu den Vögeln – und warum? usw.)

    ‘Das Leben’ gibt es genauso wenig wie ‘den Stoffwechsel’, ‘die Verdauung’ oder ‘die Universität von Marburg’. (Thomas Waschke)

    “Das Leben” habe ich schon aufgelöst: Man unterscheidet lebendige von nicht-lebendigen Dingen – und lässt vielleicht noch eine dritte Klasse für unklare Fälle übrig. Dann reflektiert man, wie man die Unterscheidung getroffen hat/was die drei Klassen wesentlich voneinander unterscheidet. Dann werden wir der Antwort nach der Frage “Was ist Leben?” so nahe kommen, wie wir nur können – ohne annehmen zu müssen, es gäbe etwas wie ein Ding Leben.

    Die Universität von Marburg gibt es übrigens wirklich: Der Haupteingang ist an der Biegenstraße 10, 35037 Marburg.

  171. Wittgenstein über “feiernde Sprache”

    Wenn hier schon so auf Wittgenstein verwiesen wird, dann hole ich mal die Philosophischen Untersuchungen aus dem Bücherregal. In §38 steht:

    Das Benennen erscheint als eine seltsame Verbindung eines Wortes mit einem Gegenstand. – Und so eine seltsame Verbindung hat wirklich statt, wenn nämlich der Philosoph, um herauszubringen, was die Beziehung zwischen Namen und Benanntem ist, auf einen Gegenstand vor sich starrt und dabei unzählige Male einen Namen wiederholt, oder auch das Wort ‘dieses’. Denn die philosophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert. Und da können wir uns allerdings einbilden, das Benennen sei irgend ein merkwürdiger seelischer Akt, quasi eine Taufe eines Gegenstandes.

    Vergessen wir nicht, dass es nicht mehr als eine soziale Konvention ist, diese Person (weise mit dem Finger auf mich selbst) als “Stephan Schleim” zu bezeichnen (man denke hierbei auch an Taufe). Solche Namen erfüllen Zwecke. Identifizieren wir uns aber nicht mit ihnen, sonst entstehen Missverständnisse. In der heutigen Zeit könnte man solche Namen zum Beispiel auch durch eine Steuernummer o.ä. ersetzen.

    Erstaunlich, dass solche Trivialitäten vielen Menschen gar nicht bewusst sind.

  172. @ Balanus 21.03.2021, 11:25 Uhr

    Von einer nicht sehr seriösen Analogie, dem Auftreten und der absichtlichen Steuerung von Resonanzeffekten im Zusammenhang mit bewusstem phänomenalem Erleben (Lusteffekte) die sozusagen als Wechselwirkung zwischen Gehirn und Körper auftreten können, wird in als nicht besonders intellektuell geltenden Kreisen durchaus diskutiert.

    Es geht dort auch um besonders erfolgreiche Methoden der psychischen Manipulation, letztlich um Geld…..

  173. @Schleim
    Man unterscheidet lebendige von nicht-lebendigen Dingen – und lässt vielleicht noch eine dritte Klasse für unklare Fälle übrig.

    So kommen wir uns schon näher. Die “unklaren Fälle” sind sehr wichtig, denn die Natur kennt nicht nur schwarz und weiß, sondern auch fast kontinuierliche Übergänge dazwischen. Nun kann man überlegen, was genau die lebenden von nichtlebenden Dingen unterscheidet. Im wesentlichen sind sie bekannt, als Selbstorganisation, Autopoiese, Selbstreproduktion, energetische Dissipation, Fließgleichgewicht, Autonomie und vielleicht andere. Damit können weitere befriedigende Erklärungen durch “stepwise refinement” gefunden werden. Diese Methode stammt von Descartes 1637 und ist Standard in der Entwicklung von Software bzw. Systemanalyse.

    Dass die Natur auch Übergänge zwischen lebenden und nichtlebenden Dingen bietet, wie es die Viren und die Prokaryonten sind, ist ein gewichtiges Argument gegen Antinaturalismus oder Spiritualismus. Es ist auch Grund zu der Annahme, dass höhere Tiere über ein rudimentäres Bewusstsein verfügen.

  174. Stephan Schleim
    21.03.2021, 13:24 Uhr
    Name & Benanntes
    Die Universität von Marburg gibt es übrigens wirklich: Der Haupteingang ist an der Biegenstraße 10, 35037 Marburg.

    Die o.a. Adresse erscheint mir unvollständig:

    Universität Marburg
    Biegenstraße 10
    35037 Marburg
    Hessen
    Deutschland
    Europa
    Erde
    Sonnensystem
    Orion-Arm
    Milchstraße
    Lokale Gruppe
    Virgo-Superhaufen
    Universum

    … nur, damit wir uns nicht vertun und woanders ankommen … 😉

  175. @Stephan Schleim 21.03.2021, 13:24 Uhr

    Was ist ‘die Universität von Marburg?’

    Die Universität von Marburg gibt es übrigens wirklich: Der Haupteingang ist an der Biegenstraße 10, 35037 Marburg.

    Selbstverständlich ‘gibt’ es die ‘Universität von Marburg’, aber eben nur als Konstrukt.

    Fragen Sie in Marburg mal einen Menschen, wo die Universität ist. Er wird sie vermutlich nicht zu der genannten Adresse (dort sind nur Hörsäle, zumindest war das so, als ich dort studierte und die Verwaltung) schicken, sondern fragen, welches Institut Sie besuchen möchten.

  176. @Stephan Schleim 21.03.2021, 13:33 Uhr

    Wittgenstein über “feiernde Sprache”

    Erstaunlich, dass solche Trivialitäten vielen Menschen gar nicht bewusst sind.

    Man merkt halt, dass für verschiedene Menschen unterschiedliche Sachverhalte trivial sind.

    Ich dachte eher an (willkürlich ergoogelt, den nächstbesten Text, aus dem ich etwas zitieren kann, wo der Sinn von ‘Sprache feiert’, so definiert wird, wie es mir trivial für das Entstehen philosophischer Probleme erscheint)

    https://www.novo-argumente.com/artikel/die_sprache_feiert

    “Die Sprache feiert” – so nannte es Wittgenstein, wenn durch gedankenlosen Sprachgebrauch die Illusion entsteht, dass etwas sprachlich Hervorgebrachtes auch tatsächlich existiert.

    Okay, in der Ontologie, die ich vertrete, existiert das sogar, aber eben als ‘Konstrukt’. Das Problem entsteht dann, wenn man meint, es sei ein ‘Konstrukt’ von einem ‘Ding’. Aber das hatten wir schon.

  177. @Stephan Schleim 21.03.2021, 13:24 Uhr

    ‘Leben’, ‘Bewusstsein’, ‘Geist’ etc. als Reifizierung

    ‘Das Leben’ gibt es genauso wenig wie ‘den Stoffwechsel’, ‘die Verdauung’ oder ‘die Universität von Marburg’. (Thomas Waschke)

    “Das Leben” habe ich schon aufgelöst: Man unterscheidet lebendige von nicht-lebendigen Dingen – und lässt vielleicht noch eine dritte Klasse für unklare Fälle übrig. Dann reflektiert man, wie man die Unterscheidung getroffen hat/was die drei Klassen wesentlich voneinander unterscheidet.

    Sehe ich auch so. Nur zum Vergleich, aus einem Buch des ‘Darwins des 20. Jahrhunderts’:

    When biologists and philosophers speak of “life,” however, they usually are not referring to life (that is, living) as contrasted with death but rather to life as contrasted with the lifelessness of an inanimate object. To elucidate the nature of this entity called “life” has been one of the major objectives of biology. The problem here is that “life” suggests some “thing”—a substance or force—and for centuries philosophers and biologists have tried to identify this life substance or vital force, to no avail. In reality, the noun “life” is merely a reification of the process of living. It does not exist as an independent entity. One can deal with the process of living scientifically, something one cannot do with the abstraction “life.” One can describe, even attempt to define, what living is; one can define what a living organism is; and one can attempt to make a demarcation between living and nonliving. Indeed, one can even attempt to explain how living, as a process, can be the product of molecules that themselves are not living. (S. 2, Fußnoten nicht übernommen)

    Das Zitat ist dem Kapitel 1: What Is the Meaning of “Life”? entnommen

    Mayr, E. (1998) ‘This is Biology. The Science of the Living World. Sixth Printing’ Cambridge, Mass; London, Belknap.

    Dann werden wir der Antwort nach der Frage “Was ist Leben?” so nahe kommen, wie wir nur können – ohne annehmen zu müssen, es gäbe etwas wie ein Ding Leben.

    Nun könnte man natürlich, wie Sie auch schon geschrieben haben, fragen, ob das mit ‘Bewusstsein’ und ‘Geist’ nicht analog zu sehen ist. Bad news für Substanzdualisten.

    Das Beispiel mit der Universität von Marburg habe ich aus Ryles ‘Ghost in the Machine’ übernommen (er hat natürlich eine englische Universität benannt, müsste jetzt nachflöhen, welche).

  178. Thomas Waschke
    ….bad news für Substanzdualisten,…..
    hört sich nach einer schleichenden Katastrophe an !
    Zeit sich auszuklinken, bevor die news become true.
    Bleiben Sie gesund.

  179. @Waschke: feiernde Sprache

    Trivial oder nicht – da haben Sie Recht… ich meinte mehr, dass wir alle miteinander sprechen (sofern wir nicht durch eine Krankheit/Behinderung daran gehindert werden), aber uns doch so wenig darüber bewusst sind, dass Wörter eben nicht die Welt bedeuten, sondern immer schon eine Abstraktionsebene sind.

    Bei dieser Einsicht könnte man still werden. (Wovon man nicht sprechen kann…)

  180. @Waschke: Leben

    Sehr schönes Zitat, das ich wohl in meine Vorlesung übernehmen kann, danke!

    Nun könnte man natürlich, wie Sie auch schon geschrieben haben, fragen, ob das mit ‘Bewusstsein’ und ‘Geist’ nicht analog zu sehen ist. Bad news für Substanzdualisten.

    Dass man Psyche/Geist usw. nicht reifizieren soll, darüber schrieb ich ja schon ausführlicher

    …aber wieso das für die Substanzdualistin ein Problem sein soll, das erschließt sich mir nicht. Das ändert aber eben nichts daran, dass man für die Annahme einer Seele (man beachte: res cogitans!) gewichtige Gründe anführen müsste, sofern man damit nicht bloß das schwäbische Gebäck meint.

    Guten Appetit!

  181. @Stephan Schleim 21.03.2021, 18:43 Uhr

    Dass man Psyche/Geist usw. nicht reifizieren soll, darüber schrieb ich ja schon ausführlicher…

    Das war mir bekannt, ich habe das Ihnen nicht unterstellt.

    …aber wieso das für die Substanzdualistin ein Problem sein soll, das erschließt sich mir nicht.

    Kommt vermutlich darauf an, was man unter ‘Problem’ versteht. Wenn man ‘Geist’ als Reifizierung auffasst, hat der Substanzdualismus ein Problem.

    Das ändert aber eben nichts daran, dass man für die Annahme einer Seele (man beachte: res cogitans!) gewichtige Gründe anführen müsste,

    Das war mein Punkt. Wenn es um die Frage Reifizierung vs. res (also letztlich ‘Konstrukt’ vs. ‘Ding’) geht, hat der Substanzdualist durchaus sehr schlechte Karten. Sie wissen sicher besser als ich, was mit dem ‘Geist’ passiert, wenn Veränderungen am Gehirn auftreten (Läsionen, Stimulierungen etc.). Mir ist aber nicht bekannt, dass es einem Substanzdualisten gelungen wäre, zu zeigen, wie ein immaterieller Geist mit dem Gehirn wechselwirkt, Zirbeldrüse hin, corticale Module und auch Quanteneffekte an Synapsen her.

    sofern man damit nicht bloß das schwäbische Gebäck meint.

    Als primärsozialisierter Schwabe bevorzuge ich Herrgottsbscheißerla (AKA Maultaschen), lecker!

  182. Eine Schlagzeile von heute:
    SC Freiburg wechselt wegen Rot-Grün-Sehschwäche eines Profis die Trikots.

    Das ist eine amüsante und harmlose Konsequenz eines schöpferischen Lapsus. Es zeigt aber, dass das Geschöpf Mensch nicht dem Schöpfungsideal entspricht und dass auf die menschliche Wahrnehmung kein Verlass ist, weil sie mit der Realität nichts zu tun hat. Was macht eine solche Aberration mit dem Bewusstsein?

    Die Gottgläubigen hatten schon immer Schwierigkeiten mit der natürlichen Variabilität des Menschen. Immer suchten sie nach Sündenböcken und Bestrafungen für Abweichungen von ihrer selbst definierten Normalität. Sie zeigen sich im Rassismus, im Fremdenhass, in Homophobie, in Vertreibung und Diskriminierung von Andersdenkenden und Anderslebenden.

    Wieviele Beweise braucht es noch für die Falschheit des Antinaturalismus, für die Heucheleien und Unsinnsbehauptungen des Spiritualismus? Wie lange muss man noch warten, bis das Übel an der Wurzel angepackt wird? Braucht es dazu wirklich noch philosophische Spitzfindigkeiten und Wortverdrehungen? Denken wir auch mal an all die Opfer der so motivierten Gewalttaten und all die psychischen Traumata und Selbsttötungen!

  183. @Waschke: Es wird Sie wohl nicht überraschen, wenn ich gestehe, dass ich für die Annahme einer Seele keine Notwendigkeit sehe und mich mangels Beweisen weiterer Aussagen enhalte. 😉

    Dass Substanzdualisten bisher keinen plausiblen Vorschlag für den Mechanismus der Interaktion machen konnten, lehre ich so übrigens eins-zu-eins in einem meiner Kurse.

  184. @Stephan Schleim 21.03.2021, 21:52 Uhr

    Ontologischer Naturalismus vs. ‘Agnostizismus’

    Es wird Sie wohl nicht überraschen, wenn ich gestehe, dass ich für die Annahme einer Seele keine Notwendigkeit sehe und mich mangels Beweisen weiterer Aussagen enhalte. 😉

    Natürlich nicht, aber wir haben unseren Grund-Dissens ja immer noch nicht geklärt (ich denke, dass das viel mit Psychologie zu tun hat, was dann Psychologisieren unabdingbar macht …). Letztlich geht es darum, warum Sie sich enthalten (‘Agnostizismus’) und ich eine Position einnehme (ontologischer Naturalismus).

    Ein freundlicher Mitmensch hat mich auf einen sehr lesenswerten Artikel hingewiesen, in dem viele Fragen angesprochen werden, die in der Diskussion immer wieder auftauchen. Der Titel ist Programm: “Ist der Naturalismus eine Ideologie?” und er ist aus 2018, also relativ aktuell.

    http://bettinabussmann.info/wp-content/uploads/2018/09/Bussmann-2016-Naturalismus.pdf

    Nur nebenbei:

    Für den ontologischen Naturalisten ist das Universum kausal strukturiert und durch natürliche Prozesse erklärbar. Das Prinzip der kausalen Geschlossenheit ist das Grundprinzip allen naturwissenschaftlichen Denkens und aller Aufklärung, da es behauptet, alle Phänomene können gesetzmäßig und auf der Basis natürlicher Prinzipien und Mechanismen – also ohne Zuhilfen-ahme von Göttern, Geistern, Quantenheilungsprozessen, Wundern, Prophezeiungen, Astrologie oder anderen transzendenten Ursachen und Prozessen – beschrieben und erklärt werden. In unserer Welt geht es also, wie oft zitiert, mit rechten Dingen zu.

    [Hervorhebung von mir, T.W.]

    Ich hätschle also keine Idiosynkrasie, um Sie zu ärgern, wenn ich “wie oft zitiert”, davon ausgehe, dass die Formulierung “es geht mit rechten Dingen zu” sehr treffend ist und von den meisten Menschen so verstanden wird wie intendiert.

    Ich bin mir aber nicht sicher, ob alles “durch natürliche Prozesse erklärbar” ist (es gibt auch nicht erklärbare Sachverhalte, beispielsweise, warum Seiendes und nicht vielmehr Nichts ist). Ich gehe aber, bis zum Aufzeigen von Evidenz für das Gegenteil, davon aus, dass nichts erklärbar ist, das nicht natürlich erklärbar ist. GodDidIt war noch nie ein Argument, und ich habe im Studium gelernt, dass Ethiken ohne einen Gott nicht letztbegründet werden können, also letztlich gar nicht, solange es keinen Gottesbeweis gibt.

    Wesentlich scheint mir das zu sein, was die Autorin unmittelbar vor einer Tabelle, mit der sie begründen möchte, warum der Naturalismus eben keine Ideologie sei, schreibt:

    Es geht nicht darum, dass die Lebenswelt, wie Wetz formuliert, den Naturalismus einholt, sondern dass sie durch ihn transformiert wird. Dass dadurch ein einseitig ausgehöhltes Menschenbild entsteht, bleibt häufig eine unbelegte Behauptung. Zugestehen kann man den oben aufgeführten Punkten aber, dass gewisse Menschenbilder – z.B. religiös-fundamentalistische – durch eine naturalistische Einstellung ausgeschlossen werden und dass naturalistische Argumente als politische Waffe im Kampf der Meinungen eingesetzt werden können. Beides ist solange legitim und nicht-ideologisch, solange es keine allgemeingesellschaftliche Kraft gibt, die in diesen Fragen die Deutungs- und Durchsetzungshoheit erhält. Der Naturalismus ist jedoch weder eine Heilslehre noch eine freiheitseinschränkende Ideologie, wie ich anhand folgender Tabelle zeigen möchte.

    [Hervorhebungen des Originals weggelassen, aktuelle Hervorhebungen von mir, T.W.]

    Ich vermute, dass eben die Befürchtung, dass “ein einseitig ausgehöhltes Menschenbild entsteht” oder “gewisse Menschenbilder – z.B. religiös-fundamentalistische – durch eine naturalistische Einstellung ausgeschlossen werden” (ich würde noch verschärfen: alle supranaturalistischen) ein starkes Motiv dafür sein kann, durch ‘Agnostizismus’ ein Hintertürchen für eine Diskussion offen zu lassen oder auch nur, Menschen vom Diskurs nicht auszuschließen. Eben weil Sie eventuell Ihre Ziele nicht durch die Methoden gefährden möchten und mehr Menschen mit ins Boot nehmen können.

    Ich hingegen komme von der Argumentation gegen Evolutionsgegner her, die fast alle religiös motiviert sind. Ursprünglich habe ich mich, aus ähnlichen Gründen, als ‘Agnostiker’ bezeichnet (obwohl das in diesen Kreisen eh egal ist, weil dort auch ein Agnostiker mit vollem Recht als Atheist betrachtet wird, bestenfalls einer, bei dem man hoffen kann, ihn noch zu bekehren), bis ich bemerkte, dass viele der aktivsten Mitstreiter selber religiös sind, und dass man hier Partei im Kampf einer Variante des Christentums gegen eine andere werden müsste. Das hat mich dann zum Ignostizismus bekehrt und ich vertrete meinen ontologischen Naturalismus offensiv. Der impliziert selbstverständlich Atheismus, aber eher als Corollar.

    Ich habe nicht genügend Texte von Ihnen gelesen, um sicher zu sein, dass Ihnen dieser Schuh passt, aber gewisse Indizien sehe ich durchaus. Es gibt einige Passagen von Ihnen, die meiner Meinung nach durchaus deutlich sind.

    Dass Substanzdualisten bisher keinen plausiblen Vorschlag für den Mechanismus der Interaktion machen konnten, lehre ich so übrigens eins-zu-eins in einem meiner Kurse.

    Freut mich sehr zu hören. Wichtiger, als diesen Sachverhalt zu konstatieren, scheint mir aber zu sein, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

    Hier werden Sie mir wohl in Ihrer Vorlesung nicht 1:1 folgen 😉

  185. Wenn heute die katholische Kirche sich weigert, homosexuelle Ehen zu segnen, warum wird dann dagegen protestiert, statt auf den altertümlichen, widernatürlichen Hokuspokus der Kirche konsequent und ganz zu verzichten? Der ideologische Kampf gegen die Natur des Menschen fordert zu viele Opfer. Die philosophischen Raffinessen, um ein Zipfelchen der alten Ideologie über die Zeit zu retten, sind das nicht wert. Vielmehr tragen sie Mitverantwortung für unhaltbare, menschenverachtende Überzeugungen und Lehren.

  186. anton reutlinger
    Sind Sie schon mal auf die Idee gekommen, dass andere Menschen andere Wertmaßstäbe haben könnten.
    Sie nennen als Maßstab die Natur des Menschen und meinen damit ihre Natur.

    Die kulturelle Evolution hat einen Kulturkreis geformt. Wir sind in der glücklichen Lage, dass individuelle Freiheit hoch geachtet wird, in den asiatischen Kulturkreisen wollen sich die Menschen einander anpassen und nicht gegenseitig abgrenzen.

    Demos cratia = Herrschaft des Volkes.
    Die Werte in einer Demokratie können immer nur einen Kompromiss darstellen, von den Leuten, die ihre Meinung vertreten und den Leuten die anderer Meinung sind.

  187. @hwied
    Schon klar, dass Sie Ihren Glauben mit Zähnen und Klauen verteidigen. Es sind aber die Kleriker, die mit ihren unqualifizierten Meinungen andere Menschen seelisch quälen, ihrer Freiheiten und ihrer Lebensqualität berauben. Und die Gläubigen helfen ihnen dabei. Ihre Meinung, hwied, ist zynisch und menschenverachtend. Es sind die Gottgläubigen, die andere Meinungen unterdrücken wollen, um ihres vermeintlichen Seelenheils willen.

    Es gibt keine Indizien und keine Beweise für die Existenz einer Übernatur! Hören Sie endlich auf, sich selber etwas vorzumachen. Auch Toleranz hat Grenzen, dort wo das Leben anderer Menschen betroffen ist! Die Kleriker kennen keine Toleranz, dort sollten Sie Ihre Forderungen anbringen. Zum Teufel mit den heiligen Phrasen.

  188. Ich hingegen komme von der Argumentation gegen Evolutionsgegner her, die fast alle religiös motiviert sind.

    Das geht mir auch so, d.h. bei mir sind das Junge Erde Kreationisten in der Gemeinde hier. Entsprechend reagiere ich halt auch sehr allergisch auf Formulierungen, die mir nur zu bekannt vorkommen.
    Dabei kommt es sicher vor, dass ich über das Ziel hinausschieße. Wer allerdings mal Kontakt zu engagierten Kreationisten hatte, kann das sicher nachvollziehen.

    Es sind die Gottgläubigen, die andere Meinungen unterdrücken wollen, um ihres vermeintlichen Seelenheils willen.

    Es sind sicher nicht alle Gläubigen so, aber bei der obigen Gruppe findet man alles davon, auch Rassismus, Antisemitismus, Homophobie etc.

  189. @hwied

    Die kulturelle Evolution hat einen Kulturkreis geformt.

    Evolution bedeutet vor allem auch Veränderung, d.h. auch unser aktueller Kulturkreis ist nicht in Stein gemeißelt.

    Wir sind in der glücklichen Lage, dass individuelle Freiheit hoch geachtet wird, …

    Gerade im kirchlichen Kontext ist das beileibe nicht immer so.

    in den asiatischen Kulturkreisen wollen sich die Menschen einander anpassen und nicht gegenseitig abgrenzen.

    Ist das so? Gibt es nicht gerade da auch eine Menge Religionskonflikte?

  190. Reutlinger
    Sie skizieren einen Konflikt zwischen Konfessionslosen und Angehörigen einer Konfession. Diesen Konflikt gibt es nicht !
    Wir leben nicht mehr im Mittelalter, wo die Kirche den Tagesablauf eines Menschen bestimmt hat. wir haben ein Grundgesetz, dass die Religionsfreiheit garantiert, das die Meinungsfreiheit garantiert.

    Die Kleriker, die sich und andere quälen, wann denn, wo denn?
    Sie meinen sicher die islamischen Staaten, wo die Frauen keine Rechte haben.

    Herr Reutlinger, Sie kommen mit ihrer Kritik an der Kirche um 200 Jahre zu spät. Gehen Sie am Sonntag in die Kirche. Das Durchschnittsalter der deutschen Kirchgänger liegt bei geschätzten 65 Jahren. Meinen Sie wirklich, die Kirchgänger wollen sie foltern und quälen. Das sind ehrsame Bürger, Künstler, Staatsbedienstete, und alleinstehende Frauen. Wollen Sie denen ihren letzten Halt rauben ?

  191. einer,
    mal ehrlich, wie hoch ist der prozentuale Anteil der Kreationisten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ?
    Und nochmal , zum 500. Mal, Gläubige sind keine anderen Menschen, die haben keine sechs Finger oder den bösen Blick. Gläubig sein ist kein Alleinstellungsmerkmal, es gibt ein Recht auf Religionsausübung. Wer das nicht anerkennt, der ist der Außenseiter.

  192. Intoleranz
    Am eindrucksvollsten habe ich Intoleranz von den Intelligent-Design-Leuten des Professorenforums und vom neuatheistischen Kern der Skeptikerbewegung erfahren. Zur Erholung bin ich, der Agnostiker, dann gern zu Veranstaltungen der Theologischen Fakultät gegangen. Dort ging es immer gesittet und unter gegenseitiger Achtung zu. Leider muss ich feststellen, dass hier im Blog die Toleranz am Schwinden ist.

  193. @einer
    Dabei denke ich an die Konflikte in Indien zwischen dem radikalen Hinduismus und dem Islam. Auch in Sri Lanka, Myanmar, Indonesien und den Philippinen gibt es massive Konflikte. Dass diese Konflikte mit Sozialkonflikten oder mit ethnischen Konflikten verwoben sind, hat wesentlich wieder mit den Religionen zu tun. Die direkten Ursachen der Konflikte sind die Bevormundung der Lebensweise, die Intoleranz gegenüber Kritik und die Diskriminierung alternativer Lebensweisen, auch mit Gewalt, Vertreibung und Mord.

    In vielen Religionen sind primär die Frauen die Opfer. Vielfach dienen die transzendenten Gottheiten nur noch als Alibi für Macht, Ausbeutung und Unterdrückung und zur Aufhetzung von naiven Gläubigen. Kann man als Agnostiker darüber hinwegsehen?

  194. @anton reutlinger 22.03.2021, 12:03 Uhr
    In diesem Text

    Es sind aber die Kleriker, die mit ihren unqualifizierten Meinungen andere Menschen seelisch quälen, ihrer Freiheiten und ihrer Lebensqualität berauben. Und die Gläubigen helfen ihnen dabei. Ihre Meinung, hwied, ist zynisch und menschenverachtend. Es sind die Gottgläubigen, die andere Meinungen unterdrücken wollen, um ihres vermeintlichen Seelenheils willen.

    kommt all das vor, was mich in einer Diskussion abstößt: persönlicher Angriff und unzulässige Verallgemeinerung.

  195. @hwied
    Die Kleriker, die sich und andere quälen, wann denn, wo denn?

    Nein, die Kleriker quälen sich nicht selber, aber Andere. Haben Sie den Missbrauchsskandal schon vergessen?

    Sie schreiben, seit dem Mittelalter habe sich einiges geändert, aber nur gegen den massiven und gewaltsamen Widerstand des Klerus! Dehalb hat es so lange gedauert und dauert bis heute an. Noch immer wird die sexuelle Selbstbestimmung massiv behindert und Menschen werden damit gequält.

    Eine Kultur, die der Natur widerspricht und sie missachtet, kann nicht menschengerecht sein – ein unkritisches und unreflektiertes Naturverständnis auch nicht.

  196. Nochmals zum Naturalismus: ich behaupte, Naturalismus und Emergentismus schließen sich aus, wenn man die menschliche Natur (=Natur + Kultur) erklären will. Wie will man mit purem Naturalismus etwa psychische Krankheiten erklären oder besser noch psychosomatische? Eine naturalistische Erklärung wäre – technische Mittel vorausgesetzt – in etwa so: Neuronen a bis n feuern nicht wie sie sollen, wir wissen aber nicht warum: Man kann die physikalische Seite der Störung beschreiben, sie erfasst aber das Problem nicht. Eine synthetisch-emergentistische Erklärung würde dann lauten: (gesellschaftliche) Bedeutungen a’ bis n’ rufen eine Dissonanz bei Neuronen a bis n hervor, etc.pp. Die Bedeutungen lassen sich naturwissenschaftlich nicht darstellen, wirken aber dennoch. Berücksichtigt man dies nicht, sucht man nach Ursachen bis hinunter zu Quanteneffekten, was natürlich Blödsinn ist.
    Das Thema dieses Blogs war doch gerade u.a., dass Naturalismus den Leib-Seele Dualismus zementiert und damit genauso dogmatisch und ideologisch ist wie Religion.
    Nochmals: die Kritik am Naturalismus bedeutet nicht, die Naturgesetze außer Kraft setzen zu wollen, sondern die Verallgemeinerung, die Mikrogesetze bestimmten alles Makroskopische in linearer Weise.

  197. @Grams
    Das beruht auf Gegenseitigkeit. Die Apologeten des Glaubens sind sehr oft nicht zimperlich in persönlichen Attacken und argumentieren mit Phrasen. Auch das porenrein weiß gewaschene Christentum in Deutschland hat noch genug schwarze Flecken. Religionskritik und Atheismus sind in Deutschland noch immer unterentwickelt. Gläubige werden als Wähler gebraucht!

    Da zitiere ich gerne einen Kleriker:
    Die beste Schule, um an dem Dasein eines Gottes als Weltlenker zu zweifeln, ist die Kirchengeschichte, vorausgesetzt, diese sei die Geschichte der von Gott in die Welt gesetzten Religion des Christentums, und es werde demnach angenommen, er habe ihre Geschichte gelenkt. Augenscheinlich hat er dies nicht getan, in der Kirchengeschichte ist nichts wunderbar, in ihr erscheint das Christentum der Welt so unbedingt preisgegeben wie nur irgendein anderes Ding, das in ihr lebt.[..] Gegen die Kirchengeschichte ist also das Dasein Gottes nur zu behaupten bei der Annahme, Gott habe seine Hand vom Christentum in seinem geschichtlichen Dasein abgezogen.

    Franz Overbeck (1837 – 1905), ev. Theologe

  198. @Wolfgang Stegemann 22.03.2021, 13:45 Uhr

    Ontologie vs. Erklärungsebenen

    Nochmals zum Naturalismus: ich behaupte, Naturalismus und Emergentismus schließen sich aus, wenn man die menschliche Natur (=Natur + Kultur) erklären will.

    Einfach dadurch, dass man dazu nichts benötigt, was eine Übernatur erfordern würde, also Entitäten, die nicht als Emergenz von Materie zu sehen sind. Selbstverständlich gehören auch Menschen mit ihrem Denken und Kulturen zu Emergenzen der Materie.

    Wie will man mit purem Naturalismus etwa psychische Krankheiten erklären oder besser noch psychosomatische? Eine naturalistische Erklärung wäre – technische Mittel vorausgesetzt – in etwa so: Neuronen a bis n feuern nicht wie sie sollen, wir wissen aber nicht warum:

    Nein, die Erklärung bestünde darin, warum das so sein sollte. Das könnten durchaus auch gesellschaftliche Ursachen sein (Makroebene), die sich durch (Nicht)Feuern von Neuronen äußern (Mikroebene).

    Man kann die physikalische Seite der Störung beschreiben, sie erfasst aber das Problem nicht.

    Nein, aber die nicht-physikalische Seite kann möglicherweise die Störung erklären. Sie spielen möglicherweise auf das Qualia-Problem an. Das ist aber kein Problem für den Naturalismus, wenn der Geist als Emergenz interpretiert wird.

    Eine synthetisch-emergentistische Erklärung würde dann lauten: (gesellschaftliche) Bedeutungen a’ bis n’ rufen eine Dissonanz bei Neuronen a bis n hervor, etc.pp. Die Bedeutungen lassen sich naturwissenschaftlich nicht darstellen, wirken aber dennoch.

    Nein, eben die Darstellung, wie diese Bedeutungen wirken, wären die naturalistische Erklärung.

    Berücksichtigt man dies nicht, sucht man nach Ursachen bis hinunter zu Quanteneffekten, was natürlich Blödsinn ist.

    Genau das ist doch der Clou an den emergentistischen Überlegungen: Zentral ist, die korrekte Beschreibungsebene zu wählen. Sie haben Neuronen benannt, man müsste eventuell noch Biomoleküle dazu nehmen (vielleicht Hormone, Transmitter und so weiter). Naturalistisch bedeutet nur, dass in der gesamten Kette der Erklärungen keine Übernatur vorkommt, die sich nicht als Emergenz materieller Systeme deuten lässt.

    Das Thema dieses Blogs war doch gerade u.a., dass Naturalismus den Leib-Seele Dualismus zementiert und damit genauso dogmatisch und ideologisch ist wie Religion.

    Naturalismus wird unter Fallibiltätsvorbehalt vertreten. Letztlich ist das auch kein Leib-Seele-Dualismus, sondern der Hinweis auf emergente Eigenschaften, als die Eigenschaften eines Systems, die den Bauteilen nicht zukommt (‘Wasser ist nicht gewinkelt und H2O ist nicht nass’, was aber nicht bedeutet, dass ‘Nässe’ etwas beinhalten müsse, was nicht als Emergenz einer Stoffportion Wassermoleküle erklärt werden könnte, und es würde auch keinen Sinn machen, nun Gluonen mit in die Erklärung einzubeziehen).

    Nur nebenbei, ich habe schon auf den Artikel http://bettinabussmann.info/wp-content/uploads/2018/09/Bussmann-2016-Naturalismus.pdf hingewiesen, in dem diskutiert wird, ob Naturalismus eine Ideologie sei.

    Nochmals: die Kritik am Naturalismus bedeutet nicht, die Naturgesetze außer Kraft setzen zu wollen, sondern die Verallgemeinerung, die Mikrogesetze bestimmten alles Makroskopische in linearer Weise.

    Ich erkenne meine Position (emergentistischer Materialismus) in dieser Beschreibung nicht. Es geht nur darum, dass es keine Übernatur gibt. Welche Ebenen sich wie auswirken, ist ein vollkommen anderer Thread. Es geht darum, eine sinnvolle Erklärungsebene zu wählen, nicht um den sinnleeren Versuch, alle Emergenzen höherer Seinsebenen durch tiefere zu erklären. Das kann prinzipiell nicht funktionieren. Versuchen Sie beispielsweise, die Mendelschen Regeln zu definieren, wenn Sie auf einer Erde leben, auf der es noch keine Lebewesen als Diplonten gibt. Es geht nur darum, dass auch die Entitäten, die man auf der Makro-Ebene postuliert, nicht mit denen der Mikro-Ebene kollidieren.

    Beispielsweise eine Übernatur auf der Ebene der Elementarteilchen als eigenständige Entität.

  199. anton reutlinger,
    die Missbrauchsfälle sind schlimm, weil man sie gerade bei den Konfessionellen nicht erwartet. Die Öffentlichkeit ist aufgerüttelt, man kann nur hoffen, dass die Katholiken etwas daraus lernen.
    Ich gebe Ihnen sogar recht, als Papst Franziskus angetreten ist, hat er mehr Freiheit versprochen. Er ist zurückgerudert- Ein Pfarrer, der sich als homosexuell geoutet hat, der musste sein Amt aufgeben. Da gibt es Nachholbedarf.
    Die Menschen selbst werden darüber entscheiden, wie die Zukunft der römisch katholischen Kirche aussehen wird.

    Eine Kultur, die der Natur widerspricht…….
    Sprechen Sie damit der Vielweiberei das Wort , oder Vielmännerei ?
    Fragen Sie doch einmal eine Frau, wie die darüber denkt. Frauen wollen einen treuen Ehemann, keinen Sex mit jedermann.

  200. @Waschke: Der Naturalismus versucht, Phänomene – Emergenzen – naturwissenschaftlich zu erklären. Das geht aber nicht. Sie können somatische Prozesse naturwissenschaftlich beschreiben, aber nicht erklären. Es ist dasselbe wie in der Genetik. Erst die Epigenetik löst manches Problem auf. Es ist derselbe Blickwinkel, der Mutationen dem reinen Zufall zuschreibt. Das sieht zwar so aus, ist aber letztlich nur eine Leerformel. Wie gesagt, eine psychische Krankheit können Sie nicht naturalistisch erklären.

  201. @hwied 22.03.2021, 14:29 Uhr

    Natur und Kultur, speziell Sex

    Eine Kultur, die der Natur widerspricht…….

    Nur nebenbei, die Natur des Menschen ist die Kultur. Sie widerspricht zwingend der Natur. Die Natur des Menschen ist nackisch in der Savanne herumlaufen. Alles andere ist Kultur, und schon die Tatsache, dass Sie hier keinen Wintertag ohne Kleidung oder anderen Schutz überleben würden, zeigt, dass es nicht natürlich ist, dass Menschen hier in Deutschland leben.

    Sprechen Sie damit der Vielweiberei das Wort , oder Vielmännerei ?
    Fragen Sie doch einmal eine Frau, wie die darüber denkt. Frauen wollen einen treuen Ehemann, keinen Sex mit jedermann.

    Nennen Sie mir bitte Beispiele in der Natur, in denen ein Säugetier monogam lebt (es war eine ziemliche Sensation in der Biologie, als man das erste fand, raten Sie, was für ein Tier das war).

    Kennen Sie die Experimente, in denen untersucht wurde, welchen Typ Männer Frauen bevorzugen? Kleiner Tipp: nehmen Sie sich eine Stunde Zeit und schauen Sie diesen Film an (bei Zeitmangel etwa ab Minute 42):

    https://www.youtube.com/watch?v=R9OmlJKVIMQ&t=1913s

    Dann wissen Sie, wie ‘natürlich’ welche Vorstellungen über Sexualität beim Menschen sind.

  202. @hwied
    Was wäre so schlimm an Polygamie? In der Tat wäre Polygamie die natürliche Form der Sexualität. Hier widerspricht unsere Kultur eindeutig der Natur des Menschen. In der Folge davon brauchen wir Bordelle zum Ausgleich! Es gibt noch immer polygame Gesellschaften, auch mit Religion. Atheismus bedeutet aber nicht automatisch Polygamie! Wollen Sie einen Strohmann bauen?

  203. @Wolfgang Stegemann 22.03.2021, 14:51 Uhr

    Emergenzen, Mutationen, ‘Zufall’

    Der Naturalismus versucht, Phänomene – Emergenzen – naturwissenschaftlich zu erklären. Das geht aber nicht.

    Ja und Nein, der Naturalismus erklärt durch Emergenzen, die letztlich auch als ‘brute fact’ zu betrachten sind (‘starke Emergenz’).

    Sie können somatische Prozesse naturwissenschaftlich beschreiben, aber nicht erklären.

    Sie können Sie nur naturwissenschaftlich erklären. Alles andere sind bestenfalls Beschreibungen.

    Es ist dasselbe wie in der Genetik. Erst die Epigenetik löst manches Problem auf.

    Dazu sollten Sie zeigen können, dass epigenetische Marker stabil sind. Falls nicht, können sie nichts erklären, wenn man in Generationen denkt.

    Es ist derselbe Blickwinkel, der Mutationen dem reinen Zufall zuschreibt.

    In der Evolutionsbiologie versteht man unter ‘Zufall’ in etwa ‘ohne Zusammenhang mit den Selektionsbedingungen’. Das heißt, sie können prinzipiell jede Mutation mechanismisch erklären (von Strahlung über Chemikalien bis hin zu ‘bad luck’ bei Wechselwirkungen zwischen Molekülen), und aus der Sicht der Evolution ist sie dennoch zufällig.

    Das sieht zwar so aus, ist aber letztlich nur eine Leerformel. Wie gesagt, eine psychische Krankheit können Sie nicht naturalistisch erklären.

    Warum nicht? Wenn ich angeben kann, welche ursächlichen Bedingungen welche Einflüsse auf welche Strukturen des Nervensystems und somit dessen (Fehl)Funktion haben, ist das die beste Form der Erklärung, die es gibt. Alles andere ist weniger. Sie können natürlich buchstäblich an der Oberfläche oder sogar außerhalb der Schädeldecke bleiben und eine ‘high level’-Erklärung formulieren. Die könnte aber durch eine Fülle von Mechanismen unter der Schädeldecke entstehen, die Sie bestenfalls ‘poolen’ und mit einem Begriff versehen können. Gilt natürlich auch umgekehrt: die selbe (Fehl)funktion kann sich, je nach Umwelt, anders äußern.

    Ist übrigens in der Genetik genauso: Wenn Sie jemanden, der mit PKU geboren wird, phenylalaninarm ernähren, kann der vollkommen gesund heranwachsen, normale Intelligenz entwickeln und sich später sogar normal ernähren, ohne die spezielle Diät ab der Geburt verblödet dieser Mensch. Was ist jetzt die Ursache dieser Krankheit? Ein molekular als Punktmutation zu beschreibender Stoffwechseldefekt, oder die vollkommen normale Ernährung?

  204. @Waschke: letzter Versuch. Die Neurowissenschaft verwendet den Begriff Bewusstsein rein quantitativ, Anzahl der Neuronen, der Verbindungen etc. Sie kann möglicherweise eines Tages sagen, ab welcher Quantität so etwas wie Bewusstsein entstehen kann. Wie Bewusstsein aber sich als emergentes Phänomen selbst organisiert wird sie rein quantitativ nicht erklären können.
    Im Übrigen erklärt Naturwissenschaft nicht, sondern beschreibt.

  205. anton Reutlinger
    jetzt ist es raus, Polygamie als Entwicklungsziel. Fragen Sie doch mal die betroffenen Kinder, Kinder wollen die gleichen glücklichen Eltern.
    Nachtrag: Atheisten sind keine minderwertigen Menschen.

    Waschke,
    jetzt sind wir uns mal einig, die Kultur ist das Entwicklungsziel.
    wer Urlaub braucht, der gehe in den Jungel.
    Was jetzt die monogame Lebensweise betrifft, die Hirschkuh hat keine Wahl, die Wölfin hat keine Wahl, bei den Störchen scheint es Monogamie zu geben.
    Regenwürmer sind auch monogam, die wechseln einfach ihr Geschlecht.

    Warnung: Mit ihren Vorschlägen bekommen Sie Gegenwind von der Frauengewerkschaft.

  206. @hwied 22.03.2021, 15:37 Uhr

    Warnung: Mit ihren Vorschlägen bekommen Sie Gegenwind von der Frauengewerkschaft.

    Ich habe keinerlei Vorschläge gemacht. Ich habe Tatsachen geschildert, mehr nicht.

  207. @Stegemann
    Eine synthetisch-emergentistische Erklärung würde dann lauten: (gesellschaftliche) Bedeutungen a’ bis n’ rufen eine Dissonanz bei Neuronen a bis n hervor, etc.pp.

    Genau darin liegt ein Denkfehler vieler Antinaturalisten. Woran erkennt man eine gesellschaftliche Bedeutung und wie findet sie Eingang in das Bewusstsein? Das geht selber nur über naturalistische Erklärungen: von der sinnlichen Wahrnehmung über die Erinnerungen und Erfahrungen im Gedächtnis bis zur interneuronalen Verarbeitung. Das ist linear nur im peripheren Nervensystem, ansonsten ein beständiger Kreislauf, oder genauer ein vermaschtes Netzwerk der Signale im ZNS. Das Resultat sind motorische Signale oder hormonelle Sekretionen, die sich letztlich als Emotionen oder Reaktionen äußern.

    Die Antinaturalisten vermischen gerne und kunterbunt psychologische Begriffe und Aussagen mit neurobiologischen oder naturalistischen. Ihre eigenen Gedankensprünge und Erklärungslücken erkennen sie nicht.

  208. @hwied

    einer,
    mal ehrlich, wie hoch ist der prozentuale Anteil der Kreationisten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ?

    Keine Ahnung .. hier in der Umgebung bzw. in unserer evangelischen Gemeinde ist er sehr hoch. (der letzte Pastor hier war z.B. selber einer)

    Und nochmal , zum 500. Mal, Gläubige sind keine anderen Menschen, die haben keine sechs Finger oder den bösen Blick. Gläubig sein ist kein Alleinstellungsmerkmal, es gibt ein Recht auf Religionsausübung. Wer das nicht anerkennt, der ist der Außenseiter.

    Das sollte aber auch für Ungläubige gelten, oder?

    Sicher: Im Vergleich zu anderen Teilen der Welt, in denen atheistisch oder humanistisch eingestellte Menschen wegen ihrer Überzeugungen um Leib und Leben fürchten müssen, geht es nichtreligiösen Menschen in Deutschland „blendend“. Doch der Verweis darauf, dass die Lage für Menschen woanders weit schlimmer ist, kann nicht dazu führen, Missstände und Strukturen systematischer Benachteiligung vor der eigenen Haustür zu ignorieren.

    Aus “Gläserne Wände – Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland”;
    https://www.glaeserne-waende.de/

    Da geht es z.B. um
    – die Zwangsmitgliedschaft in der Kirche, um in sozialen Einrichtungen arbeiten zu können – auch wenn diese zu über 90% von der Allgemeinheit bezahlt werden

    – die (gewollte) Abwesenheit von Humanisten oder nicht religiösen Gruppen in Ethikkommissionen u.ä.

    – den Wunsch nach religiöser Erziehung in Kindergärten und Schulen durch die Bundesländer wogegen humanistische Alternativen nur selten erwähnt werden. “„Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach“, dies legt Artikel 7 Grundgesetz fest.” Wertebildende Alternativen zu den Religionsunterrichten – sofern überhaupt vorhanden – gibt es häufig erst ab höheren Klassenstufen, während es den Christlichen und auch islamischen Religionsunterricht in der Regel aber der 1. Klasse gibt.
    In Baden-Württemberg, Bayern, NRW, Rheinland-Pfalz und im Saarland werden „Ehrfurcht vor Gott“ oder „Gottesfurcht“ in den Schulgesetzen als oberste Bildungsziele genannt. Diese Vorgaben stehen im Gegensatz zum Ideal eines weltanschaulich neutralen Staates. z.B. wird in der Regel mehr Unterrichtszeit mit religiösen Schöpfungsmythen verbracht, als z.B. mit der Evolutionstheorie. Auch im Studium sieht das nicht viel besser aus! Konkordatslehrstühle z.B., dabei handelt es sich um 21 universitäre Lehrstühle für Philosophie, Politikwissenschaft, Soziologie und Pädagogik. Bei diesen wird der katholischen Kirche bei der Besetzung ein Mitspracherecht eingeräumt. Die zuständigen Bischöfe haben allerdings das Recht, KandidatInnen abzulehnen, die nicht die Standpunkte der Kirche vertreten.

    – religiöse Beschränkungen in der medizinischen Versorgung, wie z.B. ein Schwangerschaftsabbruch bei Vergewaltigung oder Notfällen.

    – in den Rundfunkbeiräten sind religiöse Gruppen überrepräsentiert, humanistische bzw. nicht religiösen Gruppen fehlen in der Regel. Praktisch merkt man das in der großen Menge an christlichen Werbesendungen (Wort zum Sonntag etc. ) Humanistische Sendungen dagegen sind nicht oder nur sehr selten zu finden. „Den Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den Jüdischen Gemeinden sind auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen einzuräumen“. … tja

    – der Staat als Eintreiber der Kirchensteuer … dadurch existiert in Deutschland eine weltweit einzigartige behördliche Registrierung der Konfessionszugehörigkeit, die nicht grundlos auf das NS-Regime zurückgeht.

    uvm.

  209. @hwied

    die Missbrauchsfälle sind schlimm, weil man sie gerade bei den Konfessionellen nicht erwartet.

    Sie sind noch viel schlimmer, weil die Kirche diese vertuscht hat.

    Eine Kultur, die der Natur widerspricht…….
    Sprechen Sie damit der Vielweiberei das Wort , oder Vielmännerei ?

    Da müssen sie sich vor allem mit ihrer eigenen bzw. anderen Religionen auseinandersetzen.
    Der Koran und das Alte Testament halten Vielweiberei, Zwangsheirat etc. für richtig.

  210. @anton reutlinger

    Dabei denke ich an die Konflikte in Indien zwischen dem radikalen Hinduismus und dem Islam. Auch in Sri Lanka, Myanmar, Indonesien und den Philippinen gibt es massive Konflikte.

    Die direkten Ursachen der Konflikte sind die Bevormundung der Lebensweise, die Intoleranz gegenüber Kritik und die Diskriminierung alternativer Lebensweisen, auch mit Gewalt, Vertreibung und Mord.

    In vielen Religionen sind primär die Frauen die Opfer. Vielfach dienen die transzendenten Gottheiten nur noch als Alibi für Macht, Ausbeutung und Unterdrückung und zur Aufhetzung von naiven Gläubigen.

    Darum fragte ich ja wo das in Asien den so anders wäre.

    Kann man als Agnostiker darüber hinwegsehen?

    Wenn man nur meint man kann sich halt nicht entscheiden, weil es zu 0.00000000000001% unentscheidbar ist .. vielleicht. Das ist dann sozusagen ohne eine moralische Wertung.

    Ich habe mich ja entschieden 😉
    Die Kreationisten hier waren sehr heilsam.

  211. einer,
    Deutschland zählt zu den sichersten Staaten auf dieser Erde. Das ist auch der Zusammenarbeit von Kirche und Staat geschuldet. Die hat sich bewährt.
    Was den Religionsunterricht in den Schulen angeht, der ist von den Schülern abhängig. Wir haben in den Großstädten mittlerweile 70 % der Schüler mit Migrationshintergrund. Für diese Schüler ist Ethikunterricht eingerichtet. Das ist doch vorbildlich.
    Was den Vorfall in einer Kölner Klinik betrifft, wo ein Arzt einem Mädchen “die Pille danach” verweigert hat, da hat sich die Kirche entschuldigt.

    Und…….warum bemängeln Sie die vielen Gewaltkrimis nicht, warum bemängeln Sie die vielen Gewaltvideos im web nicht, hier ist staatliche Kontrolle oberste Pflicht, nicht eine wischi-waschi-Kritik an den Kirchen.

  212. @Wolfgang Stegemann 22.03.2021, 15:35 Uhr

    Die Neurowissenschaft verwendet den Begriff Bewusstsein rein quantitativ, Anzahl der Neuronen, der Verbindungen etc.

    Ich bin kein Neurowissenschaftler, sondern nur als Biologe ausgebildet. In den Arbeiten über Neurowissenschaften, die ich gelesen habe, war Bewusstsein eher eine Emergenz der Funktion des Nervensystems als ein quantitatives Phänomen. ‘Umschlag von Quantität in Qualität’ kenne ich aus solchen Arbeiten eher nicht, eher Hologramme, die umso besser werden, je mehr Elemente beteiligt sind.

    Sie kann möglicherweise eines Tages sagen, ab welcher Quantität so etwas wie Bewusstsein entstehen kann.

    Ich denke eher, dass das von der Qualität abhängt. Man kann sich natürlich streiten, ob ein Neopallium erforderlich ist, wenn Vögel mit dem Corpus striatum sehr komplexe Leistungen erbringen können.

    Wie Bewusstsein aber sich als emergentes Phänomen selbst organisiert wird sie rein quantitativ nicht erklären können.

    Das hat auch niemand behauptet. Mein Standpunkt ist das jedenfalls nicht. Nur nebenbei, ich gehe davon aus, dass das, was nicht naturwissenschaftlich erklärt werden kann, nicht die basale Ebene einer möglichen Erklärung erreicht hat.

    Im Übrigen erklärt Naturwissenschaft nicht, sondern beschreibt.

    Das wäre mir ziemlich neu. Könnte es sein, dass wir unter ‘Erklären’ und ‘Beschreiben’ verschiedene Sachverhalte verstehen? Ich habe mich recht ausführlich mit der Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften befasst und verrate Ihnen sicher kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es auch hier divergierende Schulen gibt. Kann natürlich auch sein, dass es darüber hinaus noch Wissenschaftstheorien anderer Disziplinen gibt, die mir nicht vertraut sind.

    Beruhen unsere Differenzen vielleicht darauf, dass wir unterschiedliche Disziplinen im Auge haben? Ich habe nur Abschlüsse in einer harten und einer weichen Naturwissenschaft, einer Strukturwissenschaft und eine Fakultas für eine Geisteswissenschaft. Mehr kenne ich nicht aus erster Hand.

  213. @hwied 22.03.2021, 16:23 Uhr

    Ethik-Unterricht für Menschen mit Migrationshintergrund

    Was den Religionsunterricht in den Schulen angeht, der ist von den Schülern abhängig. Wir haben in den Großstädten mittlerweile 70 % der Schüler mit Migrationshintergrund. Für diese Schüler ist Ethikunterricht eingerichtet. Das ist doch vorbildlich.

    Als pensionierter Ethik-Lehrer sehe darin einen Skandal. Warum erhalten nicht alle Kinder gemeinsam im Klassenverband das Fach Ethik unterrichtet? Welchen Sinn soll es machen, für einige Konfessionen die Jugendarbeit zu übernehmen, während Kinder, die anderen Religionen angehören, diesen Luxus nicht erhalten?

    In einer pluralistischen Gesellschaft müssen die gemeinsamen Werte, eben unser Grundgesetz, zentral werden. Im Ethik-Unterricht, in dem auch Religionskunde vermittelt wird, ist der optimale Raum für diese Thematik. Und genau deshalb ist konfessioneller Religionsunterricht minderrangig. Eben weil auch immer mehr Menschen hier leben werden, die, falls sie ‘Gott’ sagen, nicht den Dreieinigen meinen.

  214. @einer
    Ich habe mich ja entschieden 😉
    Ja, da ist mir etwas durcheinander geraten, dafür entschuldige ich mich.

  215. @hwied

    Deutschland zählt zu den sichersten Staaten auf dieser Erde. Das ist auch der Zusammenarbeit von Kirche und Staat geschuldet. Die hat sich bewährt.

    Den Zusammenhang können sie mir bitte mal genauer erklären.

    Für diese Schüler ist Ethikunterricht eingerichtet. Das ist doch vorbildlich.

    Wie bundesweit in jeder Schule?
    DAS wäre mir neu.

    Eine Studie der Uni Koblenz kam bereits 1997 zu dem Schluss:
    „Ein Überblick über den Ethikunterricht in den Bundesländern weist im Punkt der Unterrichtserteilung auf einen bildungspolitischen Skandal. Zusammenfassend läßt sich sagen: In 15 von 16 Bundesländern ist ein Schulfach eingeführt worden, ohne daß der Staat sich hinreichend um eine qualifizierte Erteilung dieses Unterrichtes bemüht hat.

    Auch 2013 fast zwanzig Jahre nach der zunehmend flächendeckenden Einführung des Ethikunterrichts in der Sekundarstufe und der Koblenzer Studie sieht die Situation nicht anders aus.

    „Ansonsten wird man in den meisten Bundesländern bestenfalls einen engagierten Ethikunterricht bekommen. Doch auch der wird manchmal von Laien übernommen, als ob es hier darum ginge, eine Schulklasse bei einem Wandertag zu betreuen. …

    (wiki Ethikunterricht)

    Soweit ich weiß hat sich da auch 8 Jahre später nicht viel geändert.

    Und…….warum bemängeln Sie die vielen Gewaltkrimis nicht, warum bemängeln Sie die vielen Gewaltvideos im web nicht, hier ist staatliche Kontrolle oberste Pflicht, nicht eine wischi-waschi-Kritik an den Kirchen.

    Warum?
    Die öffentlich rechtlichen Medien sind doch zu einem großen Teil unter kirchlicher Kontrolle .. muss also richtig sein. (siehe Rundfunkrat)

  216. @Stegemann
    Mit den Wikipediabrocken haben Sie zweifellos recht. So schlecht ist Wiki aber nicht, denn man bekommt einen Überblick zu den Stichworten und viele Hinweise auf Fachliteratur, wo man sich dann näher informieren kann.

  217. Erklärt oder beschreibt Wissenschaft.

    Nach dem etablierten Verständnis von Wissenschaft (deduktiv-nomologische Modell) erklärt sie.

    Es gibt wohl ein neueres Verständnis von Wissenschaft von Nancy Cartwright.
    Da die “Naturgesetze” in der Regel nur Annäherungen an die Wahrheit sein können, würden empirische Aussage eher beschreiben als erklären.
    Trotzdem billigt sie den Naturwissenschaften auch erklärende Aussage zu, wenn es um fundamentale Aussagen geht.

    Ein Verständnis von Wissenschaft, dass Wissenschaft nur als Beschreibung sieht, kenne ich nicht – was natürlich nichts bedeuten muss.

  218. einer,
    der Ethikunterricht ist in BW fest installiert.
    Ethik versus Religion. Jetzt lassen Sie mal die Kirche im Dorf. Da gibt es keinen Unterschied. Religionsunterricht ist immer auch Ethikunterricht, was sonst.

    Was jetzt die Ethikkommissionen betrifft, wollen Sie alternativ eine Gewissensprüfung vorher verlangen ?
    Unsere Kultur ist eine christliche, das war sie und das ist sie. Schauen Sie sich nur mal den Kalender an. Da geht es von Feiertag zu Feiertag.
    Und was bemängeln Sie eigentlich? Welchen Vorteil versprechen Sie sich, wenn wir den Sonntag zum Arbeitstag erklären ? Da bekommen Sie sogar Gegenwind von den Kommunisten.
    Und was macht die Kirche ganz konkret im Augenblick falsch ?

    Die macht nichts falsch. Die Pfarrer müssen bis zu 5 Kirchengemeinden betreuen. Die haben Arbeit ohne Ende.
    Wussten Sie übrigens, dass die Türken ihre Kinder in die katholischen Kindergärten schicken und nicht in die städtischen.
    Das sagt mehr aus als ihre Kritik.

  219. @hwied
    Das ist auch der Zusammenarbeit von Kirche und Staat geschuldet. Die hat sich bewährt.

    Vor allem für die Kirchen hat sich die Zusammenarbeit bewährt. Sie bekommen vom Staat noch jährlich 500 millionen als Ausgleich für die Säkularisierung von 1803!!

    Solange die Gläubigen noch in der Mehrheit sind, werden sie als Wähler und als Kunden der Medien hofiert. Wenn die Mehrheit weg ist, dann ist auch das Interesse an ihnen weg.

  220. @Timm Grams

    (Das Gefangenendilemma lugt um die Ecke.)

    Können Sie mir auch nur ein halbwegs plausibles Beispiel nennen, in dem das Gefangenendilemma für die Evolution des guten Menschen eine Rolle gespielt haben könnte. (Gerne einfach dort im Nachbarblog antworten, hier dürfte das mehr offtopic sein).

    Ich wäre Ihnen sehr verbunden. Danach suche ich nämlich schon seit einer Ewigkeit.

  221. @Joker:Gefangenendilemma
    Das Gefangenendilemma kann das nicht liefern.
    Ich habe eher den Eindruck,die Spieltheorie ist nicht vollständig und hat ganz simpel den Tausch= Kooperation übersehen:wie wir ganz einfach kooperieren.
    Tomasello vom MPI mit ‘Mensch werden’ ist da aktuell.

  222. @Joker
    Die Spieltheorie ist im Kalten Krieg entwickelt worden und interpretiert Knappheit unter Konkurrenz-/ Wettbewerbssituationen.
    Aus meiner Sicht hat sie sich seit Axelrodt nicht weiterentwickelt und das Spiel mit der Interpretation über Kooperation bzw. der Wechselwirkung zwischen Konkurrenz und Kooperation vernachlässigt.

  223. @Thomas Waschke

    Wenn Sie gegen Kreationismus kämpfen, warum beschränken Sie sich nicht auf Biologie und Geologie? Dort gibt es die harten Fakten gegen den Kreationismus, insbesondere gegen den mit der jungen Erde. Selbst das hilft Ihnen nicht, wenn die Gegner behaupten, dass z.B. Fossilien vom Teufel extra für die Geologen versteckt wurden. Da ist eben nichts zu machen.

    Aber halbwegs vernünftige Gläubige kann man wohl ganz gut mit Biologie und Geologie überzeugen, denke ich. Wenn Sie jetzt einfach die Physik bemühen, und sie so zurechtbiegen, dass aus der Physik heraus eine Übernatur jeglicher Art unmöglich ist, da verlassen sie selber das Gebiet der gesicherten Erkenntnisse.

    Vor allem können Sie bei Menschen, die eigene spirituelle Erfahrungen haben, damit absolut nichts erreichen. Die wissen einfach, dass es irgendeine Übernatur gegen muss, auch wenn ihre eigene Erfahrung nicht allgemein bewiesen ist. Persönliche Fakten sind eben auch Fakten. Ein Verweis auf Halluzinationen reicht in der Regel nicht aus.

    Was ihre Abneigung gegenüber Religion angeht, so haben Sie sicher eine Menge gute Gründe dafür. Ich selber komme auch eher aus dem Naturalismus her, und habe schon den Konfirmationsunterricht verweigert, und gehöre keiner Religion an. Aber dafür brauche ich eben gar nicht die Idee, dass es keinerlei Übernatur gibt. Die Einschätzung, dass die Kirchen nicht viel taugen, die reicht doch vollkommen aus.

    Ich brauche mir doch nicht meine Welt durch Ausschluss jeglicher Übernatur künstlich kleiner machen, nur um die Religionen auf Abstand zu halten. Zumal meine eigenen spirituellen Erfahrungen einfach zusammengekommen sind, ohne dass ich sie wirklich gesucht hätte, ich kann mir das nicht mal aussuchen. Aber immerhin kann ich mit vielen Menschen zu Übereinstimmungen kommen, hier sind die eigenen Erfahrungen sehr wertvoll.

    Von Humanismus halte ich sehr viel, die Erkenntnisse von Soziologie, Psychologie und Biologie sind meistens gut nutzbar, um zu ethischen Positionen zu kommen. Ein Ausschluss von Übernatur hat hiermit nichts zu tun, z.B. dass Sexualität eine biologische Angelegenheit ist, und eben auch Homosexualität einschließt, ist so oder so ganz gut belegt.

    Eine Spiritualität als Grundlage des eigenen Seins ist eine Sache für sich. Freiheit mit Geborgenheit macht sich gut, und Inspiration ist meistens weiterführend. Wer in anderen Welten lebt, ist dann eben anders unterwegs. Allgemeinverbindliche Nachweise für Übernatur haben nicht.

    Aber das kann sich möglicherweise in Zukunft ändern. Aus meiner Sicht zumindest. Wenn der Gebrauch von analogen Zufallszahlen, die aus Quantenzufällen beruhen, im Vergleich zu Pseudozufallszahlen in der KI sich als hilfreich erweisen würden, könnte das zum Faktum werden.

  224. @Jeckenburger
    “Analoge Zufallszahlen” sind ein Widerspruch an sich. Solche Zahlen gibt es nicht. Man sollte nicht Spekulationen anstellen, deren Grundlage man nicht verstanden hat.

    Könnten Sie Ihre “spirituellen Erfahrungen” näher beschreiben? Ich würde wetten, dass etwas ganz banales oder natürliches dahinter steckt, andererseits würde ich mich gerne belehren lassen. Geist und Psyche sind sehr kompliziert und geheimnisvoll, man denke z.B. an die “Savants” oder Inselbegabungen, das sind wahre Wunder für den Normalo. Auf der andern Seite gibt es viele seltsame Störungen, die gerne auch spiritistisch gedeutet werden.

  225. @Joker 22.03.2021, 17:42 Uhr

    Sie fragen:

    Können Sie mir auch nur ein halbwegs plausibles Beispiel nennen, in dem das Gefangenendilemma für die Evolution des guten Menschen eine Rolle gespielt haben könnte.

    “Evolution des guten Menschen”: Krass!
    Weniger krass: Mit dem Programm KoopEgo habe ich demonstriert, wie Kooperation in einer Welt entsteht, die ausschließlich von Egoisten bevölkert ist. Ergebnisse habe ich u. a. auf einem GWUP-Treffen vorgestellt und im skeptiker 2/2009, S. 60-67 veröffentlicht: Ist das Gute göttlich oder Ergebnis der Evolution?

  226. @Joker: tit for tat
    Was wäre,wenn auf eine Defäktion immer mit Kooperation gekontert würde?Kommt auf die Zielsetzung an…

  227. @Tobias Jeckenburger 22.03.2021, 18:14 Uhr

    Ich gehe jetzt aus Zeit- und Raumgründen nicht auf alles ein. Falls ich etwas nicht beachtet haben sollte, das Sie interessiert, fragen sie gegebenenfalls nach.

    Wenn Sie gegen Kreationismus kämpfen, warum beschränken Sie sich nicht auf Biologie und Geologie? Dort gibt es die harten Fakten gegen den Kreationismus, insbesondere gegen den mit der jungen Erde.

    Heute ist eher Intelligent Design aktuell, da gibt es keine harten Fakten mehr, eben weil es um die Grenzen der Leistungsfähigkeit von Evolutionsmechanismen geht. Mein Punkt war zudem ein anderer: Ich will mich als Naturalist nicht von Christen einer Couleur in deren Kabbeleien mit anderen Christen vereinnahmen lassen.

    Selbst das hilft Ihnen nicht, wenn die Gegner behaupten, dass

    z.B. Fossilien vom Teufel extra für die Geologen versteckt wurden. Da ist eben nichts zu machen.

    Genauso wenig wie gegen jemanden, der sich auf spirituelle Erfahrungen beruft. Wenn jemand eine personale Beziehung zu Jesus hat und so erfährt, dass die Bibel wahr ist, dann spielen naturwissenschaftliche Erkenntnisse keine Rolle mehr.

    Aber das ist sowieso trivial: niemand konnte bisher den Solipsismus widerlegen, daher geht es gar nicht um real oder eingebildet, sondern um Evidenzen, Plausibilitäten und so weiter.
    .

    Wenn Sie jetzt einfach die Physik bemühen, und sie so zurechtbiegen, dass aus der Physik heraus eine Übernatur jeglicher Art unmöglich ist, da verlassen sie selber das Gebiet der gesicherten Erkenntnisse.

    S.o. Es kann nicht darum gehen, eine Übernatur zu widerlegen, unmöglich zu machen oder was auch immer. Es reicht, darauf hinzuweisen, dass bisher niemand zeigen konnte, dass es eine Übernatur gibt

    Vor allem können Sie bei Menschen, die eigene spirituelle Erfahrungen haben, damit absolut nichts erreichen.

    Das ist trivial.

    Die wissen einfach,

    Ganz ehrlich, wissen die das? Da habe ich aber doch extreme Zweifel. Die haben möglicherweise eine subjektive Gewissheit, aber mit Wissen ™ hat das nichts zu tun.

    dass es irgendeine Übernatur gegen muss, auch wenn ihre eigene Erfahrung nicht allgemein bewiesen ist. Persönliche Fakten sind eben auch Fakten. Ein Verweis auf Halluzinationen reicht in der Regel nicht aus.

    Erst sollen sich alle Menschen, die solche Erfahrungen gemacht haben, austauschen und sich einig werden, wie sie das interpretieren möchte, was sie da erfahren haben. Mit den Ergebnissen können die dann gerne zu uns Naturalisten kommen, wir sehen uns das gerne kritisch an.

    Ich brauche mir doch nicht meine Welt durch Ausschluss jeglicher Übernatur künstlich kleiner machen, nur um die Religionen auf Abstand zu halten.

    Ich hingegen muss meine Welt nicht künstlich aufbohren, nur weil Menschen meinen, eine Übernatur erfahren zu haben.

    Eine Spiritualität als Grundlage des eigenen Seins ist eine Sache für sich. Freiheit mit Geborgenheit macht sich gut, und Inspiration ist meistens weiterführend. Wer in anderen Welten lebt, ist dann eben anders unterwegs. Allgemeinverbindliche Nachweise für Übernatur haben nicht.

    Wie Sie glücklich werden sei Ihnen überlassen. Aber es wird Ihnen nicht gelingen, daraus eine funktionierende Ontologie zu konstruieren. Falls doch, würde mich das extrem wundern.

    Aber das kann sich möglicherweise in Zukunft ändern. Aus meiner Sicht zumindest. Wenn der Gebrauch von analogen Zufallszahlen, die aus Quantenzufällen beruhen, im Vergleich zu Pseudozufallszahlen in der KI sich als hilfreich erweisen würden, könnte das zum Faktum werden.

    Für welche Position wäre so was ein Argument?

    Ach, fast vergessen, es ging doch eigentlich um vollkommen andere Fragen, also beispielsweise, wie man psychische Krankheiten erklärt, wie aus der Funktion von Nervensystemen einer bestimmten Komplexität ‘Geist’ evolvieren kann und so weiter. Damit hat das, was Sie gerade schreiben, doch eher nichts zu tun, oder sehe ich das falsch?

  228. @einer

    Ethik-Unterricht

    [Wikipedia] Ansonsten wird man in den meisten Bundesländern bestenfalls einen engagierten Ethikunterricht bekommen. Doch auch der wird manchmal von Laien übernommen, als ob es hier darum ginge, eine Schulklasse bei einem Wandertag zu betreuen. …

    Noch krasser: Ethik-Unterricht wird in vielen Fällen von Religionslehrern erteilt. Die sind zwar keine Laien, was Ethik anbelangt, aber etwas restringiert in der Beurteilung der Konzepte.

    Ich habe eine Fakultas für Ethik bekommen, weil ‘damals’ (Anfangs der 1990er Jahre) händeringend Ethik-Lehrer gesucht wurden. Mehr als ein paar Kurse an der Uni und einschlägige Funkkollegs hatte ich nicht vorzuweisen, aber das war damals mehr als genug (ein bestandenes Funkkolleg von drei einschlägigen (Praktische Philosophie/Ethik, Religion oder Anthropologie heute, kann sein, dass ich mich nicht mehr an die korrekten Titel erinnere) hätte gereicht, ich hatte nicht nur diese drei absolviert). Ich habe mich dann aber geweigert, Ethik zu unterrichten.

    Die Alternative war nämlich Religion oder frei, falls es keine Ethik-Lehrer gab. Und zur Stütze des Religionsunterrichts (“Warum soll ich mich abmelden, wenn ich dann Ethik-Unterricht habe?”) wollte ich mich doch nicht missbrauchen lassen. Religion wurde in den Randstunden erteilt, wer keinen Religionsunterricht hatte, ging früher oder kam später. Natürlich ein Dorn im Auge derer, die ihre Jugendarbeit vom Staat finanziert haben wollten.

    Dann hat sich das Blatt gewendet, es kam auf der einen Seite die ‘verlässliche Schule’, auf der anderen Seite immer mehr Kinder, die keiner der beiden Großkirchen angehörten. Dadurch wurde Ethik Pflichtfach. Da hatte ich dann kein weltanschauliches Problem mehr, das Fach zu unterrichten.

    Inzwischen sind aber die ersten voll ausgebildeten Ethik-Lehrer in den Schulen angekommen. Vorher gab es das nur als weiterführende Studien berufsbegleitend. Und die Menschen, die eines dieser Studien abgeschlossen haben, sind nun wirklich alles andere als Laien.

  229. @Waschke: Naturalismus & so

    Danke für Ihre Recherche- und Textarbeit; da sich bei mir wieder eine arbeitsintensivere Phase nähert, liegt mir hier an einer Komplexitätsreduktion. Sie haben die Diskussion aber schon mit @Stegemann fortgeführt. Nur zu zwei Punkten:

    Der Naturalismus ist jedoch weder eine Heilslehre noch eine freiheitseinschränkende Ideologie, wie ich anhand folgender Tabelle zeigen möchte. (Bettina Bussmann)

    Den Text werde ich bei Gelegenheit mal lesen, falls ich wieder etwas zum Naturalismus schreibe…

    …aber spontan kommt mir der Gedanke, dass der N. durchaus die Religionsfreiheit einschränken kann, wenn er religiösen Glauben per se als irrational, wenn nicht gar als eine Art Geisteskrankheit darstellt; mit solchen Menschen kann man i.d.R. nicht mehr diskutieren. Und was dabei dann bei bestimmten PR-Aktionen der GBS herauskommt, sieht man ja.

    Freut mich sehr zu hören. Wichtiger, als diesen Sachverhalt [über Substanzdualismus] zu konstatieren, scheint mir aber zu sein, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

    Man kann es doch mal so stehen lassen, dass es für die Existenz einer Seele keinen schlagenden Beweis gibt und bisher kein plausibler Vorschlag für den Interaktionsmechanismus gemacht wurde.

    Mir ist es wichtig, die Position in ihren historischen Kontext einzuordnen; und den Studierenden zu vermitteln, dass auch Substanzdualisten einen überlegten Standpunkt vertreten können, sogar mit empirisch prüfbaren Voraussagen (siehe Descartes oder Eccles), was einige führende Personen in der Philosophie des Geistes partout nicht zugeben. (Erinnern wir uns daran, dass selbst an der nat. Fakultät viele Studierende dualistische Überzeugungen haben und die Mehrheit der Naturwissenschaftler keinen Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft sieht.)

    Ich sehe jedenfalls genauso wenig Evidenz für die Annahme einer immateriellen Seele wie für die Richtigkeit des Standpunkts des reduktiven Materialisten, psychische Prozesse ließen sich vollständig auf physikalische Prozesse reduzieren; es ist eben ein “Schuldscheinmaterialismus” (Popper).

  230. @Stephan Schleim 22.03.2021, 21:39 Uhr

    Muss man einen konsequenten Standpunkt aufweichen?

    …aber spontan kommt mir der Gedanke, dass der N. durchaus die Religionsfreiheit einschränken kann, wenn er religiösen Glauben per se als irrational, wenn nicht gar als eine Art Geisteskrankheit darstellt; mit solchen Menschen kann man i.d.R. nicht mehr diskutieren. Und was dabei dann bei bestimmten PR-Aktionen der GBS herauskommt, sieht man ja.

    Okay, kann man so sehen (habe ich ja auch aus dem Artikel von Frau Bussmann zitiert). Es hat schon seine Gründe, warum ich nie der gbs beigetreten bin.

    Aber genau hier sind wir bei dem grundsätzlichen Dissens zwischen uns. Ich kann mich mit den Methoden der gbs, vor allem mit deren Umgang mit Menschen, nicht identifizieren, aber die weltanschaulichen Inhalte teile ich weitgehend.

    Und diese Inhalte weiche ich nicht auf, weil andere Menschen dadurch weltanschauliche Probleme bekommen könnten. Religiöser Glaube ist selbstverständlich irrational (‘credo quia absurdum’, ‘credo ut intelligam’ etc.), aber das ist keine Geisteskrankheit, aus meiner Sicht eher den Tatsachen des Lebens nicht ins Auge sehen zu können.

    [Thomas Waschke] Freut mich sehr zu hören. Wichtiger, als diesen Sachverhalt [über Substanzdualismus] zu konstatieren, scheint mir aber zu sein, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

    Man kann es doch mal so stehen lassen, dass es für die Existenz einer Seele keinen schlagenden Beweis gibt und bisher kein plausibler Vorschlag für den Interaktionsmechanismus gemacht wurde.

    Genau hier trennen sich unsere Wege. Ich gehe mindestens einen Schritt weiter.

    Mir ist es wichtig, die Position in ihren historischen Kontext einzuordnen; und den Studierenden zu vermitteln, dass auch Substanzdualisten einen überlegten Standpunkt vertreten können,

    Unbestritten. Aber ein überlegter Standpunkt muss noch lange nicht korrekt sein.

    sogar mit empirisch prüfbaren Voraussagen (siehe Descartes oder Eccles)

    ,

    Das interessiert mich jetzt aber. Welche prüfbaren Voraussagen haben diese Autoren gemacht? Okay, ist schon an die 40 Jahre her, seit ich Eccles gelesen habe (das Buch ‘The Self and Its Brain’ mit Popper zusammen, der Titel von Eccles Buch fällt mir gerade nicht mehr ein, es erschien kurz nachdem er den Nobelpreis erhielt, müsste jetzt in den Keller gehen …), kann sein, dass ich damals nicht darauf geachtet habe.

    was einige führende Personen in der Philosophie des Geistes partout nicht zugeben.

    Wie gesagt, nicht der Bereich meiner Kernkompetenz, aber ich würde eher dazu tendieren, das nicht zuzugeben.

    (Erinnern wir uns daran, dass selbst an der nat. Fakultät viele Studierende dualistische Überzeugungen haben

    Ein Satz wie dieser macht mich ratlos (und das ist auch in etwa der Punkt, wo es nicht mehr ohne Psychologisieren geht). So gut wie alle Menschen sehen die Sonne aufgehen. Ist das ein Argument für Geozentrismus? Alle Menschen haben exaptierte neuronale Module, die ‘Religiosität’ bedingen. Wird dadurch irgendeine Religion wahrer? Ist es ein Argument, wenn Studenten mehrheitlich etwas glauben?

    Sie kennen sicher auch die einschlägigen Ergebnisse (mir fallen die Namen der Autoren gerade nicht ein, wenn sie die Arbeit nicht kennen, suche ich sie) der Untersuchungen, die immer wieder seit den IIRC 1920er Jahren gemacht werden: Die Religiosität von Naturwissenschaftlern korreliert sehr stark mit dem Fach und der Bedeutung innerhalb der Wissenschaftlergemeide, die proportional wenigsten Religiösen findet man unter Evolutionsbiologen und den Wissenschaftlern mit dem höchsten Rang. Dem würde ich mehr Gewicht einräumen als der Frage, was Studenten glauben.

    und die Mehrheit der Naturwissenschaftler keinen Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft sieht.)

    Das hängt davon ab, ob sich diese Naturwissenschaftler hinreichend Gedanken über Ontologie gemacht haben und was sie unter ‘Religion’ verstehen. Mein Spezialgebiet ist die Diskussion mit Evolutionsgegnern, ich habe schon mit Menschen der unterschiedlichsten Richtungen innerhalb dieser Gruppe diskutiert, teilweise auch so intensiv, dass ich in der Danksagung von Büchern stehe, deren Inhalt ich überhaupt nicht teile. Etliche Gegner einer naturalistischen Evolution kenne ich auch persönlich und treffe sie ab und an. Diese Menschen sehen durchaus den Konflikt zwischen einer bestimmten Auffassung von Religion mit einer bestimmten Auffassung von Wissenschaft. Wie gesagt, einer der wichtigsten Gründe, warum ich Ignostiker geworden bin, eben weil es keinen Sinn macht, agnostisch zu sein, wenn man die Inhalte gar nicht betrachtet.

    Ich sehe jedenfalls genauso wenig Evidenz für die Annahme einer immateriellen Seele wie für die Richtigkeit des Standpunkts des reduktiven Materialisten, psychische Prozesse ließen sich vollständig auf physikalische Prozesse reduzieren; es ist eben ein “Schuldscheinmaterialismus” (Popper).

    Das ist orthogonal zu meinem Standpunkt, ich sehe weder das eine noch das andere. Welches Argument gibt es, dass die Erklärung psychischer Phänomene, die natürlich nicht auf der Ebene physikalischer Prozesse erfolgen kann (der Emergentismus geht doch davon aus, dass eine Emergenz Eigenschaften beschreibt, die den Komponenten nicht zukommt), eine Übernatur erfordert? Genau das ist Naturalismus in dem Sinn, wie ich ihn verstehe: Es geht mit rechten Dingen zu. Nur nebenbei, immateriell ist nicht supranaturalistisch. Eine ‘Zahl’ beispielsweise ist ein typisches ‘Konstrukt’ und selbstverständlich nicht materiell, aber eben auch nicht supranaturalistisch (sie wird ja von einem materiellen Wesen gedacht).

    Aber okay, das wird jetzt alles viel zu komplex und ich müsste viel sorgfältiger und ausführlicher formulieren. Ich möchte Sie nicht von ernsthafter Arbeit abhalten. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich schon in Rente und habe mehr freie Zeit. Vielleicht später mal …

  231. Thomas Waschke
    22.03.2021, 16:28 Uhr
    @Wolfgang Stegemann 22.03.2021, 15:35 Uhr
    Beruhen unsere Differenzen vielleicht darauf, dass wir unterschiedliche Disziplinen im Auge haben? Ich habe nur Abschlüsse in einer harten und einer weichen Naturwissenschaft, einer Strukturwissenschaft und eine Fakultas für eine Geisteswissenschaft. Mehr kenne ich nicht aus erster Hand.

    Vorausschickend: Ich komme – obwohl auf der technischen Basis befindlich – eher aus dem Lager der Experimentatoren, betrachte die Ein- und die Ausgaben und versuche daraus, auf den Mechanichtsnutz in der schwarzen Kiste zu schließen. Meine besten Ergebnisse – leider selten genug – habe ich dann erzielt, wenn ich auch mal das Gegenteil von dem als möglich angenommen habe, was ich als “wahr und sicher weiß”.
    Insofern verfolge ich die Kommentare hier mit ausgesprochenem Erstaunen, es gibt nur ganz wenige Kommentare, bei denen ich hin und wieder etwas meiner Denkweise wiedererkenne – naja, glaube, wiederzuerkennen.

    Aber angesichts Ihres Kurz-CV hier – nehmen Sie ernsthaft an, dass sich auf Grund Ihrer Beiträge hier jemand “ändert”? Oder haben Sie einfach nur Freude an der intellektuellen Auseinandersetzung?

  232. @Karl Maier 22.03.2021, 23:41 Uhr

    Aber angesichts Ihres Kurz-CV hier – nehmen Sie ernsthaft an, dass sich auf Grund Ihrer Beiträge hier jemand “ändert”?

    Ich hoffe es, bin aber eher skeptisch.

    Oder haben Sie einfach nur Freude an der intellektuellen Auseinandersetzung?

    Das auf jeden Fall. Vielleicht habe ich als Rentner auch einfach nur zu viel Zeit 😉

  233. @anton reutlinger 22.03. 18:32

    „“Analoge Zufallszahlen” sind ein Widerspruch an sich. Solche Zahlen gibt es nicht.“

    Ich meine hier Zufallszahlen, die auf Quantenzufällen beruhen, z.B. das Pixelrauschen einer Digitalkamera. Auf den Sensorelementen bricht die Wellenfunktion der eingehenden Lichts zusammen, und zwar so, dass sich ein Zufallsmuster ergibt, dass recht direkt auf Quantenzufall beruht. Wenn man jetzt dieses Rauschen vom Bildsignal trennt, hat man das, was ich mit analogen Zufallszahlen bezeichnet habe.

    Ganz im Gegensatz zu Pseudozufallszahlen, die mathematisch nach dem Prinzip von verborgenen Parametern produziert werden.

    Thomas Waschke 22.03. 18:46

    „Ganz ehrlich, wissen die das? Da habe ich aber doch extreme Zweifel. Die haben möglicherweise eine subjektive Gewissheit, aber mit Wissen ™ hat das nichts zu tun.“

    Naja, kommt drauf an was man wirklich glaubt. Wers glaubt, dass es stimmt, was er erlebt hat, der wird sagen, er weiß es. Wer es nicht für möglich hält, und selbst nicht erlebt hat, der wird denken, da irrt sich wohl einer. Was sonst.

    „Ich hingegen muss meine Welt nicht künstlich aufbohren, nur weil Menschen meinen, eine Übernatur erfahren zu haben.“

    Ok, hab ich nichts gegen. Gar nichts.

    „Wie Sie glücklich werden sei Ihnen überlassen. Aber es wird Ihnen nicht gelingen, daraus eine funktionierende Ontologie zu konstruieren. Falls doch, würde mich das extrem wundern.“

    Nun gut, eine entsprechende Idee habe ich hier ja schon längst vorgestellt, aber ob die zutrifft, weiß ich selber nicht, und Nachweise hab ich erst recht noch keine dafür.

    „Für welche Position wäre so was ein Argument?“

    Wenn die analogen Zufallszahlen, die auf Quantenzufällen beruhen, in der KI eingesetzt werden, halte ich es für möglich, dass hier öfter mal gezielte Zufälle mitspielen, die eventuell so regelmäßig vorkommen, dass sie im Prinzip Nachweise von einer gewissen Übernatur mit sich bringen könnten.

  234. @Tobias Jeckenburger 23.03.2021, 00:52 Uhr

    Was unterscheidet eine Welt mit einer Übernatur von einer ohne?

    Okay, die Ebene hat sich ja nun weit weg von der eigentlichen Problematik verlagert, aber es sollte deutlich geworden sein, dass die Frage nach einer Übernatur schon immer mitgeschwungen hat.

    Ich gehe nur noch auf einen Punkt ein:

    Wenn die analogen Zufallszahlen, die auf Quantenzufällen beruhen, in der KI eingesetzt werden, halte ich es für möglich, dass hier öfter mal gezielte Zufälle mitspielen, die eventuell so regelmäßig vorkommen, dass sie im Prinzip Nachweise von einer gewissen Übernatur mit sich bringen könnten.

    Diese Art Argument kommt mir bekannt vor. Ich habe mich sehr ausführlich mit Intelligent Design befasst, mit dessen Vertretern diskutiert, einige Publikationen zu dem Thema geschrieben. Ein typischer Buchtitel zu solchen Fragen lautet

    Junker, R. (2009) ‘Spuren Gottes in der Schöpfung? Eine kritische Analyse von Design-Argumenten in der Biologie’ Holzgerlingen, SCM Hänssler

    Junker, Geschäftsführer der größten deutschen Vereinigung von Kurzzeit-Kreationisten, argumentiert meist über Intelligent Design und hat etliche ‘Design-Indizien’ in der Natur beschrieben, die im Gegensatz zu dem, was Sie gerade andeuten, sehr konkret sind (bei Bedarf kann ich Ihnen Details bzw. Links nennen).

    Was mich bei solchen Überlegungen immer wundert, ist das Gottesbild bzw. das der Übernatur, das dahinter steht. Diese Entitäten scheinen sozusagen Ostereier versteckt zu haben. Es gibt Autoren, die expressis verbis dafür plädieren, dass Gott sich im Quantenrauschen versteckt, dass er in eine naturalistisch verlaufende Evolution dadurch eingreift, dass es für uns wie ein Zufall aussieht (vielleicht eine Mutation hier, ein Meteoriten-Einschlag da, zwei passende Tiere zusammengebracht und so weiter …). Oder eben auch mal ein spirituelles Erlebnis. Als Argumente für eine Übernatur findet man ansonsten meist nur Phänomene angeführt, die wir (noch?) nicht verstehen.

    Wenn ich denke, was es für andere Gottesbilder gibt, beispielsweise eines Gottes, der aus dem Gewittersturm Hiob die Leviten liest, oder wenigstens aus einem brennenden Dornbusch spricht, das wären dann Götter, die einen Unterschied machen würden. Aber eine Welt mit dem Typ Gott (oder allgemeiner auch nur Übernatur), für die Sie zu plädieren scheinen, ist kaum bis gar nicht von einer Welt ohne eine Übernatur zu unterscheiden.

    Das in etwa scheint mir das stärkste Argument gegen die Annahme einer Übernatur zu sein.

  235. @Jeckenburger
    Ich meine hier Zufallszahlen, die auf Quantenzufällen beruhen, z.B. das Pixelrauschen einer Digitalkamera.

    Also meine Digitalkamera macht ganz ordentliche Bilder. Auf Selfies erkenne ich mich sogar selber wieder. Von Quantenrauschen habe ich noch nichts bemerkt. Sind Sie sicher, dass das nicht Staubquanten auf dem Objektiv sind?

    Warum muss es immer gleich die Quantenphysik sein, gibt es nichit naheliegendere Erklärungen, oder sind Ihnen solche zu langweilig oder nicht sexy genug?

  236. anton reutlinger,
    eine elektronische Verstärkerschaltung wie sie in Digitalkameras verbaut ist enthält Transistoren. Das sind sehr empfindliche Bauteile, die so empfindlich sind, dass sie sogar die Wärmestrahlung verstärken. Das nennt man Wärmerauschen der Transistoren. Dieses Rauschen wird herausgefiltert, dabei leidet allerdings die Empfindlichkeit der Kamera. Wenn Sie also sehr gute Fotos machen wollen, dann sollten Sie die Kamera vorher in das Gefrierfach legen.
    Astrokameras werden z.B. gekühlt.

  237. @Waschke, Schleim: Naturalismus.

    Wenn man die Diskussion von der philosophischen auf die ontologische Ebene herunterbricht, dann kann man den Menschen von außen betrachten, wie dies etwa die Verhaltenspsychologie oder die empirische Psychologie macht. Ich betrachte ihn von innen, tue also dasselbe wie die Neurowissenschaft. Der Unterschied liegt darin, dass diese analytisch vorgeht, was notwendig ist, um immer kleinere Elemente zu identifizieren. Wenn sie nun hergeht und meint, aus diesen Elementen Emergenzen erklären zu können wie etwa Bewusstsein, dann macht sie den Schritt hin zum Naturalismus, wie schon die von mir oft zitierten Penrose/Hameroff, die Bewusstsein in den Mirkotubuli suchen. Wie gesagt, am Ende landet man dann auf Quantenebene und erklärt damit nichts mehr. Will man den Dualismus von Körper und ‘Geist’ vermeiden, müssen die Begriffe bereits so angelegt sein, dass sie Emergenz zum Ausdruck bringen können. Der Begriff des ICH ist ein solcher, der bereits den Aspekt der Umwelt beinhaltet. Ein solches Modell ist synthetisch und damit – wenn man so will – konstruktiv (als Gegenteil von analytisch). Es ist also solches geeignet, einzelwissenschaftlich analytisch gewonnene Einsichten auf der Ebene der Emergenzen zu integrieren, auf der ‘Körper’ und ‘Geist’ zwei Begriffsebenen derselben Sache sind.

    @Karl Maier: Warum argumentieren wir hier? Antwort: weil es einen zwingt, die eigenen Argumente zu schärfen, Begründungen zu entwickeln, die man sonst stillschweigend für sich abgehakt hat.

  238. @hwied

    Ethik versus Religion. Jetzt lassen Sie mal die Kirche im Dorf. Da gibt es keinen Unterschied. Religionsunterricht ist immer auch Ethikunterricht, was sonst.

    “auch” ja … allerdings in christlicher Ethik.

    Unsere Kultur ist eine christliche, das war sie und das ist sie.

    Nicht wirklich. Wir haben eher eine durch die Antike griechische / römische Kultur. Gerade auch im Rechtswesen (mit einigen Anteilen von den Germanen und Kelten).
    Gerade was Europa eher stark mache wie “Denk-, Glaubens- und Meinungsfreiheit”, “Freiheit” oder “Menschenrechte” – kommen in der Bibel und auch der Kirche nicht vor.
    Der Aufstieg Europas war vor allem durch die Renaissance geprägt. Sie war von dem Bemühen um eine Wiederbelebung der kulturellen Leistungen der griechischen und römischen Antike gekennzeichnet.
    Vorher war ja eher Düsternis angesagt.

    Schauen Sie sich nur mal den Kalender an. Da geht es von Feiertag zu Feiertag.

    Ach daran machen sie die christliche Kultur fest? … dann stellen wir halt um und machen Sonntag frei für Sol Invictus war ja schon mal so.

    Und was macht die Kirche ganz konkret im Augenblick falsch ?

    Wie war das mit Missbrauch, Arbeitsrecht, Homosexualität, Gleichstellung von Frauen …
    Die Kirchen verlieren vermutlich so viele Mitglieder, weil sie alles richtig machen.

    Das sagt mehr aus als ihre Kritik.

    Das war nicht meine, eine Quelle hatte ich angegeben.

  239. @hwied
    Astrokameras werden z.B. gekühlt.
    Meines Wissens werden IR-Kameras gekühlt. Mit Wärme hat das Quantenrauschen nichts zu tun. Es wäre dann auch kein Zufall mehr! Die Wärme regt Atome zu Schwingungen an und bringt sie in höhere Energiezustände, das ist klassische Physik.

  240. @Wolfgang Stegemann 23.03.2021, 08:45 Uhr

    Naturalismus

    So langsam kommen wir zum Kern der Sache.

    Wenn man die Diskussion von der philosophischen auf die ontologische Ebene herunterbricht,

    Mein Punkt ist, dass es um materielle Systeme, wie den Menschen geht. Philosophie besteht in sehr vielen Fällen in Untersuchungen von Sätzen über Sätze, die keinen Kraftschluss zum Sein haben. Aber genau um diesen geht es. Meine Behauptung ist, dass ohne Empirie nichts Gültiges über diesen Zusammenhang ausgesagt werden kann. Selbstverständlich könnten diese Aussagen ‘wahr’ im Sinne von zutreffend sein, aber das Problem ist, dass man das innerhalb des Systems aus Sätzen über Sätze nicht zeigen kann. Das führt immer in Aporien.

    dann kann man den Menschen von außen betrachten, wie dies etwa die Verhaltenspsychologie oder die empirische Psychologie macht. Ich betrachte ihn von innen, tue also dasselbe wie die Neurowissenschaft.

    Solange Sie dann darauf verzichten, ontologische Aussagen (beispielsweise “Es gibt eine Übernatur …”) zu machen und sich nur auf die Innenperspektive beschränken, ist das untadelig. Aber eben durch diese Beschränkung prinzipiell insuffizient, wenn man das ‘Sein des Seienden’ mitbedenken möchte.

    Der Unterschied liegt darin, dass diese analytisch vorgeht, was notwendig ist, um immer kleinere Elemente zu identifizieren. Wenn sie nun hergeht und meint, aus diesen Elementen Emergenzen erklären zu können wie etwa Bewusstsein,

    Exakt das muss man eben nicht machen können, und es gibt gute Argumente dafür, dass das prinzipiell nicht klappen kann. Aber, und das ist mein Punkt, das ist kein Argument für eine Übernatur.

    dann macht sie den Schritt hin zum Naturalismus, wie schon die von mir oft zitierten Penrose/Hameroff, die Bewusstsein in den Mirkotubuli suchen.

    Das ist aber nicht das Verständnis von ‘Naturalismus’, das ein emergentistischer Materialist hat.

    Wie gesagt, am Ende landet man dann auf Quantenebene und erklärt damit nichts mehr.

    Vollkommen einverstanden, aber das ist nicht der Punkt. Die Frage ist nur, was andere Formen der Erklärung prinzipiell erklären können. Bestenfalls Operationen in der Welt der ‘Konstrukte’ (die Terminologie, die ich verwende, habe ich ausführlich erklärt, wobei man nie weiß, ob man ‘Konstrukte’ von ‘Dingen’ (AKA Sätze über das Sein) diskutiert oder ‘Konstrukte’ von ‘Konstrukten’ (AKA Sätze über Sätze), aber es geht, zumindest mir, auch um die Welt der ‘Dinge’.

    Will man den Dualismus von Körper und ‘Geist’ vermeiden, müssen die Begriffe bereits so angelegt sein, dass sie Emergenz zum Ausdruck bringen können. Der Begriff des ICH ist ein solcher, der bereits den Aspekt der Umwelt beinhaltet.

    Eben. Aber mich interessiert jetzt, welche ontologischen Aussagen (also Sätze über das Sein) dieses Ich als Konstrukte mit Anspruch auf Geltung formulieren kann.

    Ein solches Modell ist synthetisch und damit – wenn man so will – konstruktiv (als Gegenteil von analytisch). Es ist also solches geeignet, einzelwissenschaftlich analytisch gewonnene Einsichten auf der Ebene der Emergenzen zu integrieren, auf der ‘Körper’ und ‘Geist’ zwei Begriffsebenen derselben Sache sind.

    Das in etwa sagt auch der emergentistische Materialist. Allerdings geht der in seiner Ontologie noch einen Schritt weiter, der Ihnen prinzipiell versperrt bleibt.

  241. @Waschke: Ich denke, wir reden aneinander vorbei. Ich konzediere, dass mein didaktisches Geschick unzureichend ist. Ich versuche mal, daran zu arbeiten. Vielleicht gelingt es mir ja noch, meine Argumente weiter zu schärfen 😀.

  242. Thomas Waschke,
    Wenn Sie verheiratet sind, dann befinden Sie sich automatisch auf der ontologischen Ebene.
    Alle Aussagen von Ihnen werden von Ihrer Frau auf den Kraftschluss zum Sein überprüft.
    Und passen sie auf, dass kein emergetischer Materialist als Hausfreund einen Schritt zu weit geht.

  243. @Wolfgang Stegemann 23.03.2021, 09:57 Uhr

    Ich denke, wir reden aneinander vorbei.

    Genau den Eindruck habe ich auch. Und zwar vor allem auch deshalb, weil die Schnittmenge zwischen dem, was ich schreibe, und dem, was Sie antworten, nicht besonders groß ist. Kann sein, dass Sie das genauso sehen.

    Vermutlich müssten wir sehr präzise angeben, um was es uns eigentlich geht, also in etwa ‘Vorderbühne vs. Hinterbühne’ und dann klären, ob es eine gemeinsame Basis für einen konstruktiven Dialog gibt, oder ob wir inkommensurable Weltbilder vertreten.

    Ein Grunddissens ist vermutlich, dass wir unter ‘Naturalismus’ unterschiedliche Inhalte verstehen. Da es dicke Bücher gibt, die sich nur mit der Frage befassen, was im Lauf der Geschichte schon so alles unter ‘Naturalismus’ verstanden wurde, ist es nicht weiter überraschend, dass Missverständnisse auftreten.

    Ich konzediere, dass mein didaktisches Geschick unzureichend ist. Ich versuche mal, daran zu arbeiten. Vielleicht gelingt es mir ja noch, meine Argumente weiter zu schärfen 😀.

    Ich fürchte, dass auch mein didaktisches Geschick auch nicht hinreicht, Ihnen klar zu machen, um was es mir geht. Eigentlich beschämend, ich sollte das doch in meiner Berufspraxis gelernt haben ;-/

    Auf jeden Fall danke für den interessanten Austausch.

  244. @hwied

    eine elektronische Verstärkerschaltung wie sie in Digitalkameras verbaut ist enthält Transistoren. Das sind sehr empfindliche Bauteile, die so empfindlich sind, dass sie sogar die Wärmestrahlung verstärken.

    Äh nein Transistoren verstärken keine Wärmestrahlung, dass ist falsch.

  245. @hwied
    richtig, das Wärmerauschen entsteht am p-n Übergang.

    Mein Tauchsieder in der Küche wird auch heiß, ebenso der Föhn zum Trocknen der Haare. Aus dem gleichen Grund steckt in Ihrem Computer ein Lüfter. Mit der Quantenphysik hat das alles nichts zu tun. Ihre Kenntnisse sind sehr mager und meistens falsch, prahlen und überzeugen können Sie damit nicht!

  246. @hwied

    richtig, das Wärmerauschen entsteht am p-n Übergang.

    1. wird auch da keine Wärme verstärkt
    2. haben alle elektronischen Schaltungen Wärmerauschen.
    Der Grund dafür ist, dass sich die Leitungselektronen in leitenden Materialien frei (zufällig) bewegen.
    Mit Quanteneffekten sollte das bei einer Kamera aber nichts zu tun haben. Solche Effekte kommen erst bei sehr niedrigen Bedingungen oder sehr hohen Frequenzen zum tragen. (wenn ich mich recht erinnere)

  247. einer
    Elektronen sind auch Quanten.
    Reutlinger
    Wen wollen Sie beeindrucken, doch nicht einen der sich mit Elektronik auskennt ?
    Man kann das Wärmerauschen hören, weil es vom Transistor genauso verstärkt wird wie das Nutzsignal.
    Deshalb soll man Verstärkerschaltungen nicht hochohmig auslegen, wenn Musik verstärkt werden soll.

  248. @hwied

    Man kann das Wärmerauschen hören, weil es vom Transistor genauso verstärkt …

    Eben nicht die Wärmestrahlung, wie von ihnen behauptet,wird verstärkt, sondern das elektrische Signal.

  249. @Thomas Waschke 23.03. 07:24

    „Aber eine Welt mit dem Typ Gott (oder allgemeiner auch nur Übernatur), für die Sie zu plädieren scheinen, ist kaum bis gar nicht von einer Welt ohne eine Übernatur zu unterscheiden.“
    „Das in etwa scheint mir das stärkste Argument gegen die Annahme einer Übernatur zu sein.“

    Die Naturgesetze sind eben schon ganz gut funktionsfähig, das meiste läuft einfach auf Regel und wirklich zufälligem Quantenzufall. Hier wird eigentlich nichts versteckt, hier gibt es einfach in der Außenwelt meistens nichts hinzuzufügen. Etwas anders sieht es aus, wenn es um das Leben geht. Hier kann schon die Regulation der Zellchemie geistig unterstützt sein, was zur Gesundheit beitragen kann, aber wirklich relevant wird es erst beim Thema innere Erlebniswelt samt Bewusstsein.

    Hier glaube ich, dass dieses ohne geistige Anteile gar nicht funktionieren kann, weil nur der Geist diesen psychischen Innenraum öffnen kann. Nervenzellen alleine können das nicht, auch wenn es ohne Gehirn auch nicht geht. Entsprechend groß sind hier jetzt die Unterschiede, wie die verschiedenen Menschen die Natur ihres eigenen Bewusstseins einschätzen.

    Dieses weite Feld an Konzepten wird ja erst möglich, weil die Gehirnforschung noch sehr weit davon entfernt ist, dass man verstehen könnte, wie unser Gehirn wirklich Bewusstsein erzeugt. Noch weis man hier kaum was, schätze ich.

    Gerade aufgrund einer Außenwelt, die im wesentlichen mit den Naturgesetzen alleine funktioniert, kann man auch so leben, dass man ohne die Annahme jegliche Übernatur auskommt. Die Naturgesetze sind für sich einfach schon von höchster Qualität, damit kann man zufrieden sein. Man kann ja offenbar so leben, als gäbe es auch im Bewusstsein keine Übernatur.

    Warum sich an Leuten stören, die esoterisch unterwegs sind? Man kann sich doch einfach sagen, die sind eben leicht verrückt. Es ist einfach nicht nötig, eine Unmöglichkeit jeglicher Übernatur zu postulieren.

    Wir leben doch wohl zweifelsfrei alle in der selben Welt, egal für was wir die Welt halten. Ich glaube, es gibt auch in der Bewusstseinsfrage eine definierte Ontologie, auch wenn die noch keiner wirklich kennt.

    In diesem Sinne ist Religionsfreiheit nicht nur pragmatisch, weil sie Bürgerkriege vermeidet. Unsere 70 Jahre alte Verfassung zeigt hier öfter mehr Weisheit, als in manchen aktuellen Diskussionen sichtbar wird.

  250. @hwied, einer, reutlinger

    Mit großem Amüsemang lese ich eure hochgelehrten Dispute.

    Nur nebenbei, um was geht es eigentlich?

    Vielleicht noch ein Buchtipp

    Gero Hümmler ‘Relativer Quantenquark. Kann die moderne Physik die Esoterik belegen?’ 2nd ed. 2019, Berlin, Springer

    Dort findet man interessante Hinweise zur Verwendung von ‘Quanten’ durch Otto Normalverbraucher.

  251. @Thomas Waschke
    Es geht um Transistoren, die Wärmestrahlung verstärken sollen …

  252. @einer 23.03.2021, 13:33 Uhr

    Es geht um Transistoren, die Wärmestrahlung verstärken sollen …

    Wie gesagt, ich habe mich amüsiert. Nicht nur über dieses prickelnde Detail 😉

    Zumindest einer der drei Genannten trägt durch viele Details dazu bei, meinen Tag zu machen. Üblicherweise genieße ich das still.

  253. Einer
    Wärmerauschen heißt nur so, weil die unkontrollierten p-n -Übergänge durch die Wärmebewegung der Elektronen verursacht wird. Das Wärmerauschen hat nichts mit einem Fön zu tun.
    Man nennt es Rauschen , weil es sich in einem hochohmigen Kopfhörer als Rauschen anhört. Genau genommen, da haben Sie Recht kann man das nicht als verstärkt beschreiben, weil ja nur der Basis Strom verstärkt wird –
    Das sind nur sprachliche Feinheiten.
    Wenn man allerdings in einen BC 107 ein Loch bohrt, dann wird aus dem Universaltransistor ein Fototransistor.
    Wenn jetzt durch das Loch ein Lichtstrahl auf den p-n-Übergang fällt, dann leitet der Transistor durch den äußeren Fotoeffekt.

  254. @Quantenrauschen

    Für analoge Zufallszahlen, die aus Quantenrauschen resultieren gibt es sicher mehrere technische Lösungen. Ich selbst habe mal eine analoge Fernsehkarte missbraucht, und einfach das Rauschen ohne eingestellten Sender aufgenommen. Vor der Verwendung für ein Kunstprojekt habe ich das Rauschen in diesen Dateien nochmal mit normalen Pseudozufallszahlen addiert, damit hier Artefakte wie Programmtext herausgefiltert werden, der in den Aufnahmen mit enthalten war. Das hat ganz gut funktioniert, die Bilder waren recht anständig, etwa lebendiger als übliche Computerbilder.

    Hier ein paar Bilder aus diesem Projekt:

    https://geier-wg.de/jeckenburger/mand1/index.php

    Inzwischen ist der Computer mitsamt dieser Fernsehkarte auf dem Schrott gelandet, und analoge Fernsehkarten gibt es nicht mehr. Für ein geplantes weiteres Kunstprojekt haben ich vor, eine Webcam zu missbrauchen. Die Quantenzufälle kommen dort zunächst mal durch das Licht, dass sich auf den Pixeln in elektrischen Signale verwandeln muss, zustande. Darüber hinaus gibt es im CCD-Chip auch ein Dunkelrauschen, dass auf Wärme beruht. Beides zusammen ergibt das Bildergebnis und lässt sich als Datei speichern. Praktischerweise kann ich eine dunkelgraue Pappe aufnehmen, dann müsste das Rauschen maximal werden. Die entsprechenden Dateien würde ich dann wieder per Addition mit Pseudozufallszahlen von Dateiformatartefakten befreien.

    Bei Spektrum.de kam vor kurzem ein Artikel für die Produktion von Riesenmengen von entsprechenden Zufallszahlen, die auf Quanteneffekten beruhen. Dort hat man ein spezielles Lasersystem in Kombination mit einer superschnellen Digitalkamera verwendet, und – ich meine – Terabytes an Zufallszahlen pro Sekunde produziert.

    So viele Zufallszahlen brauche ich für meine geplanten Kunstprojekte jetzt aber nicht.

  255. @Wolfgang Stegemann // 23.03.2021, 08:45 Uhr

    » Ich betrachte ihn von innen, tue also dasselbe wie die Neurowissenschaft. Der Unterschied liegt darin, dass diese analytisch vorgeht, was notwendig ist, um immer kleinere Elemente zu identifizieren. Wenn sie nun hergeht und meint, aus diesen Elementen Emergenzen erklären zu können wie etwa Bewusstsein, dann macht sie den Schritt hin zum Naturalismus, … «

    Ich versuche immer noch zu verstehen, wo es hier zwischen uns, also Ihnen und vielen anderen hier, u.a. Thomas Waschke, hakt.

    Wenn ich „Emergenz“ erklären wollte, das heißt, die Entstehung einer Systemeigenschaft, dann könnte ich das nur tun unter Einbeziehung aller (?) Teile, die dieses System konstituieren.

    Beliebtes Beispiel: Die physikalischen Eigenschaften des Wassermoleküls werden bestimmt durch die Wechselwirkungen zwischen den Wasserstoffatomen und dem Sauerstoffatom. Ersetze ich den Sauerstoff durch Schwefel, erhalte ich mit Schwefelwasserstoff ein Molekül mit deutlich anderen Eigenschaften als die eines Wassermoleküls.

    Und hier endet auch schon (für mich) die bottom-up-Erklärung, wie Systemkomponenten zu den beobachtbaren Systemeigenschaften beitragen. Der entscheidende Punkt dabei ist (aus „naturalistischer“ Sicht, vermutlich), dass nichts Weiteres hinzukommt, keine unbekannte physikalische Kraft, kein Geist, kein irgendwas, nichts.

    Man könnte (trivialerweise) sagen, mit dem Zusamenspiel der Systemkonstituenten ist die Systemeigenschaft vollständig erklärt. Wenn wir also wissen, wie dieses Zusammenspiel genau aussieht, dann haben wir das Phänomen verstanden.

    Ob das bewusste Wahrnehmen und Erleben als eine Systemeigenschaft des Gehirns (oder von Teilen desselben) aufgefasst werden kann oder nicht, wäre vielleicht noch zu klären.

    Sicher ist nur, dass es, Achtung, „überall im Schädel mit rechten Dingen zugeht“; die Teile sind soweit alle bekannt, aber wie sie im Verband zusammenwirken und und Bewusstseinsphänomene erzeugen, das gilt es noch herauszufinden.

  256. @hwied was Wärmerauschen ist, weiß ich.
    Das ein Transistor ohne Deckel quasi zu einem Photonendetektor wird auch.

    Aber sie schrieben, ein Transistor würde die Wärmestrahlung verstärken … darauf bin ich angesprungen.

    Auch ist für das Wärmerauschen – soweit ich mich noch richtig erinnere – kein Quanteneffekt oder quantenphysikalische Vorgang notwendig. Es reicht aus, dass sich die Elektronen im Leiter frei bewegen können.

  257. einer,
    Die Wärmestabstrahlung wird verstärkt, je mehr Strom durch ihn fließt.

    ein Quantensprung ist auch ein Quanteneffekt.
    Aber lassen wir das. was hat das noch mit Bewusstsein zu tun ?
    Wärme beeinflusst chemische Vorgänge und chemische Vorgänge finden in der Elektronenhülle statt. Also , in unserem Gehirn finden Quanteneffekte statt.

  258. Wolfgang Stegemann
    23.03.2021, 08:45 Uhr
    @Karl Maier: Weil es einen zwingt, die eigenen Argumente zu schärfen, Begründungen zu entwickeln, die man sonst stillschweigend für sich abgehakt hat.

    Ich vermeide es, mit Zitaten als verbalem Knüppel meine Argumentation zu befördern, aber hier kann ich nicht anders als zitieren, auch, weil ich vorhin daran dachte, eine ähnliche Formulierung wie Sie zu posten:
    >Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden< ( Heinrich von Kleist ) oder hier beim Schreiben, was aber für mich ein lautlos formuliertes Gespräch ist, stellt das schon fest.

  259. @Balanus: wenn Sie behaupten, das menschliche Bewusstsein lässt sich ausschließlich durch die Funktion der Neuronen erklären (was ja die Neurowissenschaft versucht), dann ist Ihre Argumentation schlüssig. Dann wird es eines Tages möglich sein, auf dieser Basis künstliche Menschen herzustellen. Vielleicht haben Sie ja recht.
    Meine Argumentation geht so: Ich betrachte das Phänomen ‘Bewusstsein’ als historisch entstandenes Produkt und versuche die vorangegangenen Phänomene, also die Vorgänger-Emergenzen zu finden und daraus ein allgemeines Prinzip zu formulieren. Das lautet in etwa: Regelung des Umweltbezugs. Dann frage ich, was die Regelung auf menschlicher Ebene ausmacht und versuche Begriffe zu finden, mit denen ich das einfangen kann.
    Dies sind für mich (andere würden das vielleicht anders machen) systemtheoretische Begriffe, weil ich denke, dass diese geeignet sind, die Komplexität am besten abzubilden. Die neurowissenschaftliche Seite ist also ein Aspekt dieses Umweltbezuges, wenn auch der dominante (Top-Down). Aber mit den Begriffen der Neurowissenschaft, wie sie sich derzeit darstellt, erfasst man nicht die Gesamtheit dieser Selbstregulation
    Man sieht an den Versuchen der NW, Bewusstsein zu erklären, dass dort nach kleinen Bausteinen gesucht wird, die das Bewusstsein ausmachen sollen. Nach meinem Ansatz geht das nicht. Denn danach ist BS nicht als Funktion von neuronen zu verstehen, sondern als Emergenz, also mehr als nur Neuronen. Sie können diese Emergenz eben nicht auf die Einzelteile namens Neuron reduzieren.
    Ich fürchte, Sie werden das dennoch nicht ganz nachvollziehen wollen.

  260. Balanus
    23.03.2021, 14:05 Uhr
    @Wolfgang Stegemann // 23.03.2021, 08:45 Uhr
    Ich versuche immer noch zu verstehen, wo es hier zwischen uns, also Ihnen und vielen anderen hier, u.a. Thomas Waschke, hakt.

    Wenn ich mich da mal einmischen darf:
    Aus meiner Sicht liegt es daran, dass wir hier alle mehr oder weniger “schlampig” argumentieren, gerne die “Worte für die Tat” nehmen, also die sprachliche Bezeichnung einer Sache mit der Sache selbst verwechseln, gedankliche Abkürzungen nehmen und uns dabei eben im Wortgestrüpp verlaufen, dass wir die “Beschreibung” eines Vorgangs gerne als dessen “Erklärung” verstehen.
    Ich versuche mal das Beispiel, was ich hier schon mal angebracht habe:
    Selbst wenn ich ein Auto bis zur letzten Schraube zerlege, werde ich nicht die “Geschwindigkeit als solche” finden, sie entsteht, wenn alle Teile konstruktionsgemäß zusammenwirken, aber auch nur, wenn Treibstoff vorhanden ist und jemand das Gaspedal tritt. Und selbst dann ist die “Geschwindigkeit” nur ein mathematisches Konstrukt, als Kurzform für das Maß einer Ortsveränderung in einem Zeitintervall. Insofern wird dann aber die “Geschwindigkeit” eine Art Realität, weil wir mit Worten darüber streiten können, ob sie angemessen oder zu hoch war. Wir können aber die Vorstellung einer zeitlichen Veränderung übertragen und von einer “Geschwindigkeit des Denkens” sprechen usw.
    Wir sind aus biologischen Gründen der Evolution in einer Blase gefangen, in der wir Sachverhalte, Konstrukte aus Sachverhalten oder sogar Konstrukte aus Konstrukten mit Worten benennen und uns auch nur mit Worten über diese Worte unterhalten können und leider allzuwenig zwischen Worten als Benennung, Konstrukt und Sachverhalt unterscheiden.

  261. @Wolfgang Stegemann 23.03.2021, 15:30 Uhr

    Emergenz: Eigenschaft, die keinem der Elemente des Systems zukommt

    Man sieht an den Versuchen der NW, Bewusstsein zu erklären, dass dort nach kleinen Bausteinen gesucht wird, die das Bewusstsein ausmachen sollen.

    Nein, die Emergenz des Systems aus diesen Bausteinchen macht das Bewusstsein aus. Das ist eine genuin systemtheoretische Beschreibung.

    Nach meinem Ansatz geht das nicht. Denn danach ist BS nicht als Funktion von neuronen zu verstehen, sondern als Emergenz, also mehr als nur Neuronen. Sie können diese Emergenz eben nicht auf die Einzelteile namens Neuron reduzieren.

    Das ist exakt der Standpunkt des emergentistischen Materialismus. Mich wundert, dass Sie schreiben, was Sie schreiben.

    Die Funktion einzelner Neuronen reicht nicht aus, Bewusstsein zu beschreiben, weil das Bewusstsein eine Systemeigenschaft vieler korrekt verschalteter Neuronen (und vieler anderer Bauteile) darstellt. Genau diese Möglichkeit der Reduktion, die Sie unterstellen, wird vom emergentistischen Materialismus bestritten.

    Bestritten wird allerdings, dass es nicht ‘mit rechten Dingen zugeht’, also dass eine Übernatur erforderlich wäre, die Emergenz zu erklären. Naturalismus ist eher ein Corollar des emergentistischen Materialismus.

  262. @Maier,Waschke: ich glaube auch fast, dass das Problem ein sprachliches ist. Belassen wir es einfach dabei: ich habe einen systemtheoretischen Ansatz und fertig. Mit dem versuche ich den o.g. Umweltbezug genauso zu erfassen, wie die rein “technische” Seite der Arbeit der Neuronen. Das von mir genannte ICH kommt in der NW nicht vor. Ich halte es aber für wichtig, um Bewusstsein zu erfassen (und ich definiere es natürlich unter anderem auch rein neuronal).
    Und jetzt schüttle ich die philosophische Diskussion, ob es sich um Naturalismus handelt oder um sonst was, einfach ab. Das macht es wesentlich einfacher.

  263. Zur Auflockerung ein Gedicht des bekannten Schriftstellers Friedrich Schiller zur Romantik der Naturwissenschaft:

    Wo jetzt nur, wie unsre Weisen sagen,
    Seelenlos ein Feuerball sich dreht,
    Lenkte damals seinen goldnen Wagen
    Helios in stiller Majestät.
    Diese Höhen füllten Oreaden,
    Eine Dryas starb mit jenem Baum,
    Aus den Urnen lieblicher Najaden
    Sprang der Ströme Silberschaum
    ….
    Schöne Welt, wo bist du? – Kehre wieder,
    Holdes Blütenalter der Natur!
    Ach! nur in dem Feenland der Lieder
    Lebt noch deine goldne Spur.

  264. Aus den heutigen Wissenschaftsmeldungen:

    Neue Resultate stellen physikalische Gesetze in Frage

    Universität Zürich

    Forschende der UZH und des CERN haben neue verblüffende Ergebnisse veröffentlicht. Laut der internationalen Forschungskollaboration LHCb, die das Large Hadron Collider beauty-Experiment betreibt, verstärken die neuesten Messungen die Hinweise auf eine Abweichung gegenüber den theoretischen Erwartungen. Lassen sich die Resultate bestätigen, deuten sie auf eine Physik jenseits des Standardmodells hin – etwa eine neue fundamentale Kraft.

    idw online vom 23.3.

    Geht das noch mit rechten Dingen zu?!

  265. Stephan Schleim
    23.03.2021, 21:56 Uhr
    Aus den heutigen Wissenschaftsmeldungen:
    Neue Resultate stellen physikalische Gesetze in Frage
    Geht das noch mit rechten Dingen zu?!

    Das Standardmodell ist eben genau das, was das Wort sagt, ein Standard-Modell, eine Annahme, die bisher erstaunlich zuverlässig überprüf- und verifizierbare Aussagen ermöglicht hat.
    Im aktuellen SdW wird in der Infografik “Ein neues Bild der Teilchen und Kräfte” anhand eines Bildes das Standardmodell dargestellt.
    Ich muss zugeben, von derlei Physik absolut keine Ahnung zu haben, wenn ich mir aber das Ganze als “schwarze Kiste” vorstelle und die Ein- und Ausgaben betrachte:
    Es gibt einen Überschuss an Materie gegenüber der Antimaterie ( aber das ist aus meiner Sicht nur Definitionssache, was da “anti” ist ).
    Wir können die Gravitation nicht so recht einordnen.
    Wir können dunkle Energie nicht erklären.
    Wir können dunkle Materie nicht erklären.
    Verwundert wird vermerkt, dass offensichtlich bisher kein “rechtshändiges W-Boson” gefunden wurde.
    Und mir scheint, dass der früher gemutmaßte “Äther” heute als Higgs-Feld auferstanden ist.
    Und was mich als Laie wundert und es leider keine Erklärung gibt:
    >>Beispielsweise emittiert ein up-Quark gelegentlich ein W+-Boson und wird zu einem strange-Quark.<<
    Gemäß Standardmodell kommt das für die Ladung und den Spin so hin ( wie ich das der Aufstellung entnehme ), aber für die Masse ergibt sich, dass 2,2 – 80379 = 96 ( Masseeinheiten in MeV/c² ).

    Das Standardmodell beschreibt zwar Vieles, aber es beschreibt eben nicht alles, insofern ist es für mich als Laie gar keine Frage, dass es da über das "Standardmodell" hinaus etwas geben muss, was wir bisher nur noch nicht gefunden/gemessen haben.
    Wenn die Nachricht sich als gehaltvoll erweist:
    Es geht eben doch alles mit rechten Dingen zu.

  266. @Stephan Schleim 23.03.2021, 21:56 Uhr

    Geht das noch mit rechten Dingen zu?!

    Solange ein naturalistisches Modell ein anderes naturalistisches ablöst, selbstverständlich.

  267. @Wolfgang Stegemann // 23.03.2021, 15:30 Uhr

    »@Balanus: wenn Sie behaupten, das menschliche Bewusstsein lässt sich ausschließlich durch die Funktion der Neuronen erklären (was ja die Neurowissenschaft versucht), dann ist Ihre Argumentation schlüssig.«

    Ich habe keineswegs behauptet, dass es „ausschließlich“ auf die Funktion der Neuronen ankommt (auch wenn deren Zusammenspiel bei weitem das Wichtigste für alle bekannten Hirnfunktionen sein dürfte, aber das Gehirn besteht ja nicht nur aus Nervenzellen).

    Insofern kann ich auch nicht nachvollziehen, wieso Sie meinen, dann müsste „es eines Tages möglich sein, auf dieser Basis künstliche Menschen herzustellen“. Und das, nachdem ich ausdrücklich dargelegt habe, dass die Konstituenten eines System bestimmen, welche Eigenschaften das System überhaupt nur haben kann (oder „emergieren“ können). Für ein künstliches Gehirn mit der Eigenschaft „Ich-Bewusstsein“ bräuchte man demzufolge genau jene Konstituenten, die im natürlich gewachsenen Gehirn das „Ich-Bewusstsein“ generieren (sag ich jetzt einfach mal so, auch wenn alles ein bisschen komplizierter ist).

    Und es ist doch keine Frage, dass die strukturelle Organisation dieser Konstuituenten das Ergebnis des „Umweltbezugs“ ist.

    Ohne „Umweltbezug“ (Ihr Begriff) kann sich kein Gehirn regelgerecht entwickeln bzw. strukturell adäquat organisieren. Wenn der Input aus der Umwelt fehlt, hat das fatale Folgen.

    Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass diese Selbstorganisation der Hirnstrukturen nur durch das Zusammenwirken von bottom-up und top-down-Vorgängen zustande kommen kann (Wachstumsprozesse und sensorischer Input).

    Und damit soll es auch von meiner Seite aus (erst mal) genug sein…

  268. Thomas Waschke
    23.03.2021, 23:09 Uhr
    Solange ein naturalistisches Modell ein anderes naturalistisches ablöst, selbstverständlich.

    Gut, auf einen so kurzen Satz könnte ich meine Darstellung wohl nicht bringen, aber es ist doch intellektuell ausgesprochen erfrischend:

    Zwei völlig unterschiedliche Blickrichtungen, völlig unterschiedliche Argumentationsebenen, aber das gleiche Ergebnis.

  269. @Balanus: ja, man sollte Argumentationen nicht überstrapazieren. Vielleicht noch mal das Autobeispiel:
    Mein Ansatz ist die Frage, wie funktioniert ein Auto bzw. was macht ein Auto aus. Mein Modell reduziert das Phänomen Auto auf ein grundlegendes Prinzip. Ich gehe also zurück bis zum Anfang, etwa der Erfindung des Rades und suche das Gemeinsame und komme so zu der Kategorie ‘Fortbewegungsmittel’ Im Gegensatz zum hier diskutierten Reduktionismus reduziere ich das Phänomen (etwa wie Husserl) auf ein Prinzip, der Reduktionismus reduziert es auf Einzelteile. Ich reduziere das Auto auf Fortbewegungsmittel, der klassische Reduktionismus auf Schräubchen. Dann nehme ich den umgekehrten Weg und rekonstruiere das Auto als Fortbewegungsmittel und komme damit zu anderen Kategorien, als wenn ich das Auto aus Schräubchen beschreibe. Das heißt nicht, dass ich nicht auch die Schräubchen beschreibe, aber ich reduziere das Auto nicht nur darauf, denn ein Fortbewegungsmittel definiert sich insgesamt auch durch andere Eigenschaften. Hier endet die Analogiefähigkeit des Autos. Denn es wächst nicht, es trifft keine Entscheidungen, es sind seitens des Autos keine Emotionen im Spiel etc. Dies alles würde ich aber weglassen, wenn ich das Auto nur auf seine Neuronen reduziere. Im Gegenteil, ich könnte das Auto als Fortbewegungsmittel auch ohne die Kenntnis der Schräubchen beschreiben, weil das gar nicht so wichtig ist, morgen entwickelt man vielleicht einen Motor ohne Schräubchen, aber es bleibt doch noch ein Fortbewegungsmittel mit vielleicht denselben Fahreigenschaften.
    An dieser Stelle erst führe ich die Systemtheorie ein, die nicht von Natur aus emergentistisch ist. Und dort finde ich Regeln, die mir sagen, wie der kausale Zusammenhang im menschlichen Organismus und letztlich auch im Gehirn funktioniert. Ich erzähle das hier nicht aus Rechthaberei oder um mein Modell durchzuboxen. Es ist ein Ansatz, dem man folgen kann oder nicht, den man auch (bitte konstruktiv) kritisieren kann oder der vielleicht auch Anregungen liefert. Für diesen Fall sollte man inhaltlich herangehen und die gewohnte kategoriale Schematik einfach mal vergessen. Ich weiss, das ist ungeheuer schwer. Aber sobald man anfängt, selber und außerhalb von Schubladen zu denken, eröffnen sich neue Horizonte,

  270. @Wolfgang Stegemann 24.03.2021, 07:50 Uhr

    Maschine oder Fortbewegungsmittel

    Aus meiner Sicht entspricht eine Reduktion des Autos auf das Material, aus dem das Auto gebaut ist und der des Autos auf ein Fortbewegungsmittel zwei vollkommen unterschiedliche Kategorien, denn im zweiten Fall ist es ein Mittel zum Zweck. Im ersten Fall reicht es wirklich, die Bauteile des Autos und die daraus resultierenden Systemeigenschaften zu betrachten, im zweiten Fall ist das System Auto plus Irgendwas, also einer Entität, die ein Fortbewegungsmittel benötigt. Dadurch wird letztlich Teleologie ins Spiel gebracht. Trivial, das man dann zwei unterschiedliche Erklärungen findet.

    Der Vergleich hinkt zudem, weil ein Auto konstruiert wird und, anders als Lebewesen, beispielsweise über keinen Baustoffwechsel verfügt, sich nicht autonom repliziert und nicht zu einer Evolution in der Lage ist.

    Aber es geht eigentlich um Gehirn und Geist. Da ist das Gehirn auf der einen Seite ein biologisches System, das eine Evolution hinter (und möglicherweise, aber eher unwahrscheinlich, denn hoch spezialisierte Systeme sind meist nicht mehr weiter evolvierbar) vor sich, und die Frage ist nun, ob man das Gehirn als ein ‘Bewusstseinserzeugungsmittel’ (für was oder wen eigentlich?) betrachten kann. Dann ist trivial, dass es nicht reicht, das Gehirn isoliert zu betrachten. Aber es würde dann in Ihrem Bild einem Auto entsprechen, das seinen Fahrer generiert.

    Zeigt das nicht, dass der Vergleich hinkt?

  271. @Wolfgang Stegemann
    Der Ursprung des Rades war “Töpferei” und nicht “Fortbewegungsmittel”.

    Das kam erst später 😉

  272. @Waschke, Maier: Natur und Naturalismus

    Zur Not wird halt das “Natur” in “Naturalismus” angepasst, damit das naturalistische Weltbild wieder stimmt.

    (Das ist wie bei der philosophischen Diskussion zum Physikalismus: Was ist eigentlich eine physikalische Eigenschaft? Zur Not eben das, was die Physiker sagen.)

  273. @Stephan Schleim 24.03.2021, 09:05 Uhr

    Zur Not wird halt das “Natur” in “Naturalismus” angepasst, damit das naturalistische Weltbild wieder stimmt.

    Solange dabei alles mit rechten Dingen zugeht, sollte das kein Problem sein 😉

    Nur nebenbei, Begriffe sind Werkzeuge.

  274. Begriffe sind nicht nur Werkzeuge, sondern enthalten auch Bedeutungen und diese enthalten Wiederum Ideologie. Das weiß man aber nicht, wenn man nur technisch an die Sache geht.

  275. @Schleim
    Das ist wie bei der philosophischen Diskussion zum Physikalismus: Was ist eigentlich eine physikalische Eigenschaft? Zur Not eben das, was die Physiker sagen.

    Was denn sonst? Es ist das Schicksal jeder Naturwissenschaft, dass sie im abgeschlossenen System dieses Universums operieren muss. Auch der Psychologe sieht den Menschen nur aus seiner eigenen menschlichen Perspektive: psychisch ist, was der Psychologe sagt. Daran ist nichts verwerfliches. Deshalb ist die Objektivierung von Erkenntnissen eine Bedingung jeder Wissenschaft. Spirituelle Erfahrungen gehören nicht dazu.

  276. Reutlinger
    Die Objektivierung von Erkenntnissen kann man als Begriffsbildung verstehen, die die durch Versuche dann bestätigt werden. So funktioniert Naturwissenschaft.

    Die Objektivierung von Erfahrungen geschieht auch über Begriffsbildung.
    Die Begriffe „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ die hat die große Masse der Bevölkerung 1792 verstanden. So funktioniert Politik.

    Die Objektivierung von sprirituellen Erfahrungen geschieht über gemeinsame kulturelle Handlungen, die sich dann durchsetzen. So funktioniert Religion.

  277. @hwied
    Begriffsbildung ist eine Voraussetzung für Kommunikation, das ist richtig, aber sie ist nicht genug für Objektivierung. Dazu gehört die erfolgreiche Wiederholung von Beobachtungen und Versuchen durch mehrere Instanzen und die Überzeugung der scientific community.

    Weil alle Menschen von “Freiheit, Gleichkeit, Brüderlichkeit” objektiv so überzeugt sind, gibt es Kriege, Diskriminierung, Unterdrückung, Ausbeutung …. in der Welt.

    Spirituelle Erfahrungen lassen sich nicht objektivieren, außer Erfahrungen mit Alkohol und Drogen.

  278. anton reutlinger,
    die Selbstmordattentäter , die sind doch real genug für eine Objektivierung.
    Demokratische und kulturelle Werte sind nicht die Ursache von Kriegen. Die Ursache von Kriegen ist der Mangel an kulturellen Werten wie Solidarität, Freiheit und Nächstenliebe.

  279. Wie sich Bewusstsein garantiert nicht enträtseln lässt…

    Bei Naturalisten mit ihrer “kausal abgeschlossenen Welt” scheint mir zum Thema `Rätsel Bewusstsein’ eine Überzeugung zu bestehen, die ungefähr so lautet:

    (B) Alles, was sich zum ich-Bewusstsein feststellen lässt, muss im Prinzip durch die zugrundeliegenden Neuro-Mechanismen begründbar (“erklärbar”) sein. Denn andernfalls könnte hier ja nicht alles mit rechten Dingen zugehen.

    Diese Denkweise halte ich für komplett falsch, was ich nochmals durch die bereits von Hofstadter bemühte Analogie verdeutlichen möchte (wenngleich seine Erfahrung schon gezeigt hat, dass es eher ziemlich hoffnungslos ist). In der Übertragung hört sich die Bewusstseins-These (B) für mich — wie anzunehmenderwesie auch für Hofstadter — dann nämlich so an:

    (A) Alles, was sich zur Peano-Arithmetik feststellen lässt, muss im Prinzip durch die zugrundeliegenden Peano-Axiome begründbar (“beweisbar”) sein. Denn andernfalls könnte hier ja nicht alles mit rechten Dingen zugehen.

    Die Arithmetik-These (A) ist nun definitiv unsinnig, und man hat auch verstanden, dass die Nicht-Begründbarkeit hierbei aus einer Selbstreferenz resultiert. Weitgehendes Einvernehmen – sogar einschliesslich Metzinger — scheint mir andererseits darüber zu bestehen, dass Selbstreferenz auch das wesentliche Strukturmerkmal im Zusammenhang mit ich-Bewusstsein ist, wodurch die Analogie zwischen (B) und (A) gerechtfertigt erscheint.

    Gesagt sein soll mit dieser Analogie nur, dass naive, linear-kausale Denkmuster nach dem Schema (B) völlig inadäquat sind, um sich auch nur ansatzweise mit dem `Rätsel Bewusstsein’ sinnvoll befassen zu können. Sofern man denn konzediert, dass die Befähigung zur Selbstreferenz der wesentliche Punkt ist, der hierbei unbedingt zu berücksichtigen ist.

  280. @Chrys: “Bei Naturalisten mit ihrer “kausal abgeschlossenen Welt” scheint mir zum Thema `Rätsel Bewusstsein’ eine Überzeugung zu bestehen, die ungefähr so lautet:
    (B) Alles, was sich zum ich-Bewusstsein feststellen lässt, muss im Prinzip durch die zugrundeliegenden Neuro-Mechanismen begründbar (“erklärbar”) sein. Denn andernfalls könnte hier ja nicht alles mit rechten Dingen zugehen.”

    Dass das Bewusstsein als Emergenz eine eigene Qualität hat, die nicht durch die Einzelteile (Neuronen) nicht erklärbar ist, kapieren Naturalisten nicht. Es ist diese ‘eigene’ Qualität, die man auf ein allgemeines Prinzip reduzieren muss, nicht auf Neuronen. Für die Naturalisten scheint dies trivial zu sein, m.a.W. sie verstehen es nicht.

  281. @Thomas Waschke 23.03. 23:09

    „Geht das noch mit rechten Dingen zu?!
    Solange ein naturalistisches Modell ein anderes naturalistisches ablöst, selbstverständlich.“

    Ist das nicht ihre Argumentation gewesen, dass die 4 Grundkräfte alles in der Welt erklären können, und das so umfassend, dass dazwischen kein Platz ist für Übernatur, in welcher Form auch immer?

    Offenbar gilt das wohl doch nicht ganz, wenn Sie hier eine 5. Kraft dann doch einräumen können, die noch zwischen die alten 4 passt. Hauptsache keine Übernatur, DAS ist bei Ihnen wohl wirklich grundlegend. Soll es so sein.

    Um Religion los zu werden, brauche ich diese Einschränkung jedenfalls nicht. Ich setze mich mit Religion einfach inhaltlich auseinander. In der Art wie: Ein Gott, der sich in der Welt nicht so recht zeigen mag, kann keinen Anspruch darauf haben, dass man an ihn glaubt. Also kann es eine Art Gott schon geben, aber es ist vollkommen ok, wenn der Mensch was anderes glaubt.

    Sich von Religion abzuwenden, und sich der Natur zuzuwenden, ist finde ich keine schlechte Idee. Was die Wissenschaften an Mannigfaltigkeiten zu Tage fördert, ist ja nun wirklich interessant. Und auch Ethik und Moral sind als aufgeklärter Humanismus sehr gut in Biologie, Psychologie und Soziologie zu verankern. Blindlings Traditionen wie dem Patriarchat zu folgen, ist dagegen ziemlich suboptimal.

    Wenn das dann irgendwann doch wieder geistiger wird, etwa durch persönliche spirituelle Erfahrungen, dann hat das sogar eine authentischere Grundlage.

  282. @Chrys 24.03.2021, 12:48 Uhr

    Lässt sich mehr erklären, wenn es nicht mit rechten Dingen zugeht?

    (B) Alles, was sich zum ich-Bewusstsein feststellen lässt, muss im Prinzip durch die zugrundeliegenden Neuro-Mechanismen begründbar (“erklärbar”) sein. Denn andernfalls könnte hier ja nicht alles mit rechten Dingen zugehen.

    Was halten Sie davon, Ihre Aussage etwas umformulieren:

    Es gibt keinen Hinweis darauf, dass am Ich-Bewusstsein mehr beteiligt ist als die Funktion eines materiellen Systems einer bestimmten Komplexität.

    Ob wir dieses System erklären können oder auch nicht ist hinsichtlich der Frage nach der Existenz einer Übernatur (‘es geht mit rechten Dingen zu’) irrelevant. Ein Argument für den Supranaturalisten könnte darin bestehen, zu zeigen, wann wie wo welche Übernatur zu welcher Erklärung erforderlich sein könnte.

    Das würde den Naturalisten zum Überdenken seines Standpunktes zwingen.

  283. @Tobias Jeckenburger 24.03.2021, 13:50 Uhr

    Ist das nicht ihre Argumentation gewesen, dass die 4 Grundkräfte alles in der Welt erklären können, und das so umfassend, dass dazwischen kein Platz ist für Übernatur, in welcher Form auch immer?

    Nein. Zeigen Sie mir konkret bitte konkret in einem meiner Postings, dass ich so etwas behauptet habe. Dann würde ich Ontologie mit Epistemologie verwechselt haben.

    Nichts läge mir ferner. Vergessen Sie nicht, dass in meinem Weltbild schon die Existenz einer vom erkennenden Subjekt unabhängig existierenden Welt ein Postulat ist. Zumindest so lange, wie niemand den Solipsismus widerlegen kann.

    Mein Punkt war, dass es keine Evidenz für die Existenz einer Übernatur gibt.

  284. @Chrys, Stegemann
    Es scheint, Sie kennen nur die einfältigen Naturalisten.

  285. @Wolfgang Stegemann 24.03.2021, 13:38 Uhr

    Dass das Bewusstsein als Emergenz eine eigene Qualität hat, die nicht durch die Einzelteile (Neuronen) nicht erklärbar ist, kapieren Naturalisten nicht.

    Es ist die Grundlage des Denkens des emergentistischen Materialismus. Naturalismus ist hier eher ein Corollar, aber er versteht exakt diesen Punkt sehr genau.

    Es ist diese ‘eigene’ Qualität, die man auf ein allgemeines Prinzip reduzieren muss,

    Exakt, und das ist die Emergenz.

    nicht auf Neuronen.

    Korrekt, eben auf ein System von Neuronen (und anderen Elementen), die hinreichend komplex verschaltet sind.

    Für die Naturalisten scheint dies trivial zu sein, m.a.W. sie verstehen es nicht.

    Es scheint eher so zu sein, dass die Kritiker nicht verstehen, was ‘Naturalismus’ bedeutet. Okay, das ist ein Problem, weil nicht präzise definiert ist, was ‘Naturalismus’ bedeutet. ‘Emergentistischer Materialismus’ sollte leichter verständlich sein.

  286. @Stegemann 24.03. 13:38

    „Dass das Bewusstsein als Emergenz eine eigene Qualität hat, die nicht durch die Einzelteile (Neuronen) nicht erklärbar ist, kapieren Naturalisten nicht. Es ist diese ‘eigene’ Qualität, die man auf ein allgemeines Prinzip reduzieren muss, nicht auf Neuronen.“

    Hier würde es dann ja auch richtig spannend. Welche Strukturen Bewusstsein bilden, einmal die Funktionalität, und wenn möglich noch die „Schaltstrukturen“ der beteiligten Neuronenverbände, wenn man das als Prinzip verstehen würde, dann wäre das auch für KI interessant.

    Ich denke, auch wenn Nervenzellen ganz anders arbeiten als CPUs, so wäre aber doch das Prinzip Bewusstsein möglicherweise auf Computersysteme übertragbar, wenn man es denn endlich mal kennen würde.

    Ob das jetzt alles mit rechten Dingen zugeht, das ist erst die zweite Frage. Die erste Frage wäre, wie das überhaupt als Prinzip funktioniert.

    Vielleicht wäre man mit der Erforschung von Konnektomen von kleinen Insekten schon auf dem richtigen Weg, zumindest um Ansatzpunkte zu haben, wie diese kleinen Nervensysteme schon mal wirklich funktionieren. Einen konkreten, rein psychologischen Weg, nur aus der Introspektion und der Verhaltensbeobachtung heraus, den sehe ich jetzt noch nicht.

    Hier kann man nur Endergebnisse beschreiben. Oder haben Sie eine Idee, wie man noch vorgehen könnte, um hinter die Prinzipien zu kommen?

  287. @Waschke: Begriff und Welt

    Nur nebenbei, Begriffe sind Werkzeuge.

    Nur nebenbei, geben wir dann den Anspruch auf, mit Begriffen auszudrücken, wie die Welt wirklich ist?

    Mir sei’s recht!

    P.S. Seit dem Hinweis auf die feiernden Worte liegt Wittgenstein bei mir wieder in Reichweite.

  288. Ein Schnellkurs in Reutlinger’scher Logik:

    Wenn also Psyche ist, was Psychologen sagen, und Psychologe A sagt, Psyche sei ein Ei, und Psychologe B, Psyche sei kein Ei, dann ist Psyche sowohl Ei als auch nicht Ei!

    Ei, ei, ei, welch herrlich Reutlinger-ei!

  289. @Thomas Waschke / 24.03.2021, 13:53 Uhr

    Was die Leute beim vermeintlichen Mind/Brain Problem gemeinhin so sehr beschäftigt, ist doch gerade die berüchtigte `explanatory gap‘.

    Den Mind-People geht’s also das Rätsel der `gap’, wobei dann ja diverse Vorschläge zur Explanation gemacht worden sind und lebhaft diskutiert werden. Zu beurteilen, welche davon noch als `naturalistisch’ durchgehen und was schon `übernatürlich’ ist, traue ich mir gar nicht zu. Die Naturalisten reden halt nicht gern von Natur und geben keine Definition, an die man sich dabei halten könnte. War es nicht Geert Keil, der das “naturalistische Schweigen von der Natur” schon mal konstatiert hat?

    Wie stehen Sie denn zur `explanatory gap’? Gibt’s die überhaupt? Und falls ja, kann man die stopfen mit einer Handvoll Elementarteilchen, so à la Sean Carroll?

  290. @Waschke: Pragmatik

    Nehmen wir einmal an, es gäbe keinen Hinweis auf etwas Übernatürliches. (Diese Annahme dürfte für Sie ja kein Problem sien.)

    Ich kann es aber auch nicht vollständig ausschließen. (Das räumt meines Wissens sogar Dawkins ein.)

    Wäre es dann nicht rational, sich für das Weltbild zu entscheiden, mit dem man besser durchs Leben kommt? Für einige wenige Menschen wäre das wohl der Naturalismus; für den großen Reist eine Religion.

    Problem gelöst, oder?

  291. @Schleim
    Ei, ei, ei, welch herrlich Reutlinger-ei!

    Dieses Osterei stammt doch von Ihnen selber, wenn physikalisch sei, was Physiker sagen, wie Sie oben geschrieben hatten! Dann muss dasselbe doch auch für Psychologen gelten.

  292. Man sollte sich nochmal das von mir oben verlinkte Video anschauen. Da sagt Harald Lesch sinngemäß, die Physik liest den Text der Natur, schaut, ob die Verben richtig konjugiert sind, die Substantive richtig dekliniert, und, wenn nötig, liest sie auch zwischen den Zeilen. Was sie aber nicht kann, ist den Sinn des Textes entschlüsseln. Er bringt das besser rüber als ich.

  293. @Chrys
    Die Naturalisten reden halt nicht gern von Natur und geben keine Definition, an die man sich dabei halten könnte.

    Sollte man nicht zuerst den Begriff “Bewusstsein” näher definieren, statt ständig darüber zu schwadronieren? Man muss zumindest unterscheiden zwischen den vielfältigen Funktionen und Funktionsweisen des Bewusstseins und seinen phänomenalen Inhalten. Nur so kommt man ihm und seiner Natur näher.

    Natur ist grundsätzlich alles, was in der Welt ist. Aus praktischen Gründen wird man menschliche Artefakte davon ausnehmen, weil sie in der sich selbst überlassenen Natur eher oder sehr unwahrscheinlich sind. Sind aber Schwarze Löcher und Supernovae nicht auch sehr unwahrscheinlich und gehören sie zur Natur oder nicht? Letztlich ist es also ziemlich willkürlich, was man als Natur deuten will. Die Frage ist vielmehr, ob die Wahrnehmungen der Menschen sich auf Natur beziehen oder auf subjektive Einbildungen. Träume gehören zweifellos zur Natur, aber sind auch ihre Inhalte Natur?

    Die Sprache schließlich bietet unendlich viele Möglichkeiten zur Bildung von Wörtern und Gedanken. Jedem Wort kann eine beliebige Bedeutung zugeordnet werden, unabhängig von Natur. Der Phantasie im Bewusstsein sind quasi keine Grenzen gesetzt.

  294. @ Chrys 24.03.2021, 12:48 Uhr

    Zitat: „Wie sich Bewusstsein garantiert nicht enträtseln lässt…

    Bei Naturalisten mit ihrer “kausal abgeschlossenen Welt” scheint mir zum Thema `Rätsel Bewusstsein’ eine Überzeugung zu bestehen, die ungefähr so lautet:

    (B) Alles, was sich zum ich-Bewusstsein feststellen lässt, muss im Prinzip durch die zugrundeliegenden Neuro-Mechanismen begründbar (“erklärbar”) sein. Denn andernfalls könnte hier ja nicht alles mit rechten Dingen zugehen.“

    Was Sie hier schreiben ist einerseits so wie Sie es formulieren, offensichtlich „komplett falsch“, andererseits ein Ausgangspunkt um der Realität näher zu kommen.

    Es liegt einfach am unzureichend gesicherten Wissen, andererseits an den verwendeten schlecht „deklarierten“ Begriffen und „verbalen Verknüpfungen“ im Sinn der Informatik.

    Bedeutet, es wäre z.B. etwas zweckmäßiger von „Empfindungen“ auszugehen die letztlich zum „Bewusstsein“ emergieren können.

    Ich vermute, dass Nazi Wissenschaftler ehemals Konzepte im Zusammenhang mit dem „Bewusstseinsproblem“ diskutierten.

    Ich habe es so wahrgenommen, dass Wissenschaftler nach dem Krieg als Lehrer an höheren Schulen (Chemie, Physik, Biologie, …), aber auch in technischen Fächern (Statik, Mechanik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Nachrichtentechnik, Messtechnik….) an Ingenieurschulen unterrichtet haben und gelegentlich und höchst vorsichtig Andeutungen in der Art gemacht haben, dass Empfindungen/Bewusstsein als „Begleitphänomene chemischer Prozesse“ (wenn Elektronen/Löcher sozusagen aus ihren Bahnen „fliegen“, auftreten könnte.

    Es hat offensichtlich viel mit Prozessen der neuronalen Informationsverarbeitung zu tun, aber die Hauptfunktion der Neuronen scheint die Gatterfunktion.

    Neuronen dürften in Wechselwirkung mit anderen, auch “sensorischen Zellen” stehen, die sozusagen den Input liefern. “Sensorische Zellen” in diesem Sinne, generieren elektrische Ladungsträger wenn sie „erregt“ (z.B. durch Licht, chem. oder mechanische Kraftwirkungen…) werden. Neuronen triggern ab einem elektrischen Schwellwert, was Gatterfunktionen realisiert, die offensichtlich der Informationsverarbeitung dienen, wie z.B. die UND Gatterschaltungen der Elektronik.

    Die „Ich Funktion“ wäre eine Art von „das Ich“ repräsentierenden Instanz aus der Klasse aller handelnden Instanzen im Sinne der Informatik.

    Wird in der Technik nach grundlegendem neuem Wissen gesucht, wird man von oberflächlichen Begrifflichkeiten ausgehen, der mitunter schweren Fehler sind sich die Entwickler bewusst. Abhängig von den Ergebnissen der Forschung wird man auch die Begriffe weiter entwickeln und so festlegen dass sie nicht in Konflikt mit der bestehenden „Begriffswelt“ geraten.

  295. @Stephan Schleim 24.03.2021, 15:46 Uhr

    [Thomas Waschke] Nur nebenbei, Begriffe sind Werkzeuge.

    Nur nebenbei, geben wir dann den Anspruch auf, mit Begriffen auszudrücken, wie die Welt wirklich ist?

    Hat nicht schon Popper dazu das Wesentliche gesagt (okay, er zitierte gerne Xenophanes, hier anders als bei Popper, aber in schönen Hexametern:

    Sichere Wahrheit erkannte kein Mensch und wird keiner erkennen
    Über die Götter und alle Dinge, von denen ich spreche.
    Sollte einer auch einst die vollkommene Wahrheit verkünden,
    wüßte er selbst es doch nicht: es ist alles durchwebt von Vermutung.

    Okay, man sollte “wird keiner erkennen” präzisieren. Könnte eventuell sein … )?

    Mir sei’s recht!

    Mir nicht, aber die Welt ist kein Ponyhof. Nur nebenbei, es gibt auch Grade der Erkenntnis. Es ist ein typischer Fehler, deshalb, weil man etwas nicht sicher wissen kann, nun so zu tun, als könne man gar nichts wissen.

    P.S. Seit dem Hinweis auf die feiernden Worte liegt Wittgenstein bei mir wieder in Reichweite.

    Da Wittgenstein der einzige Philosoph ist, dem Stegmüller zwei Einträge in seinen ‘Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie’ gewidmet hat, sollten Sie schon angeben, welche Arbeit(en) von Wittgenstein das sind. Sonst liest noch einer den Tractatus 😉

  296. @Stephan Schleim 24.03.2021, 15:55 Uhr

    Korrekt oder befriedigend?

    Nehmen wir einmal an, es gäbe keinen Hinweis auf etwas Übernatürliches. (Diese Annahme dürfte für Sie ja kein Problem sien.)

    Ich kann es aber auch nicht vollständig ausschließen. (Das räumt meines Wissens sogar Dawkins ein.)

    Wäre es dann nicht rational, sich für das Weltbild zu entscheiden, mit dem man besser durchs Leben kommt?

    Selbstverständlich, wenn es einem egal ist, was ‘real seiend’ ist. Sie sehen sicher auch, dass diese Frage etwas orthogonal zum eigentlichen Thema (geht es mit rechten Dingen zu?) ist.

    Nur nebenbei, Dawkins bezeichnet sich, übrigens aus dem gleichen Grund wie Russell, als Agnostiker.

    Für einige wenige Menschen wäre das wohl der Naturalismus; für den großen Reist eine Religion.

    Problem gelöst, oder?

    Welches Problem würde so gelöst?

  297. @Waschke: Problemlösung

    Die Problemlösung besteht darin, sich in einer Pattsituation für die “Lebensphilosophie” zu entscheiden, mit der man am besten durchs Leben kommt…

    …aber völlig undogmatisch, d.h. wenn es neue Evidenzen gibt, wägt man das erneut ab.

    Ihr Standpunkt kommt mir etwas vor wie der des Esels vor zwei leckeren Heuballen: Weil er sich für keinen von beiden entscheiden kann, verhungert er schließlich.

    P.S. Wir hatten doch gerade aus Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen zitiert.

  298. @Chrys 24.03.2021, 15:50 Uhr

    Was die Leute beim vermeintlichen Mind/Brain Problem gemeinhin so sehr beschäftigt, ist doch gerade die berüchtigte `explanatory gap‘.

    Exakt. Nun ist halt die Frage, ob aus einem epistemischen Problem ontologische Aussagen abgeleitet werden können.

    Den Mind-People geht’s also das Rätsel der `gap’, wobei dann ja diverse Vorschläge zur Explanation gemacht worden sind und lebhaft diskutiert werden. Zu beurteilen, welche davon noch als `naturalistisch’ durchgehen und was schon `übernatürlich’ ist, traue ich mir gar nicht zu.

    Dazu müsste man präzise definieren, was ‘naturalistisch’ ist. Ich vertrete einen emergentistischen Materialismus. Das sollte eindeutig sein. Nur nebenbei, ‘Bewusstsein’, ‘Geist’ und so weiter ist auch nicht so besonders gut definiert, worauf @reutlinger hingewiesen hat.

    Die Naturalisten reden halt nicht gern von Natur und geben keine Definition, an die man sich dabei halten könnte. War es nicht Geert Keil, der das “naturalistische Schweigen von der Natur” schon mal konstatiert hat?

    Ja, Keils Kritik ist mir bekannt. Details zu der Problematik, was unter ‘Naturalismus’ zu verstehen ist, finden Sie in der Dissertation von Sukopp (Vollmer war einer der Betreuer), als Buchform erschienen

    Sukopp, T. (2006) ‘Naturalismus. Kritik und Verteidigung erkenntnistheoretischer Positionen’ Frankfurt, mult., Ontos Verlag

    Sukopp hat, unter Verwendung vieler, oft seitenlanger, Tabellen aufgelistet, welche Autoren in welchen Disziplinen den Begriff ‘Naturalismus’ wie verwendet haben.

    Wie gesagt, emergentistischer Materialismus sollte ein wohl definierter Bezeichner sein. Dass es Emergenzen gibt, sollte unstrittig sein.

    Wie stehen Sie denn zur `explanatory gap’? Gibt’s die überhaupt?

    Selbstverständlich.

    Und falls ja, kann man die stopfen mit einer Handvoll Elementarteilchen, so à la Sean Carroll?

    Mit Sicherheit nicht, weil Bewusstsein eine Emergenz ist. Emergenzen kann man meist nicht mit Elementen einer tieferen Ebene erklären. Aber, und das ist der Clou, die Erklärungen der höheren Ebenen widersprechen nichts, was auf der der unteren Ebenen gilt. Es geht mit rechten Dingen zu.

    Wir können nicht alles erklären. Es könnte ‘brute facts’ geben. Es gibt Wissenslücken, vielleicht sogar ‘gute Lücken’ (im Sinne von Lennox, also solche, die sich mit zunehmender Erkenntnis vertiefen). Dazu kommt, dass Beschreibungssprachen das Problem, auf das Gödel hinwies, haben.

    Die Frage ist, ob daraus folgt, dass es nicht ‘mit rechten Dingen’ zugeht.

  299. @Schleim:Esel
    Die Seiensfrage bring eine unweigerlich zu der Erkenntnis,dass wir SIND,dass etwas IST.
    Die Not entscheidet letztendlich.
    Ist die Not existential?

  300. @Stephan Schleim 24.03.2021, 19:50 Uhr

    Welches Patt?

    Die Problemlösung besteht darin, sich in einer Pattsituation für die “Lebensphilosophie” zu entscheiden, mit der man am besten durchs Leben kommt…

    Das scheint mir ein anderer Thread zu sein. Wenn ich Sie richtig verstehe, besteht eben auch keine Patt-Situation, denn die Evidenzen für die verschiedenen Standpunkte und Lebensphilosophien unterscheiden sich doch gewaltig.

    …aber völlig undogmatisch, d.h. wenn es neue Evidenzen gibt, wägt man das erneut ab.

    Exakt das vertrete ich doch mit meinem Fallibilismus-Vorbehalt. Ich gehe nach dem, was ich aktuell als Evidenzen sehe. Dazu gehört nicht, was die Mehrheit von Menschen glaubt.

    Ihr Standpunkt kommt mir etwas vor wie der des Esels vor zwei leckeren Heuballen: Weil er sich für keinen von beiden entscheiden kann, verhungert er schließlich.

    Extrem merkwürdig, dass Sie den Buridanschen Esel als Beispiel für meine Position erwähnen. Das ist exakt das Gegenteil dessen, was ich vertrete. Ich plädiere doch gerade deshalb für eine Entscheidung, weil die Heuballen nicht gleich lecker sind.

    Und ich habe mich doch explizit entschieden, zu entscheiden. Aus exakt dem Grund bin ich doch vom Agnostiker zum Ignostiker konvertiert. Sie beschreiben exakt die Haltung, die üblicherweise Agnostikern vorgeworfen wird (feiges ‘fence sitting’).

    Ihre Lebensphilosophie scheint mir eher zu sein, sich nicht zu entscheiden. Wenn Sie sich erinnern, war genau das der Punkt, der mich interessiert hat: Warum vertreten Sie diesen Standpunkt? Aber, wie Sie ja auch schon sagten, das hat wohl viel mit Psychologie zu tun.

    P.S. Wir hatten doch gerade aus Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen zitiert.

    War der Smiley nicht deutlich genug?

  301. @Waschke: Naturalismus und Gott

    Aber, und das ist der Clou, die Erklärungen der höheren Ebenen widersprechen nichts, was auf der der unteren Ebenen gilt. Es geht mit rechten Dingen zu.

    Wenn es einen Schöpfergott (“Unbewegten Beweger”) gäbe, der die “Spielregeln” (Naturgesetze) nicht nur definiert hätte, sondern auch selbst einhielte, dann würde es aus dieser Perspektive “mit rechten Dingen zugehen”: Gott als Emergenz.

  302. @Waschke: Patt oder nicht…

    …das ist hier die Frage. Ich lasse Ihre Antwort mal so stehen.

    Meine persönliche Sichtweise spielt für die Argumentation hier keine Rolle. Wer meine Kommentare seit Mitte Januar verfolgt hat, dem dürfte aber aufgefallen sein, dass ich neugierig bin. (Umgekehrt lauter Standpunkte abzulehnen, ohne sich jemals damit beschäftigt zu haben, wie scheinbar die Mehrheit hier, überzeugt mich hingegen nicht.)

    Vielleicht zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort dazu einmal mehr, bei all den Reutlingern, Holzherren etc. hier bei den SciLogs.

    P.S. Danke für den Smiley. Er ließ sich in verschiedene Richtungen interpretieren.

  303. Hypnose hilft bei chirurgischen Eingriffen

    Gerade in den Wissenschaftsnews:

    Universitätsklinikum Jena

    Hypnose lindert Schmerzen, reduziert die psychische Belastung und fördert die Genesung nach chirurgischen Eingriffen – das ist das Ergebnis einer Meta-Analyse, in der Psychologen aus Jena und Leipzig die Wirksamkeit von Hypnose im Rahmen operativer Eingriffe untersuchten. Die Wissenschaftler werteten dafür 50 Einzelstudien mit über 4000 Patienten aus. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie jetzt im Fachblatt Clinical Psychology Review.

    idw-Meldung vom 24.3.

    Geht das noch mit rechten Dingen zu?

  304. @Stephan Schleim 24.03.2021, 21:22 Uhr

    Unbewegter Beweger

    [Thomas Waschke] Aber, und das ist der Clou, die Erklärungen der höheren Ebenen widersprechen nichts, was auf der der unteren Ebenen gilt. Es geht mit rechten Dingen zu.

    Wenn es einen Schöpfergott (“Unbewegten Beweger”) gäbe, der die “Spielregeln” (Naturgesetze) nicht nur definiert hätte, sondern auch selbst einhielte, dann würde es aus dieser Perspektive “mit rechten Dingen zugehen”: Gott als Emergenz.

    Nein. Gott wäre dann ein Täuscher, der uns vormogeln würde, dass es ohne ihn funktioniert.

    Das stammt übrigens nicht von mir, sondern ist O-Ton von Evolutionsgegnern.

    Ich habe zudem schon erwähnt, dass es Menschen (bekennende Christen, beispielsweise Miller, ‘Finding Darwin’s God’ oder auch Hemminger ‘Und Gott schuf Darwins Welt’) gibt, die davon ausgehen, dass sich Gott tatsächlich in dem ‘versteckt’, was wir unter ‘Zufall’ verstehen. Merkwürdigerweise bekämpfen diese Menschen sehr vehement Intelligent Design, das behauptet, dass genau das nicht der Fall sei: Gott habe Spuren in der Schöpfung (‘Design-Signale’) hinterlassen.

    Das wäre dann das, was Sie oben beschreiben. Eben nicht der deistische Gott, sondern ein eingreifender, aber eben im Rahmen der Naturgesetze. Mal ein Meteoriteneinschlag hier, mal eine Mutation dort, mal zwei passende Organismen zusammengebracht, wir sehen das als Zufall, aber ER hat das gebastelt.

    Wird sehr komplex …

    Ach, noch eine Marginalie. Der ‘Unbewegte Beweger’ des Aristoteles, ewig und unerschaffen, werkelte in einem ebenfalls ewigen unerschaffenen Universum. Erst später wurde dann das Universum als Schöpfung eines derartigen Wesens interpretiert, IIRC von den Christen.

  305. @Scheim: “Hypnose lindert Schmerzen, reduziert die psychische Belastung und fördert die Genesung nach chirurgischen Eingriffen …
    Geht das noch mit rechten Dingen zu?”

    Natürlich. Ich habe mit mehreren Probanden die Techniken einer fernöstlichen Heilmethode angewandt und z.T. spektakuläre Ergebnisse erzielt. Das war übrigens der Grund, warum ich versucht habe, ein Modell zu entwickeln, das den mentalen Einfluss auf den Körper erklärt. In der Placeboforschung findet man dieselben Phänomene.

  306. Stephan Schleim
    24.03.2021, 09:05 Uhr
    24.03.2021, 15:55 Uhr

    Diese Zwiegespräche mit >Thomas Waschke< reizen mich dazu, etwas zu provozieren:
    Es gibt die Frage, was das Wappentier der Naturwissenschaftler sei und die Antwort dazu: „Das ist die Katze.“
    Warum ausgerechnet die Katze?
    „Nun, die meiste Zeit arbeiten die Naturwissenschaftler sowieso für die Katz‘.“
    In die gleiche Richtung weist auch das etwas sarkastische Statement, nämlich, dass es die Hauptaufgabe eines Naturwissenschaftlers sei, jeden Morgen zum Frühstück eine Lieblingshypothese einzustampfen.
    Mir scheint, dass der Unterschied zu anderen Denkweisen und zu Glaubensrichtungen darin besteht, dass jene jeden Morgen eine neue Begründung für bestehende Behauptungen erfinden.
    Wie dem auch sei, ich weigere mich, mich in einen „–ismus“ einordnen zu lassen, ich habe zwar meine Einstellung, denke aber ( meistens ) nach dem Motto des „alten Fritzen“: "die Religionen Müßen alle Tolleriret werden und Mus der fiscal nuhr das auge darauf haben das keine der anderen abruch Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Faßon Selich werden " in der allgemeinen Form – aber ich will auch nicht missioniert oder zwangsbekehrt/-beglückt werden. Gleich, woraus die Fermionen aufgebaut sein mögen, sie stellen die körperlich ( physikalisch ) erfahrbare Realität dar, daraus besteht alles um mich herum, daraus bestehe ich, innerhalb dieser Randbedingungen ( und vieler anderer ) hat sich eine biologisch aktive Form entwickelt, die sich selbst als „homo sapiens sapiens“ bezeichnet, die versucht, durch Erforschung und in der Folge Umgestaltung der Umwelt jeden Tag neue Speise auf dem Teller zu haben und das Morgen weniger lebensverkürzend zu gestalten – und dann auch Zeit hat, darüber nachzudenken/nachdenken zu lassen, ob am Anfang nun das Wort oder der Urknall war. Vielleicht war aber auch der Urknall das Wort …
    Die Frage aus meiner Sicht ist nur, mit welcher Grundannahme ich morgen eher und hoffentlich gewiss mein Essen auf dem Teller habe und Zeit und Gelegenheit, es zu verspeisen.

  307. @Stephan Schleim 24.03.2021, 21:27 Uhr

    Patt oder nicht…

    …das ist hier die Frage. Ich lasse Ihre Antwort mal so stehen.

    Okay.

    Vielleicht zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort dazu einmal mehr, bei all den Reutlingern, Holzherren etc. hier bei den SciLogs.

    Wäre schön.

    Das ‘Störfeuer’ erinnert mich an Zeiten vor etlichen Jahren, als es hinsichtlich Kreationismus hier in Deutschland etwas höher her ging. Da ich einer der ganz wenigen war, der nicht nur über Evolutionsgegner publizierte, sondern auch intensiv mit diesen diskutierte (ich stehe in einigen Danksagungen einschlägiger Arbeiten, allerdings von beiden ‘Lagern’, und ich habe immer den Evoluzzer gegeben), wollte ich ein Diskussionsforum für ‘gesittete’ Diskussionen zwischen den beiden Lagern gründen, mit strengen Regeln für ‘Benimm’ und so weiter.

    Ist schon im Anfangsstadium gescheitert, leider.

    Ach, noch was. Es macht mich fast traurig, dass Sie meinen, dass es bei Hypnose nicht mit ‘rechten Dingen’ zugehen könnte. Ich fürchte, dass es mir nicht gelungen ist, meine Sicht der Dinge plausibel zu machen.

    Schade, eigentlich.

  308. @Karl Maier 24.03.2021, 22:29 Uhr

    Hinreichend provokant?

    Die Frage aus meiner Sicht ist nur, mit welcher Grundannahme ich morgen eher und hoffentlich gewiss mein Essen auf dem Teller habe und Zeit und Gelegenheit, es zu verspeisen.

    Tja, es heißt zwar “Wissen ist Macht”, aber nichts wissen macht auch nichts. Es hat sich im Lauf der Geschichte gezeigt, dass vollkommen falsche Theorien zu prächtig funktionierenden Techniken (beispielswiese die heute noch verwendete Wasserpumpe nach dem Prinzip ‘horror vacui’) oder wirksamen Medikamenten (Lithium-Ionen wurde beispielsweise ein vollkommen falscher Wirkungsmechanismus zugeschrieben) führen können.

    Aber auch hier gilt letztlich “Nur die Wahrheit macht uns frei …”. Ab einer bestimmten Förder-Höhe funktioniert die angesprochene Pumpe halt nicht mehr, und es ist immer gut, einen korrekten Wirkungsmechanismus zu kennen, nicht zuletzt wegen der Risiken (“Bei riesigen Nebenwirkungen fressen Sie diesen Zettel und schlagen Ihren Arzt oder Apotheker …”). Niemand weiß zudem, wann Grundlagenforschung in Nutzen umschlägt (oder die Menschheit auslöscht …).

    Die Frage ist nun, welcher Typ Weltbild mehr Chancen hat, zu erreichen, dass wir satt werden. Vermutlich haben Sie recht, solange man methodologisch sauber forscht, ist es Hose wie Jacke, ob man von einer Übernatur ausgeht.

    Man darf halt nur nicht zu konkret werden …

  309. @Waschke: naturalistischer Gott

    Als Philosoph reicht mir die Feststellung, dass es einen naturalistischen Gott geben könnte, einen, der nicht nur ein ferner, abwesender, deistischer Gott ist, sondern einen, der so wirkt, wie wir es in Naturgesetzen erkennen.

    Die angebliche Täuschung vermuten Sie. Frühere Naturforscher waren fest davon überzeugt, in der Natur die Offenbarung Gottes zu lesen. Und ich glaube, sogar heute gibt es noch den Einen oder Anderen.

    Also geht doch alles mit rechten Dingen zu.

    q.e.d.

    (P.S. Den U. B. bezog ich nicht speziell auf Aristoteles, sondern die Idee allgemein; sie findet sich in verschiedenen Kulturkreisen, auch schon vor A.)

  310. @Stegemann: Hypnose & Emergenz

    Unser Herr Waschke würde wahrscheinlich sagen: Ein emergentes Phänomen, das dem Naturalismus nicht zwingend widerspricht.

    Meinetwegen.

    Interessant ist es aber doch insofern, als es weniger belesene Naturalisten gibt, die Hypnose und andere alternativmedizinische Verfahren prinzipiell für Pseudowissenschaft halten. Da könne es nicht mit rechten Dingen zugehen.

    (Ich stimme Ihnen zu: Nennen wir es Kontext-, Erwartungs-, Placebo-, Bedeutungs-Effekt oder wie auch immer. Darüber ein Andermal mehr.)

  311. @Maier: Katzen und Wissenschaft

    Danke.

    Die verschiedenen Auflagen von Alan Chalmers’ “What Is This Thing Called Science?” ziert jeweils eine Katze. (In der neuesten Auflage von 2013 ist es übrigens nur noch ein zu einem Fragezeichen geformter Katzenschwanz.)

    Gerüchten zufolge könnte es eine Anspielung auf Schrödingers Katze sein.

    Doch sicher ist das nicht.

    (In jedem Fall ist es ein besonderes Kunststück, einen Bestseller über Wissenschaftstheorie zu schreiben. Seinen PhD über Elektromagnetismus erwarb er übrigens bei James Clerk Maxwell.)

  312. @Stephan Schleim 24.03.2021, 23:10 Uhr

    Was um alles in der Welt ist ein ‘naturalistischer Gott’?

    Als Philosoph reicht mir die Feststellung, dass es einen naturalistischen Gott geben könnte,

    Sind wir uns einig, dass ‘naturalistischer Gott’ eine contradictio in adjecto ist?

    Nur nebenbei, was könnte es für einen Philosophen nicht geben? Kein Philosoph kann begründen, warum die Logik auf das Sein anwendbar ist, daher könnte es selbst logisch widersprüchliche Systeme geben.

    einen, der nicht nur ein ferner, abwesender, deistischer Gott ist, sondern einen, der so wirkt, wie wir es in Naturgesetzen erkennen.

    Das ist dann aber sogar noch weniger als der Designer, den die Intelligent Design Bewegung annimmt. Der kann bewusst eben diese Gesetze brechen, eben um seine Design-Signale zu setzen. Das schrieb ich aber auch.

    Zudem ist es ein Unterschied, ob dieser Gott indirekt durch die Naturgesetze wirkt, die einfach so vor sich hinschnurren (beispielsweise der deistische Gott, der diese Gesetze erschaffen hat, eventuell sogar als ‘front loaded universe’), oder ob er in diesem System im Rahmen dieser Naturgesetze aktiv eingreift (das wäre in etwa der Designer der Intelligent Design-Bewegung oder auch der, den die Natürliche Theologie vertrat).

    Die angebliche Täuschung vermuten Sie. Frühere Naturforscher waren fest davon überzeugt, in der Natur die Offenbarung Gottes zu lesen.

    Ich habe expressis verbis, selbstverständlich zustimmend, geschrieben, dass das O-Ton Evolutionsgegner sei. Ich weiß, was ‘Natürliche Theologie’ ist (und ja, ich habe Paley gelesen, und ich weiß, dass sich Darwin in seinem Origin ganz explizit auf Paley bezieht, nur nebenbei, Darwins Studenten-Bude war Paleys ehemaliges Zimmer). Und nein, diese Menschen gingen nicht davon aus, dass Gott keine Naturgesetze bricht.

    Es gab welche, die das vorwegnahmen, was später Teilhard de Chardin zugeschrieben wird (beispielsweise Kingsley in seinem ‘The Water Babies’, der Mother Carey sagen ließ “Know, silly child,” she said, “that any one can make things, if they will take time and trouble enough: but it is not every one who, like me, can make things make themselves.”). Das käme dem, was Sie schreiben, am nächsten: Eine Evolution, die ohne weitere Eingriffe das hervorbringt, was dieser Designer intendiert.

    Und ich glaube, sogar heute gibt es noch den Einen oder Anderen.

    Das ist dann ein Argument für was? Es gibt auch heute noch Geozentristen, sogar FlatEarthers.

    Also geht doch alles mit rechten Dingen zu.

    q.e.d.

    Nein, eben nur dann, wenn dieser Gott nicht eingreift. Das ist dann exakt der deistische blutleere spinozistische deus sive natura, der sich nach dem Schöpfungswerk zur Ruhe gesetzt hat. Sie haben vollkommen Recht, ein Universum, das ‘einfach so da ist’, als ‘brute fact’, würde sich von einem Universum, das ein deistischer Gott erschaffen hat, in nichts unterscheiden. Allerdings läge der Naturalist dann so falsch wie so gut wie alle Religionen.

    (P.S. Den U. B. bezog ich nicht speziell auf Aristoteles, sondern die Idee allgemein; sie findet sich in verschiedenen Kulturkreisen, auch schon vor A.)

    Das war nicht mein Punkt. Mein Punkt war, dass der Unbewegte Beweger des Aristoteles das Universum nicht erschaffen hat.

  313. @Stephan Schleim 24.03.2021, 23:25 Uhr

    Wege

    Letztlich muss jeder seinen eigenen Weg finden, oder?

    Selbstverständlich. Es sei denn, er erhebt einen Geltungsanspruch. Dann sieht es anders aus.

    Es gab mal einen, der sagte: Die Wahrheit ist ein pfadloses Land.

    Ich versuche, den Begriff ‘Wahrheit’ aus meinem aktiven Wortschatz zu streichen, bis jemand zeigen kann, dass man im Bereich der empirischen Wissenschaften wahre Sätze als wahre Sätze aufweisen kann (Sie denken hoffentlich daran, dass ich davon ausgehe, dass noch niemand den Solipsismus widerlegen konnte). Dagegen scheint mir die Frage, ob es darin Pfade geben könnte, eher zweitrangig.

    P.S. Ich hoffe, das Missverständnis zur Hypnose ist mit meinem Kommentar an @Stegemann aus der Welt geschafft.

    Danke, ja.

    Einigen wir uns einfach darauf, dass das, was Sie unter ‘Naturalismus’ verstehen, mit meinem Weltbild (emergentistischer Materialismus, Naturalismus ist hier eher ein Corollar) nichts zu tun hat.

    Sie meinen vermutlich andere Menschen, wenn Sie davon ausgehen, nach deren Auffassung würde das, was Sie als aktuelle Forschungsergebnisse posten, ein Problem für deren Form von Naturalismus sein.

  314. Stephan Schleim
    24.03.2021, 23:22 Uhr
    Alan Chalmers’ “What Is This Thing Called Science?” … Seinen PhD über Elektromagnetismus erwarb er übrigens bei James Clerk Maxwell.)

    Ich kenne Herrn Chalmers nicht, aber da musste ich doch bei Wikipedia nachschlagen, denn James Clerk Maxwell war mir als Wissenschaftler irgendwas um 1850 in Erinnerung ( konkret 1831 – 1879, also nicht ganz verkehrt ), und wenn jemand bei James Clerk Maxwell über Elektromagnetismus promoviert hat und sein Buch 2013 mit mutmaßlich Schrödingers ( 1887 – 1961 ) Katze auf dem Umschlag in der x-ten Auflage erscheint …
    Also:
    Herr PhD Alan Chalmers ( 1939 – ) hat über den >Elektromagnetismus bei James Clark Maxwell< promoviert.

    Über "Schrödingers Katze" möchte ich mich hier nicht auslassen, da wird meiner Ansicht nach sehr viel mehr Unsinn verzapft und sehr viel hineininterpretiert, als dass Sinnhaftes erzählt wird. Wenn ich das halbwegs richtig verstehe, hat Erwin Schrödinger die "Quantenmechaniker" damit veralbern wollen.

  315. @Thomas Waschke 24.03. 13:59

    „Nein. Zeigen Sie mir konkret bitte konkret in einem meiner Postings, dass ich so etwas behauptet habe. Dann würde ich Ontologie mit Epistemologie verwechselt haben.“

    Ok, dann war das wohl jemand anders.

    @Gott, der nicht mehr eingreift

    Ein Gott, der nur die Naturgesetze geschrieben und den Urknall initiiert hat, der würde nur Fragen beantworten, aber wenigstens das. Für unser Leben und unseren Glauben wäre das darüber hinaus irrelevant.

    Jetzt vertrete ich eher die Idee, dass „Gott“ nur eingreift, wenn es besonderen Sinn macht. Zum Beispiel, dass er in der Evolution schon mal mitspielt, dass er dabei aber die vielen hundert Millionen Jahre Zeit auch ausnutzt. Und in der er sich die Dinge ganz langsam entwickeln lässt. Eingreifen macht hier eben nur Sinn, wenn es in die falsche Richtung läuft, einfach zu langsam geht, oder auch die Ökosysteme eventuell ohne geistige Unterstützung instabil werden.

    Wenn dieser „Gott“ dann nur über gezielte Quantenzufälle wirkt, und sich daran auch hält, dann würde die restliche Physik davon ja nicht berührt werden. Ein Gesetzesbruch wäre das dann eher nicht. Im Quantenrauschen versteckt würde ich das so gar nicht nennen: Er versteckt sich nicht, und täuscht auch Niemanden, er wird einfach nur dann aktiv, wenn es auch Sinn macht. Ob man das dann einen „naturalistischen Gott“ nennen könnte, wäre zu überlegen.

    Inwieweit jetzt dieser Gott die Zellchemie bei Bedarf in Richtung Gesundheit unterstützt, und in unserem Bewusstsein letztlich als lokales Faktum eine funktionale Rolle spielt, das ist nochmal ein anderes Thema. Dann würden wir Lebenden wohl sogar Teil des Ganzen sein, aber nur zu Lebzeiten, nach dem Tod und ohne Gehirn geht das dann wohl immer noch nicht. Diese Art Gott nenne ich lieber kosmischen Geist, quasi in der Mehrzahl, als Kontinuum, das in uns allen zugleich individuell präsent ist, und sich im ganzem Universum mit uns durch die Zeiten bewegt.

  316. @Karl Maier 25.03.2021, 00:13 Uhr

    Schrödingers Katze

    Über “Schrödingers Katze” möchte ich mich hier nicht auslassen, da wird meiner Ansicht nach sehr viel mehr Unsinn verzapft und sehr viel hineininterpretiert, als dass Sinnhaftes erzählt wird. Wenn ich das halbwegs richtig verstehe, hat Erwin Schrödinger die “Quantenmechaniker” damit veralbern wollen.

    Ich habe mich nicht damit befasst, was Schrödinger mit seinem Beispiel sagen wollte. Sie haben aber vollkommen Recht, es gibt viele Menschen, die dieses Beispiel in eher sinnleeren Zusammenhängen anwenden möchten.

    Wenn ich es richtig sehe, sind hier zwei Details relevant.

    Auf der einen Seite zeigt sich die epistemologische Auswirkung der ontologischen Annahme eines ‘echten Zufalls’. Unter dieser Prämisse muss man streng genommen die Logik ‘aufbohren’: neben ‘ja’ und ‘nein’ gibt es noch ‘unbestimmt’, und zwar prinzipiell.

    Auf der anderen Seite müssen diese Quantenphänomene aber verstärkt werden, weil sie sich sonst herausmitteln. Selbst wenn in der Katze viele, viele Quantenphänomene stattfinden, spielt das für das Makro-System ‘Katze’ keinerlei Rolle. Ob die Katze lebt oder tot ist (mal von der Problematik abgesehen, wie man ‘lebendig’ und ‘tot’ zweifelsfrei feststellen könnte), ist offensichtlich.

    Gerade hinsichtlich der Frage nach dem Bewusstsein wurde aber durchaus, beispielsweise von dem Autor (der Name fällt mir gerade nicht ein), der Eccles’ Arbeit weiterzuführen versuchte. Der meinte, dass sich der immaterielle Geist durch Quantenphänomene in Synapsen auswirken könnte. War aber meines Wissens nicht überzeugend und wurde in der Fachwelt nicht anerkannt.

  317. @Schleim

    SeinenPhD über Elektromagnetismus erwarb er [Alan Chalmers] übrigens bei James Clerk Maxwell.

    Mmh per Zeitreise?
    Als Alan Chalmer geboren wurde, war Maxwell schon lange tot.

  318. @einer, Maier: Über Maxwell’schen Elektromagnetismus, nicht bei. Entschuldigung, war spät.

    P.S. Chalmers hat inzwischen aber auch ein stolzes Alter erreicht; wusste nicht, dass er schon in den 80ern ist.

  319. @Waschke: naturalistischer Gott#2

    Der naturalistische Gott ist der Gott, der die Welt nicht nur erschaffen hat, sondern auch dafür sorgt, dass in ihr alles mit rechten Dingen zu geht. Ist doch klar! 😉

    “Naturgesetze” sind nach meinem Verständnis Abstraktionen und wirken daher nicht; Widerspiegelungen von Naturvorgängen, könnte man sagen.

    Ihr Denkfehler besteht darin, wenn ich es einmal so sagen darf, Natur und Gott zu trennen, doch vom Standpunkt, den wir jetzt formulieren, sind Natur und Gott eins. Darum ist es auch ein naturalistischer Gott. Wo ist da der Widerspruch? Und alles geht mit rechten Dingen zu! Das wollten wir doch die ganze Zeit.

    P.S. Sie sind sehr belesen und haben sich sehr tief in die Materie eingearbeitet. Manchmal gewinne ich aber den Eindruck, dass sie zu sehr damit beschäftigt sind, Neues unter alte Kategorien einordnen zu wollen.

  320. @Stephan Schleim 25.03.2021, 08:56 Uhr

    Das Göttliche oder die Gottheit anstelle von ‘Gott’?

    Der naturalistische Gott ist der Gott, der die Welt nicht nur erschaffen hat, sondern auch dafür sorgt, dass in ihr alles mit rechten Dingen zu geht. Ist doch klar! 😉

    Ich habe nicht umsonst mehrere Gottesbilder beschrieben, die mehr oder weniger zu dem passen, was Sie andeuten. Mit Naturalismus, so wie ich ihn verstehe, ist keines derselben kompatibel.

    Nach Bunge ist die Ontologie ‘the world’s furniture’, also eine Auflistung dessen, womit man sein Weltbild ausstattet. Für den Naturalisten gehört ein Gott welcher Definition auch immer, nicht dazu. Sonst wäre er ja Supranaturalist. Entweder, es gibt derartige Entitäten, dann ist der Naturalismus falsch. Oder nicht, dann ‘gibt’ es Gott nur als ‘Konstrukt’.

    “Naturgesetze” sind nach meinem Verständnis Abstraktionen und wirken daher nicht; Widerspiegelungen von Naturvorgängen, könnte man sagen.

    Das vertrete ich seit vielen Jahren. Die Ontologie der Naturgesetze ist alles andere als geklärt. Aber die Theologen, auf die ich mich beziehe, gehen davon aus, dass Gott diese geschaffen habe. Es würde aber auch nichts an dieser Argumentation ändern, wenn diese Entität die Naturvorgänge so in Gang gesetzt hätte und weiter laufen lassen würde, dass wir sie als gesetzmäßig beschreiben können. Auf das Problem, den Unterschied zwischen einer Welt mit oder ohne ein derartiges Wesen herauszufinden, habe ich schon hingewiesen.

    Ihr Denkfehler besteht darin, wenn ich es einmal so sagen darf, Natur und Gott zu trennen, doch vom Standpunkt, den wir jetzt formulieren, sind Natur und Gott eins. Darum ist es auch ein naturalistischer Gott. Wo ist da der Widerspruch? Und alles geht mit rechten Dingen zu! Das wollten wir doch die ganze Zeit.

    Aus der Sicht der Ontologie, die ich vertrete, eben nicht. Daher können Sie mit ‘wir’ nicht Sie und mich meinen. Wenn Sie das unter ‘mit rechten Dingen zugehend’ verstehen, haben Sie bestenfalls auf der phänomenologischen Ebene Recht, aber eben nicht auf der ontologischen. Meine Argumentation bezieht sich aber auf die ontologische Ebene.

    Wie gesagt, ich bin Ignostiker geworden, weil wegen der Fülle der vollkommen untereinander inkompatiblen Gottesbilder ‘one fits all’ eben nicht mehr genügt.

    ‘Gott’ ist übrigens einer der Begriffe, die eine derartige Bandbreite an Bedeutungen aufweisen, dass man ihn besser nicht verwenden sollte. Ich schlage vor, von ‘der Gottheit’ oder ‘dem Göttlichen’ (vielleicht im Sinne von Otto oder Mensching) zu reden, wenn Sie ein so abstraktes Wesen, dass es mit dem Naturalismus kompatibel sein soll, meinen.

    P.S. Sie sind sehr belesen und haben sich sehr tief in die Materie eingearbeitet. Manchmal gewinne ich aber den Eindruck, dass sie zu sehr damit beschäftigt sind, Neues unter alte Kategorien einordnen zu wollen.

    Mein Hauptarbeitsgebiet ist neben der Geschichte der Evolutionsbiologie die Diskussion mit Evolutionsgegnern, aktuell vor allem Intelligent Design-Vertretern, und ich lese mich in Theologie nur so weit ein, wie es diese Diskussion erfordert. Kann sein, dass ich deshalb alte Kategorien verwende.

    Mir ist aber bekannt, dass die Theologie spätestens seit Tillich eigentlich ‘atheistisch’ ist. Wenn unter ‘Gott’ nur noch das SeinSelbst verstanden wird, frage ich mich, was die abrahamitischen Religionen alles in den falschen Hals bekommen haben.

    Philosophen war das übrigens schon immer klar, sehr deutlich wird das im Sammelband zu einem Symposium, das von Philosophen organisiert wurde und an dem Tillich teilnahm und auch das Einführungs-Referat hielt:

    Hook, S. (1961) ‘Religious Experience and Truth. A Symposium’ New York, New York University Press

    vor allem im Beitrag des Herausgebers.

    Mir liegt aber auch nichts daran, alten Wein in neue Schläuche zu füllen.

  321. @Schleim: “Interessant ist es aber doch insofern, als es weniger belesene Naturalisten gibt, die Hypnose und andere alternativmedizinische Verfahren prinzipiell für Pseudowissenschaft halten. Da könne es nicht mit rechten Dingen zugehen.
    (Ich stimme Ihnen zu: Nennen wir es Kontext-, Erwartungs-, Placebo-, Bedeutungs-Effekt oder wie auch immer. Darüber ein Andermal mehr.)”

    Hypnose, Meditation, etc. hat nichts mit Metaphysik zu tun. Wir “Westler” sehen in fernöstlichen Methoden in der Hauptsache die Spiritualität, m.a.W. wir lassen uns von dieser blenden. In Wirklichkeit sind es die jahrhundertealten Techniken, die wirksam sind. Wären sie es nicht, gäbe es sie nicht mehr. Und diese Techniken wirken exakt so, wie wir es vom Placeboeffekt kennen. Das habe ich in meinem Modell versucht, darzustellen.
    Das Bewusstsein (incl. Unterbewusstsein) wirkt auf den Körper ein. Der ‘Einstieg’ ist das Unterbewusstsein. Die eingesetzten Techniken sprechen die Symbolsprache des Unterbewusstseins. Sie liefern geeignete Narrative.
    Die spirituelle Begründung ist die Philosophie, die wir ersetzen können durch ein rationales Modell. Und plötzlich gehen fernöstliche Heilmethoden mit rechten Dingen zu. Man muss die Magie der mentalen Kraft, angetrieben durch diese bildhaften Symbole, auf den Körper erleben, ansonsten ist alle Theorie grau.

  322. @Thomas Waschke / 24.03.2021, 20:02 Uhr

    »Nun ist halt die Frage, ob aus einem epistemischen Problem ontologische Aussagen abgeleitet werden können.«

    Ein Ableiten ontologischer Aussagen mag einem metaphysischen Naturalisten wie Ihnen enorm wichtig erscheinen, aber jegliche Metaphysik dabei wäre sozusagen Ihr privates Plaisir, das nicht uneingeschränkt geteilt wird. Manche halten es bei Fragen zur Metaphysik ja eher mit Stegmüller, wie Ihnen gewiss nicht entgangen ist.

    Meines Erachtens ist `Bewusstsein’ grundsätzlich ein Begriff, der diskursiv herauszuarbeiten wäre, und ich wüsste niemanden, der je eine Definition einfach vorgegeben hat, auf die man sich dann sogleich problemlos hätte einigen können. Für vorrangig bedeutsam halte ich dabei den Aspekt von `Selbstreferenz’ als strukturelles Merkmal, und darüber scheint mir ein breiterer Konsens durchaus möglich — als minimale Grundlage für und Einstiegspunkt in einen anschliessenden Diskurs.

    Doch zurück zur `explanatory gap’. Chomsky hält das Mind/Body Problem in der gängigen Form für ziemlich ill-posed, und dahin tendiere ich eigentlich auch. Ich will und kann seine Argumentation hier jetzt nicht grossartig repetieren, nur mit Hinblick auf die zuvor bemühte Analogie sei noch eine kurze Überlegung angefügt.

    Bei dem Toy Model mit der Peano Arithmetik wäre eine `gap’ allenfalls zu nennen zwischen der semantischen Bedeutung eines Gödel-Satzes (das heisst hier, seinem Booleschen Wahrheitswert) und der von ihm behaupteten syntaktischen Unbeweisbarkeit. Als eine `gap’ erscheint das jedoch nur unter der ungenannten und irrigen Annahme, dass wahre Aussagen in der PA dort auch beweisbar sein müssten. Das heisst, unter der Annahme, dass sich Semantik stets auf Syntax reduzieren lassen müsse, oder meinetwegen auch, dass erstere irgendwie aus letzterer “emergieren” würde. Mit der Einsicht, dass dies nicht der Fall ist, dass ich Semantik eben nicht durch Syntax explizieren oder begründen kann, verschwindet hier auch die `explanatory gap’.

    Beim ich-Bewusstsein ist die Semantik freilich nicht so simpel, doch es geht noch immer darum, wie etwa Descartes seinem Satz “Je pense” eine Bedeutung beigemessen hat, sodass er sich der Gültigkeit dieser Konstatierung subjektiv absolut gewiss sein konnte. Bei der semantischen Konstruktion von Bedeutung gehen wir normalweise nie so vor, dass wir nur das gelten lassen, was wir nach bestimmten syntaktischen Regeln aus vorhandenen Gewissheiten explizieren oder begründen können.

    Ein echtes Problem hätte ich nur dann, wenn Semantik und Syntax mich auf einen quälenden Konflikt führen, einen als inakzeptabel wahrgenommenen Widerspruch. Nun ist es anscheinend so, dass beispielsweise die Frau Prof. Drossel keinen Widerspruch sieht zwischen religiöser Semantik auf der privaten und naturgesetzl. Syntax auf der professionellen Seite. Doch mit welchem Argument sollte ich ihr beibringen können, dass da ein inakzeptabler Widerspruch besteht, sofern denn für mich da vermeintlich einer besteht? Da muss ich passen, so ein Argument ist mir nicht vorstellbar.

  323. @Chrys 25.03.2021, 11:18 Uhr

    Danke für Ihren ausführlichen Beitrag.

    Ich fürchte, dass eine Diskussion sehr aufwändig wird, aber durchaus interessant sein könnte. Ich weiß nur nicht, ob dieses SciLog die richtige Stelle für eine derartige Diskussion ist.

    Falls Sie meinen, wir sollten das ausdiskutieren, senden Sie mir einfach eine Mail: thomas@waschke.de

    Ansonsten können wir uns darauf einigen, dass in meinem Weltbild für die Diskussion der Frage, wie in der Terminologie von Bunge/Mahner formuliert, der Zusammenhang der Frage nach einen ‘Konstrukt’ (Bewusstsein) und einem ‘Ding’ (also der Materie, die Bewusstsein als Emergenz erzeugt) keinen Sinn macht, wenn man auf der Ebene ‘Konstrukt’ im ‘Konstrukt’ verbleibt, was aus Ihrer Sicht (die ich aufgrund dessen, was ich bisher von Ihnen gelesen habe, vermutlich nicht zuverlässig einschätzen kann) vermutlich anders aussieht. Wir würden dann inkommensurable Weltbilder vertreten, und hätten, wie Sie ja auch anführen, kein intersubjektiv überzeugendes Kriterium für eine Entscheidung.

    Beide Möglichkeiten sind sicher durchaus fruchtbare Forschungsrichtungen, aus meiner Sicht kann man von der ersten auf die zweite gelangen (letztlich Natur- zu Geisteswissenschaft), nicht aber von der zweiten auf die erste (das sieht man an der Geschichte der Philosophie, wenn man untersucht, was Philosophen zu Themen geschrieben haben, die damals noch naturwissenschaftlich nicht erforscht waren, bzw. sich fragt, warum gerade eine Evolution in der Geschichte der Philosophie nicht von einem Philosophen entdeckt wurde).

    Nur zur Sicherheit: ich schätze Philosophie auch als Philosophie sehr, aber eher hinsichtlich der (Klärung der) Fragen und nicht der Antworten.

  324. @Chrys: Ich zitiere jetzt mal keine Philosophen, sondern denke selber: Dass die ‘technischen’ Prozesse im Gehirn das erzeugen, was wir Bewusstsein nennen, dürfte unzweifelhaft sein (jedenfalls für einen Materialisten). Ich lasse hier mal die Frage nach den ‘richtigen’ Kategorien weg. Bleibt also noch die Qualia. Gehirnfunktion und Qualia bewegen sich auf zwei völlig verschiedenen Ebenen. Das zweite kann als Funktion des ersten begründet aber niemals erklärt werden. Man könnte sich ja vorstellen, dass es eines Tages möglich ist, Gehirnfunktionen ‘nach außen’ zu projizieren. Was immer dabei zu betrachten wäre, könnte niemals identisch mit dem (visuellen, emotionalen etc) Empfinden des Subjekts sein. Denn: Alles Empfundene erhält seinen Inhalt nur durch die Selbstreferenz. D.h. man bräuchte das Subjekt als ‘Dekodierer’ seiner eigenen Erlebnisse, was an sich tautologisch ist. Das ICH müsste das ICH dekodieren, und das mit objektiven Zeichen. Es gibt also keine explanatory gap, sondern eine Frage, die man gar nicht so stellen kann. Qualia kann also nicht ‘objektiviert’ werden.

  325. Es könnte auch sein, dass die Qualia nur ein Konstrukt ist und gar nicht existiert. (Dennett etc.)

  326. @einer: “Es könnte auch sein, dass die Qualia nur ein Konstrukt ist und gar nicht existiert. (Dennett etc.)”

    Ich habe manchmal auch den Verdacht, dass es menschn gibt, die nichts empfinden. 😁

  327. @Wolfgang Stegemann / 25.03.2021, 13:59 Uhr

    » Es gibt also keine explanatory gap, sondern eine Frage, die man gar nicht so stellen kann. Qualia kann also nicht ‘objektiviert’ werden.«

    Spontan und kurz: Yep.

    Nicht objektivierbar, jedoch nicht bedeutungsleer. Im Gegenteil, jegliche Kenntnis von dem, was wir überhaupt als objektivierbar behaupten könnten, haben wir schlussendlich durch subjektive Sinneseindrücke erhalten.

    Dennett hat die Sache mit seinem “Quining Qualia” meines Erachtens nicht konsequent zu Ende gedacht. Immerhin, auch Mario Bunge scheint Dennett nicht gerade für das hellste Licht auf der Torte gehalten zu haben, und da könnte ich dann Bunge sogar mal zustimmen.

  328. Thomas Waschke
    25.03.2021, 07:42 Uhr
    Schrödingers Katze

    Es ist ein Gedanken-Experiment, wobei aus meiner Sicht der Akzent auf “Gedanke” liegt, wie gesagt, wenn ich die Fundstelle richtig interpretiere, als Hinweis auf gewisse gedankliche Grundannahmen der Quantenmechanik. Allein, dass die Katze atmen muss, sie muss fressen und trinken ( das muss alles in dem Kasten vorhanden sein ), sie muss pinkeln und kacken und nach spätestens 20 Jahren ist es sowieso keine Frage mehr, ob die Katze noch lebt …
    Dazu wären wir heute sicher in der Lage, die seismischen Erschütterungen des Kastens zu messen, wenn die Katze darin auch nur mit einem Tasthaar zuckt.

    Das Problem aus meiner Sicht ist nicht die Frage nach einer “Überlagerung”, von einer Unbestimmtheit von “lebendig” und “tot” ( wir könnten, wenn wir wollten, dafür auch den Ausdruck “lebot” erfinden ), sondern die Frage, welche Auswirkungen es auf das “Drumherum” um den Kasten hat, ob die Katze lebt oder tot ist, oder, welche Auswirkungen allein das Wissen um den Zustand der Katze in dem Kasten ( “Oooch, die arme, arme Katze … nu isse hin.” ) auf das “bewusste Drumherum” um den Kasten hat, wenn wir ein Drama daraus machen. Ebenso ist doch die Frage, was die Errungenschaften klassisch-griechischer Technik und Naturkunde für uns bedeuten, wenn die Überlieferung unterbrochen war und wir erst heute aus der Literatur oder archäologischen Funden davon erfahren.
    Die aus meiner Sicht einfachste Antwort ist: “Keine Ahnung, ob die Katze im Kasten lebt oder nicht, aber so lange ich nicht nachschaue, weiß ich das nicht und es ist das auch egal.”
    Ich habe gelernt, dass man in der Mathematik ein “X” für etwas setzt, was unbekannt ist und was man, wenn man will und die Fähigkeit ( und ausreichend Hinweise ) dazu hat, ermitteln kann.
    Und so halten wir es doch auch in den Naturwissenschaften, wir bemühen uns, die “Gleichungen” um “das X” ( oder die vielen kleinen x-chen ) aufzudröseln und zu lösen. Meistens reicht es nur für eine Beschreibung, selten finden wir auch eine Erklärung, manchmal haben wir eine gefunden, die sich Jahr(zehnt/hundert)e später als unzureichend herausstellt, aber bis dato unter den gegebenen Rand-/Messbedingungen hinreichend war, nun, mit einer Mikrometer- anstelle einer Zentimeterteilung nicht mehr.
    Aus meiner Sicht hat Platon mit seinen “Schatten” deutlich darauf hingewiesen, dass wir nicht vorschnell “Schatten” zu “Realitäten” erklären, sondern weiter nachfragen/forschen müssen. So, wie ich die Religionen verstehe, hören diese sofort mit dem Nachfragen auf, wenn die Erklärung auf “Gott” ( … hats gegeben, … hats genommen, der Name … sei gelobt ) endet.

  329. @Chrys: “Nicht objektivierbar, jedoch nicht bedeutungsleer.”

    Man könnte auch sagen, unter einem bestimmten Blickwinkel ist Bewusstsein = Qualia. Der objektive Aspekt sind dann die (sprachlichen) Begriffe sowie die Symbole und Gesten, also die sozialen Übereinkünfte.

  330. Ich hatte Dennett nur als Beispiel genannt.
    Qualia muss u.U. halt gar nicht existieren, sondern ist ggf. nur eine fehlerhafte Annahme.

  331. @einer: mit Qualia sind Ihre eigenen Empfindungen gemeint, die nur Sie erleben können, kein anderer. Sie können zwar darüber reden, aber ein anderer kann sie nicht nachvollziehen, so, als wenn er einen Film anschauen würde, Ihren Film. Nun kann man darüber streiten, ob dies erwähnenswert ist, aber dass diese subjektiven, nicht objektivierbaren Empfindungen existieren, dürfte wohl unstrittig sein.

  332. @Chrys // 25.03.2021, 11:18 Uhr

    » Nun ist es anscheinend so, dass beispielsweise die Frau Prof. Drossel keinen Widerspruch sieht zwischen religiöser Semantik auf der privaten und naturgesetzl. Syntax auf der professionellen Seite. «

    Wenn man’s so (analog zum Toy Model, [was immer das ist ;- )]) betrachtet, wie steht’s denn dann mit der naturgesetzlichen Semantik, die gibt es doch auch noch. Die naturgesetzliche Semantik wäre in meinen Augen das, was unter den Begriff des naturwissenschaftlichen Narrativs fällt (Daten müssen bekanntlich interpretiert werden).

    Das naturwissenschaftliche Narrativ (die naturgesetzliche Semantik) spricht beispielsweise von der „blinden Evolution“, die religiöse Semantik vom „gottgewollten Evolutionsverlauf“.

    Wie kriegt man das widerspruchsfrei unter einen Hut?

  333. @Balanus: Ich glaube nicht, dass Religion per se einen gottgewollten Evolutionsverlauf einschließt. Man könnte ja auch einen göttlichen Anfangsimpuls annehmen. Dann gäbe es keinen Widerspruch.

  334. @Stegemann

    Ich meinte das in etwa so:

    Qualia beinhaltet die Art und Weise, wie Dinge aussehen, klingen und riechen, wie es sich anfühlt, Schmerzen zu haben. allgemeiner, wie es ist, mentale Zustände zu haben. Qualia sind erfahrungsmäßige Eigenschaften von Empfindungen, Gefühlen, Wahrnehmungen und meiner Ansicht nach auch von Gedanken und Wünschen. Aber wer könnte, so definiert, leugnen, dass es Qualia gibt? Die Existenz von Qualia ist jedoch umstritten. Hier ist umstritten: ob die so definierte Qualia absichtlich, funktional oder rein kognitiv charakterisiert werden kann. Gegner von Qualia denken, dass der Inhalt der Erfahrung absichtlicher Inhalt ist oder dass Erfahrungen funktional definierbar sind oder dass ein qualitativer Zustand einen Zustand hat, der auf eine bestimmte Weise überwacht wird oder von einem Gedanken begleitet wird, der den Effekt hat, den ich habe dieser Zustand. Wenn wir die Idee, dass Erfahrungseigenschaften nicht beabsichtigt oder funktional oder rein kognitiv sind, in die Definition von “Qualia” einbeziehen, ist es umstritten, ob es Qualia gibt.

    In Richard L. Gregory (ed.), Oxford Companion to the Mind. Oxford University Press (2004)

  335. @einer: ich verstehe schon, was Sie meinen. Aber in letzter Konsequenz bedeutet das doch, dass ich ein biologischer Automat bin, dem irgendwelche Empfindungen aufgespielt werden. Oder: ein ‘Gewächs’, aus dem zufallsgesteuert irgendwelche Empfindungen sprießen. Dann muss man aber auch erklären, wie daraus ganzheitliche, sinnvolle Erfahrungen werden sollen, mit denen man einen Alltag bewältigen kann. Ich fürchte, ohne die Annahme von Emergenz gelingt dies nicht.

  336. @Balanus 26.03.2021, 11:21 Uhr

    Evolution ™ vs. th(d)eistische Modelle

    Das naturwissenschaftliche Narrativ (die naturgesetzliche Semantik) spricht beispielsweise von der „blinden Evolution“, die religiöse Semantik vom „gottgewollten Evolutionsverlauf“.

    Wie kriegt man das widerspruchsfrei unter einen Hut?

    Ich kenne viele Menschen, die meinen, dass das funktioniert (darunter beispielsweise auch Frau Drossel, mit der ich ab und an mal darüber gesprochen habe).

    Ich kann mir nur vorstellen, dass diese Menschen entweder ein so entleertes Gottesbild haben, dass es mit allem und jedem kompatibel ist, oder dass sie sich noch nie damit befasst haben, wie Evolution funktioniert, speziell, welche Rolle der Zufall dabei spielt.

    Es ist sicher kein Zufall, dass es unter Evolutionsbiologen prozentual weniger Religiöse gibt als in jeder anderen Gruppe von Wissenschaftlern. Und es ist noch weniger ein Zufall, dass Mayr (der ‘Darwin des 20. Jahrhunderts’) sehr darunter litt, dass die Wissenschaftstheorie von theoretischen Physikern dominiert wird. Die können aufgrund ihrer Denke praktisch nicht verstehen, wie biologische Evolution funktioniert. Bei Pauli hat das Mayr fast geschafft, als er ihn aufforderte, sich ein individuales Gas vorzustellen.

    Populationsdenken passt halt nicht zu einer Denke, in der von identischen Teilchen ausgegangen wird …

  337. @Wolfgang Stegemann 26.03.2021, 12:24 Uhr

    Aber in letzter Konsequenz bedeutet das doch, dass ich ein biologischer Automat bin, dem irgendwelche Empfindungen aufgespielt werden.

    Das wäre eher Substanzdualismus

    Oder: ein ‘Gewächs’, aus dem zufallsgesteuert irgendwelche Empfindungen sprießen.

    Ersetzen Sie ‘Empfindungen’ durch ‘Emergenzen’, dann passt das schon.

    Dann muss man aber auch erklären, wie daraus ganzheitliche, sinnvolle Erfahrungen werden sollen, mit denen man einen Alltag bewältigen kann. Ich fürchte, ohne die Annahme von Emergenz gelingt dies nicht.

    Emergenzen würde ich nie bestreiten. Aber ob ein Alltag gelingt, hängt von vielen Parametern ab. Vermutlich stört das biologische Erbe dabei sogar eher.

  338. @einer
    Qualia muss u.U. halt gar nicht existieren, sondern ist ggf. nur eine fehlerhafte Annahme.

    Im Stehen drückt die Gravitation auf die Fußsohlen und drückt dabei die Zellen zusammen. Was passiert dabei zwischen und in den Zellen? Moleküle rücken dichter zusammen, elektrostatische Kräfte verändern sich. Die Zellen entwickeln einen Gegendruck. Das geschieht natürlich alles ohne das Bewusstsein, aber es verändert Prozesse im Organismus. Es entstehen Druck und Zug in den Zellen und zwischen Zellen, es entstehen Bewegungen von Molekülen, chemische Reaktionen verändern sich, Signale werden erzeugt.

    Dieselben Vorgänge kommen in der unbelebten Natur vor: Bewegungen von Körpern durch Gravitation, anziehende und abstoßende Kräfte erzeugen Druck und Zug in Körpern und Molekülen. Das sind genauso emergente Qualia wie im Bewusstsein.

    Die Grundfrage ist, sind Qualia psychisch, biologisch oder physikalisch! Zwar sind sie subjektiv, aber da wir davon ausgehen, dass alle Menschen gleich sind, können wir sie am Verhalten objektiv erkennen (abgesehen von Schauspielerei) und können darüber kommunizieren und Erfahrungen austauschen.

  339. @Waschke: mein Beitrag spiegelt nicht meine Meinung wider, sondern sollte die Konsequenz eines Denkens aufzeigen, das dem Zitat von @einer folgt.

    @ Reutlinger: Qualia ist ein Begriff, der für das Empfinden eingeführt wurde. Dabei sollte man es belassen und ihn nicht beliebig ändern, ansonsten ist keine Kommunikation möglich. Empfinden setzt ein zentrales Nervensystem voraus, damit ist “biologisch” und “physikalisch” ausgeschlossen.

  340. @Wolfgang Stegemann 26.03. 12:24

    „Dann muss man aber auch erklären, wie daraus ganzheitliche, sinnvolle Erfahrungen werden sollen, mit denen man einen Alltag bewältigen kann.“

    Dass unser Bewusstsein zu praktischen Lösungen für allerhand Probleme kommt, ist wohl grundlegend. Selbst langfristige Strategien, die auf komplexem Verständnis beruhen, sind möglich.

    Ich habe Ihre Webseite durchgelesen, und finde das hochinteressant. Meine eigentliche Frage war: welche Strukturen liegen dem Bewusstsein zugrunde, kann man das überhaupt verstehen, und wenn ja, kann man die Prinzipien dann später auf Computertechnik übertragen, und so Systeme mit künstlichem Bewusstsein bauen.

    Unser Bewusstsein ist ein selbstorganisiertes biologisches Phänomen, soweit wir das von innen erkunden können, nützt uns das schon mal Einiges. Aber eine interessante Frage wäre doch, welche neuronalen Strukturen im Gehirn nun zu Bewusstsein führen, das Gehirn ist ja nicht nur das Ich, dieses Ich ist ja nur eine spezielle Funktion des ganzen Gehirns.

    Wir haben als Erlebniswelt eine komplette Rekonstruktion unseres eigenen Körpers in seiner aktuellen Umgebung. Hier mischen sich dann die Qualia darunter, Gedanken gesellen sich dazu, eine Verbindung mit unserem gesamten Wissen besteht so halb im Hintergrund und wir sind in der Lage, Pläne zu entwerfen und diese als Simulation im Geiste solange zu prüfen, bis wir eine Lösung für ein aktuelles Problem gefunden haben.

    Alles biologische Emergenz, klar. Aber welche Strukturen bilden das alles ab? Wir haben hier offenbar eine Abbildung des problemrelevanten Teilwissens auf unser Ich, die Grundfrage bleibt, welche neuronale Struktur nimmt dieses alles auf, und bildet eben den Arbeitsraum, der dieses momentane Teilwissen intensiv miteinander „reagieren“ lässt.

    Ich fürchte, hier kommen wir nur zu Antworten, wenn wir ein ganzes Konnektom vorliegen haben, wenn dann das überhaupt reicht. Dieses Konnektom kann ja so kryptisch sein, dass man hier zwar die Daten alle hat, aber nichts davon vernünftig versteht. Als nächstes mal Konnektome von kleinen Insekten machen, wäre in jedem Fall schon mal ein Anfang.

    Wie bekannt, ist mein Weltbild etwas spiritueller, und ich kann mir vorstellen, das unsere innere Erlebniswelt auch geistige Anteile hat, und sich hier ein geistiger Innenraum öffnet, der dann als Arbeitsraum funktioniert. Die Verbindung für Rückmeldungen an das komplette Gehirn übernehmen in diesem Modell die Quantenzufälle. Hier wäre dann ein Teil der bewusstseinsbildenden Strukturen geistiger Natur, was die Sache bei genauerer Betrachtung nicht komplizierter, sondern sogar einfacher macht.

    Wieso Geist in der Außenwelt nur sehr sporadisch auftaucht, in der Innenwelt aber sogar funktional dazugehören soll, liegt dann daran, das es anders einfach nicht geht. Weil neuronale Netze alleine eben keine Innenräume öffnen können, egal was für welche.

    Wie dem auch sei, die Forschung der nächsten 50 Jahre müsste eigentlich zeigen, wie das alles im Detail funktioniert, und auch die Frage beantworten können, ob nun Immaterielles dazu gehört, und wenn ja, dann auch in welchem Ausmaß und wie genau. Und spätestens dann kann man sich auch daran machen, die Prinzipien, die dann bekannt sind, auch für Technik zu nutzen, die eigenes künstliches Bewusstsein produziert.

  341. @Jeckenburger: “Unser Bewusstsein ist ein selbstorganisiertes biologisches Phänomen, soweit wir das von innen erkunden können, nützt uns das schon mal Einiges. Aber eine interessante Frage wäre doch, welche neuronalen Strukturen im Gehirn nun zu Bewusstsein führen, das Gehirn ist ja nicht nur das Ich, dieses Ich ist ja nur eine spezielle Funktion des ganzen Gehirns.”

    Ich denke, man muss sich klarmachen, dass man nur beobachten kann, aber nicht erklären im Sinne einer letztendlichen Erklärung nach dem Muster, ‘warum gibt es das Universum’. Und die Beobachtung müssen wir in sinnvolle Modelle packen. Eins dieser Modelle ist die Emergenz, die davon ausgeht, dass eine Struktur wie das Gehirn bestimmte Phänomene ermöglicht, die wir z.B. Bewusstsein nennen. M.a.W. es macht keinen Sinn, das letzte Geheimnis des Lebens im aller kleinsten Element (des Gehirns) zu suchen. Man wird es dort nicht finden. Man muss sich damit ‘begnügen’, Gesetzmäßigkeiten finden. Warum es diese gibt, wird man nie wissen.

  342. @Stegemann
    So einfach ist es nicht. Empfindungen und Gefühle haben physische Ursachen. Auch die Evolution ist maßgeblich daran beteiligt. Angenehme Gefühle führen dazu, sie wiederholen zu wollen, unangenehme führen zur Vermeidung. Daraus folgen Handlungen, Verhalten, Wille, Motivation.

    Auch die physikalischen Emergenzen wie Bewegung sind nicht erklärbar. Ein Magnet wirkt anziehend, man kann es spüren, aber was bedeutet “anziehend”, lässt es sich erklären? Dabei ist nicht die physikalische Ursache gemeint, sondern das Gefühl der Anziehung bzw. der Abstoßung, die in Bewegung resultiert, wenn kein Widerstand oder keine Gegenkraft vorhanden ist. Es ist doch der Mensch, der die Kräfte spürt, die Wirkung auf Haut und Muskeln, der Magnet spürt nichts! Es ist eine Emergenz, ein Phänomen der Natur.

  343. @Wolfgang Stegemann / 25.03.2021, 19:01 Uhr

    »Man könnte auch sagen, unter einem bestimmten Blickwinkel ist Bewusstsein = Qualia.«

    Ja, könnte man vielleicht so sagen; zumindest wäre mir nicht vorstellbar, wie das eine ohne das andere zu haben sein könnte. Und der Zusammenhang wird möglicherweise durch `=’ nur unzureichend oder missverständlich ausgedrückt, sodass man vorsichtshalber hier eine andere Symbolisierung erwägen sollte, so etwas wie “Bewusstsein ↺ Qualia“.

    In diesem Bereich tastet man sich eigentlich ständig an der Grenze der Spreche entlang, was die Sache schwierig macht, und ich habe da auch keine Patentlösung zur Hand. Die von Hofstadter bemühte Analogie mit Gödel-Sätzen ist hier freilich zunächst als eine der Metamathematik entlehnte Metapher aufzufassen, doch ich halte das für eine ziemlich hilfreiche und inspirierende Metapher. (In diesem Kontext seien beiläufig noch Patrick Grim & Nicholas Rescher erwähnt, die durchaus vergleichbar zu Hofstadter argumentieren — im Bedarfsfall liefert google scholar dazu passende Treffer.)

  344. @Balanus / 26.03.2021, 11:21 Uhr

    Zu einer Klärung der Bedeutungsdimension von “Gott” kann auch Barbara Drossel nicht auf ihr Physik-Wissen zurückgreifen, das muss sie anders angehen. Mit einer kreationistischen Idee von einem “Gott”, der vor 6,000 Jahren die Erde aus Tohu und Vohu hervorgezaubert hat, kommt man freilich in einen Konflikt mit gewissen naturgesetzlichen Beschreibungen.* Aber so eine Kreationistin ist sie wohl nicht, und wie sie das dann alles widerspruchsfrei unter einen Hut kriegen kann, halte ich eigentlich nicht für mein Problem.

    * Hauptsächlich wegen der 6,000 Jahre. Tohu und Vohu sind die hypothetischen fundamentalen Partikel im sog. Rishon Modell von Haim Harari. 😉

  345. @Chrys: “Bewusstsein ↺ Qualia“.

    Vom Standpunkt des Subjekts ist Bewusstsein = Qualia. Vom Standpunt des Beobachters ist Bewusstsein (von außen betrachtet) = Verhalten, von innen betrachtet ist es ein Zustand, der eine Eigenschaft eines Systems beschreibt, welches von einer (bewussten und unbewussten) Instanz gesteuert wird, der man sinnvollerweise die Bezeichnung ICH geben sollte. Das ICH, als System im System, entsteht durch Überlagerung aus cerebralen und somatischen Informationen auf der Basis von Möglichkeitsräumen, die das Genom zur Verfügung stellt. Es assimiliert Erfahrungen und akkomodiert bzw. reduziert diese zu neuen Systemeigenschaften. Der bewusste Teil des ICH arbeitet mit logisch operationalen Bedeutungen, der unbewusste Teil mit symbolhaften.
    Ich denke, es kommt immer auf den Blickwinkel an, den ich (als Beobachter) einnehme.
    Ja, Hoftsaedter ist zum Teil zuzustimmen.

  346. @ Thomas Waschke 26.03.2021, 12:26 Uhr

    Zitat: „…Ich kann mir nur vorstellen, dass diese Menschen entweder ein so entleertes Gottesbild haben, dass es mit allem und jedem kompatibel ist, oder dass sie sich noch nie damit befasst haben, wie Evolution funktioniert, speziell, welche Rolle der Zufall dabei spielt….“

    Also mein Gottesbild ist nicht „entleert“, sondern eher „übervoll“.

    Es wundert mich nicht dass Evolutionsbiologen meinen, sie hätten Gott sozusagen beim „Würfeln ertappt“ und deswegen kann es keinen geben, weil sich Würfeln „nicht gehört“. Für Theologen ist offensichtlich klar, dass „Gott“ jegliches “Werkzeug“ nutzen könnte und wohl auch nutzt.

    Bezüglich der Evolution kann ich als ehemaliger Elektroniker sagen, dass es mir praktisch nicht gelingen konnte, irgendeinen Mechanismus zu finden, worauf die Evolution weit vorher nicht auch schon „gestoßen“ wäre und der irgendwo seine Anwendung findet oder gefunden hat. (Sogar die „Gatterelektronik“ ist ein „alter Hut“).

    An einem nicht gerade „elektronischen“, einen absurden und lächerlichen Beispiel, möchte ich das erläutern.
    Bei einer Diskussion meinte ein Kumpel, dass es zwar denkmöglich ist, aber nicht real sein würde, dass irgend ein Lebewesen, sie sollten jetzt sehr stark sein wenn Sie lesen was ich hier schreibe, es ging um Lebewesen die im „Handstand pinkeln“. Wir haben damals sehr gelacht, weil wir uns sicher waren, dass derartiges unmöglich, völlig absurd und eine absolut einmalige Idee wäre.

    Die Kumpels können nicht mehr lachen und ich konnte nur staunen, was im Fernsehen kürzlich zu sehen war und ich bin mir noch immer nicht sicher, ob es ein Aprilscherz von Biologen war. Ein Panda hat, angeblich um größer und stärker zu scheinen, im Handstand sein Revier markiert. Ich würde es nicht für möglich halten, aber ich beobachte die Katzen in meiner Umgebung bei ihren Revierstreitigkeiten und mir ist klar geworden, wie wichtig „optimale Strategien“ in der Tierwelt sind.

    „Optimale Strategien“ und „Intelligentes Design“, das ist die Frage.

    Es ist eine Bewertungsfrage im Sinne der Psychologie.
    Menschen bewerten und suchen sich genau die Begrifflichkeiten und Funktionen heraus, um genau ihre (unterbewusst) angestrebte „Ziel Erkenntnis ansteuern“ zu können.

    Atheisten würden eine absolut „singuläre Intelligenzform“ vorziehen, die kein 2. mal vorkommen kann, schon gar nicht in einfachen Systemen. Damit gäbe es keine allgemeine Intelligenz.

    „Theisten“ würden eine banale Optimierung, eine primitive Art von geradezu selbstverständlicher „alltäglicher Intelligenz“ als „Selektionsfilter“ zur Beurteilung der „Zufallsergebnisse“ (von „Zufallsgeneratoren“ generiert) vorziehen. Z.B. auch eine „systemische Intelligenz“, wobei einzelne, variierende, eigentlich „dumme“ Objekte, z.B. Bienen ihre Schwarmintelligenz, oder auch nur einzelne Viren, oder Pflanzen ihre Existenz optimieren und sichern.

    Banales Beispiel aus dem alltäglichen Leben: Ein Gastwirt optimiert seine Existenz (Umsatz) indem er sein Gulasch so scharf würzt, dass er optimal viel Bier verkauft. Nimmt er zu wenig oder zu viel Paprika, bleiben die Gäste aus.
    Das macht auch eine KI, die entweder den Umsatz im Warenhaus aus Datenmustern optimiert, oder bildhafte Muster von Röntgenbildern zur erfolgreichen Krebserkennung nutzt.

    Fazit: “Intelligentes Design” ist etwas (fast) banales, das Konzept “stimmt” praktisch immer, wie vermutlich alles was die Theologen behaupten….

  347. @Elektroniker 26.03.2021, 17:31 Uhr

    Ein durchaus üblicher Trick von Theologen …

    Fazit: “Intelligentes Design” ist etwas (fast) banales, das Konzept “stimmt” praktisch immer, wie vermutlich alles was die Theologen behaupten….

    dictum de omni et nullo …

    Mehr ist dazu nicht zu sagen.

    Aus der Sicht eines Biologen trägt das, was Sie hier über Evolution fabulieren, nicht mehr als das, was Sie über die Funktion von Neuronen schreiben.

  348. @Chrys // 26.03.2021, 14:32 Uhr

    » Zu einer Klärung der Bedeutungsdimension von “Gott” kann auch Barbara Drossel nicht auf ihr Physik-Wissen zurückgreifen, das muss sie anders angehen. «

    Indirekt schon, denn „[a]llein dass die Welt rational verstehbar ist, in einer mathematischen Sprache beschrieben werden kann und es Naturgesetze gibt, deutet auf einen rationalen Gesetzgeber hin“. Das meinte Barbara Drossel im sogeannten „Streitgespräch“ mit Volker Sommer (Spektrum.de, 2018).

    Das gilt logischerweise auch für das intelligente Design der Lebewesen, deren Kreation klarerweise mehr als 6000 Jahre in Anspruch genommen hat, ob nun mit oder ohne Tohu und Vohu (die mir bislang nicht untergekommen waren … :- )), das weiß auch Barbara Drossel.

    » …und wie sie [B. Drossel] das dann alles widerspruchsfrei unter einen Hut kriegen kann, halte ich eigentlich nicht für mein Problem.«

    Das ist, wenn man manchen hier glauben darf, sowieso kein Problem, kann schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus kein Problem sein, eben weil religiöse und naturwissenschaftliche Narrative schon aus Prinzip nicht überlappen.

    Womöglich ist es so, wie Thomas Watschke es angedeutet hat: Die mittels naturwissenschaftlichen Methoden gewonnenen Daten („Syntax“) sind nur ungenügend bekannt oder werden so interpretiert („Semantik“), dass sie zu den subjektiven religiösen Vorstellungen passen.

    Im Ergebnis gibt es dann subvjektiv keinen Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion. Und genau da wollen wir ja alle hin.

    Nur, wenn das alles so problemlos ist, insbesondere für manchen Agnostiker, warum lehrt man denn dann nicht die beiden als gleichwertig empfundenen „Semantiken“ auch in der Schule?

  349. Thomas Waschke
    26.03.2021, 21:02 Uhr

    Sorry!

    Da wir schon dabei sind: Dass die Wahl meines Pseudos (auch) auf Charles Darwin verweist, war reiner, glücklicher Zufall – wie so vieles in der Evolution 😉

  350. @ Thomas Waschke 26.03.2021, 19:44 Uhr

    Zitat: „… Aus der Sicht eines Biologen trägt das, was Sie hier über Evolution fabulieren, nicht mehr als das, was Sie über die Funktion von Neuronen schreiben.“

    Mich würde es durchaus, ganz im Ernst freuen, könnten Sie meine Aussagen über die Funktionen von Neuronen, deren Zusammenwirken auch in einer Zeitstruktur, die ich wegen der fachlichen Grenzen, in möglichst einfacher Sprache beschreibe, ernsthaft und grundsätzlich widerlegen könnten.

    Z.B. dass Neuronen hauptsächlich dann „triggern“, wenn auf möglichst vielen Eingängen möglichst gleichzeitig, möglichst viele elektrische Ladungsträger (Ionen sind natürlich auch Ladungsträger)„einlangen“. (Auf „hauptsächlich“ kommt es an! „Qualifiziertes UND“).

    Oder dass McCullochs Gatterkonzept, oder E. Kandels grundsätzliche Aussagen zur „Wissensabbildung“, auf die ich mich stets beziehe, nicht stimmen.

    Wenn Sie den beiden Herren nicht widersprechen wollen, können Sie gerne konkret meinen Schlussfolgerungen widersprechen.

    Z.B. meine Aussagen zu „baumartigen Strukturen“ die (im Sinne der Informatik) den schnellen „Objektzugriff“ ermöglichen, oder dass die „Vermaschungen“ die Realisierung der Assoziationen begründen.

    Die Einbindung des Konzeptes vom Perzeptron, um biologische und technische neuronale Netze vergleichen zu können, habe ich eher anschaulich, versucht zu erklären.

    Auch dass bestimmte „Hirnwellen“ auf die „Zeitstruktur“ der Prozesse Einfluss nehmen.

    Oder dass an „flächigen Strukturen“ (z.B. Netzhaut) Emergenzen (Bildpixel emergieren zu Bildern) „abgebildet“ werden können, bzw. dass örtliche und zeitliche „Entitäten“ in einem bestimmten Zusammenhang gebracht werden können.

    Dass „Mustervergleiche“, ähnlich wie in der Informatik, letztlich die Basis von Intelligenz sind.

    Auf gewisse strukturelle Ähnlichkeiten mit holografischen Speichersystemen im Zusammenhang mit der Wissensabbildung, was die Örtlichkeit von Synapsen betrifft, bin ich eher spekulativ eingegangen.

    Alles sind völlig alltägliche Konzepte in elektronischen Systemen oder auf abstrakter Ebene in der Informatik.

    Allerdings, Sie sollten mir mehr als nur „Ungenauigkeiten“, sozusagen „fehlende i-Punkte“, die die Konzepte nicht grundsätzlich widerlegen, vorwerfen. Oder auch nicht, dass ich naheliegender Weise, nicht mit Messungen aufwarten kann.

    Vorwürfe wie „Ungenauigkeiten“, würde ich übrigens als großen Erfolg „feiern“.

    Es geht mir ausschließlich darum, bewährte Konzepte, sozusagen „Denkmuster“ der Elektronik/Informatik, den Neurologen zu vermitteln um zu einem grundlegenden Verständnis beizutragen.

  351. Thomas Waschke 26.03.2021, 19:44 Uhr

    Zitat: „Ein durchaus üblicher Trick von Theologen …“

    Nicht nur von Theologen, auch die Mathematiker, die als Wissenschaftler der „Wahrheit“ vermutlich stets am nächsten kommen, verwenden höchst erfolgreich „Tricks“.

  352. @Elektroniker 26.03.2021, 23:48 Uhr

    Mathematik und ‘Wahrheit’

    auch die Mathematiker, die als Wissenschaftler der „Wahrheit“ vermutlich stets am nächsten kommen,

    Mathematik befasst sich mit ‘Konstrukten’, der Kraftschluss zum Sein des Seienden liegt nicht in der Macht der Mathematik. Denn dann müsste Plato Recht gehabt haben, und das konnte noch niemand zeigen. Mathematik ist diesbezüglich immer GIGO.

    Trivial, dass die Mathematik Wahrheit am nächsten kommt, wenn man die Axiome und die Schlussregeln frei definieren kann und sich nur innerhalb dieser formalen Systeme bewegt. Die Kunst ist die Interpretation der Kalküle, wozu Empirie unerlässlich ist.

    Selbstverständlich können mathematische Modelle für empirische Systeme enorm nützliche und die Forschung anregende Hypothesen liefern, aber diese sind eben nicht wahrheitserweiternd. Nicht das mathematische Modell entscheidet, wie das Sein des Seienden auszusehen hat, sondern die Natur entscheidet, ob das Modell zutrifft.

    Mathematik ist im Bereich des Seienden nicht erfolgreicher als die Philosophie mit ihren Sätzen über Sätze. Ich hatte schon das Beispiel Evolution genannt. Mit Ausnahme von ein paar Spekulationen bei den alten Griechen, die mit dem, was unter ‘Evolution’ zu verstehen ist, nicht viel zu tun hatten, findet man nichts Verwertbares in der Geschichte der Philosophie zu diesem Thema. Trivial, dass Philosophen nur im luftleeren Raum über das spekulieren konnten, was mit dem zu tun hatte, was nur empirisch erforscht werden kann. Sie können dann zufällig Recht haben, aber sie hätten das nie begründen können.

    Eine gute Heuristik besteht darin, Philosophen in diesen Bereichen nur zu dem ernst zu nehmen, was zu deren Zeit schon erforscht war.

  353. @Elektroniker

    Es geht mir ausschließlich darum, bewährte Konzepte, sozusagen „Denkmuster“ der Elektronik/Informatik, den Neurologen zu vermitteln um zu einem grundlegenden Verständnis beizutragen.

    Dazu fehlen Ihnen enige elementare Kenntnisse. Die allermeisten neuronalen Synapsen funktionieren nicht elektrisch, sondern chemisch, außer den sogenannten “gap junctions”. Deshalb sind UND-Gatter grundsätzlich falsch. Richtig ist, dass die Spannungen an den Synpsen integriert werden, so dass bei Überschreiten eines Schwellwertes das postsynaptische Neuron schaltet. Außerdem gibt es exhibitorische und inhibitorische Synapsen. Die Weiterleitung der Signale ist eine Sache, die intrazelluläre Verarbeitung ist eine andere und die eigentlich bedeutende!

    Kandel hat einige Grundfunktionen neuronaler Signale erforscht, darunter einfache Gedächtnisfunktionen. Im Gehirn werden nicht Informationen verarbeitet, sondern Signale. Informationen bzw. Gedanken sind so emergent wie die Qualia. Es gibt sie nicht wirklich. Sie entstehen erst aus der Gleichzeitigkeit und Gesamtheit neuronaler Vorgänge.

    Es gibt seit einigen Jahren die Fachgebiete Biokybernetik und Bioinformatik. Die Biophysik gibt es seit fast 200 Jahren, seit den Experimenten mit Elektrizität von Galvani und Volta. Dort arbeiten selbstverständlich auch professionelle Elektroniker. Oberflächliche und schiefe Analogien tragen dagegen nichts zu neuen Erkenntnissen bei. Ich empfehle das Buch von Cruse, Dean, Ritter “Die Entdeckung der Intelligenz oder Können Ameisen denken?” (1998).

  354. @Elektroniker: “Mich würde es durchaus, ganz im Ernst freuen, könnten Sie meine Aussagen über die Funktionen von Neuronen, deren Zusammenwirken auch in einer Zeitstruktur, die ich wegen der fachlichen Grenzen, in möglichst einfacher Sprache beschreibe, ernsthaft und grundsätzlich widerlegen könnten.”

    Elektronische Funktionen lassen sich nicht auf das Gehirn übertragen. Die KI arbeitet mit neuronalen Netzen und bildet damit sehr begrenzte Funktionen ab, die man Hirnfunktionen möglicherweise zuordnen kann. Ein elektronisches System wächst nicht, im Gegensatz zu Neuronen, es hat keine hormonelle Steuerung, das Gehirn hat eine selektive Informationsverarbeitung, nur bestimmte Reize schaffen es überhaupt ins Bewusstsein bzw. Unterbewusstsein, in der Technik gibt es keine Gene, die sich verändern, keine Emotionen und und und. Es macht keinerlei Sinn, elektronische Schaltungen auf das Gehirn anzuwenden. Es ist so, als wollten Sie die Technik eines 20000 PS Schiffsmotor auf die Technik einer Schweizer Uhr anwenden (Vorsicht: Vergleicht hinkt).

  355. @Jeckenburger: “Meine eigentliche Frage war: welche Strukturen liegen dem Bewusstsein zugrunde, kann man das überhaupt verstehen, und wenn ja, kann man die Prinzipien dann später auf Computertechnik übertragen, und so Systeme mit künstlichem Bewusstsein bauen.”

    Ich denke, dass das auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird. Das Gehirn arbeitet nach meiner Auffassung multimodal. Ich sehe auch keinen Sinn in der Nachbildung menschlicher Intelligenz. Man hat dann auch alle negativen Aspekte wie Hass, Neid, Gier, etc. pp. Außerdem arbeitet menschliche Intelligenz nicht mit Algorithmen (wer sollte sie auch geschrieben haben). Vielleicht kennt man die Prinzipien von Selbstorganisation ja eines Tages so gut, dass man sie operationalisieren kann. KI ist aber viel nützlicher für uns und ungefährlicher.

  356. @Reutlinger: Die von Ihnen genannten Autoren machen denselben Denkfehler wie viele. Sie denken linear. Sie sagen, menschliche Intelligenz ist das Ergebnis immer komplexerer Neuronenverbände (was ja stimmt), also können wir diese einfach auf Maschinen übertragen (falsch). Menschliche Intelligenz besteht eben nicht nur aus elektrischen Schaltkreisen, sondern beinhaltet alles “drumherum”. Deshalb kann man die von ihnen aufgeworfene ethische Frage, ob ich einen Mord begehe, wenn ich einen intelligenten Roboter ausschalte, mit NEIN beantworten. Es ist so, als wenn ich zuhause das Licht ausschalte.
    P.S. die Autoren sagen übrigens, Intelligenz, sei eine “emergente Eigenschaft”, die sich nicht aus den Bestand- oder Bauteilen direkt ableiten läßt. Sie entsteht “neu”, wenn sich die dazu passenden Strukturen und Vernetzungen entwickelt haben. (Oha!)

  357. @Stegemann
    Intelligenz ist ein Bündel von Vermögen und Funktionen, nicht anders als Bewusstsein, von dem es ein Teil ist. Es kommt also darauf an, welche Einzelvermögen und Einzelfunktionen man unter die Lupe nimmt. Da sind:

    1. das Vermögen logisch zu schlussfolgern. Das wird in der Digitaltechnik miti logischen Schaltungen realisiert.
    2. das objektive Urteilsvermögen, als richtig oder falsch, wahr oder unwahr. Dafür gibt es Expertensysteme, wie z..B. medizinische Diagnosesysteme, oder allgemein die KI.
    3. das subjektive Bewertungsvermögen, als gut oder schlecht, schön oder hässlich. Dafür gibt es keine Technisierung. Dieses Vermögen ist ein Produkt der Evolution und von Kultur und Gesellschaft.
    4. das Planungsvermögen, d.h. persönliche Ziele zu bestimmen und Wege zum Ziel zu finden. Es ist ein subjektives Vermögen, aber Computer können unterstützen, mit Wissens- und Expertensystemen, oder z.B. Wiki.

    Intelligenz baut auf anderen Vermögen auf, wie einem leistungsfähigen Gedächtnis, dem Sprachvermögen und gut funktionierender Wahrnehmung und ebensolcher Motorik. Zur Intelligenz gehört obendrein, die eigenen Grenzen zu erkennen, sich z.B. keine unerreichbaren Ziele zu setzen!

    Einfach zu behaupten, ein Vermögen sei emergent, führt nicht weiter. Selbstverständlich ist die Intelligenz im Nervensystem realisiert. Wirklich Neues entsteht dabei nicht. Die Emergenz besteht allein darin, dass Neues sichtbar oder offenbar wird, was zuvor nicht beobachtet wird!

    Die Gravitation wird erst offenbar, wenn sie auf einen anderen Körper wirkt. Ein einzelner Körper entfaltet keine Gravitation! Natürlich besteht jeder komplexe Körper schon aus vielen Teilchen, die untereinander Gravitation entfalten. Aber Kräfte können sich gegenseitig neutralisieren, so wie Wellenberge und -täler, oder Gravitations- und Trägheitskraft. Dann ist nichts wahrnehmbar, obwohl etwas vorhanden ist!

  358. @Balanus / 26.03.2021, 20:48 Uhr

    »Indirekt schon, denn „[a]llein dass die Welt rational verstehbar ist, in einer mathematischen Sprache beschrieben werden kann und es Naturgesetze gibt, deutet auf einen rationalen Gesetzgeber hin”. Das meinte Barbara Drossel im sogeannten „Streitgespräch” mit Volker Sommer (Spektrum.de, 2018).«

    Das hat sie für meinen Geschmack etwas unglücklich formuliert. Denn die “rationalen Gesetzgeber” sind uns schliesslich namentlich bekannt, die üblichen Verdächtigen heissen Newton, Faraday, Ampère, Coulomb, etc. pp. Was Barbara Drossel vermutlich meint, wenn sie sagt “Die Physik wirft Fragen auf, die über sie selbst hinausweisen,” ist die Frage nach nach den apriorischen Bedingungen, die es grundsätzlich ermöglichen, auf diese rationale Weise, also u.a. durch adäquate Formulierung gewisser abstrakter Zusammenhänge, zu einem mehr oder weniger verlässlichen empirischen Wissen über zumindest doch etliche Phänomene zu kommen.

    Diese Frage lässt sich nicht a posteriori beantworten, da hier nach etwas Apriorischem gefragt wird. Das ist so ein Punkt, wo alle theoretische Weisheit zu Ende ist und die persönliche Entscheidung einsetzen muss. Frau Drossel hat sich für “Da waltet Gott” als Antwort entschieden. “Halt, nein,” rufen die ontologischen Materialisten, “da waltet natürlich die Materie!” Herr Kant wendet ein “Darüber etwas zu wissen ist nicht möglich,” worauf Herr Carnap hinzufügt “Schon die Frage ist total sinnlos,” was wiederum Herr Stegmüller präzisiert “Die Frage sinnvoll zu stellen ist nicht möglich.”

    »Das ist, wenn man manchen hier glauben darf, sowieso kein Problem, kann schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus kein Problem sein, eben weil religiöse und naturwissenschaftliche Narrative schon aus Prinzip nicht überlappen.«

    Aber doch nur, wenn keine Seite übergriffig wird. Das Alter der Erde aufgrund biblischer Hermeneutik auf 6,000 Jahre zu beziffern wäre so ein Übergriff. Und so etwas muss man zurückweisen, das gehört definitiv nicht in die Schule.

  359. @ anton reutlinger 27.03.2021, 09:37 Uhr

    Zitat: „Deshalb sind UND-Gatter grundsätzlich falsch. Richtig ist, dass die Spannungen an den Synpsen integriert werden, so dass bei Überschreiten eines Schwellwertes das postsynaptische Neuron schaltet. Außerdem gibt es exhibitorische und inhibitorische Synapsen.“

    Dass die Neurologen um die biochemischen Vorgänge besser Bescheid wissen als ich, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Deswegen nehme ich sie als gegeben an und äußere mich nicht dazu.

    Andererseits klagen die Neurologen, dass sie sich nicht vorstellen können wie es zur „Informationsverarbeitung“ kommt. Sie vermuten seit rund 100 Jahren, dass es sozusagen an der „Elektronik“ liegt.

    Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die Eingangsspannungen beim Neuron integriert werden und beim Überschreiten eines Schwellwertes das Neuron triggert.

    Es ist auch keine exakte UND Funktion. Vom strengen logischen Standpunkt, wäre es auch eindeutig falsch wie Sie sagen.

    Allerdings „funktioniert“ das Gehirn sozusagen stochastisch. Wenn möglichst „qualifiziert“ viele „UND Bedingungen“ erfüllt sind, wird im Neuron „durchgeschaltet“. Dies hängt von den Lernvorgängen ab. Es ist auch eine Erklärung dafür, dass Menschen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen können, weil die Erfahrungen (Lernprozesse) unterschiedlich sind.

    Die Brücke zum Verständnis von neuronalen Netzen, sozusagen die Mathematisierung der Informationsverarbeitung, ist das Konzept des „Perzeptron“ (Wikipedia). Es erscheint praktisch alles geklärt. Letztlich dürfte das Langzeitgedächtnis, woran es noch Zweifel gibt, durch so etwas wie „Refreshimpulse“ (Zeitstruktur), wie bei bestimmten technischen (dynamischen) Speicherkonzepten, sozusagen immer wieder „aufgefrischt“ werden. Es scheint sogar denkmöglich, dass bei „Alzheimer“ der „Refresh“ nicht mehr korrekt funktioniert.

    Ich habe nur versucht, nützliche Konzepte aus der Elektronik/Informatik in die Neurologie zu übertragen.
    Das wären in bunter Reihenfolge:

    Aussagen zu „baumartigen Strukturen“ die (im Sinne der Informatik) den schnellen „Objektzugriff“ ermöglichen, oder dass die „Vermaschungen“ die Realisierung der Assoziationen begründen.

    Dass bestimmte „Hirnwellen“ auf die „Zeitstruktur“ der Prozesse Einfluss nehmen. Verknüpfungen in bestimmten „Zeitschlitzen“ erfolgen.

    Dass an „flächigen Strukturen“ (z.B. Netzhaut) Emergenzen (Bildpixel emergieren zu Bildern)„abgebildet“ werden können, bzw. dass örtliche und zeitliche „Entitäten“ in einem bestimmten Zusammenhang gebracht werden können.

    Dass es aufspaltende und zusammenführende Strukturen geben dürfte, um Muster im Detail zu erkennen und zu neuen übergeordneten Mustern zusammenzuführen.
    Dass Musterverarbeitung“, die Basis der Informationsverarbeitung im Gehirn und von Intelligenz sind (Perzeptron).

    Strukturelle Ähnlichkeiten mit holografischen Speichersystemen im Zusammenhang mit der Wissensabbildung, was die Örtlichkeit von Synapsen betrifft, bestehen dürften.

    Überlegungen im Zusammenhang mit der Auswertung und Verknüpfung von Mustern, zu systematischen Ladungsverschiebungen, ähnlich wie im Computer (Zeitstrukturen).

    Überlegungen zur Abbildung bzw. Realisierung von „Empfindungen“, wie Empfindungen zum „Bewusstsein“ emergieren könnten. Wie „unterbewusste Prozesse“ sozusagen die „Bewusstseinsanzeigen“, die vermutlich an „Zwischen- bzw. Endschichten“ realisiert werden, sozusagen „übergangen“ werden.

    Meine Aussagen sind hauptsächlich (außer wenn es um Empfindungen geht) so gedacht und formuliert, dass interessierte Neurologen praktisch bei fast jedem Elektroniker nachfragen könnten, bzw. im Internet bestens Auskunft über Details erhalten können.

  360. @Wolfgang Stegemann 27.03. 10:46

    „Ich sehe auch keinen Sinn in der Nachbildung menschlicher Intelligenz.“

    Ich dachte, die neuronalen Netze, die aktuell in der KI genutzt werden, sind schon der Hirnforschung abgeschaut. Auch wenn sie auf eine andere Art und auf einer ganz anderen Plattform laufen.

    „Man hat dann auch alle negativen Aspekte wie Hass, Neid, Gier, etc. pp.“

    Wenn diese Aspekte im Menschen Sinn machen, wieso nicht auch bei Maschinen? Zumal, wenn wir entsprechende KI machen, die den Prinzipien unseres Gehirn abgeguckt sind, können wir dies ja auch so modifizieren, wie wir das haben wollen. Also die Systeme z.B. mit weniger „negativen“ Emotionen bauen.

    „Außerdem arbeitet menschliche Intelligenz nicht mit Algorithmen (wer sollte sie auch geschrieben haben).“

    Bei der Übertragung von Prinzipien, die unser Bewusstsein bilden, müssen wir dies ja wohl z.B. dann von der Biologie der einzelnen Nervenzelle abgucken und das Funktionsprinzip dann auf einen Algorithmus im Computersystem umschreiben. Genau so wie wir das mit den derzeitigen neuronalen Netzen auch schon machen. Dabei können jetzt sogar noch Aspekte auftauchen, die Möglichkeiten bieten, dass die künstlichen Systeme mehr können als ihr Vorbild.

    „Vielleicht kennt man die Prinzipien von Selbstorganisation ja eines Tages so gut, dass man sie operationalisieren kann.“

    Eben, von der Möglichkeit gehe ich aus. Dann kann man sich daran machen, was entsprechendes zu bauen.

    „KI ist aber viel nützlicher für uns und ungefährlicher.“

    Sie unterscheiden hier KI von KI mit Bewusstsein. Für mich ist KI alles, was Computer intelligent machen, ob mit oder ohne eigenes Bewusstsein. Man muss der KI ja nicht gleich das Kommando über die Atomraketen geben. Aber ist der Mensch denn wirklich so gefährlich? Wird der Mensch denn nicht erst in der Masse richtig gefährlich?

    Ich sehe hier ja auch im Vorbild noch Geisteswelten beteiligt, und würde bei der Übertragung der Bewusstseinsprinzipien davon ausgehen, dass auch die Bewusstseins-KI einen Zugang der Geisteswelten benötigt, also über Zufallszahlen, die aus echtem Quantenrauschen generiert werden. Alleine schon interessant wäre es hier, über KI-Experimente der Erkenntnis von uns selbst näher zu kommen, insbesondere was die Geistesbeteiligung an unserem eigenem Bewusstsein angeht.

    Was an Bewusstseins-KI natürlich noch viel interessanter sein könnte, das ist, dass sie skalierbar ist, also sehr viel kleiner oder auch sehr viel größer sein kann wir ihr Vorbild. Zusätzlich bietet KI Kopiermöglichkeiten, d.h. was eine KI über Jahre mühsam gelernt hat, lässt sich in Minuten auf beliebig viele baugleiche Systeme übertragen. Die können das dann sofort auch. Wenn das nicht interessant ist, wer sollte da widerstehen, sowas zu bauen, wenn das in den Bereich des Möglichen gerät?

  361. @Elektroniker
    Dazu würde ich Ihnen empfehlen, eine Bewerbung beim Max Planck Institute for Brain Research einzureichen.
    Arbeitsplatzangebot Elektronik

    Die Stelle dürfte allerdings schon besetzt sein, das Angebot ist von 2013!

  362. @ Wolfgang Stegemann 27.03.2021, 09:46 Uhr

    Zitat: „Elektronische Funktionen lassen sich nicht auf das Gehirn übertragen.“

    Es geht mit darum zu betonen, dass z.B. Baumstrukturen beste noch dazu geordnete Zugriffseigenschaften haben, im Vergleich zu linearen Strukturen. Ein Laie könnte sich fragen, warum, die Information nicht linear wie z.B. bei der DNA angeordnet ist.

    Zitat: „Ein elektronisches System wächst nicht, im Gegensatz zu Neuronen, es hat keine hormonelle Steuerung, das Gehirn hat eine selektive Informationsverarbeitung, nur bestimmte Reize schaffen es überhaupt ins Bewusstsein bzw. Unterbewusstsein, in der Technik gibt es keine Gene, die sich verändern, keine Emotionen und und und.“

    Ein elektronisches System wächst insoferne als eben mehr Speicherplatz bei Bedarf dynamisch alloziert wird. Auf Hormone, Gene, Emotionen verzichten Techniker bei ihren Systemen gerne… Filter gibt es auch in der Elektronik.

    Zitat: „Es macht keinerlei Sinn, elektronische Schaltungen auf das Gehirn anzuwenden.“

    Es geht nicht um Schaltungsdetails, es geht um Konzepte, z.B. baumartig – linear, Zeitstrukturen, Verknüpfungen, Ladungsverschiebungen, Emergenzen, Refreshing ….

    Übrigens ist mir aufgefallen, dass die Konzepte die Elektroniker/Physiker entdeckt haben, schon längst von der Evolution „gefunden“ und genutzt wurden. Nur die Techniker beschreiben die Vorgänge, die Natur hat uns allerdings keine ausformulierten Algorithmen und auch keine „Betriebshandbücher“ hinterlassen. Wir müssen versuchen das herauszufinden.

  363. @Jeckenburger: Ich denke, es wird eines Tages kaum zu unterscheiden sein, ob es sich um KI oder NI handelt, aber es wird noch sehr sehr lange einen grundlegenden Unterschied geben, den ich versucht habe zu beschreiben, wenn überhaupt er jemals ausgeglichen werden kann.
    Was mich interessieren würde (nur aus Neugier): Wie genau stellen Sie sich Bewusstsein vor, das von außen ins Gehirn eindringt. Sie sprechen von Quantenzufällen. Ist es so gedacht, dass die ansonsten konsistente Welt Brüche aufweist, durch die (kosmisches oder fremdes?) Bewusstsein hindurchschlüpft? Denken Sie dann zum Teil nicht mehr selber und wie verbindet sich dieses fremde Bewusstsein mit Ihrem eigenen? Und wie sollte das physikalisch möglich sein, denn Ihre Gedanken haben eine materielle Basis, sind also quasi materiell, die anderen nicht?

  364. @Wolfgang Stegemann 27.03. 15:56

    „…,aber es wird noch sehr sehr lange einen grundlegenden Unterschied geben, den ich versucht habe zu beschreiben, wenn überhaupt er jemals ausgeglichen werden kann.“

    Ich schätze mal 50 bis 100 Jahre, oder es geht sogar gar nicht. Dann bleibt der Mensch alleine mit seinem Bewusstsein, das halte ich auch für möglich, aber das ist eine offene Frage.

    „Wie genau stellen Sie sich Bewusstsein vor, das von außen ins Gehirn eindringt.“

    Ich habe einfach ein Bewusstsein, das öfter von Inspirationen begleitet ist. Mal zur richtigen Zeit die richtige Idee zu haben führt mal weiter. Stellen Sie sich Ihr Bewusstsein vor, und denken sie sich dazu, dass manch eine ihrer Ideen auf einen Einfluss kosmischen Geistes zurückzuführen ist.

    In Ihrem Gehirn umsetzbar wäre dieses, indem Quantenzufälle z.B. an den Synapsen ihres Gehirns mal auf die Zukunft hin gezielt sein können, und so der Ideenentwicklungsprozess in Ihrem Gehirn in vom kosmischem Geist initiierte Richtung bewegt wird.

    Das ist defacto im wesentlichen schon mal das, was sie an sich selbst entsprechend beobachten könnten.

    Darüber hinaus halte ich es für denkbar, dass die grundsätzliche Struktur von innerer Erlebniswelt eine essenzielle geistige Seite hat, dass der Innenraum, in dem sich ihr Bewusstsein abspielt, in Wirklichkeit ein Geistesraum ist. Der dann mit den Inhalten ihrer mit Bewusstsein korrespondierenden Gehirnstrukturen, die die andere wesentliche Hälfte ihres Bewusstseins ausmacht, gefüllt wird. Bis hierhin fällt das nicht mal auf, erst wenn auch direkte Inhalte der Außenwelt, insbesondere von näherstehenden Mitmenschen, dort mit vorkommen, dann fällt es aber auch auf.

    Direkteren Kontakt zur Außenwelt und zu Anderen muss jetzt nicht jeder haben, wie sensibel der einzelne Mensch ist, das ist unterschiedlich. Entsprechend unterscheiden sich die eigenen spirituellen bzw. mystischen Erfahrungen, die man im Leben machen kann.

    Lebenspraktisch ist öfter mal die richtige Idee, die innere Qualität des eigenen Seins und der Zugang zu anderen Menschen und auch zur restlichen Natur das, was im Sinne einer gewissen Spiritualität einen Unterschied macht. Derweil bleibt das Bewusstsein eine Einheit, hier kommt nur was dazu, aber nichts, das konkurriert und von außen dazu kommt. Und die wesentliche Funktionalität bleibt eine organische, den Körper verlassen und nach dem Tod weiterleben, das geht nicht.

  365. @Jeckenburger: Ihr Bewusstsein ist ja ein Ergebnis einer materiellen Struktur. Wenn man alle Neuronen entfernt, haben Sie auch kein Bewusstsein mehr. Das, was da von außen als kosmischer Geist dazukommt, muss also etwas vollkommen anderes sein, bei dem nur der Begriff (den Sie gewählt haben) gleich ist. Mir ist völlig unklar, wie hier eine Kompatibilität hergestellt werden soll zwischen etwas Materiellem und etwas Immateriellem.
    Könnte es nicht auch so sein, dass unser Nervensystem extrem sensibel ist und dass unser ZNS aus vielen Bruchstücken aller möglichen Informationen so etwas wie ein Hologramm schafft. Und diese holographische Struktur ist bei vielen Menschen in Teilen sehr ähnlich (aufgrund ähnlicher Erfahrungen etc.). Dadurch kommt es zu synchronen Erfahrungen oder zu vorausschauenden Erfahrungen. Das würde dann bedeuten, dass nicht ein Geist Synchronizität konstruiert, sondern Sie selber.

  366. @Elektroniker 27.03.2021, 15:27 Uhr

    Butter bei die Fische …

    Sie schreiben:

    Es geht mit darum zu betonen, dass z.B. Baumstrukturen beste noch dazu geordnete Zugriffseigenschaften haben, im Vergleich zu linearen Strukturen.

    Und dann:

    Übrigens ist mir aufgefallen, dass die Konzepte
    [beispielsweise Baumstrukturen mit entsprechenden Zugriffen, T.W.] die Elektroniker/Physiker entdeckt [nur nebenbei, wurden die entdeckt oder erfunden, T.W.] haben, schon längst von der Evolution „gefunden“ und genutzt wurden.

    So, und nun schreiben Sie bitte, wo Sie herausgefunden haben, dass in der Evolution Baumstrukturen (im Sinne eines abstrakten Datentyps ‘Baum’) im Kontext mit Zugriffseigenschaften (beispielsweise als Pre-Order (W-L-R) oder anderen Traversierungen) realisiert sind.

    Sollten Sie das können, okay. Aber bitte mit einem konkreten Beispiel.

    Falls nicht, vielleicht lieber weniger spekulieren.

  367. @Elektroniker, Jeckenburger
    Die Spekulationen, die Sie anstellen, sind ganz amüsant, aber allesamt ohne Grundlage. Baumstrukturen oder Hierarchien gibt es überall in der Welt und überall im Leben. Jeder Mensch kennt sie und kann damit umgehen. In der Informatik werden sie nur intensiver und zielstrebiger genutzt. Selbst auf der DNA liegen manche Gene in Baumstruktur vor (HOX-Gene). Die DNA ist keineswegs so linear wie man lange glaubte.

    Zielgerichtete Zufälle sind blanker Unsinn. Wo und wann gibt es Quantenzufälle? Man darf die Laborphysik mit künstlichen Bedingungen nicht mit der “Wildnis der Natur” verwechseln. Dort spielen Quantenzufälle einfach keine Rolle, weil die Zufälle nicht beliebig zufällig sind und z.B. im Wärmerauschen untergehen. Andere Zufälle sind viel gewichtiger.

    Es gibt sicher manch begründete Kritik an den Fachwissenschaftlern, aber Dummköpfe sind sie ganz bestimmt nicht.

  368. @anton reutlinger 27.03.2021, 20:17 Uhr

    Baumstruktur der DNA?

    Selbst auf der DNA liegen manche Gene in Baumstruktur vor (HOX-Gene). Die DNA ist keineswegs so linear wie man lange glaubte.

    Was bedeutet ‘Baumstruktur’ in diesem Kontext?

  369. @ Thomas Waschke 27.03.2021, 18:50 Uhr

    Ich kann Ihnen gerne meine Gedankengänge im Zusammenhang mit „baumartig“ erläutern.

    Vorweg, ich verwende fast durchwegs den Begriff „baumartig“, um von den Baumstrukturen der Informatik genügend „Distanz“ zu halten. Sonst kommt man zu Begrifflichkeiten wie „pre order, post order ….“ wie Sie ganz richtig angemerkt haben. Aber dieses Konzept dass in der Informatik bei Suchvorgängen wichtig ist, spielt bei neuronalen Systemen, wegen der „neuronalen Gattertechnik“, eher eine untergeordnete Rolle.

    Es gibt auch ganz praktische Gründe sich mit der „Baumartigkeit“ zu beschäftigen, obwohl die neuronalen Strukturen unter dem Mikroskop eher „gestrüppartig“ scheinen.

    In der Wissenschaft waren vermutlich die Mathematiker wie üblich die Ersten, die sich mit „binären Bäumen“ beschäftigt haben. Die waren offensichtlich Grundlage für die Bäume der Informatiker. Vermutlich haben Mathematiker den Begriff auch aus „äußerlichen“ Gründen gewählt, weil eine abstrakte Ähnlichkeit mit Obstbäume nicht zu leugnen ist.

    Die Evolution hat Bäume offensichtlich „hervorgebracht“. Vermutlich kann die für die Photosynthese benötigte Sonnenenergie in „Baumkronen“ optimal gewonnen werden und andererseits die Nährstoffe optimal (sozusagen auf kürzestem Weg) über die verzweigte Baumstruktur bis zu den Blättern geleitet werden.

    Sicherlich hat die „Evolution“ (also was manche „Gott“ nennen, mit seinen „Zufallsgeneratoren“ samt „intelligenten Filtern“) auch mit (fast linearen) Variationen, (für mich als Biologielaien) auch mit Schlingpflanzen „experimentiert“.

    Linear oder baumartig, ist für Informatiker die (kurze) und stets pragmatisch gelöste Frage. Der Informationstransfer über „größere Entfernung“ und die „einfache“ Speicherung erfolgen eher „linear“.

    Ich kann nicht auf alle Aspekte eingehen, aber die Informationsverarbeitung in neurologischen Systemen erfolgt offensichtlich baumartig (und vermascht). So wie beim Binärbaum kann man in „wenigen Schritten“ sehr schnell, im Vergleich mit linearen Systemen, zum relevanten Suchergebnis kommen, also wie im Beispiel unten zur „Oma“, ohne dass die ganze Bildgalerie des Gedächtnisses seriell Bild für Bild einzeln „durch gescannt“ werden muss. Selbstverständlich ermöglicht das Konzept der Musterverarbeitung in baumartigen Strukturen auch eine massive Datenkompression.

    Ich habe vor Jahrzehnten in der Literatur ungefähr das nachstehende nunmehr realisierte Konzept, Sie werden es hoch spekulativ nennen, gefunden:
    Anschauliche und grundsätzliche „baumartige“ Mustererkennung: Zunächst dürften benachbarte Bildpixel mittels Gatter (Neuronen) in sehr viele Musterkomponenten „aufgespaltet“ und danach „zusammengeführt“ werden, um z.B. ein bestimmtes Objekt (Postleitzahlen, Buchstaben, Haus, Oma….) zu erkennen.

    Neuronen können im Prinzip nur triggern wenn z.B. von 2 (oder mehreren) bestimmten sensorischen Bildpixel, oder von vorhergehenden Neuronen, Information abbildende Signale ausgehen….

    Das sind alt bekannte Konzepte der Elektronik/Informatik aus den Anfängen der Schrifterkennung. (Realisiert wurde später die Gatterlogik in programmierbaren Prozessoren).

    Es geht mir um den Vergleich von Konzepten, nicht um detaillierte Schaltpläne. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Biologe ohne Fachkenntnisse in Elektronik/Informatik früher die Chance hatte, bestimmte Funktionen über den reinen Wirkmechanismus hinaus, nachvollziehen zu können.

    Das Gehirn war ein rätselhaftes Gestrüpp aus Neuronen und Synapsen….

  370. @Wolfgang Stegemann 27.03. 18:07

    „Mir ist völlig unklar, wie hier eine Kompatibilität hergestellt werden soll zwischen etwas Materiellem und etwas Immateriellem.“

    Na eben durch die gezielten Quantenzufälle. Damit die gezielt sein können, braucht es eine gewisse Vorausberechnungsfähigkeit, die der Kosmos standardmäßig zur Verfügung haben muss. Das nenn ich dann gerne kosmischer Geist, als verteilt im ganzen Universum und parallel überall tätig, wo es interessant ist.

    Und im menschlichen Bewusstsein, das als Gegenwart durch die Zeit unterwegs ist, ist es eben am aller interessantesten, so interessant, dass eventuell sogar Teile unserer Bewusstseinsfähigkeit von diesem Geist erst ermöglicht werden. Wie jetzt die tatsächlichen Anteile sind, das ist mir auch nicht bekannt. Und es gibt auf jeden Fall auch materielle Strukturen, die absolut erforderlich sind, damit ein Bewusstsein laufen kann, ohne die geht es schon mal gar nicht.

    Aber mit Geist geht dann eben mehr, das mag von Mensch zu Mensch recht verschieden sein, und was ein Mensch von sich selbst glaubt, kann auch noch mal Unterschiede machen. Aus meiner Sicht sind wir eben eine Synthese aus unserem lokalem Gehirn und einem Stück vom kosmischem Geist, mal mehr oder mal weniger in die eine oder in die andere Richtung. Wie genau das funktioniert, das fände ich spannend zu wissen. Was hier Hirnforschung und Psychologie Neues herausfindet, interessiert mich entsprechend.

    „Könnte es nicht auch so sein, dass unser Nervensystem extrem sensibel ist und dass unser ZNS aus vielen Bruchstücken aller möglichen Informationen so etwas wie ein Hologramm schafft“

    Kann auch sein, aber nach meiner Erfahrung reicht diese Erklärung kaum aus. Ohne wirkliche Verbindung zu Geisteswelten in mir selbst, mit Anderen und im ganzen Leben komme ich nicht hin. So oder so, ich mag den ganzen Kosmos, und bin gerne mittendrin dabei. Geisteswelten sind für mich nicht unbedingt ein Rückzugsgebiet, können es aber auch sein.

    Insbesondere kann uns Inspiration nicht davon befreien, die Erkenntnisse zu prüfen und vernünftig einzuordnen. Und unser Handeln gemäß unserem Wissen und vermögen ist nicht mit Beten um geistige Unterstützung zu ersetzten. Aber so, wie sich die Inspiration als hilfreich erweisen kann, tut es manchmal auch die Wirklichkeit von selber.

  371. @Elektroniker 27.03.2021, 23:45 Uhr

    Bitte endlich konkret werden

    Ich kann Ihnen gerne meine Gedankengänge im Zusammenhang mit „baumartig“ erläutern.

    Das war genau nicht das, was ich lesen wollte. Sie erheben einen Anspruch, von dessen Einlösung Sie meilenweit entfernt sind.

    Ich kann nicht auf alle Aspekte eingehen, aber die Informationsverarbeitung in neurologischen Systemen erfolgt offensichtlich baumartig (und vermascht).

    Genau hier liegt Ihre Chance. Es reicht, auf einen einzigen Aspekt einzugehen, aber das aber konkret und ohne unnötige Abschweifungen. Zeigen Sie konkret, was an welcher Informationsverarbeitung wo in ‘neurologischen Systemen’ (suchen Sie diesen Begriff bei Tante google, einfach als consciousness raiser im Kontext ‘Beherrschung der Fachsprache’) baumartig ist.

    Definieren Sie bitte zunächst ganz konkret in welchem Sinn ‘Baum’ in diesem Kontext zu verstehen ist, und wie das, was Sie über ‘Baum’ hinsichtlich abstraktem Datentyp in diesem Zusammenhang als Bereicherung der Neurobiologie betrachten.

    Das merkwürdigste Wort in dem, was ich von Ihnen zitiert habe, ist ‘offensichtlich’. Aus meiner Sicht ist nichts, was Sie schreiben, ‘offensichtlich’.

    Ganz im Gegenteil.

  372. @Wascke
    Mit “Baumstruktur” im Kontext der DNA meine ich Gene, die der Genregulation dienen, indem ihre Produkte als Transkriptionsfaktoren andere Gene aktivieren. Insbesondere in der Embryonalentwicklung spielen die HOX-Gene und Homöoboxen eine entscheidende Rolle, auch für die Artentwicklung im Rahmen der Evolution. Diese Gene und ihre Regulation bilden die Brücke zwischen Phylogenese und Morphogenese. Gene regulieren die Genexpression, das ist hier Selbstorganisation und hierarchische Spezialisierung in der Embryonalentwicklung.

  373. @Jeckenburger: Ein Stück Biomasse produziert Elektrizität (in Verbindung mit Hormonen und Proteinen). Diese Elektrizität bewegt Gliedmaßen, lässt uns sehen und uns in der Welt orientieren. Damit stehen wir in einer Reihe mit Einzellern, nur dass bei uns Hormone und Elektrizität in dieser spezifischen Weise dazukommen. Weil diese Biomasse das produziert, was man früher Geist nannte, heute eher Psyche, glauben viele, es handele sich um eine Entität, die unabhängig von der Biomasse eistieren könnte und meinen, wenn das so ist, könnte dieser Geist ja auch gleichmäßig im Universum verteilt sein. Ganz ehrlich: was für ein Unsinn. “Geist” ist Materie, nichts anderes.

  374. @anton reutlinger 28.03.2021, 08:44 Uhr

    Was bedeutet ‘Baumstruktur’ im Hinblick auf Gene?

    Mit “Baumstruktur” im Kontext der DNA meine ich Gene, die der Genregulation dienen, indem ihre Produkte als Transkriptionsfaktoren andere Gene aktivieren.

    Was soll in diesem Kontext der Begriff ‘Baumstruktur’ konkret bedeuten?

    Verstehen Sie mich nicht falsch, ich weiß, was HOX-Gene sind, ich weiß auch, was ‘Baum’ als abstrakter Datentyp bedeutet. Ich möchte gerne verstehen, wie Sie dazu kommen, den Begriff ‘Baumstruktur’ in diesem Kontext zu verwenden und was Sie damit ausdrücken wollen.

  375. @Elektroniker
    Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Biologe ohne Fachkenntnisse in Elektronik/Informatik früher die Chance hatte, bestimmte Funktionen über den reinen Wirkmechanismus hinaus, nachvollziehen zu können.

    Sie irren sich gründlich. In den Anfängen der Kybernetik/Nachrichtentechnik waren maßgeblich auch Biologen dabei.

    Zur Geschichte des Max Planck Instituts für biologische Kybernetik heißt es bspw.:
    Der Ursprung des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik liegt in der 1958 am Max-Planck-Institut für Biologie etablierten “Forschergruppe Kybernetik”, die sich aus dem Zoologen Bernhard Hassenstein, dem technischen Physiker Hans Wenking und dem theoretischen Physiker Werner Reichardt zusammensetzte.

    Aber schon 10 Jahre früher wurde von Heinz von Förster, Professor für Elektrotechnik und Biophysik, das Biological Computer Laboratory in Illinois gegründet. Mit ihm arbeiteten zeitweise die chilenischen Neurobiologen Maturana und Varela. Auch der Neurophysiologe McCulloch gehörte zu diesem Kreis von Kybernetikern um Norbert Wiener Ende der 40er Jahre. Zur gleichen Zeit wurde die Informationstheorie von Claude Shannon begründet, ebenfalls in der Forschungsgruppe von Wiener. Des weiteren gehörten dazu der Physiologe Rosenblueth und der Elektroingenieur Bigelow, im weiteren Umfeld der Anthropologe und Psychologe Gregory Bateson. Heinz von Förster war außerdem Mitbegründer des Konstruktivismus.

  376. @Waschke
    Mir geht es darum darzustellen, dass das Genom nicht einfach eine lineare Kette ist, die von links nach rechts oder umgekehrt abgelesen wird, sondern in seiner Dynamik der Expression von Genen dynamisch stark strukturiert ist. Das Lebewesen entsteht zuerst durch Zellteilungen in unspezfische Stammzellen, die sich später durch weitere Zellteilungen in spezialisierte Zellen bestimmter Organe und Gewebe entwickeln. Schon die Zellteilungen selber bilden eine hierarchische Struktur, aus jeder Zelle entstehen zwei Tochterzellen.

    Allerdings ist die hierarchische Struktur ein gedankliches Modell und nicht zu verwechseln mit der Natur selber. Das Lebewesen wird immer nur von den Blättern der Baumstruktur gebildet. Strukturen haben allgemeine und alltägliche Bedeutung für das geistige Leben. Struktur oder Ordnung ist gleichbedeutend mit Information. Damit schließt sich der Kreis zur Kybernetik.

  377. @Chrys // 27.03.2021, 14:10 Uhr

    » Das hat sie für meinen Geschmack etwas unglücklich formuliert. Denn die “rationalen Gesetzgeber” sind uns schliesslich namentlich bekannt, die üblichen Verdächtigen heissen Newton, Faraday, Ampère, Coulomb, etc. pp. «

    Ach ja, da hätte ich auch selber drauf kommen können—obwohl, die Rede war doch nur von einem ‘rationalen Gesetzgeber’. Aber gut, sagen wir, die „Feinabstimmung der Naturkonstanten“, die laut Drossel „mit Absicht gemacht“ wurde, dieses Feintuning sei das Werk der Heiligen Dreifaltigkeit gewesen: Wie könnten wir die drei benennen, etwa Maxwell, Faraday und Planck?

    Wer wollte bestreiten, dass es Fragen gibt, die keiner schlüssig und allgemeingültig beantworten kann. Interessanterweise fällt das vor allem dann auf, wenn es um naturwissenschaftliche Erkenntnisse geht. Und man kann darauf bauen, dass gerade dann auch die „Grenzen der Naturwissenschaften“ betont werden. So, als sei dies ein spezifisches Problem der Wissenschaften und nicht ein generelles Problem für alle, die nach dem Ursprung der Dinge fragen.

    Da kann man ja fast schon von Glück reden, dass die Vorstellungen Drossels vom Ursprung der Naturkonstanten und der zielgerichteten Kraft in der Evolution keinen Eingang in die Schulbücher gefunden haben. Es scheint, als säßen in den Schulbuchredaktionen vor allem Naturalisten.

  378. @anton reutlinger 28.03.2021, 11:33 Uhr

    Mir geht es darum darzustellen, dass das Genom nicht einfach eine lineare Kette ist, die von links nach rechts oder umgekehrt abgelesen wird, sondern in seiner Dynamik der Expression von Genen dynamisch stark strukturiert ist.

    Aktuell geht es mir darum, dass hier zwei Menschen den Begriff ‘Baumstruktur’ verwenden, und zwar in einem Kontext, den ich weder von der Biologie noch von der Informatik her nachvollziehen kann.

    Allerdings ist die hierarchische Struktur ein gedankliches Modell und nicht zu verwechseln mit der Natur selber.

    Das wäre mein Punkt gegenüber @Elektroniker gewesen: seine Gedanken aus der Elektronik etc. könnten auf der Ebene der Beschreibung durch gedankliche Modelle eventuell nützlich sein, falls er von Biologie etc. so viel versteht, dass das sinnvoll möglich ist.

    BTW, @Elektroniker hat durchaus damit Recht, dass die Biologen ohne Strukturwissenschaftler ein Problem haben. Ihre Antwort hat dessen Auffassung nur bestätigt, mutatis mutandis schrieben Sie dasselbe.

    Nur nebenbei, radikale Konstruktivisten haben meines Wissens die Biologie alles andere als weiter gebracht. Verkappter Solipsismus ist nun wirklich nichts, was einen Biologen weiter bringen könnte.

    Das Lebewesen wird immer nur von den Blättern der Baumstruktur gebildet.

    Sorry, das verstehe ich nicht.

    Strukturen haben allgemeine und alltägliche Bedeutung für das geistige Leben. Struktur oder Ordnung ist gleichbedeutend mit Information. Damit schließt sich der Kreis zur Kybernetik.

    Ganz ehrlich, was der Begriff ‘Baumstruktur’ in diesem Kontext bedeuten soll, erschließt sich mir immer noch nicht.

    Man könnte sich auch streiten, ob ‘Information’ nicht gerade dann besonders groß ist, wenn es eben keine Ordnung gibt. Ein Eiskristall ist viel weniger informativ als Wasserdampf.

  379. @Waschke
    Dass Strukturen für die Biologie eine große Rolle spielen, steht außer Frage. Die DNA hat eine Struktur, die analog der Struktur von Texten ist. Somit können die Algorithmen und Programme der computerisierten Textverarbeitung auf die Genetik angewandt werden. Ebenso gibt es binäre Relationen, deren antisymmetrische Verknüpfungen in Baumstrukturen (Hierarchie), oder die in allgemeinen Graphen (Heterarchie) dargestellt werden. Dafür gibt es relationale Datenbanken und andere Werkzeuge der Informatik. Das ist aber alles bekannt und wird in der Bioinformatik seit Jahren angewandt, im Gegensatz zur Behauptung von @Elektroniker.

    Da eine sich teilende Zelle in den beiden Tochterzellen aufgeht, bleiben im Lebewesen immer nur die Blätter der Baumstruktur übrig. Die Mutterzellen sind nicht mehr vorhanden, so wie die verstorbenen Vorfahren im Stammbaum.

    Bezüglich des Informationsgehalts von Systemen muss man unterscheiden zwischen Export und Import von Information. Ein System hoher Ordnung kann keine Information aufnehmen (importieren) ohne Redundanz, aber viel Information abgeben. Bei Systemen niedriger Ordnung (hohe Entropie) ist es entsprechend umgekehrt. Eine sortierte Zahlenfolge kann nicht weiter sortiert werden, kann aber viel Information liefern, meist der Zweck der Sortierung. Information ist Struktur, Ordnung oder Negentropie (Leon Brioullin).

  380. … und ich habe so langsam den Eindruck, dass manch einer Fata Morgana mehr Realität zuzuschreiben ist als manchem Diskussionsfaden hier.
    Was war nochmal das Ursprungsthema?

  381. @Maier
    Nun ja, manchmal kommt man etwas vom Weg ab oder man verzettelt sich, vor allem wenn man auf unpassende Beispiele oder Analogien aufspringt. Aber anscheinend bleibt es trotzdem überwiegend interessant. Wir alle wissen wohl, dass das Ursprungsthema “Rätsel Bewusstsein” letztlich unlösbar ist. Kaum jemand lässt sich von seinen festen Überzeugungen oder seinem Glauben abbringen. Mich interessieren die Argumente selber, obwohl auch an meiner Überzeugung daduch kaum gerüttelt wird.

  382. @anton reutlinger 28.03.2021, 14:28 Uhr

    Vernebelnde Metaphern

    Nun ja, manchmal kommt man etwas vom Weg ab oder man verzettelt sich, vor allem wenn man auf unpassende Beispiele oder Analogien aufspringt.

    Sind wir uns einig, dass ‘Baumstruktur’ ein passendes Beispiel für eine vollkommen verfehlte Analogie ist?

    Wie gesagt, ich kenne ‘Bäume’ aus der Biologie und aus der Informatik. Mich hätte interessiert, wie man darauf kommen kann, beides unter einen Hut bringen zu sollen.

    Inzwischen bin ich mir sicher, dass das keinen Sinn macht.

    Ich vermute, dass @Balanus vollkommen Recht hat: ‘Baumstruktur’ ist eine vernebelnde Metapher.

  383. Ich denke, dass die Analogie zwischen Computerwissenschaft und Neurobiologie auf einem einzigen Missverständnis beruht. Die CW glaubt, sie bilde die Natur nach, weil sie das Prinzip Mutation und Selektion anwendet. Das ist so, als wenn ich sage, ein Flugzeug bildet den Vogelflug nach. Der CW tut dies keinen Abbruch. Die NB wendet Erkenntnisse aus Netzwerktechnik an und kann damit bestenfalls begrenzte Gegenstandsbereiche versuchen abzubilden. Informationstheoretische Ansätze wie z.B. Tonnoni halte ich für nützlich, was Bewusstsein ist, erklären auch sie nicht.
    Biologische Selbstorganisation muss erst grundlegend verstanden werden, bevor man das Gehirn versteht. CW ist dabei wenig hilfreich. Selbstorganisation könnte man als Wachstum verstehen, dieses wiederum als Assoziation von kompatiblen “Stoffen”. Das würde Metabolismus ebenso erklären wie Denken und Lernen. Die Frage wäre also, wie und warum assoziieren sich biochemische und bioelektrische “Muster” zu neuen “Mustern”. Ich denke, es ist ein integrativer Prozess aus beiden. Wahrscheinlich regt die “Elektrizität” chemische Muster an und der Speicher ist letztendlich ein chemischer. Ich kann mir vorstellen, dass Hormone dabei eine viel größere Rolle spielen, als angenommen. Aber das ist alles nur ein Gedankenspiel. Nicht mehr.

  384. @Waschke
    Wie oben beschrieben gibt es durchaus analoge Strukturen zwischen Informationswissenschaft und Biologie, in diesem Fall zwischen Zeichenketten und DNA, realisiert in Textverarbeitung und Genomik sowie Proteomik. Für Baumstrukturen fällt auch mir jetzt keine passende Analogie ein, obwohl ich es für wahrscheinlich halte, dass man biologische Daten in Baumstrukturen oder Hierarchien, in Netzen oder Graphen abbilden könnte. Neuronale Strukturen sind ohne Zweifel als gerichtete Graphen darstellbar. Die Graphentheorie liefert dazu passende Algorithmen für verschiedene Problemlösungen.

    Es gibt inzwischen zahlreiche Anwendungen der Informatik in der Biologie und in der Pharmaforschung. Ein Stichwort dazu ist Structure-based-rational-drug-design, indem konkrete Proteinstrukturen auf pharmazeutische Anwendungsmöglichkeiten geprüft werden.

  385. anton reutlinger
    28.03.2021, 14:28 Uhr
    Kaum jemand lässt sich von seinen festen Überzeugungen oder seinem Glauben abbringen.

    Aus Erfahrung kann ich dieser Feststellung zustimmen, ein Gläubiger ändert nur ausgesprochen selten seine Überzeugung – und wenn, wird es meistens nur anders und nicht besser, siehe Saulus – Paulus.
    Nur dachte ich, dass wir hier in dieser Runde logische Schlussfolgerungen als Argumente austauschen und niemanden “zum rechten Glauben bekehren” wollen. Die Wissenschaft beruht darauf, dass ein Experiment zu anderer Zeit an anderem Ort von anderen Experimentatoren dasselbe Ergebnis hervorbringt, das nennen wir dann in der Kurzform “Wissen”. Ebenso sollten doch auch logische Schlussfolgerungen von mehreren Teilnehmern hier logisch nachvollzogen werden können. Vermutungen und Annahmen sollten wir auch asl solche kennzeichnen, um Verwirrungen zu vermeiden.

  386. @anton reutlinger 28.03.2021, 19:18 Uhr

    Für Baumstrukturen fällt auch mir jetzt keine passende Analogie ein

    Endlich sind wir uns einig 🙂

  387. @ Thomas Waschke 28.03.2021, 08:28 Uhr

    Zu „Offensichtlich“: Für mich ist, aus meiner Erfahrung heraus z.B. „offensichtlich“, dass bei intakter Technik, ein Licht angeht wenn ein Lichtschalter betätigt wird. Aus philosophischer Sicht muss es noch lange nicht so sein. Physiker müssen mitunter einräumen, dass nicht alles erklärt werden kann, sogar mit der Beantwortung einer Frage, 10 neue Fragen auftauchen können.

    Es gibt im „Endlichen“ Grenzen der Beschreibbarkeit. Theologen haben versucht dem näher zu kommen, um z.B. schwer beschreibbare Sachverhalte einer großen Menge von Menschen erklären zu können. Sie benutzen z.B. bildhafte anschauliche „Muster“, oder sogar persönliche auch emotionale Erfahrungen.

    Das wären auch „Berufserfahrungen“, Heuristiken. Darauf greifen besonders häufig Elektroniker zurück, die Erfahrungen damit haben, wie man primitive elektronische Schaltungen (z.B. Gatter) in mitunter höchst komplexe Strukturen zur Realisation von Steuerungskonzepten einbindet, die es vorher noch nicht gegeben hat, für die noch keine vernünftigen Bezeichner existieren.

    Beispiel Kühlschrank: Wird die Türe geschlossen, geht ein elektrischer Kontakt „auf“ und das Licht im Kühlschrank erlischt. Geht die Türe auf, schließt sich der Schalter und das Licht leuchtet aus den allgemein bekannten Gründen. Das logische Konzept hinter den Gatterschaltungen, ist ihnen sozusagen in „Fleisch und Blut“ übergegangen, wie man so sagt.

    Selbst Philosophen erklären mitunter den Studenten die Prädikatenlogik mit elektrischen Schaltern und Lampen.

    Baumartig, besser gestrüppartig ist der „äußere Anschein“ der neuronalen Strukturen unterm Mikroskop. Die Strukturen sind definitiv nicht linear, sie verzweigen in die „Tiefe und Breite“. Die Funktion ist leider nur sehr begrenzt, aber eher nicht wirklich vergleichbar mit den Baumstrukturen der Informatik. (Deswegen verwende ich normalerweise „baumartige Strukturen“ und nicht den Begriff Baumstrukturen).

    Die baumartigen Strukturen von denen ich spreche, sind allein schon deswegen kein „Datentyp“ weil die auszuwertenden Informationen keine „Daten“ im Sinne der Informatik sind, sondern „Objekte“, besser „Muster“, also eine Art von Verbund zwischen „Daten und Programm“.

    Auch erfolgen keine Traversierungen im Sinne der Informatik. Die Verknüpfungen erfolgen über Knoten (Synapsen und Neuronengatter) nach stochastischen und nicht absolut logischen Gesichtspunkten, wie in der Schaltalgebra. Es erfolgen konkrete Ladungsträgerverschiebungen zwischen Synapsen und Gattern.

    Das ist bei den „Bäumen der Informatik“ anders, da bestehen abstrakte (Adress-) Beziehungen („Zeiger“) zwischen den „Strukturelementen“.

    Die Speicherung der Muster erfolgt in den „Verzweigungen des Netzes“ und nicht in Schaltzuständen wie in der Informatik.

    Wenn man allerdings davon ausgeht, dass es Gatterfunktionen der Neurone wirklich gibt, dass es messbare Ladungsträgerverschiebungen zwischen den Synapsen und Gattern gibt, diese Strukturelemente ungefähr baumartig, keinesfalls z.B. linear wie bei der DNA angeordnet sind, könnte man den Begriff „baumartig“ für zweckmäßig halten.

    An der Netzhaut wird „punktweise“ optische Information (auf Stäbchen, Zapfen) abgebildet und die emittierten Signale offensichtlich in den „Tiefen der Struktur“ geleitet und ausgewertet. Außerdem emergieren bereits auf der Netzhaut die Pixel zu optischen Bildern.

    Diese Pixel dürften mittels „aufspaltender Gatterfunktionen“ in „Mikromuster“ umgewandelt werden, wie z.B. bei Systemen der Texterkennung. Die Gesamtmuster ergeben sich, wenn hierarchisch über mehrere Verarbeitungsstufen, viele „Teilmuster“ zu „Ergebnismuster“ umgesetzt werden. Bedeutet z.B. aus Variationen von Teilmustern können unterschiedliche Personen, Gebäude, Landschaften …. zu „Objekten des Bewusstseins“ emergieren.

    Bei diesem Konzept werden die die Information abbildenden Strukturen „erweitert“, bereits vorhandene Muster werden nicht immer wieder neu angelegt, dies bewirkt eine extreme Reduktion der Menge an zu „speichernder“ Information, bei sehr schnellem Zugriff auf die Muster. Dieses Konzept dürfte wissenschaftlich belegt sein.

  388. Elektroniker
    29.03.2021, 01:13 Uhr
    Außerdem emergieren bereits auf der Netzhaut die Pixel zu optischen Bildern.

    Mir kommt dabei der Spruch “Schuster, bleib’ bei deinem Leisten” in den Sinn. Ich bin zwar interessiert, was die Biologie so alles kann, stelle aber immer wieder einen großen Mangel an Wissen fest. Nach meiner Kenntnis sind wir noch meilenweit entfernt, allein das “Sehen” halbwegs zusammenfassend beschreiben zu können. Es werden die Signale der Zäpfchen und Stäbchen schon in der Netzhaut “verrechnet” und dann noch einmal aufwändig in der Sehrinde ( waagerecht + senkrechte Linien, bewegte Pixel von rechts nach links + umgekehrt, von unten nach oben + umgekehrt, Kontrastunterschiede, Gesichter als Smileys und was dergleichen mehr ist ) und was wir dann letztendlich meinen zu sehen ( das Bild ), können wir noch nicht erklären. Mein Kenntnisstand ist auch der, dass man die Interaktionen von 2 – 4 Neuronen mittels Gattern versucht hat nachzubilden, wobei die Zahl der dazu nötigen Gatter dem Faktor 50 bis 100 in Bezug auf die verknüpften Neuronen entsprach.
    Aus technischer Sicht kann ich nur “den Hut ziehen” vor der Leistung der 3 Giga-a-Entwicklung inklusive aller Fehlfunktionen und wir sollten bescheiden sein und nur über das reden, wovon wir jeweils wirklich Kenntnis haben. Aber Fragen stellen können wir auch darüber hinaus, vielleicht antwortet ja jemand – mit Wissen.

  389. @Elektroniker 29.03.2021, 01:13 Uhr

    Sorry, Etüden im freien Assoziieren bringen nichts

    Baumartig, besser gestrüppartig ist der „äußere Anschein“ der neuronalen Strukturen unterm Mikroskop.

    Das ist im Kontext dessen, was wir diskutiert haben, das Wedeln mit der weißen Flagge, meilenweit von einem Argument entfernt.

    Ich habe ganz konkret gefragt, Sie produzieren ASCII die Masse, aber nichts, was mit dem Thema zu tun hat.

    An der Netzhaut wird „punktweise“ optische Information (auf Stäbchen, Zapfen) abgebildet und die emittierten Signale offensichtlich in den „Tiefen der Struktur“ geleitet und ausgewertet. Außerdem emergieren bereits auf der Netzhaut die Pixel zu optischen Bildern.

    Ich kann Ihnen nur dringendst raten, sich wenigstens auf dem Niveau von Schulbüchern zu informieren, bevor Sie alles zu Nägeln machen, weil Sie nur einen Hammer haben.

    Ihre Berufserfahrung in allen Ehren, aber für die Themen, an denen Sie sich hier versuchen, ist die irrelevant, weil Ihnen offensichtlich die banalsten Kenntnisse biologischer Sachverhalte fehlen.

  390. @ Karl Maier 29.03.2021, 01:41 Uhr

    Sie scheinen sehr stark die Meinung von Prof Singer zu vertreten, der meiner Meinung nach der Realität (der Informationsverarbeitung im Gehirn) sehr nahe kommen dürfte. (Bindungsproblem).

    Zitat: „Es werden die Signale der Zäpfchen und Stäbchen schon in der Netzhaut “verrechnet” und dann noch einmal aufwändig in der Sehrinde ( waagerecht + senkrechte Linien, bewegte Pixel von rechts nach links + umgekehrt, von unten nach oben + umgekehrt, Kontrastunterschiede, Gesichter als Smileys und was dergleichen mehr ist ) und was wir dann letztendlich meinen zu sehen ( das Bild ), können wir noch nicht erklären. Mein Kenntnisstand ist auch der, dass man die Interaktionen von 2 – 4 Neuronen mittels Gattern versucht hat nachzubilden, wobei die Zahl der dazu nötigen Gatter dem Faktor 50 bis 100 in Bezug auf die verknüpften Neuronen entsprach.“

    Sie wissen sogar über die Örtlichkeit der Prozesse und über den Sachverhalt dass es sich stochastisch verhält, also sehr viele „technische Gatter“ benötigen werden um neuronale Gatter „nachzubilden“, offenbar recht gut Bescheid. Genau das was Sie hier formulieren ist nötig um die grundsätzlichen Mechanismen zu erklären. Ich versuche nur die Erkenntnisse der künstlichen Bildverarbeitung einzubinden.

    Was Sie unter „verrechnet“ verstehen, entspricht meiner Meinung nach der Aufspaltung in Mikromuster und den darauf folgenden, zu Ergebnismustern „zusammenführenden“ neuronalen Verknüpfungsprozessen. Die Muster entstehen beim Lernen und werden auf synaptischen Verknüpfungen informell „abgebildet“.

    Dass im Bereich der Netzhaut optische Bilder (des Gesehenen) auftreten, dass erkennt man ganz banal, wenn man sich selber die Augen im Spiegel betrachtet. Dass Bildpixel (und nicht “ganze Bilder” an „Stäbchen und Zapfen“ anliegen ist Lehrbuchgrundwissen. Mich wundert dass T. Waschke sogar dies bestreitet?

    Es geht darum die „Muster“ zu erkennen, was sich sozusagen in der Umwelt so „abspielt“ und diese Muster zu interpretieren und in die Biographie einzubinden. Dabei spielen offensichtlich auch Sachverhalte im Zusammenhang mit einer Zeitstruktur (sozusagen Bindungen in einen Zeitschlitz) eine Rolle, womit sich offenbar von der Malsburg und Singer beschäftigt haben. Die grundlegenden Konzepte kommen in der Elektronik/Informatik längst schon zur Anwendung.

    „Bildermuster“ (ihre informelle Abbildungen) entstehen vermutlich an flächigen Strukturen, vergleichbar damit, wie Informationen in der Informatik an „Akkumulatorstrukturen“ (Datensammler) entstehen und sozusagen den Akku „durchlaufen“, der so etwas wie das Zentrum der elektronischen Datenverarbeitung ist.

  391. @Balanus / 28.03.2021, 11:57 Uhr

    In der Physik sind die sog. “Naturgesetze” stets objektsprachliche Formeln im Kontext irgendeiner Modellierung. Und als Kandidat für einen “rationalen Gesetzgeber” kommt dann nur der Modellierer in Betracht. Doch die Modellierung eines Phänomens darf nicht mit dem observablen Phänomen verwechselt werden, und unglücklich halte ich an der fraglichen Formulierung von Barbara Drossel insbesondere, dass sie zwischen Modell und Phänomen hier nicht so klar unterscheidet, wie es der Sache angemessen wäre.

    Die Bezeichnung “Naturgesetz” ist doch nur eine der menschlichen Lebenswelt entlehnte Metapher, die unpassend ist, indem sie unausweislich die Assoziation mit einem “Gesetzgeber” weckt und damit sogleich die nächste unpassende Metapher nach sich zieht.

    Die Frage, warum das eigentlich in der Physik so vergleichsweise gut funktioniert, unter Verwendung abstrakter Modellierungen verlässliche Aussagen zu konkreten Phänomenen zu erhalten, ist doch tatsächlich eine, die über die Physik hinausweist und sich letztlich nicht durch Physik beantworten lässt. Eugene Wigner sprach dabei sinngemäss bekanntlich von einem Wunder, das wir weder verstehen noch verdienen.

    »So, als sei dies [dass es Fragen gibt, die keiner schlüssig und allgemeingültig beantworten kann] ein spezifisches Problem der Wissenschaften und nicht ein generelles Problem für alle, die nach dem Ursprung der Dinge fragen.«

    Wer behauptet das denn so, dass dies ein spezifisches Problem der Wissenschaften sei? Übertreibst Du da nicht ein wenig?

  392. @Elektroniker 29.03.2021, 09:44 Uhr

    Dass Bildpixel (und nicht “ganze Bilder” an „Stäbchen und Zapfen“ anliegen ist Lehrbuchgrundwissen. Mich wundert dass T. Waschke sogar dies bestreitet?

    Definieren Sie ‘Bildpixel’ für

    Stäbchen

    Zapfen

    “anliegen” (ein mir unbekannter Fachbegriff in diesem Kontext, den Sie vielleicht definieren sollten)

    Dann sollten Sie etwas bemerken. Nur als ‘Bonbon’: man könnte ‘Pixel’ sinnvoll anwenden, aber das müssten Sie anders machen …

    Aber das ist eine Etüde in Irrelevanz, denn das hat niemand behauptet (ganze Bilder auf der Netzhaut).

    Informieren Sie sich gelegentlich, wie Sehen bei Insekten funktioniert. Und dann fragen Sie sich, warum Ihr ‘Modell’ mal passt und mal nicht.

  393. @ Thomas Waschke 29.03.2021, 11:46 Uhr

    Wenn man sich selber die Augen im Spiegel betrachtet, so erkennt man als Mensch ein „offensichtlich“ vollständiges Bild. (Habe mich zur Sicherheit gerade nochmals davon überzeugt).

    An die Existenz von „Facettenaugen“ bei Insekten, kann ich mich noch aus meiner Grundschulzeit erinnern. Sie empfinden vermutlich kein scharfes Gesamtbild wie Menschen, aber die Musterverarbeitung dürfte einfacher sein, weil die vielen direkt in den jeweiligen Segmenten „abgebildeten“ und in elektrische Signale umgesetzten „Bildmuster“ nicht mehr „aufgespalten“, sondern direkt verknüpft werden können um die für die Ernährung relevanten Muster (Blumen, …) zu erkennen.

    Laut Wikipedia befinden sich in der Fotorezeptorenschicht der Netzhaut des Menschen 6 Millionen Zapfen und ungefähr 120 Millionen Stäbchen. Unter der Annahme dass die Stäbchen und Zapfen annähernd gleich verteilt sind, kann man auf die Größe der kleinsten aufgelösten „Bildbereiche“ ungefähr schließen, ähnlich wie bei einem Photo.

    „Mein Modell“ passt immer, nur die „technischen Lösungsplattformen“ unterscheiden sich gemäß den Anforderungen, ganz so wie ich es gewohnt bin ….

  394. @ Wolfgang Stegemann 29.03.2021, 13:08 Uhr

    Vielen Dank für diesen Link.

    Habe den Text vom Prof. Singer vorerst nur überflogen, das absolut Beste was ich jemals zu diesem Thema gelesen habe.

    Habe noch keinen einzigen Punkt gefunden wo ich widersprechen würde. Fast jeder Satz hat mich begeistert …..

  395. @Elektroniker 29.03.2021, 13:14 Uhr

    Laut Wikipedia befinden sich in der Fotorezeptorenschicht der Netzhaut des Menschen 6 Millionen Zapfen und ungefähr 120 Millionen Stäbchen. Unter der Annahme dass die Stäbchen und Zapfen annähernd gleich verteilt sind, kann man auf die Größe der kleinsten aufgelösten „Bildbereiche“ ungefähr schließen, ähnlich wie bei einem Photo.

    Falls Sie sich nun noch darüber informieren, was Horizontalzellen, Bipolarzellen und amakrine Zellen sind, und dann noch einmal lesen, was Sie gerade geschrieben haben, sollten Sie nachvollziehen können, warum ich davon ausgehe, dass Sie hinsichtlich Biologie noch viel zu lernen haben.

  396. Elektroniker
    29.03.2021, 13:14 Uhr
    Laut Wikipedia befinden sich in der Fotorezeptorenschicht der Netzhaut des Menschen 6 Millionen Zapfen und ungefähr 120 Millionen Stäbchen. Unter der Annahme dass die Stäbchen und Zapfen annähernd gleich verteilt sind, kann man auf die Größe der kleinsten aufgelösten „Bildbereiche“ ungefähr schließen, ähnlich wie bei einem Photo.

    Und schon die “Annahme” stimmt nicht, Zäpfchen und Stäbchen sind eben nicht gleich verteilt, dazu haben sie unterschiedliche Funktionen:
    >Es sind pro Auge ca. 110 Millionen Stäbchen vorhanden, die zusammen mit den ungefähr 6 Millionen Zapfen auf 1 Million Ganglienzellen konvergieren.Dessen Durchmesser beträgt rund 3 mm. In der Mitte des gelben Flecks sitzt die etwas eingesenkte und gefässfreie Fovea centralis retinae, deren Durchmesser rund 1,5 mm beträgt. Sie bildet aufgrund der hohen Fotorezeptordichte den Punkt des schärfsten Sehens. Mittig in der Fovea centralis retinae findet sich die sogenannte Foveola. Mit der Foveola kann man beim Lesen nur ein bis zwei Buchstaben erkennen und dies ist der absolut schärfste Punkt des Sehens.<
    Diese Information ist ganz einfach zu finden. Das Auge ist nicht nur einfach ein "Fotoapparat", es ist ein wesentliches Werkzeug zum Überleben und daher in der Evolution "passgenau" entstanden ( auch wenn die Evolution das "Lesen von Buchstaben" nicht vorhersehen konnte 😉 ).
    Ich habe schon festgestellt, dass ich ( leider ) viel zu wenig weiß, aber der Umfang des Wissens ist derart groß, dass es eben Spezialisten geben muss, die jahrelang ( ihr Leben lang ) nichts anderes tun, als ihr Spezialgebiet zu beackern. Sicher können wir Laien hier gerne "philosophieren", was wäre wenn … oder ob nicht das eine mit dem anderen …, aber wir sollten uns bewusst sein, dass es allermeist nur Spekulation ohne "realen Gegenwert" ist.
    Natürlich kann man auch ein Ziel darin sehen, von möglichst viel nur das Wesentliche zu wissen und wie beim "Glasperlenspiel" Zusammenhänge zu suchen und zu finden, die da sind – oder auch nicht, weil es nur Artefakte sind. Das nennt man dann aus meiner Sicht "Philosophie". Davon möchte ich den Bereich, der sich mit dem Zusammenleben von Individuen und Gruppen/Völkern beschäftigt, auch abgrenzen.

  397. Karl Maier
    29.03.2021, 14:58 Uhr

    Zapfen auf 1 Million Ganglienzellen konvergieren. … Hier stand weiterer Text, der durch die html-Formatierung leider automatisch entfernt worden ist … Dessen Durchmesser beträgt rund 3 mm.

  398. Nur mal so nebenbei: die Bewusstseinsforschung ist dem Rätsel Bewusstsein noch keinen Schritt nähergekommen. Es gibt zig verschiedene Ansätze, die allesamt das Problem nicht lösen können, wie aus physiologischen Vorgängen bewusstes Erleben entsteht. Da gibt es die ulkigsten Modelle. Eins geht von einer gekrümmten 4-dimenionalen Raumzeit aus und versucht mit relativistischen Annahmen die Schnelligkeit des Aufbaus des Bewusstsein, quasi ohne Verzögerung zu erklären. Die Assembly-Theorie, der Singer anhängt, beschreibt einen kleinen Ausschnitt (Synchronisation von Mustern), abe löst das Problem nicht.

  399. @Karl Maier 29.03.2021, 14:58 Uhr

    Und schon die “Annahme” stimmt nicht, Zäpfchen und Stäbchen sind eben nicht gleich verteilt, dazu haben sie unterschiedliche Funktionen:

    Das ist gegenüber der Tatsache, dass die Zapfen 1:1 weitergeleitet werden, während viele Stäbchen zusammengeschaltet werden, eher marginal.

    Daher habe ich @Elektroniker aufgefordert, ‘Pixel’ in diesem Kontext zu definieren. Bei Zapfen geht das noch so in etwa, bei Stäbchen muss man ‘Pixel’ anders definieren. Und dann gibt es ja noch rezeptive Felder …

    Wie gesagt, das Ganze ist schon auf der Netzhaut-Ebene randvoll mit Verrechnungen, ein Elektroniker kann hier durchaus sinnvoll argumentieren, aber eben nur wenn er seine Hausaufgaben gemacht hat.

  400. @ Thomas Waschke 29.03.2021, 14:41 Uhr

    Ich habe genau deswegen den Nicknamen „Elektroniker“ gewählt, weil ich eben kein Fachmann in Biologie bin und alles aus der Sicht der Elektronik sehe. Allein schon deswegen, weil mich Biologie kaum interessiert hat. Mir ist bereits in der Schule aufgefallen, dass „Biologen und Techniker“ grundlegend unterschiedliche Menschentypen sind.

    Allerdings ist mir aufgefallen, dass Neurologen die natürlich auch biologisch orientiert sein müssen, seit rund 100 Jahren darüber klagen, dass wo immer sie mit den damals neuzeitlichen Oszillographen in einem lebenden neuronalen System „herumstochern“, auf elektrische Signale stoßen. Dass von der Sensorik und von Neuronen Impulse ausgehen. Sie könnten sich aber nicht erklären wie es zur Informationsverarbeitung kommen könnte, jedenfalls sollte die Elektronik eine Rolle spielen.

    Als mir klar wurde wie Neuronen grundlegend arbeiten, ist mir die Ähnlichkeit mit Gattern aufgefallen und jemand hat mich aufmerksam gemacht, dass McCulloch den Zusammenhang erklärt hat. Später habe ich einen Beitrag von E. Kandel im Fernsehen gesehen, in dem er die Wissen abbildende Funktion der Synapsen erklärt hat. Das sind praktisch Funktionen die Elektroniker damals alltäglich genutzt haben um Industrieprozesse elektronisch zu steuern. Nur halt mit Transistoren, ICs und Lötpunkten, nicht mit Neuronen und Synapsen.

    In unzähligen Beiträgen habe ich versucht, Erklärungsmuster aus dem Bereich Elektronik, allerdings aus „biologischer Sicht“ nicht wissenschaftlich exakt, in einfacher Sprache zu vermitteln.
    Vermutlich haben nicht alle Biologen meine „Denkmuster“ so abgelehnt wie Sie….

    Ist nur ein Hobby von mir, auch um mich geistig fit zu halten…..

  401. @ Karl Maier 29.03.2021, 14:58 Uhr

    Ich habe deswegen „vorsichtig“ (mit einer „Annahme“) formuliert, weil mir natürlich klar ist dass die Augen und der Kopf höchst beweglich sind und so bewegt wird, dass ein optimales „Sehen“ möglich ist. Auch dass ein Zusammenhang mit der Auswertung im neuronalen System bestehen dürfte.

    Ich habe auch niemals die großen Leistungen der Biologen gering geschätzt, weil mir grundlegend klar ist, wie schwierig es ist ohne Erklärungen und Handbücher ein System zu „erforschen“.

    Die Techniker haben es wesentlich einfacher, weil sie sich die Konzepte gegenseitig sprachlich erklären können und normalerweise auf Schaltpläne oder auf Fehlerstatistiken zurückgreife können.

    Außerdem können sie viel leichter experimentieren als Mediziner, weil sie keine ethischen Probleme zu berücksichtigen haben.

    Es geht mir nur darum, darauf hinzuweisen, dass die Netzhaut ein einfaches Beispiel für das Auftreten einfachster Emergenz ist, wenn wie allgemein bekannt, Bildpixel zu einem Bild emergieren. Weiters gibt es in der Technik Systeme die hervorragend Muster erkennen können. Ich kenne nur die früher verwendeten Konzepte.

    Vor vielen Jahrzehnten hat P. Nipkow dieses einfache „Emergenz Konzept“ zur Grundlage für das Fernsehen gemacht.

  402. @ Thomas Waschke 29.03.2021, 16:44 Uhr

    Zitat: „Das ist gegenüber der Tatsache, dass die Zapfen 1:1 weitergeleitet werden, während viele Stäbchen zusammengeschaltet werden, eher marginal.“

    Dies war mir unbekannt. Man könnte daraus schließen, dass die Formen und Kanten wichtig für die Mustererkennung sind und weniger die Farben. Es scheint auch eher belanglos ob ein Auto rot oder grün ist, es dürfte immer weitaus mehr auf die „Formen“ ankommen.

    Interessant wäre, was Sie unter „zusammengeschaltet“ verstehen. Ich würde vermuten, es geht um die Aufspaltung zu „Mikromustern“ die es eigentlich aus Überlegungsgründen geben sollte.

    Aus sozusagen „technischen Gründen“ scheint es zweckmäßiger, wenn dies im Auge stattfindet. Auch könnte es zweckmäßig sein, wenn die ersten Ebenen der „Zusammenführung“ auch im Auge stattfinden um sozusagen den „Datenverkehr“ auf den „längeren Leitungen“ zu verringern?

  403. @Balanus / 28.03.2021, 11:57 Uhr (Addendum)

    »Aber gut, sagen wir, die „Feinabstimmung der Naturkonstanten”, die laut Drossel „mit Absicht gemacht” wurde, dieses Feintuning sei das Werk der Heiligen Dreifaltigkeit gewesen: Wie könnten wir die drei benennen, etwa Maxwell, Faraday und Planck?«

    Eine Heilige Dreifaltigkeit kann ich Dir zwar nicht anbieten, aber immerhin doch ein “grenzüberschreitendes Gespräch” von 2013 mit drei prominenten Wiener Physikern — Reinhold Bertlmann, Walter Thirring und Anton Zeilinger — die sich gewiss mit Naturkonstanten einigermassen auskennen: “Zufall ist, wo Gott inkognito agiert”.

  404. Elektroniker
    29.03.2021, 17:31 Uhr

    Ob nun “die Zapfen 1:1 weitergeleitet werden, während viele Stäbchen zusammengeschaltet werden” oder “110 Millionen Stäbchen mit den ungefähr 6 Millionen Zapfen auf 1 Million Ganglienzellen konvergieren” ist wirklich eine Frage für Spezialisten und betrifft das eigentliche Problem nicht:
    Eine vom Menschen gebaute Technik mit einer biologischen Funktion zu vergleichen und aus der Technik womöglich noch Rückschlüsse auf die Biologie ziehen zu wollen, geht wohl fast immer und dann meistens gründlich daneben. Zwar fliegen Hummeln, Schmetterlinge, Vögel, Fledermäuse und früher flogen auch mal die Flugsaurier, wir hingegen bauen fliegende Starrflügler und Drehflügler, aber vom Flugzeug auf ein Insekt schließen zu wollen, ist einfach falsch, so kam es ja zur Behauptung, dass “eigentlich die Hummel nicht fliegen kann, sie weiß es nur nicht und tuts trotzdem” und ein schwebender Kolibri oder eine rückwärts fliegende Libelle “funktionieren” eben anders als ein Hubschrauber. So auch beim Auge ( = keine Kamera ), so auch bei den Neuronen ( = keine Gatter ), so auch beim Gehirn selbst ( = kein Computer ). Die Muskeln funktionieren anders als unsere technischen “Krafterzeuger”.
    Wie gesagt, Physik erforschen und daraus technische Prinzipien ableiten, das ist in Ordnung, Biologie beobachten, Funktionen analysieren und technisch ( aber anders ) nachbauen, auch ok, die Biologie erforschen, beschreiben und vielleicht mal erklären – auch in Ordnung. Nur vermengen sollten wir das nicht und auch nicht versuchen, das Eine mit dem Anderen zu erklären.

  405. @Karl Maier 29.03.2021, 23:43 Uhr

    Wie gesagt, Physik erforschen und daraus technische Prinzipien ableiten, das ist in Ordnung, Biologie beobachten, Funktionen analysieren und technisch ( aber anders ) nachbauen, auch ok, die Biologie erforschen, beschreiben und vielleicht mal erklären – auch in Ordnung. Nur vermengen sollten wir das nicht und auch nicht versuchen, das Eine mit dem Anderen zu erklären.

    Das in etwa war mein Punkt, vor allem unter dem Aspekt, dass man die Physik außen vor lassen sollte, wenn man nicht einmal die banalsten Grundlagen der biologischen Systeme kennt, deren Erforschung man meint, weiterbringen zu können.

    Es kommt dann nicht gut, ein paar technische Begriffe auf biologische Systeme anzuwenden und zu meinen, das würde irgendwelche Erkenntnisse bringen.

  406. @Stephan Schleim 30.03.2021, 07:18 Uhr

    Geht es in der Natur mit rechten Dingen zu?

    So so, ein Interview mit drei Physikern (“Zufall ist, wo Gott inkognito agiert”) – und dem Anschein nach ist keiner Atheist.

    Wie kann das mit rechten Dingen zugehen?

    Es ist schon lange bekannt, dass gerade theoretische Physiker ein Faible für den blutleeren spinozistischen deus sive natura haben (wie ein Autor im SPIEGEL das vor vielen, vielen Jahren formulierte …). Das liegt vermutlich daran, dass diese Menschen von der Ordnung im Universum fasziniert sind, vor allem, weil wir Menschen so viel davon erkennen können. Es ist aber dennoch typisch, dass sie eben diesen Schöpfer für ihre Alltagsarbeit nicht brauchen. Er kommt in den Formalismen einfach nicht vor. Das war früher anders, Newton beispielsweise brauchte Engelein zum Planeten-Schieben und dafür, das Unviersum immer wieder mal in Ordnung zu bringen.

    Daher geht aber auch bei den modernen Physikern alles mit rechten Dingen zu: der ‘Gott’, den sie postulieren, ist für das Leben nach der Schöpfung irrelevant. Vor allem schert der sich nicht um das Wohl und Wehe des Menschen. Das scheint mir der zentrale Punkt zu sein. Leider wird hier viel mit der Äquivokation des Begriffs ‘Gott’ gespielt: aus dem Unbewegten Beweger, der sich nach der Erschaffung des Unviersums zur Ruhe gesetzt hat, wird dann der Dreieinige (oder irgend ein anderer ‘Gott’, beispielsweise wenn der Forscher jüdischen Glaubens ist).

    Genauso bekannt ist, dass Evolutionsbiologen eher selten religiös sind (ich habe schon auf Ausnahmen hingewiesen). Das liegt vermutlich daran, dass in der Biologie eben der Zufall eine gewaltige Rolle spielt. Die Hoffnung der ‘natürlichen Theologie’ hat sich zerschlagen, man sieht eben keine Spuren eines eingreifenden Gottes in der Schöpfung. Und falls doch, ist man mit einem sehr problematischen Gottesbild konfrontiert: die genialsten Einrichtungen in der Natur findet man in Bereichen, die bestenfalls mit einer ‘gefallenen Schöpfung’ in Verbindung gebracht werden (ich empfehle, den Lebenszyklus des Kleinen Leberegels unter dem Aspekt, dass ein Schöpfer den bewusst erschaffen hat, zu betrachten) und so den ‘Fels des Atheismus’ (wie Büchner formulierte) enorm vergrößert: die Theodizee-Frage stellt sich dann in schärfster Form.

    So bleibt halt ‘one fits all’: man verschiebt ‘Gott’ immer weiter nach hinten, er spielt dann weder für die Natur noch für die Wissenschaft eine Rolle, aber man kann sich einreden, dass eine ‘höhere Macht’ alles erschaffen habe, selbst wenn man den Unterschied zu einem Universum ohne einen Schöpfer im Alltag nicht bemerkt.

    Das löst auch sehr elegant die Theodizee-Frage 😉

  407. Stephan Schleim
    30.03.2021, 07:18 Uhr
    “Zufall ist, wo Gott inkognito agiert”

    Es amüsiert mich immer köstlich, an einem Punkt, wenn man feststellen müsste, dass man keine Ahnung hat, warum etwas “ist” oder so erscheint, dann einfach “Gott” sagt und nun meint, damit alles erklärt zu haben.

    In dem Zusammenhang eine Anekdote:
    Als Kind saß ich im Fahrzeug und “philosophierte”, wie denn so ein Motor funktioniert, damit das Fahrzeug fährt …
    Klar, da gibt es einen “Zylinder”, darin ist ein “Kolben” und der wirkt auf … und das Fahrzeug fährt. Aber warum bewegt sich der Kolben? Vielleicht ein kleiner Motor im Zylinder, der den Kolben auf und ab schiebt? Das wäre möglich, ergibt aber die Frage, was den Kolben im kleinen Motor bewegt.
    Ein noch kleinerer Motor in dem kleinen Motor?
    Und dann?
    … … …
    Und dann habe ich “beschlossen” ( und darauf bin ich heute noch stolz! ), dass ich diese Frage jetzt ( in meinem Alter ) noch nicht klären kann, deshalb verschiebe ich diese Frage auf “später”.

    Klar, inzwischen weiß ich, wie das funktioniert, nur wundert mich heute, dass ich damals zwar wusste, dass man immer wieder “Benzin” in den Tank füllen muss, aber einen Zusammenhang zwischen “Benzin”, “Kolben” und “Vortrieb” habe ich damals nicht herstellen können.

  408. @ Karl Maier 29.03.2021, 23:43 Uhr

    Zitat: “Eine vom Menschen gebaute Technik mit einer biologischen Funktion zu vergleichen und aus der Technik womöglich noch Rückschlüsse auf die Biologie ziehen zu wollen, geht wohl fast immer und dann meistens gründlich daneben.“

    Mit dem Wort „fast“ sind Sie „fast“ ein Revolutionär. Früher ging es prinzipiell und immer und nur daneben, es war verpönt und völlig verrückt.

    Ein Auge hat einen „Licht – Signalwandler“, wie eine Kamera und zusätzlich einen „Mustererzeugungs- allenfalls auch Musterauswerte- Mechanismus“ eingebaut, den einer herkömmliche Kamera nicht hat. Daher ist es keine Kamera, hat aber Funktionen einer Kamera.

    Ein Neuron ist kein Gatter, erzeugt aber so etwas wie eine „qualifizierte UND“ Funktion, der genau den Unterschied zum „Computerdenken“ ausmacht.

    Dass es diese Unterschiede gibt, ist doch völlig klar. Nur ist es zumindest zweckmäßig, wenn man über derartige Sachverhalte diskutiert und wenn man keine Bezeichner für die Mechanismen hat, auf ähnliche aber mitunter völlig falsche Begriffe setzt.

    So flexibel, dass einem der Unterschied zur „wahren Realität“ klar ist, sollte man schon sein.

    Die Elektroniker sind es gewöhnt, weil sie wie alle Menschen, immer wieder „im Dunkeln tappen“ und auf der Suche nach „mehr Licht“ sind. Sie suchen immer wieder nach neuem und haben (noch) keine Begriffe dafür.

    Zitat: „Nur vermengen sollten wir das nicht und auch nicht versuchen, das Eine mit dem Anderen zu erklären.“

    Genau aber das machen Elektroniker um Sachverhalte erklären zu können. Es ist zwar ein schwerer Frevel gegen meine eigene an „Kategorien gebundene Sichtweise“ der Informatiker. (Aber in der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen).

    Elektroniker bezeichnen z.B. den Sachverhalt dass Daten abbildende Signale parallel und gleichzeitig über mehrere Leitungen geführt werden, oder sozusagen in „Paketen“ (Zeitschlitzen) seriell über eine Leitungen geführt werden, als „Bussystem“. Einfach weil die Daten sozusagen „gemeinsam reisen“ wie die Buspassagiere, aber es ist definitiv kein „wirklicher Bus“.

    Prof. Singer hat vermutlich Physik und Elektronik Wissen systematisch in die Hirnforschung „importiert“ und höchst erfolgreich implementiert. Ihm ist dies offensichtlich völlig klar, nur müsste er diese Denke vermutlich gegenüber seinen Fachkollegen in Abrede stellen, weil nicht sein kann was nicht sein darf. Wir dürfen nichts „vermengen“ und auch nicht versuchen, das Eine mit dem Anderen zu erklären. Aber genau das ist eine höchst erfolgreiche „brainstormige Entwicklungsstrategie“.

    Er wird so und so als Außenseiter angegriffen, weil bei Biologen sogar der Gedanke an so eine „Entwicklungsmethodik“ tabu ist.

    Ich bin für ein Denken ohne „Scheuklappen“.

  409. @Elektroniker: Ob Ihre Vorstellungen reale Relevanz haben oder sich im luftleeren Raum bewegen, müssen Sie auf einer konkreten experimentellen Ebene diskutieren. Ich hatte Ihnen einen Link geschickt, in dem ein künstliches Neuron beschrieben wird. Dieses Forum ist der falsche Ort dafür. Hier geht es um Philosophie, bestenfalls noch um rein theoretische Modellbildung. Denken Sie daran, beim Gehirn haben Sie es mit Leben zu tun und das ‘arbeitet’ anders als ein Computer, die Übertragbarkeit kann also nicht unmittelbar sein. Schauen Sie sich vielleicht mal dieses Video an: https://www.spektrum.de/video/wie-uebertragen-neurone-signale/1521535

  410. @Waschke: Zufall & Gott

    Daher geht aber auch bei den modernen Physikern alles mit rechten Dingen zu: der ‘Gott’, den sie postulieren, ist für das Leben nach der Schöpfung irrelevant.

    Na – das liest sich in dem Interview aber ganz anders. Demnach nennen wir göttliches Handeln “Zufall”.

    Und diese ganzen Gottesvorstellungen… Schon einmal auf den Gedanken gekommen, dass die entwickelt wurden, um Menschen etwas zu erklären, das mit Worten nicht zu erklären ist? Im Interview wird das als ja “Psychologisieren” erkannt.

  411. @Maier: Gott der Lücke

    Auch Dawkins hat sich an diesem “Gott der Lücke” ausführlich abgearbeitet; das ist nicht neu.

    Das mag jeder für sich entscheiden. Fakt ist, dass die (Natur-) Wissenschaft nicht alles erklären kann und wahrscheinlich auch nie wird erklären können. Ich habe schon Naturwissenschaftler gesprochen, die in einem philosophischen Moment sagten, je mehr wir wüssten, desto mehr wüssten wir vor allem, was wir nicht wissen.

    Und klar, wenn man den Verbrennungsmotor (interessanterweise: eine Erfindung der Menschen) als Metapher fürs Universum nimmt, dann vermittelt das ein gewisses Bild von der Komplexität der Dinge; meines Erachtens ein unbefriedigend unterkomplexes Bild.

  412. @Stephan, Thomas Waschke / Jenseits der Physik

    Interessant ist das Interview besonders im Vergleich mit der engagiert von Martin Mahner propagierten These (cf. DOI 10.1007/978-94-007-7654-8_56, Abstract)

    … that in science, naturalism is to be understood as a metaphysical presupposition, not a methodological one, and it examines the methodological consequences of this view with respect to empirical testability and scientific explanation. The naturalist metaphysics and methodology of science is contrasted with the supernaturalist ontology and methodology of religion, concluding that science and religion are both metaphysically and methodologically incompatible.

    Gemäss dieser These hätte es eigentlich keiner aus dem Wiener Trio mit religiösem Handicap auch nur bis zum Physik-Vordiplom schaffen dürfen. Können wir diese These inzwischen als falsifiziert ad acta legen?

    Als Privatmann kann Martin Mahner seinem metaphysischen Naturalismus freilich ganz nach Belieben huldigen — wer wollte ihn daran hindern? Womit er jedoch Anstoss erregt, ist der missionarische Eifer, mit dem er seinen Glauben als den einzig segensbringenden verficht und gleichsam als Pflichtfach für Wissenschafter hinzustellen versucht.

  413. @Chrys // 29.03.2021, 11:10 Uhr

    »In der Physik sind die sog. “Naturgesetze” stets objektsprachliche Formeln im Kontext irgendeiner Modellierung. Und als Kandidat für einen “rationalen Gesetzgeber” kommt dann nur der Modellierer in Betracht.«

    Es geht Barbara Drossel aber nicht um „sogenannte“ Naturgesetze (Modelle), sondern um solche, die es wirklich „gibt“ „innerhalb einer naturgesetzlich bestimmten Welt“ (B. Drossel, im Spektrum-Streitgespräch). Es geht ihr um das Phänomen der Gesetzmäßigkeit in den (oder bestimmten?) Naturvorgängen. Und da kommt als „rationaler Gesetzgeber“ eben nur einer in Betracht.

    Und klar, Metaphern sind nicht mit konkreten Phänomenen zu verwechseln, das weiß Barbara Drossel auch. Der Gottesbegriff ist da auch keine Ausnahme.

    Aber wenn es um Antworten geht auf Fragen, die über die Physik „hinausweisen“, wie es so schön heißt (man könnte auch sagen: „…die nichts mit Physik zu tun haben“), dann hat Barbara Drossel offenkundig für sich „plausible“ Antworten gefunden. Was kein Problem ist, solange diese Antworten im Privaten bleiben und keinen Anspruch allgemeine Gültigkeit erheben, wie wir das von den Kreationisten aller Coleur kennen.

    »Übertreibst Du da nicht ein wenig? «

    Nun ja, im Streitgespräch Drossel vs. Sommer hat nun mal die gläubige Frau Drossel die Karte: „Grenzen der Physik“ gezogen, und nicht der nichtgläubige Volker Sommer die entsprechende Karte „Grenzen der Philosophie oder Theologie“.

    Das läuft eigentlich immer so, religiös Gläubige scheinen der Überzeugung zu sein, mit den „Grenzen der menschlichen Erkenntnis“ hätten sie ein schlagendes Argument für ihren Glauben in der Hand.

  414. @Chrys // 29.03.2021, 21:30 Uhr

    »… ein “grenzüberschreitendes Gespräch” von 2013 mit drei prominenten Wiener Physikern…«

    Ja, in der Tat, da wird so manche Grenze überschritten … :- )

    (Wenn man’s recht bedenkt, vielleicht auch unterschritten, aus philosophisch-theologischer Sicht…)

    Wobei, wenn man dieses tiefgründige Interview vor dem Hintergrund der anthropologischen und evolutionspsychologischen Erklärungen des Glaubens an überempirische Akteure liest, gewinnt die Sache deutlich an Unterhaltungswert.

    Und man versteht, wieso niemand davor gefeit ist, einem religiösen Glauben anzuhängen.

    Justin Barret, beispielsweise, ein amerikanischer Psychologe (!) und gläubiger Christ, ist davon überzeugt, dass „believing in God is a natural, almost inevitable consequence of the types of minds we have living in the sort of world we inhabit.” (Sekundärquelle)

    Trifft diese scharfsinnige und naturalistisch anmutende Erklärung zu, dann ist der Atheismus etwas recht Unnatürliches, eine Einstellung, die dem Menschen nicht einfach gegeben ist, sondern unter Anstrengung kulturell erworben werden muss. Was dann leider zur Folge hat, dass es da nichts zu vererben gibt (allenfalls epigenetisch, aber streiten sich noch die Geister…).

  415. @Chrys // 30.03.2021, 10:54 Uhr

    » Gemäss dieser These [Mahners] hätte es eigentlich keiner aus dem Wiener Trio mit religiösem Handicap auch nur bis zum Physik-Vordiplom schaffen dürfen. «

    Mir scheint, da hast Du was falsch verstanden. Soweit ich weiß, haben alle drei privaten Glauben und wissenschaftliche Arbeit stets sauber voneinander getrennt, eben weil miteinander inkompatibel.

  416. @Chrys: Mahner

    Ich habe mich zu wenig mit Mahners Thesen im Original auseinandergesetzt, um mir ein Urteil zu erlauben, doch fand es nett, dass er sich hier kurz in die Diskussion einschaltete.

    Interessante Quelle übrigens! Vielleicht verwende ich sogar mal einen der Aufsätze in einem meiner Kurse, doch wahrscheinlich eher nicht Mahners.

    Almost all religiously oriented Muslim thinkers take harmony between science and Islam for granted…

    (Taner Edis & Saouma BouJaoude, 2014)

    Noch ein paar weiterführende Gedanken im nächsten Beitrag…

  417. @all: Mein Verdacht

    Beim Leib-Seele-Problem kam ich schließlich auf den Gedanken, dass wir Menschen mit unserem Denken (konkreten) Körper und (abstrakten) Geist erst auseinanderdividieren – und dann später daran verzweifeln, die beiden wieder zusammenzubringen. Dafür haben wir uns verschiedene Reduktionismen, Supervenienzen, Emergentismen usw. usf. ausgedacht.

    Jetzt bei der Diskussion über Religion will der Naturalist zeigen, dass es nichts Übernatürliches gibt. Da aber nirgendwo festgeschrieben ist, was die “Natur” eigentlich ist, besteht die Möglichkeit, dass das, was heute jemand für “Übernatur” und unmöglich hält, in Zukunft schlicht als Naturphänomen verstanden wird. Die Physiker, die etwas Göttliches im Zufall sehen, sind hierfür ein Beispiel. (Und wir erinnern uns noch einmal an @Reutlingers vortreffliche Logik: Physik ist, was Physiker sagen, dass sie ist.)

    Dann kollabiert letztlich das naturalistische Credo, es gebe nur Natur und nicht Übernatur, in einen tautologischen Satz der Form: Es gibt, was es gibt. Vielleicht führt dessen endlose Wiederholung den Naturalisten ja noch zu einer Art mystischer Erfahrung.

  418. @Balanus: Wissenschaft und Weltanschauungen

    Jeder Mensch hat eine, vielleicht sogar mehrere Weltanschauungen. Ein Punkt vieler Wissenschaftstheoretiker ist es, diese so transparent wie möglich zu machen, damit sie den Erkenntnisprozess nicht unbillig beeinflussen.

    Was kein Problem ist, solange diese Antworten im Privaten bleiben und keinen Anspruch allgemeine Gültigkeit erheben, wie wir das von den Kreationisten aller Coleur kennen.

    Warum muss nur der religiöse Mensch sein religiöse, der materialistische Mensch aber nicht seine materialistische Weltanschauung zur Privatsache machen?

  419. @Stephan Schleim 30.03.2021, 10:50 Uhr

    [Thomas Waschke] Daher geht aber auch bei den modernen Physikern alles mit rechten Dingen zu: der ‘Gott’, den sie postulieren, ist für das Leben nach der Schöpfung irrelevant.

    Na – das liest sich in dem Interview aber ganz anders.

    Ich habe dazu vor ein paar Minuten was geschrieben, das es aber auch mit zwei Versuchen nicht ins Forum schaffte, obwohl keine Links enthalten waren …

    Demnach nennen wir göttliches Handeln “Zufall”.

    Nicht wir, aber beispielsweise Hemminger oder Miller, die ich schon erwähnt habe. Aber auf keinen Fall Christen ™.

    Und diese ganzen Gottesvorstellungen… Schon einmal auf den Gedanken gekommen, dass die entwickelt wurden, um Menschen etwas zu erklären, das mit Worten nicht zu erklären ist? Im Interview wird das als ja “Psychologisieren” erkannt.

    Auf den Gedanken sind schon viele gekommen. Leider nicht allzu viele auf die alternative Auffassung, dass den Menschen eine Idee erklärt werden soll, der in der Realität nichts entspricht.

  420. @Balanus: “Justin Barret, beispielsweise, ein amerikanischer Psychologe (!) und gläubiger Christ, ist davon überzeugt, dass „believing in God is a natural, almost inevitable consequence of the types of minds we have living in the sort of world we inhabit.” “

    Ich denke, er hat in gewisser Weise recht. Unser Bewusstsein ist in der Lage, über uns und die Welt nachzudenken, uns zu allem Möglichen in Beziehung zu setzen. Deses Bewusstseinstheater erscheint uns wie ein Film, der nicht von uns produziert wurde. Da ist der Schritt nicht weit, aus Angst vor Krankheit und Tod einen “geistigen” Ausweg zu suchen und eine höhere Instanz anzunehmen.
    Wie auch immer scheint es geradezu folgerichtig, dass so etwas wie Religion entsteht.

  421. @Stephan Schleim 30.03.2021, 11:48 Uhr

    Naturalismus als Grundlage der (Natur)wissenschaft

    Warum muss nur der religiöse Mensch sein religiöse, der materialistische Mensch aber nicht seine materialistische Weltanschauung zur Privatsache machen?

    Weil (zumindest Natur-)Wissenschaft nur funktionieren kann, wenn man zumindest methodologisch naturalistisch arbeitet. Nur so kann man zu zeitkernigen intersubjektiv gültigen Aussagen gelangen.

    Beim Naturalisten harmonieren dann Weltbild und Forschung, daher muss er nichts zu einer Privatsache machen.

    Supranaturalisten müssen dagegen immer erst schauen, wie sie beide Welten unter einen Hut bekommen.

  422. @Stephan Schleim 30.03.2021, 11:44 Uhr

    ich denke, dass Sie in

    Mahner, M. (2018) ‘Naturalismus. Die Metaphysik der Wissenschaft’ Aschaffenburg, Alibri

    etliche Präzisierungen finden können.

    Jetzt bei der Diskussion über Religion will der Naturalist zeigen, dass es nichts Übernatürliches gibt.

    Ich sehe es eher so, dass der Naturalist Evidenzen für eine Übernatur sehen möchte, und ansonsten davon ausgeht, dass das, was ohne Evidenz behauptet wird auch ohne Evidenz verworfen werden kann.

    Daher ist die Aussage “Alles geht mit rechten Dingen zu” unter Fallibilitätsvorbehalt untadelig.

  423. Stephan Schleim
    30.03.2021, 10:53 Uhr

    Wie kommt es nur, dass ich bei Ihrer Wortwahl den Eindruck habe, dass Sie mich ( absichtlich? ) missverstehen ( wollen )?

    Ich habe ausgeführt, dass mich der “Gott der Lücke”, wie Sie es zitiert haben, amüsiert, ich habe nichts von “arbeiten” geschrieben, ich habe auch nicht behauptet, dass meine Erkenntnis “die erste war in ihrer Art und geschah zu der Zeit, als …”, ich gehe immer davon aus, dass, wenn schon ich eine Idee habe, doch tausende andere vor/neben mir auch schon diese Idee gehabt haben müssen.
    Ebenso sollte klar sein, dass mir klar ist, dass der Unterschied zwischen einem Verbrennungsmotor und dem Universum “deutlich” größer ist als der der Unterschied zwischen der Erkenntnis eines Kindes und der eines Professors der Philosophie.
    Bei meiner Anekdote ging es mir um die Methode der Erkenntnisgewinnung und wenn @Balanus einen Psychologen mit „believing in God is a natural, almost inevitable consequence of the types of minds we have living in the sort of world we inhabit.” zitiert, kann ich nur sagen, dass ich an anderer Stelle hier den engen Glauben an eine Gottheit bereits als einen Kollateralschaden bei der Menschwerdung bezeichnet habe, so viel zum “(konkreten) Körper und (abstrakten) Geist”.

  424. @Waschke: Evolution vs. Intelligent Design

    Na, wenn wir, wie ich gerade von einigen Physikern gelernt habe, im Zufall göttliches Handeln sehen und Evolutionstheorien von zufälligen Mutationen ausgehen, dann ist der Unterschied zwischen den beiden Lagern vielleicht gar nicht so groß, wie man oft denkt.

    (Das noch als kurze Reaktion auf Ihren Kommentar vom 25.3.)

  425. @Waschke: Harmonie

    Beim Naturalisten harmonieren dann Weltbild und Forschung, daher muss er nichts zu einer Privatsache machen.

    Mit Verlaub, doch wenn wir nun Harmonie zum Maßstab machen, dann muss ich eher ans Kunst- oder Musikseminar bzw. an einen Eso-Gesprächskreis denken.

    Wir haben doch nun vielfach festgestellt, dass mindestens

    (1) Agnostizismus;
    (2) ontologischer Naturalismus; und
    (3) bestimmte nicht-dogmatische religiöse Positionen

    mit einem methodischen Naturalismus (MN) widerspruchsfrei vereinbar sind. Wenn man jetzt behauptet, (2) “harmoniere” besser mit MN, das heißt über das Kriterium der Widerspruchsfreiheit hinausgeht, dann wird es dogmatisch und/oder subjektiv.

    Dazu auch noch im folgenden Kommentar:

  426. @Chrys 30.03.2021, 10:54 Uhr

    Mahner und Naturalismus

    Gemäss dieser These hätte es eigentlich keiner aus dem Wiener Trio mit religiösem Handicap auch nur bis zum Physik-Vordiplom schaffen dürfen.

    @Balanus hat das schon korrekt beantwortet.

    Wichtig ist, dass in diesem Artikel die Konflikt-These diskutiert bzw. auf der Basis derselben argumentiert wird (es gibt andere, Sie kennen sicher Barbours Klassiker), und vor dem von Ihnen zitierten steht:

    It argues that both science and religion are epistemic fields, trying to come up with true knowledge of the world.

    Diese Prämisse müssen Sie in das, was Sie zitiert haben, ‘einpreisen’, dann macht das sehr viel Sinn.

    Es ist ein Fakt, dass Naturwissenschaftler in ihren Modellen auf den ‘Gottesterm’ verzichten.

    Und solange Religion kein “epistemic field” ist, das versucht, “to come up with true knowledge of the world”, gibt es diesen Konflikt nicht. Wir sind dann bei NOMA von Stephen Jay Gould, mit dem weder Theisten noch Naturalisten viel anfangen können.

  427. @Stephan Schleim 30.03.2021, 13:09 Uhr

    [Thomas Waschke] Beim Naturalisten harmonieren dann Weltbild und Forschung, daher muss er nichts zu einer Privatsache machen.

    Mit Verlaub, doch wenn wir nun Harmonie zum Maßstab machen, dann muss ich eher ans Kunst- oder Musikseminar bzw. an einen Eso-Gesprächskreis denken.

    Es ging um die Frage, warum der Naturalist seine Auffassung als Standard betrachten darf, während die anderen Positionen etwas fürs stille Kämmerlein sind, vor allem, wenn sie eine Übernatur enthalten.

    Mahner hat sehr ausführlich begründet, warum der ontologische Naturalismus die Basis des methodologischen ist, genauer, die plausibelste Hypothese, warum dieses Verfahren funktioniert.

    Unter dieser Prämisse ist nur der Naturalismus mit der Methode der Naturwissenschaften kompatibel.

  428. @all: Naturalismus/Definitionen

    Matthews führt in dem von @Chrys erwähnten Sammelband folgende Definitionen ein:

    Methodological Naturalism (MN). This is the view that, when doing science, whatever occurs in the world is to be explained by natural mechanisms and entities and that these entities and mechanisms are the ones either revealed by science or in principle discoverable by science. (p. 1619)

    Er führt dann übrigens im nächsten Satz aus:

    This methodological presupposition does not rule out miracles or Divine interventions or other non-scientific causes; it just means that such processes cannot be appealed to while seeking scientific explanations.

    Und später dann:

    Ontological (or Metaphysical) Naturalism (ON). This is the view that there is a scientific explanation for all events, that supernatural explanations (e.g. Divine interventions, miracles) simply do not occur. (p. 1620)

    Der Schritt vom MN zum ON besteht also darin, eine wissenschaftliche Erklärung für alle Ereignisse in der Welt anzunehmen und dann auch noch zu schlussfolgern, dass es Ereignisse, die sich nicht wissenschaftlich erklären lassen, prinzipiell nicht geben kann.

    Wie wir hier in der Diskussion wieder und wieder gesehen haben, ist ON aber keinesfalls logisch zwingend (vgl. auch Logik der Induktion) und wahrscheinlich sogar falsch (vgl. die Überlegungen zu wissenschaftlichen Erklärungen).

    Eine größere “Harmonie” zwischen ON und MN kann ich so jedenfalls nicht feststellen.

    Matthews, M. R. (2014). International Handbook of Research in History, Philosophy and Science Teaching. Springer.

  429. @Waschke: Mahners Prämissen

    Ja – unter Mahners Prämissen ist Mahners Sichtweise am plausibelsten. Wir drehen uns hier im Kreis.

    Hier wird mit Wörtern gespielt: Anstatt “methodischen Naturalismus” könnte man es auch schlicht “wissenschaftliche Methode” nennen. Doch dann würde die Begriffsverwendung natürlich nicht so suggerieren, MN und ON stünden einander näher als MN und andere rational vertretbare Positionen. Diese Form der “Argumentation” ist nicht so meins.

  430. @Stephan Schleim 30.03.2021, 13:23 Uhr

    Ja – unter Mahners Prämissen ist Mahners Sichtweise am plausibelsten. Wir drehen uns hier im Kreis.

    Sie haben ja gerade dasselbe gemacht, nur mit anderen Prämissen, indem Sie sich auf Matthews bezogen. Die Frage ist nun, welchem Autor man warum folgen sollte. Es wird Sie nicht wundern, dass in derartigen Artikeln meist ein gefühltes Drittel des Raums dem Eingehen auf konkurrierende Sichten gewidmet wird. Es reicht daher nicht, ein paar Sätze zu zitieren.

    Hier wird mit Wörtern gespielt: Anstatt “methodischen Naturalismus” könnte man es auch schlicht “wissenschaftliche Methode” nennen. Doch dann würde die Begriffsverwendung natürlich nicht so suggerieren, MN und ON stünden einander näher als MN und andere rational vertretbare Positionen.

    Noch genauer: die Frage ist, warum die wissenschaftliche Methode funktioniert. Und ist dann letztlich eine ontologische Frage, die erklären soll, warum eine Epistemologie funktioniert.

  431. Stephan Schleim
    30.03.2021, 13:19 Uhr
    Der Schritt vom MN zum ON besteht also darin, eine wissenschaftliche Erklärung für alle Ereignisse in der Welt anzunehmen und dann auch noch zu schlussfolgern, dass es Ereignisse, die sich nicht wissenschaftlich erklären lassen, prinzipiell nicht geben kann.

    Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?

    Wenn ich den Text übersetze, erhalte ich:

    Das ist eine Sichtweise, in der es eine wissenschaftliche Erklärung für alle Ereignisse gibt, in der übernatürliche Erklärungen ( z.B. göttliche Eingriffe, Wunder ) einfach nicht vorkommen.

    Davon, dass es diese Ereignisse prinzipiell nicht geben könne, steht m.W. nichts in dem Text.

  432. @Maier: 1+1=2

    Nach Ihrer Übersetzung wäre der Ontologische Naturalismus (ON) gar kein ontologischer Naturalismus, sondern nur ein epistemischer.

    Nach Ihrer Übersetzung könnte es Ereignisse geben, die sich wissenschaftlich erklären lassen, obwohl sie übernatürlich sind (z.B. göttliche Eingriffe, Wunder).

    Willkommen in Maiers wunderbarer Welt der Widersprüche!

  433. @Waschke: wissenschaftliche Methode

    …warum die wissenschaftliche Methode funktioniert. Und ist dann letztlich eine ontologische Frage, die erklären soll, warum eine Epistemologie funktioniert.

    Na, weil es stabile Muster in der Welt gibt und das menschliche Denken sich Formalisierungen (v.a. der Mathematik) ausgedacht hat, diese zu fassen.

    Warum gibt es stabile Muster in der Welt? Manche religiöse Menschen werden sagen: Weil ein Gott das Universum so geschaffen hat. Naturalisten werden wohl sagen: Das ist Zufall (weil es halt so ist). Manche Physiker werden sagen, wie wir gerade gesehen haben: Zufall ist Gott.

  434. @Thomas Waschke / 30.03.2021, 13:35 Uhr

    »Noch genauer: die Frage ist, warum die wissenschaftliche Methode funktioniert. Und ist dann letztlich eine ontologische Frage, die erklären soll, warum eine Epistemologie funktioniert.«

    Ja, im Prinzip geht es um die Frage nach den apriorischen Bedingungen für die Möglichkeit von aposteriorischem, d.h. empirischem Wissen.

    Bei der Suche nach einer Antwort folgen Sie offenbar Bunge darin, schlicht und einfach `Materie’ sowie `Energie’ zu ontologisieren und zu glauben, damit eine “wissenschaftliche”, physikal. fundierte Metaphysik zu haben. Das ist aber Nonsense, denn Bunges metaphysische `Materie’ und `Energie’ haben mit den physikal. Konzepten gleichen Namens dann auch nicht mehr gemein als nur den Namen. Das ist nicht mehr als ein verbales Hütchenspiel, mit dem man sich ganz prima selbst an der Nase herumführen kann. Bunges metaphysische `Materie’ und `Energie’ passen indes haargenau hierhin (hatte ich ja kürzlich schon mal angebracht):

    Metaphysics has usually followed a very primitive kind of quest. […] So the universe has always appeared to the natural mind as a kind of enigma, of which the key must be sought in the shape of some illuminating or power-bringing word or name. That word names the universe’s PRINCIPLE, and to possess it is, after a fashion, to possess the universe itself. ‘God,’ ‘Matter,’ ‘Reason,’ ‘the Absolute,’ ‘Energy,’ are so many solving names. You can rest when you have them. You are at the end of your metaphysical quest.
    —William James, Pragmatism (1907)

    Sie wählen sich da zusammen mit Bunge `Matter’ und `Energy’ heraus, Frau Drossel bevorzugt hingegen `God’, doch mit Ihrer Auswahl sind Sie um keinen Deut wissenschaftlicher als Frau Drossel. Denn das ist gar keine Frage oder Angelegenheit von Wissenschaft.

  435. @Chrys 30.03.2021, 14:45 Uhr

    Ontologien

    Sie wählen sich da zusammen mit Bunge `Matter’ und `Energy’ heraus, Frau Drossel bevorzugt hingegen `God’, doch mit Ihrer Auswahl sind Sie um keinen Deut wissenschaftlicher als Frau Drossel. Denn das ist gar keine Frage oder Angelegenheit von Wissenschaft.

    Exakt, denn es geht nicht um die Frage, wie Wissenschaft funktioniert, sondern warum sie funktioniert. Das ist keine Frage mehr, die wissenschaftlich zu beantworten ist. Das ist ein anderer Thread.

    Vergessen Sie nicht, dass Bunge/Mahner ‘Ontologie’ und ‘Metaphysik’ synonym verwenden. Letztlich verstehen sie darunter ‘the world’s furniture’, also die Entitäten, mit denen man seine Welt ausstattet. Es geht, letztlich als IBE, darum, welche Ontologie man wählt. Wichtig ist, dass man sie begründen kann, und dass man sie unter Fallibilitätsvorbehalt vertritt.

    Da Frau Drossel (ich habe mit ihr schon ab und an mal gesprochen) eine Entität postuliert, die sie in ihren wissenschaftlichen Arbeiten nicht benötigt, sehe ich nicht, warum deren Ontologie im Bereich der Naturwissenschaften gleichwertig sein sollte.

    Nur nebenbei, wir reden über Naturwissenschaften, was aber nicht als despektierlich gegenüber anderen Wissenschaften zu verstehen ist.

  436. Stephan Schleim
    30.03.2021, 14:10 Uhr
    Nach Ihrer Übersetzung wäre der Ontologische Naturalismus (ON) gar kein ontologischer Naturalismus, sondern nur ein epistemischer.

    Ich denke, dass ich den vorliegenden Text wörtlich übersetzt habe, was Sie sich übersetzt haben, erschließt sich mir nicht, wenn ich beide Versionen vergleiche; tut mir leid.
    Vielleicht liegt das Problem aber auch darin, dass Sie sich ( aus meiner Sicht ) hinter den Worten ( ontologisch, epistemisch, was-weiß-ich ) verschanzen, um “das Ding an sich” zu erklären, während ich “das Ding an sich” sehe und feststelle, dass ich es ( noch oder überhaupt ) nicht erklären kann. Ich weigere mich aber einfach, für das, was ich nicht erklären kann, als treibende Kraft “Gott” zu anzunehmen, weil das das Problem nur dahin verschiebt, wo keine Diskussion und kein Erkenntnisgewinn mehr möglich ist.
    Es gibt einen jüdischen Witz ( Salcia Landmann ), in dem der Rabbi einem Schüler das “Wunder” erklärt:
    Ein Hirte findet in der Wüste einen Säugling, der nahezu verhungert ist. Der Hirte betet zu Gott um Hilfe, und der tut ein Wunder, dem Hirten wachsen Brüste und er kann das Kind säugen.
    Der Schüler fragt: “Warum macht Gott es so kompliziert – einem Mann wachsen Brüste, kann er nicht einfach geben Bargeld, damit der Hirte bezahlen kann eine Amme?
    “Törichte Frage”, ruft der Rabbi, “warum sollte Gott geben gutes Bargeld, wenn er tun kann ein Wunder?”
    Ich liebe diese Logik!

  437. @Stephan Schleim 30.03.2021, 14:19 Uhr

    [Thomas Waschke] …warum die wissenschaftliche Methode funktioniert. Und ist dann letztlich eine ontologische Frage, die erklären soll, warum eine Epistemologie funktioniert.

    Na, weil es stabile Muster in der Welt gibt und das menschliche Denken sich Formalisierungen (v.a. der Mathematik) ausgedacht hat, diese zu fassen.

    Ist ‘stabile Muster’ nicht synonym zu ‘es gibt keine eingreifende Übernatur’ AKA ‘es geht mit rechten Dingen zu’?

    Der Zusammenhang zwischen Sein und Mathematik (AKA Interpretation der Kalküle) ist zudem eine sehr knifflige Frage, wenn man kein Platonist ist.

    Warum gibt es stabile Muster in der Welt? Manche religiöse Menschen werden sagen: Weil ein Gott das Universum so geschaffen hat.

    Ja, aber leider bleiben sie dann nicht an diesen Punkt stehen. Sie meinen, dass dieser Gott eingreift. Dann fangen die Probleme an.

    Naturalisten werden wohl sagen: Das ist Zufall (weil es halt so ist).

    Üblicherweise wird das als ‘brute fact’ bezeichnet.

    ‘Zufall’ ist zudem ein Begriff, der auch nicht besonders einfach zu definieren ist. Vergleichen Sie beispielsweise, wie Intelligent Design-Vertreter diesen Begriff definieren, mit dem, was in der Evolutionsbiologie darunter zu verstehen ist.

    Manche Physiker werden sagen, wie wir gerade gesehen haben: Zufall ist Gott.

    Dann sollten sie den frommen Menschen sagen: Ihr glaubt an den Zufall.

    Die Theologen müssten dann klären, ob sich eine Welt, in der der Zufall Gott ist, von einer Welt unterscheidet, in der ein lieber Gott eine Heilsgeschichte schreibt oder gar von einer Welt ohne Gott.

    Ich glaube nicht, dass die Theologen die Physiker dabei als hilfreich empfinden würden.

  438. „Le hasard, en définitive, c’est Dieu“

    Das schrieb Anatole France in seinem Buch „Le Jardin d’Épicure“ (1906).

    Ohne jetzt den Kontext zu kennen: Das kann man durchaus so verstehen, dass „Gott“ als Erklärung nicht mehr gebraucht wird. Wo einst „Gott“ die Geschicke bestimmte, regiert nun der Zufall.

    Das Physiker-Trio hatte m. E. einen anderen Ansatz: Wenn Gott in das Naturgeschehen eingreifen will, kann er sich des Zufalls bedienen (denn dann fällt es nicht auf). Das Konzept „Gott“ wird also noch gebraucht.

    Ist schon eine lustige Vorstellung, dass ein religiös gläubiger Physiker eigentlich nie sicher sein kann, dass bei seinem gemittelten Messwert „alles mit rechten Dingen zugegangen ist“.

    Der nichtgläubige Physiker setzt das einfach voraus. Ist vielleicht ein Fehler… ;- )

  439. @Maier: hinter Wörtern verstecken

    Meinem Eindruck nach geht es gerade um diese Unterschiede: epistemisch, ontologisch usw., seit diese Serie hier Mitte Januar angefangen hat.

    Ontologischer Naturalismus ohne Ontologie ist für mich ein Unding.

  440. Stephan Schleim 30.03.2021, 16:24 Uhr

    Message an Matthews: Ontologischer Naturalismus ist eine Ontologie

    Ontologischer Naturalismus ohne Ontologie ist für mich ein Unding.

    100 Prozent Übereinstimmung 🙂

    Wie sehen Sie unter diesem Aspekt die Definition von Matthews, die Sie zitiert haben? Fanden Sie die Ontologie darin?

    War das nicht eher Epistemologie (Hint: “explanation”)?

  441. @Karl Maier / 30.03.2021, 13:41 Uhr

    Wenn ich den Text übersetze, erhalte ich:

    Das ist eine Sichtweise, in der es eine wissenschaftliche Erklärung für alle Ereignisse gibt, in der übernatürliche Erklärungen ( z.B. göttliche Eingriffe, Wunder ) einfach nicht vorkommen.

    Wenn google translate den Text übersetzt, erhalte ich:

    Dies ist die Ansicht, dass es eine wissenschaftliche Erklärung für alle Ereignisse gibt, dass übernatürliche Erklärungen (z. B. göttliche Interventionen, Wunder) einfach nicht auftreten.

    I’d say there is a difference which makes a difference.

  442. @Maier, Waschke: Definition

    Die Definition von ON hat nach meiner Lesart eine klare ontologische Komponente, denn sie sagt aus, dass alle Ereignisse, also konkrete Vorgänge in der Welt, so sind, dass sie sich (natur-) wissenschaftlich erklären lassen; und das schließt mit MN “Übernatürliches” aus.

    Ich denke ferner, dass “supernatural explanations” ein Druckfehler ist und es logischerweise hier “supernatural events” heißen müsste.

  443. @Thomas Waschke / 30.03.2021, 15:09 Uhr

    Zumindest hinsichtlich der Art der Fragestellung scheint sich ein Konsens abzuzeichnen. Doch zweierlei möchte ich dazu noch anmerken.

    Für ihre professionelle Arbeit als Physikerin benötigt Frau Drossel keine Entität `Gott’, ganz klar. Sie benötigt dafür aber auch keine ontologische `Energie’ oder `Materie’ à la Bunge. Der Witz ist schliesslich, dafür benötigt sie überhaupt keine Metaphysik — in Kontrast zu Mahners Statement, “that in science, naturalism is to be understood as a metaphysical presupposition“.

    »Wichtig ist, dass man sie [die gewählte Ontologie] begründen kann, und dass man sie unter Fallibilitätsvorbehalt vertritt.«

    Die Forderung nach Fallibilität würde eine Entscheidbarkeit des “Problems der Metaphysik” bedingen, die allerdings (gemäss Stegmüller) gar nicht gegeben ist. Nach welchen Kriterien sollte denn absolut entscheiden werden, welche Metaphysik die “richtige” ist? Entschieden werden kann da jeweils nur ganz individuell.

  444. @Chrys: Ontologische Voraussetzung der Naturwissenschaft…

    …ist allenfalls ein erkenntnistheoretisch-optimistischer Realismus. Einverstanden?

    (Btw. Matthew sieht den Materialismus als Unterform des Naturalismus als Unterform des Realismus.)

  445. @Chrys 30.03.2021, 18:39 Uhr

    Das ganze Hin und Her kommt doch nur daher, dass die Gläubigen aus der Naturalistenecke einerseits (z. B. Mahner) und die aus der Intelligent-Design-Ecke andererseits (z. B. Drossel) für ihre Sicht der Dinge missionieren. Aber es geht eben auch ohne das, meint der Skeptiker. Zaungast sein macht Spaß – für begrenzte Zeit. Hineinziehen lässt man sich besser nicht.

  446. @Stephan // 30.03.2021, 11:48 Uhr

    » Warum muss nur der religiöseMensch sein religiöse, der materialistische Mensch aber nicht seine materialistische Weltanschauung zur Privatsache machen? «

    Müssen muss der religiöse Mensch nicht, aber er sollte. Beim materialistischen Menschen hingegen spielt diese Trennung keine Rolle, weil es von vorneherein keinen Konflikt geben kann zwischen Weltanschauung und den Ergebnissen seiner naturwissenschaftlichen Forschungsarbeit. Für den Materialisten existiert von sowieso nur das, was sich beobachten, messen und evtl. erklären lässt. Aber wem sage ich das… ;- )

  447. @Schleim
    stabile Muster.
    Naturalisten werden wohl sagen: Das ist Zufall (weil es halt so ist).

    Viele Zufälle sind nur scheinbare Zufälle, weil wir die Hintergründe nicht kennen. Stabile Muster können zwingend aus den Gesetzen der Physik entstehen. Antagonistische Kräfte, also anziehende und abstoßende, können zu Gleichgewichtszuständen führen. Atome sind sehr stabile Muster, jedenfalls die leichteren davon, mit einem elektropositiven Kern und den negativen Elektronen.

    Auch die Bahn der Erde um die Sonne bildet ein stabiles Muster, nicht ewig, aber lange genug für die Menschheit. Das sind keine Zufälle; ein für uns günstiger Zufall ist der Abstand der Erde von der Sonne. Aber bei mehreren Planeten ist auch das kein wirklicher Zufall. Im Gegensatz zu technischen Systemen kennt die Natur große Toleranzen und Bandbreiten, siehe besonders die biologische Evolution.

    Lebende Organismen sind im Fließgleichgewicht, d.h. sie sind fern eines Gleichgewichtszustandes, streben einen solchen aber ständig an. Auch dabei entstehen stabile Muster. Ein stabiles Muster wie die DNA existiert seit über 3 milliarden Jahren ohne Unterbrechung.

    Hier wurde viel über das Auge geschrieben. Die Rezeptoren der Zapfen und Stäbchen in der Netzhaut sind nach innen gerichtet, nicht nach außen, wie man von einem “intelligenten Designer” erwarten würde. Das Licht muss also drei Zellschichten durchdringen, bevor es auf die Rezeptoren trifft. Auch das scheint ein stabiles Muster zu sein, denn es ist weit verbreitet in der tierischen Natur und ist offenbar erfolgreich. Ob der Designergott sich da einen Scherz erlaubt hat?

  448. @Stephan Schleim 30.03.2021, 13:04 Uhr

    Na, wenn wir, wie ich gerade von einigen Physikern gelernt habe, im Zufall göttliches Handeln sehen und Evolutionstheorien von zufälligen Mutationen ausgehen, dann ist der Unterschied zwischen den beiden Lagern vielleicht gar nicht so groß, wie man oft denkt.

    (Das noch als kurze Reaktion auf Ihren Kommentar vom 25.3.)

    Meiner Meinung nach steckte in dem Kommentar noch deutlich mehr, aber okay.

    In der Evolutionsbiologie bedeutet ‘Zufall’ einfach ‘ohne Zusammenhang mit den Selektionsbedingungen’. Mutationen sind nicht im strengen Sinn ‘zufällig’ etwa in dem Sinn, dass das Auftreten einer Mutation nicht kausal verursacht wird oder für alle Sequenzen bzw. Basen gleich wäre.

    Für Intelligent Design bedeutet ‘Zufall’ einfach ‘alles, was kein Design ist”. Und nein, der Designer versteckt sich nicht, er sendet Design-Signale. Beispielsweise Fine-Tuning, Irreduzible Komplexität, Spielerische Komplexität, Schönheit und so weiter. Bei Bedarf kann ich gerne Literatur nennen.

    Das sind Welten, die die beiden Positionen trennen, und genauso von den vielen Positionen der drei Physiker.

    Und wenn nun Physiker zu diesen Fragen etwas sagen, frage ich mich, was sie als Physiker in diesen Bereichen kompetent machen sollte.

    Für mich wird aus dem Interview nur klar, dass alle Register gezogen werden, um irgendwie den Begriff ‘Gott’ ins Spiel bringen zu können, obwohl keiner so recht weiß, was darunter zu verstehen sein könnte.

    [Thirring]: Aber wo genau man die Trennungslinie zieht zwischen atheistisch und nicht atheistisch, das ist ein bisschen willkürlich.

    Spricht irgendwie nicht dafür, dass das Konzept ‘Gott’ irgendwie Sinn machen würde. Aber es hat echt Unterhaltungswert, dem Atheisten vorzuwerfen, dass Theisten sich nicht klar ausdrücken.

    [Thirring]: Der Mathematiker Hermann Bondi, der eigentlich kein Vorkämpfer der Religion war, hat einmal gesagt, der Atheismus ist eigentlich logisch inkonsistent: Denn wie kann man etwas verneinen, das so vage definiert ist?

    Echt eine Perle für das Ignostiker-Herz. Stimmt, das ist ein guter Grund, sich nicht als Atheist zu bezeichnen (ich erinnere an die Diskussion zwischen Drossel und Sommer, da hat Sommer auch so ähnlich argumentiert), ‘Naturalist’ ist viel stringenter, Atheismus ist nur ein Corollar, denn die Ablehnung welchen Gottes auch immer nur eine von vielen, vielen supranaturalistischen Entitäten.