Was wir vom Rätsel Bewusstsein lernen können

Abschluss der Serie: Warum wir für Mensch und Natur eine andere Wissenschaft brauchen

Serie in sechs Teilen

  1. Grundlagen: Materialismus, Reduktionismus, Ontologie & Epistemologie (3.2.2021)
  2. Zwischenbilanz & Erklärung von Alltagsphänomenen (8.2.2021)
  3. Naturalismus & Ost vs. West (15.2.2021)
  4. Intermezzo: Konflikt oder Vereinbarkeit? (22.2.2021)
  5. Zwischenfazit (1.3.2021)
  6. Was wir vom Rätsel Bewusstsein lernen können (15.3.2021)

Am Anfang dieser Serie haben wir das erkennende Subjekt in den Mittelpunkt gerückt: Was sind überhaupt die Voraussetzungen unseres Wissens? Auch jede wissenschaftliche Tätigkeit enthält bestimmte Annahmen darüber, wie die Welt erkannt werden kann. In einem Exkurs haben wir gesehen, dass wissenschaftliche Erklärungen von Alltagsphänomenen oft nur vorläufig sind. Unser Zwischenfazit zum Thema Wissenschaft & Religion war, dass sich diese Sphären nicht zwingend widersprechen müssen – was zum empirischen Beleg passt, dass auch die Mehrheit der Naturwissenschaftler das so sieht.

Damit haben wir den Rahmen für den Schlussteil abgesteckt: Die Welt ist nicht so schwarzweiß, wie sie sich viele Naturalisten und Materialisten vorstellen. Am Rätsel Bewusstsein werden wir jetzt nachvollziehen, was uns eine vollständige wissenschaftliche Erklärung des Phänomens nutzen würde – und was nicht. Die großen Fragen und Herausforderungen der Menschheit würden bleiben. In der westlichen Wissenschaft hat sich leider ein Spezialistentum verbreitet, das zu oft an den Problemen der Lebenswelt vorbeigeht.

Rätselhaftes Bewusstsein

Die westliche Zivilisation hat zwar Menschen auf den Mond gebracht, kann aber noch nicht einmal eine einzige anerkannte psychische Störung im Gehirn identifizieren (Antwort auf die Frage: Was heißt es, dass psychische Störungen Gehirnstörungen sind?). Dabei hat man seit der “Dekade des Gehirns”, den 1990ern, viele Milliarden in diesen Bereich investiert. Das ist eine Anomalie für den biomedizinischen Ansatz zum Verständnis des Menschen – und sollte uns zu Bescheidenheit mahnen.

Dabei hat es große Durchbrüche in der Biomedizin gegeben: Denken wir an das Humangenomprojekt im Jahr 2000, neue bildgebende sowie intervenierende Verfahren für die Erforschung des Gehirns und die heutige Bündlung der Kräfte im europäischen Humangehirnprojekt. Erinnern wir uns noch einmal an das, was elf führende Hirnforscher anno 2004 in ihrem berühmten Manifest der Öffentlichkeit versprachen:

“Geist und Bewusstsein – wie einzigartig sie von uns auch empfunden werden – fügen sich also in das Naturgeschehen ein und übersteigen es nicht. Und: Geist und Bewusstsein sind nicht vom Himmel gefallen, sondern haben sich in der Evolution der Nervensysteme allmählich herausgebildet. Das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis der modernen Neurowissenschaften.”

Das Manifest führender Hirnforscher, 2004

Stand der Bewusstseinsforschung

Dem sollte man die neuere Überblicksarbeit von Christof Koch, einem der Autoren des Manifests, sowie einigen anderen führenden Bewusstseinsforschern aus dem Jahr 2016 gegenüberstellen (Koch et al., 2016). Darin räumen die Fachleute nämlich ein, sich in Experimenten lange Zeit über das untersuchte Phänomen geirrt zu haben:

Anstatt Bewusstsein, habe man meist Aufmerksamkeit untersucht. Die frontalen Bereiche der Großhirnrinde, auf die wir Menschen oft so stolz sind, scheinen demnach fürs Bewusstsein gar nicht relevant zu sein, sondern mehr fürs Ausführen von Instruktionen. Das nennen wir in der Psychologie oft “exekutive Funktionen”. Spezifische Vorgänge fürs Bewusstsein verortet man jetzt in einer “hinteren heißen Zone” (engl. “posterior hot zone”), also einem unscharf definierten Netzwerk in den Parietal-, Temporal- und Okzipitallappen.

Vielversprechende Kandidaten aus der Neurophysiologie, gewonnen mit der zeitlich sehr viel genaueren und seit den 1930ern entwickelten Elektroenzephalographie (EEG), haben auch keinen Durchbruch gebracht: Auch die Gamma-Synchronizität, die von Wolf Singer, einem anderen Autor des Manifests, mitentdeckt wurde, signalisiere eher Aufmerksamkeit. Das P3b-Signal, das ca. 300ms nach einer Stimuluspräsentation gemessen werden kann, fehle zu oft, wenn Menschen etwas zweifellos bewusst wahrnehmen. Ähnlich verhält es sich mit dem Aktivitäts-EEG.

Hier im Blog hatte ich schon 2012 erklärt, warum dieser reduktionistische Ansatz zu kurz greift (Warum der Neurodeterminist irrt). Dummerweise hat die einseitige Ausrichtung der Wissenschaft aber auch einen Preis.

Der Preis des Neuro-Reduktionismus

Auf der ernüchternden Suche nach einem “neuronalen Korrelat des Bewusstseins” hat man nämlich in alternative Ansätze – man denke nur an die Phänomenologie – kaum mehr investiert. Diese Alternative sieht Bewusstsein als ein subjektives Phänomen an, das primär von innen heraus verstanden werden muss. Als sich in der Psychologie der alles objektivieren wollende Behaviorismus durchsetzte, kanzelte man die Phänomenologie und mit ihr die Introspektion (wörtlich: Innenschau) als zu ungenau ab. Ich wage zu bezweifeln, dass die heutigen Hirnscans so viel genauer sind – und vor allem: uns mehr über Bewusstsein verraten.

Besonders bitter ist das für Psychiatriepatienten: Denn mit der Suche nach den neuronalen Mechanismen (“Schaltkreisen”) für psychische Störungen geht die Hoffnung nach neuen Therapien einher. Nach über 170 Jahren Suche kann man aber noch keine einzige psychische Störung aufs Gehirn reduzieren (Antwort auf die Frage: Was heißt es, dass psychische Störungen Gehirnstörungen sind?).

Man forscht immer weiter und weiter und verschiebt so die Hoffnung auf neue Behandlungen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Zählt das heutige Leiden der allein in Europa vielen Millionen Patientinnen und Patienten etwa nicht?

Glücklicherweise hat man sich nun in Teilen der Humanwissenschaft vom reduktionistischen Denken gelöst, weil es einen in vielen Fällen nicht weiterbringt. Der neue Ansatz des “New Mechanism” integriert verschiedene Erklärungsebenen, anstatt sie auf irgendeine grundlegende Ebene zurückzuführen. Die Zukunft sieht interdisziplinär und vielschichtig aus, nicht einseitig. Das sind schlechte Neuigkeiten für die eingangs erwähnten Materialisten und Naturalisten.

Von Mechanismen zum Sinn

Doch nehmen wir einmal an, wir hätten eine vollständige naturwissenschaftliche Erklärung vom Bewusstsein. Was wüssten wir, wenn wir genau wüssten, wo und wann im Nervensystem bei diesem oder jenem psychischen Prozess etwas mehr Strom fließt? Schon Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) dachte sich hierfür ein treffendes Gedankenexperiment aus: Selbst wenn wir ein denkendes System so vergrößern könnten, dass wir in ihm herumlaufen und es studieren könnten wie eine Windmühle, würden wir das Wahrnehmen, Denken und Fühlen so nicht verstehen (Monadologie, §17).

Rund 150 Jahre später hat der berühmte Physiologe Emil du Bois-Reymond (1818-1896) mit seiner Ignorabimus-Rede aufsehen erregt, als er behauptete, wir würden niemals verstehen, wie aus Materie und Energie Gedanken entstehen. Bis heute haben er und Leibniz Recht behalten, während die Versprechen der Autoren des Manifests, die man mit ihrem Programm wohl als Naturalisten bezeichnen darf, weiter uneingelöst sind. Karl Popper (1902-1994) sprach bereits vom “Schuldscheinmaterialismus”, der die fehlende Erklärung immer weiter in die Zukunft verschiebt.

Doch fragen wir uns noch einmal: Was wüssten wir eigentlich, wenn es einmal so eine Erklärung des Bewusstseins gäbe? Inwiefern würde sie uns als Menschheit weiterbringen? Gäbe uns eine Theorie des Bewusstseins oder gar eine Weltformel Anleitung fürs Leben? Wohl kaum. Selbst wenn wir von jedem Atom, subatomaren Teilchen, jedem Energiequäntchen im Universum Ursprung, Herkunft und Ziel wüssten, würde daraus nichts für Bedeutung und den Sinn unseres individuellen Lebens und als Menschheit folgen. Die Frage, wie wir richtig und gut leben und zusammenleben können, bliebe offen.

Orientierung und Einheit

Es ist kein Zufall, dass “Materialismus” in der Alltagssprache bedeutet, dass Gewinn und Besitz – was wir landläufig “materielle Güter” nennen – das Wichtigste im Leben sind. Denn in der Welt des philosophischen Materialismus sind Werte nicht vorgesehen: Es herrscht ein Nihilismus, alle Standpunkt sind gleich sinnlos. Ohne moralische Orientierung werden Menschen im Endeffekt wohl schlicht das tun, was ihr Belohnungssystem aktiviert; und dies wiederum ist eine Folge angeborener Strukturen und sozialer Konditionierung.

Wir sehen, dass uns dieser Standpunkt keine Leitlinien bietet: Weder dafür, wie wir selbst leben sollen, noch wie wir mit anderen Menschen oder anderen Völkern zusammenleben sollen. Allerdings stimmt auch der Gegenstandpunkt, dass Religionen nicht zwingend notwendig für ein Wertesystem sind und sie auch nicht immer die besten Werte vermitteln. So weit ist man in der Philosophiegeschichte aber schon lange. Woran sollen sich Menschen im 21. Jahrhundert also orientieren?

Diese Lücke können die Natur- und Sozialwissenschaften nicht auffüllen. Wie im Werturteilsstreit Anfang des 20. Jahrhunderts überzeugt dargelegt wurde, dürfen die Wissenschaften politische Ziele nur nach Vorgabe informieren, etwa in der Form: Wenn die Reduktion der sozialen Ungleichheit oder der Umweltverschmutzung ein Ziel ist, dann ist Gesetz soundso die beste Wahl. Die Zielsetzung selbst kann aber nicht aus der Wissenschaft kommen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass diese im demokratischen Entscheidungsfindungsprozess zustande kommen soll – auch wenn man den heutigen Zustand etlicher Demokratien kritisieren kann (und vielleicht sogar muss).

Es ist aber schlicht eine empirische Tatsache, die auch und vor allem die Naturalisten anerkennen sollen, dass sich die große Mehrheit der Menschheit außerhalb der säkularen westeuropäischen Enklave nach wie vor an religiösen Systemen orientiert. Und selbst aus dem Westen pilgern seit den 1960er Jahren viele Sinnsucher nach Asien.

Das Leben scheint ohne Spiritualität oder gar Religion unangenehm leer zu sein. Und in den östlichen Kulturen gibt es genügend Orientierung, die dem Einzelnen im Ganzen Sinn und Bedeutung gibt: beispielsweise der Konfuzianismus mit der moralischen Natur der Welt, der Daoismus mit seinem dao (Weg), ähnlich dem japanischen do (Weg), oder der Hinduismus mit dharma und karma (etwa: moralische Ordnung beziehungsweise Gesetz von Ursachen und Wirkungen des Handelns).

Zusammenfassung & Ausblick

Wir stehen am Ende einer philosophischen Reise, die doch nur einen Anfang markiert: den Anfang unseres zukünftigen Lebens.

Wir sprachen über Materialismus, Dualismus, Reduktionismus, Physikalismus und Naturalismus. Wir haben etwas über den wichtigen Unterschied von Ontologie und Epistemologie (Seins- und Erkenntnislehre) gelernt. Wir haben uns kritisch mit (natur-) wissenschaftlichen Erklärungen auseinandergesetzt. Wir haben gelernt, dass selbst dann, wenn es eine naturwissenschaftliche Erklärung des Bewusstseins gäbe, diese uns keine Orientierung bieten würde.

Die philosophische Frage nach dem tiefsten Wesen der Welt ist wahrscheinlich unentscheidbar; darum wird sie seit über 2.000 Jahren immer wieder neu gestellt. Wer die Welt mit dem identifizieren will, was sich (natur-) wissenschaftlich erklären lässt, der darf das tun, sollte andere Standpunkte – und damit den größten Teil der Menschheit – aber nicht aus der Diskussion ausschließen.

Immerhin sind angesichts der Herausforderungen von Bevölkerungswachstum, Klimawandel und Wohlstandsungleichheit, um nur ein paar herauszupicken, konstruktive Lösungen für ein friedliches Miteinander dringender dann je. Zudem hört derjenige auf, zu lernen, der meint, schon alles zu wissen. Dies ist eine alte asiatische Weisheit.

Wir haben im Westen eine hochentwickelte Technologie – doch haben wir wirklich gelernt, sie überwiegend zum Wohl von Mensch und Natur einzusetzen? Und hat die Technologie nicht an vielen, viel zu vielen Stellen neue, noch größere Probleme geschaffen?

Bescheidenheit

Ein Blick auf die Welt sollte uns eher bescheidener werden lassen. In der seit über einem Jahr andauernden Corona-Pandemie wird schon das Loblied auf die Wissenschaft gesungen: Immerhin habe man noch nie so schnell einen Impfstoff entwickelt. Noch ist die Krise aber nicht überwunden. Und wir laufen der Natur immer nur hinterher. Wenn es neue Mutationen gibt, stehen wir vielleicht wieder am Anfang. Und die wissenschaftlich-technisch beschleunigte Welt begünstigt die Entstehung und Verbreitung solcher Krankheiten.

Natürlich ist auch die Kritik an Religionen wichtig und muss sie immer wieder erneuert werden. Hierzu gibt es aber seit Feuerbach, Marx, Nietzsche und Freud – also bereits seit dem 19. Jahrhundert – gewichtige Beiträge. Um die Tatsache, dass viele Menschen dennoch spirituelle oder religiöse Orientierung suchen, kommen wir aber nicht herum.

Das lässt sich nicht bloß damit ändern, wie immer noch viel zu viele Naturalisten zu glauben scheinen, diesen Menschen bloß genug “Fakten” zu vermitteln. Diese Haltung zeugt selbst von einem Mangel an Psychologie. Und die auch von Richard Dawkins und anderen Naturalisten vorangetriebene Spaltung in “Supers” (damit sind Aber- bzw. Gottgläubige gemeint) und “Brights” (wörtlich: die Schlauen) polarisiert die Gesellschaft immer weiter.

Wir haben im Westen insbesondere auch Philosophie, Soziologie und Psychologie von Spiritualität und Religion getrennt, was so in vielen asiatischen Kulturen nicht der Fall ist. In Asien erwartet man von Philosophie und Psychologie Antworten für das Leben – wofür hat man sie sonst? Das dürfte einen Teil des heutigen Reizes für so viele Westler erklären.

Für die Trennung dieser Bereiche im Westen gibt es natürlich historische wie fachliche Gründe – aber wenn Philosophen nur noch Begriffe analysieren, Psychologen nur noch das am einfachsten Messbare erforschen oder, um es mit dem Universitätsaussteiger Hans Harbers zu sagen, hochspezialisierte Wissenschaftler nur noch die Fragen beantworten, die sie einander stellen, dann ist uns etwas Wertvolles verlorengegangen.

Die gute Nachricht ist, dass wir von anderen Kulturen lernen können, dass es auch anders geht. Es wäre nicht das erste Mal in unserer Geschichte, dass wir vom Osten etwas lernen, das wir im Westen lange vergessen haben. Die Zukunft der Menschheit und der Welt sollte es uns wert sein.

Literatur

Titelgrafik: geralt auf Pixabay.

Avatar-Foto

Die Diskussionen hier sind frei und werden grundsätzlich nicht moderiert. Gehen Sie respektvoll miteinander um, orientieren Sie sich am Thema der Blogbeiträge und vermeiden Sie Wiederholungen oder Monologe. Bei Zuwiderhandlung können Kommentare gekürzt, gelöscht und/oder die Diskussion gesperrt werden. Nähere Details finden Sie in "Über das Blog". Stephan Schleim ist studierter Philosoph und promovierter Kognitionswissenschaftler. Seit 2009 ist er an der Universität Groningen in den Niederlanden tätig, zurzeit als Assoziierter Professor für Theorie und Geschichte der Psychologie.

1.121 Kommentare

  1. Nur zwei Anmerkungen :

    1.) zu :

    Die westliche Zivilisation hat zwar Menschen auf den Mond gebracht, kann aber noch nicht einmal eine einzige anerkannte psychische Störung im Gehirn identifizieren […] Das ist eine Anomalie für den biomedizinischen Ansatz zum Verständnis des Menschen – und sollte uns zu Bescheidenheit mahnen.

    Die Technologie, die hinter der Mondbesteigung (so wurde das damals genannt und klingt, wie einige finden, auch heute nicht schlecht) steht, ist nicht so-o komplex, wenn mit den Versuchen einer oder mehrerer “CPUs” verglichen wird in andere “CPUs” zu schauen. – Versus ‘Anomalie’.
    An sich wäre echtes Weltwissen hier erforderlich, nicht wahr? (anders denken womöglich nur sog. Szientisten), also weggehend von der szientifischen skeptizistischen Methode, die ja “nur” naturwissenschaftliche Theorien als Provisorien mit unbekanntem Scope und unbekanntem Verfallsdatum kennt. (Das in Anführungszeichen geschriebenen Nur ist natürlich wundervoll und sozusagen zentrales Leistungsmerkmal dieser Methode.)
    Leider steht “echtes Weltwissen” dem erkennenden Subjekt, das Weiltteilnehmer und nicht Weltbetreiber ist, nicht zV, definitorisch bereits nicht.

    2.) zu :

    Die gute Nachricht ist, dass wir von anderen Kulturen lernen können, dass es auch anders geht.

    Es geht immer anders, bspw. barbarisch oder animalisch.
    Was ist “westlich”`? – Dr. Webbaer regt an diese Metaphorik an das Sapere Aude! zu binden, die u.a. zur Aufklärung, zur modernen skeptizistischen Naturwissenschaftlichkeit (es wird ja, dankenswerterweise, nicht mehr verifiziert) und zu der bekannten und auch in der BRD geübten Herrschaftsform geführt hat. (Fernab also von Richtungen, die diesen Planeten meinen.)

    Lernen ohne Vernunft geht nicht, insofern gilt es u.a. auch auf dem genannten Kontinent genau hinzuschauen, pfiffig war man womöglich in Fernost, seit langer Zeit, Yin und Yang und so. Dr. W seziert gelegentlich alte fernostasiatische Schriften.
    Von (traditioneller) fernöstlicher Medizin oder “Medizin” raten, dies nur ein Beispiel, einige abär streng ab.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer (der nichts gegen den Begriff “Europäische Aufklärung” hat, auch wenn so auch anderswo, bspw. in Asien oder Amerika (Europäer, fürwahr – dennoch diese “Westlich”-Metaphorik in Frage stellen) ebenfalls zeitnah gedacht worden ist)

  2. Eine Zielsetzung könnte sein,sich nicht der globalen demographischen Entwicklung preis zu geben,sondern aktiv eine Schrumpfung auf 1 mrd anzugehen und sich eine globale Selbstbeschränkung der Masse des homo sapiens aufzuerlegen:Freiraum für Wildnis und Evolution.

  3. @Webbär: Mond, Mars… und was dann?

    Es war wohl vor allem auch eine politische Machtdemonstration: Yes, we can! First!

    Über die naive Technikgläubigkeit, man könne ja den Mars kolonisieren, wenn man erst inmal die Erde ruiniert hat, kann ich mich nur wundern.

  4. @Webbär: Ost/West & Aufklärung

    In Indien gab es wohl schon Jahrhunderte früher Universitäten als in Europa. Man müsste erst einmal die Geschichte akkurat und frei von kolonialistischem Rassismus erzählen. Mir wurde darüber an der Philosophischen Fakultät wirklich nichts beigebracht. Lesetipp: Taking Back Philosophy.

    Und die Aufklärung, wo ist die eigentlich hin? Hätte man in Asien nicht unsere antiken Quellen bewahrt, dann hätte es in Europa wohl nicht so eine Renaissance gegeben.

  5. @ Kommentatorenfreund ‘Mussi’

    Sicherlich ist diese Klammer :

    Wir haben im Westen insbesondere auch Philosophie, Soziologie und Psychologie von Spiritualität und Religion getrennt, was so in vielen asiatischen Kulturen nicht der Fall ist.
    […]
    Die gute Nachricht ist, dass wir von anderen Kulturen lernen können, dass es auch anders geht.

    … im Sinne des Sapere Aude! ungünstig gesetzt.

    Darum wird Dr. W ja auch, nicht despektierlich meinend, ein wenig sozusagen geil, geilie (den Komparativ meinend) bis geilomat, den Superlativ meinend, vgl. auch mit ‘geilon’, McFittie (“MC Fittie) war so freundlich hier semantisch zu ergänzen.


    Das Weltverständnis, es darf an dieser Stelle auch mit dieser freundlicherweise von der NASA bereit gestellten kleinen Animation verglichen werden :

    -> https://www.youtube.com/watch?v=uaGEjrADGPA (die ursprüngliche Animation basierte auf dem mittlerweile inkriminierten sogenannten Flash-Player und wird aus diesem Grunde hier nicht webverwiesen)

    …ist kompiziert.


    Sicherlich muss in diesem Sinne – ‘Wir haben im Westen insbesondere auch Philosophie, Soziologie und Psychologie von Spiritualität und Religion getrennt, was so in vielen asiatischen Kulturen nicht der Fall ist.’ ein ‘reaktionär’, die Iden und Werte der Aufklärung meinend, gesetzt werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  6. Sicherlich muss in diesem Sinne – ‘Wir haben im Westen insbesondere auch Philosophie, Soziologie und Psychologie von Spiritualität und Religion getrennt, was so in vielen asiatischen Kulturen nicht der Fall ist.’ – ein ‘reaktionär’, die Ideen und Werte der Aufklärung meinend, gesetzt werden.

  7. @Mussi: Schrumpfung

    Die Weltbevölkerung sollte auf ein Achtel schrumpfen? Und wer entscheidet darüber, wer sich fortpflanzen darf? Da ist der nächste Weltkrieg vorprogrammiert.

    Aber von außen betrachtet tut die Menschheit zurzeit sowieso schon sehr viel zur Schaffung der Voraussetzungen ihrer eigenen Abschaffung. Aus dieser Perspektive werden wir früher oder später wieder bei einer Milliard ankommen.

    Und dann?

    P.S. Man vergleiche einmal den ökologischen Fußabdruck der Nord- mit dem der Südhalbkugel der Erde, auch historisch; das sollte sehr deutlich machen, wie weit man mit einer anderen Verteilung der Ressourcen käme.

  8. @webbaer
    ich bin mir sicher,Sie hat keiner verstanden…will Sie nachvollziehen…

  9. @Schleim:Ressourcen
    Da machen die südhalbkugel eigentlich alles richtig. Wir Westlersind das Übel. Es ist diametral verschoben.

  10. Wir diskutieren aus der Nordhalbkugel und Westlicher Sicht und merken aus Wohlstandsverlusten nicht,dass wir das Problem sind…

  11. Und die Aufklärung, wo ist die eigentlich hin? Hätte man in Asien nicht unsere antiken Quellen bewahrt, dann hätte es in Europa wohl nicht so eine Renaissance gegeben.
    Das ist inkorrekt, wie kommen Sie darauf, Herr Dr. Schleim?
    Es gab auch keine wie gemeinte ‘Renaissance’, sondern die Aufklärung war ein einzigartiger Akt, der zwar, gerade auch aus heutiger Sicht : plausibel (“beiklatschend”) ist, aber eben doch der Idee benötigte, dass zwar nicht alle Menschen gleich sind, aber gleich geboren sind (eine Metapher).

    Ihre Kompetitivität mag Dr. Webbaer, Sie kommen nicht auf die (eigentlich naheliegende, “doitsche” Idee inkonvenierendes Feedback auszulöschen), nice1!

    Ansonsten, es ist unmöglich einer “CPU” sozusagen ins Auge zu schauen.

    MFG
    Wb

  12. Und die Aufklärung, wo ist die eigentlich hin? Hätte man in Asien nicht unsere antiken Quellen bewahrt, dann hätte es in Europa wohl nicht so eine Renaissance gegeben.

    Das ist inkorrekt, wie kommen Sie darauf, Herr Dr. Schleim?
    Es gab auch keine wie gemeinte ‘Renaissance’, sondern die Aufklärung war ein einzigartiger Akt, der zwar, gerade auch aus heutiger Sicht : plausibel (“beiklatschend”) ist, aber eben doch der Idee benötigte, dass zwar nicht alle Menschen gleich sind, aber gleich geboren sind (eine Metapher).

    Ihre Kompetitivität mag Dr. Webbaer, Sie kommen nicht auf die (eigentlich naheliegende, “doitsche” Idee inkonvenierendes Feedback auszulöschen), nice1!

    Ansonsten, es ist unmöglich einer “CPU” sozusagen ins Auge zu schauen.

    MFG
    Wb

    (Korrigiert, und wo die effing Aufklärung “eigentlich her kommt” wissen Sie selbt, Dr. W regt sich gerade auf, etwas, das er nie tun sollte.
    Wo kommen Sie her? Welche Ausbildung haben Sie genossen? (et cetera))

  13. *
    wissen Sie sel[s]bt, Dr. W regt sich gerade auf, etwas, das er nie tun sollte.


    Dr. W wird nun anderswo reinschauen, jawoll!

  14. Aha, es geht darum, wo die Aufklärung ‘hin geht’, vergleiche :

    Und die Aufklärung, wo ist die eigentlich hin? Hätte man in Asien nicht unsere antiken Quellen bewahrt, dann hätte es in Europa wohl nicht so eine Renaissance gegeben. [Dr. Stephan Schleim]

    Wobei gemeint ist, wo sie her kommt.

    Sie kommt nicht aus einem Barbaren-A, sie benötigt neben der Schrift die Sprache, sie benötigt Denker wie im alten Griechenland vorkommend, erstmalig : womöglich, unsere jüdischen Freunde, deren Welt, wie kolportiert wird, vor ziemlich (wie es sich gehört, wie es sich ziemt) vor ca. 6.000 Jahren entstanden sein soll, es benötigt das Christentum und das alte Rom (diese “Barbaren” waren nicht schlecht) und vor allem natürlich das Sapere-Aude!

    Kulturrelatvistisches Gequatsche ist schlecht, es ist zwar korrekt, dass es in Fernost bereits vor sehr langer Zeit Denker gab, die es (halbwegs) bspw. mit Dr. Schleim wie mit der hiesig vorkommenden Kraft aufnehmen konnten, aber ca. 99,9 Prozent der Menschheit, vielleicht beginnend mit dem sogenannten Cro-Magnon-Menschen waren dull bis extra-dull, die Suche und vor allem auch das Finden von Erkenntnis meinend.

    Dieses Personal ist abär mitzudenken.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    PS und Hausaufgabe :

    -> https://www.youtube.com/watch?v=33AoJDIh3kw&list=PL6YIVISaL3ACfHXgY9olMRqBTo9F3X5_R

  15. Verehrter Herr Professor Schleim, dies:

    “Es ist kein Zufall, dass ‘Materialismus’ in der Alltagssprache bedeutet, dass Gewinn und Besitz – was wir landläufig ‘materielle Güter’ nennen – das Wichtigste im Leben sind. Denn in der Welt des philosophischen Materialismus sind Werte nicht vorgesehen: Es herrscht ein Nihilismus, alle Standpunkt sind gleich sinnlos.”

    entspricht der unterkomplexen Technik der Äquivokation. Ihre Einlassung lässt sich leider nur als Provokation verstehen. Ein fruchtbarer Diskurs wird so ganz sicher nicht gefördert.

  16. [Sie haben Ihre Gedanken über Nahtodereignisse hier schon seit vielen, vielen Jahren auf MENSCHEN-BILDER (und meines Wissens ebenso anderen Blogs) verbreitet. Hierher gepasst haben sie noch nie. Akzeptieren Sie das endlich einmal. S. Schleim]

  17. Zusatzinformation

    Herrn Prof. Grams habe ich am 16. Januar eine CD mit einem ausführlichen 44-Seiten Text zugeschickt, wo Nah123-Erfahrungen und die dabei erkennbare Arbeitsweise des Gehirns in so einfacher Sprache erklärt werden, dass sogar ein Hauptschüler intellektuell nicht überfordert sein sollte.
    (1=t, 2=o, 3=d)

    Wer solche Hinweise 2 Monate lang ignoriert sollte sich nicht zu Themenbereichen wie ´Bewusstsein´ äußern. Entweder fehlt die Fachkompetenz oder es geht nur darum, zu manipulieren.

  18. Das Fazit (nachdem ‘wir’, wer auch immer damit gemeint sein soll, etwas gelernt haben …) lautet wohl

    Das Leben scheint ohne Spiritualität oder gar Religion unangenehm leer zu sein.

    und man fragt sich, was das wohl für Menschen sind, auf die das zutrifft.

    Irgendwie erinnert mich das an die alten Griechen, welche ‘die Gottheit’ anerkannten und ‘die Götter’ als für den dummen Pöbel fürs Leben (oder wenigstens zu dessen besseren Beherrschung) zwingend erforderlich betrachteten.

    Als Gemeinplätzchen und Folgerung aus Prozentzahlen ist das okay, und sicherheitshalber mit ‘es scheint’ getaggt. Ich freue mich aber immer, wenn andere Menschen nicht meinen, mir sagen zu sollen, wie sich ‘das Leben’ für mich anfühlen sollte.

    Schön, wenn nun die formalen Agnostiker wieder so weit sind wie diese alten Griechen, wenn auch mit etwas mehr Blick nach Asien.

  19. @Schleim

    Wir haben im Westen insbesondere auch Philosophie, Soziologie und Psychologie von Spiritualität und Religion getrennt, was so in vielen asiatischen Kulturen nicht der Fall ist. In Asien erwartet man von Philosophie und Psychologie Antworten für das Leben …

    In welchem Asien (oder Westen) ist das so?
    Wenn ich da an Russland und China denke … kommen wir da so meine Zweifel.

  20. @KRichard 16.03.2021, 05:39 Uhr
    Ich schrieb Ihnen am 3.3.2021:

    danke für die Unterlagen. Eine Durchsicht zeigt mir: Dazu kann ich, der Ingenieur und Informatiker, nichts beitragen. Das Thema ist mir weitgehend fremd. Ich denke, Sie sollten sich an wissenschaftliche Kreise und Publikationen wenden, die näher dran sind: Psychiatrie, Psychologie, Neurophysiologie. Auch Thomas Metzinger könnte ein geeigneter Ansprechpartner sein.

    Sie antworteten am Tag darauf:

    Vielen Dank für die Rückantwort. [… ] Wenn Sie also in Ihrem Bekanntenkreis eine Person haben, der sie wissenschaftlichen Erfolg wünschen, sollten Sie meine Texte weitergeben. Und eine Kopie davon sollten Sie in Ihr Archiv aufnehmen – denn diese stammt von der Originalquelle.
    Herrn Prof.Metzinger habe ich schon vor Jahren angeschrieben (weill meine Infos genau zu seinem Arbeitsgebiet passen) – ohne dass eine Reaktion kam. Leider ist es immer noch so, dass das Thema NTE von ´Wissenschaftlern´ einfach ignoriert wird. Aber die Unfähigkeit anderer Leute ist nicht mein Problem – daran bin ich nicht schuld.

    Ich kann nicht verstehen, warum Sie mich hier anschwärzen.

  21. @KRichard

    Stimmt das?

    In einer Mail an Herrn Grams, der so nett war, auf eine wenig nette Geste von Ihnen mit einem genauso wenig netten Hinweis durch ein öffentlich Machen einer privaten Mail zu antworten, erfahren wir:

    [KRichard] Leider ist es immer noch so, dass das Thema NTE von ´Wissenschaftlern´ einfach ignoriert wird.

    Ich habe mich immer wieder mal mit Menschen gekabbelt, meist auf FaceBook, die mit irgendwelchen Quellen meinten, NTE plausibel machen zu sollen. Dabei haben die oft auf Wissenschaftler verwiesen, und zwar Pro und Contra.

    Ich kann Ihre Einschätzung daher beim besten Willen nicht teilen (und ja, ich kenne Personen, von denen ich meine, zu wissen, dass die mich nicht belügen, die mir Standard-Versionen dessen, was man in der Diskussion ständig erfährt, berichtet haben).

    Ist halt wie bei ‘Gottes’erfahrungen oder anderen spirituellen Phänomenen: Diese Personen haben ‘etwas’ erfahren. Die Frage ist halt, was dahinter steht. Reicht dazu das, was innerhalb der Schädeldecke stattfindet, oder muss man ‘irgendwas’ postulieren?

    Selbstverständlich sollte jeder, der so etwas erforschen will, das betreiben und die Ergebnisse publizieren können. Meines Wissens ist beides schon ziemlich umfänglich erfolgt.

  22. @Grams, Waschke: KRichard

    Dieser Nutzer sucht seit vielen, vielen Jahren (damit ist gemeint: wohl mindestens eine Dekade) Aufmerksamkeit für seine Theorie. Er hat seine Ideen und Links hier oft genug verbreiten können. Bitte tappen Sie nun nicht in diese Falle. Das Thema gehört nicht hier zu MENSCHEN-BILDER.

  23. P.S. KRichard: Weil ich das Administratorenfenster gerade offen hatte: Tatsächlich war sein erster Kommentar zum Nicht-Thema dieses Blogs am 19.7.2008. In diesem Sinne hat sich seitdem (leider) nichts geändert.

  24. @Webbär: Ich kann Ihnen nur dringend empfehlen, Ihr Geschichtsmodul zu updaten; es entspricht nicht mehr dem Stand der Wissenschaft.

    Sie haben doch diesen Beitrag gelesen, in dem ich erklärte, dass u.a. der Philosoph Pyrrhon Alexander den Großen (365-323 v. Chr.) auf dessen Indienfeldzug (326 v. Chr.) begleitete – und dort Kontakt mit indischen Weisen hatte, den sogenannten Gymnosophisten. (Jedenfalls haben Sie diesen Beitrag kommentiert; ob Sie ihn wirklich gelesen haben, weiß ich natürlich nicht.)

    Auf diesem und anderen Wegen wurden Ideen in den Westen importiert. Eine asiatische Vorläufersprache des Sanskrit ist auch die Vorläufersprache von Altgriechisch und Latein. Nicht ohne Grund spricht man von indo-germanischen, inzwischen besser: indo-europäischen Sprachen.

  25. @Feodor: Äquivokation

    Eine Äquivokation ist ein Argumentationsfehler, z.B. der Form

    (1) (Allen) Materialisten geht es nur um Spaß, Spaß, Spaß.
    (2) (Alle) Naturalisten sind Materialisten.
    (3) (Allen) Naturalisten geht es nur um Spaß, Spaß, Spaß.

    Der Fehler (die Äquivokation) besteht hier darin, dass “Materialist” in (1) einen Vulgärmaterialisten bezeichnet, in (2) aber einen philosophischen Materialisten.

    Ich kann diesen Fehlschluss gar nicht begangen haben, da ich die Materialismen auseinander halte. Schauen Sie gut in den Text: Da spreche ich klar vom philosophischen Materialismus – und erkläre ich, dass es kein Zufall ist, dass er Alltagsmaterialismus (oder Vulgärmaterialismus) diesen Namen trägt: Für den philosophischen Materialismus ist alles ohne Sinn und Bedeutung; deshalb bleibt für den Vulgärmaterialismus nur Spaß, Spaß, Spaß.

    Und lassen Sie doch dieses “Herr Professor”. So reden wir hier nicht miteinander.

  26. @Waschke: Spiritualität und Griechenland

    Interessanter Gedanke. Dass das in Griechenland (auch) so war, das wusste ich noch gar nicht.

    Doch könnte man es auch positiv formulieren: Für unterschiedliche Menschen gibt es unterschiedliche Zugänge. Die einen denken vielleicht mehr in Begriffen; die anderen mehr in Bildern. Darum enthält eine spirituelle Strömung, die sich an alle Menschen richtet, Begriffe und Bilder und was es sonst noch alles geben mag.

    Das ist doch ein schöner Gedanke. Man kann es natürlich aber auch so formulieren, dass es sich wie Unterdrückung anhört.

  27. Unser Bewusstsein ist kein Rätsel. Wir sind uns bewusst, auch wenn wir den Begriff Bewusstsein nicht kennen.
    Unser Bewusstsein ist auch nicht an Sprache gebunden. Taubstumme sind sich auch bewusst.
    Überhaupt wird die begriffliche Sprache überschätzt.
    Man kann sich über Gestik und Körpersprache unterhalten.
    Fazit: Bewusstsein ist ein Arbeitsbegriff, der seine Berechtigung hat.

  28. @einer: Asien

    Ich denke hier wesentlich an Südostasien. Sie haben Recht, dass Asien größer ist, als das. Über Russland weiß ich zu wenig. Religionen/spirituelle Strömungen scheinen dort aber durchaus verbreitet, mit nur ca. 5-13% Atheisten.

    Bei China wäre ich mir nicht so sicher. Den Daoismus habe ich hier im Text ja ausdrücklich genannt. Aber diese Diskussion lenkt vom Kern der Frage ab.

  29. @all: In der Welt

    Mir geht es darum, Mensch und Welt in den Wissenschaften wieder zentral zu stellen. Was steht heute viel zu oft im Zentrum? Die Publikation in “führenden Zeitschriften” und möglichst viele Zitationen für die Karriere der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

    Besonders schlimm ist das in der Biologischen Psychiatrie: Der Direktor der führenden Forschungseinrichtung bezeichnet sein Fachgebiet selbst als “Schaltkreisepsychiatrie” – und meint das ernst! Man forscht seit Jahrzehnten an genetisch modifizierten und geklonten Mäusen und Ratten, angeblich mit Depressionen, Schizophrenie, Angststörung usw., im Labor. Seit Jahrzehnten bringt diese Forschung (so gut wie) nichts.

    Mit einem mehr holistischen und phänomenologischen Ansatz käme man nie auf den Gedanken, das komplexe Leid eines Menschen auf molekuläre Vorgänge in dessen Gehirn zu reduzieren. Diesen Fehler hat man in bestimmten, südostasiatischen Kulturkreisen nie begangen. Daher mein Hinweis auf diese Strömungen.

  30. @all: Potenzial

    Und sehr bedenklich ist, dass viele unserer klügsten Köpfe einen wesentlichen Teil ihres Lebens darauf verwenden, Publikationen in wissenschaftlichen Top-Zeitschriften unterzubringen; in der freien Wirtschaft: Werbung immer effizienter zu machen (man denke an Google/Alphabet, Facebook, Amazon usw.).

    Das ist verschwendetes Potenzial; die Menschheit hat nun größere Herausforderungen zu bewältigen!

  31. Schön. So gut wie volle Zustimmung. Zumal da auch die klare Stellungsnahme ist, die ich zuletzt ein wenig vermisst hatte. Seitdem wir mal auf Telepolis öffentlich debattiert haben, hatte ich Deine Haltung interpretiert als: “Materialismus ist der Default; wir können ihn halt nur nicht beweisen.” Da hatte ich Dich wohl missverstanden.
    Ich finde es nur trotzdem zwar inhaltlich korrekt, aber ein kleines Bisschen unfair, einer hypothetischen vollständigen Erklärung des Bewusstseins vorzuhalten, dass sie keinen Sinn und Wert zu bieten hätte. Das stimmt zwar, gilt aber natürlich für jede naturwissenschaftliche Erklärung. Auch Relativitätstheorie und Quantenphysik, die Beschreibung der Photosynthese und die Evolutionstheorie bieten uns keine Anleitung zum Leben. Das verhindert ja nicht, dass es intellektuelle Freude bereiten kann, sich damit zu beschäftigen. Und dasselbe gilt für die Philosophie des Geistes.

  32. Und noch ein kleiner Nachsatz, um die Atheisten zu ärgern:
    Ich unterstelle mal, dass die meisten von ihnen in irgendeiner Form an den Fortschritt glauben. Das ist zwar nicht logisch zwingend – im Gegenteil, es widerspricht sich -, aber es geht wohl meist zusammen. Denn die Haltung des Materialisten ist doch meist: “Früher hatten die Leute keine bessere Erklärung für die Welt als Geister und Götter, aber heute wissen wir es besser; und wenn erst einmal alle Leute die wissenschaftlichen Erkenntnisse verstanden haben, wird es keine Religion mehr brauchen.”
    Piekser 1: Der Fortschritt ist seinerseits ein blutleerer Ersatzgott, den die Aufklärung erfunden hat. Vorher gab es das Wort in der heutigen Bedeutung gar nicht. Man kann bei Herder (einem protestantischen Geistlichen) sehr schön sehen, wie er “Fortschritt” in der Geschichte synonym mit “Vorsehung” und “Gott” einführt. Es ist mithin niemand Atheist, der an den Fortschritt glaubt.
    Piekser 2: Ich gebe mir gerade (und wohl noch für mehrere Jahre) das herrliche geistige Vergnügen, Will und Ariel Durants “Kulturgeschichte der Menschheit” zu lesen – ein Genuss, den ich jedem Menschen nur dringendst ans Herz legen kann. Da habe ich zum ersten Mal von den Nastika in Indien gelesen. “Nastika” heißt “Neinsager”, und zwar zur Existenz von Göttern oder göttlicher Offenbarung. Nastika sind Atheisten – und zwar irgendwann vor Buddha, 6. oder 7. Jhd. v. Chr., wenn ich mich richtig erinnere. – Soviel zur Idee, Atheismus wäre der neue heiße Scheiß.

  33. @Konrad: Wissenschaft als intellektuelle Freude

    Stimmt schon! Aber als intellektuelle Freude sollte die Wissenschaft eher etwas wie ein Teilzeithobby sein. Mein Standpunkt, den ich hier noch einmal zugespitzt habe, ist,

    dass man das Wozu der Wissenschaft wieder mehr ins Zentrum rücken sollte; und Wissenschaft für den Menschen und in der Welt eine Rolle spielen sollte und nicht nur in der simulierten bzw. modellierten Scheinwelt des Labors und der Fachzeitschriften.

    Ein gutes Verhältnis wäre vielleicht 80% für Mensch und Natur und 20% als intellektuelle Freude.

  34. @Konrad: Geschichte des Atheismus

    Schön, dass du hier auf das Begriffspaar āstika und nāstika verweist.

    Das Jahrtausend v. Chr. war in Indien sehr fruchtbar. Zu nāstika zählen, v.a. wegen der Ablehnung der alten heiligen Schriften Indiens (der Vedas), der Gottes- (Ishvara) und/oder Seelenvorstellung (ātman), unter anderem Buddhismus, Jainismus und der Materialismus der Cārvāka-Schule, der meines Wissens älter ist als der Materialismus des antiken Griechenlands.

    Der Jainismus hat als kleine, jedoch anerkannte Gruppe in Indien überlebt (Bekannte einer Freundin essen zum Beispiel keine Kartoffeln oder Zwiebeln, weil die unter der Erde wachsen und bei der Ernte zu viele Insekten getötet werden, was schlechtes Karma bedeutet); der Buddhismus ist eine “Weltreligion” geworden, doch v.a. außerhalb Indiens; und den Materialismus kennt man vor allem über die Schriften der sechs großen theistischen Schulen Indiens, die die Annahmen der Cārvāka-Schule widerlegen wollten – deren originale Schriften hat man wohl entweder vernichtet oder schlicht nicht mehr kopiert, wodurch sie verloren gingen.

    Und ja: Diese philosophischen Materialisten waren gleichzeitig Vulgärmaterialisten. Sie meinten, man solle das Diesseits genießen, ältere Herren sollten sich z.B. mit jüngeren Damen vergnügen, denn man habe nur dieses eine Leben. Nur dass mir jetzt keiner sagt, er habe das von MENSCHEN-BILDER!

  35. “Ein gutes Verhältnis wäre vielleicht 80% für Mensch und Natur und 20% als intellektuelle Freude.”

    Hmmm. Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Wenn ich diese Wunschvorstellung mal absichtlich als Forderung missverstehe, dann wird sie viel Beifall ernten, wenn sie auf Psychologie und Hirnforschung bezogen wird. Aber statt Beifall nur Kopfschütteln, wenn man sie auf Astrophysik oder Paläontologie bezieht. Das ist doch wieder unfair, oder?
    Und ich finde es auch albern, dass seit Jahren jede neurowissenschaftliche Veröffentlichung, mag sie auch noch so knochenharte Grundlagenforschung beschreiben, in den Conclusions einen Textbaustein hat von der Art: “These results will be helpful in developing new therapies for psychatric diseases . . .” Dürfen wir nicht dazu stehen, dass Neugier und Erkenntnis einen Wert an sich darstellen?

    Andererseits teile ich durchaus Deine Sicht des selbstreferentiellen, überhitzten, weltfernen Wissenschaftsbetriebs.
    Vielleicht verlangt eine Synthese auch hier, dass wir systemisch denken. Ändern müsste sich nicht zuerst die Wissenschaft für sich, sondern ihre Stellung in der Gesellschaft, und letztlich das kapitalistische Wirtschaftssystem, in dem Alles verwertbar zu sein hat. In einer besseren Welt könnten die Universitäten wieder Humboldtsche Paradiese sein, wo neugierige Gelehrte in Ruhe und Weitsicht Fragestellungen nachgehen könnten, die ihnen am Herzen liegen (und schon dadurch wohl weltbezogen wären), ohne auf Titel zu gieren oder um Drittmittel zu kämpfen.

  36. Der Hauptfehler ist, von “Bewussstsein” zu reden, als wäre es eine selbstständige Entität mit eigener “frei schwebender” Existenz. Besser wäre es, von “Bewusstheiten” zu reden, der Bewusstheit unserer Wahrnehmungen, Erinnerungen, Gedanken, Gefühle, Wünsche, Absichten. Auf Franz Brentano geht der Begriff der “Intentionalität” zurück, das ist die Gerichtetheit der Gedanken auf ein Etwas, z.B. “ich liebe dich”. Nicht zufällig entspricht diese Struktur der Struktur von Informationen als binäre Relation. Brentano sah die Intentionalität als charakteristische Eigenschaft des Bewusstseins, sie darf aber nicht mit dem Begriff der Intention als Absicht verwechselt werden. Die Intentionalität ging in die Phänomenologie von Husserl ein.

  37. @Konrad: Perspektive

    Das kommt darauf an… Astrophysik und Paläontologie würden dann eher, global gesehen, in die 20% zum reinen Erkenntniserwerb fallen; und bei der Paläontologie wäre ich mir noch nicht einmal so sicher (man denke nur an das Thema: Erderwärmung). Nagel mich bitte nicht auf das 80-20-Verhältnis fest; es ging mir darum, überhaupt mal eine Zahl zu nennen.

    Und ob man den Kapitalismus gleich abschaffen müsste…? Damit rückt das Ziel in weite Ferne; und ich sehe durchaus Teile des Kapitalismus, die gut funktionieren. Der frühere Harvard-Ökonom David C. Korten hat eine Art “spirituellen Kapitalismus” entwickelt, in dem Natur und Erde einen eigenen Wert beigemessen bekommen und nicht nur zur Bedürfnisbefriedigung von und Müllhalde für Menschen da sind: Change the Story, Change the Future: A Living Economy for a Living Earth. Das ist der beste Vorschlag zum Thema, den ich bisher gesehen habe.

  38. @anton reutlinger

    Der Hauptfehler ist, von “Bewussstsein” zu reden […] Besser wäre es, von “Bewusstheiten” zu reden […] Brentano sah die Intentionalität als charakteristische Eigenschaft des Bewusstseins

    Brentano ist also der Hauptfehler unterlaufen, er hätte besser von charakteristischen Eigenschaften der Bewusstheiten reden sollen. Macht das die Sache wirklich klarer? – Nun gut, wenn Sie meinen. In der Bewusstheit, dass Sie es nur gut meinen.

  39. “Nastika” … sind Atheisten
    Naja so ganz stimmt das aber nicht. Zu den Nastikas zählt man den Buddhismus, Jainismus und die materialistischen Charvaka- oder Lokayata-Schule.

    Im Jainismus sieht z.B. jede Seele als quasi unreine Götter, ergo es gibt sehr viele Götter.
    Auch kennt der Buddhismus Devi (Götter) “Im Buddhismus werden die Devas als „Himmelswesen“ oder „Götter“ bezeichnet. Sie leben in den Sechs Daseinsbereichen in einer „glücklichen Sphäre“,” (Wiki)

    Das passt zu der Annahme von keinen Göttern (Atheismus) nicht so recht.

  40. Mein Fazit:

    Gewalt ist auch mit Religion gut vereinbar. Ein älteres Beispiel ist der heilig gesprochene Kreuzzugsprediger Bernhard von Clairvaux. Ein modernes Beispiel aus Indien ist die 1992 erfolgte gewaltsame Zerstörung der Babri-Moschee in Nordindien, die durch Hindu-Fundamentalisten angeheizt wurde. Es folgten Unruhen mit Hunderten Toten.

    Von einer Ontologie kann nicht auf eine Ethik geschlossen werden, die Bereiche sind unabhängig. Religion ist keineswegs Garant besserer Ethiken, sie war oft genug auch Mitursache wilden Gemetzels. Menschenrechte mussten gegen religiösen Widerstand durchgesetzt werden. “Gottesstaaten” stellen sich nicht als Menschenrechtsparadiese heraus. Ebenso ist spirituelles Erleben von ontologischen Erwägungen unabhängig. Fühlen und Denken sind verschiedene Kategorien.

    Die religiöse Übergriffigkeit auf die wissenschaftliche Theoriebildung hat eine lange Tradition. Die Freiheit der Wissenschaft musste hat erkämpft werden. Dieser Kampf ist leider noch nicht zu Ende, Rückschritt ist möglich.

  41. @religiöser Naturalismus?

    Wenn sich der Naturalismus darin äußert, dass man das Leben in der realen Welt als Sinn begreift, die Schönheit der Natur als wesentliche Lebensqualität betrachtet und die Erkenntnisse der Wissenschaften auch als spirituelle Beschäftigung sieht, dann hat das ja was.

    Hier mag zwar fehlen, dass man sich wirklich bewusst ist, Teil vom Ganzen zu sein, und man wird auch nicht mit geistiger Unterstützung rechnen, aber wenn man wirklich die Probleme der Zeit anpackt, ist dann unterm Strich viel gewonnen.

    Eine religiöse Orientierung, die in dem Sinne weltfremd ist, dass sie das irdische Leben an sich problematisiert und alle Qualität auf nach dem Tod verschiebt, die ist jedenfalls richtig kontraproduktiv. Das kann gerne weg.

    Es gibt hier, finde ich zwei Bereiche, die wirklich wichtig sind. Einmal die Gestaltung unserer Technik im Sinne einer langfristigen Erhaltung der ökologischen Rahmenbedingung, im Sinne von uns Menschen selbst, aber auch mit hinreichender Koexistenz von naturbelassenen Naturräumen.

    Das andere ist eine Orientierung auf sozusagen geistige Nahrung. Hier stellt gerade die Wissenschaft viel Material zur Verfügung, das einfach nur interessant ist. Und hier kann die Wissenschaft auch gerne in Richtungen forschen, die ansonsten nutzlos sind. Etwa die Astronomie, die ist finde ich die inspirierenste aller Wissenschaften, und kurz- und mittelfristig doch vollkommen nutzlos. Alles was über die Satellitentechnik hinausgeht, müssen wir eigentlich nicht wissen.

    Ich denke es gehört auch zu den Herausforderungen der näheren Zukunft, dass man Alternative Beschäftigungen findet, die nicht auf Konsum und Naturverbrauch ausgerichtet sind. Wissenschaft gehört hier sicher dazu, sowohl in der Produktion wie in der Rezeption der Erkenntnisse.

    @Mussi 15.03. 19:09

    „sondern aktiv eine Schrumpfung auf 1 mrd anzugehen„

    Ich würde sagen 4 Mrd reicht, wenn wir genügsamer sind auch 6 Mrd. Und wenn das mit den Bakterienkulturen klappt, die mit grünem Wasserstoff gefüttert werden, und es dann kaum noch Landwirtschaftliche Flächen mehr braucht, dann gehts auch mit 20 Mrd, würde ich sagen.

    Mehr Menschen heißt auch mehr Wissenschaftler, mehr Forschung, mehr Technik, mehr Fortschritt. Auch was etwa interstellare Raumfahrt angeht, so wird hier mit mehr Menschen auch mehr möglich sein. Voraussetzung ist natürlich eine naturverträgliche Kreislaufwirtschaft, aber auch ein friedliches Zusammenleben.

    Und eine Lebensweise, die der Natur des Menschen entspricht. Hier könnte in der Tat mal die Psychologie mehr Verwertbares liefern, nicht nur für den Umgang mit psychischen Krankheiten, auch für das „normale“ Menschenleben. Aber Hirnforschung mag dennoch langfristig interessant sein. Etwa auch, wenn es um die Frage geht, ober unsere innere Erlebniswelt mit samt dem Bewusstsein nicht doch auch wirklich in Geisteswelten hineinreicht. In jedem Falle ist Hirnforschung wohl auch noch für KI-Fragen interessant – und einfach, um unserer Neugier neues Material zu liefern.

  42. @Schleim
    dass man das Wozu der Wissenschaft wieder mehr ins Zentrum rücken sollte; und Wissenschaft für den Menschen und in der Welt eine Rolle spielen sollte und nicht nur in der simulierten bzw. modellierten Scheinwelt des Labors und der Fachzeitschriften.

    Sie wissen doch selbst, dass Wissenschaft mehrere Sparten umfasst, von der Grundlagenforschung bis zu technischen und medizinischen Entwicklungen oder ökonomischen und ökologischen Anwendungen wie Klimaschutz. Forschende Neugier kann man den Menschen nicht verbieten, man kann ihnen natürlich das nötige Geld verweigern. Die Ursachen problematischer Anwendungen von Wissenschaft sind Macht, Geldgier, Prestige. Es ist richtig, dass die Wissenschaft in diesen Belangen zu wenig Widerstand leistet, aber die Macht regiert eben auch über die Köpfe der Wissenschaft. Vom Lehnstuhl des Philosophen in einem demokratischen Rechtsstaat ist leicht zu urteilen!

  43. @einer: oberflächlich

    Fragen wie die, ob es im Jainismus Seelen gibt (und wenn ja: was das heißt) oder ob es im Buddhismus Götter gibt (und wenn ja: was für welche) sollte man nicht nur nach einem oberflächlichem Studium eines Wikipedia-Artikels beantworten; wenn man sich schon damit beschäftigt.

    Im Ursprungsbuddhismus gab es keine Götter; und im Übrigen auch keine Götterbilder. Später änderte sich das, vielleicht, um andere “Zielgruppen” anzusprechen. Heute würde man das Marketing nennen.

    Einige versuchen hier ständig, mit Maßstäben aus dem späten 20./frühen 21. Jahrhundert über Menschen in den 2500 Jahren davor zu urteilen. Ich bin gespannt, was die Menschen im 30./31. Jahrhundert einmal über uns denken werden, wenn wir nicht so blöd sind, einander vorher auszulöschen.

    P.S. Ihr Antwort bezog sich wohl vor allem auf Konrad Lehmann; es würde helfen, wenn Sie das kenntlich machen.

    P.P.S. Aus den drei Kriterien, die ich nannte, und dem Und/Oder hätten Sie sich selbst ableiten können, dass nāstika-Strömungen möglicher-, doch nicht zwingenderweise atheistisch sind.

  44. @Feodor: einseitig

    Zur intellektuellen Redlichkeit gehört übrigens, dass man Fehler einräumt; aber gut…

    Die Einseitigkeit Ihrer Sichtweise ist mir schon vorher aufgefallen. Wer gründete die ersten Universitäten? Die Kirche. Und schauen Sie sich z.B. den Nationalen Ethikrat an, wer da sitzt, wenn Sie sich mit dem Beitrag der evangelischen und katholischen Theologie zu ethischen Herausforderungen unserer Zeit beschäftigen wollen.

    MENSCHEN-BILDER ist kein Ort zur Verbreitung von Vorurteilen. Bei Ihnen mache ich mir da aber nicht mehr so viel Hoffnung. Jedenfalls überzeugt mich Ihr Auftreten ganz und gar nicht.

  45. @Schleim
    Ich bin gespannt, was die Menschen im 30./31. Jahrhundert einmal über uns denken werden, wenn wir nicht so blöd sind, einander vorher auszulöschen.

    Glauben Sie an das ewige Leben oder Ihre Wiederauferstehung? Ihren Agnostizismus nehme ich Ihnen nicht ab, er erscheint mir nur als Fassade!

  46. @Schleim

    Wer gründete die ersten Universitäten?

    Das kommt stark darauf an wie man Universität definiert.

    Schulen höheren Lernens gab es lange vor der Kirche.

    Platonic Academy in Athen z.B. 387 BC
    Das Lyceum mit der Schule der Philosophie 334 BC
    Das Museion in Alexandria ~300BC

    Auch in Indien gab es diverse philosophische Schulen so um 300 BC
    Ebenso in Persien … etc.

    Schon in Babylon gab es Schulen … immerhin kommen da die ältesten Hinweise auf den Satz des “Pythagoras”, pi, quadratische Gleichungen etc. her. (je nach Inhalt ab 2000 BC in Nippur)

    Sind obige Schulen “Universitäten”? Im Sinne von „Gemeinschaft der Lehrer und Schüler“ sicherlich.

  47. Mathematik in Babylon lässt sicher sicher bis ins dritte oder gar in fünfte Jahrtausend BC zurückverfolgen … vieles was man damals konnte, benötigte sicher Schulen, um es zu lernen.
    Oft waren das Privatschulen … oder halt Unis.

  48. Shulgi (~2000 BC) spricht von seinen staatlich geförderten Akademien in Nippur und Ur “Häuser der Weisheit der strahlenden Nisaba” und “Ort des Lernens”.
    Es ist nicht schwer vorstellbar, dass die Schreibausbildung in der Ur-III-Zeit wie so vieles andere unter die Kontrolle des Staates geriet. Aus den Dokumenten geht hervor, dass die Provinzgouverneure für die Instandhaltung der Schreiber der Lernenden in den örtlichen Zentren verantwortlich waren.

    Andrew George 2005 (School of Oriental and African Studies (SOAS))

  49. “Was wir vom Rätsel Bewusstsein lernen können (15.3.2021)”

    Ich denke, wir können lernen, dass die reduktive Methode der (Natur-) Wissenschaft sowohl der Neugier der Wissenschaftler folgt als auch sehr erfolgreich ist.
    Wir lernen aber auch, dass die Verabsolutierung der Methode zur Methodologie, nämlich alles aus der Reduktion heraus erklären zu können, schlichtweg falsch ist. Erst wenn man begreift, dass (irreduzible, starke) Emergenzen existieren, die nach anderen Regeln funktionieren, als die Elemente, kann man eine synthetische Humanwissenschaft schaffen, die mit ein und derselben Kategorie materielle wie ideelle (nämlich bedeutungshafte) Phänomene beschreibt, wie z.B. Bewusstsein. Eine synthetische Sichtweise steuert darüber hinaus den Fokus der Forschung.
    Zur Illustration: kriecht man in einem stockdunklen Kuppelbau mit der Taschenlampe an der Wand entlang, kennt man das Material, weiß aber nicht, in welchem Gebäude man sich befindet. Hängt man an der Decke eine Lampe auf, kennt man das Gebäude, aber nicht das Material. Ergo: synthetische Betrachtung.

  50. @einer: Universitäten

    Ja – wenn einem die Antwort nicht passt, dann schraubt man an der Definition, bis sie passt. Ist das für Sie wissenschaftliches Arbeiten?

    Also die europäische Kulturgeschichte ist da relativ eindeutig: Die ersten Universitäten konnten nur mit Zustimmung des Papstes oder Kaisers gegründet werden, sonst hätten sie gar keine akademischen Grade verleihen können. Die drei klasssichen Fakultäten waren: Medizin, Rechtswissenschaft & Theologie…

    …und weil Sie sich jetzt nicht nicht genug ins Fettnäpfchen gesetzt haben, kommen Sie u.a. mit Platons Akademie. Klar, damals gab’s noch kein Christentum, also konnte die (christliche) Kirche diese Akademien auch nicht gründen. Die Platoniker waren natürlich alle Atheisten, Materialisten und Naturalisten erster Güte, mit Ihrem Glauben an die Ideen und die unsterblichen Seelen.

    Auch für Sie gilt, ebenso wie für @Feodor, dass man allein aus intellektueller Redlichkeit einen Irrtum einräumen sollte, sonst begeht man einen zweiten. Aber auch bei Ihnen mache ich mir da kaum noch Hoffnungen. Das ist der eigentliche Skandal: Sie erreichen nicht einmal das Niveau der Philosophie von vor 2.500 Jahren.

  51. @Reutlinger: echte reutlingersche Logik

    Klar: Aus der Tatsache, dass ich behaupte, dass es im 30./31. Jahrhundert noch Menschen geben wird, falls wir uns nicht vorher schon ausgelöscht haben, schlussfolgert ein echter Reutlinger, ich würde an eine Wiederauferstehung glauben. Hä?

    Warum lassen Sie mich mit Ihrem Quatsch nicht endlich in Ruhe?

  52. @Stephan: Reutlinger
    Nein, fairerweise muss man einräumen, dass er sich vermutlich auf Dein einleitendes “Ich bin gespannt” bezieht.
    Bloß keine lebendige Sprache benutzen! Es kann alles gegen uns verwendet werden.

  53. @Schleim
    Solche Antworten nennt man ad hominem, weil der berechtigte Widerspruch nicht geschmeckt hat! Haben Sie die islamischen Mauren in Spanien vergessen?

    Man liest von den Übersetzerschulen von Toledo, wo das wissenschaftliche und philosophische Erbe der griechischen Antike weitervermittelt und eigenständig weiterentwickelt wurde. Man staunt, wie hoch die Dichtung geachtet und geschätzt wurde. Und man begegnet den bedeutendsten Denkern des Mittelalters, die hier guten Nährboden fanden. Christliche Monarchen huldigten den Kalifen von Córdoba, der Papst selbst reiste an. Im 10. Jahrhundert hatte die Christenheit dem Glanz und der Kultiviertheit des Kalifats nichts entgegenzusetzen.

    Georg Bossong: Das maurische Spanien.

  54. @Reutlinger: ad hominem?

    ad hominem – weil man Ihnen wieder und wieder logische Fehler nachweist?

    Was Sie hier an einem Tag an Unsinn verbreiten, hätte ich mir nicht vorstellen können. Ich ignoriere Sie seit Tagen – trotzdem schreiben Sie immer weiter an mich. Das kann man schon als Belästigung auffassen. Ich würde Sie hier jedenfalls nicht vermissen.

  55. Reutlinger,
    was wollen Sie denn beweisen, wenn Sie das Kalifat in Südspanien mit den christlichen Barbaren aus Nordspanien vergleichen.
    Dazwischen liegen 1500 Jahre Geschichte.
    Die Alhambra haben die Sklaven bauen müssen. Und die Ritter aus Nordspanien haben die Sklaven befreit.
    Bei Cordoba, da war selbst der spanische König entsetzt, als man in die mezquita eine Kirche gesetzt hat.

  56. @hwied:

    witzig was sie da schreiben, selbst in Wikipedia steht das irgendwie anders:

    Unter der Herrschaft der Kalifen von Córdoba war Al-Andalus ein reiches, blühendes Land. Kunst und Wissenschaft waren weltberühmt, das Handwerk galt in ganz Europa als Vorbild. Für alle Kinder gab es Schulen, für die Einwohner der Stadt Krankenhäuser, Bibliotheken und Freizeitzentren. Die Straßen waren befestigt, und es gab überall Wasserleitungen – im christlichen Europa war solch ein Luxus unbekannt. Im Emirat von Granada, obwohl politisch und wirtschaftlich in hohem Maße von Kastilien abhängig, erlebte diese Kultur eine letzte, späte Blüte.

    Wer befreit nun wo welche Sklaven?

    Auch die slawischen Fürsten konsolidierten mit dem Menschenhandel ihre Herrschaft. Um das Jahr 960 befand sich nach Angaben des jüdisch-arabischen Reisenden Ibrahim ibn Yaqub einer der bekanntesten Sklavenmärkte unterhalb der Hauptburg der přemyslidischen böhmischen Fürsten in Prag.[19] Mit der Christianisierung ging die Sklaverei im hochmittelalterlichen Mitteleuropa, wo es Christen verboten war, andere Christen als Sklaven zu verkaufen oder zu erwerben, zurück. Südlich der Alpen – etwa in den italienischen Seerepubliken, im Schwarzmeerraum, auf dem Balkan und in Ägypten – wurden Sklaven jedoch weiterhin in großem Umfang gehandelt. Auch Päpste und Klöster besaßen Sklaven. Mittelalterliche Theologen wie Thomas von Aquin begründeten unter Berufung auf Aristoteles die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit der Sklaverei aus dem Naturrecht.[20]

    Was? wie? Etwa Christen die Sklaven halten? Sowas

    Wie war das mit den spanischen Rittern welche Sklaven befreit haben wollen?

  57. @Stegemann:

    Nur kurz zur Methodik. Wenn sie eine starke Emergenz postulieren wäre es hilfreich auch ein genau definiertes Beispiel dafür anzugeben. Ein komplett unscharfer Begriff wird da nicht reichen.

  58. @Neher: Ich vermute, Sie verstehen unter Emergenz etwas anderes als ich. Ich hatte das Beispiel Bewusstsein angeführt. Sie werden aber sicher eine reduktionistische physikalische Definition im Kopf haben. Macht aber nichts, ich bin hier Krittelei gewohnt.

  59. @Jeckenburger
    Heute habe ich mal die Frage ‘Wem gehört die Erde?’ gegoogelt.
    Philosophisch ziemlich unbesetzt,obwohl die Naturethik dem Leben einen intrinsischen Wert zuschreibt.

  60. @Schleim
    Ich würde Sie hier jedenfalls nicht vermissen.

    Das glaube ich Ihnen gerne. Aber leider kann ich Ihnen nicht immer zustimmen, andere Diskutanten offenbar auch nicht. Sie sind es, der den Blog geschrieben hat, also richten sich Kritik und Widerspruch hauptsächlich an Sie. Und es scheint, dass manche Schreiber hier einen Hochschulabschluss haben wie Sie. Bleiben Sie sachlich.

    “daß jeder guter Christ bereitwilliger sein muß, die Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verurteilen; und wenn er sie nicht retten kann, erkundige er sich, wie jener sie versteht, und versteht jener sie schlecht, so verbessere er ihn mit Liebe; und wenn das nicht genügt, suche er alle angebrachten Mittel, damit jener, indem er sie gut versteht, sich rette.”

    Ignatius von Loyola (1491-1556), Praesupponendum

  61. @Stephan Schleim

    Glücklicherweise hat man sich nun in Teilen der Humanwissenschaft vom reduktionistischen Denken gelöst, weil es einen in vielen Fällen nicht weiterbringt. Der neue Ansatz des “New Mechanism” integriert verschiedene Erklärungsebenen, anstatt sie auf irgendeine grundlegende Ebene zurückzuführen. Die Zukunft sieht interdisziplinär und vielschichtig aus, nicht einseitig.

    Wunderbar, tolle Aussichten.

    Das sind schlechte Neuigkeiten für die eingangs erwähnten Materialisten und Naturalisten.

    Ich vertrete einen emergentistischen Materialismus und bin Naturalist bis auf die Knochen. Ich finde diese Neuigkeiten toll und zukunftweisend.

    Keine Ahnung, welches Problem ich mit diesen neuen Ansätzen haben sollte. Aber ich gehöre ja nicht zu den eingangs erwähnten. Vielleicht ist die Welt der Naturalisten und Materialisten bunter, als Sie es sich vorstellen?

    Ich hätte erst dann ein Problem, wenn jemand zeigen könnte, dass der Substanzdualismus korrekt ist. Denn dann würde es aus meiner Sicht nicht mehr ‘mit rechten Dingen zugehen’. Aber das würde ich akzeptieren und zum Substanzdualismus konvertieren. Aber eben erst, wenn jemand zeigen konnte, dass es eine Übernatur gibt.

  62. @Neher: ich habe hier schon in zig Beiträgen von Bewusstsein als emergentem System gesprochen, von daher verstehe ich Ihre Fragen nicht. Was wollen Sie genau??

  63. @Stegemann

    Es geht um ihre Aussage der starken Emergenz. Das Bewusstsein emergent ist bezweifelt keiner. Aber das ist auch jeder Fischschwarm.
    Also, wieso starke Emergenz?

  64. @Neher: Bewusstsein ermöglicht ein philosophisches Gespräch. Wie wollen Sie das rein neuronal fassen? Geht nicht. Es ist in diesem Sinne also stark emergent. Aber nicht nur im “ideellen” Sinn, also in Form von Bedeutungen, sondern auch rein materiell ist Bewusstsein nicht auf die Funktion einzelnen Elemente reduzierbar. Nach meiner Theorie ist Bewusstsein, Denken, Gedächtnis multimodal (bioelektrisch, hormonell, proteinbildend) sowie virtuell holographisch, und zwar sowohl im Sinne einer “holographischen” Speicherung (nicht technisch gemeint) wie auch im Sinne eines ganzheitlichen Erlebens und Empfindens. Ich kann natürlich versuchen zu definieren, ab welcher ‘effektiven Information’ (Tonnoni) Bewusstsein entstehen kann, das ist dann aber ein technischer Teilaspekt.

  65. @Reutlinger: Hausordnung

    Halten Sie sich an die Diskussionsregeln. Ich habe schon mehrmals gesagt: Ich rede nicht mehr mit Ihnen. Also belästigen Sie mich nicht mehr. Insbesondere werde ich mir von Ihnen keine Unterstellungen mehr der Form bieten lassen, ich versteckte meine wahren Ansichten hinter einer Fassade.

    Sie haben jetzt meine tieforangefarbene Karte und fliegen hier halt raus, wenn Sie weiter Ihr Spielchen spielen. Mehr sage ich dazu nicht mehr.

  66. @Waschke: nicht-reduktionistischer Naturalismus?

    Wir verwenden unterschiedliche Begrifflichkeiten. Ihr Standpunkt klingt für mich nach einem nicht-reduktiven Materialismus oder einem Eigenschaftsdualismus. Inwieweit in einem starken Sinne emergente Phänomene mit einem Naturalismus vereinbar sind, hängt wohl von der genauen Definition ab.

    Mir kommt der Eindruck, dass wir hier wieder auf die unterschiedlichen Ebenen aufpassen müssen: epistemisch oder ontologisch? Ihnen ist klar, dass ich über die Ontologie keine Aussage treffen kann und will? Vielleicht ist das der Unterschied: dass Naturalismus eben doch eine Form von Metaphysik ist, während ich auf der Erkenntnis- bzw. Beschreibungsebene bleiben muss.

    P.S. Wollen Sie mich eigentlich ärgern, mit den “rechten Dingen”? 😉

  67. Brauchen wir für Mensch und Natur eine andere Wissenschaft?

    Mein persönliches Fazit aus dieser Blog-Reihe inkl. Kommentaren: Für das „gesamte Bild“ benötigt man beide, nämlich (eher) geisteswissenschaftliche und (eher) naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Für das friedliche Zusammenleben der Menschen sind (eher) geisteswissenschaftliche Erkenntnisse womöglich wichtiger als (eher) naturwissenschaftliche Erkenntnisse.

    Allerdings sind für mich die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse unabdingbares Fundament. Wenn das ignoriert wird, hilft das nicht für das gesamte Bild.

    Was in einem Buch für Kinder völlig in Ordnung ist („Ich mach mir die Welt, wie-de-wie-de wie sie mir gefällt“), ist in der Forschung oder in der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse schlicht ärgerlich.

  68. @Stephan Schleim 16.03.2021, 21:14 Uhr

    Emergentistischer Materialismus

    Wir verwenden unterschiedliche Begrifflichkeiten. Ihr Standpunkt klingt für mich nach einem nicht-reduktiven Materialismus

    Warum verwenden Sie nicht einfach den Begriff emergentistischer Materialismus?

    oder einem Eigenschaftsdualismus.

    Nein, emergentistisch reicht. Das ist sogar ein Eigenschaftenpluralismus auf der Erklärungs- und Beschreibungsebene. Aggregate von Materie haben Eigenschaften, die den Bestandteilen nicht zukommen. Wie Wagenschein so schön formulierte: “Wasser ist nicht gewinkelt, und H2/O ist nicht nass.” Mutatis mutandis zieht sich das durch bis zum menschlichen Geist.

    Inwieweit in einem starken Sinne emergente Phänomene mit einem Naturalismus vereinbar sind, hängt wohl von der genauen Definition ab.

    Selbstverständlich, ich habe schon mehrfach gesagt, dass ich mich auf Bunge und Mahner beziehe. Die haben das längelang ausgeführt, und zwar schon vor über 20 Jahren. Ich habe auch auf Sukopp verwiesen. Ist natürlich durchaus ein Problem, dass man hier mit Äquivokationen unterwegs sein kann. Da ich klar formuliert habe, was ich unter ‘Naturalismus’ verstehe, fühle ich mich nicht betroffen.

    Mir kommt der Eindruck, dass wir hier wieder auf die unterschiedlichen Ebenen aufpassen müssen: epistemisch oder ontologisch?

    Ich halte diese Ebenen sauber getrennt. Wenn ich Recht habe, können Sie epistemisch machen was auch immer Sie wollen, sie treiben das mit Emergenzen von ‘Materie’ (was auch immer das konkret sein mag, solange es nicht ‘geistig’ ist). Zumindest so lange, bis Sie einen Substanzdualismus evident machen können.

    Nur nebenbei, komisch, dass man ‘epistemisch und ontologisch’ sagt, und weder ‘epistemologisch und ontisch’ oder, eigentlich korrekt, ‘epistemisch und ontisch’. Es sei denn, man spricht über diese Kategorien und wie man was mit diesen treiben möchte. Ist wie mit ‘methodisch’ und ‘methodologisch’.

    Ihnen ist klar, dass ich über die Ontologie keine Aussage treffen kann und will?

    Aus meiner Sicht verzichten Sie dadurch auf eine konsistente Weltsicht. Dogmatismus kann man dadurch entgehen, dass man seinen Standpunkt evidenzbasiert unter Fallibilitätsvorbehalt vertritt. Wenn eindeutige Hinweise auf Supranaturalismus vorliegen, gebe ich meinen Standpunkt auf. Aber eben erst dann.

    Nur nebenbei, selbstverständlich ist der emergentistische Materialismus auch mit einem (nicht radikalen) Konstruktivismus verbunden. Denken Sie daran, dass in dieser Ontologie ‘die Welt’ in ‘Dinge’ und ‘Konstrukte’ eingeteilt wird.

    Ach, und noch was. Ich vermute, dass wir auch ‘Agnostizismus’ unterschiedlich verstehen. Für mich ist das kein Schlupfloch für eine Übernatur. Auch wenn ich etwas nicht ausschließen kann, heißt das noch lange nicht, dass es sinnvoll ist. Das war letztlich der Grund, warum ich zum Ignostizismus konvertierte.

    Vielleicht ist das der Unterschied: dass Naturalismus eben doch eine Form von Metaphysik ist, während ich auf der Erkenntnis- bzw. Beschreibungsebene bleiben muss.

    Wie Mahner und Bunge lehren: es gibt keine Wahl zwischen einer Ontologie oder keiner Ontologie. Man hat nur die Wahl zwischen einer guten und einer schlechten. Auch der Verzicht auf eine Ontologie ist keine Tugend. BTW, Ontologie und Metaphysik sind für Bunge und Mahner mehr oder weniger Synonyme.

    Natürlich kann man auf der Ebene der Beschreibungsebene verbleiben. Aber ist das Erkenntnis, wenn man sich weigert, zu überlegen, was man denn da eigentlich beschreibt und wie das zustande kommt?

    P.S. Wollen Sie mich eigentlich ärgern, mit den “rechten Dingen”?

    Nein, ich verwende eine meines Wissens übliche Terminologie. Was ist daran ärgerlich, wenn man eine Übernatur als ‘nicht mit rechten Dingen zugehend’ beschreibt?

  69. Thomas Waschke 16.03.2021, 21:55 schreibt:

    Aber ist das Erkenntnis, wenn man sich weigert, zu überlegen, was man denn da eigentlich beschreibt und wie das zustande kommt?

    Das ist die unverhohlene Forderung nach einem Glaubensbekenntnis. Der Agnostiker sieht sich unziemlich bedrängt.

  70. Nachtrag: Die Logik der Forschung, von K R Popper später kritischer Rationalismus genannt, dient der Erkenntnis und kommt ohne metaphysische Grundlegung aus.

  71. @Thomas Waschke 16.03. 21:55

    „Wenn eindeutige Hinweise auf Supranaturalismus vorliegen, gebe ich meinen Standpunkt auf. Aber eben erst dann.“

    Ok, das ist eine Haltung. Es gibt aber offenbar Menschen, die meinen, dass sie spirituelle Erfahrung haben, und oft ist für sie der „Supranaturalismus“ durchaus etwas belegt, wenn auch nur persönlich. Wie soll man sonst mit eigenen Erfahrungen umgehen?

    @Timm Grams 17:03. 00:04

    „Das ist die unverhohlene Forderung nach einem Glaubensbekenntnis. Der Agnostiker sieht sich unziemlich bedrängt.“

    Hier möchte ich dann den Agnostiker verteidigen: Der Agnostiker sieht ja auch einerseits Menschen, die spirituelle Erfahrungen und entsprechende Weltmodelle haben, und am anderen Ende, solche, die dieses prinzipiell ausschließen. Wieso sich hier festlegen? Die Gegensätze sind da, sich zurückzuhalten und abzuwarten, welche Erkenntnisse die Zukunft bringt, das ist doch eine intelligente Haltung.

  72. Harald Andresen
    16.03.2021, 21:54 Uhr
    Brauchen wir für Mensch und Natur eine andere Wissenschaft?

    Ihren Ausführungen kann ich noch folgen, anderen hier nicht.
    Was die “Geisteswissenschaften” angeht, so ist für mich die Kardinalfrage, wo der Geist vor der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle ist, ab wann er danach auftritt und wo er bleibt, wenn der für medizinisch tot erklärte Körper schließlich eingeäschert wurde.
    Der Glaube hat darauf eine Antwort, die Naturwissenschaft nicht, hat die Geisteswissenschaft eine?
    Die Naturwissenschaften versuchen sine ira et studio Fragen aus dem Zustand “davor”, “während” und “danach” zu beantworten, Irrtum vorbehalten, klärt sich hoffentlich später auf.
    Was ist “Geist”?
    Ich möchte mal ein Beispiel versuchen: Ich kann ein Auto bis zur letzten Schraube zerlegen, aber ich werde bei der Aktion keine “Geschwindigkeit” finden, die entsteht erst während des Betriebs durch das Zusammenwirken aller Teile. Ich kann mich aber über die “Geschwindigkeit” unterhalten und sogar streiten, die vor Kindergärten, Altenheimen, in der Stadt, über Land, auf der Autobahn, ob sie zu hoch, unangepasst oder angemessen ist.
    Die Diskussion über “Geschwindigkeit” erklärt aber immer noch nicht die Funktionsweise des Autos, höchstens die Funktion in Bezug auf den Menschen darin und davor.
    Was ist “Geist”?

  73. @Andresen, Grams, Jeckenburger, Waschke: Ende der Diskussion?

    Mich beschleicht so ein Gefühl, dass wir zwar keinen Konsens finden werden, einander aber besser verstehen als vorher. Vielleicht ist das ein (gutes) Zeichen dafür, dass sich die Diskussion dem Ende nähert.

    Mir kam übrigens in Reaktion auf dieser Serie der Gedanke, vielleicht im nächsten Jahr einmal ein Büchlein zu diesem Thema zu veröffentlichen. Mal schauen.

  74. @Andresen: Naturwissenschaften

    Danke für diese versöhnlichen Worte… aber rein interessehalber, nicht als Provokation: Die Naturwissenschaften brauchen wir als Fundament… wofür genau?

  75. @Waschke: Emergenz & Skepsis

    Danke für die Zeit und die Mühe, mit der Sie hier Ihren Standpunkt verdeutlichen (und den Mahners/Bunges). Fast hätten Sie mich überzeugt… 😉

    Aber wenn ich es einmal etwas persönlicher formulieren darf (sonst könnten wir natürlich noch endlos darüber diskutieren, was “Emergenz” ist), dann kommt mir der Eindruck: Sie (und Mahner/Bunge) versuchen, einen irgendwie “objektiven” Standpunkt einzunehmen, den der Beobachter-unabhängigen Dinge; für mich sind die Erfahrungen (Phänomene) primär und ich versuche, ähnlich den antiken Skeptikern, keine falschen Interpretationen/Überzeugungen zu haben, vielleicht am Ende sogar gar keine. Dann kann man mir natürlich vorwerfen, ich wolle mich nicht festlegen – das ist für mich aber gerade eine Tugend und kein Laster.

    Insofern ergibt sich für mich auch keine Notwendigkeit, mir über “Emergenz” den Kopf zu zerbrechen. Erkenntnistheoretisch skeptisch bin ich in der Lebenswelt ganz praktisch/pragmatisch: Beschreibungen dienen bestimmten Zwecken – und diejenigen Beschreibungen sind die Besten, die die Zwecke am besten erfüllen.

  76. @Maier: Geistes-, Naturwissenschaften und so

    Man sollte diese Kategorien nicht Verdinglichen (reifizieren). Sie sind traditionell gewachsen und schon im englischsprachigen Bereich nicht mehr dieselben (vgl. humanities vs. sciences).

    Insofern sollte man nicht denken, die “Geisteswissenschaften” würden sich primär mit irgendeinem “Geist” befassen, schon gar nicht einer Art “Weltgeist”, wie man ihn sich vielleicht im deutschen Idealismus vorstellte. Damit ist die Frage, was mit dem Geist geschehe, wenn der Körper vergehe, auch vom Tisch. (Lesetipp: Das kleine Einmaleins des Leib-Seele-Problems).

    Und ob die Philosophie sich in diese Dualität von Geistes- und Naturwissenschaften überhaupt einordnen lässt, ist wieder eine Frage für sich. Früher gab es einmal: Medizin, Rechtswissenschaft & Theologie. Alles andere war “Philosophie”. Daher gibt es in vielen (den meisten?) Ländern sogar in naturwissenschaftlichen Fächern einen Dr. phil., den berühmten PhD.

  77. @Waschke: ontisch/ontologisch

    Ja, man sollte sich natürlich schon präzise ausdrücken…

    …aber auch die Perspektive des Gegenübers berücksichtigen. Die Texte hier sind so schon anspruchsvoll (das Blog-System bedenkt mich oft mit einer roten Ampel in der Lesbarkeitsanalyse).

    Vor Jahren hatte ich mal eine Diskussion mit einem Genetiker, den störte, wenn man von “monogenetischen” statt “monogenen Erkrankungen” spreche. Seitdem bemühte ich mich um die korrekte Formulierung, erntete damit meistens aber Unverständnis, insbesondere auch in englischsprachigen Kontexten (“monogeneic disorders”?!).

    Mit jedem λόγος (lógos) kommt man auf eine abstraktere Ebene: Wort, Vernunft – eigentlich lässt es sich gar nicht richtig übersetzen. Tun wir ein Körnchen Salz hinzu.

  78. @Timm Grams 17.03.2021, 00:04 Uhr

    [Waschke:] Aber ist das Erkenntnis, wenn man sich weigert, zu überlegen, was man denn da eigentlich beschreibt und wie das zustande kommt?

    Das ist die unverhohlene Forderung nach einem Glaubensbekenntnis. Der Agnostiker sieht sich unziemlich bedrängt.

    Ersetzen Sie ‘Glaubensbekenntnis’ durch ‘evidenzbasierte Entscheidung unter Fallibilitätsvorbehalt’, dann haben Sie vollkommen Recht.

    Ich bin zum Ignostiker geworden, weil Agnostiker sich angeblich zu weigern hätten, evidenzbasiert Entscheidungen zu treffen. Daher kann ich ihnen nur sagen, dass es möglich ist, der Wahrheit ins Auge zu sehen und sich nicht von Gefühlen leiten zu lassen.

    Nachtrag: Die Logik der Forschung, von K R Popper später kritischer Rationalismus genannt, dient der Erkenntnis und kommt ohne metaphysische Grundlegung aus.

    Mir ist schleierhaft, wie man meinen kann, Erkenntnis ohne metaphysische Grundlegung sei möglich. Wie kommen Sie eigentlich darauf, etwas erkannt zu haben, wenn Sie gar nicht wissen, was es eigentlich ‘gibt’? Sie bleiben dann im Bereich von Sätzen über Sätze und es ist reiner Zufall, wenn diese auf das Sein passen.

  79. @Tobias Jeckenburger 17.03.2021, 00:48 Uhr

    Spirituelle Erfahrungen, Agnostizismus

    [Waschke:] Wenn eindeutige Hinweise auf Supranaturalismus vorliegen, gebe ich meinen Standpunkt auf. Aber eben erst dann.

    Ok, das ist eine Haltung. Es gibt aber offenbar Menschen, die meinen, dass sie spirituelle Erfahrung haben, und oft ist für sie der „Supranaturalismus“ durchaus etwas belegt, wenn auch nur persönlich. Wie soll man sonst mit eigenen Erfahrungen umgehen?

    Kritisch. Hinterfragen, wie diese Erfahrungen zustande kommen, mit denen anderer Menschen vergleichen und berücksichtigen, welche exaptierten neuronalen Module wir der Evolution verdanken.

    Wenn dann etwas intersubjektiv Gültiges bleibt, ist das ein Argument. Bisher sehe ich das nicht, aber das kann sich ändern.

    Und noch was zu Agnostizismus. Ich habe lange Jahre in diversen UseNet- und anderen Foren viele Prügel eingesteckt, weil ich Atheisten gegenüber den Agnostizismus vertreten habe. Ich habe meinen Standpunkt aufgegeben, und zwar deshalb, weil ich nicht nur über Evolutionsgegner publiziert, sondern auch viel mit diesen persönlich diskutiert habe. Als mir auffiel, dass einige der aktivsten Kämpfer gegen diese Menschen selber Christen waren, musste ich intensiver nachdenken. Es muss doch möglich sein, ein Gottesbild als nicht evident einzuschätzen und andere als so inhaltsleer zu betrachten, dass man sie nicht weiter beachten sollte. Beiden Gottesbildern gegenüber einfach agnostisch zu sein war für mich nicht hinreichend trennschaft. Dazu kam, dass ich mich wunderte, dass Naturalisten meinten, mit Supranaturalisten der einen Sorte zusammen auf Supranaturalisten der anderen Sorte eindreschen zu sollen. Das schien mir intellektuell nicht so ganz redlich zu sein.

  80. @Stephan Schleim 17.03.2021, 02:38 Uhr

    Philosophie

    Und ob die Philosophie sich in diese Dualität von Geistes- und Naturwissenschaften überhaupt einordnen lässt, ist wieder eine Frage für sich.

    Der Gehalt dieses Begriffs hat sich meines Wissens im Bereich der Naturwissenschaften durchaus gewandelt. Auch in anderen Bereichen, ich vermute, dass in etlichen Bereichen eine Wissenschaft ‘Philosophie’ entstanden ist, die mit den geistigen Höhenflügen nicht an empirischen Befunden geerdeter Spekulationen der Altvorderen nicht viel zu tun hat.

    Die englische Sprache ist oft vorbildlich, nicht nur ‘science vs. humanities’ finde ich sehr hilfreich, auch ‘faith vs. belief’, ‘sky vs. heaven’ oder ‘ape vs. monkey’ ist in vielen Diskussionen durchaus nützlich.

    Früher gab es einmal: Medizin, Rechtswissenschaft & Theologie. Alles andere war “Philosophie”.

    Denken Sie beispielsweise an den Titel von Lamarcks wichtigstem Buch:

    Philosophie zoologique, ou, Exposition des considérations relative à l’histoire naturelle des animaux

    ‘Philosophie’ bedeutete damals in etwa das, was wir heute als ‘Theorie’ bezeichnen, es gab keine Naturwissenschaften, nur ‘Naturphilosophie’.

    Daher gibt es in vielen (den meisten?) Ländern sogar in naturwissenschaftlichen Fächern einen Dr. phil., den berühmten PhD.

    Wenn ich richtig informiert bin, erhielten in Deutschland (zumindest früher) auch Naturwissenschaftler, die kein Diplom- sondern ein Lehramtsstudium hinter sich hatten, diesen Doktor-Titel.

  81. @Stephan Schleim 17.03.2021, 02:44 Uhr

    Begrifflichkeit

    Mit jedem λόγος (lógos) kommt man auf eine abstraktere Ebene: Wort, Vernunft – eigentlich lässt es sich gar nicht richtig übersetzen. Tun wir ein Körnchen Salz hinzu.

    Klar, aber der Rubikon wird dann überschritten, wenn man Jesus darunter verstehen möchte. Dann hat man den Begriff eindeutig überzogen (schon merkwürdig, wenn man als Jude hellenistisches Gedankengut verarbeitet und dann aus dem ‘Geist über den Wassern’ einen Logos zu machen müssen meint).

    Seit wir aber unsere Sprache durch die Genderei ziemlich verhunzen, ist die Frage, ob man ontisch oder ontologisch schreibt eher eine Petitesse, über die man sich eher keinen Kopp mehr machen sollte. Genauso wenig beispielsweise, ob man ‘in silico’ oder ‘in silicio’ schreibt.

    Solange man versteht, was gemeint ist, kein Problem. Schlimmer wird es, wenn Äquivokationen ins Spiel kommen. Im Bereich der Evolutionsbiologie war beispielsweise der Begriff ‘Selektion’ ein Problem, was erst im Nachhinein deutlich wurde, als die Forscher merkten, dass sie aneinander vorbei redeten.

  82. @Thomas Waschke 17.03.2021, 05:55 Uhr

    Sie machen aus einer Pointe einen unstrittigen Gemeinplatz:

    Ersetzen Sie ‘Glaubensbekenntnis’ durch ‘evidenzbasierte Entscheidung unter Fallibilitätsvorbehalt’, dann haben Sie vollkommen Recht.

    Dass ich den wunden  Punkt getroffen habe, zeigt Ihr letzter Absatz:

    Mir ist schleierhaft, wie man meinen kann, Erkenntnis ohne metaphysische Grundlegung sei möglich. Wie kommen Sie eigentlich darauf, etwas erkannt zu haben, wenn Sie gar nicht wissen, was es eigentlich ‘gibt’? Sie bleiben dann im Bereich von Sätzen über Sätze und es ist reiner Zufall, wenn diese auf das Sein passen.

    Ich frage mich, wie man die Logik der Forschung so gründlich missverstehen kann.

  83. @Schleim

    Ja – wenn einem die Antwort nicht passt, dann schraubt man an der Definition, bis sie passt. Ist das für Sie wissenschaftliches Arbeiten?

    Ich fragte nach Ihrer Definition von Universität.

    Die ersten Universitäten konnten nur mit Zustimmung des Papstes oder Kaisers gegründet werden,

    Dann erzeugen Sie aber einen Zirkelschluss.

    Wenn man es den Kirchen zu verdanken hat, dass diese die ersten Universitäten gründeten und Universitäten halt per Definition nur von der Kirche gegründet werden konnten … was sagt das dann aus?
    Nichts, die Bildungseinrichtungen vorher waren natürlich nicht christlich ergo dann keine Universitäten. Aber waren die damit “schlechter”?

    Von Atheismus und Unis hatte ich nichts geschrieben.

  84. @Thomas Waschke

    Wo findet man denn so etwas? Dass

    Agnostiker sich angeblich zu weigern hätten, evidenzbasiert Entscheidungen zu treffen.

  85. University, institution of higher education, usually comprising a college of liberal arts and sciences and graduate and professional schools and having the authority to confer degrees in various fields of study. A university differs from a college in that it is usually larger, has a broader curriculum, and offers graduate and professional degrees in addition to undergraduate degrees. Although universities did not arise in the West until the Middle Ages in Europe, they existed in some parts of Asia and Africa in ancient times.

    Encyclopaedia Britannica

    Aber das ist vermutlich unwissenschaftlicher Unsinn, richtig?

  86. @Waschke, Grams: “evidenzbasiert”

    Natürlich will man Entscheidungen lieber “evidenzbasiert” treffen. Mir ist noch nie jemand begegnet, der das Gegenteil behauptet…

    …aber das verlagert die Entscheidung auf die Ebene, was man als Evidenz ansieht; und das ist eine philosophische Entscheidung.

    In der biomedizinischen Forschung (und zum Teil auch der Politik) hat sich das zu einem Buzzword und Marketing-Sprech entwickelt: Dann braucht man nicht mehr zu argumentieren, sondern nur noch mit dem Finger auf etwas zu zeigen und zu sagen: evidenzbasiert/nicht evidenzbasiert.

    P.S. Was wohl passieren würde, würde man die übereinstimmenden Berichte von Mystikern und Meditationserfahrenen unterschiedlicher Kulturen der letzten 2.500 Jahre als Evidenz zulassen…?

  87. @einer: zwei Seiten einer Medaille

    Im katholischen Kirchenrecht gibt es die Anforderung, bei z.B. der Heiligsprechung von jemandem nicht nur einen advocatus diaboli zu hören, der wie Sie die schlechtesten Taten von jemandem zusammenträgt, sondern auch einen advocatus dei, der die besten Taten berichtet.

    Diskutieren wir weiter, wenn Sie wenigstens diesen Anforderungen des Kirchenrechts genügen? Danke.

    P.S. Und zu der anderen Diskussion: Ich weiß selbst, dass es in Indien wahrscheinlich schon früher “Universitäten” gab. Das steht hier überhaupt nicht zur Diskussion. Sie sollen einfach mal die historische Tatsache anerkennen, dass viele Bildungseinrichtungen in Europa, einschließlich Universitäten, von der, später: den Kirchen gegründet wurden. Wenn Sie immer so auf Wissenschaftlichkeit pochen, warum ignorieren Sie dann die Geschichtswissenschaft? Es ist auch kein Zirkelschluss, weil Päpste solche Privilegien verliehen haben, denn sie hätten es ja auch lassen können.

  88. @Waschke: Begriffe

    Danke jedenfalls, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, Ihren Standpunkt hier in der Diskussion so lange und so klar zu verdeutlichen.

    Ich sah im “Logos” keinen Jesus, hätte nicht einmal im Traum daran gedacht. Der Hinweis auf die Naturphilosophie ist treffend – wobei man aber bedenken sollte, dass es z.B. die N. aristotelischer Art war, die sich Galileos Entdeckungen am Anfang mehr in den Weg gestellt hat als die Kirche. Es war ein Machtkampf; die N. bangten um den Verlust ihrer Autorität.

    In der angesehenen britischen Royal Society gab es am Anfang auch Naturphilosophen und wollte man “experimentelle Philosophie” betreiben. Wieder einmal zeigt sich: Es gibt solche und solche.

    In diesem Sinne: nullius in verba! Frei: Glaube nicht den Worten!

  89. @Stephan Schleim 17.03.2021, 08:55 Uhr
    So sieht’s der Philosoph:

    Natürlich will man Entscheidungen lieber “evidenzbasiert” treffen. Mir ist noch nie jemand begegnet, der das Gegenteil behauptet…
    …aber das verlagert die Entscheidung auf die Ebene, was man als Evidenz ansieht; und das ist eine philosophische Entscheidung.

    Der Soziologe setzt andere Schwerpunkte und macht ein soziologisches Problem daraus. Wissenschaftliche Objektivität ist für ihn

    ein Ergebnis des sozialen oder öffentlichen Charakters der wissenschaftlichen Methode.

    Robin Crusoe mag nach eingehenden Studien richtig liegen. Wissenschaft wird nicht daraus. Das erklärt K R Popper im dreizehnten Kapitel von “Die offene Gesellschaft und ihre Feinde”, Band 2.

    Die Welt ist ziemlich bunt. Gut so.

  90. @Timm Grams 17.03.2021, 08:08 Uhr

    Ich frage mich, wie man die Logik der Forschung so gründlich missverstehen kann.

    Da ich mich nie auf Popper bezogen habe, frage ich mich, was mir diese Worte sagen sollen.

    Nur nebenbei, ist die Wissenschaftstheorie 1934 stehen geblieben?

  91. @Stephan Schleim 17.03.2021, 09:08 Uhr

    Ich sah im “Logos” keinen Jesus, hätte nicht einmal im Traum daran gedacht.

    Ich habe Sie nur darauf hingewiesen, dass die Welt noch bunter ist als Sie mir zeigen wollten. Selbstverständlich wollte ich Ihnen nichts unterstellen.

    Der Hinweis auf die Naturphilosophie ist treffend – wobei man aber bedenken sollte, dass es z.B. die N. aristotelischer Art war, die sich Galileos Entdeckungen am Anfang mehr in den Weg gestellt hat als die Kirche. Es war ein Machtkampf; die N. bangten um den Verlust ihrer Autorität.

    Genau. Aber die Kirche hat sich auch nicht mit Ruhm bekleckert und selbst nach Darwin hatte man noch massivst mit Aristoteles zu kabbeln (denken Sie an den Essenzialismus, der auch Kant davon abhielt, zum Vorläufer Darwins zu werden, und weshalb man der Kategorie ‘Art’ einen viel zu hohen Stellenwert eingeräumt hatte, warum hätte Darwin sonst sein Buch ‘Entstehung der Arten’ so benamst, wenn er nichts zu dem Thema darin schrieb).

    Und halt wieder mal ein Hinweis darauf, dass man nicht viel auf Philosophen geben sollte, die etwas über die Natur schrieben, bevor es von den empirischen Naturwissenschaften untersucht wurde. Auch heute noch behandelt man die Ethik von Aristoteles mit Gewinn im Ethik-Unterricht. Wenn man das, was Aristoteles über Biologie schrieb, im Biologie-Unterricht macht, erzielt man bestenfalls Heiterkeit. Die ‘zeitlosen Wahrheiten’, die uns Philosophen bescherten, beziehen sich meist auf ‘geistige Dinge’, die, aufgrund der Natur des Menschen, wohl zeitlos sind. Eben weil die Geschichte der Menschheit nur einen Wimpernschlag der Evolution darstellt.

    In der angesehenen britischen Royal Society gab es am Anfang auch Naturphilosophen und wollte man “experimentelle Philosophie” betreiben. Wieder einmal zeigt sich: Es gibt solche und solche.

    Wie immer. Und, abwechslungsweise mal Popper: Begriffe sind Werkzeuge. Damit ist eigentlich alles gesagt.

    In diesem Sinne: nullius in verba! Frei: Glaube nicht den Worten!

    Stimmt. Die Inhalte sind relevant.

    Schön, dass wir uns einig sind.

  92. @Thomas Waschke 17.03.2021, 10:01 Uhr

    Ein Dialog
    – Ich studiere gerade Kant
    – Da gibt’s etwas Besseres
    – Was denn?
    – Dieses Buch hier auf dem Tisch

    Sie erraten sicher, wer die beiden waren. (Das Buch: Über die Natur der Dinge von Bunge und Mahner)

  93. Thomas Waschke 17.03.2021, 10:01 Uhr

    Sie:

    Da ich mich nie auf Popper bezogen habe

    Doch, haben Sie. (Die Rückverfolgung des Gesprächsfadens zeigt das.)

  94. @Timm Grams 17.03.2021, 10:38 Uhr

    [Waschke:] Da ich mich nie auf Popper bezogen habe

    Doch, haben Sie. (Die Rückverfolgung des Gesprächsfadens zeigt das.)

    Müsste ich jetzt nachschauen. Als ausgebildeter Biologe habe ich aber sowieso mein Problem mit Wissenschaftstheoretikern, die aus der theoretischen Physik kommen. Ich beziehe mich durchaus auf Popper, beispielsweise mit seiner Erkenntnis, dass das Leben den Sinn hat, den wir ihm geben. Oder mit seiner Ablehnung des Begriffs-Essenzialismus.

    Aber das heißt nicht, dass ich nun Popperianer in allen Gebieten sein muss. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich mich nicht auf die ‘Logik der Forschung’ bezogen habe.

    Nur nebenbei, Popper hat seine Meinung auch ab und an mal geändert, was natürlich löblich ist. Nur heißt das halt auch, dass “Popper hat vertreten, dass …” möglicherweise spezifiziert werden muss.

    Schön, dass Sie Kant schätzen. Sie wissen sicher auch, dass Kant auch nicht das Siegel der Philosophen war. Er war ein Kind seiner Zeit, ein Musterbeispiel dazu, was dabei herauskommt, wenn Menschen sich Gedanken über Ontologie auf dem Kenntnisstand ihrer Zeit machen. Sie wissen sicher, dass es Autoren gibt, die in Kants a priori a posteriori der Evolution sehen, darunter welche, die mit Konrad Lorenz in Wien Indianerles gespielt haben.

    Selbstverständlich sollte uns das auch bescheiden machen, aber eben weniger gegenüber den Inhalten dessen, was diese Autoren geschrieben haben.

    Schön, dass sie das Buch von Bunge (und ja, ich weiß, dass er als theoretischer Physiker ausgebildet ist, aber sein Ko-Autor ist Biologe) und Mahner lesen.

  95. Die (neuro)wissenschaftliche Erforschung des Bewusstseins stellt aufgrund ihrer experimentellen Forschung und auf Physik und Mathematik beruhenden Überlegungen prinzipiell widerlegbare Theorien über die neurophysiologischen Korrelate des Bewusstseins auf. Philosophische Überlegungen aus der Philosophie des Geistes und der Metaphysik berücksichtigen auch – angetrieben durch die Erkenntnisse der eigenen Endlichkeit und Sinnhaftigkeit – die Emergenzen aus den Netzwerkhypothesen der Neurowissenschaftler, die wir das Bewusstsein nennen und somit erschaffen.
    Die Wissenschaftler schreiben Papers, die Philosophen schreiben Essays. Ich finde, beide Seiten ergänzen sich. “Bescheidenheit” als Überschrift des letzten Absatzes des Beitrags passt da sehr gut.
    Und nicht vergessen: „Der Zweck der Philosophie ist die logische Klärung der Gedanken. Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit.“ (L. Wittgenstein, Tractatus logico-philosophus 4.112)

  96. @Thomas Waschke / 17.03.2021, 06:41 Uhr

    »(schon merkwürdig, wenn man als Jude hellenistisches Gedankengut verarbeitet und dann aus dem ‘Geist über den Wassern› einen Logos zu machen müssen meint).«

    So kann man sich irren. Der Λόγος als “Sohn Gottes” ist tatsächlich ein Motiv aus der jüdischen Philosophie.

    Der Lógos im Johannes-Evangeliums ist praktisch eine bei Philon von Alexandia plagiierte Idee, und originär christlich ist dabei nur die Kopplung an die Figur Jesus Christus.

  97. @Thomas Waschke 17.03.2021, 12:21 Uhr

    Oh ja. Es gibt wohl kaum einen namhaften Philosophen, der sich nicht lustvoll zu seinen Meinungsumschwüngen geäußert hätte. Hilary Putnam dürfte in dieser Hinsicht spitze gewesen sein. Nun bin ich nicht verpflichter, alle Schlenker meiner “Idole” mitzumachen. Da halte ich es wie Sie:

    Aber das heißt nicht, dass ich nun Popperianer in allen Gebieten sein muss.

    Deshalb gebe ich meine Fundstellen an.

  98. @Stephan Schleim
    Zu @Andresen: Naturwissenschaften // Fundament

    Grundsätzliches: Bei fast jeder nicht-trivialen Fragestellung kann man „Bottom Up“ oder „Top Down“ vorgehen. Bottom Up ist meistens mühsam, oft sehr aufwändig und manchmal aussichtslos. Top Down passt meistens besser zur Fragestellung. Bei einer gefundenen Lösung sollte man aber sicher sein, dass man dabei „fest“ auf dem Boden naturwissenschaftlicher Erkenntnis oder auf anderen darauf aufbauenden Erkenntnissen steht.

    Ein Beispiel: Im Zusammenhang mit der „Pallas“-Havarie (1998) wurde über hochseetaugliche (Notfall-) Schlepper an der Nordseeküste gestritten und allgemein über Risiken der Schifffahrt diskutiert. Aus „Berlin“ kam die Idee, bei einem in Seenot befindlichen Schiff die Besatzung und die Passagiere einfach auf ein anderes Schiff umsteigen zu lassen. Vermutlich von „Binnenländlern“, die dabei an Ein- und Ausstieg im Hafen gedacht hatten und sich die Auswirkungen von Wellen nicht vorstellen konnten.
    Diese hat ungefähr zu der Zeit ein aus einem Hubschrauber aufgenommenes Video von einem Seenotfall im Pazifik aufgezeigt: Zwei Schiffe nebeneinander in der aufgewühlten See. In einem Moment lag das Deck des einen Schiffes viele Meter über dem des anderen Schiffes, wenig später war es genau andersrum. Keine Chance für ein Umsteigen. Bei dieser Idee wurden naturwissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert.

    Gedankenexperimente (das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen, siehe „Klon“-Thread 😉 ): Gedankenexperimente sind in vielerlei Hinsicht hilfreich, z.B. um die Grenzen einer Idee, Vermutung, Hypothese abzuwägen und einzuschätzen. Das gilt insbesondere, wenn man ein aufwändiges reales Experiment plant oder wenn reale Experimente mit Schäden an Leib und Leben verbunden wären. Bevor man aus Gedankenexperimenten Schlussfolgerungen zieht, sollte man die Realisierbarkeit zumindest analysieren.
    Oder flapsig formuliert für den Beipackzettel bei Gedankenexperimenten: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker oder Naturwissenschaftler.

  99. @Stephan Schleim

    Diskutieren wir weiter, wenn Sie wenigstens diesen Anforderungen des Kirchenrechts genügen? Danke.

    Ich habe “hier” doch gar nicht über die Kirche hergezogen?!

    Ich wusste aber auch nicht das Scilogs eine kirchliche / katholische Veranstaltung ist?!

    In der Regel ist mit das Kirchenrecht egal, da ich nicht für diesen Verein arbeite.

    Ich reagierte auf “Wer gründete die ersten Universitäten?” … von Europa oder Universität im kirchlichen Sinne war da nicht die Rede.

    P.S. Und zu der anderen Diskussion: Ich weiß selbst, dass es in Indien wahrscheinlich schon früher “Universitäten” gab. Das steht hier überhaupt nicht zur Diskussion.

    Doch! Erst geht es um Universität im Allgemeinen .. dann auf einmal um “Die ersten Universitäten konnten nur mit Zustimmung des Papstes oder Kaisers gegründet werden, sonst hätten sie gar keine akademischen Grade verleihen können.”
    Das ist insgesamt mindestens missverständlich WAS nun gemeint war.

    Sie sollen einfach mal die historische Tatsache anerkennen, dass viele Bildungseinrichtungen in Europa, einschließlich Universitäten, von der, später: den Kirchen gegründet wurden.

    Ja und woanders gab es ähnliches schon lange vorher …

    Wenn Sie immer so auf Wissenschaftlichkeit pochen, warum ignorieren Sie dann die Geschichtswissenschaft?

    Keine Sorge das tue ich ganz und gar nicht. Ich denke nur wenn jemand von “erste” o.ä. spricht nicht gleich “ach der meint bestimmt nur Europa und die Kirche”.

    Es ist auch kein Zirkelschluss, weil Päpste solche Privilegien verliehen haben, denn sie hätten es ja auch lassen können.

    Doch, weil jede Bildungseinrichtung vorher dann einfach per Definition keine Uni gewesen sein kann. Dann hätte man auch “kirchliche Bildungseinrichtung” schreiben können. Anfangs war das ja nichts anderes. Dann ist das mit dem “erste” nur albern, weil die ersten kirchlichen Bildungseinrichtungen natürlich von der Kirche errichtet wurden.

  100. @Chrys 17.03.2021, 12:50 Uhr

    [Waschke:] (schon merkwürdig, wenn man als Jude hellenistisches Gedankengut verarbeitet und dann aus dem ‘Geist über den Wassern› einen Logos zu machen müssen meint).«

    So kann man sich irren. Der Λόγος als “Sohn Gottes” ist tatsächlich ein Motiv aus der jüdischen Philosophie.

    Ups, danke für den Hinweis, mein Fehler. Ich habe mich mit den Details nur am Rande befasst, Theologie, egal welche, ist nicht mein Feld.

    War aber in dem Kontext eher nebensächlich, es ging mir nur darum, dass unter ‘Λόγος’ noch mehr verstanden wurde als mein Vorredner anführte.

  101. @Rüdiger Mende 17.03.2021, 12:47 Uhr

    Und nicht vergessen: „Der Zweck der Philosophie ist die logische Klärung der Gedanken. Die Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Tätigkeit.“ (L. Wittgenstein, Tractatus logico-philosophus 4.112)

    Sehr gute Einsicht, ich denke, dass sich das durchs ganze Werk von Wittgenstein (dem Stegmüller als einzigem Philosophen in seinen ‘Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie’ zwei Beiträge gewidmet hat, eben weil er einen so radikalen Schwenk einlegte wie kaum ein anderer Philosoph) zieht, nur eben auf zwei verschiedenen Baustellen.

    Ich vermute aber, dass nach dem Kriterium, das Wittgenstein hier anführt, sehr viele der alten Philosophen (und auch viele neuere bis aktuelle) keine sind. Die waren oft Systembauer oder meinten, mehr als Sätze über Sätze, die in der Luft hängen, über das ‘Sein des Seienden’ formulieren zu können, obwohl sie über keinerlei Kraftschluss zum Sein verfügten.

    Es war schon ein gewaltiger Schritt, dass man die Erkenntnis zumindest der Natur empirisch angeht und den Philosophen dann überlässt, das Ganze genauer zu bewerten. Es gab übrigens in der Geschichte der Evolutionsbiologie den interessanten Fall, dass sich Fachwissenschaftler einen Philosophen zu Hilfe holten, weil sie merkten, dass sie mit ihren Möglichkeiten nicht weiter kamen.

  102. @Thomas & Chris
    Zum Logos.
    Lawson, Jack N. “Mesopotamian Precursors to the Stoic Concept of Logos.” In: R. M. Whiting (ed.). Mythology and Mythologies. Methodological approaches to intercultural influences. Melammu Symposia 2. Helsinki: The Neo-Assyrian Text Corpus Project 2001, 68-91.

    könnte euch interessieren.

  103. Aus obigem Text von mir übersetzt:

    Die Götter Mesopotamiens – in und durch ihre kraftvolle Sprache symbolisiert – stehen als Vorläufer des universellen Prinzips der Stoa. In all seinen wesentlichen Aspekten hat der von den Stoikern dargelegte Logos Vorläufer in der Literatur und im Denken des alten Mesopotamien.
    Wie und wo Verbindungen zwischen den Zivilisationen Mesopotamiens und den frühen Philosophen Ioniens hergestellt wurden, ist, wie oben erwähnt, unerheblich. Wichtig ist, dass benachbarte Zivilisationen im Osten mindestens zwei Jahrtausende vor dem Aufstieg der Stoikschule der Philosophie Literatur hervorgebracht hatten, die Ideen eines kosmischen, kreativen Prinzips darlegte, Ideen, die um die göttliche Sprache oder das „Wort“ organisiert waren . ” Es war auch das eigentümliche Genie der griechischen Zivilbevölkerung, die Idee in ihre philosophische Sicht der Welt einzubeziehen und sie damit unverkennbar zu prägen. Aber wenn die Münze in Griechenland geschmiedet wurde, stammte das Erz aus Mesopotamien.

  104. @Timm Grams 17.03.2021, 13:09 Uhr

    Deshalb gebe ich meine Fundstellen an.

    Kann sein, dass ich, weil ich davon ausging, dass Sie das tun, als sie Logik der Forschung schrieben, das einschlägige Werk ‘Logik der Forschung’ von Popper meinten.

    Sollten sie mit “Logik der Forschung” aber nur die Logik dessen, was man als ‘Forschung’ bezeichnen kann, gemeint haben, wäre das, was Sie geschrieben haben, weit, weit problematischer gewesen. Es gibt nicht die Logik der Forschung. Es gibt viele Wissenschaftstheoretiker (also Menschen, die sich meist normativ oder präskriptiv damit befassen, wie Forschung zu betreiben sei), die diesbezüglich durchaus nicht nur in Details unterschiedlicher Meinung sind, und es gibt auf keinen Fall eine anerkannte Wissenschaftstheorie mit dem Motto ‘one fits all’ für alles, was ‘Wissenschaft’ im Namen führt.

    Und wenn Sie Popper erwähnen, wird es noch komplexer. Sie kennen sicher das Buch von Thomas Kuhn ‘Logic of Discovery or Psychology of Research?’ Dort wird anhand dessen Kabbelei mit Popper durchaus anschaulich beschrieben, dass man Wissenschaftstheorie auch deskriptiv betreiben kann.

  105. Stephan Schleim
    17.03.2021, 02:38 Uhr
    @Maier: Geistes-, Naturwissenschaften und so

    Ich denke, dass Ihnen bewusst ist, das ich diese Formulierungen mit Absicht so gewählt habe, um meine Einordnung sehr deutlich zu machen. Ich habe auch absolut keinen Zweifel daran, dass ich mit meinen Äußerungen hier das Philosophiegebäude nicht, und sei es auch nur um den Durchmesser ( wenn man das so sagen will ) eines Elektrons, verrücken kann. Aus meiner Sicht ist völlig klar, dass die Struktur unseres Gehirns, die uns in ihrer Funktionsweise ( cum grano salis ) zu dem gemacht hat, dass wir uns heute “Mensch” und “homo sapien sapiens” nennen können, dazu führt, dass wir uns “Gedanken machen” können, die über das reine Überleben, das Finden eines Sexualpartners und das Essen für heute und vielleicht morgen hinausgehen. Solche Gedanken sind unabhängig davon, ob sie nun rein “virtuell” sind, eine Art Simulation von etwas Möglichem darstellen oder ob sie ( vielleicht auch in einer Art self fulfilling prophecy ) in gewisser Weise Realität werden oder diese nur beschreiben. So lange die Bibel als einzige Grundlage der Erkenntnis zulässig/zugänglich war, war es durchaus gerechtfertigt, aus den Informationen des AT und scharfsinnigen Schlüssen das Alter der Erde zu berechnen, und ich denke, dass es damals auch zu hitzigen Diskussionen darüber gekommen ist, aus heutiger Sicht … Schwamm drüber.
    Ebenso kann man sich auf Basis solcher Informationen trefflich auseinandersetzen, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz finden – wenn wir denn erst mal definiert hätten, welche Nadel wir denn meinen, eine Näh-, eine Stopf-, eine Strick- oder eine Impfnadel? Dann sollten wir definieren, was eine “Spitze” ist, mit welcher Vergrößerung wir diese betrachten, aus subatomarer Sicht ist auch die schärfste Nadelspitze noch eine weite Ebene. Dann kommen wir zu den Engeln, wegen der Anzahl, und da eröffnet sich meines Erachtens die größte Diskussion. Nehmen wir die Engel als fermionische Wesen an, so kann nur ein Engel da sein, wo kein anderer ist, mit der angenommen kleinsten “Größe” der eines Quarks kann man somit auf gegebener Fläche ( “Nadelspitze” ) die maximale Engel berechnen. Sind die Engel hingegen bosonische Erscheinungen, so müssten wir die Mathematik bemühen, die unterschiedlich unendliche Unendlichkeiten kennt und diese auch unterscheiden kann.
    Und was hat das alles mit der Frage zu tun, ob morgen oder übermorgen Speise auf meinem Teller ist?
    Nichts, es sei denn, ich würde für solche oder vergleichbare Fragestellungen und Antworten darauf bezahlt.

  106. @Thomas Waschke 17.03.2021, 15:18 Uhr

    Was sollen diese Spielchen?

    Sollten sie mit “Logik der Forschung” aber nur die Logik dessen, was man als ‘Forschung’ bezeichnen kann, gemeint haben…

    Dabei haben Sie mich weiter oben sogar zitiert:

    Die Logik der Forschung, von K R Popper später kritischer Rationalismus genannt, dient der Erkenntnis und kommt ohne metaphysische Grundlegung aus

    Worum es geht, ist doch sonnenklar, oder? Die Kritik daran durch Kuhn und Feyerabend ist mir bekannt. Deren Einwendung betreffen aber nicht meinen Punkt, nämlich die Entbehrlichkeit einer Ontologie.

  107. @Timm Grams 17.03.2021, 17:57 Uhr

    Keine ‘Spielchen’

    Ich habe nicht immer alles im Kopf, was ich mit wem diskutiert habe und erlaube mir, nachzufragen und zu vertiefen. Wenn ich ‘Spielchen’ treiben würde, würde ich Sie darauf aufmerksam machen, warum ich keine, doppelte und einfache Anführungszeichen verwendet habe (allerdings nicht unbedingt so wie auf S. XI des Buchs, das Sie aktuell vor sich liegen haben, beschrieben, eher so wie es dort im vorletzten Satz steht).

    Worum es geht, ist doch sonnenklar, oder? Die Kritik daran durch Kuhn und Feyerabend ist mir bekannt.

    Schön, dass das geklärt ist.

    Deren Einwendung betreffen aber nicht meinen Punkt, nämlich die Entbehrlichkeit einer Ontologie.

    Sind Sie sicher, dass Popper behauptet hat, eine Ontologie (im Sinne von Bunge und Mahner) sei entbehrlich? Haben sie eine Quelle dafür (besonders eine neuere, es könnte auch hier sein, dass Popper hier seine Auffassung geändert hat).

    Wenn Sie Wikipedia bemühen, finden Sie

    https://de.wikipedia.org/wiki/Drei-Welten-Lehre

    Die Drei-Welten-Lehre ist eine ontologische Position, die die Existenz dreier Welten annimmt. Diese drei Welten sind die Außenwelt (= physikalische Welt materieller Objekte, z. B. Berge, Autos, Häuser), die Welt des Bewusstseins (z. B. Gedanken, Gefühle, Empfindungen) und die Welt der objektiven Gedankeninhalte (z. B. mathematische Sätze).

    Wenn ich das richtig interpretiere, ist die Existenz einer Außenwelt exakt das, was ich als ontologische Grundlage der Naturwissenschaft interpretieren würde. Mahner und Bunge betrachten das als fallibles Postulat, zumindest, bis der Solipsismus widerlegt wurde (letzteres ist meine Formulierung, müsste aber passen, erforderlichenfalls kann ich bei Mahner nachfragen). Diese Ontologie ermöglicht aber ein konsistentes Weltbild und hängt nicht in der Luft wie alle anderen Positionen, die sich hier um Aussagen herummogeln.

  108. @Thomas Waschke 17.03.2021, 18:35 Uhr
    Ihre Frage

    Sind Sie sicher, dass Popper behauptet hat, eine Ontologie (im Sinne von Bunge und Mahner) sei entbehrlich?

    beantworte ich mit einem klaren Nein. In der frühen Fassung der “Logik der Forschung” (1934) kommt so etwas einfach nicht vor.

    Im neuen Anhang “*XV. Über Wahrheitsnähe” (1981) bezeichnet sich Popper als Realist. In “Vermutungen und Widerlegungen” präzisiert er seinen Realismus im Kapitel 10 “Wahrheit, Rationalität und das Wachstum, der wissenschaftlichen Erkenntnis” (1960/62). Die “Idee der Wahrheit” ist für Popper nur eine regulative Idee. Ein solcher schwacher Realismus ist meilenweit weg vom Realismus Mahners oder Vollmers.

    Die Beschäftigung mit seiner Drei-Welten-Lehre habe ich beendet, bevor mir schwindlig hätte werden können. Wie gesagt: Ich bin nicht verpflichtet, alle Schlenker meiner “Idole” mitzumachen. In meinem Hoppla!-Artikel Sechstes Intermezzo: Basics für Skeptiker steht, was ich dazu sagen kann.

  109. @Timm Grams 17.03.2021, 19:31 Uhr

    Im neuen Anhang “*XV. Über Wahrheitsnähe” (1981) bezeichnet sich Popper als Realist. In “Vermutungen und Widerlegungen” präzisiert er seinen Realismus im Kapitel 10 “Wahrheit, Rationalität und das Wachstum, der wissenschaftlichen Erkenntnis” (1960/62). Die “Idee der Wahrheit” ist für Popper nur eine regulative Idee.

    Danke für die Literatur-Hinweise. Darauf hatte ich in etwa angespielt, als ich meinte, dass Popper seine Auffassung geändert habe.

    Okay, muss vielleicht doch mal in den Keller gehen und in die von Ihnen erwähnten Bücher schauen. Ist schon Jahrzehnte her, seit ich mich intensiver mit Popper beschäftigt habe.

    Evidenzbasierte fallible Ontologie scheint mir allerdings nichts mit einer ‘Idee der Wahrheit’ in dem Sinn, dass man wahre Sätze als wahre Sätze erkennen kann, zu tun zu haben. Wie Sie oben auch zumindest als Titel anführen, hat Popper irgendwann erkannt, dass er kein Argument für eine Annäherung an die Wahrheit hat. Ich bin mir jetzt nicht einmal sicher, ob er auch selber eingesehen hat, warum sein Fallibilitätsprinzip nicht trägt. Aber das ist kein Widerspruch zu dem, was Bunge, Mahner oder Vollmer (der übrigens auch bei Bunge in Montreal war) lehren.

    Ein solcher schwacher Realismus ist meilenweit weg vom Realismus Mahners oder Vollmers.

    Das ist der wohl Grund, warum ich Mahner und Bunge und nicht Popper folge. Aber schön, dass Sie zumindest einräumen, dass Popper Realist ist.

    Die Beschäftigung mit seiner Drei-Welten-Lehre habe ich beendet, bevor mir schwindlig hätte werden können. Wie gesagt: Ich bin nicht verpflichtet, alle Schlenker meiner “Idole” mitzumachen.

    Schön, dass wir hier einig sind (hatten wir weiter oben schon). Ich erlaube mir auch, eigene Gedanken zu haben, auch wenn Autoren, auf die ich mich gerne stütze, etwas anderes lehren.

    In meinem Hoppla!-Artikel Sechstes Intermezzo: Basics für Skeptiker steht, was ich dazu sagen kann.

    Schaue ich mir gelegentlich an. Danke für den Tipp.

  110. @Stephan Schleim 17.03.2021, 08:55 Uhr

    Vorder- und Hinterbühne

    Natürlich will man Entscheidungen lieber “evidenzbasiert” treffen. Mir ist noch nie jemand begegnet, der das Gegenteil behauptet…

    Schön, dass wir uns schon mal so weit einig sind.

    …aber das verlagert die Entscheidung auf die Ebene, was man als Evidenz ansieht; und das ist eine philosophische Entscheidung.

    Yepp, und das ist dann das, was ich als ‘Hinterbühne’ bezeichne (Hilbert Meyer hat diese Begrifflichkeit in einem sehr lesenswerten Buch mit Tipps für Lehramtsstudenten verwendet, ich weiß nicht, ob er die Begrifflichkeit geprägt oder übernommen hat). Vermutlich hat aber niemand hier Interesse, das zu klären. Trotzdem ein paar Gedanken dazu.

    Man kann beispielsweise Agnostizismus (‘Vorderbühne’) vertreten, weil man ‘Lieb Kind’ mit allen Menschen sein möchte und daher ein Schlupfloch für Supranaturalismus offen halten muss (‘Hinterbühne’), oder man kann mit dem Wissenschaftsbetrieb unzufrieden sein, gesellschaftliche Fehlentwicklungen kritisieren und so weiter (‘Vorderbühne’) und die Hoffnung auf das setzen, was Religiöse Positives geleistet haben, vielleicht auch eine Sehnsucht nach dem haben, was anderen Halt im Leben gibt und das man selber nicht haben kann (‘Hinterbühne’) und dann irgendwie alles ablehnen, was irgendwie nach Kirchenkampf, Religionskritik oder irgendwas in dieser Richtung aussieht (‘Mittelbühne’).

    Man kann natürlich auch Agnostizismus (‘Vorderbühne’) vertreten, weil man so effektiver gegen Theisten zumindest consciousness raiser setzen kann als wenn man gleich mit Atheismus mit der Tür ins Haus fällt (‘Hinterbühne’), oder natürlich auch einen emergentistischen Materialismus vertreten und sich als ‘Naturalist’ bezeichnen (‘Vorderbühne’), weil man, wie beispielsweise Sommer in dem sehr sehenswerten Streitgespräch mit Drossel, sich nicht negativ (A-Theist) bezeichnen möchte,

    https://www.spektrum.de/news/was-haben-glaube-und-vernunft-gemein/1587770

    aber als Naturalist so nebenbei mit allen Supranaturalismen auch die ontologische Grundlage für so gut wie alle theistischen Religionen mit beseitigt (‘Hinterbühne’).

    Ist halt vielschichtig.

    In der biomedizinischen Forschung (und zum Teil auch der Politik) hat sich das zu einem Buzzword und Marketing-Sprech entwickelt: Dann braucht man nicht mehr zu argumentieren, sondern nur noch mit dem Finger auf etwas zu zeigen und zu sagen: evidenzbasiert/nicht evidenzbasiert.

    Solange man damit Recht hat, dass keine Evidenz vorliegt und die Begründungspflicht-Frage geklärt ist, macht es sehr viel Sinn, genau das zu machen. Eine Seite der Diskussion sollte dann erst mal die Hausaufgaben machen, bevor man ihr den ‘benefit of doubt’ einräumt.

    Das wird wohl der wesentliche Unterschied zwischen Ihnen und mir sein.

    P.S. Was wohl passieren würde, würde man die übereinstimmenden Berichte von Mystikern und Meditationserfahrenen unterschiedlicher Kulturen der letzten 2.500 Jahre als Evidenz zulassen…?

    Das ist doch längst geschehen. Ist es nicht allgemein anerkannt, dass diese Menschen (aber eben nicht alle Menschen) ‘etwas’ erfahren (aber eben nicht so übereinstimmend, wie Sie behaupten) und dass man das durchaus rational und wissenschaftlich untersuchen kann? Genauer, was kann man daraus lernen? Dass die, die so etwas erlebt haben, sich inhaltlich irren, wenn sie das auf bestimmte Art und Weise interpretieren, oder dass es ‘etwas’ jenseits der Schädeldecke geben muss, das für diese Erfahrungen verantwortlich ist?

    Nur ein Beispiel. Als es aktuell war (Kübler-Ross war ‘damals’ ein Riesen-Thema) wurde erforscht, dass es NTE und ähnliche Phänomene gibt. Sehr viele Menschen (darunter auch solche, die ich persönlich kenne und bei denen ich sicher bin, dass diese mir geschildert haben, was sie erlebten) haben einen Tunnel erlebt, den sie durchschritten, und am Ende war Licht. Manche sahen dort Jesus, andere irgendwelche Menschen, wieder andere gar keine Menschen und so weiter, manche hörten Stimmen, andere nicht. Was folgt nun daraus, wenn man das ernst nimmt? Doch nicht mehr, als dass diese Menschen ‘etwas’ erlebten und dass das durch ihre weltanschauliche Grundposition ‘getönt’ war. Oder war da mehr?

    Was ist hier ‘evidenzbasiert’, und wer ist begründungspflichtig, falls man behauptet, dass da ‘mehr’ ablaufen muss als interne Vorgänge? Ein schönes Bild stand damals IIRC im SPIEGEL: Man steht abends am Fenster, hinter sich ein Kaminfeuer. Es wird immer dunkler, und irgendwann sieht man das Kaminfeuer im als Spiegelung im Fenster. Wenn man das auf NTE überträgt, macht das für mich hinreichend Sinn (wenn im Gehirn bestimmte Verrechnungsprozesse in den Hintergrund treten, werden andere bewusst, die sonst überdeckt werden), ohne dass ich darin etwas hineingeheimnissen müsste.

    Andere mögen das anders sehen.

    Aber Sie haben Recht, die Diskussion kann man durchaus auch beenden. War interessant, vielleicht irgendwann bis später mal wieder.

  111. Nach einigen Tausend Kommentaren habe ich das Gefühl, dass einige Diskutanten mit dem Thema intellektuell überfordert sind. Daher möchte ich es hier einmal simplifiziert darstellen, und zwar am Beispiel des Autos:
    Der Reduktionist untersucht das Auto bis hin zur kleinsten Schraube (bravo!), er meint, mit der Schraube auch Dinge wie Fahrverhalten oder Bremsweg erklären zu können (falsch!). Der nichtreduktive Materialist will ihm das ausreden, aber er ist verstockt und meint, eines Tages werde das möglich sein. Der Emergentist versucht ihm zu erklären, dass man die Physik des ganzen Autos nicht mit der Physik der Schraube beschreiben könne, es nützt alles nichts. Der synthetische Emergentist weiß, dass das Auto nicht nur technisch ein Ganzes ist, sondern, dass sein Design als eigene Bedeutungsebene existiert. Der Dualist sagt, beides seien verschiedene Welten, die nichts miteinander zu tun hätten. Der Physikalist sagt, es gäbe kein Design, von daher bräuchte man es auch nicht zu beschreiben. Ein Herr namens Laplace meint, bei Kenntnis aller Schräubchen könne er voraussagen, dass Opa Karl eines Tages vergessen würde, Öl nachzufüllen und es zum Kolbenfraß käme. Der Esoteriker führt den Defekt am Scheibenwischer auf Quantenzufälle zurück die auch dafür verantwortlich seien, dass ihm letztens schwindelig geworden wäre. Der Theist sagt, eine Maschine, die zweihundert km/h schnell fährt, könne nicht von Menschenhand gemacht sein, der Agnostiker sagt, doch, aber warum das Benzin im Zylinder explodiert und den Kolben in Bewegung setzt, werden wir nie ganz verstehen. Der Idealist behauptet, die Idee des Autos gäbe es schon seit dem Urknall, sie wäre aber erst vor hundert Jahren realisiert worden. Der Informatiker meint, man könne die Technik des Autos auf den Menschen übertragen, denn er fahre ja auch. Zwei Scholastiker streiten sich über die Frage, ob Carl Benz die Idee zum Motor am 2.4. 1890 gehabt habe – oder zwei Wochen später. Der Mensch ist schon ein lustiger Geselle, oder? Ich verabschiede mich und wünsche allen gute Fahrt.

  112. @Waschke: Psychologie des Agnostizismus

    Interessante Analyse…

    …doch für mich hört sich das teilweise zu sehr nach einer Psychologisierung des agnostischen Standpunkts an (es sich nicht mit den “Supers” verscherzen wollen).

    Dass man sich in einer Entscheidung zwischen entweder A oder B enthält, weil man keine schlagenden Gründe sieht, ist das nicht hinreichend?

    Ich würde meinen Standpunkt am liebsten noch nicht einmal mit dem Etikett “agnostisch” versehen, doch die meisten Menschen scheinen solche Kategorien zu brauchen.

  113. @Stegemann: dualistisches Auto

    Auch ich schließe mich an: schöner Vergleich.

    Beim Dualist…

    beides seien verschiedene Welten, die nichts miteinander zu tun hätten

    …scheint mir das aber doch zu kurz gegriffen: Im Interaktionismus steuert die Seele den Körper und erfährt dessen Sinneseindrücke; im Parallelismus ticken sie sozusagen synchron; im Prästabilibilismus(?) sind sie von Anfang an gleich gestimmt.

  114. @Thomas Waschke 18.03. 07:29

    „Solange man damit Recht hat, dass keine Evidenz vorliegt und die Begründungspflicht-Frage geklärt ist, macht es sehr viel Sinn, genau das zu machen. Eine Seite der Diskussion sollte dann erst mal die Hausaufgaben machen, bevor man ihr den ‘benefit of doubt’ einräumt.“

    Brauchen wir denn die absolute Theorie, die verstanden, nachgewiesen und auch noch von Allen akzeptiert wird?

    Wenn ich mir vorstelle, dass verschiedene Menschen verschiedene Erkenntnisstufen erreichen können, dann bricht doch dieses Vorhaben zusammen. Wer die mathematischen Grundlagen der Physik nicht versteht, der kann doch gar kein wirklich physikalisches Weltbild haben. Wer im Sinne seiner eigenen persönlichen Lebenserfahrungen verschiedene spirituelle Erfahrungen macht, oder im Spezialfall eben überhaupt keine solche Erfahrungen macht, der muss doch zu verschiedenen Weltmodellen kommen.

    Und diese kann man nicht verallgemeinern, es bleiben immer verschiedene Glaubensinhalte übrig, auch wenn man in weiten Bereichen durchaus Schnittmengen hat. Die ganzen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Soziologie, Psychologie, Biologie und Physik sind doch, soweit ein Mensch sie kennt und auch verstehen kann, dann in jedem Fall eine gemeinsame Grundlage.

    Dazu kommen dann aber eben die ganzen persönlichen Differenzen, die sich z.T. einfach aus Unkenntnis ergeben, oder auch oft aus Unverständnis ergeben, weil die mathematischen Kenntnisse nicht ausreichen. Aber auch die eher menschlichen Erfahrungswelten machen am Ende Unterschiede.

    Es nützt hier auch wenig die Leute insofern einfach platt zu diskutieren, und ihnen eben jene Unkenntnisse vorzuwerfen, um ihnen nahe zu legen, sich doch besser am Diskurs dann erst gar nicht zu beteiligen. Diese Leute werden dennoch ein Weltbild haben. Und wenn ich persönlich mit realen Menschen zu tun habe, macht es viel Sinn, den anderen einfach zu verstehen, in dem, so wie er ist, und dann zu sehen, was man denn zusammen machen kann, und was nicht.

    Beim Doppelkopf z.B. gibt es verschiedene Versionen von Spielregeln, und wenn man zusammen spielen will, muss man sich zuerst auf die Regeln einigen, aber dann kann man zusammen spielen. Wenn hier jeder auf seine bevorzugten Spielregeln besteht, dann kann man eben nicht zusammen Doppelkopf spielen.

    Wenn einer zum Homöopathen geht, dann soll er das doch machen. Immerhin schaden die verdünnten Substanzen wenigstens nicht. Bei kleineren Beschwerden kann man doch mit einem nett ausgeschmückten Placebo zufrieden sein, und bei schwereren Krankheiten macht der Homöopath vielleicht dann Sinn, wenn die evidenzbasierte Medizin auch nicht wirklich helfen kann. Das Einzige, das hier wirklich ärgert, dass ist der entgangene Umsatz, wenn ein Patient zur Konkurrenz wechselt.

  115. @Wolfgang Stegemann 18.03.2021, 08:10 Uhr

    Interessanter Text.

    Außerdem sehr nützlich, falls man veranschaulichen möchte, was es bedeutet, dass Vergleiche hinken.

  116. @Stephan Schleim 18.03.2021, 11:19 Uhr

    …doch für mich hört sich das teilweise zu sehr nach einer Psychologisierung des agnostischen Standpunkts an (es sich nicht mit den “Supers” verscherzen wollen).

    Was um alles in der Welt soll das Aufzeigen von ‘Vorderbühne’ und ‘Hinterbühne’ anderes sein als Psychologisierung? Hätte ich den Begriff noch explizit dazu schreiben müssen?

    Dass man sich in einer Entscheidung zwischen entweder A oder B enthält, weil man keine schlagenden Gründe sieht, ist das nicht hinreichend?

    Nein, eben nur dann, wenn es nicht hinreichend Evidenzen gibt. Es ging ja gerade darum, ob es diese gibt, und davon hängt es ab, ob das hinreichend ist, oder eben auch nicht. Und das führt dann eben zu der Frage, was nun die ‘Hinterbühne’ ist, wenn man Wert darauf legt, sich nicht entscheiden zum müssen, und dazu eventuell die Epistemologie ein wenig anpasst.

    Ich hatte das schon ausgeführt: als Ignostiker enthält man sich beim ‘Gott der Philosophen’, eben weil das eine logische Ableitung ist, die bestenfalls in eine Aporie führt und es keine Evidenz für die eine oder andere Alternative gibt.

    Aber die ‘Supers’ (ein Begriff, der sich zum Glück, nicht durchgesetzt hat, auch ‘Brights’ ist nicht besser, aber leider etabliert) vertreten doch meist vollkommen andere Gottesbilder. Und da ist die Enthaltung nicht mehr zu rechtfertigen. Von der anderen Seite wird das genauso gesehen (“Wer nicht für mich ist, ist gegen mich …”). Bei stramm Frommen läuft der Agnostiker auch nicht besser auf als der Atheist.

    Bertrand Russell (und auch Dawkins) wissen, dass sie ‘eigentlich’ Atheisten sind, auch wenn sie sich als Agnostiker bezeichnen, wenn sie es mit Philosophen zu tun haben. Kennen Sie

    Russell, B. (1947) ‘Am I An Atheist Or An Agnostic? A Plea For Tolerance In The Face Of New Dogmas’ URL: http://scepsis.net/eng/articles/id_6.php

    Auch als ich noch Agnostiker war hat mich immer genervt, dass das von vielen Menschen aus beiden Lagern als ‘feiges Fence-Sitting’ bezeichnet wurde, als Entscheidungsschwäche und so weiter.

    Meine Frage war halt, was einen Menschen dazu bringt, sich einer Entscheidung zu enthalten, wenn es Evidenzen gibt. Scheint auf das alte Problem hinauszulaufen, dass man ‘die Wahrheit’ nicht erkennen kann, aber dennoch handeln muss. Die hohe Kunst scheint mir darin zu bestehen, das sicherste Wissen, das aber nicht sicher ist, zu finden, und auf dieser Basis zu handeln. Das Problem ist, dass man sich dadurch eventuell Wege versperren kann. Aber die andere Seite ist, dass man auch sehr viele Holzwege zur Verfügung hat, die man nun nicht unbedingt alle kartieren muss.

    Ich würde meinen Standpunkt am liebsten noch nicht einmal mit dem Etikett “agnostisch” versehen, doch die meisten Menschen scheinen solche Kategorien zu brauchen.

    Wie wäre es beispielsweise mit Accomodationismus oder Kompatibilismus? Zum ersten Begriff gibt es einen wunderbaren Artikel von Michael Ruse, leider funktioniert der Link aktuell nicht, soll aber in Reparatur sein. Bei Bedarf kann ich Ihnen den Artikel aber auch gerne mailen.

    https://biologos.org/files/modules/ruse_scholarly_essay.pdf

    Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie einige Gemeinsamkeiten mit Ruse haben könnten.

  117. @Waschke: offene Fragen
    Bleiben offene Fragen ohne eindeutige Antworten. Da gibt es nichts zu entscheiden. Ausser,dass vermutlich dann Glaube anfängt und man dann entscheidet,bewusst oder unterbewusst, glauben zu wollen oder nicht.
    Offene Fragen sind der Grund und bleiben Grund für alles mögliche. Damit kann man etwas ‘rumspielen’. Macht das Leben bunter…

  118. @Waschke:Urteil
    Mir macht es den Eindruck, Sie verwechseln Entscheidung und Urteil bzw. vermischen die Begriffe.
    Wie steht es mit beiden in Zusammenhang mit offenen Fragen?

  119. @Tobias Jeckenburger, @Mussi

    ich habe Ihnen gerade ausführlich geantwortet, leider erscheint mein Beitrag nicht. Keine Ahnung warum, vielleicht habe ich einen Begriff verwendet, der mich aus dem Rennen wirft. Links habe ich keine gesetzt.

    @Stephan Schleim: Können Sie den Beitrag eventuell freischalten?

  120. @Mussi 19.03.2021, 07:18 und 07:30 Uhr

    Offene Fragen

    Bleiben offene Fragen ohne eindeutige Antworten. Da gibt es nichts zu entscheiden.

    Da bleibt nur die Entscheidung. Auch sich nicht zu entscheiden ist eine Entscheidung (in etwa wie “you cannot not communicate …”)

    Ausser,dass vermutlich dann Glaube anfängt und man dann entscheidet,bewusst oder unterbewusst, glauben zu wollen oder nicht.

    Es gibt Grade der Gewissheit. Stimmt, irgendwann wird aus ‘belief’ dann ‘faith’.

    Offene Fragen sind der Grund und bleiben Grund für alles mögliche. Damit kann man etwas ‘rumspielen’. Macht das Leben bunter…

    Eben. Aber offene Fragen werden von manchen Menschen aus strategischen Gründen dazu verwendet, um everybodies darling zu sein auch Antworten auf geklärte Fragen nicht wahrhaben zu wollen. Nur damit habe ich ein Problem, nicht mit offenen Fragen.

    Entscheidung vs. Urteil

    Mir macht es den Eindruck, Sie verwechseln Entscheidung und Urteil bzw. vermischen die Begriffe.

    Mir ist dieser Unterschied durchaus klar. Es geht mir genau um diesen Unterschied, und zwar hinsichtlich der Begründung der Entscheidung durch ein Urteil.

    Sind wir uns einig, dass eine Entscheidung ohne Begründung insuffizient ist?

    Wie steht es mit beiden in Zusammenhang mit offenen Fragen?

    Hier ist bestenfalls Konsilienz hilfreich. Zudem scheitern Entscheidungen auch bei offenen Fragen ab und an der normativen Macht des Faktischen.

    Es gibt aber auch Aporien. Dann kann man eine Münze werfen …

  121. @Waschke: Wahl
    Oder man entscheidet sich, noch nicht mal eine Münze zu werfen…

  122. @Waschke: Position
    Was sollte mich bei Aporien Position beziehen lassen ( müssen)?

  123. @Mussi 19.03.2021, 08:41 Uhr

    Relaxation

    Ich habe mich für Tante Google entschieden und fand die hilfreiche Definition:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Relaxation

    in der historischen kirchlichen Rechtssprache ein euphemistischer Ausdruck für die Hinrichtung des aufgrund eines Geständnisses verurteilten Häretikers auf Veranlassung der Inquisitionsbehörde, siehe Inquisition

    Bingo!

    Wieder was für’s Leben gelernt 🙂

  124. @Mussi 19.03.2021, 09:08 Uhr

    Ataraxie?

    Aus dem Studium kannte ich folgende Definitionen (zitiert nach Wikipedia):

    Relaxation (Naturwissenschaft), in den Naturwissenschaften (insbesondere in Physik, Chemie, Materialwissenschaften) den Übergang eines Systems in seinen Grundzustand oder in einen Gleichgewichtszustand (häufig nach einer Anregung)

    Oberflächenrelaxation, in der Festkörperphysik und Oberflächenchemie eine Veränderung der Atomabstände an der Festkörperoberfläche

    Relaxation (NMR), in der Kernphysik und bildgebenden Medizintechnik
    Relaxationsprozesse bei kernmagnetischer Resonanz

    Muskelrelaxation, in der Medizin a) die reversible medikamentöse Lähmung der Skelettmuskulatur und b) die physiologische Lösung der Muskelanspannung
    sowie in der Kardiologie die Entspannungsphase der Herzkammern innerhalb der Austreibungsphase des Herzens, siehe Diastole

    in der Informatik einen Schritt des Dijkstra-Algorithmus

    muss aber gestehen, dass mir im aktuellen Kontext keine zu passen schien und ich mich offensichtlich schlau machen musste.

    Gleichgewicht zwischen Widersprüchen auffassen: Homöosthase des Geistes – Ausgeglichenheit.

    Dafür würde ich, dem, was ich auch im Studium gelernt habe, folgend, eher den Begriff Ataraxie bevorzugen.

  125. @Waschke:
    Dann wären wir von den Begrifflichkeiten wieder eher bei der Trennung zwischen Körper und Geist und entdecken doch Gemeinsames.

  126. @Thomas Waschke 18.03.2021, 20:37 Uhr
    @Mussi

    “Wie hast du’s mit dem Spaghetti-Monster?” Darauf keine Entscheidung, sondern das Urteil: “… lohnt keinen Gedanken”.

  127. @Grams: Spaghettimonster
    Interessant:was gilt nicht als Sekte oder Aberglaube was sich heute als neue Religion (sich postmodernen bildend) neben traditionellen formieren ließe?
    Passte eher zu Religion vs Naturalismus.

  128. Da ja heute die Wissenschaft das Maß aller Dinge ist, es aber keine wissenschaftliche Erklärung für das Bewusstsein gibt, kann das wohl nur beudeuten, dass es gar kein Bewusstein gibt. Es ist vielmehr unwissenschaftlicher Quatsch oder wie man heutzutage sagt eine “Schwurbelei”.

  129. @Müller
    Wenn ein Phänomen trotz aller Anstrengungen nicht erklärt werden kann, dann muss man sich tatsächlich fragen, ob dieses Phänomen überhaupt existiert und nicht einfach nur ein Wort ist, ohne direkt beschreibbare Bedeutung. Jeder glaubt zu wissen, was Leben ist, was seine Eigenschaften sind, aber niemand kann es erklären. Man hat sich an die Existenz des Wortes gewöhnt, an die Dinge und die Eigenschaften, die damit gemeint sind, aber ohne die Existenz und das Wesen des Bezeichneten selbst zu prüfen. Es gibt Vögel, Insekten und Flugzeuge, die fliegen können, aber gibt es “das Fliegen” mit eigener Existenz? Ist es nicht einfach nur eine Fähigkeit gewisser Dinge oder Klassen von Dingen, die von den Dingen losgelöst wurde? So ist es wohl auch mit dem Leben und dem Bewusstsein.

  130. @anton reutlinger 19.03.2021, 20:14 Uhr

    Reifizierungen

    Es gibt Vögel, Insekten und Flugzeuge, die fliegen können, aber gibt es “das Fliegen” mit eigener Existenz? Ist es nicht einfach nur eine Fähigkeit gewisser Dinge oder Klassen von Dingen, die von den Dingen losgelöst wurde? So ist es wohl auch mit dem Leben und dem Bewusstsein.

    Exakt der Punkt. Ich kann Ihnen bei Bedarf eine Passage von Ernst Mayr, dem ‘Darwin des 20. Jahrhunderts’, kopieren, der betont, dass kein Biologe weiß, was ‘das Leben’ ist. Es ist eine Reifzierung dessen, was lebende Systeme ausmacht.

    Ich habe das meinen Schülern immer so erklärt, dass ich vor ihnen hin und her gegangen bin und gesagt habe, dass sie nun sehen, dass der Waschke sich bewegt, dass sie also den Waschke in Bewegung sähen. Wo aber ist dann ‘die Bewegung’ vom Waschke? Ich habe dann immer demonstrativ um nicht geschaut und gefragt, wo sie denn nun sei, ‘die Bewegung’, die hier angeblich zu sehen sei. Moustaki hat etwas Ähnliches gesungen, eben dass er nie alleine sei, weil er ja immer noch ‘die Einsamkeit’ habe.

    Das ist übrigens ein typischer Fall dafür, dass die Sprache ‘feiert’ (wie Wittgenstein so schön formulierte). Ein Prozess oder irgendwas anderes wird mit einem Hauptwort bezeichnet, das sich dann in einem Satz wie ein real seiendes Ding verwenden lässt.

    ‘Das Leben’ gibt es genauso wenig wie ‘den Stoffwechsel’, ‘die Verdauung’ oder ‘die Universität von Marburg’.

  131. “@Müller
    Wenn ein Phänomen trotz aller Anstrengungen nicht erklärt werden kann, dann muss man sich tatsächlich fragen, ob dieses Phänomen überhaupt existiert und nicht einfach nur ein Wort ist, ohne direkt beschreibbare Bedeutung. ”

    Warum sollte der Mensch Wörter herbeihalluzinieren und benutzen die keine Bedeutung haben?
    Aber sicher eine sehr elegante Lösung: Was Naturwissenschaften nicht erklären können existiert nicht. Obs außerhalb der eigenen Bubble zur Glaubwürdigkeit beiträgt wage ich aber eher zu bezweifeln (ich finde es übrigens lächerlich)

  132. @Johannes 19.03.2021, 22:23 Uhr

    Warum sollte der Mensch Wörter herbeihalluzinieren und benutzen die keine Bedeutung haben?

    Weil er Halluzinationen mit Begriffen belegen möchte?

    Selbstverständlich haben die Wörter Bedeutung, wenn sie benutzt werden. Die Frage ist eher, ob einem Wort etwas entsprechen muss.

    Goethes ‘Faust’ hat dazu eigentlich schon das Relevante gesagt …

  133. @Thomas Waschke / 19.03.2021, 21:26 Uhr

    »Ein Prozess oder irgendwas anderes wird mit einem Hauptwort bezeichnet, das sich dann in einem Satz wie ein real seiendes Ding verwenden lässt.«

    Wenn also jemand beispielsweise sagt, »wenn ich richtig informiert bin, will der Naturalist vom Sein zur Sprache kommen,« ist darin implizit als logische Bedingung enthalten, dass der Naturalist zuvor vermittels grammatischer Substantivierung des Hilfsverbs `sein’ von der Sprache zum `Sein’ kommen muss. Einverstanden?

  134. @Chrys 20.03.2021, 09:36 Uhr

    Sprache und Sein bzw. Sprache vom Sein

    Wenn also jemand beispielsweise sagt, »wenn ich richtig informiert bin, will der Naturalist vom Sein zur Sprache kommen,« [Zitat aus einem Posting von Thomas Waschke] ist darin implizit als logische Bedingung enthalten, dass der Naturalist zuvor vermittels grammatischer Substantivierung des Hilfsverbs `sein’ von der Sprache zum `Sein’ kommen muss. Einverstanden?

    Bitte zwei Ebenen nicht vermischen.

    Der Naturalist geht davon aus, dass durch eine Evolution materieller Bestandteile des Seins Systeme entstanden, die über ein Nervensystem einer Komplexität verfügten, das ‘Sprache’ ermöglicht. Im Kontext, aus dem Sie meinen Satz entnommen haben, sollte das eigentlich klar geworden sein, und darauf war mein Satz gemünzt.

    Sie sprechen eine andere Ebene an, Sprache als solche. Das war nicht mein Punkt. Wir könnten uns jetzt natürlich unterhalten, ob es Sinn macht, Reifizierungen im aktiven Wortschatz zu verwenden. Solange die Sprache nicht ‘feiert’ ist das problemlos.

    Selbstverständlich ist auch beispielsweise ‘Evolution’ eine Reifizierung, und auch hier besteht die Gefahr, dass Menschen Formulierungen wie ‘die Evolution schafft …’ verwenden, als sei ‘Evolution’ ein Bezeichner für einen intentional handelnden real existierenden Akteur. Dieser Sprachgebrauch ist das Problem, nicht die Reifizierung an sich.

  135. Thomas Waschke ,
    bei ihrer Denkweise assoziiere ich sofort „Kulturanarchist“.
    Das Wesen der Kultur besteht darin, die Phänomene in Worten zu fassen und dann mit ihnen umzugehen, als ob es sie wirklich gäbe.
    Die Schönheit, die Anmut, die Freude, der Hass, der Tod (hier lassen Sie sich hoffentlich überzeugen). Mit der Hilfe der Sprache lassen sich Gefühle erzeugen, denken Sie mal an Gedichte, an Romane, an Hollywood, das lebt von den Gefühlen.
    Die Sprache ist nicht er Sklave der Naturwissenschaft, dafür gibt es die Mathematik. Die Mathematik ist geduldig, die lässt sich versklaven.
    Tipp: Versuchen Sie mal ein Gedicht zu schreiben, das Menschen zu Tränen rührt.

  136. @Chrys 20.03.2021, 09:36 Uhr

    Kommt die sein-Sein-Debatte daher, dass wir top-down denken und bottom-up analysieren, wie ich das in meiner Tabelle versucht habe darzustellen?

  137. @hwied 20.03.2021, 10:17 Uhr

    bei ihrer Denkweise assoziiere ich sofort „Kulturanarchist“.

    Dieser Begriff ist in meinem passiven Wortschatz nicht enthalten. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie den pejorativ konnotieren?

    Was ist, falls mich interessiert, wie Sprache in die Welt kam, und nicht, wie ich mit Sprache Menschen zu Tränen rühren kann?

    Oder auch, wie Wittgenstein so schön formulierte, mich dafür interessiere, wie ‘die Spache feiert’?

    Bin ich dann immer noch ‘Kulturanarchist’, auch wenn ich in diesem Kontext nicht sehe, welche Rolle Gefühle spielen könnten?

  138. “Selbstverständlich haben die Wörter Bedeutung, wenn sie benutzt werden. Die Frage ist eher, ob einem Wort etwas entsprechen muss.”

    Klar muss jedem Wort etwas entsprechen sonst würde es ja das Wort nicht geben. Ich vermute mal sie meinen “in der Realität entsprechen” aber auch das ist falsch denn natürlich existiert auch der Osterhase “in der Realität” nämlich als kulturelles Phänomen. Wahrscheinlich meinen sie mit “entsprechen” irgendwie materiell oder “real” also auch “ohne das menschliche Bewusstsein” existierend aber auch da ist die These das das was die Naturwissenschaft nicht erkennen kann nicht existiert einfach nur doof. Wirklich doof. Erst den Anspruch haben alles erklären zu können und wenn man dann offensichtlich scheitert einfach zu Behaupten das das was man nicht erklären kann (Bewusstsein) nicht existiert und die Fragen die man nicht beantworten kann (Sinn) überflüssig ist, ganz ehrlich das wirkt außerhalb ihrer Bubble die sich ja hier grade gegenseitig Beweihräuchert ziemlich lächerlich.

  139. Waschke
    unser Mitkommentator Johannes kann den Sachverhalt „Waschke und die Kultur“ etwas glatter formulieren.
    Der Ausdruck Kulturanarchist ist nicht nur provozierend, er ist auch bewundernd.
    (Sonst hätte ich mir gar nicht eingemischt)
    Also lassen Sie Wittgenstein in Ruhe schlafen, reparieren Sie ihr Auto, aber lassen Sie die Finger von den Menschen und ihrer Kultur.

  140. @Timm Grams // 20.03.2021, 10:40 Uhr

    »… top-down denken und bottom-up analysieren…«

    Worin besteht für Sie der Untertschied zwischen ‚denken‘ und ‚analysieren‘?

  141. @hwied
    Für Kultur interessiert sich der Kulturwissenschaftler, für die Natur der Naturwissenschaftler. Die Sprache gehört zur Kultur. Dinge, die keine physische Existenz haben, können für den Naturwissenschaftler kein Forschungsgegenstand sein. Den Biologen als Naturwissenschaftler interessieren die lebenden Dinge in der Welt mit ihren spezifischen Eigenschaften und mit verallgemeinerten Gesetzmäßigkeiten.

    Selbstverständlich ist speziell das menschliche Leben sowohl ein Subjekt als auch ein Objekt der Kultur. Den Kulturwissenschaftler interessieren andere Aspekte des Lebens als den Naturwissenschaftler. Beide Bereiche überlappen sich, denn Naturwissenschaft als solche ist ebenfalls Teil der Kultur, besonders die Sprache und die Begriffe, vielfach mit historischem Erbe.

    Das Bewusstsein hat ohne Zweifel sowohl naturwissenschaftliche als auch kulturwissenschaftliche oder humanwissenschaftliche Facetten. Man muss sie auseinander halten. Den Naturwissenschaftler interessiert die Funktionsweise. Dazu muss er die Strukturen von Modulen, die Substanzen, die Prozesse untersuchen und analysieren. Wenn man sie kennt, kann man wieder das integrative Ganze im Zusammenspiel synthetisch betrachten. Dann kann man tragfähige Brücken bauen zu den Human- oder Geisteswissenschaften.

  142. Reutlinger,
    Zustimmung.
    Die Gesetzmäßigkeiten der Natur sind auch poetisch, betrachten Sie nur die Kristalle. Diamanten sind nicht nur wegen ihrer Härte geschätzt.
    Wie sich eine Pflanze im Zeitraffer bewegt, das ist schön. Das Rauschen der Brandung, der Schrei der Möwe, die kann es mit Maria Callas aufnehmen in La Traviata.
    Anmerkung: Eine der besten Opern überhaupt.
    Wenn Herr Waschke allerdings pejorativ konnotiert, dann hilft nur noch das Geknatter eines Trabbi.

  143. @hwied
    Mit Sprache kann man sehr viel Unheil anrichten, das haben wir bei Trump deutlich gesehen. Deshalb muss man hin und wieder die verbalen Samthandschuhe ausziehen. Herr Waschke hat es sicher nicht pejorativ gemeint.

    Zu sprachlichen und anderen Missverständnissen ein aktuelles Beispiel aus USA: ein 21jähriger hat in Atlanta 8 Menschen erschossen, davon 6 aus Asien stammende Frauen. Deshalb ist von Rassismus die Rede. Die Frauen waren Angestellte in Massagesalons, in denen nicht zufällig viele asiatischstämmige Frauen arbeiten. Das Motiv und Ziel des Mannes waren aber nicht die Frauen, sondern die Salons selber.

    Er war Mitglied einer reaktionären Kirchengemeinde, in der jede Form von Sex außerhalb der traditionellen Ehe als Sünde streng verboten ist. Folglich konnte er seine sexuellen Bedürfnisse nicht ohne tiefe Gewissensbisse und Ängste ausleben. Da er seine Bedürfnisse nicht unterdrücken konnte, wollte er die Stätten seiner “teuflischen Begierden” auslöschen. Die Kirchengemeinde hat sich von ihm danach distanziert, mit den heuchlerischen Gründen seines “sündigen” Verhaltens. In Wirklichkeit ist ihre widernatürliche “Kultur” das wahre Motiv für die Schreckenstat!

  144. @Balanus 20.03.2021, 11:58 Uhr
    Stimmt. Ich hätte sauberer formulieren sollen. Ich versuch’s noch einmal.

    Kommt die sein-Sein-Debatte daher, dass wir top-down denken und dass die Ursache-Wirkungsrichtung genau entgegengesetzt, nämlich bottom-up gerichtet ist, wie ich das in meiner Tabelle versucht habe darzustellen?

    In der Tabelle spielt der weiße Pfeil auf diesen Gedanken Kants an: Da wir nur die Erscheinungen erfahren, und nicht „die Dinge an sich“, gruppieren wir die vermeintlichen Dinge der Außenwelt nach Maßgabe der Erscheinungen. Wir „denken“ also in Pfeilrichtung.

  145. “Den Naturwissenschaftler interessiert die Funktionsweise.”

    Markus Gabriel beschreibt das sehr deutlich mit dem Beispiel Fahrad (Gehirn) und von Koblenz nach Worms Fahrad fahren (Bewusstsein). Der Naturwissenschaftler beschreibt die Funktionsweise des des Fahrades (Gehirn) über das von Koblenz nach Worms Fahrad fahren (Bewusstsein) kann er überhaupt nichts sagen, eine Brücke zu den Geisteswissenschagten kann es folglich auch gar nicht geben.

    Die Aussage : Der Naturwissenschaftler interessiert sich für die Funktionsweise des Bewusstseins ist monumentaler Schwachsinn.

    Sie Behaupten: Gehirn=Bewusstsein.

    Genausogut könnten sie sagen: Sonne=Mond oder 1=2

  146. Reutlinger,
    Sex und Religion,
    die Evangelischen haben damit kein Problem. Kulturell betrachtet, waren die Einschränkungen bezüglich Sex zum Schutz der Frauen erdacht worden, weil unverheiratete Frauen von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden.

    Widernatürliche Kultur und Religion. Die Menschen könnten schon früher nicht unterscheiden zwischen kulturellen Tabus und religiösen Tabus.
    Heute ist man da viel weiter. Der Vorsitzende der J . i. D. , den Name lasse ich mal weg, der musste zurücktreten, weil er sich mit Zwangsprostituirten aus dem Ostblock eingelassen hatte.

  147. @hwied
    Es ist keine Frage, dass der Natur des Menschen an manchen Stellen Grenzen gesetzt werden müssen, als kulturelle Regeln oder Schranken. Die Gründe dafür sind evident, wir sehen es an den Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern oder Gewalt gegen Frauen. Es funktioniert aber nicht, wenn man die Natur des Menschen mit willkürlichen und ideologischen Verboten vergewaltigt. Die Sexualität der Menschen ist vielgestaltig, das kann man nicht einfach leugnen und verteufeln. Der Hass auf LGBT und die Ablehnung ist widernatürlich und ein Verbrechen an der Menschlichkeit mit Gewaltverbrechen in Folge.

    Die Brücken zwischen Natur und Kultur müssen tragfähig sein, nicht aus verrottetem Holz. Zur Natur gehört primär die individuelle Freiheit des Menschen, dafür hat er Verstand, Vernunft, Wille und Bewusstsein! Gesellschaft und Kultur können das Leben erleichtern und verschönern, bedeuten aber auch Einschränkungen auf freiwilliger Basis.

  148. @hwied
    Halten Sie es für gerechtfertigt, dass man Opfer von Verbrechen zusätzlich mit Verboten bestraft, angeblich zum Schutz vor diesen Verbrechen? Das ist so zynisch wie “Schutzhaft” in Diktaturen. In fundamental christlichen Ländern wie Polen und USA sind Abtreibungen sogar nach Vergewaltigung verboten. Die Frauen werden also auch noch juristisch und psychisch vergewaltigt, während die Vergewaltiger oftmals straflos bleiben.

  149. Deswegen ziehen wir weder nach Polen, noch in die USA.
    Soweit ich unterrichtet bin, hat Polen die meisten Abtreibungen trotz Verbot.
    In Irland nennt sich das Menstruationsschwierigkeiten.

  150. @Thomas Waschke / 20.03.2021, 10:08 Uhr / cc @Timm Grams

    Die zu unterscheidenden Ebenen sind die von Objektsprache und Metasprache.

    Unter Beachtung dieser hierarchischen Gliederung kann die Linguistik dann Entstehung und Evolution von Sprache als vorfindliche Struktur zum Gegenstand theoretischer Betrachtungen mit wiederum sprachlichen Mitteln machen, was zwangsläufig natur- wie kulturhistorische Aspekte beinhaltet, insofern da etwas empirisch Vorfindliches untersucht wird. `Evolution’ ist hierbei dann ein theoretischer Begriff der Objektsprache, dessen kontextuelle Bedeutung in der Metasprache semantisch konstituiert wird.

    Was eine solche Theorie über Evolution von Sprache jedoch keinesfalls antinomienfrei begründen kann, ist ihre eigene Metasprache. Kurzum, sie wäre unvollständig.

    Wann immer Sie `Evolution’ zwecks Erklärung ins Spiel bringen wollen — erklärt werden kann grundsätzlich nur objektsprachlich durch Konzepte, die eine Metasprache als konstitutive Vorbedingung erforden.

    Erst recht ist Philosophie stets nur in einem sprachlichen Rahmen möglich, über den man mit den Mitteln der Sprache auch nicht hinausgreifen kann. Speziell hat alle Ontologie Sprache zur konstitutiven Vorbedingung; das `Seinende’ wird so letztlich zur reinen Einbildung, bedingt durch mangelnde Reflexion der sprachlichen Mittel, und ist “nicht weniger fiktiv als der Mann im Mond” (Stegmüller).

  151. @Chrys 20.03.2021, 18:32 Uhr

    [ übereinstimmungshalber gesnippt ]

    Erst recht ist Philosophie stets nur in einem sprachlichen Rahmen möglich …

    Voll d’accord. Es ging um die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass es Philosophen gibt. Wie diese Menschen später etwas, beispielsweise ihre Evolution, beschreiben, ist diesbezüglich sekundär.

    Sind wir uns hier einig?

  152. Thomas Waschke,
    etwas wird im Gedächtnis zurückbleiben und nach Wochen seine segensreiche Wirkung entfalten.

  153. @ Johannes 20.03.2021, 10:45 Uhr

    Zitat: „Erst den Anspruch haben alles erklären zu können und wenn man dann offensichtlich scheitert einfach zu Behaupten das das was man nicht erklären kann (Bewusstsein) nicht existiert und die Fragen die man nicht beantworten kann (Sinn) überflüssig ist, ….“

    Mich erinnert es an die Fabel vom Fuchs und den Trauben, die er nicht erreichen kann:

    „Der Fuchs biss die Zähne zusammen, rümpfte die Nase und meinte hochmütig: „Sie sind mir noch nicht reif genug, ich mag keine sauren Trauben.“ Mit erhobenem Haupt stolzierte er in den Wald zurück.“

  154. @Elektroniker 20.03.2021, 22:17 Uhr

    Saure Trauben hoch hängen vs. Strohmännchen abfackeln

    [Zitat Johannes]: „Erst den Anspruch haben alles erklären zu können und wenn man dann offensichtlich scheitert einfach zu Behaupten das das was man nicht erklären kann (Bewusstsein) nicht existiert und die Fragen die man nicht beantworten kann (Sinn) überflüssig ist, ….“

    Mich erinnert es an die Fabel vom Fuchs und den Trauben, die er nicht erreichen kann

    Mich erinnert das an den Strohmann, den man abfackelt, wenn man nicht verstanden hat, um was es ging.

    Der naturalistische emergentistische Materialist bestreitet nicht, dass es ein Bewusstsein gibt, er bestreitet nur, dass es etwas sei, zu dessen Erklärung man mehr als organisierte Materie benötigen würde.

    Sie hätten Recht, sollte es jemandem entweder gelingen, eine Evidenz für eine Übernatur zu zeigen, oder einen empirischen Unmöglichkeitsbeweis zu konstruieren, dass organisierte Materie eben nicht in der Lage sein kann, Bewusstsein zu erzeugen, und der Naturalist dann, um seine Position zu retten, behaupten würde, es gäbe gar kein Bewusstsein.

    Ich sehe für beide Alternativen kein Argument. Zudem leugne beispielsweise ich nicht, dass es ein Bewusstsein gibt.

    Nur nebenbei, man sollte sich schon etwas damit befassen, mit welchem Typ ‘Naturalist’ man diskutiert.

    In http://bettinabussmann.info/wp-content/uploads/2018/09/Bussmann-2016-Naturalismus.pdf finden Sie ein Zitat von Keil, in dem dieser ‘Attribut-Naturalismen’ auflistet (s. 2):

    “Geert Keil nennt eine ganze Reihe von Attribut-Naturalismen: methodologischer, ontologischer, semantischer, wissenschaftlicher, radikaler, reduktiver, aposteriorischer, eingeschränkter, eliminativer, gemäßigter, integrativer, kooperativer, reformistischer, revolutionärer, szientistischer und uneingeschränkter Naturalismus.”

    Als Quelle für das Zitat nennt die Autorin:

    Keil, Geert: „Anthropologischer und ethischer Naturalismus“. In: Goebel, Bernd/ Hauk, Anna Maria/ Kruip, Gerhard (Hrsg.): Probleme des Naturalismus. Philosophische Beiträge. Paderbron, 2005. S. 65-100.

    Versuchen Sie einfach, aufzulisten, welche Adjektive auf den Naturalismus eines emergentistischen Materialisten wie mich zutreffen 🙂

  155. “Der naturalistische emergentistische Materialist bestreitet nicht, dass es ein Bewusstsein gibt, er bestreitet nur, dass es etwas sei, zu dessen Erklärung man mehr als organisierte Materie benötigen würde.”

    Ich verweise noch mal auf Markus Gabriel. Wenn das Gehirn ein Fahrrad ist und Bewusstsein von Koblenz nach Worms Fahrrad fahren , dann behauptet also der emergentische Materialist das man mit der Funktionsweise des Fahrrades die Fahrradtour erklären kann.

    Oha.
    Ich denke mal der Elektroniker hat recht , hier wird einfach ein Zauberwort kreiert das DEN Widerspruch im Naturalismus zukleistern soll denn das aus dem Fahrrad auf magische Weise eine Fahrradtour entstehen (emergieren) soll, naja wers glaubt…….

  156. @Johannes 21.03.2021, 08:23 Uhr

    Woher kommt denn der Radfahrer?

    Ich verweise noch mal auf Markus Gabriel. Wenn das Gehirn ein Fahrrad ist und Bewusstsein von Koblenz nach Worms Fahrrad fahren , dann behauptet also der emergentische Materialist das man mit der Funktionsweise des Fahrrades die Fahrradtour erklären kann.

    Wenn Sie den Substanz-Dualismus in die Prämissen mogeln und meinen, so ein Argument zu haben, viel Spaß.

    Sie vermeiden so effektiv, ernst genommen werden zu können.

  157. @Johannes
    Nehmen Sie statt eines Fahrrades doch einen von der Evolution derart programmierten Roboter, dass er selbsttätig nach geeigneten Steckdosen sucht und zwischendurch mit seinesgleichen Fußball spielt.

  158. “Woher kommt denn der Radfahrer?”

    Ich behaupte doch gar nicht zu wissen woher das Bewusstsein kommt. Sie müssen erklären woher denn der Radfahrer (Bewusstsein) kommt.Ihre Behauptung (eigentlich ist es nur eine Meinung, Behauptung wäre ja besser belegt): Die Fahrradtour entsteht aus dem Fahrrad. Wer eine Behauptung aufstellt (Bewusstsein entsteht aus Materie) ist auch in der Beweispflicht.

  159. “Nehmen Sie statt eines Fahrrades doch einen von der Evolution derart programmierten Roboter, dass er selbsttätig nach geeigneten Steckdosen sucht und zwischendurch mit seinesgleichen Fußball spielt.”

    Was daran schön ist ist ja das all diese Roboter (wir Menschen) glauben eine Absicht und einen freien Willen zu haben, obwohl sie ja nur programmiert sind und Unfrei, noch erstaunlicher ist das einige dieser Menschen (die Intelligentesten) Naturalisten werden und mit ihrem unfreien Willen erkennen das sie einen unfreien Willen haben und nur programmierte Roboter sind. Spektakulär würde ich mal sagen…..

  160. “Sie vermeiden so effektiv, ernst genommen werden zu können.”

    Ob SIE mich ernst nehmen , glauben sie mir es gibt kaum etwas was mir weniger wichtig wäre. Ich frage mich allerdings warum sie einen materiellen Dualismus für irgendwie gehaltvoller halten als einen Substanz Dualismus .

  161. @Johannes
    Was nützt ein Fahrrad ohne Radfahrer und was macht ein Radfahrer ohne Fahrrad? Mit passenden Analogien kann man wichtige Erkenntnis gewinnen, mit unpassenden kann man jeden Blödsinn begründen.

  162. “Was nützt ein Fahrrad ohne Radfahrer und was macht ein Radfahrer ohne Fahrrad? Mit passenden Analogien kann man wichtige Erkenntnis gewinnen, mit unpassenden kann man jeden Blödsinn begründen.”

    Die zweite Möglichkeit ist das Menschen Analogien intellektuell überfordert .

  163. @Johannes 21.03.2021, 10:12 Uhr

    Ob SIE mich ernst nehmen , glauben sie mir es gibt kaum etwas was mir weniger wichtig wäre.

    Das freut mich. Ich hatte schon gefürchtet, Sie würden es als unhöflich empfinden, wenn ich nicht weiter auf Ihre Postings eingehe.

  164. “Das freut mich. Ich hatte schon gefürchtet, Sie würden es als unhöflich empfinden, wenn ich nicht weiter auf Ihre Postings eingehe.”

    Ich finde es zeugt von einer gewissen Größe das sie Zugeben keine Argumente mehr zu haben. War mir allerdings schon klar als sie angefangen haben unter die Gürtellinie zu schlagen.

  165. @anton reutlinger // 21.03.2021, 10:12 Uhr

    » Mit passenden Analogien kann man wichtige Erkenntnis gewinnen…«

    Mir ist noch keine wirklich passende Analogie untergekommen, die das Verhältnis von bewusstem phänomenalem Erleben (das scheint für viele ja der Knackpunkt zu sein) und Gehirn adäquat beschreiben würde.

    Kennen Sie eine?

  166. @Johannes
    Fahrrad und Radfahrer bilden ein zusammengehörendes System. Es ist keine Analogie, sondern es ist das System Mensch mit Bewusstsein selber! Der Mensch bzw. sein Bewusstsein hat ein Ziel auf Grund von Erinnerungen, den Willen oder ein Motiv, die Wahrnehmung zur Selbst- und Zielkontrolle, die Steuerung der Muskeln bzw. Motorik und die Beine als ausführende Glieder. Alles zusammen ist der bewusste Mensch! Das Fahrrad ist nur ein Vehikel zur Unterstützung der Beine.

  167. @Balanus
    Da der Mensch einmalig ist und ein Fremdbewusstsein nicht ohne geeignete Kommunikation nachempfunden werden kann, gibt es wohl keine passende Analogie dazu. Könnten wir Hunde kommunikativ verstehen, dann könnten wir vielleicht auch ihr Bewusstsein verstehen. Vielleicht können es die sogenannten Hunde- oder Pferdeflüsterer, ein wenig.

  168. @ Johannes 21.03.2021, 08:23 Uhr

    Ich habe mich der grundsätzlichen Sichtweise der Informatiker angeschlossen, die mit der Sicht der Theologen kompatibel sein sollte.

    Man geht von Prozessoren, Prozessen und Information aus, was letztlich eine besondere Abstrahierung des Dreifaltigkeitskonzepts sein soll.

    In der Theologie ist „Gott“ sozusagen der „Ausgangspunkt, das Absolute“, allerdings auch transzendent, weil man einerseits manches noch nicht, bzw. überhaupt nicht verstehen kann. Ähnlich wie Physiker einen Ausgangspunkt, eine „Basis, das „Urmeter“ oder das „Zeitnormal“ brauchen, bzw. haben wollen. Psychologen meinen, dass es Menschen besonders in Notsituationen helfen kann, wenn sie einen besonderen Bezug zur Welt, einen „Repräsentanten“, haben können.

    Zitat 1: “Der naturalistische emergentistische Materialist bestreitet nicht, dass es ein Bewusstsein gibt, er bestreitet nur, dass es etwas sei, zu dessen Erklärung man mehr als organisierte Materie benötigen würde.”

    Zitat 2: „Ich verweise noch mal auf Markus Gabriel. Wenn das Gehirn ein Fahrrad ist und Bewusstsein von Koblenz nach Worms Fahrrad fahren , dann behauptet also der emergentische Materialist das man mit der Funktionsweise des Fahrrades die Fahrradtour erklären kann.

    Zu 1: Unter „organisierter Materie“ könnte man verstehen, dass es auch mit Information beschreibbare und von Information gesteuerte Prozesse gibt, die hauptsächlich im Gehirn (Prozessor), allenfalls mit der „Umwelt“ (auch Prozessor) wechselwirkend, „ablaufen“ können.

    Zu 2: Der emergentische Materialist würde versuchen alle Wechselwirkungen der Komponenten des Fahrrades zumindest mit der Fahrtstrecke (z.B. Steigungen,…) zu erklären. Würde es sich um ein „selbstfahrendes Auto“ handeln, würde dieses auch den Verkehr und den Straßenverlauf, vielleicht sogar die Landschaft berücksichtigen, so dass der Fahrer die schöne Landschaft bewundern kann.

    Es ist für mich kein Widerspruch, wenn man z.B. wegen transzendenter Eigenschaften, oder wenn man an der Schau eines „Zauberers“ teilnimmt, nicht „alles versteht“ und womöglich deswegen von „Wundern“ sprechen könnte.

  169. @ Thomas Waschke 20.03.2021, 22:39 Uhr

    Zitat: „Der naturalistische emergentistische Materialist bestreitet nicht, dass es ein Bewusstsein gibt, er bestreitet nur, dass es etwas sei, zu dessen Erklärung man mehr als organisierte Materie benötigen würde.“

    Abgesehen davon, dass man nicht alles vollständig verstehen kann, sehe ich es so wie Sie.

    Meine recht materialistischen „Denkmuster“ habe ich mir vermutlich bei ehemaligen Lehrern aufgerissen, die im Krieg in der Naziforschung gearbeitet haben und teilweise nach einem „Knastaufenthalt“ wegen „problematischer Experimente“, sich nach dem Krieg als Physik-, Chemie-, Biologielehrer verdingt haben.

    Meine Sichtweise ist, dass „Qualia“ (auch Lust und Schmerz) ganz allgemein als „Phänomen“ z.B. in einer Sensorik dann auftreten könnten, wenn irgend ein (besonders auch resonanter) Einfluss auf die Elektronenbahnen und die Kohäsionskräfte zwischen chemisch, allenfalls auch über größere Entfernung mittels Ladungsträger (Elektronen, Ionen), verknüpften Molekülen, z.B. durch Kräfte, Licht, chemische Prozesse…. verursacht auftritt und Elektronen aus ihre Bahn fliegen, die vom neuronalen System ausgewertet werden. Diese Sicht sollen ehemals sogar die Spatzen von den Dächern (der Forschungseinrichtungen) „gepfiffen“ haben.

    Ich habe versucht, meine „Weltsicht“ im vorigen Beitrag zu vermitteln.

    Mir ist der Aspekt der „Information“, letztlich die „algorithmische Beschreibbarkeit“ auch der natürlichen Prozesse wichtig. Die Natur selbst, „nutzt“ sozusagen nur die „Prozess steuernde Funktion“ von Information, Beschreibungen gibt es (leider) nicht.

    Arbeiten Menschen an „Prozessen“ und neuen Sachverhalten, so müssen sie sich zwangsweise mittels einer Sprache „verständigen“. Wenn es um neue Sachverhalte geht, ist die Sprache eher unzureichend, weil es noch keine geeigneten optimalen Begriffe gibt.

  170. Name & Benanntes

    Hier scheint sich ja nun eine sprachphilosophische Diskussion zu entwickeln.

    Die Feststellung, es gebe Vögel, doch nicht “das Fliegen”, lässt sich ausdehen: Gibt es denn Vögel? Und schon sind wir beim alten Universalienstreit.

    Wenn man es richtig formuliert bzw. versteht, dann bedeutet eine Frage wie “Was ist Bewusstsein?” (“Was ist Fliegen?”), eben: Was unterscheidet bewusste Prozesse von nicht-bewussten Prozessen? (Fliegende Gegenstände von nicht-fliegenden Gegenständen? Lebende Organismen von nicht-lebenden Organismen? Welche Tiere zählen wir zu den Vögeln – und warum? usw.)

    ‘Das Leben’ gibt es genauso wenig wie ‘den Stoffwechsel’, ‘die Verdauung’ oder ‘die Universität von Marburg’. (Thomas Waschke)

    “Das Leben” habe ich schon aufgelöst: Man unterscheidet lebendige von nicht-lebendigen Dingen – und lässt vielleicht noch eine dritte Klasse für unklare Fälle übrig. Dann reflektiert man, wie man die Unterscheidung getroffen hat/was die drei Klassen wesentlich voneinander unterscheidet. Dann werden wir der Antwort nach der Frage “Was ist Leben?” so nahe kommen, wie wir nur können – ohne annehmen zu müssen, es gäbe etwas wie ein Ding Leben.

    Die Universität von Marburg gibt es übrigens wirklich: Der Haupteingang ist an der Biegenstraße 10, 35037 Marburg.

  171. Wittgenstein über “feiernde Sprache”

    Wenn hier schon so auf Wittgenstein verwiesen wird, dann hole ich mal die Philosophischen Untersuchungen aus dem Bücherregal. In §38 steht:

    Das Benennen erscheint als eine seltsame Verbindung eines Wortes mit einem Gegenstand. – Und so eine seltsame Verbindung hat wirklich statt, wenn nämlich der Philosoph, um herauszubringen, was die Beziehung zwischen Namen und Benanntem ist, auf einen Gegenstand vor sich starrt und dabei unzählige Male einen Namen wiederholt, oder auch das Wort ‘dieses’. Denn die philosophischen Probleme entstehen, wenn die Sprache feiert. Und da können wir uns allerdings einbilden, das Benennen sei irgend ein merkwürdiger seelischer Akt, quasi eine Taufe eines Gegenstandes.

    Vergessen wir nicht, dass es nicht mehr als eine soziale Konvention ist, diese Person (weise mit dem Finger auf mich selbst) als “Stephan Schleim” zu bezeichnen (man denke hierbei auch an Taufe). Solche Namen erfüllen Zwecke. Identifizieren wir uns aber nicht mit ihnen, sonst entstehen Missverständnisse. In der heutigen Zeit könnte man solche Namen zum Beispiel auch durch eine Steuernummer o.ä. ersetzen.

    Erstaunlich, dass solche Trivialitäten vielen Menschen gar nicht bewusst sind.

  172. @ Balanus 21.03.2021, 11:25 Uhr

    Von einer nicht sehr seriösen Analogie, dem Auftreten und der absichtlichen Steuerung von Resonanzeffekten im Zusammenhang mit bewusstem phänomenalem Erleben (Lusteffekte) die sozusagen als Wechselwirkung zwischen Gehirn und Körper auftreten können, wird in als nicht besonders intellektuell geltenden Kreisen durchaus diskutiert.

    Es geht dort auch um besonders erfolgreiche Methoden der psychischen Manipulation, letztlich um Geld…..

  173. @Schleim
    Man unterscheidet lebendige von nicht-lebendigen Dingen – und lässt vielleicht noch eine dritte Klasse für unklare Fälle übrig.

    So kommen wir uns schon näher. Die “unklaren Fälle” sind sehr wichtig, denn die Natur kennt nicht nur schwarz und weiß, sondern auch fast kontinuierliche Übergänge dazwischen. Nun kann man überlegen, was genau die lebenden von nichtlebenden Dingen unterscheidet. Im wesentlichen sind sie bekannt, als Selbstorganisation, Autopoiese, Selbstreproduktion, energetische Dissipation, Fließgleichgewicht, Autonomie und vielleicht andere. Damit können weitere befriedigende Erklärungen durch “stepwise refinement” gefunden werden. Diese Methode stammt von Descartes 1637 und ist Standard in der Entwicklung von Software bzw. Systemanalyse.

    Dass die Natur auch Übergänge zwischen lebenden und nichtlebenden Dingen bietet, wie es die Viren und die Prokaryonten sind, ist ein gewichtiges Argument gegen Antinaturalismus oder Spiritualismus. Es ist auch Grund zu der Annahme, dass höhere Tiere über ein rudimentäres Bewusstsein verfügen.

  174. Stephan Schleim
    21.03.2021, 13:24 Uhr
    Name & Benanntes
    Die Universität von Marburg gibt es übrigens wirklich: Der Haupteingang ist an der Biegenstraße 10, 35037 Marburg.

    Die o.a. Adresse erscheint mir unvollständig:

    Universität Marburg
    Biegenstraße 10
    35037 Marburg
    Hessen
    Deutschland
    Europa
    Erde
    Sonnensystem
    Orion-Arm
    Milchstraße
    Lokale Gruppe
    Virgo-Superhaufen
    Universum

    … nur, damit wir uns nicht vertun und woanders ankommen … 😉

  175. @Stephan Schleim 21.03.2021, 13:24 Uhr

    Was ist ‘die Universität von Marburg?’

    Die Universität von Marburg gibt es übrigens wirklich: Der Haupteingang ist an der Biegenstraße 10, 35037 Marburg.

    Selbstverständlich ‘gibt’ es die ‘Universität von Marburg’, aber eben nur als Konstrukt.

    Fragen Sie in Marburg mal einen Menschen, wo die Universität ist. Er wird sie vermutlich nicht zu der genannten Adresse (dort sind nur Hörsäle, zumindest war das so, als ich dort studierte und die Verwaltung) schicken, sondern fragen, welches Institut Sie besuchen möchten.

  176. @Stephan Schleim 21.03.2021, 13:33 Uhr

    Wittgenstein über “feiernde Sprache”

    Erstaunlich, dass solche Trivialitäten vielen Menschen gar nicht bewusst sind.

    Man merkt halt, dass für verschiedene Menschen unterschiedliche Sachverhalte trivial sind.

    Ich dachte eher an (willkürlich ergoogelt, den nächstbesten Text, aus dem ich etwas zitieren kann, wo der Sinn von ‘Sprache feiert’, so definiert wird, wie es mir trivial für das Entstehen philosophischer Probleme erscheint)

    https://www.novo-argumente.com/artikel/die_sprache_feiert

    “Die Sprache feiert” – so nannte es Wittgenstein, wenn durch gedankenlosen Sprachgebrauch die Illusion entsteht, dass etwas sprachlich Hervorgebrachtes auch tatsächlich existiert.

    Okay, in der Ontologie, die ich vertrete, existiert das sogar, aber eben als ‘Konstrukt’. Das Problem entsteht dann, wenn man meint, es sei ein ‘Konstrukt’ von einem ‘Ding’. Aber das hatten wir schon.

  177. @Stephan Schleim 21.03.2021, 13:24 Uhr

    ‘Leben’, ‘Bewusstsein’, ‘Geist’ etc. als Reifizierung

    ‘Das Leben’ gibt es genauso wenig wie ‘den Stoffwechsel’, ‘die Verdauung’ oder ‘die Universität von Marburg’. (Thomas Waschke)

    “Das Leben” habe ich schon aufgelöst: Man unterscheidet lebendige von nicht-lebendigen Dingen – und lässt vielleicht noch eine dritte Klasse für unklare Fälle übrig. Dann reflektiert man, wie man die Unterscheidung getroffen hat/was die drei Klassen wesentlich voneinander unterscheidet.

    Sehe ich auch so. Nur zum Vergleich, aus einem Buch des ‘Darwins des 20. Jahrhunderts’:

    When biologists and philosophers speak of “life,” however, they usually are not referring to life (that is, living) as contrasted with death but rather to life as contrasted with the lifelessness of an inanimate object. To elucidate the nature of this entity called “life” has been one of the major objectives of biology. The problem here is that “life” suggests some “thing”—a substance or force—and for centuries philosophers and biologists have tried to identify this life substance or vital force, to no avail. In reality, the noun “life” is merely a reification of the process of living. It does not exist as an independent entity. One can deal with the process of living scientifically, something one cannot do with the abstraction “life.” One can describe, even attempt to define, what living is; one can define what a living organism is; and one can attempt to make a demarcation between living and nonliving. Indeed, one can even attempt to explain how living, as a process, can be the product of molecules that themselves are not living. (S. 2, Fußnoten nicht übernommen)

    Das Zitat ist dem Kapitel 1: What Is the Meaning of “Life”? entnommen

    Mayr, E. (1998) ‘This is Biology. The Science of the Living World. Sixth Printing’ Cambridge, Mass; London, Belknap.

    Dann werden wir der Antwort nach der Frage “Was ist Leben?” so nahe kommen, wie wir nur können – ohne annehmen zu müssen, es gäbe etwas wie ein Ding Leben.

    Nun könnte man natürlich, wie Sie auch schon geschrieben haben, fragen, ob das mit ‘Bewusstsein’ und ‘Geist’ nicht analog zu sehen ist. Bad news für Substanzdualisten.

    Das Beispiel mit der Universität von Marburg habe ich aus Ryles ‘Ghost in the Machine’ übernommen (er hat natürlich eine englische Universität benannt, müsste jetzt nachflöhen, welche).

  178. Thomas Waschke
    ….bad news für Substanzdualisten,…..
    hört sich nach einer schleichenden Katastrophe an !
    Zeit sich auszuklinken, bevor die news become true.
    Bleiben Sie gesund.

  179. @Waschke: feiernde Sprache

    Trivial oder nicht – da haben Sie Recht… ich meinte mehr, dass wir alle miteinander sprechen (sofern wir nicht durch eine Krankheit/Behinderung daran gehindert werden), aber uns doch so wenig darüber bewusst sind, dass Wörter eben nicht die Welt bedeuten, sondern immer schon eine Abstraktionsebene sind.

    Bei dieser Einsicht könnte man still werden. (Wovon man nicht sprechen kann…)

  180. @Waschke: Leben

    Sehr schönes Zitat, das ich wohl in meine Vorlesung übernehmen kann, danke!

    Nun könnte man natürlich, wie Sie auch schon geschrieben haben, fragen, ob das mit ‘Bewusstsein’ und ‘Geist’ nicht analog zu sehen ist. Bad news für Substanzdualisten.

    Dass man Psyche/Geist usw. nicht reifizieren soll, darüber schrieb ich ja schon ausführlicher

    …aber wieso das für die Substanzdualistin ein Problem sein soll, das erschließt sich mir nicht. Das ändert aber eben nichts daran, dass man für die Annahme einer Seele (man beachte: res cogitans!) gewichtige Gründe anführen müsste, sofern man damit nicht bloß das schwäbische Gebäck meint.

    Guten Appetit!

  181. @Stephan Schleim 21.03.2021, 18:43 Uhr

    Dass man Psyche/Geist usw. nicht reifizieren soll, darüber schrieb ich ja schon ausführlicher…

    Das war mir bekannt, ich habe das Ihnen nicht unterstellt.

    …aber wieso das für die Substanzdualistin ein Problem sein soll, das erschließt sich mir nicht.

    Kommt vermutlich darauf an, was man unter ‘Problem’ versteht. Wenn man ‘Geist’ als Reifizierung auffasst, hat der Substanzdualismus ein Problem.

    Das ändert aber eben nichts daran, dass man für die Annahme einer Seele (man beachte: res cogitans!) gewichtige Gründe anführen müsste,

    Das war mein Punkt. Wenn es um die Frage Reifizierung vs. res (also letztlich ‘Konstrukt’ vs. ‘Ding’) geht, hat der Substanzdualist durchaus sehr schlechte Karten. Sie wissen sicher besser als ich, was mit dem ‘Geist’ passiert, wenn Veränderungen am Gehirn auftreten (Läsionen, Stimulierungen etc.). Mir ist aber nicht bekannt, dass es einem Substanzdualisten gelungen wäre, zu zeigen, wie ein immaterieller Geist mit dem Gehirn wechselwirkt, Zirbeldrüse hin, corticale Module und auch Quanteneffekte an Synapsen her.

    sofern man damit nicht bloß das schwäbische Gebäck meint.

    Als primärsozialisierter Schwabe bevorzuge ich Herrgottsbscheißerla (AKA Maultaschen), lecker!

  182. Eine Schlagzeile von heute:
    SC Freiburg wechselt wegen Rot-Grün-Sehschwäche eines Profis die Trikots.

    Das ist eine amüsante und harmlose Konsequenz eines schöpferischen Lapsus. Es zeigt aber, dass das Geschöpf Mensch nicht dem Schöpfungsideal entspricht und dass auf die menschliche Wahrnehmung kein Verlass ist, weil sie mit der Realität nichts zu tun hat. Was macht eine solche Aberration mit dem Bewusstsein?

    Die Gottgläubigen hatten schon immer Schwierigkeiten mit der natürlichen Variabilität des Menschen. Immer suchten sie nach Sündenböcken und Bestrafungen für Abweichungen von ihrer selbst definierten Normalität. Sie zeigen sich im Rassismus, im Fremdenhass, in Homophobie, in Vertreibung und Diskriminierung von Andersdenkenden und Anderslebenden.

    Wieviele Beweise braucht es noch für die Falschheit des Antinaturalismus, für die Heucheleien und Unsinnsbehauptungen des Spiritualismus? Wie lange muss man noch warten, bis das Übel an der Wurzel angepackt wird? Braucht es dazu wirklich noch philosophische Spitzfindigkeiten und Wortverdrehungen? Denken wir auch mal an all die Opfer der so motivierten Gewalttaten und all die psychischen Traumata und Selbsttötungen!

  183. @Waschke: Es wird Sie wohl nicht überraschen, wenn ich gestehe, dass ich für die Annahme einer Seele keine Notwendigkeit sehe und mich mangels Beweisen weiterer Aussagen enhalte. 😉

    Dass Substanzdualisten bisher keinen plausiblen Vorschlag für den Mechanismus der Interaktion machen konnten, lehre ich so übrigens eins-zu-eins in einem meiner Kurse.

  184. @Stephan Schleim 21.03.2021, 21:52 Uhr

    Ontologischer Naturalismus vs. ‘Agnostizismus’

    Es wird Sie wohl nicht überraschen, wenn ich gestehe, dass ich für die Annahme einer Seele keine Notwendigkeit sehe und mich mangels Beweisen weiterer Aussagen enhalte. 😉

    Natürlich nicht, aber wir haben unseren Grund-Dissens ja immer noch nicht geklärt (ich denke, dass das viel mit Psychologie zu tun hat, was dann Psychologisieren unabdingbar macht …). Letztlich geht es darum, warum Sie sich enthalten (‘Agnostizismus’) und ich eine Position einnehme (ontologischer Naturalismus).

    Ein freundlicher Mitmensch hat mich auf einen sehr lesenswerten Artikel hingewiesen, in dem viele Fragen angesprochen werden, die in der Diskussion immer wieder auftauchen. Der Titel ist Programm: “Ist der Naturalismus eine Ideologie?” und er ist aus 2018, also relativ aktuell.

    http://bettinabussmann.info/wp-content/uploads/2018/09/Bussmann-2016-Naturalismus.pdf

    Nur nebenbei:

    Für den ontologischen Naturalisten ist das Universum kausal strukturiert und durch natürliche Prozesse erklärbar. Das Prinzip der kausalen Geschlossenheit ist das Grundprinzip allen naturwissenschaftlichen Denkens und aller Aufklärung, da es behauptet, alle Phänomene können gesetzmäßig und auf der Basis natürlicher Prinzipien und Mechanismen – also ohne Zuhilfen-ahme von Göttern, Geistern, Quantenheilungsprozessen, Wundern, Prophezeiungen, Astrologie oder anderen transzendenten Ursachen und Prozessen – beschrieben und erklärt werden. In unserer Welt geht es also, wie oft zitiert, mit rechten Dingen zu.

    [Hervorhebung von mir, T.W.]

    Ich hätschle also keine Idiosynkrasie, um Sie zu ärgern, wenn ich “wie oft zitiert”, davon ausgehe, dass die Formulierung “es geht mit rechten Dingen zu” sehr treffend ist und von den meisten Menschen so verstanden wird wie intendiert.

    Ich bin mir aber nicht sicher, ob alles “durch natürliche Prozesse erklärbar” ist (es gibt auch nicht erklärbare Sachverhalte, beispielsweise, warum Seiendes und nicht vielmehr Nichts ist). Ich gehe aber, bis zum Aufzeigen von Evidenz für das Gegenteil, davon aus, dass nichts erklärbar ist, das nicht natürlich erklärbar ist. GodDidIt war noch nie ein Argument, und ich habe im Studium gelernt, dass Ethiken ohne einen Gott nicht letztbegründet werden können, also letztlich gar nicht, solange es keinen Gottesbeweis gibt.

    Wesentlich scheint mir das zu sein, was die Autorin unmittelbar vor einer Tabelle, mit der sie begründen möchte, warum der Naturalismus eben keine Ideologie sei, schreibt:

    Es geht nicht darum, dass die Lebenswelt, wie Wetz formuliert, den Naturalismus einholt, sondern dass sie durch ihn transformiert wird. Dass dadurch ein einseitig ausgehöhltes Menschenbild entsteht, bleibt häufig eine unbelegte Behauptung. Zugestehen kann man den oben aufgeführten Punkten aber, dass gewisse Menschenbilder – z.B. religiös-fundamentalistische – durch eine naturalistische Einstellung ausgeschlossen werden und dass naturalistische Argumente als politische Waffe im Kampf der Meinungen eingesetzt werden können. Beides ist solange legitim und nicht-ideologisch, solange es keine allgemeingesellschaftliche Kraft gibt, die in diesen Fragen die Deutungs- und Durchsetzungshoheit erhält. Der Naturalismus ist jedoch weder eine Heilslehre noch eine freiheitseinschränkende Ideologie, wie ich anhand folgender Tabelle zeigen möchte.

    [Hervorhebungen des Originals weggelassen, aktuelle Hervorhebungen von mir, T.W.]

    Ich vermute, dass eben die Befürchtung, dass “ein einseitig ausgehöhltes Menschenbild entsteht” oder “gewisse Menschenbilder – z.B. religiös-fundamentalistische – durch eine naturalistische Einstellung ausgeschlossen werden” (ich würde noch verschärfen: alle supranaturalistischen) ein starkes Motiv dafür sein kann, durch ‘Agnostizismus’ ein Hintertürchen für eine Diskussion offen zu lassen oder auch nur, Menschen vom Diskurs nicht auszuschließen. Eben weil Sie eventuell Ihre Ziele nicht durch die Methoden gefährden möchten und mehr Menschen mit ins Boot nehmen können.

    Ich hingegen komme von der Argumentation gegen Evolutionsgegner her, die fast alle religiös motiviert sind. Ursprünglich habe ich mich, aus ähnlichen Gründen, als ‘Agnostiker’ bezeichnet (obwohl das in diesen Kreisen eh egal ist, weil dort auch ein Agnostiker mit vollem Recht als Atheist betrachtet wird, bestenfalls einer, bei dem man hoffen kann, ihn noch zu bekehren), bis ich bemerkte, dass viele der aktivsten Mitstreiter selber religiös sind, und dass man hier Partei im Kampf einer Variante des Christentums gegen eine andere werden müsste. Das hat mich dann zum Ignostizismus bekehrt und ich vertrete meinen ontologischen Naturalismus offensiv. Der impliziert selbstverständlich Atheismus, aber eher als Corollar.

    Ich habe nicht genügend Texte von Ihnen gelesen, um sicher zu sein, dass Ihnen dieser Schuh passt, aber gewisse Indizien sehe ich durchaus. Es gibt einige Passagen von Ihnen, die meiner Meinung nach durchaus deutlich sind.

    Dass Substanzdualisten bisher keinen plausiblen Vorschlag für den Mechanismus der Interaktion machen konnten, lehre ich so übrigens eins-zu-eins in einem meiner Kurse.

    Freut mich sehr zu hören. Wichtiger, als diesen Sachverhalt zu konstatieren, scheint mir aber zu sein, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

    Hier werden Sie mir wohl in Ihrer Vorlesung nicht 1:1 folgen 😉

  185. Wenn heute die katholische Kirche sich weigert, homosexuelle Ehen zu segnen, warum wird dann dagegen protestiert, statt auf den altertümlichen, widernatürlichen Hokuspokus der Kirche konsequent und ganz zu verzichten? Der ideologische Kampf gegen die Natur des Menschen fordert zu viele Opfer. Die philosophischen Raffinessen, um ein Zipfelchen der alten Ideologie über die Zeit zu retten, sind das nicht wert. Vielmehr tragen sie Mitverantwortung für unhaltbare, menschenverachtende Überzeugungen und Lehren.

  186. anton reutlinger
    Sind Sie schon mal auf die Idee gekommen, dass andere Menschen andere Wertmaßstäbe haben könnten.
    Sie nennen als Maßstab die Natur des Menschen und meinen damit ihre Natur.

    Die kulturelle Evolution hat einen Kulturkreis geformt. Wir sind in der glücklichen Lage, dass individuelle Freiheit hoch geachtet wird, in den asiatischen Kulturkreisen wollen sich die Menschen einander anpassen und nicht gegenseitig abgrenzen.

    Demos cratia = Herrschaft des Volkes.
    Die Werte in einer Demokratie können immer nur einen Kompromiss darstellen, von den Leuten, die ihre Meinung vertreten und den Leuten die anderer Meinung sind.

  187. @hwied
    Schon klar, dass Sie Ihren Glauben mit Zähnen und Klauen verteidigen. Es sind aber die Kleriker, die mit ihren unqualifizierten Meinungen andere Menschen seelisch quälen, ihrer Freiheiten und ihrer Lebensqualität berauben. Und die Gläubigen helfen ihnen dabei. Ihre Meinung, hwied, ist zynisch und menschenverachtend. Es sind die Gottgläubigen, die andere Meinungen unterdrücken wollen, um ihres vermeintlichen Seelenheils willen.

    Es gibt keine Indizien und keine Beweise für die Existenz einer Übernatur! Hören Sie endlich auf, sich selber etwas vorzumachen. Auch Toleranz hat Grenzen, dort wo das Leben anderer Menschen betroffen ist! Die Kleriker kennen keine Toleranz, dort sollten Sie Ihre Forderungen anbringen. Zum Teufel mit den heiligen Phrasen.

  188. Ich hingegen komme von der Argumentation gegen Evolutionsgegner her, die fast alle religiös motiviert sind.

    Das geht mir auch so, d.h. bei mir sind das Junge Erde Kreationisten in der Gemeinde hier. Entsprechend reagiere ich halt auch sehr allergisch auf Formulierungen, die mir nur zu bekannt vorkommen.
    Dabei kommt es sicher vor, dass ich über das Ziel hinausschieße. Wer allerdings mal Kontakt zu engagierten Kreationisten hatte, kann das sicher nachvollziehen.

    Es sind die Gottgläubigen, die andere Meinungen unterdrücken wollen, um ihres vermeintlichen Seelenheils willen.

    Es sind sicher nicht alle Gläubigen so, aber bei der obigen Gruppe findet man alles davon, auch Rassismus, Antisemitismus, Homophobie etc.

  189. @hwied

    Die kulturelle Evolution hat einen Kulturkreis geformt.

    Evolution bedeutet vor allem auch Veränderung, d.h. auch unser aktueller Kulturkreis ist nicht in Stein gemeißelt.

    Wir sind in der glücklichen Lage, dass individuelle Freiheit hoch geachtet wird, …

    Gerade im kirchlichen Kontext ist das beileibe nicht immer so.

    in den asiatischen Kulturkreisen wollen sich die Menschen einander anpassen und nicht gegenseitig abgrenzen.

    Ist das so? Gibt es nicht gerade da auch eine Menge Religionskonflikte?

  190. Reutlinger
    Sie skizieren einen Konflikt zwischen Konfessionslosen und Angehörigen einer Konfession. Diesen Konflikt gibt es nicht !
    Wir leben nicht mehr im Mittelalter, wo die Kirche den Tagesablauf eines Menschen bestimmt hat. wir haben ein Grundgesetz, dass die Religionsfreiheit garantiert, das die Meinungsfreiheit garantiert.

    Die Kleriker, die sich und andere quälen, wann denn, wo denn?
    Sie meinen sicher die islamischen Staaten, wo die Frauen keine Rechte haben.

    Herr Reutlinger, Sie kommen mit ihrer Kritik an der Kirche um 200 Jahre zu spät. Gehen Sie am Sonntag in die Kirche. Das Durchschnittsalter der deutschen Kirchgänger liegt bei geschätzten 65 Jahren. Meinen Sie wirklich, die Kirchgänger wollen sie foltern und quälen. Das sind ehrsame Bürger, Künstler, Staatsbedienstete, und alleinstehende Frauen. Wollen Sie denen ihren letzten Halt rauben ?

  191. einer,
    mal ehrlich, wie hoch ist der prozentuale Anteil der Kreationisten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ?
    Und nochmal , zum 500. Mal, Gläubige sind keine anderen Menschen, die haben keine sechs Finger oder den bösen Blick. Gläubig sein ist kein Alleinstellungsmerkmal, es gibt ein Recht auf Religionsausübung. Wer das nicht anerkennt, der ist der Außenseiter.

  192. Intoleranz
    Am eindrucksvollsten habe ich Intoleranz von den Intelligent-Design-Leuten des Professorenforums und vom neuatheistischen Kern der Skeptikerbewegung erfahren. Zur Erholung bin ich, der Agnostiker, dann gern zu Veranstaltungen der Theologischen Fakultät gegangen. Dort ging es immer gesittet und unter gegenseitiger Achtung zu. Leider muss ich feststellen, dass hier im Blog die Toleranz am Schwinden ist.

  193. @einer
    Dabei denke ich an die Konflikte in Indien zwischen dem radikalen Hinduismus und dem Islam. Auch in Sri Lanka, Myanmar, Indonesien und den Philippinen gibt es massive Konflikte. Dass diese Konflikte mit Sozialkonflikten oder mit ethnischen Konflikten verwoben sind, hat wesentlich wieder mit den Religionen zu tun. Die direkten Ursachen der Konflikte sind die Bevormundung der Lebensweise, die Intoleranz gegenüber Kritik und die Diskriminierung alternativer Lebensweisen, auch mit Gewalt, Vertreibung und Mord.

    In vielen Religionen sind primär die Frauen die Opfer. Vielfach dienen die transzendenten Gottheiten nur noch als Alibi für Macht, Ausbeutung und Unterdrückung und zur Aufhetzung von naiven Gläubigen. Kann man als Agnostiker darüber hinwegsehen?

  194. @anton reutlinger 22.03.2021, 12:03 Uhr
    In diesem Text

    Es sind aber die Kleriker, die mit ihren unqualifizierten Meinungen andere Menschen seelisch quälen, ihrer Freiheiten und ihrer Lebensqualität berauben. Und die Gläubigen helfen ihnen dabei. Ihre Meinung, hwied, ist zynisch und menschenverachtend. Es sind die Gottgläubigen, die andere Meinungen unterdrücken wollen, um ihres vermeintlichen Seelenheils willen.

    kommt all das vor, was mich in einer Diskussion abstößt: persönlicher Angriff und unzulässige Verallgemeinerung.

  195. @hwied
    Die Kleriker, die sich und andere quälen, wann denn, wo denn?

    Nein, die Kleriker quälen sich nicht selber, aber Andere. Haben Sie den Missbrauchsskandal schon vergessen?

    Sie schreiben, seit dem Mittelalter habe sich einiges geändert, aber nur gegen den massiven und gewaltsamen Widerstand des Klerus! Dehalb hat es so lange gedauert und dauert bis heute an. Noch immer wird die sexuelle Selbstbestimmung massiv behindert und Menschen werden damit gequält.

    Eine Kultur, die der Natur widerspricht und sie missachtet, kann nicht menschengerecht sein – ein unkritisches und unreflektiertes Naturverständnis auch nicht.

  196. Nochmals zum Naturalismus: ich behaupte, Naturalismus und Emergentismus schließen sich aus, wenn man die menschliche Natur (=Natur + Kultur) erklären will. Wie will man mit purem Naturalismus etwa psychische Krankheiten erklären oder besser noch psychosomatische? Eine naturalistische Erklärung wäre – technische Mittel vorausgesetzt – in etwa so: Neuronen a bis n feuern nicht wie sie sollen, wir wissen aber nicht warum: Man kann die physikalische Seite der Störung beschreiben, sie erfasst aber das Problem nicht. Eine synthetisch-emergentistische Erklärung würde dann lauten: (gesellschaftliche) Bedeutungen a’ bis n’ rufen eine Dissonanz bei Neuronen a bis n hervor, etc.pp. Die Bedeutungen lassen sich naturwissenschaftlich nicht darstellen, wirken aber dennoch. Berücksichtigt man dies nicht, sucht man nach Ursachen bis hinunter zu Quanteneffekten, was natürlich Blödsinn ist.
    Das Thema dieses Blogs war doch gerade u.a., dass Naturalismus den Leib-Seele Dualismus zementiert und damit genauso dogmatisch und ideologisch ist wie Religion.
    Nochmals: die Kritik am Naturalismus bedeutet nicht, die Naturgesetze außer Kraft setzen zu wollen, sondern die Verallgemeinerung, die Mikrogesetze bestimmten alles Makroskopische in linearer Weise.

  197. @Grams
    Das beruht auf Gegenseitigkeit. Die Apologeten des Glaubens sind sehr oft nicht zimperlich in persönlichen Attacken und argumentieren mit Phrasen. Auch das porenrein weiß gewaschene Christentum in Deutschland hat noch genug schwarze Flecken. Religionskritik und Atheismus sind in Deutschland noch immer unterentwickelt. Gläubige werden als Wähler gebraucht!

    Da zitiere ich gerne einen Kleriker:
    Die beste Schule, um an dem Dasein eines Gottes als Weltlenker zu zweifeln, ist die Kirchengeschichte, vorausgesetzt, diese sei die Geschichte der von Gott in die Welt gesetzten Religion des Christentums, und es werde demnach angenommen, er habe ihre Geschichte gelenkt. Augenscheinlich hat er dies nicht getan, in der Kirchengeschichte ist nichts wunderbar, in ihr erscheint das Christentum der Welt so unbedingt preisgegeben wie nur irgendein anderes Ding, das in ihr lebt.[..] Gegen die Kirchengeschichte ist also das Dasein Gottes nur zu behaupten bei der Annahme, Gott habe seine Hand vom Christentum in seinem geschichtlichen Dasein abgezogen.

    Franz Overbeck (1837 – 1905), ev. Theologe

  198. @Wolfgang Stegemann 22.03.2021, 13:45 Uhr

    Ontologie vs. Erklärungsebenen

    Nochmals zum Naturalismus: ich behaupte, Naturalismus und Emergentismus schließen sich aus, wenn man die menschliche Natur (=Natur + Kultur) erklären will.

    Einfach dadurch, dass man dazu nichts benötigt, was eine Übernatur erfordern würde, also Entitäten, die nicht als Emergenz von Materie zu sehen sind. Selbstverständlich gehören auch Menschen mit ihrem Denken und Kulturen zu Emergenzen der Materie.

    Wie will man mit purem Naturalismus etwa psychische Krankheiten erklären oder besser noch psychosomatische? Eine naturalistische Erklärung wäre – technische Mittel vorausgesetzt – in etwa so: Neuronen a bis n feuern nicht wie sie sollen, wir wissen aber nicht warum:

    Nein, die Erklärung bestünde darin, warum das so sein sollte. Das könnten durchaus auch gesellschaftliche Ursachen sein (Makroebene), die sich durch (Nicht)Feuern von Neuronen äußern (Mikroebene).

    Man kann die physikalische Seite der Störung beschreiben, sie erfasst aber das Problem nicht.

    Nein, aber die nicht-physikalische Seite kann möglicherweise die Störung erklären. Sie spielen möglicherweise auf das Qualia-Problem an. Das ist aber kein Problem für den Naturalismus, wenn der Geist als Emergenz interpretiert wird.

    Eine synthetisch-emergentistische Erklärung würde dann lauten: (gesellschaftliche) Bedeutungen a’ bis n’ rufen eine Dissonanz bei Neuronen a bis n hervor, etc.pp. Die Bedeutungen lassen sich naturwissenschaftlich nicht darstellen, wirken aber dennoch.

    Nein, eben die Darstellung, wie diese Bedeutungen wirken, wären die naturalistische Erklärung.

    Berücksichtigt man dies nicht, sucht man nach Ursachen bis hinunter zu Quanteneffekten, was natürlich Blödsinn ist.

    Genau das ist doch der Clou an den emergentistischen Überlegungen: Zentral ist, die korrekte Beschreibungsebene zu wählen. Sie haben Neuronen benannt, man müsste eventuell noch Biomoleküle dazu nehmen (vielleicht Hormone, Transmitter und so weiter). Naturalistisch bedeutet nur, dass in der gesamten Kette der Erklärungen keine Übernatur vorkommt, die sich nicht als Emergenz materieller Systeme deuten lässt.

    Das Thema dieses Blogs war doch gerade u.a., dass Naturalismus den Leib-Seele Dualismus zementiert und damit genauso dogmatisch und ideologisch ist wie Religion.

    Naturalismus wird unter Fallibiltätsvorbehalt vertreten. Letztlich ist das auch kein Leib-Seele-Dualismus, sondern der Hinweis auf emergente Eigenschaften, als die Eigenschaften eines Systems, die den Bauteilen nicht zukommt (‘Wasser ist nicht gewinkelt und H2O ist nicht nass’, was aber nicht bedeutet, dass ‘Nässe’ etwas beinhalten müsse, was nicht als Emergenz einer Stoffportion Wassermoleküle erklärt werden könnte, und es würde auch keinen Sinn machen, nun Gluonen mit in die Erklärung einzubeziehen).

    Nur nebenbei, ich habe schon auf den Artikel http://bettinabussmann.info/wp-content/uploads/2018/09/Bussmann-2016-Naturalismus.pdf hingewiesen, in dem diskutiert wird, ob Naturalismus eine Ideologie sei.

    Nochmals: die Kritik am Naturalismus bedeutet nicht, die Naturgesetze außer Kraft setzen zu wollen, sondern die Verallgemeinerung, die Mikrogesetze bestimmten alles Makroskopische in linearer Weise.

    Ich erkenne meine Position (emergentistischer Materialismus) in dieser Beschreibung nicht. Es geht nur darum, dass es keine Übernatur gibt. Welche Ebenen sich wie auswirken, ist ein vollkommen anderer Thread. Es geht darum, eine sinnvolle Erklärungsebene zu wählen, nicht um den sinnleeren Versuch, alle Emergenzen höherer Seinsebenen durch tiefere zu erklären. Das kann prinzipiell nicht funktionieren. Versuchen Sie beispielsweise, die Mendelschen Regeln zu definieren, wenn Sie auf einer Erde leben, auf der es noch keine Lebewesen als Diplonten gibt. Es geht nur darum, dass auch die Entitäten, die man auf der Makro-Ebene postuliert, nicht mit denen der Mikro-Ebene kollidieren.

    Beispielsweise eine Übernatur auf der Ebene der Elementarteilchen als eigenständige Entität.

  199. anton reutlinger,
    die Missbrauchsfälle sind schlimm, weil man sie gerade bei den Konfessionellen nicht erwartet. Die Öffentlichkeit ist aufgerüttelt, man kann nur hoffen, dass die Katholiken etwas daraus lernen.
    Ich gebe Ihnen sogar recht, als Papst Franziskus angetreten ist, hat er mehr Freiheit versprochen. Er ist zurückgerudert- Ein Pfarrer, der sich als homosexuell geoutet hat, der musste sein Amt aufgeben. Da gibt es Nachholbedarf.
    Die Menschen selbst werden darüber entscheiden, wie die Zukunft der römisch katholischen Kirche aussehen wird.

    Eine Kultur, die der Natur widerspricht…….
    Sprechen Sie damit der Vielweiberei das Wort , oder Vielmännerei ?
    Fragen Sie doch einmal eine Frau, wie die darüber denkt. Frauen wollen einen treuen Ehemann, keinen Sex mit jedermann.

  200. @Waschke: Der Naturalismus versucht, Phänomene – Emergenzen – naturwissenschaftlich zu erklären. Das geht aber nicht. Sie können somatische Prozesse naturwissenschaftlich beschreiben, aber nicht erklären. Es ist dasselbe wie in der Genetik. Erst die Epigenetik löst manches Problem auf. Es ist derselbe Blickwinkel, der Mutationen dem reinen Zufall zuschreibt. Das sieht zwar so aus, ist aber letztlich nur eine Leerformel. Wie gesagt, eine psychische Krankheit können Sie nicht naturalistisch erklären.

  201. @hwied 22.03.2021, 14:29 Uhr

    Natur und Kultur, speziell Sex

    Eine Kultur, die der Natur widerspricht…….

    Nur nebenbei, die Natur des Menschen ist die Kultur. Sie widerspricht zwingend der Natur. Die Natur des Menschen ist nackisch in der Savanne herumlaufen. Alles andere ist Kultur, und schon die Tatsache, dass Sie hier keinen Wintertag ohne Kleidung oder anderen Schutz überleben würden, zeigt, dass es nicht natürlich ist, dass Menschen hier in Deutschland leben.

    Sprechen Sie damit der Vielweiberei das Wort , oder Vielmännerei ?
    Fragen Sie doch einmal eine Frau, wie die darüber denkt. Frauen wollen einen treuen Ehemann, keinen Sex mit jedermann.

    Nennen Sie mir bitte Beispiele in der Natur, in denen ein Säugetier monogam lebt (es war eine ziemliche Sensation in der Biologie, als man das erste fand, raten Sie, was für ein Tier das war).

    Kennen Sie die Experimente, in denen untersucht wurde, welchen Typ Männer Frauen bevorzugen? Kleiner Tipp: nehmen Sie sich eine Stunde Zeit und schauen Sie diesen Film an (bei Zeitmangel etwa ab Minute 42):

    https://www.youtube.com/watch?v=R9OmlJKVIMQ&t=1913s

    Dann wissen Sie, wie ‘natürlich’ welche Vorstellungen über Sexualität beim Menschen sind.

  202. @hwied
    Was wäre so schlimm an Polygamie? In der Tat wäre Polygamie die natürliche Form der Sexualität. Hier widerspricht unsere Kultur eindeutig der Natur des Menschen. In der Folge davon brauchen wir Bordelle zum Ausgleich! Es gibt noch immer polygame Gesellschaften, auch mit Religion. Atheismus bedeutet aber nicht automatisch Polygamie! Wollen Sie einen Strohmann bauen?

  203. @Wolfgang Stegemann 22.03.2021, 14:51 Uhr

    Emergenzen, Mutationen, ‘Zufall’

    Der Naturalismus versucht, Phänomene – Emergenzen – naturwissenschaftlich zu erklären. Das geht aber nicht.

    Ja und Nein, der Naturalismus erklärt durch Emergenzen, die letztlich auch als ‘brute fact’ zu betrachten sind (‘starke Emergenz’).

    Sie können somatische Prozesse naturwissenschaftlich beschreiben, aber nicht erklären.

    Sie können Sie nur naturwissenschaftlich erklären. Alles andere sind bestenfalls Beschreibungen.

    Es ist dasselbe wie in der Genetik. Erst die Epigenetik löst manches Problem auf.

    Dazu sollten Sie zeigen können, dass epigenetische Marker stabil sind. Falls nicht, können sie nichts erklären, wenn man in Generationen denkt.

    Es ist derselbe Blickwinkel, der Mutationen dem reinen Zufall zuschreibt.

    In der Evolutionsbiologie versteht man unter ‘Zufall’ in etwa ‘ohne Zusammenhang mit den Selektionsbedingungen’. Das heißt, sie können prinzipiell jede Mutation mechanismisch erklären (von Strahlung über Chemikalien bis hin zu ‘bad luck’ bei Wechselwirkungen zwischen Molekülen), und aus der Sicht der Evolution ist sie dennoch zufällig.

    Das sieht zwar so aus, ist aber letztlich nur eine Leerformel. Wie gesagt, eine psychische Krankheit können Sie nicht naturalistisch erklären.

    Warum nicht? Wenn ich angeben kann, welche ursächlichen Bedingungen welche Einflüsse auf welche Strukturen des Nervensystems und somit dessen (Fehl)Funktion haben, ist das die beste Form der Erklärung, die es gibt. Alles andere ist weniger. Sie können natürlich buchstäblich an der Oberfläche oder sogar außerhalb der Schädeldecke bleiben und eine ‘high level’-Erklärung formulieren. Die könnte aber durch eine Fülle von Mechanismen unter der Schädeldecke entstehen, die Sie bestenfalls ‘poolen’ und mit einem Begriff versehen können. Gilt natürlich auch umgekehrt: die selbe (Fehl)funktion kann sich, je nach Umwelt, anders äußern.

    Ist übrigens in der Genetik genauso: Wenn Sie jemanden, der mit PKU geboren wird, phenylalaninarm ernähren, kann der vollkommen gesund heranwachsen, normale Intelligenz entwickeln und sich später sogar normal ernähren, ohne die spezielle Diät ab der Geburt verblödet dieser Mensch. Was ist jetzt die Ursache dieser Krankheit? Ein molekular als Punktmutation zu beschreibender Stoffwechseldefekt, oder die vollkommen normale Ernährung?

  204. @Waschke: letzter Versuch. Die Neurowissenschaft verwendet den Begriff Bewusstsein rein quantitativ, Anzahl der Neuronen, der Verbindungen etc. Sie kann möglicherweise eines Tages sagen, ab welcher Quantität so etwas wie Bewusstsein entstehen kann. Wie Bewusstsein aber sich als emergentes Phänomen selbst organisiert wird sie rein quantitativ nicht erklären können.
    Im Übrigen erklärt Naturwissenschaft nicht, sondern beschreibt.

  205. anton Reutlinger
    jetzt ist es raus, Polygamie als Entwicklungsziel. Fragen Sie doch mal die betroffenen Kinder, Kinder wollen die gleichen glücklichen Eltern.
    Nachtrag: Atheisten sind keine minderwertigen Menschen.

    Waschke,
    jetzt sind wir uns mal einig, die Kultur ist das Entwicklungsziel.
    wer Urlaub braucht, der gehe in den Jungel.
    Was jetzt die monogame Lebensweise betrifft, die Hirschkuh hat keine Wahl, die Wölfin hat keine Wahl, bei den Störchen scheint es Monogamie zu geben.
    Regenwürmer sind auch monogam, die wechseln einfach ihr Geschlecht.

    Warnung: Mit ihren Vorschlägen bekommen Sie Gegenwind von der Frauengewerkschaft.

  206. @hwied 22.03.2021, 15:37 Uhr

    Warnung: Mit ihren Vorschlägen bekommen Sie Gegenwind von der Frauengewerkschaft.

    Ich habe keinerlei Vorschläge gemacht. Ich habe Tatsachen geschildert, mehr nicht.

  207. @Stegemann
    Eine synthetisch-emergentistische Erklärung würde dann lauten: (gesellschaftliche) Bedeutungen a’ bis n’ rufen eine Dissonanz bei Neuronen a bis n hervor, etc.pp.

    Genau darin liegt ein Denkfehler vieler Antinaturalisten. Woran erkennt man eine gesellschaftliche Bedeutung und wie findet sie Eingang in das Bewusstsein? Das geht selber nur über naturalistische Erklärungen: von der sinnlichen Wahrnehmung über die Erinnerungen und Erfahrungen im Gedächtnis bis zur interneuronalen Verarbeitung. Das ist linear nur im peripheren Nervensystem, ansonsten ein beständiger Kreislauf, oder genauer ein vermaschtes Netzwerk der Signale im ZNS. Das Resultat sind motorische Signale oder hormonelle Sekretionen, die sich letztlich als Emotionen oder Reaktionen äußern.

    Die Antinaturalisten vermischen gerne und kunterbunt psychologische Begriffe und Aussagen mit neurobiologischen oder naturalistischen. Ihre eigenen Gedankensprünge und Erklärungslücken erkennen sie nicht.

  208. @hwied

    einer,
    mal ehrlich, wie hoch ist der prozentuale Anteil der Kreationisten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ?

    Keine Ahnung .. hier in der Umgebung bzw. in unserer evangelischen Gemeinde ist er sehr hoch. (der letzte Pastor hier war z.B. selber einer)

    Und nochmal , zum 500. Mal, Gläubige sind keine anderen Menschen, die haben keine sechs Finger oder den bösen Blick. Gläubig sein ist kein Alleinstellungsmerkmal, es gibt ein Recht auf Religionsausübung. Wer das nicht anerkennt, der ist der Außenseiter.

    Das sollte aber auch für Ungläubige gelten, oder?

    Sicher: Im Vergleich zu anderen Teilen der Welt, in denen atheistisch oder humanistisch eingestellte Menschen wegen ihrer Überzeugungen um Leib und Leben fürchten müssen, geht es nichtreligiösen Menschen in Deutschland „blendend“. Doch der Verweis darauf, dass die Lage für Menschen woanders weit schlimmer ist, kann nicht dazu führen, Missstände und Strukturen systematischer Benachteiligung vor der eigenen Haustür zu ignorieren.

    Aus “Gläserne Wände – Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland”;
    https://www.glaeserne-waende.de/

    Da geht es z.B. um
    – die Zwangsmitgliedschaft in der Kirche, um in sozialen Einrichtungen arbeiten zu können – auch wenn diese zu über 90% von der Allgemeinheit bezahlt werden

    – die (gewollte) Abwesenheit von Humanisten oder nicht religiösen Gruppen in Ethikkommissionen u.ä.

    – den Wunsch nach religiöser Erziehung in Kindergärten und Schulen durch die Bundesländer wogegen humanistische Alternativen nur selten erwähnt werden. “„Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach“, dies legt Artikel 7 Grundgesetz fest.” Wertebildende Alternativen zu den Religionsunterrichten – sofern überhaupt vorhanden – gibt es häufig erst ab höheren Klassenstufen, während es den Christlichen und auch islamischen Religionsunterricht in der Regel aber der 1. Klasse gibt.
    In Baden-Württemberg, Bayern, NRW, Rheinland-Pfalz und im Saarland werden „Ehrfurcht vor Gott“ oder „Gottesfurcht“ in den Schulgesetzen als oberste Bildungsziele genannt. Diese Vorgaben stehen im Gegensatz zum Ideal eines weltanschaulich neutralen Staates. z.B. wird in der Regel mehr Unterrichtszeit mit religiösen Schöpfungsmythen verbracht, als z.B. mit der Evolutionstheorie. Auch im Studium sieht das nicht viel besser aus! Konkordatslehrstühle z.B., dabei handelt es sich um 21 universitäre Lehrstühle für Philosophie, Politikwissenschaft, Soziologie und Pädagogik. Bei diesen wird der katholischen Kirche bei der Besetzung ein Mitspracherecht eingeräumt. Die zuständigen Bischöfe haben allerdings das Recht, KandidatInnen abzulehnen, die nicht die Standpunkte der Kirche vertreten.

    – religiöse Beschränkungen in der medizinischen Versorgung, wie z.B. ein Schwangerschaftsabbruch bei Vergewaltigung oder Notfällen.

    – in den Rundfunkbeiräten sind religiöse Gruppen überrepräsentiert, humanistische bzw. nicht religiösen Gruppen fehlen in der Regel. Praktisch merkt man das in der großen Menge an christlichen Werbesendungen (Wort zum Sonntag etc. ) Humanistische Sendungen dagegen sind nicht oder nur sehr selten zu finden. „Den Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den Jüdischen Gemeinden sind auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen einzuräumen“. … tja

    – der Staat als Eintreiber der Kirchensteuer … dadurch existiert in Deutschland eine weltweit einzigartige behördliche Registrierung der Konfessionszugehörigkeit, die nicht grundlos auf das NS-Regime zurückgeht.

    uvm.

  209. @hwied

    die Missbrauchsfälle sind schlimm, weil man sie gerade bei den Konfessionellen nicht erwartet.

    Sie sind noch viel schlimmer, weil die Kirche diese vertuscht hat.

    Eine Kultur, die der Natur widerspricht…….
    Sprechen Sie damit der Vielweiberei das Wort , oder Vielmännerei ?

    Da müssen sie sich vor allem mit ihrer eigenen bzw. anderen Religionen auseinandersetzen.
    Der Koran und das Alte Testament halten Vielweiberei, Zwangsheirat etc. für richtig.

  210. @anton reutlinger

    Dabei denke ich an die Konflikte in Indien zwischen dem radikalen Hinduismus und dem Islam. Auch in Sri Lanka, Myanmar, Indonesien und den Philippinen gibt es massive Konflikte.

    Die direkten Ursachen der Konflikte sind die Bevormundung der Lebensweise, die Intoleranz gegenüber Kritik und die Diskriminierung alternativer Lebensweisen, auch mit Gewalt, Vertreibung und Mord.

    In vielen Religionen sind primär die Frauen die Opfer. Vielfach dienen die transzendenten Gottheiten nur noch als Alibi für Macht, Ausbeutung und Unterdrückung und zur Aufhetzung von naiven Gläubigen.

    Darum fragte ich ja wo das in Asien den so anders wäre.

    Kann man als Agnostiker darüber hinwegsehen?

    Wenn man nur meint man kann sich halt nicht entscheiden, weil es zu 0.00000000000001% unentscheidbar ist .. vielleicht. Das ist dann sozusagen ohne eine moralische Wertung.

    Ich habe mich ja entschieden 😉
    Die Kreationisten hier waren sehr heilsam.

  211. einer,
    Deutschland zählt zu den sichersten Staaten auf dieser Erde. Das ist auch der Zusammenarbeit von Kirche und Staat geschuldet. Die hat sich bewährt.
    Was den Religionsunterricht in den Schulen angeht, der ist von den Schülern abhängig. Wir haben in den Großstädten mittlerweile 70 % der Schüler mit Migrationshintergrund. Für diese Schüler ist Ethikunterricht eingerichtet. Das ist doch vorbildlich.
    Was den Vorfall in einer Kölner Klinik betrifft, wo ein Arzt einem Mädchen “die Pille danach” verweigert hat, da hat sich die Kirche entschuldigt.

    Und…….warum bemängeln Sie die vielen Gewaltkrimis nicht, warum bemängeln Sie die vielen Gewaltvideos im web nicht, hier ist staatliche Kontrolle oberste Pflicht, nicht eine wischi-waschi-Kritik an den Kirchen.

  212. @Wolfgang Stegemann 22.03.2021, 15:35 Uhr

    Die Neurowissenschaft verwendet den Begriff Bewusstsein rein quantitativ, Anzahl der Neuronen, der Verbindungen etc.

    Ich bin kein Neurowissenschaftler, sondern nur als Biologe ausgebildet. In den Arbeiten über Neurowissenschaften, die ich gelesen habe, war Bewusstsein eher eine Emergenz der Funktion des Nervensystems als ein quantitatives Phänomen. ‘Umschlag von Quantität in Qualität’ kenne ich aus solchen Arbeiten eher nicht, eher Hologramme, die umso besser werden, je mehr Elemente beteiligt sind.

    Sie kann möglicherweise eines Tages sagen, ab welcher Quantität so etwas wie Bewusstsein entstehen kann.

    Ich denke eher, dass das von der Qualität abhängt. Man kann sich natürlich streiten, ob ein Neopallium erforderlich ist, wenn Vögel mit dem Corpus striatum sehr komplexe Leistungen erbringen können.

    Wie Bewusstsein aber sich als emergentes Phänomen selbst organisiert wird sie rein quantitativ nicht erklären können.

    Das hat auch niemand behauptet. Mein Standpunkt ist das jedenfalls nicht. Nur nebenbei, ich gehe davon aus, dass das, was nicht naturwissenschaftlich erklärt werden kann, nicht die basale Ebene einer möglichen Erklärung erreicht hat.

    Im Übrigen erklärt Naturwissenschaft nicht, sondern beschreibt.

    Das wäre mir ziemlich neu. Könnte es sein, dass wir unter ‘Erklären’ und ‘Beschreiben’ verschiedene Sachverhalte verstehen? Ich habe mich recht ausführlich mit der Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften befasst und verrate Ihnen sicher kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es auch hier divergierende Schulen gibt. Kann natürlich auch sein, dass es darüber hinaus noch Wissenschaftstheorien anderer Disziplinen gibt, die mir nicht vertraut sind.

    Beruhen unsere Differenzen vielleicht darauf, dass wir unterschiedliche Disziplinen im Auge haben? Ich habe nur Abschlüsse in einer harten und einer weichen Naturwissenschaft, einer Strukturwissenschaft und eine Fakultas für eine Geisteswissenschaft. Mehr kenne ich nicht aus erster Hand.

  213. @hwied 22.03.2021, 16:23 Uhr

    Ethik-Unterricht für Menschen mit Migrationshintergrund

    Was den Religionsunterricht in den Schulen angeht, der ist von den Schülern abhängig. Wir haben in den Großstädten mittlerweile 70 % der Schüler mit Migrationshintergrund. Für diese Schüler ist Ethikunterricht eingerichtet. Das ist doch vorbildlich.

    Als pensionierter Ethik-Lehrer sehe darin einen Skandal. Warum erhalten nicht alle Kinder gemeinsam im Klassenverband das Fach Ethik unterrichtet? Welchen Sinn soll es machen, für einige Konfessionen die Jugendarbeit zu übernehmen, während Kinder, die anderen Religionen angehören, diesen Luxus nicht erhalten?

    In einer pluralistischen Gesellschaft müssen die gemeinsamen Werte, eben unser Grundgesetz, zentral werden. Im Ethik-Unterricht, in dem auch Religionskunde vermittelt wird, ist der optimale Raum für diese Thematik. Und genau deshalb ist konfessioneller Religionsunterricht minderrangig. Eben weil auch immer mehr Menschen hier leben werden, die, falls sie ‘Gott’ sagen, nicht den Dreieinigen meinen.

  214. @einer
    Ich habe mich ja entschieden 😉
    Ja, da ist mir etwas durcheinander geraten, dafür entschuldige ich mich.

  215. @hwied

    Deutschland zählt zu den sichersten Staaten auf dieser Erde. Das ist auch der Zusammenarbeit von Kirche und Staat geschuldet. Die hat sich bewährt.

    Den Zusammenhang können sie mir bitte mal genauer erklären.

    Für diese Schüler ist Ethikunterricht eingerichtet. Das ist doch vorbildlich.

    Wie bundesweit in jeder Schule?
    DAS wäre mir neu.

    Eine Studie der Uni Koblenz kam bereits 1997 zu dem Schluss:
    „Ein Überblick über den Ethikunterricht in den Bundesländern weist im Punkt der Unterrichtserteilung auf einen bildungspolitischen Skandal. Zusammenfassend läßt sich sagen: In 15 von 16 Bundesländern ist ein Schulfach eingeführt worden, ohne daß der Staat sich hinreichend um eine qualifizierte Erteilung dieses Unterrichtes bemüht hat.

    Auch 2013 fast zwanzig Jahre nach der zunehmend flächendeckenden Einführung des Ethikunterrichts in der Sekundarstufe und der Koblenzer Studie sieht die Situation nicht anders aus.

    „Ansonsten wird man in den meisten Bundesländern bestenfalls einen engagierten Ethikunterricht bekommen. Doch auch der wird manchmal von Laien übernommen, als ob es hier darum ginge, eine Schulklasse bei einem Wandertag zu betreuen. …

    (wiki Ethikunterricht)

    Soweit ich weiß hat sich da auch 8 Jahre später nicht viel geändert.

    Und…….warum bemängeln Sie die vielen Gewaltkrimis nicht, warum bemängeln Sie die vielen Gewaltvideos im web nicht, hier ist staatliche Kontrolle oberste Pflicht, nicht eine wischi-waschi-Kritik an den Kirchen.

    Warum?
    Die öffentlich rechtlichen Medien sind doch zu einem großen Teil unter kirchlicher Kontrolle .. muss also richtig sein. (siehe Rundfunkrat)

  216. @Stegemann
    Mit den Wikipediabrocken haben Sie zweifellos recht. So schlecht ist Wiki aber nicht, denn man bekommt einen Überblick zu den Stichworten und viele Hinweise auf Fachliteratur, wo man sich dann näher informieren kann.

  217. Erklärt oder beschreibt Wissenschaft.

    Nach dem etablierten Verständnis von Wissenschaft (deduktiv-nomologische Modell) erklärt sie.

    Es gibt wohl ein neueres Verständnis von Wissenschaft von Nancy Cartwright.
    Da die “Naturgesetze” in der Regel nur Annäherungen an die Wahrheit sein können, würden empirische Aussage eher beschreiben als erklären.
    Trotzdem billigt sie den Naturwissenschaften auch erklärende Aussage zu, wenn es um fundamentale Aussagen geht.

    Ein Verständnis von Wissenschaft, dass Wissenschaft nur als Beschreibung sieht, kenne ich nicht – was natürlich nichts bedeuten muss.

  218. einer,
    der Ethikunterricht ist in BW fest installiert.
    Ethik versus Religion. Jetzt lassen Sie mal die Kirche im Dorf. Da gibt es keinen Unterschied. Religionsunterricht ist immer auch Ethikunterricht, was sonst.

    Was jetzt die Ethikkommissionen betrifft, wollen Sie alternativ eine Gewissensprüfung vorher verlangen ?
    Unsere Kultur ist eine christliche, das war sie und das ist sie. Schauen Sie sich nur mal den Kalender an. Da geht es von Feiertag zu Feiertag.
    Und was bemängeln Sie eigentlich? Welchen Vorteil versprechen Sie sich, wenn wir den Sonntag zum Arbeitstag erklären ? Da bekommen Sie sogar Gegenwind von den Kommunisten.
    Und was macht die Kirche ganz konkret im Augenblick falsch ?

    Die macht nichts falsch. Die Pfarrer müssen bis zu 5 Kirchengemeinden betreuen. Die haben Arbeit ohne Ende.
    Wussten Sie übrigens, dass die Türken ihre Kinder in die katholischen Kindergärten schicken und nicht in die städtischen.
    Das sagt mehr aus als ihre Kritik.

  219. @hwied
    Das ist auch der Zusammenarbeit von Kirche und Staat geschuldet. Die hat sich bewährt.

    Vor allem für die Kirchen hat sich die Zusammenarbeit bewährt. Sie bekommen vom Staat noch jährlich 500 millionen als Ausgleich für die Säkularisierung von 1803!!

    Solange die Gläubigen noch in der Mehrheit sind, werden sie als Wähler und als Kunden der Medien hofiert. Wenn die Mehrheit weg ist, dann ist auch das Interesse an ihnen weg.

  220. @Timm Grams

    (Das Gefangenendilemma lugt um die Ecke.)

    Können Sie mir auch nur ein halbwegs plausibles Beispiel nennen, in dem das Gefangenendilemma für die Evolution des guten Menschen eine Rolle gespielt haben könnte. (Gerne einfach dort im Nachbarblog antworten, hier dürfte das mehr offtopic sein).

    Ich wäre Ihnen sehr verbunden. Danach suche ich nämlich schon seit einer Ewigkeit.

  221. @Joker:Gefangenendilemma
    Das Gefangenendilemma kann das nicht liefern.
    Ich habe eher den Eindruck,die Spieltheorie ist nicht vollständig und hat ganz simpel den Tausch= Kooperation übersehen:wie wir ganz einfach kooperieren.
    Tomasello vom MPI mit ‘Mensch werden’ ist da aktuell.

  222. @Joker
    Die Spieltheorie ist im Kalten Krieg entwickelt worden und interpretiert Knappheit unter Konkurrenz-/ Wettbewerbssituationen.
    Aus meiner Sicht hat sie sich seit Axelrodt nicht weiterentwickelt und das Spiel mit der Interpretation über Kooperation bzw. der Wechselwirkung zwischen Konkurrenz und Kooperation vernachlässigt.

  223. @Thomas Waschke

    Wenn Sie gegen Kreationismus kämpfen, warum beschränken Sie sich nicht auf Biologie und Geologie? Dort gibt es die harten Fakten gegen den Kreationismus, insbesondere gegen den mit der jungen Erde. Selbst das hilft Ihnen nicht, wenn die Gegner behaupten, dass z.B. Fossilien vom Teufel extra für die Geologen versteckt wurden. Da ist eben nichts zu machen.

    Aber halbwegs vernünftige Gläubige kann man wohl ganz gut mit Biologie und Geologie überzeugen, denke ich. Wenn Sie jetzt einfach die Physik bemühen, und sie so zurechtbiegen, dass aus der Physik heraus eine Übernatur jeglicher Art unmöglich ist, da verlassen sie selber das Gebiet der gesicherten Erkenntnisse.

    Vor allem können Sie bei Menschen, die eigene spirituelle Erfahrungen haben, damit absolut nichts erreichen. Die wissen einfach, dass es irgendeine Übernatur gegen muss, auch wenn ihre eigene Erfahrung nicht allgemein bewiesen ist. Persönliche Fakten sind eben auch Fakten. Ein Verweis auf Halluzinationen reicht in der Regel nicht aus.

    Was ihre Abneigung gegenüber Religion angeht, so haben Sie sicher eine Menge gute Gründe dafür. Ich selber komme auch eher aus dem Naturalismus her, und habe schon den Konfirmationsunterricht verweigert, und gehöre keiner Religion an. Aber dafür brauche ich eben gar nicht die Idee, dass es keinerlei Übernatur gibt. Die Einschätzung, dass die Kirchen nicht viel taugen, die reicht doch vollkommen aus.

    Ich brauche mir doch nicht meine Welt durch Ausschluss jeglicher Übernatur künstlich kleiner machen, nur um die Religionen auf Abstand zu halten. Zumal meine eigenen spirituellen Erfahrungen einfach zusammengekommen sind, ohne dass ich sie wirklich gesucht hätte, ich kann mir das nicht mal aussuchen. Aber immerhin kann ich mit vielen Menschen zu Übereinstimmungen kommen, hier sind die eigenen Erfahrungen sehr wertvoll.

    Von Humanismus halte ich sehr viel, die Erkenntnisse von Soziologie, Psychologie und Biologie sind meistens gut nutzbar, um zu ethischen Positionen zu kommen. Ein Ausschluss von Übernatur hat hiermit nichts zu tun, z.B. dass Sexualität eine biologische Angelegenheit ist, und eben auch Homosexualität einschließt, ist so oder so ganz gut belegt.

    Eine Spiritualität als Grundlage des eigenen Seins ist eine Sache für sich. Freiheit mit Geborgenheit macht sich gut, und Inspiration ist meistens weiterführend. Wer in anderen Welten lebt, ist dann eben anders unterwegs. Allgemeinverbindliche Nachweise für Übernatur haben nicht.

    Aber das kann sich möglicherweise in Zukunft ändern. Aus meiner Sicht zumindest. Wenn der Gebrauch von analogen Zufallszahlen, die aus Quantenzufällen beruhen, im Vergleich zu Pseudozufallszahlen in der KI sich als hilfreich erweisen würden, könnte das zum Faktum werden.

  224. @Jeckenburger
    “Analoge Zufallszahlen” sind ein Widerspruch an sich. Solche Zahlen gibt es nicht. Man sollte nicht Spekulationen anstellen, deren Grundlage man nicht verstanden hat.

    Könnten Sie Ihre “spirituellen Erfahrungen” näher beschreiben? Ich würde wetten, dass etwas ganz banales oder natürliches dahinter steckt, andererseits würde ich mich gerne belehren lassen. Geist und Psyche sind sehr kompliziert und geheimnisvoll, man denke z.B. an die “Savants” oder Inselbegabungen, das sind wahre Wunder für den Normalo. Auf der andern Seite gibt es viele seltsame Störungen, die gerne auch spiritistisch gedeutet werden.

  225. @Joker 22.03.2021, 17:42 Uhr

    Sie fragen:

    Können Sie mir auch nur ein halbwegs plausibles Beispiel nennen, in dem das Gefangenendilemma für die Evolution des guten Menschen eine Rolle gespielt haben könnte.

    “Evolution des guten Menschen”: Krass!
    Weniger krass: Mit dem Programm KoopEgo habe ich demonstriert, wie Kooperation in einer Welt entsteht, die ausschließlich von Egoisten bevölkert ist. Ergebnisse habe ich u. a. auf einem GWUP-Treffen vorgestellt und im skeptiker 2/2009, S. 60-67 veröffentlicht: Ist das Gute göttlich oder Ergebnis der Evolution?

  226. @Joker: tit for tat
    Was wäre,wenn auf eine Defäktion immer mit Kooperation gekontert würde?Kommt auf die Zielsetzung an…

  227. @Tobias Jeckenburger 22.03.2021, 18:14 Uhr

    Ich gehe jetzt aus Zeit- und Raumgründen nicht auf alles ein. Falls ich etwas nicht beachtet haben sollte, das Sie interessiert, fragen sie gegebenenfalls nach.

    Wenn Sie gegen Kreationismus kämpfen, warum beschränken Sie sich nicht auf Biologie und Geologie? Dort gibt es die harten Fakten gegen den Kreationismus, insbesondere gegen den mit der jungen Erde.

    Heute ist eher Intelligent Design aktuell, da gibt es keine harten Fakten mehr, eben weil es um die Grenzen der Leistungsfähigkeit von Evolutionsmechanismen geht. Mein Punkt war zudem ein anderer: Ich will mich als Naturalist nicht von Christen einer Couleur in deren Kabbeleien mit anderen Christen vereinnahmen lassen.

    Selbst das hilft Ihnen nicht, wenn die Gegner behaupten, dass

    z.B. Fossilien vom Teufel extra für die Geologen versteckt wurden. Da ist eben nichts zu machen.

    Genauso wenig wie gegen jemanden, der sich auf spirituelle Erfahrungen beruft. Wenn jemand eine personale Beziehung zu Jesus hat und so erfährt, dass die Bibel wahr ist, dann spielen naturwissenschaftliche Erkenntnisse keine Rolle mehr.

    Aber das ist sowieso trivial: niemand konnte bisher den Solipsismus widerlegen, daher geht es gar nicht um real oder eingebildet, sondern um Evidenzen, Plausibilitäten und so weiter.
    .

    Wenn Sie jetzt einfach die Physik bemühen, und sie so zurechtbiegen, dass aus der Physik heraus eine Übernatur jeglicher Art unmöglich ist, da verlassen sie selber das Gebiet der gesicherten Erkenntnisse.

    S.o. Es kann nicht darum gehen, eine Übernatur zu widerlegen, unmöglich zu machen oder was auch immer. Es reicht, darauf hinzuweisen, dass bisher niemand zeigen konnte, dass es eine Übernatur gibt

    Vor allem können Sie bei Menschen, die eigene spirituelle Erfahrungen haben, damit absolut nichts erreichen.

    Das ist trivial.

    Die wissen einfach,

    Ganz ehrlich, wissen die das? Da habe ich aber doch extreme Zweifel. Die haben möglicherweise eine subjektive Gewissheit, aber mit Wissen ™ hat das nichts zu tun.

    dass es irgendeine Übernatur gegen muss, auch wenn ihre eigene Erfahrung nicht allgemein bewiesen ist. Persönliche Fakten sind eben auch Fakten. Ein Verweis auf Halluzinationen reicht in der Regel nicht aus.

    Erst sollen sich alle Menschen, die solche Erfahrungen gemacht haben, austauschen und sich einig werden, wie sie das interpretieren möchte, was sie da erfahren haben. Mit den Ergebnissen können die dann gerne zu uns Naturalisten kommen, wir sehen uns das gerne kritisch an.

    Ich brauche mir doch nicht meine Welt durch Ausschluss jeglicher Übernatur künstlich kleiner machen, nur um die Religionen auf Abstand zu halten.

    Ich hingegen muss meine Welt nicht künstlich aufbohren, nur weil Menschen meinen, eine Übernatur erfahren zu haben.

    Eine Spiritualität als Grundlage des eigenen Seins ist eine Sache für sich. Freiheit mit Geborgenheit macht sich gut, und Inspiration ist meistens weiterführend. Wer in anderen Welten lebt, ist dann eben anders unterwegs. Allgemeinverbindliche Nachweise für Übernatur haben nicht.

    Wie Sie glücklich werden sei Ihnen überlassen. Aber es wird Ihnen nicht gelingen, daraus eine funktionierende Ontologie zu konstruieren. Falls doch, würde mich das extrem wundern.

    Aber das kann sich möglicherweise in Zukunft ändern. Aus meiner Sicht zumindest. Wenn der Gebrauch von analogen Zufallszahlen, die aus Quantenzufällen beruhen, im Vergleich zu Pseudozufallszahlen in der KI sich als hilfreich erweisen würden, könnte das zum Faktum werden.

    Für welche Position wäre so was ein Argument?

    Ach, fast vergessen, es ging doch eigentlich um vollkommen andere Fragen, also beispielsweise, wie man psychische Krankheiten erklärt, wie aus der Funktion von Nervensystemen einer bestimmten Komplexität ‘Geist’ evolvieren kann und so weiter. Damit hat das, was Sie gerade schreiben, doch eher nichts zu tun, oder sehe ich das falsch?

  228. @einer

    Ethik-Unterricht

    [Wikipedia] Ansonsten wird man in den meisten Bundesländern bestenfalls einen engagierten Ethikunterricht bekommen. Doch auch der wird manchmal von Laien übernommen, als ob es hier darum ginge, eine Schulklasse bei einem Wandertag zu betreuen. …

    Noch krasser: Ethik-Unterricht wird in vielen Fällen von Religionslehrern erteilt. Die sind zwar keine Laien, was Ethik anbelangt, aber etwas restringiert in der Beurteilung der Konzepte.

    Ich habe eine Fakultas für Ethik bekommen, weil ‘damals’ (Anfangs der 1990er Jahre) händeringend Ethik-Lehrer gesucht wurden. Mehr als ein paar Kurse an der Uni und einschlägige Funkkollegs hatte ich nicht vorzuweisen, aber das war damals mehr als genug (ein bestandenes Funkkolleg von drei einschlägigen (Praktische Philosophie/Ethik, Religion oder Anthropologie heute, kann sein, dass ich mich nicht mehr an die korrekten Titel erinnere) hätte gereicht, ich hatte nicht nur diese drei absolviert). Ich habe mich dann aber geweigert, Ethik zu unterrichten.

    Die Alternative war nämlich Religion oder frei, falls es keine Ethik-Lehrer gab. Und zur Stütze des Religionsunterrichts (“Warum soll ich mich abmelden, wenn ich dann Ethik-Unterricht habe?”) wollte ich mich doch nicht missbrauchen lassen. Religion wurde in den Randstunden erteilt, wer keinen Religionsunterricht hatte, ging früher oder kam später. Natürlich ein Dorn im Auge derer, die ihre Jugendarbeit vom Staat finanziert haben wollten.

    Dann hat sich das Blatt gewendet, es kam auf der einen Seite die ‘verlässliche Schule’, auf der anderen Seite immer mehr Kinder, die keiner der beiden Großkirchen angehörten. Dadurch wurde Ethik Pflichtfach. Da hatte ich dann kein weltanschauliches Problem mehr, das Fach zu unterrichten.

    Inzwischen sind aber die ersten voll ausgebildeten Ethik-Lehrer in den Schulen angekommen. Vorher gab es das nur als weiterführende Studien berufsbegleitend. Und die Menschen, die eines dieser Studien abgeschlossen haben, sind nun wirklich alles andere als Laien.

  229. @Waschke: Naturalismus & so

    Danke für Ihre Recherche- und Textarbeit; da sich bei mir wieder eine arbeitsintensivere Phase nähert, liegt mir hier an einer Komplexitätsreduktion. Sie haben die Diskussion aber schon mit @Stegemann fortgeführt. Nur zu zwei Punkten:

    Der Naturalismus ist jedoch weder eine Heilslehre noch eine freiheitseinschränkende Ideologie, wie ich anhand folgender Tabelle zeigen möchte. (Bettina Bussmann)

    Den Text werde ich bei Gelegenheit mal lesen, falls ich wieder etwas zum Naturalismus schreibe…

    …aber spontan kommt mir der Gedanke, dass der N. durchaus die Religionsfreiheit einschränken kann, wenn er religiösen Glauben per se als irrational, wenn nicht gar als eine Art Geisteskrankheit darstellt; mit solchen Menschen kann man i.d.R. nicht mehr diskutieren. Und was dabei dann bei bestimmten PR-Aktionen der GBS herauskommt, sieht man ja.

    Freut mich sehr zu hören. Wichtiger, als diesen Sachverhalt [über Substanzdualismus] zu konstatieren, scheint mir aber zu sein, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

    Man kann es doch mal so stehen lassen, dass es für die Existenz einer Seele keinen schlagenden Beweis gibt und bisher kein plausibler Vorschlag für den Interaktionsmechanismus gemacht wurde.

    Mir ist es wichtig, die Position in ihren historischen Kontext einzuordnen; und den Studierenden zu vermitteln, dass auch Substanzdualisten einen überlegten Standpunkt vertreten können, sogar mit empirisch prüfbaren Voraussagen (siehe Descartes oder Eccles), was einige führende Personen in der Philosophie des Geistes partout nicht zugeben. (Erinnern wir uns daran, dass selbst an der nat. Fakultät viele Studierende dualistische Überzeugungen haben und die Mehrheit der Naturwissenschaftler keinen Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft sieht.)

    Ich sehe jedenfalls genauso wenig Evidenz für die Annahme einer immateriellen Seele wie für die Richtigkeit des Standpunkts des reduktiven Materialisten, psychische Prozesse ließen sich vollständig auf physikalische Prozesse reduzieren; es ist eben ein “Schuldscheinmaterialismus” (Popper).

  230. @Stephan Schleim 22.03.2021, 21:39 Uhr

    Muss man einen konsequenten Standpunkt aufweichen?

    …aber spontan kommt mir der Gedanke, dass der N. durchaus die Religionsfreiheit einschränken kann, wenn er religiösen Glauben per se als irrational, wenn nicht gar als eine Art Geisteskrankheit darstellt; mit solchen Menschen kann man i.d.R. nicht mehr diskutieren. Und was dabei dann bei bestimmten PR-Aktionen der GBS herauskommt, sieht man ja.

    Okay, kann man so sehen (habe ich ja auch aus dem Artikel von Frau Bussmann zitiert). Es hat schon seine Gründe, warum ich nie der gbs beigetreten bin.

    Aber genau hier sind wir bei dem grundsätzlichen Dissens zwischen uns. Ich kann mich mit den Methoden der gbs, vor allem mit deren Umgang mit Menschen, nicht identifizieren, aber die weltanschaulichen Inhalte teile ich weitgehend.

    Und diese Inhalte weiche ich nicht auf, weil andere Menschen dadurch weltanschauliche Probleme bekommen könnten. Religiöser Glaube ist selbstverständlich irrational (‘credo quia absurdum’, ‘credo ut intelligam’ etc.), aber das ist keine Geisteskrankheit, aus meiner Sicht eher den Tatsachen des Lebens nicht ins Auge sehen zu können.

    [Thomas Waschke] Freut mich sehr zu hören. Wichtiger, als diesen Sachverhalt [über Substanzdualismus] zu konstatieren, scheint mir aber zu sein, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

    Man kann es doch mal so stehen lassen, dass es für die Existenz einer Seele keinen schlagenden Beweis gibt und bisher kein plausibler Vorschlag für den Interaktionsmechanismus gemacht wurde.

    Genau hier trennen sich unsere Wege. Ich gehe mindestens einen Schritt weiter.

    Mir ist es wichtig, die Position in ihren historischen Kontext einzuordnen; und den Studierenden zu vermitteln, dass auch Substanzdualisten einen überlegten Standpunkt vertreten können,

    Unbestritten. Aber ein überlegter Standpunkt muss noch lange nicht korrekt sein.

    sogar mit empirisch prüfbaren Voraussagen (siehe Descartes oder Eccles)

    ,

    Das interessiert mich jetzt aber. Welche prüfbaren Voraussagen haben diese Autoren gemacht? Okay, ist schon an die 40 Jahre her, seit ich Eccles gelesen habe (das Buch ‘The Self and Its Brain’ mit Popper zusammen, der Titel von Eccles Buch fällt mir gerade nicht mehr ein, es erschien kurz nachdem er den Nobelpreis erhielt, müsste jetzt in den Keller gehen …), kann sein, dass ich damals nicht darauf geachtet habe.

    was einige führende Personen in der Philosophie des Geistes partout nicht zugeben.

    Wie gesagt, nicht der Bereich meiner Kernkompetenz, aber ich würde eher dazu tendieren, das nicht zuzugeben.

    (Erinnern wir uns daran, dass selbst an der nat. Fakultät viele Studierende dualistische Überzeugungen haben

    Ein Satz wie dieser macht mich ratlos (und das ist auch in etwa der Punkt, wo es nicht mehr ohne Psychologisieren geht). So gut wie alle Menschen sehen die Sonne aufgehen. Ist das ein Argument für Geozentrismus? Alle Menschen haben exaptierte neuronale Module, die ‘Religiosität’ bedingen. Wird dadurch irgendeine Religion wahrer? Ist es ein Argument, wenn Studenten mehrheitlich etwas glauben?

    Sie kennen sicher auch die einschlägigen Ergebnisse (mir fallen die Namen der Autoren gerade nicht ein, wenn sie die Arbeit nicht kennen, suche ich sie) der Untersuchungen, die immer wieder seit den IIRC 1920er Jahren gemacht werden: Die Religiosität von Naturwissenschaftlern korreliert sehr stark mit dem Fach und der Bedeutung innerhalb der Wissenschaftlergemeide, die proportional wenigsten Religiösen findet man unter Evolutionsbiologen und den Wissenschaftlern mit dem höchsten Rang. Dem würde ich mehr Gewicht einräumen als der Frage, was Studenten glauben.

    und die Mehrheit der Naturwissenschaftler keinen Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft sieht.)

    Das hängt davon ab, ob sich diese Naturwissenschaftler hinreichend Gedanken über Ontologie gemacht haben und was sie unter ‘Religion’ verstehen. Mein Spezialgebiet ist die Diskussion mit Evolutionsgegnern, ich habe schon mit Menschen der unterschiedlichsten Richtungen innerhalb dieser Gruppe diskutiert, teilweise auch so intensiv, dass ich in der Danksagung von Büchern stehe, deren Inhalt ich überhaupt nicht teile. Etliche Gegner einer naturalistischen Evolution kenne ich auch persönlich und treffe sie ab und an. Diese Menschen sehen durchaus den Konflikt zwischen einer bestimmten Auffassung von Religion mit einer bestimmten Auffassung von Wissenschaft. Wie gesagt, einer der wichtigsten Gründe, warum ich Ignostiker geworden bin, eben weil es keinen Sinn macht, agnostisch zu sein, wenn man die Inhalte gar nicht betrachtet.

    Ich sehe jedenfalls genauso wenig Evidenz für die Annahme einer immateriellen Seele wie für die Richtigkeit des Standpunkts des reduktiven Materialisten, psychische Prozesse ließen sich vollständig auf physikalische Prozesse reduzieren; es ist eben ein “Schuldscheinmaterialismus” (Popper).

    Das ist orthogonal zu meinem Standpunkt, ich sehe weder das eine noch das andere. Welches Argument gibt es, dass die Erklärung psychischer Phänomene, die natürlich nicht auf der Ebene physikalischer Prozesse erfolgen kann (der Emergentismus geht doch davon aus, dass eine Emergenz Eigenschaften beschreibt, die den Komponenten nicht zukommt), eine Übernatur erfordert? Genau das ist Naturalismus in dem Sinn, wie ich ihn verstehe: Es geht mit rechten Dingen zu. Nur nebenbei, immateriell ist nicht supranaturalistisch. Eine ‘Zahl’ beispielsweise ist ein typisches ‘Konstrukt’ und selbstverständlich nicht materiell, aber eben auch nicht supranaturalistisch (sie wird ja von einem materiellen Wesen gedacht).

    Aber okay, das wird jetzt alles viel zu komplex und ich müsste viel sorgfältiger und ausführlicher formulieren. Ich möchte Sie nicht von ernsthafter Arbeit abhalten. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich schon in Rente und habe mehr freie Zeit. Vielleicht später mal …

  231. Thomas Waschke
    22.03.2021, 16:28 Uhr
    @Wolfgang Stegemann 22.03.2021, 15:35 Uhr
    Beruhen unsere Differenzen vielleicht darauf, dass wir unterschiedliche Disziplinen im Auge haben? Ich habe nur Abschlüsse in einer harten und einer weichen Naturwissenschaft, einer Strukturwissenschaft und eine Fakultas für eine Geisteswissenschaft. Mehr kenne ich nicht aus erster Hand.

    Vorausschickend: Ich komme – obwohl auf der technischen Basis befindlich – eher aus dem Lager der Experimentatoren, betrachte die Ein- und die Ausgaben und versuche daraus, auf den Mechanichtsnutz in der schwarzen Kiste zu schließen. Meine besten Ergebnisse – leider selten genug – habe ich dann erzielt, wenn ich auch mal das Gegenteil von dem als möglich angenommen habe, was ich als “wahr und sicher weiß”.
    Insofern verfolge ich die Kommentare hier mit ausgesprochenem Erstaunen, es gibt nur ganz wenige Kommentare, bei denen ich hin und wieder etwas meiner Denkweise wiedererkenne – naja, glaube, wiederzuerkennen.

    Aber angesichts Ihres Kurz-CV hier – nehmen Sie ernsthaft an, dass sich auf Grund Ihrer Beiträge hier jemand “ändert”? Oder haben Sie einfach nur Freude an der intellektuellen Auseinandersetzung?

  232. @Karl Maier 22.03.2021, 23:41 Uhr

    Aber angesichts Ihres Kurz-CV hier – nehmen Sie ernsthaft an, dass sich auf Grund Ihrer Beiträge hier jemand “ändert”?

    Ich hoffe es, bin aber eher skeptisch.

    Oder haben Sie einfach nur Freude an der intellektuellen Auseinandersetzung?

    Das auf jeden Fall. Vielleicht habe ich als Rentner auch einfach nur zu viel Zeit 😉

  233. @anton reutlinger 22.03. 18:32

    „“Analoge Zufallszahlen” sind ein Widerspruch an sich. Solche Zahlen gibt es nicht.“

    Ich meine hier Zufallszahlen, die auf Quantenzufällen beruhen, z.B. das Pixelrauschen einer Digitalkamera. Auf den Sensorelementen bricht die Wellenfunktion der eingehenden Lichts zusammen, und zwar so, dass sich ein Zufallsmuster ergibt, dass recht direkt auf Quantenzufall beruht. Wenn man jetzt dieses Rauschen vom Bildsignal trennt, hat man das, was ich mit analogen Zufallszahlen bezeichnet habe.

    Ganz im Gegensatz zu Pseudozufallszahlen, die mathematisch nach dem Prinzip von verborgenen Parametern produziert werden.

    Thomas Waschke 22.03. 18:46

    „Ganz ehrlich, wissen die das? Da habe ich aber doch extreme Zweifel. Die haben möglicherweise eine subjektive Gewissheit, aber mit Wissen ™ hat das nichts zu tun.“

    Naja, kommt drauf an was man wirklich glaubt. Wers glaubt, dass es stimmt, was er erlebt hat, der wird sagen, er weiß es. Wer es nicht für möglich hält, und selbst nicht erlebt hat, der wird denken, da irrt sich wohl einer. Was sonst.

    „Ich hingegen muss meine Welt nicht künstlich aufbohren, nur weil Menschen meinen, eine Übernatur erfahren zu haben.“

    Ok, hab ich nichts gegen. Gar nichts.

    „Wie Sie glücklich werden sei Ihnen überlassen. Aber es wird Ihnen nicht gelingen, daraus eine funktionierende Ontologie zu konstruieren. Falls doch, würde mich das extrem wundern.“

    Nun gut, eine entsprechende Idee habe ich hier ja schon längst vorgestellt, aber ob die zutrifft, weiß ich selber nicht, und Nachweise hab ich erst recht noch keine dafür.

    „Für welche Position wäre so was ein Argument?“

    Wenn die analogen Zufallszahlen, die auf Quantenzufällen beruhen, in der KI eingesetzt werden, halte ich es für möglich, dass hier öfter mal gezielte Zufälle mitspielen, die eventuell so regelmäßig vorkommen, dass sie im Prinzip Nachweise von einer gewissen Übernatur mit sich bringen könnten.

  234. @Tobias Jeckenburger 23.03.2021, 00:52 Uhr

    Was unterscheidet eine Welt mit einer Übernatur von einer ohne?

    Okay, die Ebene hat sich ja nun weit weg von der eigentlichen Problematik verlagert, aber es sollte deutlich geworden sein, dass die Frage nach einer Übernatur schon immer mitgeschwungen hat.

    Ich gehe nur noch auf einen Punkt ein:

    Wenn die analogen Zufallszahlen, die auf Quantenzufällen beruhen, in der KI eingesetzt werden, halte ich es für möglich, dass hier öfter mal gezielte Zufälle mitspielen, die eventuell so regelmäßig vorkommen, dass sie im Prinzip Nachweise von einer gewissen Übernatur mit sich bringen könnten.

    Diese Art Argument kommt mir bekannt vor. Ich habe mich sehr ausführlich mit Intelligent Design befasst, mit dessen Vertretern diskutiert, einige Publikationen zu dem Thema geschrieben. Ein typischer Buchtitel zu solchen Fragen lautet

    Junker, R. (2009) ‘Spuren Gottes in der Schöpfung? Eine kritische Analyse von Design-Argumenten in der Biologie’ Holzgerlingen, SCM Hänssler

    Junker, Geschäftsführer der größten deutschen Vereinigung von Kurzzeit-Kreationisten, argumentiert meist über Intelligent Design und hat etliche ‘Design-Indizien’ in der Natur beschrieben, die im Gegensatz zu dem, was Sie gerade andeuten, sehr konkret sind (bei Bedarf kann ich Ihnen Details bzw. Links nennen).

    Was mich bei solchen Überlegungen immer wundert, ist das Gottesbild bzw. das der Übernatur, das dahinter steht. Diese Entitäten scheinen sozusagen Ostereier versteckt zu haben. Es gibt Autoren, die expressis verbis dafür plädieren, dass Gott sich im Quantenrauschen versteckt, dass er in eine naturalistisch verlaufende Evolution dadurch eingreift, dass es für uns wie ein Zufall aussieht (vielleicht eine Mutation hier, ein Meteoriten-Einschlag da, zwei passende Tiere zusammengebracht und so weiter …). Oder eben auch mal ein spirituelles Erlebnis. Als Argumente für eine Übernatur findet man ansonsten meist nur Phänomene angeführt, die wir (noch?) nicht verstehen.

    Wenn ich denke, was es für andere Gottesbilder gibt, beispielsweise eines Gottes, der aus dem Gewittersturm Hiob die Leviten liest, oder wenigstens aus einem brennenden Dornbusch spricht, das wären dann Götter, die einen Unterschied machen würden. Aber eine Welt mit dem Typ Gott (oder allgemeiner auch nur Übernatur), für die Sie zu plädieren scheinen, ist kaum bis gar nicht von einer Welt ohne eine Übernatur zu unterscheiden.

    Das in etwa scheint mir das stärkste Argument gegen die Annahme einer Übernatur zu sein.

  235. @Jeckenburger
    Ich meine hier Zufallszahlen, die auf Quantenzufällen beruhen, z.B. das Pixelrauschen einer Digitalkamera.

    Also meine Digitalkamera macht ganz ordentliche Bilder. Auf Selfies erkenne ich mich sogar selber wieder. Von Quantenrauschen habe ich noch nichts bemerkt. Sind Sie sicher, dass das nicht Staubquanten auf dem Objektiv sind?

    Warum muss es immer gleich die Quantenphysik sein, gibt es nichit naheliegendere Erklärungen, oder sind Ihnen solche zu langweilig oder nicht sexy genug?

  236. anton reutlinger,
    eine elektronische Verstärkerschaltung wie sie in Digitalkameras verbaut ist enthält Transistoren. Das sind sehr empfindliche Bauteile, die so empfindlich sind, dass sie sogar die Wärmestrahlung verstärken. Das nennt man Wärmerauschen der Transistoren. Dieses Rauschen wird herausgefiltert, dabei leidet allerdings die Empfindlichkeit der Kamera. Wenn Sie also sehr gute Fotos machen wollen, dann sollten Sie die Kamera vorher in das Gefrierfach legen.
    Astrokameras werden z.B. gekühlt.

  237. @Waschke, Schleim: Naturalismus.

    Wenn man die Diskussion von der philosophischen auf die ontologische Ebene herunterbricht, dann kann man den Menschen von außen betrachten, wie dies etwa die Verhaltenspsychologie oder die empirische Psychologie macht. Ich betrachte ihn von innen, tue also dasselbe wie die Neurowissenschaft. Der Unterschied liegt darin, dass diese analytisch vorgeht, was notwendig ist, um immer kleinere Elemente zu identifizieren. Wenn sie nun hergeht und meint, aus diesen Elementen Emergenzen erklären zu können wie etwa Bewusstsein, dann macht sie den Schritt hin zum Naturalismus, wie schon die von mir oft zitierten Penrose/Hameroff, die Bewusstsein in den Mirkotubuli suchen. Wie gesagt, am Ende landet man dann auf Quantenebene und erklärt damit nichts mehr. Will man den Dualismus von Körper und ‘Geist’ vermeiden, müssen die Begriffe bereits so angelegt sein, dass sie Emergenz zum Ausdruck bringen können. Der Begriff des ICH ist ein solcher, der bereits den Aspekt der Umwelt beinhaltet. Ein solches Modell ist synthetisch und damit – wenn man so will – konstruktiv (als Gegenteil von analytisch). Es ist also solches geeignet, einzelwissenschaftlich analytisch gewonnene Einsichten auf der Ebene der Emergenzen zu integrieren, auf der ‘Körper’ und ‘Geist’ zwei Begriffsebenen derselben Sache sind.

    @Karl Maier: Warum argumentieren wir hier? Antwort: weil es einen zwingt, die eigenen Argumente zu schärfen, Begründungen zu entwickeln, die man sonst stillschweigend für sich abgehakt hat.

  238. @hwied

    Ethik versus Religion. Jetzt lassen Sie mal die Kirche im Dorf. Da gibt es keinen Unterschied. Religionsunterricht ist immer auch Ethikunterricht, was sonst.

    “auch” ja … allerdings in christlicher Ethik.

    Unsere Kultur ist eine christliche, das war sie und das ist sie.

    Nicht wirklich. Wir haben eher eine durch die Antike griechische / römische Kultur. Gerade auch im Rechtswesen (mit einigen Anteilen von den Germanen und Kelten).
    Gerade was Europa eher stark mache wie “Denk-, Glaubens- und Meinungsfreiheit”, “Freiheit” oder “Menschenrechte” – kommen in der Bibel und auch der Kirche nicht vor.
    Der Aufstieg Europas war vor allem durch die Renaissance geprägt. Sie war von dem Bemühen um eine Wiederbelebung der kulturellen Leistungen der griechischen und römischen Antike gekennzeichnet.
    Vorher war ja eher Düsternis angesagt.

    Schauen Sie sich nur mal den Kalender an. Da geht es von Feiertag zu Feiertag.

    Ach daran machen sie die christliche Kultur fest? … dann stellen wir halt um und machen Sonntag frei für Sol Invictus war ja schon mal so.

    Und was macht die Kirche ganz konkret im Augenblick falsch ?

    Wie war das mit Missbrauch, Arbeitsrecht, Homosexualität, Gleichstellung von Frauen …
    Die Kirchen verlieren vermutlich so viele Mitglieder, weil sie alles richtig machen.

    Das sagt mehr aus als ihre Kritik.

    Das war nicht meine, eine Quelle hatte ich angegeben.

  239. @hwied
    Astrokameras werden z.B. gekühlt.
    Meines Wissens werden IR-Kameras gekühlt. Mit Wärme hat das Quantenrauschen nichts zu tun. Es wäre dann auch kein Zufall mehr! Die Wärme regt Atome zu Schwingungen an und bringt sie in höhere Energiezustände, das ist klassische Physik.

  240. @Wolfgang Stegemann 23.03.2021, 08:45 Uhr

    Naturalismus

    So langsam kommen wir zum Kern der Sache.

    Wenn man die Diskussion von der philosophischen auf die ontologische Ebene herunterbricht,

    Mein Punkt ist, dass es um materielle Systeme, wie den Menschen geht. Philosophie besteht in sehr vielen Fällen in Untersuchungen von Sätzen über Sätze, die keinen Kraftschluss zum Sein haben. Aber genau um diesen geht es. Meine Behauptung ist, dass ohne Empirie nichts Gültiges über diesen Zusammenhang ausgesagt werden kann. Selbstverständlich könnten diese Aussagen ‘wahr’ im Sinne von zutreffend sein, aber das Problem ist, dass man das innerhalb des Systems aus Sätzen über Sätze nicht zeigen kann. Das führt immer in Aporien.

    dann kann man den Menschen von außen betrachten, wie dies etwa die Verhaltenspsychologie oder die empirische Psychologie macht. Ich betrachte ihn von innen, tue also dasselbe wie die Neurowissenschaft.

    Solange Sie dann darauf verzichten, ontologische Aussagen (beispielsweise “Es gibt eine Übernatur …”) zu machen und sich nur auf die Innenperspektive beschränken, ist das untadelig. Aber eben durch diese Beschränkung prinzipiell insuffizient, wenn man das ‘Sein des Seienden’ mitbedenken möchte.

    Der Unterschied liegt darin, dass diese analytisch vorgeht, was notwendig ist, um immer kleinere Elemente zu identifizieren. Wenn sie nun hergeht und meint, aus diesen Elementen Emergenzen erklären zu können wie etwa Bewusstsein,

    Exakt das muss man eben nicht machen können, und es gibt gute Argumente dafür, dass das prinzipiell nicht klappen kann. Aber, und das ist mein Punkt, das ist kein Argument für eine Übernatur.

    dann macht sie den Schritt hin zum Naturalismus, wie schon die von mir oft zitierten Penrose/Hameroff, die Bewusstsein in den Mirkotubuli suchen.

    Das ist aber nicht das Verständnis von ‘Naturalismus’, das ein emergentistischer Materialist hat.

    Wie gesagt, am Ende landet man dann auf Quantenebene und erklärt damit nichts mehr.

    Vollkommen einverstanden, aber das ist nicht der Punkt. Die Frage ist nur, was andere Formen der Erklärung prinzipiell erklären können. Bestenfalls Operationen in der Welt der ‘Konstrukte’ (die Terminologie, die ich verwende, habe ich ausführlich erklärt, wobei man nie weiß, ob man ‘Konstrukte’ von ‘Dingen’ (AKA Sätze über das Sein) diskutiert oder ‘Konstrukte’ von ‘Konstrukten’ (AKA Sätze über Sätze), aber es geht, zumindest mir, auch um die Welt der ‘Dinge’.

    Will man den Dualismus von Körper und ‘Geist’ vermeiden, müssen die Begriffe bereits so angelegt sein, dass sie Emergenz zum Ausdruck bringen können. Der Begriff des ICH ist ein solcher, der bereits den Aspekt der Umwelt beinhaltet.

    Eben. Aber mich interessiert jetzt, welche ontologischen Aussagen (also Sätze über das Sein) dieses Ich als Konstrukte mit Anspruch auf Geltung formulieren kann.

    Ein solches Modell ist synthetisch und damit – wenn man so will – konstruktiv (als Gegenteil von analytisch). Es ist also solches geeignet, einzelwissenschaftlich analytisch gewonnene Einsichten auf der Ebene der Emergenzen zu integrieren, auf der ‘Körper’ und ‘Geist’ zwei Begriffsebenen derselben Sache sind.

    Das in etwa sagt auch der emergentistische Materialist. Allerdings geht der in seiner Ontologie noch einen Schritt weiter, der Ihnen prinzipiell versperrt bleibt.

  241. @Waschke: Ich denke, wir reden aneinander vorbei. Ich konzediere, dass mein didaktisches Geschick unzureichend ist. Ich versuche mal, daran zu arbeiten. Vielleicht gelingt es mir ja noch, meine Argumente weiter zu schärfen 😀.

  242. Thomas Waschke,
    Wenn Sie verheiratet sind, dann befinden Sie sich automatisch auf der ontologischen Ebene.
    Alle Aussagen von Ihnen werden von Ihrer Frau auf den Kraftschluss zum Sein überprüft.
    Und passen sie auf, dass kein emergetischer Materialist als Hausfreund einen Schritt zu weit geht.

  243. @Wolfgang Stegemann 23.03.2021, 09:57 Uhr

    Ich denke, wir reden aneinander vorbei.

    Genau den Eindruck habe ich auch. Und zwar vor allem auch deshalb, weil die Schnittmenge zwischen dem, was ich schreibe, und dem, was Sie antworten, nicht besonders groß ist. Kann sein, dass Sie das genauso sehen.

    Vermutlich müssten wir sehr präzise angeben, um was es uns eigentlich geht, also in etwa ‘Vorderbühne vs. Hinterbühne’ und dann klären, ob es eine gemeinsame Basis für einen konstruktiven Dialog gibt, oder ob wir inkommensurable Weltbilder vertreten.

    Ein Grunddissens ist vermutlich, dass wir unter ‘Naturalismus’ unterschiedliche Inhalte verstehen. Da es dicke Bücher gibt, die sich nur mit der Frage befassen, was im Lauf der Geschichte schon so alles unter ‘Naturalismus’ verstanden wurde, ist es nicht weiter überraschend, dass Missverständnisse auftreten.

    Ich konzediere, dass mein didaktisches Geschick unzureichend ist. Ich versuche mal, daran zu arbeiten. Vielleicht gelingt es mir ja noch, meine Argumente weiter zu schärfen 😀.

    Ich fürchte, dass auch mein didaktisches Geschick auch nicht hinreicht, Ihnen klar zu machen, um was es mir geht. Eigentlich beschämend, ich sollte das doch in meiner Berufspraxis gelernt haben ;-/

    Auf jeden Fall danke für den interessanten Austausch.

  244. @hwied

    eine elektronische Verstärkerschaltung wie sie in Digitalkameras verbaut ist enthält Transistoren. Das sind sehr empfindliche Bauteile, die so empfindlich sind, dass sie sogar die Wärmestrahlung verstärken.

    Äh nein Transistoren verstärken keine Wärmestrahlung, dass ist falsch.

  245. @hwied
    richtig, das Wärmerauschen entsteht am p-n Übergang.

    Mein Tauchsieder in der Küche wird auch heiß, ebenso der Föhn zum Trocknen der Haare. Aus dem gleichen Grund steckt in Ihrem Computer ein Lüfter. Mit der Quantenphysik hat das alles nichts zu tun. Ihre Kenntnisse sind sehr mager und meistens falsch, prahlen und überzeugen können Sie damit nicht!

  246. @hwied

    richtig, das Wärmerauschen entsteht am p-n Übergang.

    1. wird auch da keine Wärme verstärkt
    2. haben alle elektronischen Schaltungen Wärmerauschen.
    Der Grund dafür ist, dass sich die Leitungselektronen in leitenden Materialien frei (zufällig) bewegen.
    Mit Quanteneffekten sollte das bei einer Kamera aber nichts zu tun haben. Solche Effekte kommen erst bei sehr niedrigen Bedingungen oder sehr hohen Frequenzen zum tragen. (wenn ich mich recht erinnere)

  247. einer
    Elektronen sind auch Quanten.
    Reutlinger
    Wen wollen Sie beeindrucken, doch nicht einen der sich mit Elektronik auskennt ?
    Man kann das Wärmerauschen hören, weil es vom Transistor genauso verstärkt wird wie das Nutzsignal.
    Deshalb soll man Verstärkerschaltungen nicht hochohmig auslegen, wenn Musik verstärkt werden soll.

  248. @hwied

    Man kann das Wärmerauschen hören, weil es vom Transistor genauso verstärkt …

    Eben nicht die Wärmestrahlung, wie von ihnen behauptet,wird verstärkt, sondern das elektrische Signal.

  249. @Thomas Waschke 23.03. 07:24

    „Aber eine Welt mit dem Typ Gott (oder allgemeiner auch nur Übernatur), für die Sie zu plädieren scheinen, ist kaum bis gar nicht von einer Welt ohne eine Übernatur zu unterscheiden.“
    „Das in etwa scheint mir das stärkste Argument gegen die Annahme einer Übernatur zu sein.“

    Die Naturgesetze sind eben schon ganz gut funktionsfähig, das meiste läuft einfach auf Regel und wirklich zufälligem Quantenzufall. Hier wird eigentlich nichts versteckt, hier gibt es einfach in der Außenwelt meistens nichts hinzuzufügen. Etwas anders sieht es aus, wenn es um das Leben geht. Hier kann schon die Regulation der Zellchemie geistig unterstützt sein, was zur Gesundheit beitragen kann, aber wirklich relevant wird es erst beim Thema innere Erlebniswelt samt Bewusstsein.

    Hier glaube ich, dass dieses ohne geistige Anteile gar nicht funktionieren kann, weil nur der Geist diesen psychischen Innenraum öffnen kann. Nervenzellen alleine können das nicht, auch wenn es ohne Gehirn auch nicht geht. Entsprechend groß sind hier jetzt die Unterschiede, wie die verschiedenen Menschen die Natur ihres eigenen Bewusstseins einschätzen.

    Dieses weite Feld an Konzepten wird ja erst möglich, weil die Gehirnforschung noch sehr weit davon entfernt ist, dass man verstehen könnte, wie unser Gehirn wirklich Bewusstsein erzeugt. Noch weis man hier kaum was, schätze ich.

    Gerade aufgrund einer Außenwelt, die im wesentlichen mit den Naturgesetzen alleine funktioniert, kann man auch so leben, dass man ohne die Annahme jegliche Übernatur auskommt. Die Naturgesetze sind für sich einfach schon von höchster Qualität, damit kann man zufrieden sein. Man kann ja offenbar so leben, als gäbe es auch im Bewusstsein keine Übernatur.

    Warum sich an Leuten stören, die esoterisch unterwegs sind? Man kann sich doch einfach sagen, die sind eben leicht verrückt. Es ist einfach nicht nötig, eine Unmöglichkeit jeglicher Übernatur zu postulieren.

    Wir leben doch wohl zweifelsfrei alle in der selben Welt, egal für was wir die Welt halten. Ich glaube, es gibt auch in der Bewusstseinsfrage eine definierte Ontologie, auch wenn die noch keiner wirklich kennt.

    In diesem Sinne ist Religionsfreiheit nicht nur pragmatisch, weil sie Bürgerkriege vermeidet. Unsere 70 Jahre alte Verfassung zeigt hier öfter mehr Weisheit, als in manchen aktuellen Diskussionen sichtbar wird.

  250. @hwied, einer, reutlinger

    Mit großem Amüsemang lese ich eure hochgelehrten Dispute.

    Nur nebenbei, um was geht es eigentlich?

    Vielleicht noch ein Buchtipp

    Gero Hümmler ‘Relativer Quantenquark. Kann die moderne Physik die Esoterik belegen?’ 2nd ed. 2019, Berlin, Springer

    Dort findet man interessante Hinweise zur Verwendung von ‘Quanten’ durch Otto Normalverbraucher.

  251. @Thomas Waschke
    Es geht um Transistoren, die Wärmestrahlung verstärken sollen …

  252. @einer 23.03.2021, 13:33 Uhr

    Es geht um Transistoren, die Wärmestrahlung verstärken sollen …

    Wie gesagt, ich habe mich amüsiert. Nicht nur über dieses prickelnde Detail 😉

    Zumindest einer der drei Genannten trägt durch viele Details dazu bei, meinen Tag zu machen. Üblicherweise genieße ich das still.

  253. Einer
    Wärmerauschen heißt nur so, weil die unkontrollierten p-n -Übergänge durch die Wärmebewegung der Elektronen verursacht wird. Das Wärmerauschen hat nichts mit einem Fön zu tun.
    Man nennt es Rauschen , weil es sich in einem hochohmigen Kopfhörer als Rauschen anhört. Genau genommen, da haben Sie Recht kann man das nicht als verstärkt beschreiben, weil ja nur der Basis Strom verstärkt wird –
    Das sind nur sprachliche Feinheiten.
    Wenn man allerdings in einen BC 107 ein Loch bohrt, dann wird aus dem Universaltransistor ein Fototransistor.
    Wenn jetzt durch das Loch ein Lichtstrahl auf den p-n-Übergang fällt, dann leitet der Transistor durch den äußeren Fotoeffekt.

  254. @Quantenrauschen

    Für analoge Zufallszahlen, die aus Quantenrauschen resultieren gibt es sicher mehrere technische Lösungen. Ich selbst habe mal eine analoge Fernsehkarte missbraucht, und einfach das Rauschen ohne eingestellten Sender aufgenommen. Vor der Verwendung für ein Kunstprojekt habe ich das Rauschen in diesen Dateien nochmal mit normalen Pseudozufallszahlen addiert, damit hier Artefakte wie Programmtext herausgefiltert werden, der in den Aufnahmen mit enthalten war. Das hat ganz gut funktioniert, die Bilder waren recht anständig, etwa lebendiger als übliche Computerbilder.

    Hier ein paar Bilder aus diesem Projekt:

    https://geier-wg.de/jeckenburger/mand1/index.php

    Inzwischen ist der Computer mitsamt dieser Fernsehkarte auf dem Schrott gelandet, und analoge Fernsehkarten gibt es nicht mehr. Für ein geplantes weiteres Kunstprojekt haben ich vor, eine Webcam zu missbrauchen. Die Quantenzufälle kommen dort zunächst mal durch das Licht, dass sich auf den Pixeln in elektrischen Signale verwandeln muss, zustande. Darüber hinaus gibt es im CCD-Chip auch ein Dunkelrauschen, dass auf Wärme beruht. Beides zusammen ergibt das Bildergebnis und lässt sich als Datei speichern. Praktischerweise kann ich eine dunkelgraue Pappe aufnehmen, dann müsste das Rauschen maximal werden. Die entsprechenden Dateien würde ich dann wieder per Addition mit Pseudozufallszahlen von Dateiformatartefakten befreien.

    Bei Spektrum.de kam vor kurzem ein Artikel für die Produktion von Riesenmengen von entsprechenden Zufallszahlen, die auf Quanteneffekten beruhen. Dort hat man ein spezielles Lasersystem in Kombination mit einer superschnellen Digitalkamera verwendet, und – ich meine – Terabytes an Zufallszahlen pro Sekunde produziert.

    So viele Zufallszahlen brauche ich für meine geplanten Kunstprojekte jetzt aber nicht.

  255. @Wolfgang Stegemann // 23.03.2021, 08:45 Uhr

    » Ich betrachte ihn von innen, tue also dasselbe wie die Neurowissenschaft. Der Unterschied liegt darin, dass diese analytisch vorgeht, was notwendig ist, um immer kleinere Elemente zu identifizieren. Wenn sie nun hergeht und meint, aus diesen Elementen Emergenzen erklären zu können wie etwa Bewusstsein, dann macht sie den Schritt hin zum Naturalismus, … «

    Ich versuche immer noch zu verstehen, wo es hier zwischen uns, also Ihnen und vielen anderen hier, u.a. Thomas Waschke, hakt.

    Wenn ich „Emergenz“ erklären wollte, das heißt, die Entstehung einer Systemeigenschaft, dann könnte ich das nur tun unter Einbeziehung aller (?) Teile, die dieses System konstituieren.

    Beliebtes Beispiel: Die physikalischen Eigenschaften des Wassermoleküls werden bestimmt durch die Wechselwirkungen zwischen den Wasserstoffatomen und dem Sauerstoffatom. Ersetze ich den Sauerstoff durch Schwefel, erhalte ich mit Schwefelwasserstoff ein Molekül mit deutlich anderen Eigenschaften als die eines Wassermoleküls.

    Und hier endet auch schon (für mich) die bottom-up-Erklärung, wie Systemkomponenten zu den beobachtbaren Systemeigenschaften beitragen. Der entscheidende Punkt dabei ist (aus „naturalistischer“ Sicht, vermutlich), dass nichts Weiteres hinzukommt, keine unbekannte physikalische Kraft, kein Geist, kein irgendwas, nichts.

    Man könnte (trivialerweise) sagen, mit dem Zusamenspiel der Systemkonstituenten ist die Systemeigenschaft vollständig erklärt. Wenn wir also wissen, wie dieses Zusammenspiel genau aussieht, dann haben wir das Phänomen verstanden.

    Ob das bewusste Wahrnehmen und Erleben als eine Systemeigenschaft des Gehirns (oder von Teilen desselben) aufgefasst werden kann oder nicht, wäre vielleicht noch zu klären.

    Sicher ist nur, dass es, Achtung, „überall im Schädel mit rechten Dingen zugeht“; die Teile sind soweit alle bekannt, aber wie sie im Verband zusammenwirken und und Bewusstseinsphänomene erzeugen, das gilt es noch herauszufinden.

  256. @hwied was Wärmerauschen ist, weiß ich.
    Das ein Transistor ohne Deckel quasi zu einem Photonendetektor wird auch.

    Aber sie schrieben, ein Transistor würde die Wärmestrahlung verstärken … darauf bin ich angesprungen.

    Auch ist für das Wärmerauschen – soweit ich mich noch richtig erinnere – kein Quanteneffekt oder quantenphysikalische Vorgang notwendig. Es reicht aus, dass sich die Elektronen im Leiter frei bewegen können.

  257. einer,
    Die Wärmestabstrahlung wird verstärkt, je mehr Strom durch ihn fließt.

    ein Quantensprung ist auch ein Quanteneffekt.
    Aber lassen wir das. was hat das noch mit Bewusstsein zu tun ?
    Wärme beeinflusst chemische Vorgänge und chemische Vorgänge finden in der Elektronenhülle statt. Also , in unserem Gehirn finden Quanteneffekte statt.

  258. Wolfgang Stegemann
    23.03.2021, 08:45 Uhr
    @Karl Maier: Weil es einen zwingt, die eigenen Argumente zu schärfen, Begründungen zu entwickeln, die man sonst stillschweigend für sich abgehakt hat.

    Ich vermeide es, mit Zitaten als verbalem Knüppel meine Argumentation zu befördern, aber hier kann ich nicht anders als zitieren, auch, weil ich vorhin daran dachte, eine ähnliche Formulierung wie Sie zu posten:
    >Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden< ( Heinrich von Kleist ) oder hier beim Schreiben, was aber für mich ein lautlos formuliertes Gespräch ist, stellt das schon fest.

  259. @Balanus: wenn Sie behaupten, das menschliche Bewusstsein lässt sich ausschließlich durch die Funktion der Neuronen erklären (was ja die Neurowissenschaft versucht), dann ist Ihre Argumentation schlüssig. Dann wird es eines Tages möglich sein, auf dieser Basis künstliche Menschen herzustellen. Vielleicht haben Sie ja recht.
    Meine Argumentation geht so: Ich betrachte das Phänomen ‘Bewusstsein’ als historisch entstandenes Produkt und versuche die vorangegangenen Phänomene, also die Vorgänger-Emergenzen zu finden und daraus ein allgemeines Prinzip zu formulieren. Das lautet in etwa: Regelung des Umweltbezugs. Dann frage ich, was die Regelung auf menschlicher Ebene ausmacht und versuche Begriffe zu finden, mit denen ich das einfangen kann.
    Dies sind für mich (andere würden das vielleicht anders machen) systemtheoretische Begriffe, weil ich denke, dass diese geeignet sind, die Komplexität am besten abzubilden. Die neurowissenschaftliche Seite ist also ein Aspekt dieses Umweltbezuges, wenn auch der dominante (Top-Down). Aber mit den Begriffen der Neurowissenschaft, wie sie sich derzeit darstellt, erfasst man nicht die Gesamtheit dieser Selbstregulation
    Man sieht an den Versuchen der NW, Bewusstsein zu erklären, dass dort nach kleinen Bausteinen gesucht wird, die das Bewusstsein ausmachen sollen. Nach meinem Ansatz geht das nicht. Denn danach ist BS nicht als Funktion von neuronen zu verstehen, sondern als Emergenz, also mehr als nur Neuronen. Sie können diese Emergenz eben nicht auf die Einzelteile namens Neuron reduzieren.
    Ich fürchte, Sie werden das dennoch nicht ganz nachvollziehen wollen.

  260. Balanus
    23.03.2021, 14:05 Uhr
    @Wolfgang Stegemann // 23.03.2021, 08:45 Uhr
    Ich versuche immer noch zu verstehen, wo es hier zwischen uns, also Ihnen und vielen anderen hier, u.a. Thomas Waschke, hakt.

    Wenn ich mich da mal einmischen darf:
    Aus meiner Sicht liegt es daran, dass wir hier alle mehr oder weniger “schlampig” argumentieren, gerne die “Worte für die Tat” nehmen, also die sprachliche Bezeichnung einer Sache mit der Sache selbst verwechseln, gedankliche Abkürzungen nehmen und uns dabei eben im Wortgestrüpp verlaufen, dass wir die “Beschreibung” eines Vorgangs gerne als dessen “Erklärung” verstehen.
    Ich versuche mal das Beispiel, was ich hier schon mal angebracht habe:
    Selbst wenn ich ein Auto bis zur letzten Schraube zerlege, werde ich nicht die “Geschwindigkeit als solche” finden, sie entsteht, wenn alle Teile konstruktionsgemäß zusammenwirken, aber auch nur, wenn Treibstoff vorhanden ist und jemand das Gaspedal tritt. Und selbst dann ist die “Geschwindigkeit” nur ein mathematisches Konstrukt, als Kurzform für das Maß einer Ortsveränderung in einem Zeitintervall. Insofern wird dann aber die “Geschwindigkeit” eine Art Realität, weil wir mit Worten darüber streiten können, ob sie angemessen oder zu hoch war. Wir können aber die Vorstellung einer zeitlichen Veränderung übertragen und von einer “Geschwindigkeit des Denkens” sprechen usw.
    Wir sind aus biologischen Gründen der Evolution in einer Blase gefangen, in der wir Sachverhalte, Konstrukte aus Sachverhalten oder sogar Konstrukte aus Konstrukten mit Worten benennen und uns auch nur mit Worten über diese Worte unterhalten können und leider allzuwenig zwischen Worten als Benennung, Konstrukt und Sachverhalt unterscheiden.

  261. @Wolfgang Stegemann 23.03.2021, 15:30 Uhr

    Emergenz: Eigenschaft, die keinem der Elemente des Systems zukommt

    Man sieht an den Versuchen der NW, Bewusstsein zu erklären, dass dort nach kleinen Bausteinen gesucht wird, die das Bewusstsein ausmachen sollen.

    Nein, die Emergenz des Systems aus diesen Bausteinchen macht das Bewusstsein aus. Das ist eine genuin systemtheoretische Beschreibung.

    Nach meinem Ansatz geht das nicht. Denn danach ist BS nicht als Funktion von neuronen zu verstehen, sondern als Emergenz, also mehr als nur Neuronen. Sie können diese Emergenz eben nicht auf die Einzelteile namens Neuron reduzieren.

    Das ist exakt der Standpunkt des emergentistischen Materialismus. Mich wundert, dass Sie schreiben, was Sie schreiben.

    Die Funktion einzelner Neuronen reicht nicht aus, Bewusstsein zu beschreiben, weil das Bewusstsein eine Systemeigenschaft vieler korrekt verschalteter Neuronen (und vieler anderer Bauteile) darstellt. Genau diese Möglichkeit der Reduktion, die Sie unterstellen, wird vom emergentistischen Materialismus bestritten.

    Bestritten wird allerdings, dass es nicht ‘mit rechten Dingen zugeht’, also dass eine Übernatur erforderlich wäre, die Emergenz zu erklären. Naturalismus ist eher ein Corollar des emergentistischen Materialismus.

  262. @Maier,Waschke: ich glaube auch fast, dass das Problem ein sprachliches ist. Belassen wir es einfach dabei: ich habe einen systemtheoretischen Ansatz und fertig. Mit dem versuche ich den o.g. Umweltbezug genauso zu erfassen, wie die rein “technische” Seite der Arbeit der Neuronen. Das von mir genannte ICH kommt in der NW nicht vor. Ich halte es aber für wichtig, um Bewusstsein zu erfassen (und ich definiere es natürlich unter anderem auch rein neuronal).
    Und jetzt schüttle ich die philosophische Diskussion, ob es sich um Naturalismus handelt oder um sonst was, einfach ab. Das macht es wesentlich einfacher.

  263. Zur Auflockerung ein Gedicht des bekannten Schriftstellers Friedrich Schiller zur Romantik der Naturwissenschaft:

    Wo jetzt nur, wie unsre Weisen sagen,
    Seelenlos ein Feuerball sich dreht,
    Lenkte damals seinen goldnen Wagen
    Helios in stiller Majestät.
    Diese Höhen füllten Oreaden,
    Eine Dryas starb mit jenem Baum,
    Aus den Urnen lieblicher Najaden
    Sprang der Ströme Silberschaum
    ….
    Schöne Welt, wo bist du? – Kehre wieder,
    Holdes Blütenalter der Natur!
    Ach! nur in dem Feenland der Lieder
    Lebt noch deine goldne Spur.

  264. Aus den heutigen Wissenschaftsmeldungen:

    Neue Resultate stellen physikalische Gesetze in Frage

    Universität Zürich

    Forschende der UZH und des CERN haben neue verblüffende Ergebnisse veröffentlicht. Laut der internationalen Forschungskollaboration LHCb, die das Large Hadron Collider beauty-Experiment betreibt, verstärken die neuesten Messungen die Hinweise auf eine Abweichung gegenüber den theoretischen Erwartungen. Lassen sich die Resultate bestätigen, deuten sie auf eine Physik jenseits des Standardmodells hin – etwa eine neue fundamentale Kraft.

    idw online vom 23.3.

    Geht das noch mit rechten Dingen zu?!

  265. Stephan Schleim
    23.03.2021, 21:56 Uhr
    Aus den heutigen Wissenschaftsmeldungen:
    Neue Resultate stellen physikalische Gesetze in Frage
    Geht das noch mit rechten Dingen zu?!

    Das Standardmodell ist eben genau das, was das Wort sagt, ein Standard-Modell, eine Annahme, die bisher erstaunlich zuverlässig überprüf- und verifizierbare Aussagen ermöglicht hat.
    Im aktuellen SdW wird in der Infografik “Ein neues Bild der Teilchen und Kräfte” anhand eines Bildes das Standardmodell dargestellt.
    Ich muss zugeben, von derlei Physik absolut keine Ahnung zu haben, wenn ich mir aber das Ganze als “schwarze Kiste” vorstelle und die Ein- und Ausgaben betrachte:
    Es gibt einen Überschuss an Materie gegenüber der Antimaterie ( aber das ist aus meiner Sicht nur Definitionssache, was da “anti” ist ).
    Wir können die Gravitation nicht so recht einordnen.
    Wir können dunkle Energie nicht erklären.
    Wir können dunkle Materie nicht erklären.
    Verwundert wird vermerkt, dass offensichtlich bisher kein “rechtshändiges W-Boson” gefunden wurde.
    Und mir scheint, dass der früher gemutmaßte “Äther” heute als Higgs-Feld auferstanden ist.
    Und was mich als Laie wundert und es leider keine Erklärung gibt:
    >>Beispielsweise emittiert ein up-Quark gelegentlich ein W+-Boson und wird zu einem strange-Quark.<<
    Gemäß Standardmodell kommt das für die Ladung und den Spin so hin ( wie ich das der Aufstellung entnehme ), aber für die Masse ergibt sich, dass 2,2 – 80379 = 96 ( Masseeinheiten in MeV/c² ).

    Das Standardmodell beschreibt zwar Vieles, aber es beschreibt eben nicht alles, insofern ist es für mich als Laie gar keine Frage, dass es da über das "Standardmodell" hinaus etwas geben muss, was wir bisher nur noch nicht gefunden/gemessen haben.
    Wenn die Nachricht sich als gehaltvoll erweist:
    Es geht eben doch alles mit rechten Dingen zu.

  266. @Stephan Schleim 23.03.2021, 21:56 Uhr

    Geht das noch mit rechten Dingen zu?!

    Solange ein naturalistisches Modell ein anderes naturalistisches ablöst, selbstverständlich.

  267. @Wolfgang Stegemann // 23.03.2021, 15:30 Uhr

    »@Balanus: wenn Sie behaupten, das menschliche Bewusstsein lässt sich ausschließlich durch die Funktion der Neuronen erklären (was ja die Neurowissenschaft versucht), dann ist Ihre Argumentation schlüssig.«

    Ich habe keineswegs behauptet, dass es „ausschließlich“ auf die Funktion der Neuronen ankommt (auch wenn deren Zusammenspiel bei weitem das Wichtigste für alle bekannten Hirnfunktionen sein dürfte, aber das Gehirn besteht ja nicht nur aus Nervenzellen).

    Insofern kann ich auch nicht nachvollziehen, wieso Sie meinen, dann müsste „es eines Tages möglich sein, auf dieser Basis künstliche Menschen herzustellen“. Und das, nachdem ich ausdrücklich dargelegt habe, dass die Konstituenten eines System bestimmen, welche Eigenschaften das System überhaupt nur haben kann (oder „emergieren“ können). Für ein künstliches Gehirn mit der Eigenschaft „Ich-Bewusstsein“ bräuchte man demzufolge genau jene Konstituenten, die im natürlich gewachsenen Gehirn das „Ich-Bewusstsein“ generieren (sag ich jetzt einfach mal so, auch wenn alles ein bisschen komplizierter ist).

    Und es ist doch keine Frage, dass die strukturelle Organisation dieser Konstuituenten das Ergebnis des „Umweltbezugs“ ist.

    Ohne „Umweltbezug“ (Ihr Begriff) kann sich kein Gehirn regelgerecht entwickeln bzw. strukturell adäquat organisieren. Wenn der Input aus der Umwelt fehlt, hat das fatale Folgen.

    Wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass diese Selbstorganisation der Hirnstrukturen nur durch das Zusammenwirken von bottom-up und top-down-Vorgängen zustande kommen kann (Wachstumsprozesse und sensorischer Input).

    Und damit soll es auch von meiner Seite aus (erst mal) genug sein…

  268. Thomas Waschke
    23.03.2021, 23:09 Uhr
    Solange ein naturalistisches Modell ein anderes naturalistisches ablöst, selbstverständlich.

    Gut, auf einen so kurzen Satz könnte ich meine Darstellung wohl nicht bringen, aber es ist doch intellektuell ausgesprochen erfrischend:

    Zwei völlig unterschiedliche Blickrichtungen, völlig unterschiedliche Argumentationsebenen, aber das gleiche Ergebnis.

  269. @Balanus: ja, man sollte Argumentationen nicht überstrapazieren. Vielleicht noch mal das Autobeispiel:
    Mein Ansatz ist die Frage, wie funktioniert ein Auto bzw. was macht ein Auto aus. Mein Modell reduziert das Phänomen Auto auf ein grundlegendes Prinzip. Ich gehe also zurück bis zum Anfang, etwa der Erfindung des Rades und suche das Gemeinsame und komme so zu der Kategorie ‘Fortbewegungsmittel’ Im Gegensatz zum hier diskutierten Reduktionismus reduziere ich das Phänomen (etwa wie Husserl) auf ein Prinzip, der Reduktionismus reduziert es auf Einzelteile. Ich reduziere das Auto auf Fortbewegungsmittel, der klassische Reduktionismus auf Schräubchen. Dann nehme ich den umgekehrten Weg und rekonstruiere das Auto als Fortbewegungsmittel und komme damit zu anderen Kategorien, als wenn ich das Auto aus Schräubchen beschreibe. Das heißt nicht, dass ich nicht auch die Schräubchen beschreibe, aber ich reduziere das Auto nicht nur darauf, denn ein Fortbewegungsmittel definiert sich insgesamt auch durch andere Eigenschaften. Hier endet die Analogiefähigkeit des Autos. Denn es wächst nicht, es trifft keine Entscheidungen, es sind seitens des Autos keine Emotionen im Spiel etc. Dies alles würde ich aber weglassen, wenn ich das Auto nur auf seine Neuronen reduziere. Im Gegenteil, ich könnte das Auto als Fortbewegungsmittel auch ohne die Kenntnis der Schräubchen beschreiben, weil das gar nicht so wichtig ist, morgen entwickelt man vielleicht einen Motor ohne Schräubchen, aber es bleibt doch noch ein Fortbewegungsmittel mit vielleicht denselben Fahreigenschaften.
    An dieser Stelle erst führe ich die Systemtheorie ein, die nicht von Natur aus emergentistisch ist. Und dort finde ich Regeln, die mir sagen, wie der kausale Zusammenhang im menschlichen Organismus und letztlich auch im Gehirn funktioniert. Ich erzähle das hier nicht aus Rechthaberei oder um mein Modell durchzuboxen. Es ist ein Ansatz, dem man folgen kann oder nicht, den man auch (bitte konstruktiv) kritisieren kann oder der vielleicht auch Anregungen liefert. Für diesen Fall sollte man inhaltlich herangehen und die gewohnte kategoriale Schematik einfach mal vergessen. Ich weiss, das ist ungeheuer schwer. Aber sobald man anfängt, selber und außerhalb von Schubladen zu denken, eröffnen sich neue Horizonte,

  270. @Wolfgang Stegemann 24.03.2021, 07:50 Uhr

    Maschine oder Fortbewegungsmittel

    Aus meiner Sicht entspricht eine Reduktion des Autos auf das Material, aus dem das Auto gebaut ist und der des Autos auf ein Fortbewegungsmittel zwei vollkommen unterschiedliche Kategorien, denn im zweiten Fall ist es ein Mittel zum Zweck. Im ersten Fall reicht es wirklich, die Bauteile des Autos und die daraus resultierenden Systemeigenschaften zu betrachten, im zweiten Fall ist das System Auto plus Irgendwas, also einer Entität, die ein Fortbewegungsmittel benötigt. Dadurch wird letztlich Teleologie ins Spiel gebracht. Trivial, das man dann zwei unterschiedliche Erklärungen findet.

    Der Vergleich hinkt zudem, weil ein Auto konstruiert wird und, anders als Lebewesen, beispielsweise über keinen Baustoffwechsel verfügt, sich nicht autonom repliziert und nicht zu einer Evolution in der Lage ist.

    Aber es geht eigentlich um Gehirn und Geist. Da ist das Gehirn auf der einen Seite ein biologisches System, das eine Evolution hinter (und möglicherweise, aber eher unwahrscheinlich, denn hoch spezialisierte Systeme sind meist nicht mehr weiter evolvierbar) vor sich, und die Frage ist nun, ob man das Gehirn als ein ‘Bewusstseinserzeugungsmittel’ (für was oder wen eigentlich?) betrachten kann. Dann ist trivial, dass es nicht reicht, das Gehirn isoliert zu betrachten. Aber es würde dann in Ihrem Bild einem Auto entsprechen, das seinen Fahrer generiert.

    Zeigt das nicht, dass der Vergleich hinkt?

  271. @Wolfgang Stegemann
    Der Ursprung des Rades war “Töpferei” und nicht “Fortbewegungsmittel”.

    Das kam erst später 😉

  272. @Waschke, Maier: Natur und Naturalismus

    Zur Not wird halt das “Natur” in “Naturalismus” angepasst, damit das naturalistische Weltbild wieder stimmt.

    (Das ist wie bei der philosophischen Diskussion zum Physikalismus: Was ist eigentlich eine physikalische Eigenschaft? Zur Not eben das, was die Physiker sagen.)

  273. @Stephan Schleim 24.03.2021, 09:05 Uhr

    Zur Not wird halt das “Natur” in “Naturalismus” angepasst, damit das naturalistische Weltbild wieder stimmt.

    Solange dabei alles mit rechten Dingen zugeht, sollte das kein Problem sein 😉

    Nur nebenbei, Begriffe sind Werkzeuge.

  274. Begriffe sind nicht nur Werkzeuge, sondern enthalten auch Bedeutungen und diese enthalten Wiederum Ideologie. Das weiß man aber nicht, wenn man nur technisch an die Sache geht.

  275. @Schleim
    Das ist wie bei der philosophischen Diskussion zum Physikalismus: Was ist eigentlich eine physikalische Eigenschaft? Zur Not eben das, was die Physiker sagen.

    Was denn sonst? Es ist das Schicksal jeder Naturwissenschaft, dass sie im abgeschlossenen System dieses Universums operieren muss. Auch der Psychologe sieht den Menschen nur aus seiner eigenen menschlichen Perspektive: psychisch ist, was der Psychologe sagt. Daran ist nichts verwerfliches. Deshalb ist die Objektivierung von Erkenntnissen eine Bedingung jeder Wissenschaft. Spirituelle Erfahrungen gehören nicht dazu.

  276. Reutlinger
    Die Objektivierung von Erkenntnissen kann man als Begriffsbildung verstehen, die die durch Versuche dann bestätigt werden. So funktioniert Naturwissenschaft.

    Die Objektivierung von Erfahrungen geschieht auch über Begriffsbildung.
    Die Begriffe „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ die hat die große Masse der Bevölkerung 1792 verstanden. So funktioniert Politik.

    Die Objektivierung von sprirituellen Erfahrungen geschieht über gemeinsame kulturelle Handlungen, die sich dann durchsetzen. So funktioniert Religion.

  277. @hwied
    Begriffsbildung ist eine Voraussetzung für Kommunikation, das ist richtig, aber sie ist nicht genug für Objektivierung. Dazu gehört die erfolgreiche Wiederholung von Beobachtungen und Versuchen durch mehrere Instanzen und die Überzeugung der scientific community.

    Weil alle Menschen von “Freiheit, Gleichkeit, Brüderlichkeit” objektiv so überzeugt sind, gibt es Kriege, Diskriminierung, Unterdrückung, Ausbeutung …. in der Welt.

    Spirituelle Erfahrungen lassen sich nicht objektivieren, außer Erfahrungen mit Alkohol und Drogen.

  278. anton reutlinger,
    die Selbstmordattentäter , die sind doch real genug für eine Objektivierung.
    Demokratische und kulturelle Werte sind nicht die Ursache von Kriegen. Die Ursache von Kriegen ist der Mangel an kulturellen Werten wie Solidarität, Freiheit und Nächstenliebe.

  279. Wie sich Bewusstsein garantiert nicht enträtseln lässt…

    Bei Naturalisten mit ihrer “kausal abgeschlossenen Welt” scheint mir zum Thema `Rätsel Bewusstsein’ eine Überzeugung zu bestehen, die ungefähr so lautet:

    (B) Alles, was sich zum ich-Bewusstsein feststellen lässt, muss im Prinzip durch die zugrundeliegenden Neuro-Mechanismen begründbar (“erklärbar”) sein. Denn andernfalls könnte hier ja nicht alles mit rechten Dingen zugehen.

    Diese Denkweise halte ich für komplett falsch, was ich nochmals durch die bereits von Hofstadter bemühte Analogie verdeutlichen möchte (wenngleich seine Erfahrung schon gezeigt hat, dass es eher ziemlich hoffnungslos ist). In der Übertragung hört sich die Bewusstseins-These (B) für mich — wie anzunehmenderwesie auch für Hofstadter — dann nämlich so an:

    (A) Alles, was sich zur Peano-Arithmetik feststellen lässt, muss im Prinzip durch die zugrundeliegenden Peano-Axiome begründbar (“beweisbar”) sein. Denn andernfalls könnte hier ja nicht alles mit rechten Dingen zugehen.

    Die Arithmetik-These (A) ist nun definitiv unsinnig, und man hat auch verstanden, dass die Nicht-Begründbarkeit hierbei aus einer Selbstreferenz resultiert. Weitgehendes Einvernehmen – sogar einschliesslich Metzinger — scheint mir andererseits darüber zu bestehen, dass Selbstreferenz auch das wesentliche Strukturmerkmal im Zusammenhang mit ich-Bewusstsein ist, wodurch die Analogie zwischen (B) und (A) gerechtfertigt erscheint.

    Gesagt sein soll mit dieser Analogie nur, dass naive, linear-kausale Denkmuster nach dem Schema (B) völlig inadäquat sind, um sich auch nur ansatzweise mit dem `Rätsel Bewusstsein’ sinnvoll befassen zu können. Sofern man denn konzediert, dass die Befähigung zur Selbstreferenz der wesentliche Punkt ist, der hierbei unbedingt zu berücksichtigen ist.

  280. @Chrys: “Bei Naturalisten mit ihrer “kausal abgeschlossenen Welt” scheint mir zum Thema `Rätsel Bewusstsein’ eine Überzeugung zu bestehen, die ungefähr so lautet:
    (B) Alles, was sich zum ich-Bewusstsein feststellen lässt, muss im Prinzip durch die zugrundeliegenden Neuro-Mechanismen begründbar (“erklärbar”) sein. Denn andernfalls könnte hier ja nicht alles mit rechten Dingen zugehen.”

    Dass das Bewusstsein als Emergenz eine eigene Qualität hat, die nicht durch die Einzelteile (Neuronen) nicht erklärbar ist, kapieren Naturalisten nicht. Es ist diese ‘eigene’ Qualität, die man auf ein allgemeines Prinzip reduzieren muss, nicht auf Neuronen. Für die Naturalisten scheint dies trivial zu sein, m.a.W. sie verstehen es nicht.

  281. @Thomas Waschke 23.03. 23:09

    „Geht das noch mit rechten Dingen zu?!
    Solange ein naturalistisches Modell ein anderes naturalistisches ablöst, selbstverständlich.“

    Ist das nicht ihre Argumentation gewesen, dass die 4 Grundkräfte alles in der Welt erklären können, und das so umfassend, dass dazwischen kein Platz ist für Übernatur, in welcher Form auch immer?

    Offenbar gilt das wohl doch nicht ganz, wenn Sie hier eine 5. Kraft dann doch einräumen können, die noch zwischen die alten 4 passt. Hauptsache keine Übernatur, DAS ist bei Ihnen wohl wirklich grundlegend. Soll es so sein.

    Um Religion los zu werden, brauche ich diese Einschränkung jedenfalls nicht. Ich setze mich mit Religion einfach inhaltlich auseinander. In der Art wie: Ein Gott, der sich in der Welt nicht so recht zeigen mag, kann keinen Anspruch darauf haben, dass man an ihn glaubt. Also kann es eine Art Gott schon geben, aber es ist vollkommen ok, wenn der Mensch was anderes glaubt.

    Sich von Religion abzuwenden, und sich der Natur zuzuwenden, ist finde ich keine schlechte Idee. Was die Wissenschaften an Mannigfaltigkeiten zu Tage fördert, ist ja nun wirklich interessant. Und auch Ethik und Moral sind als aufgeklärter Humanismus sehr gut in Biologie, Psychologie und Soziologie zu verankern. Blindlings Traditionen wie dem Patriarchat zu folgen, ist dagegen ziemlich suboptimal.

    Wenn das dann irgendwann doch wieder geistiger wird, etwa durch persönliche spirituelle Erfahrungen, dann hat das sogar eine authentischere Grundlage.

  282. @Chrys 24.03.2021, 12:48 Uhr

    Lässt sich mehr erklären, wenn es nicht mit rechten Dingen zugeht?

    (B) Alles, was sich zum ich-Bewusstsein feststellen lässt, muss im Prinzip durch die zugrundeliegenden Neuro-Mechanismen begründbar (“erklärbar”) sein. Denn andernfalls könnte hier ja nicht alles mit rechten Dingen zugehen.

    Was halten Sie davon, Ihre Aussage etwas umformulieren:

    Es gibt keinen Hinweis darauf, dass am Ich-Bewusstsein mehr beteiligt ist als die Funktion eines materiellen Systems einer bestimmten Komplexität.

    Ob wir dieses System erklären können oder auch nicht ist hinsichtlich der Frage nach der Existenz einer Übernatur (‘es geht mit rechten Dingen zu’) irrelevant. Ein Argument für den Supranaturalisten könnte darin bestehen, zu zeigen, wann wie wo welche Übernatur zu welcher Erklärung erforderlich sein könnte.

    Das würde den Naturalisten zum Überdenken seines Standpunktes zwingen.

  283. @Tobias Jeckenburger 24.03.2021, 13:50 Uhr

    Ist das nicht ihre Argumentation gewesen, dass die 4 Grundkräfte alles in der Welt erklären können, und das so umfassend, dass dazwischen kein Platz ist für Übernatur, in welcher Form auch immer?

    Nein. Zeigen Sie mir konkret bitte konkret in einem meiner Postings, dass ich so etwas behauptet habe. Dann würde ich Ontologie mit Epistemologie verwechselt haben.

    Nichts läge mir ferner. Vergessen Sie nicht, dass in meinem Weltbild schon die Existenz einer vom erkennenden Subjekt unabhängig existierenden Welt ein Postulat ist. Zumindest so lange, wie niemand den Solipsismus widerlegen kann.

    Mein Punkt war, dass es keine Evidenz für die Existenz einer Übernatur gibt.

  284. @Chrys, Stegemann
    Es scheint, Sie kennen nur die einfältigen Naturalisten.

  285. @Wolfgang Stegemann 24.03.2021, 13:38 Uhr

    Dass das Bewusstsein als Emergenz eine eigene Qualität hat, die nicht durch die Einzelteile (Neuronen) nicht erklärbar ist, kapieren Naturalisten nicht.

    Es ist die Grundlage des Denkens des emergentistischen Materialismus. Naturalismus ist hier eher ein Corollar, aber er versteht exakt diesen Punkt sehr genau.

    Es ist diese ‘eigene’ Qualität, die man auf ein allgemeines Prinzip reduzieren muss,

    Exakt, und das ist die Emergenz.

    nicht auf Neuronen.

    Korrekt, eben auf ein System von Neuronen (und anderen Elementen), die hinreichend komplex verschaltet sind.

    Für die Naturalisten scheint dies trivial zu sein, m.a.W. sie verstehen es nicht.

    Es scheint eher so zu sein, dass die Kritiker nicht verstehen, was ‘Naturalismus’ bedeutet. Okay, das ist ein Problem, weil nicht präzise definiert ist, was ‘Naturalismus’ bedeutet. ‘Emergentistischer Materialismus’ sollte leichter verständlich sein.

  286. @Stegemann 24.03. 13:38

    „Dass das Bewusstsein als Emergenz eine eigene Qualität hat, die nicht durch die Einzelteile (Neuronen) nicht erklärbar ist, kapieren Naturalisten nicht. Es ist diese ‘eigene’ Qualität, die man auf ein allgemeines Prinzip reduzieren muss, nicht auf Neuronen.“

    Hier würde es dann ja auch richtig spannend. Welche Strukturen Bewusstsein bilden, einmal die Funktionalität, und wenn möglich noch die „Schaltstrukturen“ der beteiligten Neuronenverbände, wenn man das als Prinzip verstehen würde, dann wäre das auch für KI interessant.

    Ich denke, auch wenn Nervenzellen ganz anders arbeiten als CPUs, so wäre aber doch das Prinzip Bewusstsein möglicherweise auf Computersysteme übertragbar, wenn man es denn endlich mal kennen würde.

    Ob das jetzt alles mit rechten Dingen zugeht, das ist erst die zweite Frage. Die erste Frage wäre, wie das überhaupt als Prinzip funktioniert.

    Vielleicht wäre man mit der Erforschung von Konnektomen von kleinen Insekten schon auf dem richtigen Weg, zumindest um Ansatzpunkte zu haben, wie diese kleinen Nervensysteme schon mal wirklich funktionieren. Einen konkreten, rein psychologischen Weg, nur aus der Introspektion und der Verhaltensbeobachtung heraus, den sehe ich jetzt noch nicht.

    Hier kann man nur Endergebnisse beschreiben. Oder haben Sie eine Idee, wie man noch vorgehen könnte, um hinter die Prinzipien zu kommen?

  287. @Waschke: Begriff und Welt

    Nur nebenbei, Begriffe sind Werkzeuge.

    Nur nebenbei, geben wir dann den Anspruch auf, mit Begriffen auszudrücken, wie die Welt wirklich ist?

    Mir sei’s recht!

    P.S. Seit dem Hinweis auf die feiernden Worte liegt Wittgenstein bei mir wieder in Reichweite.

  288. Ein Schnellkurs in Reutlinger’scher Logik:

    Wenn also Psyche ist, was Psychologen sagen, und Psychologe A sagt, Psyche sei ein Ei, und Psychologe B, Psyche sei kein Ei, dann ist Psyche sowohl Ei als auch nicht Ei!

    Ei, ei, ei, welch herrlich Reutlinger-ei!

  289. @Thomas Waschke / 24.03.2021, 13:53 Uhr

    Was die Leute beim vermeintlichen Mind/Brain Problem gemeinhin so sehr beschäftigt, ist doch gerade die berüchtigte `explanatory gap‘.

    Den Mind-People geht’s also das Rätsel der `gap’, wobei dann ja diverse Vorschläge zur Explanation gemacht worden sind und lebhaft diskutiert werden. Zu beurteilen, welche davon noch als `naturalistisch’ durchgehen und was schon `übernatürlich’ ist, traue ich mir gar nicht zu. Die Naturalisten reden halt nicht gern von Natur und geben keine Definition, an die man sich dabei halten könnte. War es nicht Geert Keil, der das “naturalistische Schweigen von der Natur” schon mal konstatiert hat?

    Wie stehen Sie denn zur `explanatory gap’? Gibt’s die überhaupt? Und falls ja, kann man die stopfen mit einer Handvoll Elementarteilchen, so à la Sean Carroll?

  290. @Waschke: Pragmatik

    Nehmen wir einmal an, es gäbe keinen Hinweis auf etwas Übernatürliches. (Diese Annahme dürfte für Sie ja kein Problem sien.)

    Ich kann es aber auch nicht vollständig ausschließen. (Das räumt meines Wissens sogar Dawkins ein.)

    Wäre es dann nicht rational, sich für das Weltbild zu entscheiden, mit dem man besser durchs Leben kommt? Für einige wenige Menschen wäre das wohl der Naturalismus; für den großen Reist eine Religion.

    Problem gelöst, oder?

  291. @Schleim
    Ei, ei, ei, welch herrlich Reutlinger-ei!

    Dieses Osterei stammt doch von Ihnen selber, wenn physikalisch sei, was Physiker sagen, wie Sie oben geschrieben hatten! Dann muss dasselbe doch auch für Psychologen gelten.

  292. Man sollte sich nochmal das von mir oben verlinkte Video anschauen. Da sagt Harald Lesch sinngemäß, die Physik liest den Text der Natur, schaut, ob die Verben richtig konjugiert sind, die Substantive richtig dekliniert, und, wenn nötig, liest sie auch zwischen den Zeilen. Was sie aber nicht kann, ist den Sinn des Textes entschlüsseln. Er bringt das besser rüber als ich.

  293. @Chrys
    Die Naturalisten reden halt nicht gern von Natur und geben keine Definition, an die man sich dabei halten könnte.

    Sollte man nicht zuerst den Begriff “Bewusstsein” näher definieren, statt ständig darüber zu schwadronieren? Man muss zumindest unterscheiden zwischen den vielfältigen Funktionen und Funktionsweisen des Bewusstseins und seinen phänomenalen Inhalten. Nur so kommt man ihm und seiner Natur näher.

    Natur ist grundsätzlich alles, was in der Welt ist. Aus praktischen Gründen wird man menschliche Artefakte davon ausnehmen, weil sie in der sich selbst überlassenen Natur eher oder sehr unwahrscheinlich sind. Sind aber Schwarze Löcher und Supernovae nicht auch sehr unwahrscheinlich und gehören sie zur Natur oder nicht? Letztlich ist es also ziemlich willkürlich, was man als Natur deuten will. Die Frage ist vielmehr, ob die Wahrnehmungen der Menschen sich auf Natur beziehen oder auf subjektive Einbildungen. Träume gehören zweifellos zur Natur, aber sind auch ihre Inhalte Natur?

    Die Sprache schließlich bietet unendlich viele Möglichkeiten zur Bildung von Wörtern und Gedanken. Jedem Wort kann eine beliebige Bedeutung zugeordnet werden, unabhängig von Natur. Der Phantasie im Bewusstsein sind quasi keine Grenzen gesetzt.

  294. @ Chrys 24.03.2021, 12:48 Uhr

    Zitat: „Wie sich Bewusstsein garantiert nicht enträtseln lässt…

    Bei Naturalisten mit ihrer “kausal abgeschlossenen Welt” scheint mir zum Thema `Rätsel Bewusstsein’ eine Überzeugung zu bestehen, die ungefähr so lautet:

    (B) Alles, was sich zum ich-Bewusstsein feststellen lässt, muss im Prinzip durch die zugrundeliegenden Neuro-Mechanismen begründbar (“erklärbar”) sein. Denn andernfalls könnte hier ja nicht alles mit rechten Dingen zugehen.“

    Was Sie hier schreiben ist einerseits so wie Sie es formulieren, offensichtlich „komplett falsch“, andererseits ein Ausgangspunkt um der Realität näher zu kommen.

    Es liegt einfach am unzureichend gesicherten Wissen, andererseits an den verwendeten schlecht „deklarierten“ Begriffen und „verbalen Verknüpfungen“ im Sinn der Informatik.

    Bedeutet, es wäre z.B. etwas zweckmäßiger von „Empfindungen“ auszugehen die letztlich zum „Bewusstsein“ emergieren können.

    Ich vermute, dass Nazi Wissenschaftler ehemals Konzepte im Zusammenhang mit dem „Bewusstseinsproblem“ diskutierten.

    Ich habe es so wahrgenommen, dass Wissenschaftler nach dem Krieg als Lehrer an höheren Schulen (Chemie, Physik, Biologie, …), aber auch in technischen Fächern (Statik, Mechanik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Nachrichtentechnik, Messtechnik….) an Ingenieurschulen unterrichtet haben und gelegentlich und höchst vorsichtig Andeutungen in der Art gemacht haben, dass Empfindungen/Bewusstsein als „Begleitphänomene chemischer Prozesse“ (wenn Elektronen/Löcher sozusagen aus ihren Bahnen „fliegen“, auftreten könnte.

    Es hat offensichtlich viel mit Prozessen der neuronalen Informationsverarbeitung zu tun, aber die Hauptfunktion der Neuronen scheint die Gatterfunktion.

    Neuronen dürften in Wechselwirkung mit anderen, auch “sensorischen Zellen” stehen, die sozusagen den Input liefern. “Sensorische Zellen” in diesem Sinne, generieren elektrische Ladungsträger wenn sie „erregt“ (z.B. durch Licht, chem. oder mechanische Kraftwirkungen…) werden. Neuronen triggern ab einem elektrischen Schwellwert, was Gatterfunktionen realisiert, die offensichtlich der Informationsverarbeitung dienen, wie z.B. die UND Gatterschaltungen der Elektronik.

    Die „Ich Funktion“ wäre eine Art von „das Ich“ repräsentierenden Instanz aus der Klasse aller handelnden Instanzen im Sinne der Informatik.

    Wird in der Technik nach grundlegendem neuem Wissen gesucht, wird man von oberflächlichen Begrifflichkeiten ausgehen, der mitunter schweren Fehler sind sich die Entwickler bewusst. Abhängig von den Ergebnissen der Forschung wird man auch die Begriffe weiter entwickeln und so festlegen dass sie nicht in Konflikt mit der bestehenden „Begriffswelt“ geraten.

  295. @Stephan Schleim 24.03.2021, 15:46 Uhr

    [Thomas Waschke] Nur nebenbei, Begriffe sind Werkzeuge.

    Nur nebenbei, geben wir dann den Anspruch auf, mit Begriffen auszudrücken, wie die Welt wirklich ist?

    Hat nicht schon Popper dazu das Wesentliche gesagt (okay, er zitierte gerne Xenophanes, hier anders als bei Popper, aber in schönen Hexametern:

    Sichere Wahrheit erkannte kein Mensch und wird keiner erkennen
    Über die Götter und alle Dinge, von denen ich spreche.
    Sollte einer auch einst die vollkommene Wahrheit verkünden,
    wüßte er selbst es doch nicht: es ist alles durchwebt von Vermutung.

    Okay, man sollte “wird keiner erkennen” präzisieren. Könnte eventuell sein … )?

    Mir sei’s recht!

    Mir nicht, aber die Welt ist kein Ponyhof. Nur nebenbei, es gibt auch Grade der Erkenntnis. Es ist ein typischer Fehler, deshalb, weil man etwas nicht sicher wissen kann, nun so zu tun, als könne man gar nichts wissen.

    P.S. Seit dem Hinweis auf die feiernden Worte liegt Wittgenstein bei mir wieder in Reichweite.

    Da Wittgenstein der einzige Philosoph ist, dem Stegmüller zwei Einträge in seinen ‘Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie’ gewidmet hat, sollten Sie schon angeben, welche Arbeit(en) von Wittgenstein das sind. Sonst liest noch einer den Tractatus 😉

  296. @Stephan Schleim 24.03.2021, 15:55 Uhr

    Korrekt oder befriedigend?

    Nehmen wir einmal an, es gäbe keinen Hinweis auf etwas Übernatürliches. (Diese Annahme dürfte für Sie ja kein Problem sien.)

    Ich kann es aber auch nicht vollständig ausschließen. (Das räumt meines Wissens sogar Dawkins ein.)

    Wäre es dann nicht rational, sich für das Weltbild zu entscheiden, mit dem man besser durchs Leben kommt?

    Selbstverständlich, wenn es einem egal ist, was ‘real seiend’ ist. Sie sehen sicher auch, dass diese Frage etwas orthogonal zum eigentlichen Thema (geht es mit rechten Dingen zu?) ist.

    Nur nebenbei, Dawkins bezeichnet sich, übrigens aus dem gleichen Grund wie Russell, als Agnostiker.

    Für einige wenige Menschen wäre das wohl der Naturalismus; für den großen Reist eine Religion.

    Problem gelöst, oder?

    Welches Problem würde so gelöst?

  297. @Waschke: Problemlösung

    Die Problemlösung besteht darin, sich in einer Pattsituation für die “Lebensphilosophie” zu entscheiden, mit der man am besten durchs Leben kommt…

    …aber völlig undogmatisch, d.h. wenn es neue Evidenzen gibt, wägt man das erneut ab.

    Ihr Standpunkt kommt mir etwas vor wie der des Esels vor zwei leckeren Heuballen: Weil er sich für keinen von beiden entscheiden kann, verhungert er schließlich.

    P.S. Wir hatten doch gerade aus Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen zitiert.

  298. @Chrys 24.03.2021, 15:50 Uhr

    Was die Leute beim vermeintlichen Mind/Brain Problem gemeinhin so sehr beschäftigt, ist doch gerade die berüchtigte `explanatory gap‘.

    Exakt. Nun ist halt die Frage, ob aus einem epistemischen Problem ontologische Aussagen abgeleitet werden können.

    Den Mind-People geht’s also das Rätsel der `gap’, wobei dann ja diverse Vorschläge zur Explanation gemacht worden sind und lebhaft diskutiert werden. Zu beurteilen, welche davon noch als `naturalistisch’ durchgehen und was schon `übernatürlich’ ist, traue ich mir gar nicht zu.

    Dazu müsste man präzise definieren, was ‘naturalistisch’ ist. Ich vertrete einen emergentistischen Materialismus. Das sollte eindeutig sein. Nur nebenbei, ‘Bewusstsein’, ‘Geist’ und so weiter ist auch nicht so besonders gut definiert, worauf @reutlinger hingewiesen hat.

    Die Naturalisten reden halt nicht gern von Natur und geben keine Definition, an die man sich dabei halten könnte. War es nicht Geert Keil, der das “naturalistische Schweigen von der Natur” schon mal konstatiert hat?

    Ja, Keils Kritik ist mir bekannt. Details zu der Problematik, was unter ‘Naturalismus’ zu verstehen ist, finden Sie in der Dissertation von Sukopp (Vollmer war einer der Betreuer), als Buchform erschienen

    Sukopp, T. (2006) ‘Naturalismus. Kritik und Verteidigung erkenntnistheoretischer Positionen’ Frankfurt, mult., Ontos Verlag

    Sukopp hat, unter Verwendung vieler, oft seitenlanger, Tabellen aufgelistet, welche Autoren in welchen Disziplinen den Begriff ‘Naturalismus’ wie verwendet haben.

    Wie gesagt, emergentistischer Materialismus sollte ein wohl definierter Bezeichner sein. Dass es Emergenzen gibt, sollte unstrittig sein.

    Wie stehen Sie denn zur `explanatory gap’? Gibt’s die überhaupt?

    Selbstverständlich.

    Und falls ja, kann man die stopfen mit einer Handvoll Elementarteilchen, so à la Sean Carroll?

    Mit Sicherheit nicht, weil Bewusstsein eine Emergenz ist. Emergenzen kann man meist nicht mit Elementen einer tieferen Ebene erklären. Aber, und das ist der Clou, die Erklärungen der höheren Ebenen widersprechen nichts, was auf der der unteren Ebenen gilt. Es geht mit rechten Dingen zu.

    Wir können nicht alles erklären. Es könnte ‘brute facts’ geben. Es gibt Wissenslücken, vielleicht sogar ‘gute Lücken’ (im Sinne von Lennox, also solche, die sich mit zunehmender Erkenntnis vertiefen). Dazu kommt, dass Beschreibungssprachen das Problem, auf das Gödel hinwies, haben.

    Die Frage ist, ob daraus folgt, dass es nicht ‘mit rechten Dingen’ zugeht.

  299. @Schleim:Esel
    Die Seiensfrage bring eine unweigerlich zu der Erkenntnis,dass wir SIND,dass etwas IST.
    Die Not entscheidet letztendlich.
    Ist die Not existential?

  300. @Stephan Schleim 24.03.2021, 19:50 Uhr

    Welches Patt?

    Die Problemlösung besteht darin, sich in einer Pattsituation für die “Lebensphilosophie” zu entscheiden, mit der man am besten durchs Leben kommt…

    Das scheint mir ein anderer Thread zu sein. Wenn ich Sie richtig verstehe, besteht eben auch keine Patt-Situation, denn die Evidenzen für die verschiedenen Standpunkte und Lebensphilosophien unterscheiden sich doch gewaltig.

    …aber völlig undogmatisch, d.h. wenn es neue Evidenzen gibt, wägt man das erneut ab.

    Exakt das vertrete ich doch mit meinem Fallibilismus-Vorbehalt. Ich gehe nach dem, was ich aktuell als Evidenzen sehe. Dazu gehört nicht, was die Mehrheit von Menschen glaubt.

    Ihr Standpunkt kommt mir etwas vor wie der des Esels vor zwei leckeren Heuballen: Weil er sich für keinen von beiden entscheiden kann, verhungert er schließlich.

    Extrem merkwürdig, dass Sie den Buridanschen Esel als Beispiel für meine Position erwähnen. Das ist exakt das Gegenteil dessen, was ich vertrete. Ich plädiere doch gerade deshalb für eine Entscheidung, weil die Heuballen nicht gleich lecker sind.

    Und ich habe mich doch explizit entschieden, zu entscheiden. Aus exakt dem Grund bin ich doch vom Agnostiker zum Ignostiker konvertiert. Sie beschreiben exakt die Haltung, die üblicherweise Agnostikern vorgeworfen wird (feiges ‘fence sitting’).

    Ihre Lebensphilosophie scheint mir eher zu sein, sich nicht zu entscheiden. Wenn Sie sich erinnern, war genau das der Punkt, der mich interessiert hat: Warum vertreten Sie diesen Standpunkt? Aber, wie Sie ja auch schon sagten, das hat wohl viel mit Psychologie zu tun.

    P.S. Wir hatten doch gerade aus Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen zitiert.

    War der Smiley nicht deutlich genug?

  301. @Waschke: Naturalismus und Gott

    Aber, und das ist der Clou, die Erklärungen der höheren Ebenen widersprechen nichts, was auf der der unteren Ebenen gilt. Es geht mit rechten Dingen zu.

    Wenn es einen Schöpfergott (“Unbewegten Beweger”) gäbe, der die “Spielregeln” (Naturgesetze) nicht nur definiert hätte, sondern auch selbst einhielte, dann würde es aus dieser Perspektive “mit rechten Dingen zugehen”: Gott als Emergenz.

  302. @Waschke: Patt oder nicht…

    …das ist hier die Frage. Ich lasse Ihre Antwort mal so stehen.

    Meine persönliche Sichtweise spielt für die Argumentation hier keine Rolle. Wer meine Kommentare seit Mitte Januar verfolgt hat, dem dürfte aber aufgefallen sein, dass ich neugierig bin. (Umgekehrt lauter Standpunkte abzulehnen, ohne sich jemals damit beschäftigt zu haben, wie scheinbar die Mehrheit hier, überzeugt mich hingegen nicht.)

    Vielleicht zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort dazu einmal mehr, bei all den Reutlingern, Holzherren etc. hier bei den SciLogs.

    P.S. Danke für den Smiley. Er ließ sich in verschiedene Richtungen interpretieren.

  303. Hypnose hilft bei chirurgischen Eingriffen

    Gerade in den Wissenschaftsnews:

    Universitätsklinikum Jena

    Hypnose lindert Schmerzen, reduziert die psychische Belastung und fördert die Genesung nach chirurgischen Eingriffen – das ist das Ergebnis einer Meta-Analyse, in der Psychologen aus Jena und Leipzig die Wirksamkeit von Hypnose im Rahmen operativer Eingriffe untersuchten. Die Wissenschaftler werteten dafür 50 Einzelstudien mit über 4000 Patienten aus. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie jetzt im Fachblatt Clinical Psychology Review.

    idw-Meldung vom 24.3.

    Geht das noch mit rechten Dingen zu?

  304. @Stephan Schleim 24.03.2021, 21:22 Uhr

    Unbewegter Beweger

    [Thomas Waschke] Aber, und das ist der Clou, die Erklärungen der höheren Ebenen widersprechen nichts, was auf der der unteren Ebenen gilt. Es geht mit rechten Dingen zu.

    Wenn es einen Schöpfergott (“Unbewegten Beweger”) gäbe, der die “Spielregeln” (Naturgesetze) nicht nur definiert hätte, sondern auch selbst einhielte, dann würde es aus dieser Perspektive “mit rechten Dingen zugehen”: Gott als Emergenz.

    Nein. Gott wäre dann ein Täuscher, der uns vormogeln würde, dass es ohne ihn funktioniert.

    Das stammt übrigens nicht von mir, sondern ist O-Ton von Evolutionsgegnern.

    Ich habe zudem schon erwähnt, dass es Menschen (bekennende Christen, beispielsweise Miller, ‘Finding Darwin’s God’ oder auch Hemminger ‘Und Gott schuf Darwins Welt’) gibt, die davon ausgehen, dass sich Gott tatsächlich in dem ‘versteckt’, was wir unter ‘Zufall’ verstehen. Merkwürdigerweise bekämpfen diese Menschen sehr vehement Intelligent Design, das behauptet, dass genau das nicht der Fall sei: Gott habe Spuren in der Schöpfung (‘Design-Signale’) hinterlassen.

    Das wäre dann das, was Sie oben beschreiben. Eben nicht der deistische Gott, sondern ein eingreifender, aber eben im Rahmen der Naturgesetze. Mal ein Meteoriteneinschlag hier, mal eine Mutation dort, mal zwei passende Organismen zusammengebracht, wir sehen das als Zufall, aber ER hat das gebastelt.

    Wird sehr komplex …

    Ach, noch eine Marginalie. Der ‘Unbewegte Beweger’ des Aristoteles, ewig und unerschaffen, werkelte in einem ebenfalls ewigen unerschaffenen Universum. Erst später wurde dann das Universum als Schöpfung eines derartigen Wesens interpretiert, IIRC von den Christen.

  305. @Scheim: “Hypnose lindert Schmerzen, reduziert die psychische Belastung und fördert die Genesung nach chirurgischen Eingriffen …
    Geht das noch mit rechten Dingen zu?”

    Natürlich. Ich habe mit mehreren Probanden die Techniken einer fernöstlichen Heilmethode angewandt und z.T. spektakuläre Ergebnisse erzielt. Das war übrigens der Grund, warum ich versucht habe, ein Modell zu entwickeln, das den mentalen Einfluss auf den Körper erklärt. In der Placeboforschung findet man dieselben Phänomene.

  306. Stephan Schleim
    24.03.2021, 09:05 Uhr
    24.03.2021, 15:55 Uhr

    Diese Zwiegespräche mit >Thomas Waschke< reizen mich dazu, etwas zu provozieren:
    Es gibt die Frage, was das Wappentier der Naturwissenschaftler sei und die Antwort dazu: „Das ist die Katze.“
    Warum ausgerechnet die Katze?
    „Nun, die meiste Zeit arbeiten die Naturwissenschaftler sowieso für die Katz‘.“
    In die gleiche Richtung weist auch das etwas sarkastische Statement, nämlich, dass es die Hauptaufgabe eines Naturwissenschaftlers sei, jeden Morgen zum Frühstück eine Lieblingshypothese einzustampfen.
    Mir scheint, dass der Unterschied zu anderen Denkweisen und zu Glaubensrichtungen darin besteht, dass jene jeden Morgen eine neue Begründung für bestehende Behauptungen erfinden.
    Wie dem auch sei, ich weigere mich, mich in einen „–ismus“ einordnen zu lassen, ich habe zwar meine Einstellung, denke aber ( meistens ) nach dem Motto des „alten Fritzen“: "die Religionen Müßen alle Tolleriret werden und Mus der fiscal nuhr das auge darauf haben das keine der anderen abruch Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Faßon Selich werden " in der allgemeinen Form – aber ich will auch nicht missioniert oder zwangsbekehrt/-beglückt werden. Gleich, woraus die Fermionen aufgebaut sein mögen, sie stellen die körperlich ( physikalisch ) erfahrbare Realität dar, daraus besteht alles um mich herum, daraus bestehe ich, innerhalb dieser Randbedingungen ( und vieler anderer ) hat sich eine biologisch aktive Form entwickelt, die sich selbst als „homo sapiens sapiens“ bezeichnet, die versucht, durch Erforschung und in der Folge Umgestaltung der Umwelt jeden Tag neue Speise auf dem Teller zu haben und das Morgen weniger lebensverkürzend zu gestalten – und dann auch Zeit hat, darüber nachzudenken/nachdenken zu lassen, ob am Anfang nun das Wort oder der Urknall war. Vielleicht war aber auch der Urknall das Wort …
    Die Frage aus meiner Sicht ist nur, mit welcher Grundannahme ich morgen eher und hoffentlich gewiss mein Essen auf dem Teller habe und Zeit und Gelegenheit, es zu verspeisen.

  307. @Stephan Schleim 24.03.2021, 21:27 Uhr

    Patt oder nicht…

    …das ist hier die Frage. Ich lasse Ihre Antwort mal so stehen.

    Okay.

    Vielleicht zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort dazu einmal mehr, bei all den Reutlingern, Holzherren etc. hier bei den SciLogs.

    Wäre schön.

    Das ‘Störfeuer’ erinnert mich an Zeiten vor etlichen Jahren, als es hinsichtlich Kreationismus hier in Deutschland etwas höher her ging. Da ich einer der ganz wenigen war, der nicht nur über Evolutionsgegner publizierte, sondern auch intensiv mit diesen diskutierte (ich stehe in einigen Danksagungen einschlägiger Arbeiten, allerdings von beiden ‘Lagern’, und ich habe immer den Evoluzzer gegeben), wollte ich ein Diskussionsforum für ‘gesittete’ Diskussionen zwischen den beiden Lagern gründen, mit strengen Regeln für ‘Benimm’ und so weiter.

    Ist schon im Anfangsstadium gescheitert, leider.

    Ach, noch was. Es macht mich fast traurig, dass Sie meinen, dass es bei Hypnose nicht mit ‘rechten Dingen’ zugehen könnte. Ich fürchte, dass es mir nicht gelungen ist, meine Sicht der Dinge plausibel zu machen.

    Schade, eigentlich.

  308. @Karl Maier 24.03.2021, 22:29 Uhr

    Hinreichend provokant?

    Die Frage aus meiner Sicht ist nur, mit welcher Grundannahme ich morgen eher und hoffentlich gewiss mein Essen auf dem Teller habe und Zeit und Gelegenheit, es zu verspeisen.

    Tja, es heißt zwar “Wissen ist Macht”, aber nichts wissen macht auch nichts. Es hat sich im Lauf der Geschichte gezeigt, dass vollkommen falsche Theorien zu prächtig funktionierenden Techniken (beispielswiese die heute noch verwendete Wasserpumpe nach dem Prinzip ‘horror vacui’) oder wirksamen Medikamenten (Lithium-Ionen wurde beispielsweise ein vollkommen falscher Wirkungsmechanismus zugeschrieben) führen können.

    Aber auch hier gilt letztlich “Nur die Wahrheit macht uns frei …”. Ab einer bestimmten Förder-Höhe funktioniert die angesprochene Pumpe halt nicht mehr, und es ist immer gut, einen korrekten Wirkungsmechanismus zu kennen, nicht zuletzt wegen der Risiken (“Bei riesigen Nebenwirkungen fressen Sie diesen Zettel und schlagen Ihren Arzt oder Apotheker …”). Niemand weiß zudem, wann Grundlagenforschung in Nutzen umschlägt (oder die Menschheit auslöscht …).

    Die Frage ist nun, welcher Typ Weltbild mehr Chancen hat, zu erreichen, dass wir satt werden. Vermutlich haben Sie recht, solange man methodologisch sauber forscht, ist es Hose wie Jacke, ob man von einer Übernatur ausgeht.

    Man darf halt nur nicht zu konkret werden …

  309. @Waschke: naturalistischer Gott

    Als Philosoph reicht mir die Feststellung, dass es einen naturalistischen Gott geben könnte, einen, der nicht nur ein ferner, abwesender, deistischer Gott ist, sondern einen, der so wirkt, wie wir es in Naturgesetzen erkennen.

    Die angebliche Täuschung vermuten Sie. Frühere Naturforscher waren fest davon überzeugt, in der Natur die Offenbarung Gottes zu lesen. Und ich glaube, sogar heute gibt es noch den Einen oder Anderen.

    Also geht doch alles mit rechten Dingen zu.

    q.e.d.

    (P.S. Den U. B. bezog ich nicht speziell auf Aristoteles, sondern die Idee allgemein; sie findet sich in verschiedenen Kulturkreisen, auch schon vor A.)

  310. @Stegemann: Hypnose & Emergenz

    Unser Herr Waschke würde wahrscheinlich sagen: Ein emergentes Phänomen, das dem Naturalismus nicht zwingend widerspricht.

    Meinetwegen.

    Interessant ist es aber doch insofern, als es weniger belesene Naturalisten gibt, die Hypnose und andere alternativmedizinische Verfahren prinzipiell für Pseudowissenschaft halten. Da könne es nicht mit rechten Dingen zugehen.

    (Ich stimme Ihnen zu: Nennen wir es Kontext-, Erwartungs-, Placebo-, Bedeutungs-Effekt oder wie auch immer. Darüber ein Andermal mehr.)

  311. @Maier: Katzen und Wissenschaft

    Danke.

    Die verschiedenen Auflagen von Alan Chalmers’ “What Is This Thing Called Science?” ziert jeweils eine Katze. (In der neuesten Auflage von 2013 ist es übrigens nur noch ein zu einem Fragezeichen geformter Katzenschwanz.)

    Gerüchten zufolge könnte es eine Anspielung auf Schrödingers Katze sein.

    Doch sicher ist das nicht.

    (In jedem Fall ist es ein besonderes Kunststück, einen Bestseller über Wissenschaftstheorie zu schreiben. Seinen PhD über Elektromagnetismus erwarb er übrigens bei James Clerk Maxwell.)

  312. @Stephan Schleim 24.03.2021, 23:10 Uhr

    Was um alles in der Welt ist ein ‘naturalistischer Gott’?

    Als Philosoph reicht mir die Feststellung, dass es einen naturalistischen Gott geben könnte,

    Sind wir uns einig, dass ‘naturalistischer Gott’ eine contradictio in adjecto ist?

    Nur nebenbei, was könnte es für einen Philosophen nicht geben? Kein Philosoph kann begründen, warum die Logik auf das Sein anwendbar ist, daher könnte es selbst logisch widersprüchliche Systeme geben.

    einen, der nicht nur ein ferner, abwesender, deistischer Gott ist, sondern einen, der so wirkt, wie wir es in Naturgesetzen erkennen.

    Das ist dann aber sogar noch weniger als der Designer, den die Intelligent Design Bewegung annimmt. Der kann bewusst eben diese Gesetze brechen, eben um seine Design-Signale zu setzen. Das schrieb ich aber auch.

    Zudem ist es ein Unterschied, ob dieser Gott indirekt durch die Naturgesetze wirkt, die einfach so vor sich hinschnurren (beispielsweise der deistische Gott, der diese Gesetze erschaffen hat, eventuell sogar als ‘front loaded universe’), oder ob er in diesem System im Rahmen dieser Naturgesetze aktiv eingreift (das wäre in etwa der Designer der Intelligent Design-Bewegung oder auch der, den die Natürliche Theologie vertrat).

    Die angebliche Täuschung vermuten Sie. Frühere Naturforscher waren fest davon überzeugt, in der Natur die Offenbarung Gottes zu lesen.

    Ich habe expressis verbis, selbstverständlich zustimmend, geschrieben, dass das O-Ton Evolutionsgegner sei. Ich weiß, was ‘Natürliche Theologie’ ist (und ja, ich habe Paley gelesen, und ich weiß, dass sich Darwin in seinem Origin ganz explizit auf Paley bezieht, nur nebenbei, Darwins Studenten-Bude war Paleys ehemaliges Zimmer). Und nein, diese Menschen gingen nicht davon aus, dass Gott keine Naturgesetze bricht.

    Es gab welche, die das vorwegnahmen, was später Teilhard de Chardin zugeschrieben wird (beispielsweise Kingsley in seinem ‘The Water Babies’, der Mother Carey sagen ließ “Know, silly child,” she said, “that any one can make things, if they will take time and trouble enough: but it is not every one who, like me, can make things make themselves.”). Das käme dem, was Sie schreiben, am nächsten: Eine Evolution, die ohne weitere Eingriffe das hervorbringt, was dieser Designer intendiert.

    Und ich glaube, sogar heute gibt es noch den Einen oder Anderen.

    Das ist dann ein Argument für was? Es gibt auch heute noch Geozentristen, sogar FlatEarthers.

    Also geht doch alles mit rechten Dingen zu.

    q.e.d.

    Nein, eben nur dann, wenn dieser Gott nicht eingreift. Das ist dann exakt der deistische blutleere spinozistische deus sive natura, der sich nach dem Schöpfungswerk zur Ruhe gesetzt hat. Sie haben vollkommen Recht, ein Universum, das ‘einfach so da ist’, als ‘brute fact’, würde sich von einem Universum, das ein deistischer Gott erschaffen hat, in nichts unterscheiden. Allerdings läge der Naturalist dann so falsch wie so gut wie alle Religionen.

    (P.S. Den U. B. bezog ich nicht speziell auf Aristoteles, sondern die Idee allgemein; sie findet sich in verschiedenen Kulturkreisen, auch schon vor A.)

    Das war nicht mein Punkt. Mein Punkt war, dass der Unbewegte Beweger des Aristoteles das Universum nicht erschaffen hat.

  313. @Stephan Schleim 24.03.2021, 23:25 Uhr

    Wege

    Letztlich muss jeder seinen eigenen Weg finden, oder?

    Selbstverständlich. Es sei denn, er erhebt einen Geltungsanspruch. Dann sieht es anders aus.

    Es gab mal einen, der sagte: Die Wahrheit ist ein pfadloses Land.

    Ich versuche, den Begriff ‘Wahrheit’ aus meinem aktiven Wortschatz zu streichen, bis jemand zeigen kann, dass man im Bereich der empirischen Wissenschaften wahre Sätze als wahre Sätze aufweisen kann (Sie denken hoffentlich daran, dass ich davon ausgehe, dass noch niemand den Solipsismus widerlegen konnte). Dagegen scheint mir die Frage, ob es darin Pfade geben könnte, eher zweitrangig.

    P.S. Ich hoffe, das Missverständnis zur Hypnose ist mit meinem Kommentar an @Stegemann aus der Welt geschafft.

    Danke, ja.

    Einigen wir uns einfach darauf, dass das, was Sie unter ‘Naturalismus’ verstehen, mit meinem Weltbild (emergentistischer Materialismus, Naturalismus ist hier eher ein Corollar) nichts zu tun hat.

    Sie meinen vermutlich andere Menschen, wenn Sie davon ausgehen, nach deren Auffassung würde das, was Sie als aktuelle Forschungsergebnisse posten, ein Problem für deren Form von Naturalismus sein.

  314. Stephan Schleim
    24.03.2021, 23:22 Uhr
    Alan Chalmers’ “What Is This Thing Called Science?” … Seinen PhD über Elektromagnetismus erwarb er übrigens bei James Clerk Maxwell.)

    Ich kenne Herrn Chalmers nicht, aber da musste ich doch bei Wikipedia nachschlagen, denn James Clerk Maxwell war mir als Wissenschaftler irgendwas um 1850 in Erinnerung ( konkret 1831 – 1879, also nicht ganz verkehrt ), und wenn jemand bei James Clerk Maxwell über Elektromagnetismus promoviert hat und sein Buch 2013 mit mutmaßlich Schrödingers ( 1887 – 1961 ) Katze auf dem Umschlag in der x-ten Auflage erscheint …
    Also:
    Herr PhD Alan Chalmers ( 1939 – ) hat über den >Elektromagnetismus bei James Clark Maxwell< promoviert.

    Über "Schrödingers Katze" möchte ich mich hier nicht auslassen, da wird meiner Ansicht nach sehr viel mehr Unsinn verzapft und sehr viel hineininterpretiert, als dass Sinnhaftes erzählt wird. Wenn ich das halbwegs richtig verstehe, hat Erwin Schrödinger die "Quantenmechaniker" damit veralbern wollen.

  315. @Thomas Waschke 24.03. 13:59

    „Nein. Zeigen Sie mir konkret bitte konkret in einem meiner Postings, dass ich so etwas behauptet habe. Dann würde ich Ontologie mit Epistemologie verwechselt haben.“

    Ok, dann war das wohl jemand anders.

    @Gott, der nicht mehr eingreift

    Ein Gott, der nur die Naturgesetze geschrieben und den Urknall initiiert hat, der würde nur Fragen beantworten, aber wenigstens das. Für unser Leben und unseren Glauben wäre das darüber hinaus irrelevant.

    Jetzt vertrete ich eher die Idee, dass „Gott“ nur eingreift, wenn es besonderen Sinn macht. Zum Beispiel, dass er in der Evolution schon mal mitspielt, dass er dabei aber die vielen hundert Millionen Jahre Zeit auch ausnutzt. Und in der er sich die Dinge ganz langsam entwickeln lässt. Eingreifen macht hier eben nur Sinn, wenn es in die falsche Richtung läuft, einfach zu langsam geht, oder auch die Ökosysteme eventuell ohne geistige Unterstützung instabil werden.

    Wenn dieser „Gott“ dann nur über gezielte Quantenzufälle wirkt, und sich daran auch hält, dann würde die restliche Physik davon ja nicht berührt werden. Ein Gesetzesbruch wäre das dann eher nicht. Im Quantenrauschen versteckt würde ich das so gar nicht nennen: Er versteckt sich nicht, und täuscht auch Niemanden, er wird einfach nur dann aktiv, wenn es auch Sinn macht. Ob man das dann einen „naturalistischen Gott“ nennen könnte, wäre zu überlegen.

    Inwieweit jetzt dieser Gott die Zellchemie bei Bedarf in Richtung Gesundheit unterstützt, und in unserem Bewusstsein letztlich als lokales Faktum eine funktionale Rolle spielt, das ist nochmal ein anderes Thema. Dann würden wir Lebenden wohl sogar Teil des Ganzen sein, aber nur zu Lebzeiten, nach dem Tod und ohne Gehirn geht das dann wohl immer noch nicht. Diese Art Gott nenne ich lieber kosmischen Geist, quasi in der Mehrzahl, als Kontinuum, das in uns allen zugleich individuell präsent ist, und sich im ganzem Universum mit uns durch die Zeiten bewegt.

  316. @Karl Maier 25.03.2021, 00:13 Uhr

    Schrödingers Katze

    Über “Schrödingers Katze” möchte ich mich hier nicht auslassen, da wird meiner Ansicht nach sehr viel mehr Unsinn verzapft und sehr viel hineininterpretiert, als dass Sinnhaftes erzählt wird. Wenn ich das halbwegs richtig verstehe, hat Erwin Schrödinger die “Quantenmechaniker” damit veralbern wollen.

    Ich habe mich nicht damit befasst, was Schrödinger mit seinem Beispiel sagen wollte. Sie haben aber vollkommen Recht, es gibt viele Menschen, die dieses Beispiel in eher sinnleeren Zusammenhängen anwenden möchten.

    Wenn ich es richtig sehe, sind hier zwei Details relevant.

    Auf der einen Seite zeigt sich die epistemologische Auswirkung der ontologischen Annahme eines ‘echten Zufalls’. Unter dieser Prämisse muss man streng genommen die Logik ‘aufbohren’: neben ‘ja’ und ‘nein’ gibt es noch ‘unbestimmt’, und zwar prinzipiell.

    Auf der anderen Seite müssen diese Quantenphänomene aber verstärkt werden, weil sie sich sonst herausmitteln. Selbst wenn in der Katze viele, viele Quantenphänomene stattfinden, spielt das für das Makro-System ‘Katze’ keinerlei Rolle. Ob die Katze lebt oder tot ist (mal von der Problematik abgesehen, wie man ‘lebendig’ und ‘tot’ zweifelsfrei feststellen könnte), ist offensichtlich.

    Gerade hinsichtlich der Frage nach dem Bewusstsein wurde aber durchaus, beispielsweise von dem Autor (der Name fällt mir gerade nicht ein), der Eccles’ Arbeit weiterzuführen versuchte. Der meinte, dass sich der immaterielle Geist durch Quantenphänomene in Synapsen auswirken könnte. War aber meines Wissens nicht überzeugend und wurde in der Fachwelt nicht anerkannt.

  317. @Schleim

    SeinenPhD über Elektromagnetismus erwarb er [Alan Chalmers] übrigens bei James Clerk Maxwell.

    Mmh per Zeitreise?
    Als Alan Chalmer geboren wurde, war Maxwell schon lange tot.

  318. @einer, Maier: Über Maxwell’schen Elektromagnetismus, nicht bei. Entschuldigung, war spät.

    P.S. Chalmers hat inzwischen aber auch ein stolzes Alter erreicht; wusste nicht, dass er schon in den 80ern ist.

  319. @Waschke: naturalistischer Gott#2

    Der naturalistische Gott ist der Gott, der die Welt nicht nur erschaffen hat, sondern auch dafür sorgt, dass in ihr alles mit rechten Dingen zu geht. Ist doch klar! 😉

    “Naturgesetze” sind nach meinem Verständnis Abstraktionen und wirken daher nicht; Widerspiegelungen von Naturvorgängen, könnte man sagen.

    Ihr Denkfehler besteht darin, wenn ich es einmal so sagen darf, Natur und Gott zu trennen, doch vom Standpunkt, den wir jetzt formulieren, sind Natur und Gott eins. Darum ist es auch ein naturalistischer Gott. Wo ist da der Widerspruch? Und alles geht mit rechten Dingen zu! Das wollten wir doch die ganze Zeit.

    P.S. Sie sind sehr belesen und haben sich sehr tief in die Materie eingearbeitet. Manchmal gewinne ich aber den Eindruck, dass sie zu sehr damit beschäftigt sind, Neues unter alte Kategorien einordnen zu wollen.

  320. @Stephan Schleim 25.03.2021, 08:56 Uhr

    Das Göttliche oder die Gottheit anstelle von ‘Gott’?

    Der naturalistische Gott ist der Gott, der die Welt nicht nur erschaffen hat, sondern auch dafür sorgt, dass in ihr alles mit rechten Dingen zu geht. Ist doch klar! 😉

    Ich habe nicht umsonst mehrere Gottesbilder beschrieben, die mehr oder weniger zu dem passen, was Sie andeuten. Mit Naturalismus, so wie ich ihn verstehe, ist keines derselben kompatibel.

    Nach Bunge ist die Ontologie ‘the world’s furniture’, also eine Auflistung dessen, womit man sein Weltbild ausstattet. Für den Naturalisten gehört ein Gott welcher Definition auch immer, nicht dazu. Sonst wäre er ja Supranaturalist. Entweder, es gibt derartige Entitäten, dann ist der Naturalismus falsch. Oder nicht, dann ‘gibt’ es Gott nur als ‘Konstrukt’.

    “Naturgesetze” sind nach meinem Verständnis Abstraktionen und wirken daher nicht; Widerspiegelungen von Naturvorgängen, könnte man sagen.

    Das vertrete ich seit vielen Jahren. Die Ontologie der Naturgesetze ist alles andere als geklärt. Aber die Theologen, auf die ich mich beziehe, gehen davon aus, dass Gott diese geschaffen habe. Es würde aber auch nichts an dieser Argumentation ändern, wenn diese Entität die Naturvorgänge so in Gang gesetzt hätte und weiter laufen lassen würde, dass wir sie als gesetzmäßig beschreiben können. Auf das Problem, den Unterschied zwischen einer Welt mit oder ohne ein derartiges Wesen herauszufinden, habe ich schon hingewiesen.

    Ihr Denkfehler besteht darin, wenn ich es einmal so sagen darf, Natur und Gott zu trennen, doch vom Standpunkt, den wir jetzt formulieren, sind Natur und Gott eins. Darum ist es auch ein naturalistischer Gott. Wo ist da der Widerspruch? Und alles geht mit rechten Dingen zu! Das wollten wir doch die ganze Zeit.

    Aus der Sicht der Ontologie, die ich vertrete, eben nicht. Daher können Sie mit ‘wir’ nicht Sie und mich meinen. Wenn Sie das unter ‘mit rechten Dingen zugehend’ verstehen, haben Sie bestenfalls auf der phänomenologischen Ebene Recht, aber eben nicht auf der ontologischen. Meine Argumentation bezieht sich aber auf die ontologische Ebene.

    Wie gesagt, ich bin Ignostiker geworden, weil wegen der Fülle der vollkommen untereinander inkompatiblen Gottesbilder ‘one fits all’ eben nicht mehr genügt.

    ‘Gott’ ist übrigens einer der Begriffe, die eine derartige Bandbreite an Bedeutungen aufweisen, dass man ihn besser nicht verwenden sollte. Ich schlage vor, von ‘der Gottheit’ oder ‘dem Göttlichen’ (vielleicht im Sinne von Otto oder Mensching) zu reden, wenn Sie ein so abstraktes Wesen, dass es mit dem Naturalismus kompatibel sein soll, meinen.

    P.S. Sie sind sehr belesen und haben sich sehr tief in die Materie eingearbeitet. Manchmal gewinne ich aber den Eindruck, dass sie zu sehr damit beschäftigt sind, Neues unter alte Kategorien einordnen zu wollen.

    Mein Hauptarbeitsgebiet ist neben der Geschichte der Evolutionsbiologie die Diskussion mit Evolutionsgegnern, aktuell vor allem Intelligent Design-Vertretern, und ich lese mich in Theologie nur so weit ein, wie es diese Diskussion erfordert. Kann sein, dass ich deshalb alte Kategorien verwende.

    Mir ist aber bekannt, dass die Theologie spätestens seit Tillich eigentlich ‘atheistisch’ ist. Wenn unter ‘Gott’ nur noch das SeinSelbst verstanden wird, frage ich mich, was die abrahamitischen Religionen alles in den falschen Hals bekommen haben.

    Philosophen war das übrigens schon immer klar, sehr deutlich wird das im Sammelband zu einem Symposium, das von Philosophen organisiert wurde und an dem Tillich teilnahm und auch das Einführungs-Referat hielt:

    Hook, S. (1961) ‘Religious Experience and Truth. A Symposium’ New York, New York University Press

    vor allem im Beitrag des Herausgebers.

    Mir liegt aber auch nichts daran, alten Wein in neue Schläuche zu füllen.

  321. @Schleim: “Interessant ist es aber doch insofern, als es weniger belesene Naturalisten gibt, die Hypnose und andere alternativmedizinische Verfahren prinzipiell für Pseudowissenschaft halten. Da könne es nicht mit rechten Dingen zugehen.
    (Ich stimme Ihnen zu: Nennen wir es Kontext-, Erwartungs-, Placebo-, Bedeutungs-Effekt oder wie auch immer. Darüber ein Andermal mehr.)”

    Hypnose, Meditation, etc. hat nichts mit Metaphysik zu tun. Wir “Westler” sehen in fernöstlichen Methoden in der Hauptsache die Spiritualität, m.a.W. wir lassen uns von dieser blenden. In Wirklichkeit sind es die jahrhundertealten Techniken, die wirksam sind. Wären sie es nicht, gäbe es sie nicht mehr. Und diese Techniken wirken exakt so, wie wir es vom Placeboeffekt kennen. Das habe ich in meinem Modell versucht, darzustellen.
    Das Bewusstsein (incl. Unterbewusstsein) wirkt auf den Körper ein. Der ‘Einstieg’ ist das Unterbewusstsein. Die eingesetzten Techniken sprechen die Symbolsprache des Unterbewusstseins. Sie liefern geeignete Narrative.
    Die spirituelle Begründung ist die Philosophie, die wir ersetzen können durch ein rationales Modell. Und plötzlich gehen fernöstliche Heilmethoden mit rechten Dingen zu. Man muss die Magie der mentalen Kraft, angetrieben durch diese bildhaften Symbole, auf den Körper erleben, ansonsten ist alle Theorie grau.

  322. @Thomas Waschke / 24.03.2021, 20:02 Uhr

    »Nun ist halt die Frage, ob aus einem epistemischen Problem ontologische Aussagen abgeleitet werden können.«

    Ein Ableiten ontologischer Aussagen mag einem metaphysischen Naturalisten wie Ihnen enorm wichtig erscheinen, aber jegliche Metaphysik dabei wäre sozusagen Ihr privates Plaisir, das nicht uneingeschränkt geteilt wird. Manche halten es bei Fragen zur Metaphysik ja eher mit Stegmüller, wie Ihnen gewiss nicht entgangen ist.

    Meines Erachtens ist `Bewusstsein’ grundsätzlich ein Begriff, der diskursiv herauszuarbeiten wäre, und ich wüsste niemanden, der je eine Definition einfach vorgegeben hat, auf die man sich dann sogleich problemlos hätte einigen können. Für vorrangig bedeutsam halte ich dabei den Aspekt von `Selbstreferenz’ als strukturelles Merkmal, und darüber scheint mir ein breiterer Konsens durchaus möglich — als minimale Grundlage für und Einstiegspunkt in einen anschliessenden Diskurs.

    Doch zurück zur `explanatory gap’. Chomsky hält das Mind/Body Problem in der gängigen Form für ziemlich ill-posed, und dahin tendiere ich eigentlich auch. Ich will und kann seine Argumentation hier jetzt nicht grossartig repetieren, nur mit Hinblick auf die zuvor bemühte Analogie sei noch eine kurze Überlegung angefügt.

    Bei dem Toy Model mit der Peano Arithmetik wäre eine `gap’ allenfalls zu nennen zwischen der semantischen Bedeutung eines Gödel-Satzes (das heisst hier, seinem Booleschen Wahrheitswert) und der von ihm behaupteten syntaktischen Unbeweisbarkeit. Als eine `gap’ erscheint das jedoch nur unter der ungenannten und irrigen Annahme, dass wahre Aussagen in der PA dort auch beweisbar sein müssten. Das heisst, unter der Annahme, dass sich Semantik stets auf Syntax reduzieren lassen müsse, oder meinetwegen auch, dass erstere irgendwie aus letzterer “emergieren” würde. Mit der Einsicht, dass dies nicht der Fall ist, dass ich Semantik eben nicht durch Syntax explizieren oder begründen kann, verschwindet hier auch die `explanatory gap’.

    Beim ich-Bewusstsein ist die Semantik freilich nicht so simpel, doch es geht noch immer darum, wie etwa Descartes seinem Satz “Je pense” eine Bedeutung beigemessen hat, sodass er sich der Gültigkeit dieser Konstatierung subjektiv absolut gewiss sein konnte. Bei der semantischen Konstruktion von Bedeutung gehen wir normalweise nie so vor, dass wir nur das gelten lassen, was wir nach bestimmten syntaktischen Regeln aus vorhandenen Gewissheiten explizieren oder begründen können.

    Ein echtes Problem hätte ich nur dann, wenn Semantik und Syntax mich auf einen quälenden Konflikt führen, einen als inakzeptabel wahrgenommenen Widerspruch. Nun ist es anscheinend so, dass beispielsweise die Frau Prof. Drossel keinen Widerspruch sieht zwischen religiöser Semantik auf der privaten und naturgesetzl. Syntax auf der professionellen Seite. Doch mit welchem Argument sollte ich ihr beibringen können, dass da ein inakzeptabler Widerspruch besteht, sofern denn für mich da vermeintlich einer besteht? Da muss ich passen, so ein Argument ist mir nicht vorstellbar.

  323. @Chrys 25.03.2021, 11:18 Uhr

    Danke für Ihren ausführlichen Beitrag.

    Ich fürchte, dass eine Diskussion sehr aufwändig wird, aber durchaus interessant sein könnte. Ich weiß nur nicht, ob dieses SciLog die richtige Stelle für eine derartige Diskussion ist.

    Falls Sie meinen, wir sollten das ausdiskutieren, senden Sie mir einfach eine Mail: thomas@waschke.de

    Ansonsten können wir uns darauf einigen, dass in meinem Weltbild für die Diskussion der Frage, wie in der Terminologie von Bunge/Mahner formuliert, der Zusammenhang der Frage nach einen ‘Konstrukt’ (Bewusstsein) und einem ‘Ding’ (also der Materie, die Bewusstsein als Emergenz erzeugt) keinen Sinn macht, wenn man auf der Ebene ‘Konstrukt’ im ‘Konstrukt’ verbleibt, was aus Ihrer Sicht (die ich aufgrund dessen, was ich bisher von Ihnen gelesen habe, vermutlich nicht zuverlässig einschätzen kann) vermutlich anders aussieht. Wir würden dann inkommensurable Weltbilder vertreten, und hätten, wie Sie ja auch anführen, kein intersubjektiv überzeugendes Kriterium für eine Entscheidung.

    Beide Möglichkeiten sind sicher durchaus fruchtbare Forschungsrichtungen, aus meiner Sicht kann man von der ersten auf die zweite gelangen (letztlich Natur- zu Geisteswissenschaft), nicht aber von der zweiten auf die erste (das sieht man an der Geschichte der Philosophie, wenn man untersucht, was Philosophen zu Themen geschrieben haben, die damals noch naturwissenschaftlich nicht erforscht waren, bzw. sich fragt, warum gerade eine Evolution in der Geschichte der Philosophie nicht von einem Philosophen entdeckt wurde).

    Nur zur Sicherheit: ich schätze Philosophie auch als Philosophie sehr, aber eher hinsichtlich der (Klärung der) Fragen und nicht der Antworten.

  324. @Chrys: Ich zitiere jetzt mal keine Philosophen, sondern denke selber: Dass die ‘technischen’ Prozesse im Gehirn das erzeugen, was wir Bewusstsein nennen, dürfte unzweifelhaft sein (jedenfalls für einen Materialisten). Ich lasse hier mal die Frage nach den ‘richtigen’ Kategorien weg. Bleibt also noch die Qualia. Gehirnfunktion und Qualia bewegen sich auf zwei völlig verschiedenen Ebenen. Das zweite kann als Funktion des ersten begründet aber niemals erklärt werden. Man könnte sich ja vorstellen, dass es eines Tages möglich ist, Gehirnfunktionen ‘nach außen’ zu projizieren. Was immer dabei zu betrachten wäre, könnte niemals identisch mit dem (visuellen, emotionalen etc) Empfinden des Subjekts sein. Denn: Alles Empfundene erhält seinen Inhalt nur durch die Selbstreferenz. D.h. man bräuchte das Subjekt als ‘Dekodierer’ seiner eigenen Erlebnisse, was an sich tautologisch ist. Das ICH müsste das ICH dekodieren, und das mit objektiven Zeichen. Es gibt also keine explanatory gap, sondern eine Frage, die man gar nicht so stellen kann. Qualia kann also nicht ‘objektiviert’ werden.

  325. Es könnte auch sein, dass die Qualia nur ein Konstrukt ist und gar nicht existiert. (Dennett etc.)

  326. @einer: “Es könnte auch sein, dass die Qualia nur ein Konstrukt ist und gar nicht existiert. (Dennett etc.)”

    Ich habe manchmal auch den Verdacht, dass es menschn gibt, die nichts empfinden. 😁

  327. @Wolfgang Stegemann / 25.03.2021, 13:59 Uhr

    » Es gibt also keine explanatory gap, sondern eine Frage, die man gar nicht so stellen kann. Qualia kann also nicht ‘objektiviert’ werden.«

    Spontan und kurz: Yep.

    Nicht objektivierbar, jedoch nicht bedeutungsleer. Im Gegenteil, jegliche Kenntnis von dem, was wir überhaupt als objektivierbar behaupten könnten, haben wir schlussendlich durch subjektive Sinneseindrücke erhalten.

    Dennett hat die Sache mit seinem “Quining Qualia” meines Erachtens nicht konsequent zu Ende gedacht. Immerhin, auch Mario Bunge scheint Dennett nicht gerade für das hellste Licht auf der Torte gehalten zu haben, und da könnte ich dann Bunge sogar mal zustimmen.

  328. Thomas Waschke
    25.03.2021, 07:42 Uhr
    Schrödingers Katze

    Es ist ein Gedanken-Experiment, wobei aus meiner Sicht der Akzent auf “Gedanke” liegt, wie gesagt, wenn ich die Fundstelle richtig interpretiere, als Hinweis auf gewisse gedankliche Grundannahmen der Quantenmechanik. Allein, dass die Katze atmen muss, sie muss fressen und trinken ( das muss alles in dem Kasten vorhanden sein ), sie muss pinkeln und kacken und nach spätestens 20 Jahren ist es sowieso keine Frage mehr, ob die Katze noch lebt …
    Dazu wären wir heute sicher in der Lage, die seismischen Erschütterungen des Kastens zu messen, wenn die Katze darin auch nur mit einem Tasthaar zuckt.

    Das Problem aus meiner Sicht ist nicht die Frage nach einer “Überlagerung”, von einer Unbestimmtheit von “lebendig” und “tot” ( wir könnten, wenn wir wollten, dafür auch den Ausdruck “lebot” erfinden ), sondern die Frage, welche Auswirkungen es auf das “Drumherum” um den Kasten hat, ob die Katze lebt oder tot ist, oder, welche Auswirkungen allein das Wissen um den Zustand der Katze in dem Kasten ( “Oooch, die arme, arme Katze … nu isse hin.” ) auf das “bewusste Drumherum” um den Kasten hat, wenn wir ein Drama daraus machen. Ebenso ist doch die Frage, was die Errungenschaften klassisch-griechischer Technik und Naturkunde für uns bedeuten, wenn die Überlieferung unterbrochen war und wir erst heute aus der Literatur oder archäologischen Funden davon erfahren.
    Die aus meiner Sicht einfachste Antwort ist: “Keine Ahnung, ob die Katze im Kasten lebt oder nicht, aber so lange ich nicht nachschaue, weiß ich das nicht und es ist das auch egal.”
    Ich habe gelernt, dass man in der Mathematik ein “X” für etwas setzt, was unbekannt ist und was man, wenn man will und die Fähigkeit ( und ausreichend Hinweise ) dazu hat, ermitteln kann.
    Und so halten wir es doch auch in den Naturwissenschaften, wir bemühen uns, die “Gleichungen” um “das X” ( oder die vielen kleinen x-chen ) aufzudröseln und zu lösen. Meistens reicht es nur für eine Beschreibung, selten finden wir auch eine Erklärung, manchmal haben wir eine gefunden, die sich Jahr(zehnt/hundert)e später als unzureichend herausstellt, aber bis dato unter den gegebenen Rand-/Messbedingungen hinreichend war, nun, mit einer Mikrometer- anstelle einer Zentimeterteilung nicht mehr.
    Aus meiner Sicht hat Platon mit seinen “Schatten” deutlich darauf hingewiesen, dass wir nicht vorschnell “Schatten” zu “Realitäten” erklären, sondern weiter nachfragen/forschen müssen. So, wie ich die Religionen verstehe, hören diese sofort mit dem Nachfragen auf, wenn die Erklärung auf “Gott” ( … hats gegeben, … hats genommen, der Name … sei gelobt ) endet.

  329. @Chrys: “Nicht objektivierbar, jedoch nicht bedeutungsleer.”

    Man könnte auch sagen, unter einem bestimmten Blickwinkel ist Bewusstsein = Qualia. Der objektive Aspekt sind dann die (sprachlichen) Begriffe sowie die Symbole und Gesten, also die sozialen Übereinkünfte.

  330. Ich hatte Dennett nur als Beispiel genannt.
    Qualia muss u.U. halt gar nicht existieren, sondern ist ggf. nur eine fehlerhafte Annahme.

  331. @einer: mit Qualia sind Ihre eigenen Empfindungen gemeint, die nur Sie erleben können, kein anderer. Sie können zwar darüber reden, aber ein anderer kann sie nicht nachvollziehen, so, als wenn er einen Film anschauen würde, Ihren Film. Nun kann man darüber streiten, ob dies erwähnenswert ist, aber dass diese subjektiven, nicht objektivierbaren Empfindungen existieren, dürfte wohl unstrittig sein.

  332. @Chrys // 25.03.2021, 11:18 Uhr

    » Nun ist es anscheinend so, dass beispielsweise die Frau Prof. Drossel keinen Widerspruch sieht zwischen religiöser Semantik auf der privaten und naturgesetzl. Syntax auf der professionellen Seite. «

    Wenn man’s so (analog zum Toy Model, [was immer das ist ;- )]) betrachtet, wie steht’s denn dann mit der naturgesetzlichen Semantik, die gibt es doch auch noch. Die naturgesetzliche Semantik wäre in meinen Augen das, was unter den Begriff des naturwissenschaftlichen Narrativs fällt (Daten müssen bekanntlich interpretiert werden).

    Das naturwissenschaftliche Narrativ (die naturgesetzliche Semantik) spricht beispielsweise von der „blinden Evolution“, die religiöse Semantik vom „gottgewollten Evolutionsverlauf“.

    Wie kriegt man das widerspruchsfrei unter einen Hut?

  333. @Balanus: Ich glaube nicht, dass Religion per se einen gottgewollten Evolutionsverlauf einschließt. Man könnte ja auch einen göttlichen Anfangsimpuls annehmen. Dann gäbe es keinen Widerspruch.

  334. @Stegemann

    Ich meinte das in etwa so:

    Qualia beinhaltet die Art und Weise, wie Dinge aussehen, klingen und riechen, wie es sich anfühlt, Schmerzen zu haben. allgemeiner, wie es ist, mentale Zustände zu haben. Qualia sind erfahrungsmäßige Eigenschaften von Empfindungen, Gefühlen, Wahrnehmungen und meiner Ansicht nach auch von Gedanken und Wünschen. Aber wer könnte, so definiert, leugnen, dass es Qualia gibt? Die Existenz von Qualia ist jedoch umstritten. Hier ist umstritten: ob die so definierte Qualia absichtlich, funktional oder rein kognitiv charakterisiert werden kann. Gegner von Qualia denken, dass der Inhalt der Erfahrung absichtlicher Inhalt ist oder dass Erfahrungen funktional definierbar sind oder dass ein qualitativer Zustand einen Zustand hat, der auf eine bestimmte Weise überwacht wird oder von einem Gedanken begleitet wird, der den Effekt hat, den ich habe dieser Zustand. Wenn wir die Idee, dass Erfahrungseigenschaften nicht beabsichtigt oder funktional oder rein kognitiv sind, in die Definition von “Qualia” einbeziehen, ist es umstritten, ob es Qualia gibt.

    In Richard L. Gregory (ed.), Oxford Companion to the Mind. Oxford University Press (2004)

  335. @einer: ich verstehe schon, was Sie meinen. Aber in letzter Konsequenz bedeutet das doch, dass ich ein biologischer Automat bin, dem irgendwelche Empfindungen aufgespielt werden. Oder: ein ‘Gewächs’, aus dem zufallsgesteuert irgendwelche Empfindungen sprießen. Dann muss man aber auch erklären, wie daraus ganzheitliche, sinnvolle Erfahrungen werden sollen, mit denen man einen Alltag bewältigen kann. Ich fürchte, ohne die Annahme von Emergenz gelingt dies nicht.

  336. @Balanus 26.03.2021, 11:21 Uhr

    Evolution ™ vs. th(d)eistische Modelle

    Das naturwissenschaftliche Narrativ (die naturgesetzliche Semantik) spricht beispielsweise von der „blinden Evolution“, die religiöse Semantik vom „gottgewollten Evolutionsverlauf“.

    Wie kriegt man das widerspruchsfrei unter einen Hut?

    Ich kenne viele Menschen, die meinen, dass das funktioniert (darunter beispielsweise auch Frau Drossel, mit der ich ab und an mal darüber gesprochen habe).

    Ich kann mir nur vorstellen, dass diese Menschen entweder ein so entleertes Gottesbild haben, dass es mit allem und jedem kompatibel ist, oder dass sie sich noch nie damit befasst haben, wie Evolution funktioniert, speziell, welche Rolle der Zufall dabei spielt.

    Es ist sicher kein Zufall, dass es unter Evolutionsbiologen prozentual weniger Religiöse gibt als in jeder anderen Gruppe von Wissenschaftlern. Und es ist noch weniger ein Zufall, dass Mayr (der ‘Darwin des 20. Jahrhunderts’) sehr darunter litt, dass die Wissenschaftstheorie von theoretischen Physikern dominiert wird. Die können aufgrund ihrer Denke praktisch nicht verstehen, wie biologische Evolution funktioniert. Bei Pauli hat das Mayr fast geschafft, als er ihn aufforderte, sich ein individuales Gas vorzustellen.

    Populationsdenken passt halt nicht zu einer Denke, in der von identischen Teilchen ausgegangen wird …

  337. @Wolfgang Stegemann 26.03.2021, 12:24 Uhr

    Aber in letzter Konsequenz bedeutet das doch, dass ich ein biologischer Automat bin, dem irgendwelche Empfindungen aufgespielt werden.

    Das wäre eher Substanzdualismus

    Oder: ein ‘Gewächs’, aus dem zufallsgesteuert irgendwelche Empfindungen sprießen.

    Ersetzen Sie ‘Empfindungen’ durch ‘Emergenzen’, dann passt das schon.

    Dann muss man aber auch erklären, wie daraus ganzheitliche, sinnvolle Erfahrungen werden sollen, mit denen man einen Alltag bewältigen kann. Ich fürchte, ohne die Annahme von Emergenz gelingt dies nicht.

    Emergenzen würde ich nie bestreiten. Aber ob ein Alltag gelingt, hängt von vielen Parametern ab. Vermutlich stört das biologische Erbe dabei sogar eher.

  338. @einer
    Qualia muss u.U. halt gar nicht existieren, sondern ist ggf. nur eine fehlerhafte Annahme.

    Im Stehen drückt die Gravitation auf die Fußsohlen und drückt dabei die Zellen zusammen. Was passiert dabei zwischen und in den Zellen? Moleküle rücken dichter zusammen, elektrostatische Kräfte verändern sich. Die Zellen entwickeln einen Gegendruck. Das geschieht natürlich alles ohne das Bewusstsein, aber es verändert Prozesse im Organismus. Es entstehen Druck und Zug in den Zellen und zwischen Zellen, es entstehen Bewegungen von Molekülen, chemische Reaktionen verändern sich, Signale werden erzeugt.

    Dieselben Vorgänge kommen in der unbelebten Natur vor: Bewegungen von Körpern durch Gravitation, anziehende und abstoßende Kräfte erzeugen Druck und Zug in Körpern und Molekülen. Das sind genauso emergente Qualia wie im Bewusstsein.

    Die Grundfrage ist, sind Qualia psychisch, biologisch oder physikalisch! Zwar sind sie subjektiv, aber da wir davon ausgehen, dass alle Menschen gleich sind, können wir sie am Verhalten objektiv erkennen (abgesehen von Schauspielerei) und können darüber kommunizieren und Erfahrungen austauschen.

  339. @Waschke: mein Beitrag spiegelt nicht meine Meinung wider, sondern sollte die Konsequenz eines Denkens aufzeigen, das dem Zitat von @einer folgt.

    @ Reutlinger: Qualia ist ein Begriff, der für das Empfinden eingeführt wurde. Dabei sollte man es belassen und ihn nicht beliebig ändern, ansonsten ist keine Kommunikation möglich. Empfinden setzt ein zentrales Nervensystem voraus, damit ist “biologisch” und “physikalisch” ausgeschlossen.

  340. @Wolfgang Stegemann 26.03. 12:24

    „Dann muss man aber auch erklären, wie daraus ganzheitliche, sinnvolle Erfahrungen werden sollen, mit denen man einen Alltag bewältigen kann.“

    Dass unser Bewusstsein zu praktischen Lösungen für allerhand Probleme kommt, ist wohl grundlegend. Selbst langfristige Strategien, die auf komplexem Verständnis beruhen, sind möglich.

    Ich habe Ihre Webseite durchgelesen, und finde das hochinteressant. Meine eigentliche Frage war: welche Strukturen liegen dem Bewusstsein zugrunde, kann man das überhaupt verstehen, und wenn ja, kann man die Prinzipien dann später auf Computertechnik übertragen, und so Systeme mit künstlichem Bewusstsein bauen.

    Unser Bewusstsein ist ein selbstorganisiertes biologisches Phänomen, soweit wir das von innen erkunden können, nützt uns das schon mal Einiges. Aber eine interessante Frage wäre doch, welche neuronalen Strukturen im Gehirn nun zu Bewusstsein führen, das Gehirn ist ja nicht nur das Ich, dieses Ich ist ja nur eine spezielle Funktion des ganzen Gehirns.

    Wir haben als Erlebniswelt eine komplette Rekonstruktion unseres eigenen Körpers in seiner aktuellen Umgebung. Hier mischen sich dann die Qualia darunter, Gedanken gesellen sich dazu, eine Verbindung mit unserem gesamten Wissen besteht so halb im Hintergrund und wir sind in der Lage, Pläne zu entwerfen und diese als Simulation im Geiste solange zu prüfen, bis wir eine Lösung für ein aktuelles Problem gefunden haben.

    Alles biologische Emergenz, klar. Aber welche Strukturen bilden das alles ab? Wir haben hier offenbar eine Abbildung des problemrelevanten Teilwissens auf unser Ich, die Grundfrage bleibt, welche neuronale Struktur nimmt dieses alles auf, und bildet eben den Arbeitsraum, der dieses momentane Teilwissen intensiv miteinander „reagieren“ lässt.

    Ich fürchte, hier kommen wir nur zu Antworten, wenn wir ein ganzes Konnektom vorliegen haben, wenn dann das überhaupt reicht. Dieses Konnektom kann ja so kryptisch sein, dass man hier zwar die Daten alle hat, aber nichts davon vernünftig versteht. Als nächstes mal Konnektome von kleinen Insekten machen, wäre in jedem Fall schon mal ein Anfang.

    Wie bekannt, ist mein Weltbild etwas spiritueller, und ich kann mir vorstellen, das unsere innere Erlebniswelt auch geistige Anteile hat, und sich hier ein geistiger Innenraum öffnet, der dann als Arbeitsraum funktioniert. Die Verbindung für Rückmeldungen an das komplette Gehirn übernehmen in diesem Modell die Quantenzufälle. Hier wäre dann ein Teil der bewusstseinsbildenden Strukturen geistiger Natur, was die Sache bei genauerer Betrachtung nicht komplizierter, sondern sogar einfacher macht.

    Wieso Geist in der Außenwelt nur sehr sporadisch auftaucht, in der Innenwelt aber sogar funktional dazugehören soll, liegt dann daran, das es anders einfach nicht geht. Weil neuronale Netze alleine eben keine Innenräume öffnen können, egal was für welche.

    Wie dem auch sei, die Forschung der nächsten 50 Jahre müsste eigentlich zeigen, wie das alles im Detail funktioniert, und auch die Frage beantworten können, ob nun Immaterielles dazu gehört, und wenn ja, dann auch in welchem Ausmaß und wie genau. Und spätestens dann kann man sich auch daran machen, die Prinzipien, die dann bekannt sind, auch für Technik zu nutzen, die eigenes künstliches Bewusstsein produziert.

  341. @Jeckenburger: “Unser Bewusstsein ist ein selbstorganisiertes biologisches Phänomen, soweit wir das von innen erkunden können, nützt uns das schon mal Einiges. Aber eine interessante Frage wäre doch, welche neuronalen Strukturen im Gehirn nun zu Bewusstsein führen, das Gehirn ist ja nicht nur das Ich, dieses Ich ist ja nur eine spezielle Funktion des ganzen Gehirns.”

    Ich denke, man muss sich klarmachen, dass man nur beobachten kann, aber nicht erklären im Sinne einer letztendlichen Erklärung nach dem Muster, ‘warum gibt es das Universum’. Und die Beobachtung müssen wir in sinnvolle Modelle packen. Eins dieser Modelle ist die Emergenz, die davon ausgeht, dass eine Struktur wie das Gehirn bestimmte Phänomene ermöglicht, die wir z.B. Bewusstsein nennen. M.a.W. es macht keinen Sinn, das letzte Geheimnis des Lebens im aller kleinsten Element (des Gehirns) zu suchen. Man wird es dort nicht finden. Man muss sich damit ‘begnügen’, Gesetzmäßigkeiten finden. Warum es diese gibt, wird man nie wissen.

  342. @Stegemann
    So einfach ist es nicht. Empfindungen und Gefühle haben physische Ursachen. Auch die Evolution ist maßgeblich daran beteiligt. Angenehme Gefühle führen dazu, sie wiederholen zu wollen, unangenehme führen zur Vermeidung. Daraus folgen Handlungen, Verhalten, Wille, Motivation.

    Auch die physikalischen Emergenzen wie Bewegung sind nicht erklärbar. Ein Magnet wirkt anziehend, man kann es spüren, aber was bedeutet “anziehend”, lässt es sich erklären? Dabei ist nicht die physikalische Ursache gemeint, sondern das Gefühl der Anziehung bzw. der Abstoßung, die in Bewegung resultiert, wenn kein Widerstand oder keine Gegenkraft vorhanden ist. Es ist doch der Mensch, der die Kräfte spürt, die Wirkung auf Haut und Muskeln, der Magnet spürt nichts! Es ist eine Emergenz, ein Phänomen der Natur.

  343. @Wolfgang Stegemann / 25.03.2021, 19:01 Uhr

    »Man könnte auch sagen, unter einem bestimmten Blickwinkel ist Bewusstsein = Qualia.«

    Ja, könnte man vielleicht so sagen; zumindest wäre mir nicht vorstellbar, wie das eine ohne das andere zu haben sein könnte. Und der Zusammenhang wird möglicherweise durch `=’ nur unzureichend oder missverständlich ausgedrückt, sodass man vorsichtshalber hier eine andere Symbolisierung erwägen sollte, so etwas wie “Bewusstsein ↺ Qualia“.

    In diesem Bereich tastet man sich eigentlich ständig an der Grenze der Spreche entlang, was die Sache schwierig macht, und ich habe da auch keine Patentlösung zur Hand. Die von Hofstadter bemühte Analogie mit Gödel-Sätzen ist hier freilich zunächst als eine der Metamathematik entlehnte Metapher aufzufassen, doch ich halte das für eine ziemlich hilfreiche und inspirierende Metapher. (In diesem Kontext seien beiläufig noch Patrick Grim & Nicholas Rescher erwähnt, die durchaus vergleichbar zu Hofstadter argumentieren — im Bedarfsfall liefert google scholar dazu passende Treffer.)

  344. @Balanus / 26.03.2021, 11:21 Uhr

    Zu einer Klärung der Bedeutungsdimension von “Gott” kann auch Barbara Drossel nicht auf ihr Physik-Wissen zurückgreifen, das muss sie anders angehen. Mit einer kreationistischen Idee von einem “Gott”, der vor 6,000 Jahren die Erde aus Tohu und Vohu hervorgezaubert hat, kommt man freilich in einen Konflikt mit gewissen naturgesetzlichen Beschreibungen.* Aber so eine Kreationistin ist sie wohl nicht, und wie sie das dann alles widerspruchsfrei unter einen Hut kriegen kann, halte ich eigentlich nicht für mein Problem.

    * Hauptsächlich wegen der 6,000 Jahre. Tohu und Vohu sind die hypothetischen fundamentalen Partikel im sog. Rishon Modell von Haim Harari. 😉

  345. @Chrys: “Bewusstsein ↺ Qualia“.

    Vom Standpunkt des Subjekts ist Bewusstsein = Qualia. Vom Standpunt des Beobachters ist Bewusstsein (von außen betrachtet) = Verhalten, von innen betrachtet ist es ein Zustand, der eine Eigenschaft eines Systems beschreibt, welches von einer (bewussten und unbewussten) Instanz gesteuert wird, der man sinnvollerweise die Bezeichnung ICH geben sollte. Das ICH, als System im System, entsteht durch Überlagerung aus cerebralen und somatischen Informationen auf der Basis von Möglichkeitsräumen, die das Genom zur Verfügung stellt. Es assimiliert Erfahrungen und akkomodiert bzw. reduziert diese zu neuen Systemeigenschaften. Der bewusste Teil des ICH arbeitet mit logisch operationalen Bedeutungen, der unbewusste Teil mit symbolhaften.
    Ich denke, es kommt immer auf den Blickwinkel an, den ich (als Beobachter) einnehme.
    Ja, Hoftsaedter ist zum Teil zuzustimmen.

  346. @ Thomas Waschke 26.03.2021, 12:26 Uhr

    Zitat: „…Ich kann mir nur vorstellen, dass diese Menschen entweder ein so entleertes Gottesbild haben, dass es mit allem und jedem kompatibel ist, oder dass sie sich noch nie damit befasst haben, wie Evolution funktioniert, speziell, welche Rolle der Zufall dabei spielt….“

    Also mein Gottesbild ist nicht „entleert“, sondern eher „übervoll“.

    Es wundert mich nicht dass Evolutionsbiologen meinen, sie hätten Gott sozusagen beim „Würfeln ertappt“ und deswegen kann es keinen geben, weil sich Würfeln „nicht gehört“. Für Theologen ist offensichtlich klar, dass „Gott“ jegliches “Werkzeug“ nutzen könnte und wohl auch nutzt.

    Bezüglich der Evolution kann ich als ehemaliger Elektroniker sagen, dass es mir praktisch nicht gelingen konnte, irgendeinen Mechanismus zu finden, worauf die Evolution weit vorher nicht auch schon „gestoßen“ wäre und der irgendwo seine Anwendung findet oder gefunden hat. (Sogar die „Gatterelektronik“ ist ein „alter Hut“).

    An einem nicht gerade „elektronischen“, einen absurden und lächerlichen Beispiel, möchte ich das erläutern.
    Bei einer Diskussion meinte ein Kumpel, dass es zwar denkmöglich ist, aber nicht real sein würde, dass irgend ein Lebewesen, sie sollten jetzt sehr stark sein wenn Sie lesen was ich hier schreibe, es ging um Lebewesen die im „Handstand pinkeln“. Wir haben damals sehr gelacht, weil wir uns sicher waren, dass derartiges unmöglich, völlig absurd und eine absolut einmalige Idee wäre.

    Die Kumpels können nicht mehr lachen und ich konnte nur staunen, was im Fernsehen kürzlich zu sehen war und ich bin mir noch immer nicht sicher, ob es ein Aprilscherz von Biologen war. Ein Panda hat, angeblich um größer und stärker zu scheinen, im Handstand sein Revier markiert. Ich würde es nicht für möglich halten, aber ich beobachte die Katzen in meiner Umgebung bei ihren Revierstreitigkeiten und mir ist klar geworden, wie wichtig „optimale Strategien“ in der Tierwelt sind.

    „Optimale Strategien“ und „Intelligentes Design“, das ist die Frage.

    Es ist eine Bewertungsfrage im Sinne der Psychologie.
    Menschen bewerten und suchen sich genau die Begrifflichkeiten und Funktionen heraus, um genau ihre (unterbewusst) angestrebte „Ziel Erkenntnis ansteuern“ zu können.

    Atheisten würden eine absolut „singuläre Intelligenzform“ vorziehen, die kein 2. mal vorkommen kann, schon gar nicht in einfachen Systemen. Damit gäbe es keine allgemeine Intelligenz.

    „Theisten“ würden eine banale Optimierung, eine primitive Art von geradezu selbstverständlicher „alltäglicher Intelligenz“ als „Selektionsfilter“ zur Beurteilung der „Zufallsergebnisse“ (von „Zufallsgeneratoren“ generiert) vorziehen. Z.B. auch eine „systemische Intelligenz“, wobei einzelne, variierende, eigentlich „dumme“ Objekte, z.B. Bienen ihre Schwarmintelligenz, oder auch nur einzelne Viren, oder Pflanzen ihre Existenz optimieren und sichern.

    Banales Beispiel aus dem alltäglichen Leben: Ein Gastwirt optimiert seine Existenz (Umsatz) indem er sein Gulasch so scharf würzt, dass er optimal viel Bier verkauft. Nimmt er zu wenig oder zu viel Paprika, bleiben die Gäste aus.
    Das macht auch eine KI, die entweder den Umsatz im Warenhaus aus Datenmustern optimiert, oder bildhafte Muster von Röntgenbildern zur erfolgreichen Krebserkennung nutzt.

    Fazit: “Intelligentes Design” ist etwas (fast) banales, das Konzept “stimmt” praktisch immer, wie vermutlich alles was die Theologen behaupten….

  347. @Elektroniker 26.03.2021, 17:31 Uhr

    Ein durchaus üblicher Trick von Theologen …

    Fazit: “Intelligentes Design” ist etwas (fast) banales, das Konzept “stimmt” praktisch immer, wie vermutlich alles was die Theologen behaupten….

    dictum de omni et nullo …

    Mehr ist dazu nicht zu sagen.

    Aus der Sicht eines Biologen trägt das, was Sie hier über Evolution fabulieren, nicht mehr als das, was Sie über die Funktion von Neuronen schreiben.

  348. @Chrys // 26.03.2021, 14:32 Uhr

    » Zu einer Klärung der Bedeutungsdimension von “Gott” kann auch Barbara Drossel nicht auf ihr Physik-Wissen zurückgreifen, das muss sie anders angehen. «

    Indirekt schon, denn „[a]llein dass die Welt rational verstehbar ist, in einer mathematischen Sprache beschrieben werden kann und es Naturgesetze gibt, deutet auf einen rationalen Gesetzgeber hin“. Das meinte Barbara Drossel im sogeannten „Streitgespräch“ mit Volker Sommer (Spektrum.de, 2018).

    Das gilt logischerweise auch für das intelligente Design der Lebewesen, deren Kreation klarerweise mehr als 6000 Jahre in Anspruch genommen hat, ob nun mit oder ohne Tohu und Vohu (die mir bislang nicht untergekommen waren … :- )), das weiß auch Barbara Drossel.

    » …und wie sie [B. Drossel] das dann alles widerspruchsfrei unter einen Hut kriegen kann, halte ich eigentlich nicht für mein Problem.«

    Das ist, wenn man manchen hier glauben darf, sowieso kein Problem, kann schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus kein Problem sein, eben weil religiöse und naturwissenschaftliche Narrative schon aus Prinzip nicht überlappen.

    Womöglich ist es so, wie Thomas Watschke es angedeutet hat: Die mittels naturwissenschaftlichen Methoden gewonnenen Daten („Syntax“) sind nur ungenügend bekannt oder werden so interpretiert („Semantik“), dass sie zu den subjektiven religiösen Vorstellungen passen.

    Im Ergebnis gibt es dann subvjektiv keinen Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion. Und genau da wollen wir ja alle hin.

    Nur, wenn das alles so problemlos ist, insbesondere für manchen Agnostiker, warum lehrt man denn dann nicht die beiden als gleichwertig empfundenen „Semantiken“ auch in der Schule?

  349. Thomas Waschke
    26.03.2021, 21:02 Uhr

    Sorry!

    Da wir schon dabei sind: Dass die Wahl meines Pseudos (auch) auf Charles Darwin verweist, war reiner, glücklicher Zufall – wie so vieles in der Evolution 😉

  350. @ Thomas Waschke 26.03.2021, 19:44 Uhr

    Zitat: „… Aus der Sicht eines Biologen trägt das, was Sie hier über Evolution fabulieren, nicht mehr als das, was Sie über die Funktion von Neuronen schreiben.“

    Mich würde es durchaus, ganz im Ernst freuen, könnten Sie meine Aussagen über die Funktionen von Neuronen, deren Zusammenwirken auch in einer Zeitstruktur, die ich wegen der fachlichen Grenzen, in möglichst einfacher Sprache beschreibe, ernsthaft und grundsätzlich widerlegen könnten.

    Z.B. dass Neuronen hauptsächlich dann „triggern“, wenn auf möglichst vielen Eingängen möglichst gleichzeitig, möglichst viele elektrische Ladungsträger (Ionen sind natürlich auch Ladungsträger)„einlangen“. (Auf „hauptsächlich“ kommt es an! „Qualifiziertes UND“).

    Oder dass McCullochs Gatterkonzept, oder E. Kandels grundsätzliche Aussagen zur „Wissensabbildung“, auf die ich mich stets beziehe, nicht stimmen.

    Wenn Sie den beiden Herren nicht widersprechen wollen, können Sie gerne konkret meinen Schlussfolgerungen widersprechen.

    Z.B. meine Aussagen zu „baumartigen Strukturen“ die (im Sinne der Informatik) den schnellen „Objektzugriff“ ermöglichen, oder dass die „Vermaschungen“ die Realisierung der Assoziationen begründen.

    Die Einbindung des Konzeptes vom Perzeptron, um biologische und technische neuronale Netze vergleichen zu können, habe ich eher anschaulich, versucht zu erklären.

    Auch dass bestimmte „Hirnwellen“ auf die „Zeitstruktur“ der Prozesse Einfluss nehmen.

    Oder dass an „flächigen Strukturen“ (z.B. Netzhaut) Emergenzen (Bildpixel emergieren zu Bildern) „abgebildet“ werden können, bzw. dass örtliche und zeitliche „Entitäten“ in einem bestimmten Zusammenhang gebracht werden können.

    Dass „Mustervergleiche“, ähnlich wie in der Informatik, letztlich die Basis von Intelligenz sind.

    Auf gewisse strukturelle Ähnlichkeiten mit holografischen Speichersystemen im Zusammenhang mit der Wissensabbildung, was die Örtlichkeit von Synapsen betrifft, bin ich eher spekulativ eingegangen.

    Alles sind völlig alltägliche Konzepte in elektronischen Systemen oder auf abstrakter Ebene in der Informatik.

    Allerdings, Sie sollten mir mehr als nur „Ungenauigkeiten“, sozusagen „fehlende i-Punkte“, die die Konzepte nicht grundsätzlich widerlegen, vorwerfen. Oder auch nicht, dass ich naheliegender Weise, nicht mit Messungen aufwarten kann.

    Vorwürfe wie „Ungenauigkeiten“, würde ich übrigens als großen Erfolg „feiern“.

    Es geht mir ausschließlich darum, bewährte Konzepte, sozusagen „Denkmuster“ der Elektronik/Informatik, den Neurologen zu vermitteln um zu einem grundlegenden Verständnis beizutragen.

  351. Thomas Waschke 26.03.2021, 19:44 Uhr

    Zitat: „Ein durchaus üblicher Trick von Theologen …“

    Nicht nur von Theologen, auch die Mathematiker, die als Wissenschaftler der „Wahrheit“ vermutlich stets am nächsten kommen, verwenden höchst erfolgreich „Tricks“.

  352. @Elektroniker 26.03.2021, 23:48 Uhr

    Mathematik und ‘Wahrheit’

    auch die Mathematiker, die als Wissenschaftler der „Wahrheit“ vermutlich stets am nächsten kommen,

    Mathematik befasst sich mit ‘Konstrukten’, der Kraftschluss zum Sein des Seienden liegt nicht in der Macht der Mathematik. Denn dann müsste Plato Recht gehabt haben, und das konnte noch niemand zeigen. Mathematik ist diesbezüglich immer GIGO.

    Trivial, dass die Mathematik Wahrheit am nächsten kommt, wenn man die Axiome und die Schlussregeln frei definieren kann und sich nur innerhalb dieser formalen Systeme bewegt. Die Kunst ist die Interpretation der Kalküle, wozu Empirie unerlässlich ist.

    Selbstverständlich können mathematische Modelle für empirische Systeme enorm nützliche und die Forschung anregende Hypothesen liefern, aber diese sind eben nicht wahrheitserweiternd. Nicht das mathematische Modell entscheidet, wie das Sein des Seienden auszusehen hat, sondern die Natur entscheidet, ob das Modell zutrifft.

    Mathematik ist im Bereich des Seienden nicht erfolgreicher als die Philosophie mit ihren Sätzen über Sätze. Ich hatte schon das Beispiel Evolution genannt. Mit Ausnahme von ein paar Spekulationen bei den alten Griechen, die mit dem, was unter ‘Evolution’ zu verstehen ist, nicht viel zu tun hatten, findet man nichts Verwertbares in der Geschichte der Philosophie zu diesem Thema. Trivial, dass Philosophen nur im luftleeren Raum über das spekulieren konnten, was mit dem zu tun hatte, was nur empirisch erforscht werden kann. Sie können dann zufällig Recht haben, aber sie hätten das nie begründen können.

    Eine gute Heuristik besteht darin, Philosophen in diesen Bereichen nur zu dem ernst zu nehmen, was zu deren Zeit schon erforscht war.

  353. @Elektroniker

    Es geht mir ausschließlich darum, bewährte Konzepte, sozusagen „Denkmuster“ der Elektronik/Informatik, den Neurologen zu vermitteln um zu einem grundlegenden Verständnis beizutragen.

    Dazu fehlen Ihnen enige elementare Kenntnisse. Die allermeisten neuronalen Synapsen funktionieren nicht elektrisch, sondern chemisch, außer den sogenannten “gap junctions”. Deshalb sind UND-Gatter grundsätzlich falsch. Richtig ist, dass die Spannungen an den Synpsen integriert werden, so dass bei Überschreiten eines Schwellwertes das postsynaptische Neuron schaltet. Außerdem gibt es exhibitorische und inhibitorische Synapsen. Die Weiterleitung der Signale ist eine Sache, die intrazelluläre Verarbeitung ist eine andere und die eigentlich bedeutende!

    Kandel hat einige Grundfunktionen neuronaler Signale erforscht, darunter einfache Gedächtnisfunktionen. Im Gehirn werden nicht Informationen verarbeitet, sondern Signale. Informationen bzw. Gedanken sind so emergent wie die Qualia. Es gibt sie nicht wirklich. Sie entstehen erst aus der Gleichzeitigkeit und Gesamtheit neuronaler Vorgänge.

    Es gibt seit einigen Jahren die Fachgebiete Biokybernetik und Bioinformatik. Die Biophysik gibt es seit fast 200 Jahren, seit den Experimenten mit Elektrizität von Galvani und Volta. Dort arbeiten selbstverständlich auch professionelle Elektroniker. Oberflächliche und schiefe Analogien tragen dagegen nichts zu neuen Erkenntnissen bei. Ich empfehle das Buch von Cruse, Dean, Ritter “Die Entdeckung der Intelligenz oder Können Ameisen denken?” (1998).

  354. @Elektroniker: “Mich würde es durchaus, ganz im Ernst freuen, könnten Sie meine Aussagen über die Funktionen von Neuronen, deren Zusammenwirken auch in einer Zeitstruktur, die ich wegen der fachlichen Grenzen, in möglichst einfacher Sprache beschreibe, ernsthaft und grundsätzlich widerlegen könnten.”

    Elektronische Funktionen lassen sich nicht auf das Gehirn übertragen. Die KI arbeitet mit neuronalen Netzen und bildet damit sehr begrenzte Funktionen ab, die man Hirnfunktionen möglicherweise zuordnen kann. Ein elektronisches System wächst nicht, im Gegensatz zu Neuronen, es hat keine hormonelle Steuerung, das Gehirn hat eine selektive Informationsverarbeitung, nur bestimmte Reize schaffen es überhaupt ins Bewusstsein bzw. Unterbewusstsein, in der Technik gibt es keine Gene, die sich verändern, keine Emotionen und und und. Es macht keinerlei Sinn, elektronische Schaltungen auf das Gehirn anzuwenden. Es ist so, als wollten Sie die Technik eines 20000 PS Schiffsmotor auf die Technik einer Schweizer Uhr anwenden (Vorsicht: Vergleicht hinkt).

  355. @Jeckenburger: “Meine eigentliche Frage war: welche Strukturen liegen dem Bewusstsein zugrunde, kann man das überhaupt verstehen, und wenn ja, kann man die Prinzipien dann später auf Computertechnik übertragen, und so Systeme mit künstlichem Bewusstsein bauen.”

    Ich denke, dass das auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird. Das Gehirn arbeitet nach meiner Auffassung multimodal. Ich sehe auch keinen Sinn in der Nachbildung menschlicher Intelligenz. Man hat dann auch alle negativen Aspekte wie Hass, Neid, Gier, etc. pp. Außerdem arbeitet menschliche Intelligenz nicht mit Algorithmen (wer sollte sie auch geschrieben haben). Vielleicht kennt man die Prinzipien von Selbstorganisation ja eines Tages so gut, dass man sie operationalisieren kann. KI ist aber viel nützlicher für uns und ungefährlicher.

  356. @Reutlinger: Die von Ihnen genannten Autoren machen denselben Denkfehler wie viele. Sie denken linear. Sie sagen, menschliche Intelligenz ist das Ergebnis immer komplexerer Neuronenverbände (was ja stimmt), also können wir diese einfach auf Maschinen übertragen (falsch). Menschliche Intelligenz besteht eben nicht nur aus elektrischen Schaltkreisen, sondern beinhaltet alles “drumherum”. Deshalb kann man die von ihnen aufgeworfene ethische Frage, ob ich einen Mord begehe, wenn ich einen intelligenten Roboter ausschalte, mit NEIN beantworten. Es ist so, als wenn ich zuhause das Licht ausschalte.
    P.S. die Autoren sagen übrigens, Intelligenz, sei eine “emergente Eigenschaft”, die sich nicht aus den Bestand- oder Bauteilen direkt ableiten läßt. Sie entsteht “neu”, wenn sich die dazu passenden Strukturen und Vernetzungen entwickelt haben. (Oha!)

  357. @Stegemann
    Intelligenz ist ein Bündel von Vermögen und Funktionen, nicht anders als Bewusstsein, von dem es ein Teil ist. Es kommt also darauf an, welche Einzelvermögen und Einzelfunktionen man unter die Lupe nimmt. Da sind:

    1. das Vermögen logisch zu schlussfolgern. Das wird in der Digitaltechnik miti logischen Schaltungen realisiert.
    2. das objektive Urteilsvermögen, als richtig oder falsch, wahr oder unwahr. Dafür gibt es Expertensysteme, wie z..B. medizinische Diagnosesysteme, oder allgemein die KI.
    3. das subjektive Bewertungsvermögen, als gut oder schlecht, schön oder hässlich. Dafür gibt es keine Technisierung. Dieses Vermögen ist ein Produkt der Evolution und von Kultur und Gesellschaft.
    4. das Planungsvermögen, d.h. persönliche Ziele zu bestimmen und Wege zum Ziel zu finden. Es ist ein subjektives Vermögen, aber Computer können unterstützen, mit Wissens- und Expertensystemen, oder z.B. Wiki.

    Intelligenz baut auf anderen Vermögen auf, wie einem leistungsfähigen Gedächtnis, dem Sprachvermögen und gut funktionierender Wahrnehmung und ebensolcher Motorik. Zur Intelligenz gehört obendrein, die eigenen Grenzen zu erkennen, sich z.B. keine unerreichbaren Ziele zu setzen!

    Einfach zu behaupten, ein Vermögen sei emergent, führt nicht weiter. Selbstverständlich ist die Intelligenz im Nervensystem realisiert. Wirklich Neues entsteht dabei nicht. Die Emergenz besteht allein darin, dass Neues sichtbar oder offenbar wird, was zuvor nicht beobachtet wird!

    Die Gravitation wird erst offenbar, wenn sie auf einen anderen Körper wirkt. Ein einzelner Körper entfaltet keine Gravitation! Natürlich besteht jeder komplexe Körper schon aus vielen Teilchen, die untereinander Gravitation entfalten. Aber Kräfte können sich gegenseitig neutralisieren, so wie Wellenberge und -täler, oder Gravitations- und Trägheitskraft. Dann ist nichts wahrnehmbar, obwohl etwas vorhanden ist!

  358. @Balanus / 26.03.2021, 20:48 Uhr

    »Indirekt schon, denn „[a]llein dass die Welt rational verstehbar ist, in einer mathematischen Sprache beschrieben werden kann und es Naturgesetze gibt, deutet auf einen rationalen Gesetzgeber hin”. Das meinte Barbara Drossel im sogeannten „Streitgespräch” mit Volker Sommer (Spektrum.de, 2018).«

    Das hat sie für meinen Geschmack etwas unglücklich formuliert. Denn die “rationalen Gesetzgeber” sind uns schliesslich namentlich bekannt, die üblichen Verdächtigen heissen Newton, Faraday, Ampère, Coulomb, etc. pp. Was Barbara Drossel vermutlich meint, wenn sie sagt “Die Physik wirft Fragen auf, die über sie selbst hinausweisen,” ist die Frage nach nach den apriorischen Bedingungen, die es grundsätzlich ermöglichen, auf diese rationale Weise, also u.a. durch adäquate Formulierung gewisser abstrakter Zusammenhänge, zu einem mehr oder weniger verlässlichen empirischen Wissen über zumindest doch etliche Phänomene zu kommen.

    Diese Frage lässt sich nicht a posteriori beantworten, da hier nach etwas Apriorischem gefragt wird. Das ist so ein Punkt, wo alle theoretische Weisheit zu Ende ist und die persönliche Entscheidung einsetzen muss. Frau Drossel hat sich für “Da waltet Gott” als Antwort entschieden. “Halt, nein,” rufen die ontologischen Materialisten, “da waltet natürlich die Materie!” Herr Kant wendet ein “Darüber etwas zu wissen ist nicht möglich,” worauf Herr Carnap hinzufügt “Schon die Frage ist total sinnlos,” was wiederum Herr Stegmüller präzisiert “Die Frage sinnvoll zu stellen ist nicht möglich.”

    »Das ist, wenn man manchen hier glauben darf, sowieso kein Problem, kann schon aus grundsätzlichen Erwägungen heraus kein Problem sein, eben weil religiöse und naturwissenschaftliche Narrative schon aus Prinzip nicht überlappen.«

    Aber doch nur, wenn keine Seite übergriffig wird. Das Alter der Erde aufgrund biblischer Hermeneutik auf 6,000 Jahre zu beziffern wäre so ein Übergriff. Und so etwas muss man zurückweisen, das gehört definitiv nicht in die Schule.

  359. @ anton reutlinger 27.03.2021, 09:37 Uhr

    Zitat: „Deshalb sind UND-Gatter grundsätzlich falsch. Richtig ist, dass die Spannungen an den Synpsen integriert werden, so dass bei Überschreiten eines Schwellwertes das postsynaptische Neuron schaltet. Außerdem gibt es exhibitorische und inhibitorische Synapsen.“

    Dass die Neurologen um die biochemischen Vorgänge besser Bescheid wissen als ich, daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Deswegen nehme ich sie als gegeben an und äußere mich nicht dazu.

    Andererseits klagen die Neurologen, dass sie sich nicht vorstellen können wie es zur „Informationsverarbeitung“ kommt. Sie vermuten seit rund 100 Jahren, dass es sozusagen an der „Elektronik“ liegt.

    Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die Eingangsspannungen beim Neuron integriert werden und beim Überschreiten eines Schwellwertes das Neuron triggert.

    Es ist auch keine exakte UND Funktion. Vom strengen logischen Standpunkt, wäre es auch eindeutig falsch wie Sie sagen.

    Allerdings „funktioniert“ das Gehirn sozusagen stochastisch. Wenn möglichst „qualifiziert“ viele „UND Bedingungen“ erfüllt sind, wird im Neuron „durchgeschaltet“. Dies hängt von den Lernvorgängen ab. Es ist auch eine Erklärung dafür, dass Menschen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen können, weil die Erfahrungen (Lernprozesse) unterschiedlich sind.

    Die Brücke zum Verständnis von neuronalen Netzen, sozusagen die Mathematisierung der Informationsverarbeitung, ist das Konzept des „Perzeptron“ (Wikipedia). Es erscheint praktisch alles geklärt. Letztlich dürfte das Langzeitgedächtnis, woran es noch Zweifel gibt, durch so etwas wie „Refreshimpulse“ (Zeitstruktur), wie bei bestimmten technischen (dynamischen) Speicherkonzepten, sozusagen immer wieder „aufgefrischt“ werden. Es scheint sogar denkmöglich, dass bei „Alzheimer“ der „Refresh“ nicht mehr korrekt funktioniert.

    Ich habe nur versucht, nützliche Konzepte aus der Elektronik/Informatik in die Neurologie zu übertragen.
    Das wären in bunter Reihenfolge:

    Aussagen zu „baumartigen Strukturen“ die (im Sinne der Informatik) den schnellen „Objektzugriff“ ermöglichen, oder dass die „Vermaschungen“ die Realisierung der Assoziationen begründen.

    Dass bestimmte „Hirnwellen“ auf die „Zeitstruktur“ der Prozesse Einfluss nehmen. Verknüpfungen in bestimmten „Zeitschlitzen“ erfolgen.

    Dass an „flächigen Strukturen“ (z.B. Netzhaut) Emergenzen (Bildpixel emergieren zu Bildern)„abgebildet“ werden können, bzw. dass örtliche und zeitliche „Entitäten“ in einem bestimmten Zusammenhang gebracht werden können.

    Dass es aufspaltende und zusammenführende Strukturen geben dürfte, um Muster im Detail zu erkennen und zu neuen übergeordneten Mustern zusammenzuführen.
    Dass Musterverarbeitung“, die Basis der Informationsverarbeitung im Gehirn und von Intelligenz sind (Perzeptron).

    Strukturelle Ähnlichkeiten mit holografischen Speichersystemen im Zusammenhang mit der Wissensabbildung, was die Örtlichkeit von Synapsen betrifft, bestehen dürften.

    Überlegungen im Zusammenhang mit der Auswertung und Verknüpfung von Mustern, zu systematischen Ladungsverschiebungen, ähnlich wie im Computer (Zeitstrukturen).

    Überlegungen zur Abbildung bzw. Realisierung von „Empfindungen“, wie Empfindungen zum „Bewusstsein“ emergieren könnten. Wie „unterbewusste Prozesse“ sozusagen die „Bewusstseinsanzeigen“, die vermutlich an „Zwischen- bzw. Endschichten“ realisiert werden, sozusagen „übergangen“ werden.

    Meine Aussagen sind hauptsächlich (außer wenn es um Empfindungen geht) so gedacht und formuliert, dass interessierte Neurologen praktisch bei fast jedem Elektroniker nachfragen könnten, bzw. im Internet bestens Auskunft über Details erhalten können.

  360. @Wolfgang Stegemann 27.03. 10:46

    „Ich sehe auch keinen Sinn in der Nachbildung menschlicher Intelligenz.“

    Ich dachte, die neuronalen Netze, die aktuell in der KI genutzt werden, sind schon der Hirnforschung abgeschaut. Auch wenn sie auf eine andere Art und auf einer ganz anderen Plattform laufen.

    „Man hat dann auch alle negativen Aspekte wie Hass, Neid, Gier, etc. pp.“

    Wenn diese Aspekte im Menschen Sinn machen, wieso nicht auch bei Maschinen? Zumal, wenn wir entsprechende KI machen, die den Prinzipien unseres Gehirn abgeguckt sind, können wir dies ja auch so modifizieren, wie wir das haben wollen. Also die Systeme z.B. mit weniger „negativen“ Emotionen bauen.

    „Außerdem arbeitet menschliche Intelligenz nicht mit Algorithmen (wer sollte sie auch geschrieben haben).“

    Bei der Übertragung von Prinzipien, die unser Bewusstsein bilden, müssen wir dies ja wohl z.B. dann von der Biologie der einzelnen Nervenzelle abgucken und das Funktionsprinzip dann auf einen Algorithmus im Computersystem umschreiben. Genau so wie wir das mit den derzeitigen neuronalen Netzen auch schon machen. Dabei können jetzt sogar noch Aspekte auftauchen, die Möglichkeiten bieten, dass die künstlichen Systeme mehr können als ihr Vorbild.

    „Vielleicht kennt man die Prinzipien von Selbstorganisation ja eines Tages so gut, dass man sie operationalisieren kann.“

    Eben, von der Möglichkeit gehe ich aus. Dann kann man sich daran machen, was entsprechendes zu bauen.

    „KI ist aber viel nützlicher für uns und ungefährlicher.“

    Sie unterscheiden hier KI von KI mit Bewusstsein. Für mich ist KI alles, was Computer intelligent machen, ob mit oder ohne eigenes Bewusstsein. Man muss der KI ja nicht gleich das Kommando über die Atomraketen geben. Aber ist der Mensch denn wirklich so gefährlich? Wird der Mensch denn nicht erst in der Masse richtig gefährlich?

    Ich sehe hier ja auch im Vorbild noch Geisteswelten beteiligt, und würde bei der Übertragung der Bewusstseinsprinzipien davon ausgehen, dass auch die Bewusstseins-KI einen Zugang der Geisteswelten benötigt, also über Zufallszahlen, die aus echtem Quantenrauschen generiert werden. Alleine schon interessant wäre es hier, über KI-Experimente der Erkenntnis von uns selbst näher zu kommen, insbesondere was die Geistesbeteiligung an unserem eigenem Bewusstsein angeht.

    Was an Bewusstseins-KI natürlich noch viel interessanter sein könnte, das ist, dass sie skalierbar ist, also sehr viel kleiner oder auch sehr viel größer sein kann wir ihr Vorbild. Zusätzlich bietet KI Kopiermöglichkeiten, d.h. was eine KI über Jahre mühsam gelernt hat, lässt sich in Minuten auf beliebig viele baugleiche Systeme übertragen. Die können das dann sofort auch. Wenn das nicht interessant ist, wer sollte da widerstehen, sowas zu bauen, wenn das in den Bereich des Möglichen gerät?

  361. @Elektroniker
    Dazu würde ich Ihnen empfehlen, eine Bewerbung beim Max Planck Institute for Brain Research einzureichen.
    Arbeitsplatzangebot Elektronik

    Die Stelle dürfte allerdings schon besetzt sein, das Angebot ist von 2013!

  362. @ Wolfgang Stegemann 27.03.2021, 09:46 Uhr

    Zitat: „Elektronische Funktionen lassen sich nicht auf das Gehirn übertragen.“

    Es geht mit darum zu betonen, dass z.B. Baumstrukturen beste noch dazu geordnete Zugriffseigenschaften haben, im Vergleich zu linearen Strukturen. Ein Laie könnte sich fragen, warum, die Information nicht linear wie z.B. bei der DNA angeordnet ist.

    Zitat: „Ein elektronisches System wächst nicht, im Gegensatz zu Neuronen, es hat keine hormonelle Steuerung, das Gehirn hat eine selektive Informationsverarbeitung, nur bestimmte Reize schaffen es überhaupt ins Bewusstsein bzw. Unterbewusstsein, in der Technik gibt es keine Gene, die sich verändern, keine Emotionen und und und.“

    Ein elektronisches System wächst insoferne als eben mehr Speicherplatz bei Bedarf dynamisch alloziert wird. Auf Hormone, Gene, Emotionen verzichten Techniker bei ihren Systemen gerne… Filter gibt es auch in der Elektronik.

    Zitat: „Es macht keinerlei Sinn, elektronische Schaltungen auf das Gehirn anzuwenden.“

    Es geht nicht um Schaltungsdetails, es geht um Konzepte, z.B. baumartig – linear, Zeitstrukturen, Verknüpfungen, Ladungsverschiebungen, Emergenzen, Refreshing ….

    Übrigens ist mir aufgefallen, dass die Konzepte die Elektroniker/Physiker entdeckt haben, schon längst von der Evolution „gefunden“ und genutzt wurden. Nur die Techniker beschreiben die Vorgänge, die Natur hat uns allerdings keine ausformulierten Algorithmen und auch keine „Betriebshandbücher“ hinterlassen. Wir müssen versuchen das herauszufinden.

  363. @Jeckenburger: Ich denke, es wird eines Tages kaum zu unterscheiden sein, ob es sich um KI oder NI handelt, aber es wird noch sehr sehr lange einen grundlegenden Unterschied geben, den ich versucht habe zu beschreiben, wenn überhaupt er jemals ausgeglichen werden kann.
    Was mich interessieren würde (nur aus Neugier): Wie genau stellen Sie sich Bewusstsein vor, das von außen ins Gehirn eindringt. Sie sprechen von Quantenzufällen. Ist es so gedacht, dass die ansonsten konsistente Welt Brüche aufweist, durch die (kosmisches oder fremdes?) Bewusstsein hindurchschlüpft? Denken Sie dann zum Teil nicht mehr selber und wie verbindet sich dieses fremde Bewusstsein mit Ihrem eigenen? Und wie sollte das physikalisch möglich sein, denn Ihre Gedanken haben eine materielle Basis, sind also quasi materiell, die anderen nicht?

  364. @Wolfgang Stegemann 27.03. 15:56

    „…,aber es wird noch sehr sehr lange einen grundlegenden Unterschied geben, den ich versucht habe zu beschreiben, wenn überhaupt er jemals ausgeglichen werden kann.“

    Ich schätze mal 50 bis 100 Jahre, oder es geht sogar gar nicht. Dann bleibt der Mensch alleine mit seinem Bewusstsein, das halte ich auch für möglich, aber das ist eine offene Frage.

    „Wie genau stellen Sie sich Bewusstsein vor, das von außen ins Gehirn eindringt.“

    Ich habe einfach ein Bewusstsein, das öfter von Inspirationen begleitet ist. Mal zur richtigen Zeit die richtige Idee zu haben führt mal weiter. Stellen Sie sich Ihr Bewusstsein vor, und denken sie sich dazu, dass manch eine ihrer Ideen auf einen Einfluss kosmischen Geistes zurückzuführen ist.

    In Ihrem Gehirn umsetzbar wäre dieses, indem Quantenzufälle z.B. an den Synapsen ihres Gehirns mal auf die Zukunft hin gezielt sein können, und so der Ideenentwicklungsprozess in Ihrem Gehirn in vom kosmischem Geist initiierte Richtung bewegt wird.

    Das ist defacto im wesentlichen schon mal das, was sie an sich selbst entsprechend beobachten könnten.

    Darüber hinaus halte ich es für denkbar, dass die grundsätzliche Struktur von innerer Erlebniswelt eine essenzielle geistige Seite hat, dass der Innenraum, in dem sich ihr Bewusstsein abspielt, in Wirklichkeit ein Geistesraum ist. Der dann mit den Inhalten ihrer mit Bewusstsein korrespondierenden Gehirnstrukturen, die die andere wesentliche Hälfte ihres Bewusstseins ausmacht, gefüllt wird. Bis hierhin fällt das nicht mal auf, erst wenn auch direkte Inhalte der Außenwelt, insbesondere von näherstehenden Mitmenschen, dort mit vorkommen, dann fällt es aber auch auf.

    Direkteren Kontakt zur Außenwelt und zu Anderen muss jetzt nicht jeder haben, wie sensibel der einzelne Mensch ist, das ist unterschiedlich. Entsprechend unterscheiden sich die eigenen spirituellen bzw. mystischen Erfahrungen, die man im Leben machen kann.

    Lebenspraktisch ist öfter mal die richtige Idee, die innere Qualität des eigenen Seins und der Zugang zu anderen Menschen und auch zur restlichen Natur das, was im Sinne einer gewissen Spiritualität einen Unterschied macht. Derweil bleibt das Bewusstsein eine Einheit, hier kommt nur was dazu, aber nichts, das konkurriert und von außen dazu kommt. Und die wesentliche Funktionalität bleibt eine organische, den Körper verlassen und nach dem Tod weiterleben, das geht nicht.

  365. @Jeckenburger: Ihr Bewusstsein ist ja ein Ergebnis einer materiellen Struktur. Wenn man alle Neuronen entfernt, haben Sie auch kein Bewusstsein mehr. Das, was da von außen als kosmischer Geist dazukommt, muss also etwas vollkommen anderes sein, bei dem nur der Begriff (den Sie gewählt haben) gleich ist. Mir ist völlig unklar, wie hier eine Kompatibilität hergestellt werden soll zwischen etwas Materiellem und etwas Immateriellem.
    Könnte es nicht auch so sein, dass unser Nervensystem extrem sensibel ist und dass unser ZNS aus vielen Bruchstücken aller möglichen Informationen so etwas wie ein Hologramm schafft. Und diese holographische Struktur ist bei vielen Menschen in Teilen sehr ähnlich (aufgrund ähnlicher Erfahrungen etc.). Dadurch kommt es zu synchronen Erfahrungen oder zu vorausschauenden Erfahrungen. Das würde dann bedeuten, dass nicht ein Geist Synchronizität konstruiert, sondern Sie selber.

  366. @Elektroniker 27.03.2021, 15:27 Uhr

    Butter bei die Fische …

    Sie schreiben:

    Es geht mit darum zu betonen, dass z.B. Baumstrukturen beste noch dazu geordnete Zugriffseigenschaften haben, im Vergleich zu linearen Strukturen.

    Und dann:

    Übrigens ist mir aufgefallen, dass die Konzepte
    [beispielsweise Baumstrukturen mit entsprechenden Zugriffen, T.W.] die Elektroniker/Physiker entdeckt [nur nebenbei, wurden die entdeckt oder erfunden, T.W.] haben, schon längst von der Evolution „gefunden“ und genutzt wurden.

    So, und nun schreiben Sie bitte, wo Sie herausgefunden haben, dass in der Evolution Baumstrukturen (im Sinne eines abstrakten Datentyps ‘Baum’) im Kontext mit Zugriffseigenschaften (beispielsweise als Pre-Order (W-L-R) oder anderen Traversierungen) realisiert sind.

    Sollten Sie das können, okay. Aber bitte mit einem konkreten Beispiel.

    Falls nicht, vielleicht lieber weniger spekulieren.

  367. @Elektroniker, Jeckenburger
    Die Spekulationen, die Sie anstellen, sind ganz amüsant, aber allesamt ohne Grundlage. Baumstrukturen oder Hierarchien gibt es überall in der Welt und überall im Leben. Jeder Mensch kennt sie und kann damit umgehen. In der Informatik werden sie nur intensiver und zielstrebiger genutzt. Selbst auf der DNA liegen manche Gene in Baumstruktur vor (HOX-Gene). Die DNA ist keineswegs so linear wie man lange glaubte.

    Zielgerichtete Zufälle sind blanker Unsinn. Wo und wann gibt es Quantenzufälle? Man darf die Laborphysik mit künstlichen Bedingungen nicht mit der “Wildnis der Natur” verwechseln. Dort spielen Quantenzufälle einfach keine Rolle, weil die Zufälle nicht beliebig zufällig sind und z.B. im Wärmerauschen untergehen. Andere Zufälle sind viel gewichtiger.

    Es gibt sicher manch begründete Kritik an den Fachwissenschaftlern, aber Dummköpfe sind sie ganz bestimmt nicht.

  368. @anton reutlinger 27.03.2021, 20:17 Uhr

    Baumstruktur der DNA?

    Selbst auf der DNA liegen manche Gene in Baumstruktur vor (HOX-Gene). Die DNA ist keineswegs so linear wie man lange glaubte.

    Was bedeutet ‘Baumstruktur’ in diesem Kontext?

  369. @ Thomas Waschke 27.03.2021, 18:50 Uhr

    Ich kann Ihnen gerne meine Gedankengänge im Zusammenhang mit „baumartig“ erläutern.

    Vorweg, ich verwende fast durchwegs den Begriff „baumartig“, um von den Baumstrukturen der Informatik genügend „Distanz“ zu halten. Sonst kommt man zu Begrifflichkeiten wie „pre order, post order ….“ wie Sie ganz richtig angemerkt haben. Aber dieses Konzept dass in der Informatik bei Suchvorgängen wichtig ist, spielt bei neuronalen Systemen, wegen der „neuronalen Gattertechnik“, eher eine untergeordnete Rolle.

    Es gibt auch ganz praktische Gründe sich mit der „Baumartigkeit“ zu beschäftigen, obwohl die neuronalen Strukturen unter dem Mikroskop eher „gestrüppartig“ scheinen.

    In der Wissenschaft waren vermutlich die Mathematiker wie üblich die Ersten, die sich mit „binären Bäumen“ beschäftigt haben. Die waren offensichtlich Grundlage für die Bäume der Informatiker. Vermutlich haben Mathematiker den Begriff auch aus „äußerlichen“ Gründen gewählt, weil eine abstrakte Ähnlichkeit mit Obstbäume nicht zu leugnen ist.

    Die Evolution hat Bäume offensichtlich „hervorgebracht“. Vermutlich kann die für die Photosynthese benötigte Sonnenenergie in „Baumkronen“ optimal gewonnen werden und andererseits die Nährstoffe optimal (sozusagen auf kürzestem Weg) über die verzweigte Baumstruktur bis zu den Blättern geleitet werden.

    Sicherlich hat die „Evolution“ (also was manche „Gott“ nennen, mit seinen „Zufallsgeneratoren“ samt „intelligenten Filtern“) auch mit (fast linearen) Variationen, (für mich als Biologielaien) auch mit Schlingpflanzen „experimentiert“.

    Linear oder baumartig, ist für Informatiker die (kurze) und stets pragmatisch gelöste Frage. Der Informationstransfer über „größere Entfernung“ und die „einfache“ Speicherung erfolgen eher „linear“.

    Ich kann nicht auf alle Aspekte eingehen, aber die Informationsverarbeitung in neurologischen Systemen erfolgt offensichtlich baumartig (und vermascht). So wie beim Binärbaum kann man in „wenigen Schritten“ sehr schnell, im Vergleich mit linearen Systemen, zum relevanten Suchergebnis kommen, also wie im Beispiel unten zur „Oma“, ohne dass die ganze Bildgalerie des Gedächtnisses seriell Bild für Bild einzeln „durch gescannt“ werden muss. Selbstverständlich ermöglicht das Konzept der Musterverarbeitung in baumartigen Strukturen auch eine massive Datenkompression.

    Ich habe vor Jahrzehnten in der Literatur ungefähr das nachstehende nunmehr realisierte Konzept, Sie werden es hoch spekulativ nennen, gefunden:
    Anschauliche und grundsätzliche „baumartige“ Mustererkennung: Zunächst dürften benachbarte Bildpixel mittels Gatter (Neuronen) in sehr viele Musterkomponenten „aufgespaltet“ und danach „zusammengeführt“ werden, um z.B. ein bestimmtes Objekt (Postleitzahlen, Buchstaben, Haus, Oma….) zu erkennen.

    Neuronen können im Prinzip nur triggern wenn z.B. von 2 (oder mehreren) bestimmten sensorischen Bildpixel, oder von vorhergehenden Neuronen, Information abbildende Signale ausgehen….

    Das sind alt bekannte Konzepte der Elektronik/Informatik aus den Anfängen der Schrifterkennung. (Realisiert wurde später die Gatterlogik in programmierbaren Prozessoren).

    Es geht mir um den Vergleich von Konzepten, nicht um detaillierte Schaltpläne. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Biologe ohne Fachkenntnisse in Elektronik/Informatik früher die Chance hatte, bestimmte Funktionen über den reinen Wirkmechanismus hinaus, nachvollziehen zu können.

    Das Gehirn war ein rätselhaftes Gestrüpp aus Neuronen und Synapsen….

  370. @Wolfgang Stegemann 27.03. 18:07

    „Mir ist völlig unklar, wie hier eine Kompatibilität hergestellt werden soll zwischen etwas Materiellem und etwas Immateriellem.“

    Na eben durch die gezielten Quantenzufälle. Damit die gezielt sein können, braucht es eine gewisse Vorausberechnungsfähigkeit, die der Kosmos standardmäßig zur Verfügung haben muss. Das nenn ich dann gerne kosmischer Geist, als verteilt im ganzen Universum und parallel überall tätig, wo es interessant ist.

    Und im menschlichen Bewusstsein, das als Gegenwart durch die Zeit unterwegs ist, ist es eben am aller interessantesten, so interessant, dass eventuell sogar Teile unserer Bewusstseinsfähigkeit von diesem Geist erst ermöglicht werden. Wie jetzt die tatsächlichen Anteile sind, das ist mir auch nicht bekannt. Und es gibt auf jeden Fall auch materielle Strukturen, die absolut erforderlich sind, damit ein Bewusstsein laufen kann, ohne die geht es schon mal gar nicht.

    Aber mit Geist geht dann eben mehr, das mag von Mensch zu Mensch recht verschieden sein, und was ein Mensch von sich selbst glaubt, kann auch noch mal Unterschiede machen. Aus meiner Sicht sind wir eben eine Synthese aus unserem lokalem Gehirn und einem Stück vom kosmischem Geist, mal mehr oder mal weniger in die eine oder in die andere Richtung. Wie genau das funktioniert, das fände ich spannend zu wissen. Was hier Hirnforschung und Psychologie Neues herausfindet, interessiert mich entsprechend.

    „Könnte es nicht auch so sein, dass unser Nervensystem extrem sensibel ist und dass unser ZNS aus vielen Bruchstücken aller möglichen Informationen so etwas wie ein Hologramm schafft“

    Kann auch sein, aber nach meiner Erfahrung reicht diese Erklärung kaum aus. Ohne wirkliche Verbindung zu Geisteswelten in mir selbst, mit Anderen und im ganzen Leben komme ich nicht hin. So oder so, ich mag den ganzen Kosmos, und bin gerne mittendrin dabei. Geisteswelten sind für mich nicht unbedingt ein Rückzugsgebiet, können es aber auch sein.

    Insbesondere kann uns Inspiration nicht davon befreien, die Erkenntnisse zu prüfen und vernünftig einzuordnen. Und unser Handeln gemäß unserem Wissen und vermögen ist nicht mit Beten um geistige Unterstützung zu ersetzten. Aber so, wie sich die Inspiration als hilfreich erweisen kann, tut es manchmal auch die Wirklichkeit von selber.

  371. @Elektroniker 27.03.2021, 23:45 Uhr

    Bitte endlich konkret werden

    Ich kann Ihnen gerne meine Gedankengänge im Zusammenhang mit „baumartig“ erläutern.

    Das war genau nicht das, was ich lesen wollte. Sie erheben einen Anspruch, von dessen Einlösung Sie meilenweit entfernt sind.

    Ich kann nicht auf alle Aspekte eingehen, aber die Informationsverarbeitung in neurologischen Systemen erfolgt offensichtlich baumartig (und vermascht).

    Genau hier liegt Ihre Chance. Es reicht, auf einen einzigen Aspekt einzugehen, aber das aber konkret und ohne unnötige Abschweifungen. Zeigen Sie konkret, was an welcher Informationsverarbeitung wo in ‘neurologischen Systemen’ (suchen Sie diesen Begriff bei Tante google, einfach als consciousness raiser im Kontext ‘Beherrschung der Fachsprache’) baumartig ist.

    Definieren Sie bitte zunächst ganz konkret in welchem Sinn ‘Baum’ in diesem Kontext zu verstehen ist, und wie das, was Sie über ‘Baum’ hinsichtlich abstraktem Datentyp in diesem Zusammenhang als Bereicherung der Neurobiologie betrachten.

    Das merkwürdigste Wort in dem, was ich von Ihnen zitiert habe, ist ‘offensichtlich’. Aus meiner Sicht ist nichts, was Sie schreiben, ‘offensichtlich’.

    Ganz im Gegenteil.

  372. @Wascke
    Mit “Baumstruktur” im Kontext der DNA meine ich Gene, die der Genregulation dienen, indem ihre Produkte als Transkriptionsfaktoren andere Gene aktivieren. Insbesondere in der Embryonalentwicklung spielen die HOX-Gene und Homöoboxen eine entscheidende Rolle, auch für die Artentwicklung im Rahmen der Evolution. Diese Gene und ihre Regulation bilden die Brücke zwischen Phylogenese und Morphogenese. Gene regulieren die Genexpression, das ist hier Selbstorganisation und hierarchische Spezialisierung in der Embryonalentwicklung.

  373. @Jeckenburger: Ein Stück Biomasse produziert Elektrizität (in Verbindung mit Hormonen und Proteinen). Diese Elektrizität bewegt Gliedmaßen, lässt uns sehen und uns in der Welt orientieren. Damit stehen wir in einer Reihe mit Einzellern, nur dass bei uns Hormone und Elektrizität in dieser spezifischen Weise dazukommen. Weil diese Biomasse das produziert, was man früher Geist nannte, heute eher Psyche, glauben viele, es handele sich um eine Entität, die unabhängig von der Biomasse eistieren könnte und meinen, wenn das so ist, könnte dieser Geist ja auch gleichmäßig im Universum verteilt sein. Ganz ehrlich: was für ein Unsinn. “Geist” ist Materie, nichts anderes.

  374. @anton reutlinger 28.03.2021, 08:44 Uhr

    Was bedeutet ‘Baumstruktur’ im Hinblick auf Gene?

    Mit “Baumstruktur” im Kontext der DNA meine ich Gene, die der Genregulation dienen, indem ihre Produkte als Transkriptionsfaktoren andere Gene aktivieren.

    Was soll in diesem Kontext der Begriff ‘Baumstruktur’ konkret bedeuten?

    Verstehen Sie mich nicht falsch, ich weiß, was HOX-Gene sind, ich weiß auch, was ‘Baum’ als abstrakter Datentyp bedeutet. Ich möchte gerne verstehen, wie Sie dazu kommen, den Begriff ‘Baumstruktur’ in diesem Kontext zu verwenden und was Sie damit ausdrücken wollen.

  375. @Elektroniker
    Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Biologe ohne Fachkenntnisse in Elektronik/Informatik früher die Chance hatte, bestimmte Funktionen über den reinen Wirkmechanismus hinaus, nachvollziehen zu können.

    Sie irren sich gründlich. In den Anfängen der Kybernetik/Nachrichtentechnik waren maßgeblich auch Biologen dabei.

    Zur Geschichte des Max Planck Instituts für biologische Kybernetik heißt es bspw.:
    Der Ursprung des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik liegt in der 1958 am Max-Planck-Institut für Biologie etablierten “Forschergruppe Kybernetik”, die sich aus dem Zoologen Bernhard Hassenstein, dem technischen Physiker Hans Wenking und dem theoretischen Physiker Werner Reichardt zusammensetzte.

    Aber schon 10 Jahre früher wurde von Heinz von Förster, Professor für Elektrotechnik und Biophysik, das Biological Computer Laboratory in Illinois gegründet. Mit ihm arbeiteten zeitweise die chilenischen Neurobiologen Maturana und Varela. Auch der Neurophysiologe McCulloch gehörte zu diesem Kreis von Kybernetikern um Norbert Wiener Ende der 40er Jahre. Zur gleichen Zeit wurde die Informationstheorie von Claude Shannon begründet, ebenfalls in der Forschungsgruppe von Wiener. Des weiteren gehörten dazu der Physiologe Rosenblueth und der Elektroingenieur Bigelow, im weiteren Umfeld der Anthropologe und Psychologe Gregory Bateson. Heinz von Förster war außerdem Mitbegründer des Konstruktivismus.

  376. @Waschke
    Mir geht es darum darzustellen, dass das Genom nicht einfach eine lineare Kette ist, die von links nach rechts oder umgekehrt abgelesen wird, sondern in seiner Dynamik der Expression von Genen dynamisch stark strukturiert ist. Das Lebewesen entsteht zuerst durch Zellteilungen in unspezfische Stammzellen, die sich später durch weitere Zellteilungen in spezialisierte Zellen bestimmter Organe und Gewebe entwickeln. Schon die Zellteilungen selber bilden eine hierarchische Struktur, aus jeder Zelle entstehen zwei Tochterzellen.

    Allerdings ist die hierarchische Struktur ein gedankliches Modell und nicht zu verwechseln mit der Natur selber. Das Lebewesen wird immer nur von den Blättern der Baumstruktur gebildet. Strukturen haben allgemeine und alltägliche Bedeutung für das geistige Leben. Struktur oder Ordnung ist gleichbedeutend mit Information. Damit schließt sich der Kreis zur Kybernetik.

  377. @Chrys // 27.03.2021, 14:10 Uhr

    » Das hat sie für meinen Geschmack etwas unglücklich formuliert. Denn die “rationalen Gesetzgeber” sind uns schliesslich namentlich bekannt, die üblichen Verdächtigen heissen Newton, Faraday, Ampère, Coulomb, etc. pp. «

    Ach ja, da hätte ich auch selber drauf kommen können—obwohl, die Rede war doch nur von einem ‘rationalen Gesetzgeber’. Aber gut, sagen wir, die „Feinabstimmung der Naturkonstanten“, die laut Drossel „mit Absicht gemacht“ wurde, dieses Feintuning sei das Werk der Heiligen Dreifaltigkeit gewesen: Wie könnten wir die drei benennen, etwa Maxwell, Faraday und Planck?

    Wer wollte bestreiten, dass es Fragen gibt, die keiner schlüssig und allgemeingültig beantworten kann. Interessanterweise fällt das vor allem dann auf, wenn es um naturwissenschaftliche Erkenntnisse geht. Und man kann darauf bauen, dass gerade dann auch die „Grenzen der Naturwissenschaften“ betont werden. So, als sei dies ein spezifisches Problem der Wissenschaften und nicht ein generelles Problem für alle, die nach dem Ursprung der Dinge fragen.

    Da kann man ja fast schon von Glück reden, dass die Vorstellungen Drossels vom Ursprung der Naturkonstanten und der zielgerichteten Kraft in der Evolution keinen Eingang in die Schulbücher gefunden haben. Es scheint, als säßen in den Schulbuchredaktionen vor allem Naturalisten.

  378. @anton reutlinger 28.03.2021, 11:33 Uhr

    Mir geht es darum darzustellen, dass das Genom nicht einfach eine lineare Kette ist, die von links nach rechts oder umgekehrt abgelesen wird, sondern in seiner Dynamik der Expression von Genen dynamisch stark strukturiert ist.

    Aktuell geht es mir darum, dass hier zwei Menschen den Begriff ‘Baumstruktur’ verwenden, und zwar in einem Kontext, den ich weder von der Biologie noch von der Informatik her nachvollziehen kann.

    Allerdings ist die hierarchische Struktur ein gedankliches Modell und nicht zu verwechseln mit der Natur selber.

    Das wäre mein Punkt gegenüber @Elektroniker gewesen: seine Gedanken aus der Elektronik etc. könnten auf der Ebene der Beschreibung durch gedankliche Modelle eventuell nützlich sein, falls er von Biologie etc. so viel versteht, dass das sinnvoll möglich ist.

    BTW, @Elektroniker hat durchaus damit Recht, dass die Biologen ohne Strukturwissenschaftler ein Problem haben. Ihre Antwort hat dessen Auffassung nur bestätigt, mutatis mutandis schrieben Sie dasselbe.

    Nur nebenbei, radikale Konstruktivisten haben meines Wissens die Biologie alles andere als weiter gebracht. Verkappter Solipsismus ist nun wirklich nichts, was einen Biologen weiter bringen könnte.

    Das Lebewesen wird immer nur von den Blättern der Baumstruktur gebildet.

    Sorry, das verstehe ich nicht.

    Strukturen haben allgemeine und alltägliche Bedeutung für das geistige Leben. Struktur oder Ordnung ist gleichbedeutend mit Information. Damit schließt sich der Kreis zur Kybernetik.

    Ganz ehrlich, was der Begriff ‘Baumstruktur’ in diesem Kontext bedeuten soll, erschließt sich mir immer noch nicht.

    Man könnte sich auch streiten, ob ‘Information’ nicht gerade dann besonders groß ist, wenn es eben keine Ordnung gibt. Ein Eiskristall ist viel weniger informativ als Wasserdampf.

  379. @Waschke
    Dass Strukturen für die Biologie eine große Rolle spielen, steht außer Frage. Die DNA hat eine Struktur, die analog der Struktur von Texten ist. Somit können die Algorithmen und Programme der computerisierten Textverarbeitung auf die Genetik angewandt werden. Ebenso gibt es binäre Relationen, deren antisymmetrische Verknüpfungen in Baumstrukturen (Hierarchie), oder die in allgemeinen Graphen (Heterarchie) dargestellt werden. Dafür gibt es relationale Datenbanken und andere Werkzeuge der Informatik. Das ist aber alles bekannt und wird in der Bioinformatik seit Jahren angewandt, im Gegensatz zur Behauptung von @Elektroniker.

    Da eine sich teilende Zelle in den beiden Tochterzellen aufgeht, bleiben im Lebewesen immer nur die Blätter der Baumstruktur übrig. Die Mutterzellen sind nicht mehr vorhanden, so wie die verstorbenen Vorfahren im Stammbaum.

    Bezüglich des Informationsgehalts von Systemen muss man unterscheiden zwischen Export und Import von Information. Ein System hoher Ordnung kann keine Information aufnehmen (importieren) ohne Redundanz, aber viel Information abgeben. Bei Systemen niedriger Ordnung (hohe Entropie) ist es entsprechend umgekehrt. Eine sortierte Zahlenfolge kann nicht weiter sortiert werden, kann aber viel Information liefern, meist der Zweck der Sortierung. Information ist Struktur, Ordnung oder Negentropie (Leon Brioullin).

  380. … und ich habe so langsam den Eindruck, dass manch einer Fata Morgana mehr Realität zuzuschreiben ist als manchem Diskussionsfaden hier.
    Was war nochmal das Ursprungsthema?

  381. @Maier
    Nun ja, manchmal kommt man etwas vom Weg ab oder man verzettelt sich, vor allem wenn man auf unpassende Beispiele oder Analogien aufspringt. Aber anscheinend bleibt es trotzdem überwiegend interessant. Wir alle wissen wohl, dass das Ursprungsthema “Rätsel Bewusstsein” letztlich unlösbar ist. Kaum jemand lässt sich von seinen festen Überzeugungen oder seinem Glauben abbringen. Mich interessieren die Argumente selber, obwohl auch an meiner Überzeugung daduch kaum gerüttelt wird.

  382. @anton reutlinger 28.03.2021, 14:28 Uhr

    Vernebelnde Metaphern

    Nun ja, manchmal kommt man etwas vom Weg ab oder man verzettelt sich, vor allem wenn man auf unpassende Beispiele oder Analogien aufspringt.

    Sind wir uns einig, dass ‘Baumstruktur’ ein passendes Beispiel für eine vollkommen verfehlte Analogie ist?

    Wie gesagt, ich kenne ‘Bäume’ aus der Biologie und aus der Informatik. Mich hätte interessiert, wie man darauf kommen kann, beides unter einen Hut bringen zu sollen.

    Inzwischen bin ich mir sicher, dass das keinen Sinn macht.

    Ich vermute, dass @Balanus vollkommen Recht hat: ‘Baumstruktur’ ist eine vernebelnde Metapher.

  383. Ich denke, dass die Analogie zwischen Computerwissenschaft und Neurobiologie auf einem einzigen Missverständnis beruht. Die CW glaubt, sie bilde die Natur nach, weil sie das Prinzip Mutation und Selektion anwendet. Das ist so, als wenn ich sage, ein Flugzeug bildet den Vogelflug nach. Der CW tut dies keinen Abbruch. Die NB wendet Erkenntnisse aus Netzwerktechnik an und kann damit bestenfalls begrenzte Gegenstandsbereiche versuchen abzubilden. Informationstheoretische Ansätze wie z.B. Tonnoni halte ich für nützlich, was Bewusstsein ist, erklären auch sie nicht.
    Biologische Selbstorganisation muss erst grundlegend verstanden werden, bevor man das Gehirn versteht. CW ist dabei wenig hilfreich. Selbstorganisation könnte man als Wachstum verstehen, dieses wiederum als Assoziation von kompatiblen “Stoffen”. Das würde Metabolismus ebenso erklären wie Denken und Lernen. Die Frage wäre also, wie und warum assoziieren sich biochemische und bioelektrische “Muster” zu neuen “Mustern”. Ich denke, es ist ein integrativer Prozess aus beiden. Wahrscheinlich regt die “Elektrizität” chemische Muster an und der Speicher ist letztendlich ein chemischer. Ich kann mir vorstellen, dass Hormone dabei eine viel größere Rolle spielen, als angenommen. Aber das ist alles nur ein Gedankenspiel. Nicht mehr.

  384. @Waschke
    Wie oben beschrieben gibt es durchaus analoge Strukturen zwischen Informationswissenschaft und Biologie, in diesem Fall zwischen Zeichenketten und DNA, realisiert in Textverarbeitung und Genomik sowie Proteomik. Für Baumstrukturen fällt auch mir jetzt keine passende Analogie ein, obwohl ich es für wahrscheinlich halte, dass man biologische Daten in Baumstrukturen oder Hierarchien, in Netzen oder Graphen abbilden könnte. Neuronale Strukturen sind ohne Zweifel als gerichtete Graphen darstellbar. Die Graphentheorie liefert dazu passende Algorithmen für verschiedene Problemlösungen.

    Es gibt inzwischen zahlreiche Anwendungen der Informatik in der Biologie und in der Pharmaforschung. Ein Stichwort dazu ist Structure-based-rational-drug-design, indem konkrete Proteinstrukturen auf pharmazeutische Anwendungsmöglichkeiten geprüft werden.

  385. anton reutlinger
    28.03.2021, 14:28 Uhr
    Kaum jemand lässt sich von seinen festen Überzeugungen oder seinem Glauben abbringen.

    Aus Erfahrung kann ich dieser Feststellung zustimmen, ein Gläubiger ändert nur ausgesprochen selten seine Überzeugung – und wenn, wird es meistens nur anders und nicht besser, siehe Saulus – Paulus.
    Nur dachte ich, dass wir hier in dieser Runde logische Schlussfolgerungen als Argumente austauschen und niemanden “zum rechten Glauben bekehren” wollen. Die Wissenschaft beruht darauf, dass ein Experiment zu anderer Zeit an anderem Ort von anderen Experimentatoren dasselbe Ergebnis hervorbringt, das nennen wir dann in der Kurzform “Wissen”. Ebenso sollten doch auch logische Schlussfolgerungen von mehreren Teilnehmern hier logisch nachvollzogen werden können. Vermutungen und Annahmen sollten wir auch asl solche kennzeichnen, um Verwirrungen zu vermeiden.

  386. @anton reutlinger 28.03.2021, 19:18 Uhr

    Für Baumstrukturen fällt auch mir jetzt keine passende Analogie ein

    Endlich sind wir uns einig 🙂

  387. @ Thomas Waschke 28.03.2021, 08:28 Uhr

    Zu „Offensichtlich“: Für mich ist, aus meiner Erfahrung heraus z.B. „offensichtlich“, dass bei intakter Technik, ein Licht angeht wenn ein Lichtschalter betätigt wird. Aus philosophischer Sicht muss es noch lange nicht so sein. Physiker müssen mitunter einräumen, dass nicht alles erklärt werden kann, sogar mit der Beantwortung einer Frage, 10 neue Fragen auftauchen können.

    Es gibt im „Endlichen“ Grenzen der Beschreibbarkeit. Theologen haben versucht dem näher zu kommen, um z.B. schwer beschreibbare Sachverhalte einer großen Menge von Menschen erklären zu können. Sie benutzen z.B. bildhafte anschauliche „Muster“, oder sogar persönliche auch emotionale Erfahrungen.

    Das wären auch „Berufserfahrungen“, Heuristiken. Darauf greifen besonders häufig Elektroniker zurück, die Erfahrungen damit haben, wie man primitive elektronische Schaltungen (z.B. Gatter) in mitunter höchst komplexe Strukturen zur Realisation von Steuerungskonzepten einbindet, die es vorher noch nicht gegeben hat, für die noch keine vernünftigen Bezeichner existieren.

    Beispiel Kühlschrank: Wird die Türe geschlossen, geht ein elektrischer Kontakt „auf“ und das Licht im Kühlschrank erlischt. Geht die Türe auf, schließt sich der Schalter und das Licht leuchtet aus den allgemein bekannten Gründen. Das logische Konzept hinter den Gatterschaltungen, ist ihnen sozusagen in „Fleisch und Blut“ übergegangen, wie man so sagt.

    Selbst Philosophen erklären mitunter den Studenten die Prädikatenlogik mit elektrischen Schaltern und Lampen.

    Baumartig, besser gestrüppartig ist der „äußere Anschein“ der neuronalen Strukturen unterm Mikroskop. Die Strukturen sind definitiv nicht linear, sie verzweigen in die „Tiefe und Breite“. Die Funktion ist leider nur sehr begrenzt, aber eher nicht wirklich vergleichbar mit den Baumstrukturen der Informatik. (Deswegen verwende ich normalerweise „baumartige Strukturen“ und nicht den Begriff Baumstrukturen).

    Die baumartigen Strukturen von denen ich spreche, sind allein schon deswegen kein „Datentyp“ weil die auszuwertenden Informationen keine „Daten“ im Sinne der Informatik sind, sondern „Objekte“, besser „Muster“, also eine Art von Verbund zwischen „Daten und Programm“.

    Auch erfolgen keine Traversierungen im Sinne der Informatik. Die Verknüpfungen erfolgen über Knoten (Synapsen und Neuronengatter) nach stochastischen und nicht absolut logischen Gesichtspunkten, wie in der Schaltalgebra. Es erfolgen konkrete Ladungsträgerverschiebungen zwischen Synapsen und Gattern.

    Das ist bei den „Bäumen der Informatik“ anders, da bestehen abstrakte (Adress-) Beziehungen („Zeiger“) zwischen den „Strukturelementen“.

    Die Speicherung der Muster erfolgt in den „Verzweigungen des Netzes“ und nicht in Schaltzuständen wie in der Informatik.

    Wenn man allerdings davon ausgeht, dass es Gatterfunktionen der Neurone wirklich gibt, dass es messbare Ladungsträgerverschiebungen zwischen den Synapsen und Gattern gibt, diese Strukturelemente ungefähr baumartig, keinesfalls z.B. linear wie bei der DNA angeordnet sind, könnte man den Begriff „baumartig“ für zweckmäßig halten.

    An der Netzhaut wird „punktweise“ optische Information (auf Stäbchen, Zapfen) abgebildet und die emittierten Signale offensichtlich in den „Tiefen der Struktur“ geleitet und ausgewertet. Außerdem emergieren bereits auf der Netzhaut die Pixel zu optischen Bildern.

    Diese Pixel dürften mittels „aufspaltender Gatterfunktionen“ in „Mikromuster“ umgewandelt werden, wie z.B. bei Systemen der Texterkennung. Die Gesamtmuster ergeben sich, wenn hierarchisch über mehrere Verarbeitungsstufen, viele „Teilmuster“ zu „Ergebnismuster“ umgesetzt werden. Bedeutet z.B. aus Variationen von Teilmustern können unterschiedliche Personen, Gebäude, Landschaften …. zu „Objekten des Bewusstseins“ emergieren.

    Bei diesem Konzept werden die die Information abbildenden Strukturen „erweitert“, bereits vorhandene Muster werden nicht immer wieder neu angelegt, dies bewirkt eine extreme Reduktion der Menge an zu „speichernder“ Information, bei sehr schnellem Zugriff auf die Muster. Dieses Konzept dürfte wissenschaftlich belegt sein.

  388. Elektroniker
    29.03.2021, 01:13 Uhr
    Außerdem emergieren bereits auf der Netzhaut die Pixel zu optischen Bildern.

    Mir kommt dabei der Spruch “Schuster, bleib’ bei deinem Leisten” in den Sinn. Ich bin zwar interessiert, was die Biologie so alles kann, stelle aber immer wieder einen großen Mangel an Wissen fest. Nach meiner Kenntnis sind wir noch meilenweit entfernt, allein das “Sehen” halbwegs zusammenfassend beschreiben zu können. Es werden die Signale der Zäpfchen und Stäbchen schon in der Netzhaut “verrechnet” und dann noch einmal aufwändig in der Sehrinde ( waagerecht + senkrechte Linien, bewegte Pixel von rechts nach links + umgekehrt, von unten nach oben + umgekehrt, Kontrastunterschiede, Gesichter als Smileys und was dergleichen mehr ist ) und was wir dann letztendlich meinen zu sehen ( das Bild ), können wir noch nicht erklären. Mein Kenntnisstand ist auch der, dass man die Interaktionen von 2 – 4 Neuronen mittels Gattern versucht hat nachzubilden, wobei die Zahl der dazu nötigen Gatter dem Faktor 50 bis 100 in Bezug auf die verknüpften Neuronen entsprach.
    Aus technischer Sicht kann ich nur “den Hut ziehen” vor der Leistung der 3 Giga-a-Entwicklung inklusive aller Fehlfunktionen und wir sollten bescheiden sein und nur über das reden, wovon wir jeweils wirklich Kenntnis haben. Aber Fragen stellen können wir auch darüber hinaus, vielleicht antwortet ja jemand – mit Wissen.

  389. @Elektroniker 29.03.2021, 01:13 Uhr

    Sorry, Etüden im freien Assoziieren bringen nichts

    Baumartig, besser gestrüppartig ist der „äußere Anschein“ der neuronalen Strukturen unterm Mikroskop.

    Das ist im Kontext dessen, was wir diskutiert haben, das Wedeln mit der weißen Flagge, meilenweit von einem Argument entfernt.

    Ich habe ganz konkret gefragt, Sie produzieren ASCII die Masse, aber nichts, was mit dem Thema zu tun hat.

    An der Netzhaut wird „punktweise“ optische Information (auf Stäbchen, Zapfen) abgebildet und die emittierten Signale offensichtlich in den „Tiefen der Struktur“ geleitet und ausgewertet. Außerdem emergieren bereits auf der Netzhaut die Pixel zu optischen Bildern.

    Ich kann Ihnen nur dringendst raten, sich wenigstens auf dem Niveau von Schulbüchern zu informieren, bevor Sie alles zu Nägeln machen, weil Sie nur einen Hammer haben.

    Ihre Berufserfahrung in allen Ehren, aber für die Themen, an denen Sie sich hier versuchen, ist die irrelevant, weil Ihnen offensichtlich die banalsten Kenntnisse biologischer Sachverhalte fehlen.

  390. @ Karl Maier 29.03.2021, 01:41 Uhr

    Sie scheinen sehr stark die Meinung von Prof Singer zu vertreten, der meiner Meinung nach der Realität (der Informationsverarbeitung im Gehirn) sehr nahe kommen dürfte. (Bindungsproblem).

    Zitat: „Es werden die Signale der Zäpfchen und Stäbchen schon in der Netzhaut “verrechnet” und dann noch einmal aufwändig in der Sehrinde ( waagerecht + senkrechte Linien, bewegte Pixel von rechts nach links + umgekehrt, von unten nach oben + umgekehrt, Kontrastunterschiede, Gesichter als Smileys und was dergleichen mehr ist ) und was wir dann letztendlich meinen zu sehen ( das Bild ), können wir noch nicht erklären. Mein Kenntnisstand ist auch der, dass man die Interaktionen von 2 – 4 Neuronen mittels Gattern versucht hat nachzubilden, wobei die Zahl der dazu nötigen Gatter dem Faktor 50 bis 100 in Bezug auf die verknüpften Neuronen entsprach.“

    Sie wissen sogar über die Örtlichkeit der Prozesse und über den Sachverhalt dass es sich stochastisch verhält, also sehr viele „technische Gatter“ benötigen werden um neuronale Gatter „nachzubilden“, offenbar recht gut Bescheid. Genau das was Sie hier formulieren ist nötig um die grundsätzlichen Mechanismen zu erklären. Ich versuche nur die Erkenntnisse der künstlichen Bildverarbeitung einzubinden.

    Was Sie unter „verrechnet“ verstehen, entspricht meiner Meinung nach der Aufspaltung in Mikromuster und den darauf folgenden, zu Ergebnismustern „zusammenführenden“ neuronalen Verknüpfungsprozessen. Die Muster entstehen beim Lernen und werden auf synaptischen Verknüpfungen informell „abgebildet“.

    Dass im Bereich der Netzhaut optische Bilder (des Gesehenen) auftreten, dass erkennt man ganz banal, wenn man sich selber die Augen im Spiegel betrachtet. Dass Bildpixel (und nicht “ganze Bilder” an „Stäbchen und Zapfen“ anliegen ist Lehrbuchgrundwissen. Mich wundert dass T. Waschke sogar dies bestreitet?

    Es geht darum die „Muster“ zu erkennen, was sich sozusagen in der Umwelt so „abspielt“ und diese Muster zu interpretieren und in die Biographie einzubinden. Dabei spielen offensichtlich auch Sachverhalte im Zusammenhang mit einer Zeitstruktur (sozusagen Bindungen in einen Zeitschlitz) eine Rolle, womit sich offenbar von der Malsburg und Singer beschäftigt haben. Die grundlegenden Konzepte kommen in der Elektronik/Informatik längst schon zur Anwendung.

    „Bildermuster“ (ihre informelle Abbildungen) entstehen vermutlich an flächigen Strukturen, vergleichbar damit, wie Informationen in der Informatik an „Akkumulatorstrukturen“ (Datensammler) entstehen und sozusagen den Akku „durchlaufen“, der so etwas wie das Zentrum der elektronischen Datenverarbeitung ist.

  391. @Balanus / 28.03.2021, 11:57 Uhr

    In der Physik sind die sog. “Naturgesetze” stets objektsprachliche Formeln im Kontext irgendeiner Modellierung. Und als Kandidat für einen “rationalen Gesetzgeber” kommt dann nur der Modellierer in Betracht. Doch die Modellierung eines Phänomens darf nicht mit dem observablen Phänomen verwechselt werden, und unglücklich halte ich an der fraglichen Formulierung von Barbara Drossel insbesondere, dass sie zwischen Modell und Phänomen hier nicht so klar unterscheidet, wie es der Sache angemessen wäre.

    Die Bezeichnung “Naturgesetz” ist doch nur eine der menschlichen Lebenswelt entlehnte Metapher, die unpassend ist, indem sie unausweislich die Assoziation mit einem “Gesetzgeber” weckt und damit sogleich die nächste unpassende Metapher nach sich zieht.

    Die Frage, warum das eigentlich in der Physik so vergleichsweise gut funktioniert, unter Verwendung abstrakter Modellierungen verlässliche Aussagen zu konkreten Phänomenen zu erhalten, ist doch tatsächlich eine, die über die Physik hinausweist und sich letztlich nicht durch Physik beantworten lässt. Eugene Wigner sprach dabei sinngemäss bekanntlich von einem Wunder, das wir weder verstehen noch verdienen.

    »So, als sei dies [dass es Fragen gibt, die keiner schlüssig und allgemeingültig beantworten kann] ein spezifisches Problem der Wissenschaften und nicht ein generelles Problem für alle, die nach dem Ursprung der Dinge fragen.«

    Wer behauptet das denn so, dass dies ein spezifisches Problem der Wissenschaften sei? Übertreibst Du da nicht ein wenig?

  392. @Elektroniker 29.03.2021, 09:44 Uhr

    Dass Bildpixel (und nicht “ganze Bilder” an „Stäbchen und Zapfen“ anliegen ist Lehrbuchgrundwissen. Mich wundert dass T. Waschke sogar dies bestreitet?

    Definieren Sie ‘Bildpixel’ für

    Stäbchen

    Zapfen

    “anliegen” (ein mir unbekannter Fachbegriff in diesem Kontext, den Sie vielleicht definieren sollten)

    Dann sollten Sie etwas bemerken. Nur als ‘Bonbon’: man könnte ‘Pixel’ sinnvoll anwenden, aber das müssten Sie anders machen …

    Aber das ist eine Etüde in Irrelevanz, denn das hat niemand behauptet (ganze Bilder auf der Netzhaut).

    Informieren Sie sich gelegentlich, wie Sehen bei Insekten funktioniert. Und dann fragen Sie sich, warum Ihr ‘Modell’ mal passt und mal nicht.

  393. @ Thomas Waschke 29.03.2021, 11:46 Uhr

    Wenn man sich selber die Augen im Spiegel betrachtet, so erkennt man als Mensch ein „offensichtlich“ vollständiges Bild. (Habe mich zur Sicherheit gerade nochmals davon überzeugt).

    An die Existenz von „Facettenaugen“ bei Insekten, kann ich mich noch aus meiner Grundschulzeit erinnern. Sie empfinden vermutlich kein scharfes Gesamtbild wie Menschen, aber die Musterverarbeitung dürfte einfacher sein, weil die vielen direkt in den jeweiligen Segmenten „abgebildeten“ und in elektrische Signale umgesetzten „Bildmuster“ nicht mehr „aufgespalten“, sondern direkt verknüpft werden können um die für die Ernährung relevanten Muster (Blumen, …) zu erkennen.

    Laut Wikipedia befinden sich in der Fotorezeptorenschicht der Netzhaut des Menschen 6 Millionen Zapfen und ungefähr 120 Millionen Stäbchen. Unter der Annahme dass die Stäbchen und Zapfen annähernd gleich verteilt sind, kann man auf die Größe der kleinsten aufgelösten „Bildbereiche“ ungefähr schließen, ähnlich wie bei einem Photo.

    „Mein Modell“ passt immer, nur die „technischen Lösungsplattformen“ unterscheiden sich gemäß den Anforderungen, ganz so wie ich es gewohnt bin ….

  394. @ Wolfgang Stegemann 29.03.2021, 13:08 Uhr

    Vielen Dank für diesen Link.

    Habe den Text vom Prof. Singer vorerst nur überflogen, das absolut Beste was ich jemals zu diesem Thema gelesen habe.

    Habe noch keinen einzigen Punkt gefunden wo ich widersprechen würde. Fast jeder Satz hat mich begeistert …..

  395. @Elektroniker 29.03.2021, 13:14 Uhr

    Laut Wikipedia befinden sich in der Fotorezeptorenschicht der Netzhaut des Menschen 6 Millionen Zapfen und ungefähr 120 Millionen Stäbchen. Unter der Annahme dass die Stäbchen und Zapfen annähernd gleich verteilt sind, kann man auf die Größe der kleinsten aufgelösten „Bildbereiche“ ungefähr schließen, ähnlich wie bei einem Photo.

    Falls Sie sich nun noch darüber informieren, was Horizontalzellen, Bipolarzellen und amakrine Zellen sind, und dann noch einmal lesen, was Sie gerade geschrieben haben, sollten Sie nachvollziehen können, warum ich davon ausgehe, dass Sie hinsichtlich Biologie noch viel zu lernen haben.

  396. Elektroniker
    29.03.2021, 13:14 Uhr
    Laut Wikipedia befinden sich in der Fotorezeptorenschicht der Netzhaut des Menschen 6 Millionen Zapfen und ungefähr 120 Millionen Stäbchen. Unter der Annahme dass die Stäbchen und Zapfen annähernd gleich verteilt sind, kann man auf die Größe der kleinsten aufgelösten „Bildbereiche“ ungefähr schließen, ähnlich wie bei einem Photo.

    Und schon die “Annahme” stimmt nicht, Zäpfchen und Stäbchen sind eben nicht gleich verteilt, dazu haben sie unterschiedliche Funktionen:
    >Es sind pro Auge ca. 110 Millionen Stäbchen vorhanden, die zusammen mit den ungefähr 6 Millionen Zapfen auf 1 Million Ganglienzellen konvergieren.Dessen Durchmesser beträgt rund 3 mm. In der Mitte des gelben Flecks sitzt die etwas eingesenkte und gefässfreie Fovea centralis retinae, deren Durchmesser rund 1,5 mm beträgt. Sie bildet aufgrund der hohen Fotorezeptordichte den Punkt des schärfsten Sehens. Mittig in der Fovea centralis retinae findet sich die sogenannte Foveola. Mit der Foveola kann man beim Lesen nur ein bis zwei Buchstaben erkennen und dies ist der absolut schärfste Punkt des Sehens.<
    Diese Information ist ganz einfach zu finden. Das Auge ist nicht nur einfach ein "Fotoapparat", es ist ein wesentliches Werkzeug zum Überleben und daher in der Evolution "passgenau" entstanden ( auch wenn die Evolution das "Lesen von Buchstaben" nicht vorhersehen konnte 😉 ).
    Ich habe schon festgestellt, dass ich ( leider ) viel zu wenig weiß, aber der Umfang des Wissens ist derart groß, dass es eben Spezialisten geben muss, die jahrelang ( ihr Leben lang ) nichts anderes tun, als ihr Spezialgebiet zu beackern. Sicher können wir Laien hier gerne "philosophieren", was wäre wenn … oder ob nicht das eine mit dem anderen …, aber wir sollten uns bewusst sein, dass es allermeist nur Spekulation ohne "realen Gegenwert" ist.
    Natürlich kann man auch ein Ziel darin sehen, von möglichst viel nur das Wesentliche zu wissen und wie beim "Glasperlenspiel" Zusammenhänge zu suchen und zu finden, die da sind – oder auch nicht, weil es nur Artefakte sind. Das nennt man dann aus meiner Sicht "Philosophie". Davon möchte ich den Bereich, der sich mit dem Zusammenleben von Individuen und Gruppen/Völkern beschäftigt, auch abgrenzen.

  397. Karl Maier
    29.03.2021, 14:58 Uhr

    Zapfen auf 1 Million Ganglienzellen konvergieren. … Hier stand weiterer Text, der durch die html-Formatierung leider automatisch entfernt worden ist … Dessen Durchmesser beträgt rund 3 mm.

  398. Nur mal so nebenbei: die Bewusstseinsforschung ist dem Rätsel Bewusstsein noch keinen Schritt nähergekommen. Es gibt zig verschiedene Ansätze, die allesamt das Problem nicht lösen können, wie aus physiologischen Vorgängen bewusstes Erleben entsteht. Da gibt es die ulkigsten Modelle. Eins geht von einer gekrümmten 4-dimenionalen Raumzeit aus und versucht mit relativistischen Annahmen die Schnelligkeit des Aufbaus des Bewusstsein, quasi ohne Verzögerung zu erklären. Die Assembly-Theorie, der Singer anhängt, beschreibt einen kleinen Ausschnitt (Synchronisation von Mustern), abe löst das Problem nicht.

  399. @Karl Maier 29.03.2021, 14:58 Uhr

    Und schon die “Annahme” stimmt nicht, Zäpfchen und Stäbchen sind eben nicht gleich verteilt, dazu haben sie unterschiedliche Funktionen:

    Das ist gegenüber der Tatsache, dass die Zapfen 1:1 weitergeleitet werden, während viele Stäbchen zusammengeschaltet werden, eher marginal.

    Daher habe ich @Elektroniker aufgefordert, ‘Pixel’ in diesem Kontext zu definieren. Bei Zapfen geht das noch so in etwa, bei Stäbchen muss man ‘Pixel’ anders definieren. Und dann gibt es ja noch rezeptive Felder …

    Wie gesagt, das Ganze ist schon auf der Netzhaut-Ebene randvoll mit Verrechnungen, ein Elektroniker kann hier durchaus sinnvoll argumentieren, aber eben nur wenn er seine Hausaufgaben gemacht hat.

  400. @ Thomas Waschke 29.03.2021, 14:41 Uhr

    Ich habe genau deswegen den Nicknamen „Elektroniker“ gewählt, weil ich eben kein Fachmann in Biologie bin und alles aus der Sicht der Elektronik sehe. Allein schon deswegen, weil mich Biologie kaum interessiert hat. Mir ist bereits in der Schule aufgefallen, dass „Biologen und Techniker“ grundlegend unterschiedliche Menschentypen sind.

    Allerdings ist mir aufgefallen, dass Neurologen die natürlich auch biologisch orientiert sein müssen, seit rund 100 Jahren darüber klagen, dass wo immer sie mit den damals neuzeitlichen Oszillographen in einem lebenden neuronalen System „herumstochern“, auf elektrische Signale stoßen. Dass von der Sensorik und von Neuronen Impulse ausgehen. Sie könnten sich aber nicht erklären wie es zur Informationsverarbeitung kommen könnte, jedenfalls sollte die Elektronik eine Rolle spielen.

    Als mir klar wurde wie Neuronen grundlegend arbeiten, ist mir die Ähnlichkeit mit Gattern aufgefallen und jemand hat mich aufmerksam gemacht, dass McCulloch den Zusammenhang erklärt hat. Später habe ich einen Beitrag von E. Kandel im Fernsehen gesehen, in dem er die Wissen abbildende Funktion der Synapsen erklärt hat. Das sind praktisch Funktionen die Elektroniker damals alltäglich genutzt haben um Industrieprozesse elektronisch zu steuern. Nur halt mit Transistoren, ICs und Lötpunkten, nicht mit Neuronen und Synapsen.

    In unzähligen Beiträgen habe ich versucht, Erklärungsmuster aus dem Bereich Elektronik, allerdings aus „biologischer Sicht“ nicht wissenschaftlich exakt, in einfacher Sprache zu vermitteln.
    Vermutlich haben nicht alle Biologen meine „Denkmuster“ so abgelehnt wie Sie….

    Ist nur ein Hobby von mir, auch um mich geistig fit zu halten…..

  401. @ Karl Maier 29.03.2021, 14:58 Uhr

    Ich habe deswegen „vorsichtig“ (mit einer „Annahme“) formuliert, weil mir natürlich klar ist dass die Augen und der Kopf höchst beweglich sind und so bewegt wird, dass ein optimales „Sehen“ möglich ist. Auch dass ein Zusammenhang mit der Auswertung im neuronalen System bestehen dürfte.

    Ich habe auch niemals die großen Leistungen der Biologen gering geschätzt, weil mir grundlegend klar ist, wie schwierig es ist ohne Erklärungen und Handbücher ein System zu „erforschen“.

    Die Techniker haben es wesentlich einfacher, weil sie sich die Konzepte gegenseitig sprachlich erklären können und normalerweise auf Schaltpläne oder auf Fehlerstatistiken zurückgreife können.

    Außerdem können sie viel leichter experimentieren als Mediziner, weil sie keine ethischen Probleme zu berücksichtigen haben.

    Es geht mir nur darum, darauf hinzuweisen, dass die Netzhaut ein einfaches Beispiel für das Auftreten einfachster Emergenz ist, wenn wie allgemein bekannt, Bildpixel zu einem Bild emergieren. Weiters gibt es in der Technik Systeme die hervorragend Muster erkennen können. Ich kenne nur die früher verwendeten Konzepte.

    Vor vielen Jahrzehnten hat P. Nipkow dieses einfache „Emergenz Konzept“ zur Grundlage für das Fernsehen gemacht.

  402. @ Thomas Waschke 29.03.2021, 16:44 Uhr

    Zitat: „Das ist gegenüber der Tatsache, dass die Zapfen 1:1 weitergeleitet werden, während viele Stäbchen zusammengeschaltet werden, eher marginal.“

    Dies war mir unbekannt. Man könnte daraus schließen, dass die Formen und Kanten wichtig für die Mustererkennung sind und weniger die Farben. Es scheint auch eher belanglos ob ein Auto rot oder grün ist, es dürfte immer weitaus mehr auf die „Formen“ ankommen.

    Interessant wäre, was Sie unter „zusammengeschaltet“ verstehen. Ich würde vermuten, es geht um die Aufspaltung zu „Mikromustern“ die es eigentlich aus Überlegungsgründen geben sollte.

    Aus sozusagen „technischen Gründen“ scheint es zweckmäßiger, wenn dies im Auge stattfindet. Auch könnte es zweckmäßig sein, wenn die ersten Ebenen der „Zusammenführung“ auch im Auge stattfinden um sozusagen den „Datenverkehr“ auf den „längeren Leitungen“ zu verringern?

  403. @Balanus / 28.03.2021, 11:57 Uhr (Addendum)

    »Aber gut, sagen wir, die „Feinabstimmung der Naturkonstanten”, die laut Drossel „mit Absicht gemacht” wurde, dieses Feintuning sei das Werk der Heiligen Dreifaltigkeit gewesen: Wie könnten wir die drei benennen, etwa Maxwell, Faraday und Planck?«

    Eine Heilige Dreifaltigkeit kann ich Dir zwar nicht anbieten, aber immerhin doch ein “grenzüberschreitendes Gespräch” von 2013 mit drei prominenten Wiener Physikern — Reinhold Bertlmann, Walter Thirring und Anton Zeilinger — die sich gewiss mit Naturkonstanten einigermassen auskennen: “Zufall ist, wo Gott inkognito agiert”.

  404. Elektroniker
    29.03.2021, 17:31 Uhr

    Ob nun “die Zapfen 1:1 weitergeleitet werden, während viele Stäbchen zusammengeschaltet werden” oder “110 Millionen Stäbchen mit den ungefähr 6 Millionen Zapfen auf 1 Million Ganglienzellen konvergieren” ist wirklich eine Frage für Spezialisten und betrifft das eigentliche Problem nicht:
    Eine vom Menschen gebaute Technik mit einer biologischen Funktion zu vergleichen und aus der Technik womöglich noch Rückschlüsse auf die Biologie ziehen zu wollen, geht wohl fast immer und dann meistens gründlich daneben. Zwar fliegen Hummeln, Schmetterlinge, Vögel, Fledermäuse und früher flogen auch mal die Flugsaurier, wir hingegen bauen fliegende Starrflügler und Drehflügler, aber vom Flugzeug auf ein Insekt schließen zu wollen, ist einfach falsch, so kam es ja zur Behauptung, dass “eigentlich die Hummel nicht fliegen kann, sie weiß es nur nicht und tuts trotzdem” und ein schwebender Kolibri oder eine rückwärts fliegende Libelle “funktionieren” eben anders als ein Hubschrauber. So auch beim Auge ( = keine Kamera ), so auch bei den Neuronen ( = keine Gatter ), so auch beim Gehirn selbst ( = kein Computer ). Die Muskeln funktionieren anders als unsere technischen “Krafterzeuger”.
    Wie gesagt, Physik erforschen und daraus technische Prinzipien ableiten, das ist in Ordnung, Biologie beobachten, Funktionen analysieren und technisch ( aber anders ) nachbauen, auch ok, die Biologie erforschen, beschreiben und vielleicht mal erklären – auch in Ordnung. Nur vermengen sollten wir das nicht und auch nicht versuchen, das Eine mit dem Anderen zu erklären.

  405. @Karl Maier 29.03.2021, 23:43 Uhr

    Wie gesagt, Physik erforschen und daraus technische Prinzipien ableiten, das ist in Ordnung, Biologie beobachten, Funktionen analysieren und technisch ( aber anders ) nachbauen, auch ok, die Biologie erforschen, beschreiben und vielleicht mal erklären – auch in Ordnung. Nur vermengen sollten wir das nicht und auch nicht versuchen, das Eine mit dem Anderen zu erklären.

    Das in etwa war mein Punkt, vor allem unter dem Aspekt, dass man die Physik außen vor lassen sollte, wenn man nicht einmal die banalsten Grundlagen der biologischen Systeme kennt, deren Erforschung man meint, weiterbringen zu können.

    Es kommt dann nicht gut, ein paar technische Begriffe auf biologische Systeme anzuwenden und zu meinen, das würde irgendwelche Erkenntnisse bringen.

  406. @Stephan Schleim 30.03.2021, 07:18 Uhr

    Geht es in der Natur mit rechten Dingen zu?

    So so, ein Interview mit drei Physikern (“Zufall ist, wo Gott inkognito agiert”) – und dem Anschein nach ist keiner Atheist.

    Wie kann das mit rechten Dingen zugehen?

    Es ist schon lange bekannt, dass gerade theoretische Physiker ein Faible für den blutleeren spinozistischen deus sive natura haben (wie ein Autor im SPIEGEL das vor vielen, vielen Jahren formulierte …). Das liegt vermutlich daran, dass diese Menschen von der Ordnung im Universum fasziniert sind, vor allem, weil wir Menschen so viel davon erkennen können. Es ist aber dennoch typisch, dass sie eben diesen Schöpfer für ihre Alltagsarbeit nicht brauchen. Er kommt in den Formalismen einfach nicht vor. Das war früher anders, Newton beispielsweise brauchte Engelein zum Planeten-Schieben und dafür, das Unviersum immer wieder mal in Ordnung zu bringen.

    Daher geht aber auch bei den modernen Physikern alles mit rechten Dingen zu: der ‘Gott’, den sie postulieren, ist für das Leben nach der Schöpfung irrelevant. Vor allem schert der sich nicht um das Wohl und Wehe des Menschen. Das scheint mir der zentrale Punkt zu sein. Leider wird hier viel mit der Äquivokation des Begriffs ‘Gott’ gespielt: aus dem Unbewegten Beweger, der sich nach der Erschaffung des Unviersums zur Ruhe gesetzt hat, wird dann der Dreieinige (oder irgend ein anderer ‘Gott’, beispielsweise wenn der Forscher jüdischen Glaubens ist).

    Genauso bekannt ist, dass Evolutionsbiologen eher selten religiös sind (ich habe schon auf Ausnahmen hingewiesen). Das liegt vermutlich daran, dass in der Biologie eben der Zufall eine gewaltige Rolle spielt. Die Hoffnung der ‘natürlichen Theologie’ hat sich zerschlagen, man sieht eben keine Spuren eines eingreifenden Gottes in der Schöpfung. Und falls doch, ist man mit einem sehr problematischen Gottesbild konfrontiert: die genialsten Einrichtungen in der Natur findet man in Bereichen, die bestenfalls mit einer ‘gefallenen Schöpfung’ in Verbindung gebracht werden (ich empfehle, den Lebenszyklus des Kleinen Leberegels unter dem Aspekt, dass ein Schöpfer den bewusst erschaffen hat, zu betrachten) und so den ‘Fels des Atheismus’ (wie Büchner formulierte) enorm vergrößert: die Theodizee-Frage stellt sich dann in schärfster Form.

    So bleibt halt ‘one fits all’: man verschiebt ‘Gott’ immer weiter nach hinten, er spielt dann weder für die Natur noch für die Wissenschaft eine Rolle, aber man kann sich einreden, dass eine ‘höhere Macht’ alles erschaffen habe, selbst wenn man den Unterschied zu einem Universum ohne einen Schöpfer im Alltag nicht bemerkt.

    Das löst auch sehr elegant die Theodizee-Frage 😉

  407. Stephan Schleim
    30.03.2021, 07:18 Uhr
    “Zufall ist, wo Gott inkognito agiert”

    Es amüsiert mich immer köstlich, an einem Punkt, wenn man feststellen müsste, dass man keine Ahnung hat, warum etwas “ist” oder so erscheint, dann einfach “Gott” sagt und nun meint, damit alles erklärt zu haben.

    In dem Zusammenhang eine Anekdote:
    Als Kind saß ich im Fahrzeug und “philosophierte”, wie denn so ein Motor funktioniert, damit das Fahrzeug fährt …
    Klar, da gibt es einen “Zylinder”, darin ist ein “Kolben” und der wirkt auf … und das Fahrzeug fährt. Aber warum bewegt sich der Kolben? Vielleicht ein kleiner Motor im Zylinder, der den Kolben auf und ab schiebt? Das wäre möglich, ergibt aber die Frage, was den Kolben im kleinen Motor bewegt.
    Ein noch kleinerer Motor in dem kleinen Motor?
    Und dann?
    … … …
    Und dann habe ich “beschlossen” ( und darauf bin ich heute noch stolz! ), dass ich diese Frage jetzt ( in meinem Alter ) noch nicht klären kann, deshalb verschiebe ich diese Frage auf “später”.

    Klar, inzwischen weiß ich, wie das funktioniert, nur wundert mich heute, dass ich damals zwar wusste, dass man immer wieder “Benzin” in den Tank füllen muss, aber einen Zusammenhang zwischen “Benzin”, “Kolben” und “Vortrieb” habe ich damals nicht herstellen können.

  408. @ Karl Maier 29.03.2021, 23:43 Uhr

    Zitat: “Eine vom Menschen gebaute Technik mit einer biologischen Funktion zu vergleichen und aus der Technik womöglich noch Rückschlüsse auf die Biologie ziehen zu wollen, geht wohl fast immer und dann meistens gründlich daneben.“

    Mit dem Wort „fast“ sind Sie „fast“ ein Revolutionär. Früher ging es prinzipiell und immer und nur daneben, es war verpönt und völlig verrückt.

    Ein Auge hat einen „Licht – Signalwandler“, wie eine Kamera und zusätzlich einen „Mustererzeugungs- allenfalls auch Musterauswerte- Mechanismus“ eingebaut, den einer herkömmliche Kamera nicht hat. Daher ist es keine Kamera, hat aber Funktionen einer Kamera.

    Ein Neuron ist kein Gatter, erzeugt aber so etwas wie eine „qualifizierte UND“ Funktion, der genau den Unterschied zum „Computerdenken“ ausmacht.

    Dass es diese Unterschiede gibt, ist doch völlig klar. Nur ist es zumindest zweckmäßig, wenn man über derartige Sachverhalte diskutiert und wenn man keine Bezeichner für die Mechanismen hat, auf ähnliche aber mitunter völlig falsche Begriffe setzt.

    So flexibel, dass einem der Unterschied zur „wahren Realität“ klar ist, sollte man schon sein.

    Die Elektroniker sind es gewöhnt, weil sie wie alle Menschen, immer wieder „im Dunkeln tappen“ und auf der Suche nach „mehr Licht“ sind. Sie suchen immer wieder nach neuem und haben (noch) keine Begriffe dafür.

    Zitat: „Nur vermengen sollten wir das nicht und auch nicht versuchen, das Eine mit dem Anderen zu erklären.“

    Genau aber das machen Elektroniker um Sachverhalte erklären zu können. Es ist zwar ein schwerer Frevel gegen meine eigene an „Kategorien gebundene Sichtweise“ der Informatiker. (Aber in der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen).

    Elektroniker bezeichnen z.B. den Sachverhalt dass Daten abbildende Signale parallel und gleichzeitig über mehrere Leitungen geführt werden, oder sozusagen in „Paketen“ (Zeitschlitzen) seriell über eine Leitungen geführt werden, als „Bussystem“. Einfach weil die Daten sozusagen „gemeinsam reisen“ wie die Buspassagiere, aber es ist definitiv kein „wirklicher Bus“.

    Prof. Singer hat vermutlich Physik und Elektronik Wissen systematisch in die Hirnforschung „importiert“ und höchst erfolgreich implementiert. Ihm ist dies offensichtlich völlig klar, nur müsste er diese Denke vermutlich gegenüber seinen Fachkollegen in Abrede stellen, weil nicht sein kann was nicht sein darf. Wir dürfen nichts „vermengen“ und auch nicht versuchen, das Eine mit dem Anderen zu erklären. Aber genau das ist eine höchst erfolgreiche „brainstormige Entwicklungsstrategie“.

    Er wird so und so als Außenseiter angegriffen, weil bei Biologen sogar der Gedanke an so eine „Entwicklungsmethodik“ tabu ist.

    Ich bin für ein Denken ohne „Scheuklappen“.

  409. @Elektroniker: Ob Ihre Vorstellungen reale Relevanz haben oder sich im luftleeren Raum bewegen, müssen Sie auf einer konkreten experimentellen Ebene diskutieren. Ich hatte Ihnen einen Link geschickt, in dem ein künstliches Neuron beschrieben wird. Dieses Forum ist der falsche Ort dafür. Hier geht es um Philosophie, bestenfalls noch um rein theoretische Modellbildung. Denken Sie daran, beim Gehirn haben Sie es mit Leben zu tun und das ‘arbeitet’ anders als ein Computer, die Übertragbarkeit kann also nicht unmittelbar sein. Schauen Sie sich vielleicht mal dieses Video an: https://www.spektrum.de/video/wie-uebertragen-neurone-signale/1521535

  410. @Waschke: Zufall & Gott

    Daher geht aber auch bei den modernen Physikern alles mit rechten Dingen zu: der ‘Gott’, den sie postulieren, ist für das Leben nach der Schöpfung irrelevant.

    Na – das liest sich in dem Interview aber ganz anders. Demnach nennen wir göttliches Handeln “Zufall”.

    Und diese ganzen Gottesvorstellungen… Schon einmal auf den Gedanken gekommen, dass die entwickelt wurden, um Menschen etwas zu erklären, das mit Worten nicht zu erklären ist? Im Interview wird das als ja “Psychologisieren” erkannt.

  411. @Maier: Gott der Lücke

    Auch Dawkins hat sich an diesem “Gott der Lücke” ausführlich abgearbeitet; das ist nicht neu.

    Das mag jeder für sich entscheiden. Fakt ist, dass die (Natur-) Wissenschaft nicht alles erklären kann und wahrscheinlich auch nie wird erklären können. Ich habe schon Naturwissenschaftler gesprochen, die in einem philosophischen Moment sagten, je mehr wir wüssten, desto mehr wüssten wir vor allem, was wir nicht wissen.

    Und klar, wenn man den Verbrennungsmotor (interessanterweise: eine Erfindung der Menschen) als Metapher fürs Universum nimmt, dann vermittelt das ein gewisses Bild von der Komplexität der Dinge; meines Erachtens ein unbefriedigend unterkomplexes Bild.

  412. @Stephan, Thomas Waschke / Jenseits der Physik

    Interessant ist das Interview besonders im Vergleich mit der engagiert von Martin Mahner propagierten These (cf. DOI 10.1007/978-94-007-7654-8_56, Abstract)

    … that in science, naturalism is to be understood as a metaphysical presupposition, not a methodological one, and it examines the methodological consequences of this view with respect to empirical testability and scientific explanation. The naturalist metaphysics and methodology of science is contrasted with the supernaturalist ontology and methodology of religion, concluding that science and religion are both metaphysically and methodologically incompatible.

    Gemäss dieser These hätte es eigentlich keiner aus dem Wiener Trio mit religiösem Handicap auch nur bis zum Physik-Vordiplom schaffen dürfen. Können wir diese These inzwischen als falsifiziert ad acta legen?

    Als Privatmann kann Martin Mahner seinem metaphysischen Naturalismus freilich ganz nach Belieben huldigen — wer wollte ihn daran hindern? Womit er jedoch Anstoss erregt, ist der missionarische Eifer, mit dem er seinen Glauben als den einzig segensbringenden verficht und gleichsam als Pflichtfach für Wissenschafter hinzustellen versucht.

  413. @Chrys // 29.03.2021, 11:10 Uhr

    »In der Physik sind die sog. “Naturgesetze” stets objektsprachliche Formeln im Kontext irgendeiner Modellierung. Und als Kandidat für einen “rationalen Gesetzgeber” kommt dann nur der Modellierer in Betracht.«

    Es geht Barbara Drossel aber nicht um „sogenannte“ Naturgesetze (Modelle), sondern um solche, die es wirklich „gibt“ „innerhalb einer naturgesetzlich bestimmten Welt“ (B. Drossel, im Spektrum-Streitgespräch). Es geht ihr um das Phänomen der Gesetzmäßigkeit in den (oder bestimmten?) Naturvorgängen. Und da kommt als „rationaler Gesetzgeber“ eben nur einer in Betracht.

    Und klar, Metaphern sind nicht mit konkreten Phänomenen zu verwechseln, das weiß Barbara Drossel auch. Der Gottesbegriff ist da auch keine Ausnahme.

    Aber wenn es um Antworten geht auf Fragen, die über die Physik „hinausweisen“, wie es so schön heißt (man könnte auch sagen: „…die nichts mit Physik zu tun haben“), dann hat Barbara Drossel offenkundig für sich „plausible“ Antworten gefunden. Was kein Problem ist, solange diese Antworten im Privaten bleiben und keinen Anspruch allgemeine Gültigkeit erheben, wie wir das von den Kreationisten aller Coleur kennen.

    »Übertreibst Du da nicht ein wenig? «

    Nun ja, im Streitgespräch Drossel vs. Sommer hat nun mal die gläubige Frau Drossel die Karte: „Grenzen der Physik“ gezogen, und nicht der nichtgläubige Volker Sommer die entsprechende Karte „Grenzen der Philosophie oder Theologie“.

    Das läuft eigentlich immer so, religiös Gläubige scheinen der Überzeugung zu sein, mit den „Grenzen der menschlichen Erkenntnis“ hätten sie ein schlagendes Argument für ihren Glauben in der Hand.

  414. @Chrys // 29.03.2021, 21:30 Uhr

    »… ein “grenzüberschreitendes Gespräch” von 2013 mit drei prominenten Wiener Physikern…«

    Ja, in der Tat, da wird so manche Grenze überschritten … :- )

    (Wenn man’s recht bedenkt, vielleicht auch unterschritten, aus philosophisch-theologischer Sicht…)

    Wobei, wenn man dieses tiefgründige Interview vor dem Hintergrund der anthropologischen und evolutionspsychologischen Erklärungen des Glaubens an überempirische Akteure liest, gewinnt die Sache deutlich an Unterhaltungswert.

    Und man versteht, wieso niemand davor gefeit ist, einem religiösen Glauben anzuhängen.

    Justin Barret, beispielsweise, ein amerikanischer Psychologe (!) und gläubiger Christ, ist davon überzeugt, dass „believing in God is a natural, almost inevitable consequence of the types of minds we have living in the sort of world we inhabit.” (Sekundärquelle)

    Trifft diese scharfsinnige und naturalistisch anmutende Erklärung zu, dann ist der Atheismus etwas recht Unnatürliches, eine Einstellung, die dem Menschen nicht einfach gegeben ist, sondern unter Anstrengung kulturell erworben werden muss. Was dann leider zur Folge hat, dass es da nichts zu vererben gibt (allenfalls epigenetisch, aber streiten sich noch die Geister…).

  415. @Chrys // 30.03.2021, 10:54 Uhr

    » Gemäss dieser These [Mahners] hätte es eigentlich keiner aus dem Wiener Trio mit religiösem Handicap auch nur bis zum Physik-Vordiplom schaffen dürfen. «

    Mir scheint, da hast Du was falsch verstanden. Soweit ich weiß, haben alle drei privaten Glauben und wissenschaftliche Arbeit stets sauber voneinander getrennt, eben weil miteinander inkompatibel.

  416. @Chrys: Mahner

    Ich habe mich zu wenig mit Mahners Thesen im Original auseinandergesetzt, um mir ein Urteil zu erlauben, doch fand es nett, dass er sich hier kurz in die Diskussion einschaltete.

    Interessante Quelle übrigens! Vielleicht verwende ich sogar mal einen der Aufsätze in einem meiner Kurse, doch wahrscheinlich eher nicht Mahners.

    Almost all religiously oriented Muslim thinkers take harmony between science and Islam for granted…

    (Taner Edis & Saouma BouJaoude, 2014)

    Noch ein paar weiterführende Gedanken im nächsten Beitrag…

  417. @all: Mein Verdacht

    Beim Leib-Seele-Problem kam ich schließlich auf den Gedanken, dass wir Menschen mit unserem Denken (konkreten) Körper und (abstrakten) Geist erst auseinanderdividieren – und dann später daran verzweifeln, die beiden wieder zusammenzubringen. Dafür haben wir uns verschiedene Reduktionismen, Supervenienzen, Emergentismen usw. usf. ausgedacht.

    Jetzt bei der Diskussion über Religion will der Naturalist zeigen, dass es nichts Übernatürliches gibt. Da aber nirgendwo festgeschrieben ist, was die “Natur” eigentlich ist, besteht die Möglichkeit, dass das, was heute jemand für “Übernatur” und unmöglich hält, in Zukunft schlicht als Naturphänomen verstanden wird. Die Physiker, die etwas Göttliches im Zufall sehen, sind hierfür ein Beispiel. (Und wir erinnern uns noch einmal an @Reutlingers vortreffliche Logik: Physik ist, was Physiker sagen, dass sie ist.)

    Dann kollabiert letztlich das naturalistische Credo, es gebe nur Natur und nicht Übernatur, in einen tautologischen Satz der Form: Es gibt, was es gibt. Vielleicht führt dessen endlose Wiederholung den Naturalisten ja noch zu einer Art mystischer Erfahrung.

  418. @Balanus: Wissenschaft und Weltanschauungen

    Jeder Mensch hat eine, vielleicht sogar mehrere Weltanschauungen. Ein Punkt vieler Wissenschaftstheoretiker ist es, diese so transparent wie möglich zu machen, damit sie den Erkenntnisprozess nicht unbillig beeinflussen.

    Was kein Problem ist, solange diese Antworten im Privaten bleiben und keinen Anspruch allgemeine Gültigkeit erheben, wie wir das von den Kreationisten aller Coleur kennen.

    Warum muss nur der religiöse Mensch sein religiöse, der materialistische Mensch aber nicht seine materialistische Weltanschauung zur Privatsache machen?

  419. @Stephan Schleim 30.03.2021, 10:50 Uhr

    [Thomas Waschke] Daher geht aber auch bei den modernen Physikern alles mit rechten Dingen zu: der ‘Gott’, den sie postulieren, ist für das Leben nach der Schöpfung irrelevant.

    Na – das liest sich in dem Interview aber ganz anders.

    Ich habe dazu vor ein paar Minuten was geschrieben, das es aber auch mit zwei Versuchen nicht ins Forum schaffte, obwohl keine Links enthalten waren …

    Demnach nennen wir göttliches Handeln “Zufall”.

    Nicht wir, aber beispielsweise Hemminger oder Miller, die ich schon erwähnt habe. Aber auf keinen Fall Christen ™.

    Und diese ganzen Gottesvorstellungen… Schon einmal auf den Gedanken gekommen, dass die entwickelt wurden, um Menschen etwas zu erklären, das mit Worten nicht zu erklären ist? Im Interview wird das als ja “Psychologisieren” erkannt.

    Auf den Gedanken sind schon viele gekommen. Leider nicht allzu viele auf die alternative Auffassung, dass den Menschen eine Idee erklärt werden soll, der in der Realität nichts entspricht.

  420. @Balanus: “Justin Barret, beispielsweise, ein amerikanischer Psychologe (!) und gläubiger Christ, ist davon überzeugt, dass „believing in God is a natural, almost inevitable consequence of the types of minds we have living in the sort of world we inhabit.” “

    Ich denke, er hat in gewisser Weise recht. Unser Bewusstsein ist in der Lage, über uns und die Welt nachzudenken, uns zu allem Möglichen in Beziehung zu setzen. Deses Bewusstseinstheater erscheint uns wie ein Film, der nicht von uns produziert wurde. Da ist der Schritt nicht weit, aus Angst vor Krankheit und Tod einen “geistigen” Ausweg zu suchen und eine höhere Instanz anzunehmen.
    Wie auch immer scheint es geradezu folgerichtig, dass so etwas wie Religion entsteht.

  421. @Stephan Schleim 30.03.2021, 11:48 Uhr

    Naturalismus als Grundlage der (Natur)wissenschaft

    Warum muss nur der religiöse Mensch sein religiöse, der materialistische Mensch aber nicht seine materialistische Weltanschauung zur Privatsache machen?

    Weil (zumindest Natur-)Wissenschaft nur funktionieren kann, wenn man zumindest methodologisch naturalistisch arbeitet. Nur so kann man zu zeitkernigen intersubjektiv gültigen Aussagen gelangen.

    Beim Naturalisten harmonieren dann Weltbild und Forschung, daher muss er nichts zu einer Privatsache machen.

    Supranaturalisten müssen dagegen immer erst schauen, wie sie beide Welten unter einen Hut bekommen.

  422. @Stephan Schleim 30.03.2021, 11:44 Uhr

    ich denke, dass Sie in

    Mahner, M. (2018) ‘Naturalismus. Die Metaphysik der Wissenschaft’ Aschaffenburg, Alibri

    etliche Präzisierungen finden können.

    Jetzt bei der Diskussion über Religion will der Naturalist zeigen, dass es nichts Übernatürliches gibt.

    Ich sehe es eher so, dass der Naturalist Evidenzen für eine Übernatur sehen möchte, und ansonsten davon ausgeht, dass das, was ohne Evidenz behauptet wird auch ohne Evidenz verworfen werden kann.

    Daher ist die Aussage “Alles geht mit rechten Dingen zu” unter Fallibilitätsvorbehalt untadelig.

  423. Stephan Schleim
    30.03.2021, 10:53 Uhr

    Wie kommt es nur, dass ich bei Ihrer Wortwahl den Eindruck habe, dass Sie mich ( absichtlich? ) missverstehen ( wollen )?

    Ich habe ausgeführt, dass mich der “Gott der Lücke”, wie Sie es zitiert haben, amüsiert, ich habe nichts von “arbeiten” geschrieben, ich habe auch nicht behauptet, dass meine Erkenntnis “die erste war in ihrer Art und geschah zu der Zeit, als …”, ich gehe immer davon aus, dass, wenn schon ich eine Idee habe, doch tausende andere vor/neben mir auch schon diese Idee gehabt haben müssen.
    Ebenso sollte klar sein, dass mir klar ist, dass der Unterschied zwischen einem Verbrennungsmotor und dem Universum “deutlich” größer ist als der der Unterschied zwischen der Erkenntnis eines Kindes und der eines Professors der Philosophie.
    Bei meiner Anekdote ging es mir um die Methode der Erkenntnisgewinnung und wenn @Balanus einen Psychologen mit „believing in God is a natural, almost inevitable consequence of the types of minds we have living in the sort of world we inhabit.” zitiert, kann ich nur sagen, dass ich an anderer Stelle hier den engen Glauben an eine Gottheit bereits als einen Kollateralschaden bei der Menschwerdung bezeichnet habe, so viel zum “(konkreten) Körper und (abstrakten) Geist”.

  424. @Waschke: Evolution vs. Intelligent Design

    Na, wenn wir, wie ich gerade von einigen Physikern gelernt habe, im Zufall göttliches Handeln sehen und Evolutionstheorien von zufälligen Mutationen ausgehen, dann ist der Unterschied zwischen den beiden Lagern vielleicht gar nicht so groß, wie man oft denkt.

    (Das noch als kurze Reaktion auf Ihren Kommentar vom 25.3.)

  425. @Waschke: Harmonie

    Beim Naturalisten harmonieren dann Weltbild und Forschung, daher muss er nichts zu einer Privatsache machen.

    Mit Verlaub, doch wenn wir nun Harmonie zum Maßstab machen, dann muss ich eher ans Kunst- oder Musikseminar bzw. an einen Eso-Gesprächskreis denken.

    Wir haben doch nun vielfach festgestellt, dass mindestens

    (1) Agnostizismus;
    (2) ontologischer Naturalismus; und
    (3) bestimmte nicht-dogmatische religiöse Positionen

    mit einem methodischen Naturalismus (MN) widerspruchsfrei vereinbar sind. Wenn man jetzt behauptet, (2) “harmoniere” besser mit MN, das heißt über das Kriterium der Widerspruchsfreiheit hinausgeht, dann wird es dogmatisch und/oder subjektiv.

    Dazu auch noch im folgenden Kommentar:

  426. @Chrys 30.03.2021, 10:54 Uhr

    Mahner und Naturalismus

    Gemäss dieser These hätte es eigentlich keiner aus dem Wiener Trio mit religiösem Handicap auch nur bis zum Physik-Vordiplom schaffen dürfen.

    @Balanus hat das schon korrekt beantwortet.

    Wichtig ist, dass in diesem Artikel die Konflikt-These diskutiert bzw. auf der Basis derselben argumentiert wird (es gibt andere, Sie kennen sicher Barbours Klassiker), und vor dem von Ihnen zitierten steht:

    It argues that both science and religion are epistemic fields, trying to come up with true knowledge of the world.

    Diese Prämisse müssen Sie in das, was Sie zitiert haben, ‘einpreisen’, dann macht das sehr viel Sinn.

    Es ist ein Fakt, dass Naturwissenschaftler in ihren Modellen auf den ‘Gottesterm’ verzichten.

    Und solange Religion kein “epistemic field” ist, das versucht, “to come up with true knowledge of the world”, gibt es diesen Konflikt nicht. Wir sind dann bei NOMA von Stephen Jay Gould, mit dem weder Theisten noch Naturalisten viel anfangen können.

  427. @Stephan Schleim 30.03.2021, 13:09 Uhr

    [Thomas Waschke] Beim Naturalisten harmonieren dann Weltbild und Forschung, daher muss er nichts zu einer Privatsache machen.

    Mit Verlaub, doch wenn wir nun Harmonie zum Maßstab machen, dann muss ich eher ans Kunst- oder Musikseminar bzw. an einen Eso-Gesprächskreis denken.

    Es ging um die Frage, warum der Naturalist seine Auffassung als Standard betrachten darf, während die anderen Positionen etwas fürs stille Kämmerlein sind, vor allem, wenn sie eine Übernatur enthalten.

    Mahner hat sehr ausführlich begründet, warum der ontologische Naturalismus die Basis des methodologischen ist, genauer, die plausibelste Hypothese, warum dieses Verfahren funktioniert.

    Unter dieser Prämisse ist nur der Naturalismus mit der Methode der Naturwissenschaften kompatibel.

  428. @all: Naturalismus/Definitionen

    Matthews führt in dem von @Chrys erwähnten Sammelband folgende Definitionen ein:

    Methodological Naturalism (MN). This is the view that, when doing science, whatever occurs in the world is to be explained by natural mechanisms and entities and that these entities and mechanisms are the ones either revealed by science or in principle discoverable by science. (p. 1619)

    Er führt dann übrigens im nächsten Satz aus:

    This methodological presupposition does not rule out miracles or Divine interventions or other non-scientific causes; it just means that such processes cannot be appealed to while seeking scientific explanations.

    Und später dann:

    Ontological (or Metaphysical) Naturalism (ON). This is the view that there is a scientific explanation for all events, that supernatural explanations (e.g. Divine interventions, miracles) simply do not occur. (p. 1620)

    Der Schritt vom MN zum ON besteht also darin, eine wissenschaftliche Erklärung für alle Ereignisse in der Welt anzunehmen und dann auch noch zu schlussfolgern, dass es Ereignisse, die sich nicht wissenschaftlich erklären lassen, prinzipiell nicht geben kann.

    Wie wir hier in der Diskussion wieder und wieder gesehen haben, ist ON aber keinesfalls logisch zwingend (vgl. auch Logik der Induktion) und wahrscheinlich sogar falsch (vgl. die Überlegungen zu wissenschaftlichen Erklärungen).

    Eine größere “Harmonie” zwischen ON und MN kann ich so jedenfalls nicht feststellen.

    Matthews, M. R. (2014). International Handbook of Research in History, Philosophy and Science Teaching. Springer.

  429. @Waschke: Mahners Prämissen

    Ja – unter Mahners Prämissen ist Mahners Sichtweise am plausibelsten. Wir drehen uns hier im Kreis.

    Hier wird mit Wörtern gespielt: Anstatt “methodischen Naturalismus” könnte man es auch schlicht “wissenschaftliche Methode” nennen. Doch dann würde die Begriffsverwendung natürlich nicht so suggerieren, MN und ON stünden einander näher als MN und andere rational vertretbare Positionen. Diese Form der “Argumentation” ist nicht so meins.

  430. @Stephan Schleim 30.03.2021, 13:23 Uhr

    Ja – unter Mahners Prämissen ist Mahners Sichtweise am plausibelsten. Wir drehen uns hier im Kreis.

    Sie haben ja gerade dasselbe gemacht, nur mit anderen Prämissen, indem Sie sich auf Matthews bezogen. Die Frage ist nun, welchem Autor man warum folgen sollte. Es wird Sie nicht wundern, dass in derartigen Artikeln meist ein gefühltes Drittel des Raums dem Eingehen auf konkurrierende Sichten gewidmet wird. Es reicht daher nicht, ein paar Sätze zu zitieren.

    Hier wird mit Wörtern gespielt: Anstatt “methodischen Naturalismus” könnte man es auch schlicht “wissenschaftliche Methode” nennen. Doch dann würde die Begriffsverwendung natürlich nicht so suggerieren, MN und ON stünden einander näher als MN und andere rational vertretbare Positionen.

    Noch genauer: die Frage ist, warum die wissenschaftliche Methode funktioniert. Und ist dann letztlich eine ontologische Frage, die erklären soll, warum eine Epistemologie funktioniert.

  431. Stephan Schleim
    30.03.2021, 13:19 Uhr
    Der Schritt vom MN zum ON besteht also darin, eine wissenschaftliche Erklärung für alle Ereignisse in der Welt anzunehmen und dann auch noch zu schlussfolgern, dass es Ereignisse, die sich nicht wissenschaftlich erklären lassen, prinzipiell nicht geben kann.

    Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?

    Wenn ich den Text übersetze, erhalte ich:

    Das ist eine Sichtweise, in der es eine wissenschaftliche Erklärung für alle Ereignisse gibt, in der übernatürliche Erklärungen ( z.B. göttliche Eingriffe, Wunder ) einfach nicht vorkommen.

    Davon, dass es diese Ereignisse prinzipiell nicht geben könne, steht m.W. nichts in dem Text.

  432. @Maier: 1+1=2

    Nach Ihrer Übersetzung wäre der Ontologische Naturalismus (ON) gar kein ontologischer Naturalismus, sondern nur ein epistemischer.

    Nach Ihrer Übersetzung könnte es Ereignisse geben, die sich wissenschaftlich erklären lassen, obwohl sie übernatürlich sind (z.B. göttliche Eingriffe, Wunder).

    Willkommen in Maiers wunderbarer Welt der Widersprüche!

  433. @Waschke: wissenschaftliche Methode

    …warum die wissenschaftliche Methode funktioniert. Und ist dann letztlich eine ontologische Frage, die erklären soll, warum eine Epistemologie funktioniert.

    Na, weil es stabile Muster in der Welt gibt und das menschliche Denken sich Formalisierungen (v.a. der Mathematik) ausgedacht hat, diese zu fassen.

    Warum gibt es stabile Muster in der Welt? Manche religiöse Menschen werden sagen: Weil ein Gott das Universum so geschaffen hat. Naturalisten werden wohl sagen: Das ist Zufall (weil es halt so ist). Manche Physiker werden sagen, wie wir gerade gesehen haben: Zufall ist Gott.

  434. @Thomas Waschke / 30.03.2021, 13:35 Uhr

    »Noch genauer: die Frage ist, warum die wissenschaftliche Methode funktioniert. Und ist dann letztlich eine ontologische Frage, die erklären soll, warum eine Epistemologie funktioniert.«

    Ja, im Prinzip geht es um die Frage nach den apriorischen Bedingungen für die Möglichkeit von aposteriorischem, d.h. empirischem Wissen.

    Bei der Suche nach einer Antwort folgen Sie offenbar Bunge darin, schlicht und einfach `Materie’ sowie `Energie’ zu ontologisieren und zu glauben, damit eine “wissenschaftliche”, physikal. fundierte Metaphysik zu haben. Das ist aber Nonsense, denn Bunges metaphysische `Materie’ und `Energie’ haben mit den physikal. Konzepten gleichen Namens dann auch nicht mehr gemein als nur den Namen. Das ist nicht mehr als ein verbales Hütchenspiel, mit dem man sich ganz prima selbst an der Nase herumführen kann. Bunges metaphysische `Materie’ und `Energie’ passen indes haargenau hierhin (hatte ich ja kürzlich schon mal angebracht):

    Metaphysics has usually followed a very primitive kind of quest. […] So the universe has always appeared to the natural mind as a kind of enigma, of which the key must be sought in the shape of some illuminating or power-bringing word or name. That word names the universe’s PRINCIPLE, and to possess it is, after a fashion, to possess the universe itself. ‘God,’ ‘Matter,’ ‘Reason,’ ‘the Absolute,’ ‘Energy,’ are so many solving names. You can rest when you have them. You are at the end of your metaphysical quest.
    —William James, Pragmatism (1907)

    Sie wählen sich da zusammen mit Bunge `Matter’ und `Energy’ heraus, Frau Drossel bevorzugt hingegen `God’, doch mit Ihrer Auswahl sind Sie um keinen Deut wissenschaftlicher als Frau Drossel. Denn das ist gar keine Frage oder Angelegenheit von Wissenschaft.

  435. @Chrys 30.03.2021, 14:45 Uhr

    Ontologien

    Sie wählen sich da zusammen mit Bunge `Matter’ und `Energy’ heraus, Frau Drossel bevorzugt hingegen `God’, doch mit Ihrer Auswahl sind Sie um keinen Deut wissenschaftlicher als Frau Drossel. Denn das ist gar keine Frage oder Angelegenheit von Wissenschaft.

    Exakt, denn es geht nicht um die Frage, wie Wissenschaft funktioniert, sondern warum sie funktioniert. Das ist keine Frage mehr, die wissenschaftlich zu beantworten ist. Das ist ein anderer Thread.

    Vergessen Sie nicht, dass Bunge/Mahner ‘Ontologie’ und ‘Metaphysik’ synonym verwenden. Letztlich verstehen sie darunter ‘the world’s furniture’, also die Entitäten, mit denen man seine Welt ausstattet. Es geht, letztlich als IBE, darum, welche Ontologie man wählt. Wichtig ist, dass man sie begründen kann, und dass man sie unter Fallibilitätsvorbehalt vertritt.

    Da Frau Drossel (ich habe mit ihr schon ab und an mal gesprochen) eine Entität postuliert, die sie in ihren wissenschaftlichen Arbeiten nicht benötigt, sehe ich nicht, warum deren Ontologie im Bereich der Naturwissenschaften gleichwertig sein sollte.

    Nur nebenbei, wir reden über Naturwissenschaften, was aber nicht als despektierlich gegenüber anderen Wissenschaften zu verstehen ist.

  436. Stephan Schleim
    30.03.2021, 14:10 Uhr
    Nach Ihrer Übersetzung wäre der Ontologische Naturalismus (ON) gar kein ontologischer Naturalismus, sondern nur ein epistemischer.

    Ich denke, dass ich den vorliegenden Text wörtlich übersetzt habe, was Sie sich übersetzt haben, erschließt sich mir nicht, wenn ich beide Versionen vergleiche; tut mir leid.
    Vielleicht liegt das Problem aber auch darin, dass Sie sich ( aus meiner Sicht ) hinter den Worten ( ontologisch, epistemisch, was-weiß-ich ) verschanzen, um “das Ding an sich” zu erklären, während ich “das Ding an sich” sehe und feststelle, dass ich es ( noch oder überhaupt ) nicht erklären kann. Ich weigere mich aber einfach, für das, was ich nicht erklären kann, als treibende Kraft “Gott” zu anzunehmen, weil das das Problem nur dahin verschiebt, wo keine Diskussion und kein Erkenntnisgewinn mehr möglich ist.
    Es gibt einen jüdischen Witz ( Salcia Landmann ), in dem der Rabbi einem Schüler das “Wunder” erklärt:
    Ein Hirte findet in der Wüste einen Säugling, der nahezu verhungert ist. Der Hirte betet zu Gott um Hilfe, und der tut ein Wunder, dem Hirten wachsen Brüste und er kann das Kind säugen.
    Der Schüler fragt: “Warum macht Gott es so kompliziert – einem Mann wachsen Brüste, kann er nicht einfach geben Bargeld, damit der Hirte bezahlen kann eine Amme?
    “Törichte Frage”, ruft der Rabbi, “warum sollte Gott geben gutes Bargeld, wenn er tun kann ein Wunder?”
    Ich liebe diese Logik!

  437. @Stephan Schleim 30.03.2021, 14:19 Uhr

    [Thomas Waschke] …warum die wissenschaftliche Methode funktioniert. Und ist dann letztlich eine ontologische Frage, die erklären soll, warum eine Epistemologie funktioniert.

    Na, weil es stabile Muster in der Welt gibt und das menschliche Denken sich Formalisierungen (v.a. der Mathematik) ausgedacht hat, diese zu fassen.

    Ist ‘stabile Muster’ nicht synonym zu ‘es gibt keine eingreifende Übernatur’ AKA ‘es geht mit rechten Dingen zu’?

    Der Zusammenhang zwischen Sein und Mathematik (AKA Interpretation der Kalküle) ist zudem eine sehr knifflige Frage, wenn man kein Platonist ist.

    Warum gibt es stabile Muster in der Welt? Manche religiöse Menschen werden sagen: Weil ein Gott das Universum so geschaffen hat.

    Ja, aber leider bleiben sie dann nicht an diesen Punkt stehen. Sie meinen, dass dieser Gott eingreift. Dann fangen die Probleme an.

    Naturalisten werden wohl sagen: Das ist Zufall (weil es halt so ist).

    Üblicherweise wird das als ‘brute fact’ bezeichnet.

    ‘Zufall’ ist zudem ein Begriff, der auch nicht besonders einfach zu definieren ist. Vergleichen Sie beispielsweise, wie Intelligent Design-Vertreter diesen Begriff definieren, mit dem, was in der Evolutionsbiologie darunter zu verstehen ist.

    Manche Physiker werden sagen, wie wir gerade gesehen haben: Zufall ist Gott.

    Dann sollten sie den frommen Menschen sagen: Ihr glaubt an den Zufall.

    Die Theologen müssten dann klären, ob sich eine Welt, in der der Zufall Gott ist, von einer Welt unterscheidet, in der ein lieber Gott eine Heilsgeschichte schreibt oder gar von einer Welt ohne Gott.

    Ich glaube nicht, dass die Theologen die Physiker dabei als hilfreich empfinden würden.

  438. „Le hasard, en définitive, c’est Dieu“

    Das schrieb Anatole France in seinem Buch „Le Jardin d’Épicure“ (1906).

    Ohne jetzt den Kontext zu kennen: Das kann man durchaus so verstehen, dass „Gott“ als Erklärung nicht mehr gebraucht wird. Wo einst „Gott“ die Geschicke bestimmte, regiert nun der Zufall.

    Das Physiker-Trio hatte m. E. einen anderen Ansatz: Wenn Gott in das Naturgeschehen eingreifen will, kann er sich des Zufalls bedienen (denn dann fällt es nicht auf). Das Konzept „Gott“ wird also noch gebraucht.

    Ist schon eine lustige Vorstellung, dass ein religiös gläubiger Physiker eigentlich nie sicher sein kann, dass bei seinem gemittelten Messwert „alles mit rechten Dingen zugegangen ist“.

    Der nichtgläubige Physiker setzt das einfach voraus. Ist vielleicht ein Fehler… ;- )

  439. @Maier: hinter Wörtern verstecken

    Meinem Eindruck nach geht es gerade um diese Unterschiede: epistemisch, ontologisch usw., seit diese Serie hier Mitte Januar angefangen hat.

    Ontologischer Naturalismus ohne Ontologie ist für mich ein Unding.

  440. Stephan Schleim 30.03.2021, 16:24 Uhr

    Message an Matthews: Ontologischer Naturalismus ist eine Ontologie

    Ontologischer Naturalismus ohne Ontologie ist für mich ein Unding.

    100 Prozent Übereinstimmung 🙂

    Wie sehen Sie unter diesem Aspekt die Definition von Matthews, die Sie zitiert haben? Fanden Sie die Ontologie darin?

    War das nicht eher Epistemologie (Hint: “explanation”)?

  441. @Karl Maier / 30.03.2021, 13:41 Uhr

    Wenn ich den Text übersetze, erhalte ich:

    Das ist eine Sichtweise, in der es eine wissenschaftliche Erklärung für alle Ereignisse gibt, in der übernatürliche Erklärungen ( z.B. göttliche Eingriffe, Wunder ) einfach nicht vorkommen.

    Wenn google translate den Text übersetzt, erhalte ich:

    Dies ist die Ansicht, dass es eine wissenschaftliche Erklärung für alle Ereignisse gibt, dass übernatürliche Erklärungen (z. B. göttliche Interventionen, Wunder) einfach nicht auftreten.

    I’d say there is a difference which makes a difference.

  442. @Maier, Waschke: Definition

    Die Definition von ON hat nach meiner Lesart eine klare ontologische Komponente, denn sie sagt aus, dass alle Ereignisse, also konkrete Vorgänge in der Welt, so sind, dass sie sich (natur-) wissenschaftlich erklären lassen; und das schließt mit MN “Übernatürliches” aus.

    Ich denke ferner, dass “supernatural explanations” ein Druckfehler ist und es logischerweise hier “supernatural events” heißen müsste.

  443. @Thomas Waschke / 30.03.2021, 15:09 Uhr

    Zumindest hinsichtlich der Art der Fragestellung scheint sich ein Konsens abzuzeichnen. Doch zweierlei möchte ich dazu noch anmerken.

    Für ihre professionelle Arbeit als Physikerin benötigt Frau Drossel keine Entität `Gott’, ganz klar. Sie benötigt dafür aber auch keine ontologische `Energie’ oder `Materie’ à la Bunge. Der Witz ist schliesslich, dafür benötigt sie überhaupt keine Metaphysik — in Kontrast zu Mahners Statement, “that in science, naturalism is to be understood as a metaphysical presupposition“.

    »Wichtig ist, dass man sie [die gewählte Ontologie] begründen kann, und dass man sie unter Fallibilitätsvorbehalt vertritt.«

    Die Forderung nach Fallibilität würde eine Entscheidbarkeit des “Problems der Metaphysik” bedingen, die allerdings (gemäss Stegmüller) gar nicht gegeben ist. Nach welchen Kriterien sollte denn absolut entscheiden werden, welche Metaphysik die “richtige” ist? Entschieden werden kann da jeweils nur ganz individuell.

  444. @Chrys: Ontologische Voraussetzung der Naturwissenschaft…

    …ist allenfalls ein erkenntnistheoretisch-optimistischer Realismus. Einverstanden?

    (Btw. Matthew sieht den Materialismus als Unterform des Naturalismus als Unterform des Realismus.)

  445. @Chrys 30.03.2021, 18:39 Uhr

    Das ganze Hin und Her kommt doch nur daher, dass die Gläubigen aus der Naturalistenecke einerseits (z. B. Mahner) und die aus der Intelligent-Design-Ecke andererseits (z. B. Drossel) für ihre Sicht der Dinge missionieren. Aber es geht eben auch ohne das, meint der Skeptiker. Zaungast sein macht Spaß – für begrenzte Zeit. Hineinziehen lässt man sich besser nicht.

  446. @Stephan // 30.03.2021, 11:48 Uhr

    » Warum muss nur der religiöseMensch sein religiöse, der materialistische Mensch aber nicht seine materialistische Weltanschauung zur Privatsache machen? «

    Müssen muss der religiöse Mensch nicht, aber er sollte. Beim materialistischen Menschen hingegen spielt diese Trennung keine Rolle, weil es von vorneherein keinen Konflikt geben kann zwischen Weltanschauung und den Ergebnissen seiner naturwissenschaftlichen Forschungsarbeit. Für den Materialisten existiert von sowieso nur das, was sich beobachten, messen und evtl. erklären lässt. Aber wem sage ich das… ;- )

  447. @Schleim
    stabile Muster.
    Naturalisten werden wohl sagen: Das ist Zufall (weil es halt so ist).

    Viele Zufälle sind nur scheinbare Zufälle, weil wir die Hintergründe nicht kennen. Stabile Muster können zwingend aus den Gesetzen der Physik entstehen. Antagonistische Kräfte, also anziehende und abstoßende, können zu Gleichgewichtszuständen führen. Atome sind sehr stabile Muster, jedenfalls die leichteren davon, mit einem elektropositiven Kern und den negativen Elektronen.

    Auch die Bahn der Erde um die Sonne bildet ein stabiles Muster, nicht ewig, aber lange genug für die Menschheit. Das sind keine Zufälle; ein für uns günstiger Zufall ist der Abstand der Erde von der Sonne. Aber bei mehreren Planeten ist auch das kein wirklicher Zufall. Im Gegensatz zu technischen Systemen kennt die Natur große Toleranzen und Bandbreiten, siehe besonders die biologische Evolution.

    Lebende Organismen sind im Fließgleichgewicht, d.h. sie sind fern eines Gleichgewichtszustandes, streben einen solchen aber ständig an. Auch dabei entstehen stabile Muster. Ein stabiles Muster wie die DNA existiert seit über 3 milliarden Jahren ohne Unterbrechung.

    Hier wurde viel über das Auge geschrieben. Die Rezeptoren der Zapfen und Stäbchen in der Netzhaut sind nach innen gerichtet, nicht nach außen, wie man von einem “intelligenten Designer” erwarten würde. Das Licht muss also drei Zellschichten durchdringen, bevor es auf die Rezeptoren trifft. Auch das scheint ein stabiles Muster zu sein, denn es ist weit verbreitet in der tierischen Natur und ist offenbar erfolgreich. Ob der Designergott sich da einen Scherz erlaubt hat?

  448. @Stephan Schleim 30.03.2021, 13:04 Uhr

    Na, wenn wir, wie ich gerade von einigen Physikern gelernt habe, im Zufall göttliches Handeln sehen und Evolutionstheorien von zufälligen Mutationen ausgehen, dann ist der Unterschied zwischen den beiden Lagern vielleicht gar nicht so groß, wie man oft denkt.

    (Das noch als kurze Reaktion auf Ihren Kommentar vom 25.3.)

    Meiner Meinung nach steckte in dem Kommentar noch deutlich mehr, aber okay.

    In der Evolutionsbiologie bedeutet ‘Zufall’ einfach ‘ohne Zusammenhang mit den Selektionsbedingungen’. Mutationen sind nicht im strengen Sinn ‘zufällig’ etwa in dem Sinn, dass das Auftreten einer Mutation nicht kausal verursacht wird oder für alle Sequenzen bzw. Basen gleich wäre.

    Für Intelligent Design bedeutet ‘Zufall’ einfach ‘alles, was kein Design ist”. Und nein, der Designer versteckt sich nicht, er sendet Design-Signale. Beispielsweise Fine-Tuning, Irreduzible Komplexität, Spielerische Komplexität, Schönheit und so weiter. Bei Bedarf kann ich gerne Literatur nennen.

    Das sind Welten, die die beiden Positionen trennen, und genauso von den vielen Positionen der drei Physiker.

    Und wenn nun Physiker zu diesen Fragen etwas sagen, frage ich mich, was sie als Physiker in diesen Bereichen kompetent machen sollte.

    Für mich wird aus dem Interview nur klar, dass alle Register gezogen werden, um irgendwie den Begriff ‘Gott’ ins Spiel bringen zu können, obwohl keiner so recht weiß, was darunter zu verstehen sein könnte.

    [Thirring]: Aber wo genau man die Trennungslinie zieht zwischen atheistisch und nicht atheistisch, das ist ein bisschen willkürlich.

    Spricht irgendwie nicht dafür, dass das Konzept ‘Gott’ irgendwie Sinn machen würde. Aber es hat echt Unterhaltungswert, dem Atheisten vorzuwerfen, dass Theisten sich nicht klar ausdrücken.

    [Thirring]: Der Mathematiker Hermann Bondi, der eigentlich kein Vorkämpfer der Religion war, hat einmal gesagt, der Atheismus ist eigentlich logisch inkonsistent: Denn wie kann man etwas verneinen, das so vage definiert ist?

    Echt eine Perle für das Ignostiker-Herz. Stimmt, das ist ein guter Grund, sich nicht als Atheist zu bezeichnen (ich erinnere an die Diskussion zwischen Drossel und Sommer, da hat Sommer auch so ähnlich argumentiert), ‘Naturalist’ ist viel stringenter, Atheismus ist nur ein Corollar, denn die Ablehnung welchen Gottes auch immer nur eine von vielen, vielen supranaturalistischen Entitäten.

  449. Chrys
    30.03.2021, 17:37 Uhr

    “Lost in translation …”
    Ob nun zwei Mal “dass” vorkommt oder zwei Mal “in der” ist m.E. eine Geschmacksfrage bei der Übersetzung – und ich denke, dass die “Gockel-AI” keinen Geschmack hat … ob wörtlich übersetzt wird oder sinngemäß, wobei der “Sinn” dann beim Übersetzer liegt, berühmtes Beispiel ist “Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben”.
    Die Frage ist, worauf sich die beiden Nebensätze beziehen, sind sie “seriell” zu verstehen ( bezieht sich “übernatürlich” auf “wissenschaftliche Erklärung” und das auf “Sichtweise” ) oder “parallel” ( beziehen sich sowohl “wissenschaftliche Erklärung” und “übernatürliche Erklärungen” auf die “Sichtweise” )?
    Und wenn dann noch die Vermutung ( @Stephan Schleim, 30.03.2021, 17:38 Uhr ) dazu kommt, dass ein Druckfehler …
    Ist das dann “Zufall” oder das “Wirken Gottes”, ist das nun “epistemisch” oder “ontologisch”? 😉 😉 😉

    Wenn ich bedenke, was vor Zeiten alles als “Gott” herhalten musste, zu dem man beten und dem man Opfer zu bringen hatte, um die Fährnisse des täglichen Lebens unbeschadet überstehen zu können, wie sich das ~1.500 v.u.Z im Sonnengott “Aton” konzentriert und gleich darauf wieder verloren hat, wie bei den Hirten und Bauern der “Kinder Israels” dieser eine Gott entstand, der anfangs ( im Paradies ) noch körperlich lustwandelte, der seine letzte Schöpfung mit der Sintflut fast vollständig wieder kaputt gemacht hat ( war das schon “Evolution”? ), der sich ~ 500 v.u.Z im babylonischen Exil mehr und mehr vergeistigt hat und den wir heute in so ungefähr 13,5 Milliarden Lichtjahren Entfernung ( “im Himmel” ) oder wie das Higgs-Feld allgegenwärtig verorten …
    Ich habe ja schon den “Kollateralschaden” der Menschwerdung erwähnt, der wirkt auch bei mir, aber ich kann wohl unterscheiden, was ich gerne hätte, um meinen “Seelenfrieden” evolutionsmäßig zu stabilisieren, und dem, was nach aller logischer Erkenntnis wahrscheinlich ist – und so lange ich etwas messen kann, hat da hat ein irgendwie zufällig wirkender Gott keinen Platz mehr.
    Und ich brauche auch keine Seinserklärung ( was ist das Leben, was ist Geist, was ist dunkle Materie ), die “Gott” durch “wahre Erkenntnis” ( Betonung auf “wahr” ) ersetzt.

  450. @Chrys
    Die Forderung nach Fallibilität würde eine Entscheidbarkeit des “Problems der Metaphysik” bedingen, die allerdings (gemäss Stegmüller) gar nicht gegeben ist.

    Das sehe ich nicht so. Man muss scharf unterscheiden zwischen Fallibilität und Falsifizierbarkeit. Letztere wäre mit Entscheidbarkeit verknüpft und bezüglich Metaphysik tatsächlich nicht möglich. Der Fallibilitätsvorbehalt ist ein Fehlbarkeits- oder Irrtumsvorbehalt, der sich auf die Begründung bezieht, d.h. die Begründung könnte ein Irrtum, also fehlbar oder falsch sein.

    Popper hat bekanntlich die Falsifizierbarkeit gefordert, das ist gleichbedeutend mit Überprüfbarkeit, setzt diese jedenfalls voraus. Prinzipiell unterliegt jede Theorie und jede Beobachtung der Fallibilität. Die Falsifizierung einer Theorie könnte jedoch selber falsifiziert werden, also falsch sein.

  451. @anton reutlinger 30.03.2021, 19:23 Uhr

    Inverse Retina ist nicht unbedingt ein Design-Fehler

    Hier wurde viel über das Auge geschrieben. Die Rezeptoren der Zapfen und Stäbchen in der Netzhaut sind nach innen gerichtet, nicht nach außen, wie man von einem “intelligenten Designer” erwarten würde.

    Vorsicht, das wird komplex. Es gibt auf der einen Seite auch everse Augen (beispielsweise bei Tintenfischen) und es ist immer ein Problem ‘intelligent’ mit ‘Designer’ zu koppeln. Auch schlechtes Design ist Design, es geht um die Frage, ob ein System durch naturalistische Mechanismen evolvierbar ist oder nicht. Auch ein ‘Montags-Auto’ entsteht nicht von selber.

    Das Licht muss also drei Zellschichten durchdringen, bevor es auf die Rezeptoren trifft.

    Das ist aber belanglos, man weiß schon lange, dass ein einzelnes Photon rezipiert werden kann, dass das menschliche Auge die theoretisch maximale Empfindlichkeit hat. Sehschärfe wird zudem eher durch Verrechnung erreicht. Dass das Wirbeltier-Auge invers ist, ist einerseits aus der Embryologie zu erklären, aber es gibt sogar ein Argument, warum es besser ist als ein everses: Kühlung. Wenn die Sehzellen außen liegen würde, müsste man noch mehr Blutgefäße darüber legen. Das wäre auch nicht günstig.

    Auch das scheint ein stabiles Muster zu sein, denn es ist weit verbreitet in der tierischen Natur und ist offenbar erfolgreich. Ob der Designergott sich da einen Scherz erlaubt hat?

    Sie reden vom Wirbeltier-Auge, es gibt durchaus noch andere Augentypen bei Tieren.

    Wie gesagt, wenn Sie einen Intelligent Design-Vertreter fragen, hat der sehr gute Argumente, warum das Auge so besser funktioniert (es gibt noch mehr Argumente, bei Bedarf kann ich Ihnen einen einschlägigen Artikel verlinken). Zudem schafft ein Designer nicht ex nihilo: er muss die constraints und Bebürdungen mit berücksichtigen, welche die Organismen aufweisen. Intelligent Design hat damit kein Problem, denn es erkennt Evolution, die durch Designer-Eingriffe beeinflusst wird, an. Der Designer ist eher ein ‘tinkerer’ als ein Konstrukteur.

    Es sei denn, man geht als Kurzzeit-Kreationist von einer biblischen Schöpfung aus. Dann würde Ihre Argumentation stimmiger.

  452. @Timm Grams 30.03.2021, 19:16 Uhr

    die aus der Intelligent-Design-Ecke andererseits (z. B. Drossel)

    Frau Drossel kommt aus der Intelligent-Design-Ecke?

    Kennen Sie

    Drossel, B. (2013) ‘Und Augustinus traute dem Verstand. Warum Naturwissenschaft und Glaube keine Gegensätze sind’ Gießen, Brunnen

    Dort argumentiert sie als Christin gegen Intelligent Design.

  453. @ Wolfgang Stegemann 30.03.2021, 10:44

    Die Neuronen und die synaptischen Funktionen kenne ich nur aus populärwissenschaftlichen Quellen. Das verlinkte Video habe ich mir angeschaut.

    Ich berücksichtige bei meinen Überlegungen nur die Interpretationen der elektrischen „Gatterfunktion“ bzw. der synaptischen Verknüpfungsfunktion. Damit sollte alles was „Turing berechenbar“ ist, auch „berechenbar“ sein.

    Natürlich werden „Muster“, also „Objekte“ im Sinne der Informatik verarbeitet und im neuronalen Netz „gespeichert“.

    „Metapher“ verwende ich, um neue Sachverhalte für die es noch keine allgemein verwendeten gültigen Begriffe gibt, sprachlich formulieren zu können, wie es zumindest früher in der Elektronik üblich war. In meinem Beitrag an Karl Maier „Elektroniker 30.03.2021, 10:04 Uhr“ habe ich das erläutert.

    Natürlich vermute ich auch, dass chemische Prozesse Einfluss nehmen könnten. Ich glaube, Sie haben auch schon öfter auf diesen Aspekt hingewiesen. Einerseits könnten z.B. in den Zapfen direkt „Qualiaeffekte“ auftreten, dass so etwas wie Empfindungen/Bewusstsein als „Begleitphänomene chemischer Prozesse“ (wenn Elektronen/Löcher sozusagen aus ihren Bahnen „fliegen“), auftreten könnten.

    Andererseits könnte auf die erforderlichen „Mikromuster Abbildungen“, wenn z.B. Ecken, Kanten, Kreisbogen ….. erkannt werden müssen, chemischer Einfluss (eine Art „Modulation“) auf die beim Triggern entstehenden Signale genommen werden. Die könnten eventuell besonders mit den „schnellen Hirnwellen“ die auf die „Zeitstruktur“ der Prozesse Einfluss nehmen, ausgewertet werden.

    An sich sollte die rein elektrische Gatterfunktion reichen.

  454. @Waschke
    Sie reden vom Wirbeltier-Auge, es gibt durchaus noch andere Augentypen bei Tieren.

    Dieses Argument kann man auch umdrehen. Warum ist es beim Wirbeltierauge so kompliziert, wenn es auch anders geht? Oder warum überhaupt mehrere ganz verschiedene Lösungen? Ich wollte nicht ID widerlegen, sondern ein Beispiel für “stabile Muster” in der Biologie aufzeigen, das a priori nicht erwartet würde.

    Bemerkenswert ist hier noch, dass die Augen der gesamten Tierwelt wahrscheinlich aus einem einzigen Urauge zur Hell-dunkel-Unterscheidung entstanden sind, wie Forscher in Heidelberg an Larven des Ringelwurms herausgefunden haben.

  455. @Stephan Schleim 30.03.2021, 17:38 Uhr

    Definition von Mattews beschreibt meine Position nicht zutreffend

    Die Definition von ON hat nach meiner Lesart eine klare ontologische Komponente

    Aber nicht zentral, s.u.

    denn sie sagt aus, dass alle Ereignisse, also konkrete Vorgänge in der Welt, so sind, dass sie sich (natur-) wissenschaftlich erklären lassen;

    Nein, sie unterstellt das dem ontologischen Naturalisten. Das ist eine epistemologische Aussage, eventuell mit einer ontologischen vermischt. Man muss nicht vertreten, dass alle Ereignisse erklärbar sind.

    und das schließt mit MN “Übernatürliches” aus.

    Das besagt schon der ontologische Naturalismus allein, wenn man ihn wie üblich (‘alles geht mit rechten Dingen zu’) definiert.

    Ich denke ferner, dass “supernatural explanations” ein Druckfehler ist und es logischerweise hier “supernatural events” heißen müsste.

    Sehe ich auch so, s.u.

    Aber noch mal im Kontext.

    [Matthews]: Ontological (or Metaphysical) Naturalism (ON). This is the view that there is a scientific explanation for all events, that supernatural explanations (e.g. Divine interventions, miracles) simply do not occur. (p. 1620)

    Obwohl ich als emergentistischer Materialist einen ontologischen Naturalismus vertrete, sehe ich meine Position durch diese Definition nicht gut getroffen. Mir werden Positionen unterstellt, die ich nicht vertrete.

    Die epistemologische Aussage (“there is a scientific explanation for all events”) geht viel zu weit. Es könnte durchaus sein, dass es “events” gibt, die nicht erklärbar sind, die aber ‘mit rechten Dingen zugehen’. Auf jeden Fall ist das keine ontologische Aussage. Man könnte es eventuell dahin gehend erweitern, dass man sagt, dass ein Erklärung naturwissenschaftlich ist oder eben keine sein kann.

    Der zweite Abschnitt (“that supernatural explanations (e.g. Divine interventions, miracles) simply do not occur”) enthält, wie Sie ja auch vermuten, einen Fehler, wenn “event” dort steht, macht es mehr Sinn. Das ist auch dann nicht unbedingt eine ontologische Aussage (denn es geht nicht um die ‘events’, sondern um die sie verursachenden Entitäten), okay, implizit, hätte aber klarer definiert werden können.

    Sollten derartige Entitäten existieren, wäre der Naturalismus widerlegt. Aber das ist im Fallibilitätsvorbehalt explizit eingepreist.

  456. @Waschke: Epi & Onto

    Es könnte durchaus sein, dass es “events” gibt, die nicht erklärbar sind, die aber ‘mit rechten Dingen zugehen’.

    Das könnte dann aber niemand wissen, da es dafür keine (wissenschaftliche) Erklärung gäbe. (Nach dem Maßstab des Logischen Positivismus wäre die Aussage dann noch nicht einmal falsch, sondern schlicht: sinnlos.)

    Also why bother?

    Wie gesagt: In einer Pattsituation sollte man sich für die Position entscheiden, mit der man am besten leben kann. Wenn das für Sie Ihr emergentistischer Naturalismus ist: So be it!

  457. @Thomas Waschke 30.03.2021, 19:49 Uhr

    Ich beziehe mich auf dieses Streitgespräch zwischen Barbara Drossel und Volker Sommer: Was haben Glaube und Vernunft gemein? Spektrum der Wissenschaft 10/2018, 70-75. Mein Leserbrief dazu stand auszugsweise in Heft 2/2019, S. 94. Hier eine Kurzfassung der Online-Version:

    Intelligent Design ist metaphysisches Gedankengut – nicht prüfbar, statisch. Ein Wissenschaftsmagazin hat seine Pflicht erfüllt, wenn es die wissenschaftliche Unfruchtbarkeit dieses Ansatzes einmal aufgezeigt hat. Das ist durch Daniel C. Dennett im Oktoberheft 2005 in angemessenerWeise und im richtigen Kontext geschehen. Ausgangslage war damals der Vorstoß der Intelligent-Design-Bewegung, die Schöpfungslehre als gleichrangig mit der Evolutionslehre in den Unterrichtsplänen der USA-Schulen zu verankern. Dieses beharrlich verfolgte Ansinnen gilt als weitgehend gescheitert.
    Nun soll die Intelligent-Design-Bewegung anscheinend revitalisiert werden. Im Oktoberheft von Spektrum der Wissenschaft trägt Barbara Drossel im Streitgespräch die Intelligent-Design-Position vor; im Literaturverzeichnis finden wir ein Buch des ID-Verfechters John Lennox. Ein solches Streitgespräch ist genau das von der Intelligent-Design-Bewegung gewünschte Format: Es ist zu verstehen als Anerkennung der Gleichrangigkeit dieses Denkens mit dem der modernen Wissenschaft

  458. @Chrys 30.03.2021, 18:39 Uhr

    Es geht nicht ohne Ontologie

    Für ihre professionelle Arbeit als Physikerin benötigt Frau Drossel keine Entität `Gott’, ganz klar. Sie benötigt dafür aber auch keine ontologische `Energie’ oder `Materie’ à la Bunge. Der Witz ist schliesslich, dafür benötigt sie überhaupt keine Metaphysik — in Kontrast zu Mahners Statement, “that in science, naturalism is to be understood as a metaphysical presupposition“.

    Der Witz ist eigentlich noch ein anderer. Bunge geht davon aus, dass man nicht die Wahl zwischen keiner Metaphysik und einer Metaphysik hat, sondern nur die zwischen einer guten und einer schlechten. Die Behauptung, man könne metaphysikfrei Naturwissenschaften betreiben, ist eine sehr schlechte Metaphysik.

    Dazu muss man beachten, dass ein hypothetischer Realismus vertreten wird, eben weil sich nicht zeigen lässt, dass eine vom erkennenden Subjekt unabhängige Realität besteht. Metaphysik (wie gesagt, synonym mit Ontologie) geht also damit los, welche Entitäten man in seinem Weltbild einführt. Das ist selbstverständlich dynamisch.

    Nur ein Beispiel: Lange Zeit ging die Physik von einem Äther aus. Maxwell (der mit den berühmten Gleichungen) berechnete sogar numerische Werte für Eigenschaften des Äthers, den es, nach heutigem Wissen, gar nicht gibt. Also musste man die Ontologie anpassen: ‘Äther’ entfernen. Gibt es Evidenzen für bisher nicht bekannte Entitäten, muss die Ontologie erweitert werden. Natürlich gehören nicht nur die Entitäten, sondern auch Wirkungen und so weiter zur Ontologie.

    Selbstverständlich braucht Frau Drossel eine Metaphysik. Sie geht ja von Entitäten aus, wenn sie Modelle erstellt.

    [Thomas Waschke] »Wichtig ist, dass man sie [die gewählte Ontologie] begründen kann, und dass man sie unter Fallibilitätsvorbehalt vertritt.«

    Die Forderung nach Fallibilität würde eine Entscheidbarkeit des “Problems der Metaphysik” bedingen,

    Sollte jemand zeigen können, dass es eine Übernatur gibt, wäre der Naturalismus, genauer, alle naturalistischen Ontologien, widerlegt.

    die allerdings (gemäss Stegmüller) gar nicht gegeben ist. Nach welchen Kriterien sollte denn absolut entscheiden werden, welche Metaphysik die “richtige” ist? Entschieden werden kann da jeweils nur ganz individuell.

    Der Knackpunkt ist ‘absolut’. Das geht nicht, zumindest konnte das noch niemand zeigen. Nun geht es halt um die Konsequenzen daraus, dass es nur zeitkernige Gültigkeiten, aber kein sicheres Wissen gibt.

    Man kann für die Beurteilung von Ontologien durchaus Kriterien entwickeln. Aber letztlich ist das, wie ich schrieb, immer eine IBE, eben weil uns sicheres Wissen nicht vergönnt ist. Genauer, noch niemand konnte zeigen, dass das der Fall ist. Es geht darum, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln ein möglichst konsistentes Weltbild zu formulieren, eben eine Ontologie. Und dann die formulierten vergleichen und sich für die beste entscheiden.

    Ich kenne keine andere Alternative, die besser wäre. Liegt aber wohl ‘in the eye of the beholder’, wie so Vieles in der Philosophie.

  459. @Timm Grams 30.03.2021, 20:32 Uhr

    Kreationismus vs. Intelligent Design

    Ausgangslage war damals der Vorstoß der Intelligent-Design-Bewegung, die Schöpfungslehre als gleichrangig mit der Evolutionslehre in den Unterrichtsplänen der USA-Schulen zu verankern.

    Hier verwechseln Sie etwas. Das war in den 1980er Jahren ‘equal time’, das von Kurzzeit-Kreationisten eingefordert wurde und im McLean-Prozess entschieden wurde.

    Intelligent Design hat nie ‘equal time’ eingefordert. Ich kann Ihnen Details in jeder beliebigen Anzahl schildern. Intelligent Design trat für ‘teach the controversy’ ein. Das wurde dann im Dover-Prozess entschieden.

    Wir können auch gerne Frau Drossel anschreiben, ob Sie Intelligent Design vertritt. Ich kann Ihnen aber auch Publikationen nennen, aus denen deren Meinung deutlich wird.

  460. @Stephan Schleim 30.03.2021, 20:23 Uhr

    Welche Patt-Situation?

    Wie gesagt: In einer Pattsituation sollte man sich für die Position entscheiden, mit der man am besten leben kann. Wenn das für Sie Ihr emergentistischer Naturalismus ist: So be it!

    Wir hatten das schon vor einiger Zeit: Ich bestreite, dass es eine Patt-Situation ist. Sie wollten das auch damals nicht ausdiskutieren. Okay, das würde wohl zu Psychologisieren führen. Aber dann wären die Karten auf dem Tisch.

    Ich erinnere mich noch gut daran, dass Sie meine Position mit dem Buridanschen Esel verglichen haben, obwohl ich es war, der sich entschieden hat.

    Es geht nicht darum, womit man am besten leben kann, sondern darum, ‘was der Fall ist’. Zumindest als zeitkernig diskursiv einlösbare Geltung. Wir reden doch über die ‘Welt an sich’, nicht die ‘Welt für mich’.

    Ich sehe nicht, dass Supranaturalismus genauso plausibel ist wie Naturalismus. Ich lasse mich aber gerne durch Argumente, nicht durch Gefühle, überzeugen. Und ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich kein Agnostiker mehr bin, eben weil ich einsah, dass ‘fence sitting’ nur in seltenen Fällen die korrekte Haltung ist. Auch wenn man damit am besten leben kann.

  461. @Thomas Waschke 30.03.2021, 20:45 Uhr

    Intelligent Design und Schule war in den USA nach der Jahrtausendwende Thema: Aufsehen erregte das Urteil des Richters John Jones, eines von George W. Bush ernannten Lutheraners, das dieser im Dezember 2005 in Pennsylvania verkündete. Der Richter nannte das Intelligent Design eine „atemberaubende Trivialität“, die den Test auf Wissenschaftlichkeit nicht bestehen könne (TIME, 8.5.2006).

    Barbara Drossel hat sich im Gespräch mit Volker Sommer im Sinne des Intelligent Design geäußert. Das reicht. Weitere Recherchen bringen nichts. Jeder darf seine Meinung ändern.

  462. @Waschke: Patt-Situation

    Ist ja gut, wenn Sie die Evidenzen anders gewichten als Andere…

    …mich schreckt schon diese Vermischung von Epistemologie und Ontologie, von Methodischem und Ontologischen Naturalismus u.ä. ab. (Damit meine ich nicht Sie, sondern den Durchschnitts-Naturalisten.)

    Das hatten wir jetzt ja schon oft genug. Vielleicht nächstes Mal anders.

  463. @Timm Grams 30.03.2021, 21:05 Uhr

    Frau Drossel und Intelligent Design

    Intelligent Design und Schule war in den USA nach der Jahrtausendwende Thema: Aufsehen erregte das Urteil des Richters John Jones, eines von George W. Bush ernannten Lutheraners, das dieser im Dezember 2005 in Pennsylvania verkündete.

    Ich kann Ihnen gerne Literatur benennen, in der präzise aufgeführt wird, um was es in diesem Prozess genau ging. Die Zeugenaussagen, Materialien, die die beiden Parteien eingereicht haben, und das Urteil sind im Internet frei zugänglich, es sind vier Bücher über den Prozess erschienen, es gibt eine Reihe weiterer Arbeiten zu speziellen Themen und viele, viele andere Artikel zu Details. Das Urteil war formal begründbar, aber nicht unbedingt inhaltlich. Interessanterweise aus dem selben Grund, warum das im McLean Urteil der Fall war.

    Nur nebenbei, ich habe dazu auch eine kleine Artikel-Serie in der MIZ geschrieben, in der ich die drei wichtigsten Prozesse zu Evolution und Schule in den USA analysiert habe. Allerdings nicht besonders kritisch und auf MainStream-Linie. Nur falls es Sie interessiert:

    http://www.waschke.de/miz_prozesse.pdf

    Der Richter nannte das Intelligent Design eine „atemberaubende Trivialität“, die den Test auf Wissenschaftlichkeit nicht bestehen könne (TIME, 8.5.2006).

    Das “breathtaking inanity” bezog sich auf das Verhalten eines Zeugen, nicht auf Intelligent Design. Ich vermute, dass Sie “atemberaubende Trivialität” im Urteil nicht finden werden, lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen. BTW, üblicherweise entscheiden nicht Richter, was ‘Wissenschaft’ bedeutet.

    Eine Aussage wie “Test auf Wissenschaftlichkeit” ist wenig relevant, eben weil es innerhalb der Wissenschaftstheorie unterschiedliche Auffassungen gibt. Die Intelligent Design Bewegung räumt zudem ein, dass sie eine alternative Wissenschaftstheorie erfordert. Der Richter folgte der Argumentation der Anklage weitgehend. Aber die war wissenschaftstheoretisch sehr ‘dünn’. Aber es ging mehr um formale Dinge, hier hatte der Richter ein gutes Argument. Wenn ein anderer Richter Vorsitzender gewesen wäre, hätte die Sache aber auch vollkommen anders ausgehen können.

    Barbara Drossel hat sich im Gespräch mit Volker Sommer im Sinne des Intelligent Design geäußert. Das reicht. Weitere Recherchen bringen nichts. Jeder darf seine Meinung ändern.

    Frau Drossel hat das nicht getan. Intelligent Design ist präzise definiert, Frau Drossel vertritt diesen Standpunkt nicht. Wir können das gerne in jeder beliebigen Detail-Tiefe durchdiskutieren.

    Dazu wäre es aber sinnvoll, wenn Sie definieren würden, was Sie unter ‘Intelligent Design’ verstehen. Wir können das dann mit den Definitionen führender Intelligent Design-Vertreter vergleichen und dann entscheiden, ob Frau Drossel Intelligent Design vertritt.

    Wir könnten auch, wie vorgeschlagen, auch Frau Drossel direkt befragen.

  464. @Stephan Schleim 30.03.2021, 21:36 Uhr

    Ist Gewichtung der Evidenz evident?

    Ist ja gut, wenn Sie die Evidenzen anders gewichten als Andere…

    Ich habe kein Problem damit, wenn Sie einräumen, Ihr Standpunkt sei vor allem durch Ihre Gewichtung evident.

    Eventuell sollte man sich Gedanken über das Proliferationsproblem machen.

    …mich schreckt schon diese Vermischung von Epistemologie und Ontologie, von Methodischem und Ontologischen Naturalismus u.ä. ab. (Damit meine ich nicht Sie, sondern den Durchschnitts-Naturalisten.)

    Okay. Kann sein, dass es mir mit den Durchschnitts-Naturalisten so geht wie ach so modernen Theologen, für die alles nur symbolisch aufzufassen ist, was ‘Christentum’ zu bedeuten habe, die sich an den Kopf fassen, wenn sie sehen, was Durchschnitts-Christen so alles glauben. Nur eben mit dem Unterschied zu diesen Theologen, dass ich das Tafelsilber nicht verschleudern musste, um meinen Naturalismus vertreten zu können, ganz im Gegenteil.

    Das hatten wir jetzt ja schon oft genug. Vielleicht nächstes Mal anders.

    Hoffentlich. Denn mir liegt viel daran, zu verstehen, wie jemand anbetrachts der vorliegenden Evidenzen für ein Patt argumentieren kann.

    Dafür müsste er wohl Meta-Evidenzen vorweisen können 😉

  465. @ Thomas Waschke 31.03.2021, 08:13 Uhr

    Ich würde Sie ersuchen zu erklären warum „Intelligent Design“ nicht wissenschaftlich sein soll, im Gegensatz dazu Epistemologie, Ontologie, Naturalismus, Symbolismus ….. in jeder?? Hinsicht wissenschaftlich absolut korrekt sein soll?

    Ihr “miz” Link funktioniert übrigens nicht.

    Ich befürchte, es ist alles Chimäre, …..

    „Denkmuster“ im besten Fall.

  466. Zu dem Gott von den drei Physikern … welcher “Gott” aus welcher Religion soll das sein?
    Der dessen Sohn für uns gestorben ist, wohl kaum. Oder kann mir jemand erklären wie DAS “nur mit Zufall” passiert sein soll?

    Wenn man den Gottesbegriff beliebig abstrahiert, findet man sicher etwas was noch kompatibel mit dem derzeitigen “Wissen” ist, aber mit den etablierten Religionen hat das nichts zu tun.

    Ein Göttchen was sich quasi nicht oder nur marginal bemerkbar macht – hat sehr viel Ähnlichkeit mit dem Gott der Lücken. Nur weil etwas (noch) nicht erklärbar ist, ist es noch lange nicht “Gott”.

    Oder der Begriff Gott hat eine ganz neue Bedeutung bekommen …

  467. @Thomas Waschke 31.03.2021, 08:13 Uhr

    Ich nehme die Belehrung gern an: Ich sollte Barbara Drossel nicht der Intelligent-Design-Bewegung zuordnen.

    Sie vertritt aber eine Position, die nahe dem Intelligent Design ist, nämlich “dass die letzte Realität eine geistige ist und dass Materie vergänglich ist und von dieser geistigen Realität erschaffen wurde”. Außerdem spricht sie von einem “rationalen Gesetzgeber” und dass das “Universum offenbar mit der Absicht gemacht wurde, dass Leben darin entsteht”; sie verweist dazu auf die Feinabstimmung der Naturkonstanten.

    Offenbar zu Stützung dieser Position wird im Literaturverzeichnis ein Werk von John Lennox angeführt, und “John Lennox vertritt in gemäßigter Form die Theorie des Intelligent Design” (Wikipedia). Ein Kollege wollte mich zum ID bekehren und hat mir einst ein Buch von Lennox geschenkt. Die Einschätzung der Wikipedia trifft meines Erachtens zu.

  468. @einer: keine Ahnung

    Wenn man den Gottesbegriff beliebig abstrahiert, findet man sicher etwas was noch kompatibel mit dem derzeitigen “Wissen” ist, aber mit den etablierten Religionen hat das nichts zu tun.

    An solchen Äußerungen wird vor allem deutlich, dass einer sich nie ernsthaft mit dem Thema beschäftigt hat. Die entsprechenden Disziplinen wären: Theologie oder Religionswissenschaft. Recherchetipp: Negative Theologie.

    (Einer hat, genauer gesagt, über 2.000 Jahre unserer Kulturgeschichte nicht auf dem Radar, schlussfolgert aber trotzdem: kein Flugobjekt zu sehen! Für den Stammtisch mag’s reichen – für MENSCHEN-BILDER eher nicht.)

    Viel Spaß!

  469. @Elektroniker 31.03.2021, 09:03 Uhr

    Ich würde Sie ersuchen zu erklären warum „Intelligent Design“ nicht wissenschaftlich sein soll, im Gegensatz dazu Epistemologie, Ontologie, Naturalismus, Symbolismus ….. in jeder?? Hinsicht wissenschaftlich absolut korrekt sein soll?

    Ich spreche von Intelligent Design im Sinne der Intelligent Design Bewegung. Details finden Sie in

    http://www.gwup.org/component/content/article/84-Kreationismus/785-intelligent-design-eine-alternative-zur-naturalistischen-wissenschaft

    Ihr “miz” Link funktioniert übrigens nicht.

    Stimmt, danke für den Hinweis. Keine Ahnung, irgendwie ist der Link nicht das, was ich eingetippt habe (die Adresse des SciLog wurde vorangestellt, ich habe das aber nicht so eingegeben. …).

    Einfach in die Adress-Zeile des Browsers kopieren. Bei mir funktioniert das. Der Link ist definitiv in Ordnung.

  470. @Timm Grams 31.03.2021, 10:01 Uhr

    Ich nehme die Belehrung gern an: Ich sollte Barbara Drossel nicht der Intelligent-Design-Bewegung zuordnen.

    🙂

    Sie vertritt aber eine Position, die nahe dem Intelligent Design ist, nämlich “dass die letzte Realität eine geistige ist und dass Materie vergänglich ist und von dieser geistigen Realität erschaffen wurde”. Außerdem spricht sie von einem “rationalen Gesetzgeber” und dass das “Universum offenbar mit der Absicht gemacht wurde, dass Leben darin entsteht”; sie verweist dazu auf die Feinabstimmung der Naturkonstanten.

    Genau. Frau Drossel ist Christin, sie ist in der Karl-Heim-Gesellschaft organisiert. Intelligent Design wird von diesen Christen meist abgelehnt, weil es für eine Art Gottesbeweis durch Kenntnislücken in den Naturwissenschaften argumentiert. Das Problem dabei ist, dass ein Schließen dieser Lücken dann einem negativen Gottesbeweis entsprechen würde. Das wollen diese Menschen vermeiden. Deshalb vertritt weder die evangelische noch die katholische Kirche die Form von Design, welche die Intelligent Design Bewegung vertritt.

    Eine Kritik von Seiten der katholischen Kirche finden Sie in

    Rhonheimer, M. (2016) ‘Homo sapiens: die Krone der Schöpfung. Herausforderungen der Evolutionstheorie und die Antwort der Philosophie’ Wiesbaden, Springer VS

    Kardinal Schönborn hatte sich bekanntlich in einem OpEd in der New York Times für Intelligent Design ausgesprochen, hat das aber im Prinzip zurückgezogen. War nur merkwürdig, dass das so hohe Wellen schlug, denn Schönborn hatte nur das gesagt, was die RKK schon lange vertritt. Nur vielleicht mit den falschen Begriffen in Namen der falschen Organisation.

    Selbstverständlich vertritt Frau Drossel eine Art Intelligent Design, aber nicht das der Intelligent Design Bewegung.

    Man muss zwischen dem Design-Argument an sich und dem der Intelligent Design Bewegung unterscheiden. Das Design-Argument ist uralt, man findet es voll durchformuliert schon bei Cicero (und auch schon bei Sokrates, vermutlich sogar noch früher …). Letztlich ist Intelligent Design ‘Paley redivivus’, wie das jemand formulierte, aber eben auf der einen Seite mit neuen Erkenntnissen der Physik (‘FineTuning’) und vor aller der Molekularbiologie (‘Irreduzible Komplexität’, ‘Spezfizierte Komplexität’).

    Offenbar zu Stützung dieser Position wird im Literaturverzeichnis ein Werk von John Lennox angeführt, und “John Lennox vertritt in gemäßigter Form die Theorie des Intelligent Design” (Wikipedia).

    Das ist vollkommen zutreffend. Lennox argumentiert mit ‘guten Lücken’, das sind solche, die sich mit wachsender Kenntnis vertiefen und nicht schließen. Ein gutes Beispiel dafür ist Abiogenese. Er ist aber meines Wissens nicht in der Intelligent Design Bewegung aktiv, wird aber oft zitiert.

    Ein Kollege wollte mich zum ID bekehren und hat mir einst ein Buch von Lennox geschenkt. Die Einschätzung der Wikipedia trifft meines Erachtens zu.

    Interessant. Darf ich raten?

    Lennox, J.C. (2009) ‘God’s Undertaker. Has Science Buried God? [2007]’ Oxford, Lion Books

    Lennox hat aber auch Bücher geschrieben, die deutlich apologetischer sind.

  471. @Stephan Schleim 31.03.2021, 11:35 Uhr

    Vielleicht doch etwas Ahnung?

    An solchen Äußerungen wird vor allem deutlich, dass einer sich nie ernsthaft mit dem Thema beschäftigt hat. Die entsprechenden Disziplinen wären: Theologie oder Religionswissenschaft. Recherchetipp: Negative Theologie.

    Vorsicht, hier müssen Sie sehr präzise darauf achten, was Sie wie vertreten. Es gibt nicht nur von Seiten literalistischer Organisationen viel Kritik an genau dem, was Sie schildern. Die Frage ist wirklich, was das, was die von Ihnen genannten Disziplinen (negative Theologie, ein ziemlich lupenreiner Agnostizismus, vielleicht einmal ausgenommen) von dem übrig lassen, was Christentum lange ausmachte. Genauer: Wie viel von den traditionellen Inhalten des Christentums muss man aufgeben, um zu bestimmten Positionen kompatibel sein zu können.

    Als ich mich intensiver mit Christentum und Theologie befasste, war die ‘Gott ist tot’-Theologie im vollem Schwang. Es wurde auch bestritten, dass Jesus auferstanden ist oder sogar, dass er überhaupt gelebt hat, Quellenscheidung ist noch älter, höhere Bibelkritik und Entmythologisierung gibt es ja auch noch. Das ist in etwa das, was ich ‘Verramschen des Tafelsilbers’ nenne.

    Die Frage ist durchaus gestattet, wann sich eine Auffassung noch ‘Christentum’ nennen darf. Mit dem, was in den üblicherweise in Kirchen (nach)gebeteten Glaubensbekenntnissen steht, hat das nur wenig zu tun.

    Ich denke, @einer hat, vor allem anbetrachts dessen, was die Physiker in dem Interview vertraten, durchaus ein Argument.

    Religiosität ist ein Thema, Theismus oder auch positive Religion ein vollkommen anderes. Immerhin soll es so etwas wie Offenbarung geben …

  472. @Thomas Waschke 31.03.2021, 14:02 Uhr

    Mein Vorschlag: Darauf einigen wir uns. Und ja: Es ist die deutschsprachige Ausgabe dieses Buchs.

  473. @Thomas Waschke / 30.03.2021, 20:38 Uhr

    »Bunge geht davon aus, dass man nicht die Wahl zwischen keiner Metaphysik und einer Metaphysik hat, sondern nur die zwischen einer guten und einer schlechten. Die Behauptung, man könne metaphysikfrei Naturwissenschaften betreiben, ist eine sehr schlechte Metaphysik.«

    Unter Bunges Prämisse, dass Energie ein metaphysisches, mithin ontologisches Konzept sei, erscheint es gewiss als unausweichliche Konsequenz, dass insbesondere alle Physik, wo der Energiebegriff schliesslich eine ganz zentale Rolle spielt, eigentlich ontologisch ist.

    Doch warum sollte ich Energie überhaupt für ein metaphysisches Konzept halten? Dazu liefert mir die Physik gar keine Veranlassung. In der Physik wird der Begriff Energie allerdings auch gar nicht so definiert und verwendet, wie das bei Bunge herauskommt. Seine Konzepte von Energie wie auch von Materie haben indessen eine unübersehbare Ähnlichkeit mit den Vorstellungen von Enérgeia und Substanz bei Aristoteles, die fraglos metaphysisch waren.

    Gerade die Quantenmechanik gestattet bekanntlich eine ganze Schar unterschiedlicher Interpretationen, die observationell äquivalent sind, sich aber ontologisch wechselseitig ausschliessen würden. Für Beispiele von observationeller Äquivalenz bei ontologischer Verschiedenheit muss man sich nicht mal in die Welt der Quanten begeben, die lassen sich auch in der klassischen Physik finden.

    »Selbstverständlich braucht Frau Drossel eine Metaphysik. Sie geht ja von Entitäten aus, wenn sie Modelle erstellt.«

    Sie braucht theoretische Begriffe (wie e.g. Energie), um theoriebasierte Modelle zu erstellen. Doch das kann sie alles im Rahmen ihrer Wissenschaft tun, so etwas gehört wissenschaftstheoret. noch immer zur Physik — und keineswegs zur Metaphysik.

  474. @Thomas Waschke
    Radikalkritik (z.B. Detering), Entmythologisierung (z.B. Bultmann) und auch negative Theologie (gab es schon vor dem Christentum) sagen mir durchaus etwas.

    Fragen, die sich z.B. aus der negativen Theologie ergeben:

    Wie kann man von der Existenz von etwas ausgehen über welches man nichts sagen kann. Sagt man damit nicht schon etwas “positiv” über jenes etwas aus?
    Ergo geht negative Theologie ohne positive Theologie?

    Und wenn man das konsequent macht, was bleibt dann noch übrig?

  475. @einer 31.03.2021, 15:45 Uhr

    Theologien

    Fragen, die sich z.B. aus der negativen Theologie ergeben:

    Mich brauchen Sie nicht zu überzeugen, ich sehe das genauso.

    Und wenn man das konsequent macht, was bleibt dann noch übrig?

    Leere Kirchen bei denen, deren Theologen diese Spielchen treiben, und volle bei den Fundamentalisten.

    Eben weil die einen ein Bedürfnis befriedigen können, das die Massen umtreibt, während sich die anderen an der Quadratur des Kreises versuchen: wie bekomme ich ein Weltbild aus Zeiten, da die Menschen noch nicht wussten, wo die Sonne nachts ist, mit den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften unter einen Hut.

    Aber dieses Problem haben meist nur Menschen in Akademistan.

  476. @ Thomas Waschke

    Vor längerer Zeit (ungefähr 20 Jahre) habe ich im Fernsehen (oder eventuell Radio) den Vortrag eines Wissenschaftlers verfolgt, der besonders ausgeführt hat, dass das visuelle System (Auge) nicht mit einer Videokamera verglichen werden darf, weil offensichtlich eine „Vorverarbeitung“ erfolgt und nicht einfach die umgesetzten Signale sozusagen „durchgeschaltet“ werden, wie bei technischen Videokameras.

    Ich halte es für denkmöglich, dass es damals Sie waren.

    Es würde mich in diesem Zusammenhang besonders interessieren, ob z.B. Signale die aus senkrechte Konturen (Muster) hervorgehen, (nachdem sie von einzelnen Sensorik Elementen emittiert wurden) mit anderer Frequenz oder Phase „entstehen“, als Signale die nur aus „Grauwerten“ stammen. „Musterinformation“ könnte sozusagen z.B. als Frequenz- oder Phasenmodulation umgesetzt werden?

    Die relativ „schnellen Hirnwellen“ könnten darauf hindeuten, dass diese eine Art „Oszillatorfunktion“ haben und Muster entweder in höherfrequente oder auch niederfrequente elektrische „Signalspektren“ umgewandelt (moduliert) würden und in „Schaltnetzen“ (aus triggernden Neuronen) ausgewertet werden können. Also nicht direkt Gatterfunktionen genutzt werden?

    Das entspräche Konzepten der Nachrichtentechnik. Sie ermöglichen es im Prinzip, dynamische Signale je nach Erfordernis, in verschiedene „spektrale Bereiche“ zu „transformieren“.

    Ich interessiere mich (als Hobby) für jegliche Art von „Mustern“. Auf vielfältige Art reale Prozesse steuernde Muster, Planungsmuster, Konstruktionsmuster, Kausalmuster, Zufallsmuster (und alles dazwischen), konvergierende oder divergierende Muster, Funktionsmuster, Fehlermuster, Fehlersuchmuster, mimische und handelnde Muster, abstrakte Abbildung-, Modifikation-, Übertragung von Mustern, Muster in Algorithmen und algorithmisch abgebildete Muster (für die KI), Muster in biologischen besonders auch evolutionär entstandenen Systemen, Kombinationen von Mustern.

    Natürlich auch für meine Lieblingsmuster, die „Denkmuster“ und wie sie auf neuronalen Systemen abgebildet, realisiert und transferiert werden, wie „externe“ Muster auf die Muster molekularer Prozesse Einfluss nehmen, womöglich dabei „Empfindungsmuster“ entstehen die zu „Bewusstseinsmuster“ emergieren.….

    Ob Muster oder Symbole, indirekt animiert zu dieser Denke hat mich vor vielen Jahren im Zusammenhang mit meiner Schulausbildung ein spanischer Jesuit. Das waren bekanntlich die „Intelligenzbestien“ unter den Pfaffen….

  477. Vermutlich ist den Theologen nur die Einhaltung der 10 Gebote wichtig und sonst nichts.

    An deren Zweckmäßigkeit habe ich eigentlich nicht den geringsten Zweifel.

    In einer Welt in der man sich gegenseitig bestiehlt, den Schädel einschlägt …. möchte ich nicht wirklich leben.

  478. Ich habe es als “Kollateralschaden der Menschwerdung” bezeichnet, dass unser Gehirn in der Lage ist, ein “Morgen” nach dem “Morgen” zu denken ( denkend zu simulieren ) und daraus Rückschlüsse auf die ( erforderlichen ) Handlungen heute noch zu ziehen, um das Morgen nach dem Morgen noch zu er- bzw zu überleben. Das ist eine Möglichkeit, die augenscheinlich einzig für Lebewesen auf der Erde ist. Vielleicht leitet sich auch daraus unsere Neugier über das Kindesalter hinaus her, wissen ( sehen ) zu wollen, was unter dem Stein da liegt, was hinter dem Berg da hinten ist, wo sich Himmel und Erde zum Horizont vereinen, dann fahren wir auch schon mal nach Indien los und kommen in Amerika an. Und so können wir uns Modellvorstellungen ( real, virtuell, mathematisch ) von dem “IST” machen und wir können das ebenso überprüfen, wir können uns dann auch Modellvorstellungen von den Modellvorstellungen machen.
    So können wir nach einer Gemeinsamkeit von Glaube und Wissenschaft fragen, wir können fragen was das ist, was da “IST”, wir können auch fragen ( da es auf der Erde außer den Menschen unserer Kenntnis zufolge keine Lebewesen gibt, was an einen Gott glaubt ), ob es einen Gott gibt vor den Menschen oder ohne die Mesnchen …

    Dazu noch eine ( aus meiner Sicht hier passende ) Erzählung aus Salcia Landmanns Büchlein:
    Der berühmte Rabbi einer berühmten Schule sitzt im Kreise seiner Schüler und “klärt” ( denkt, meditiert, philosophiert ohne Worte ), der Aufmerksamkeit seiner Schüler sicher.
    Dann richtet er sich auf, sein Blick fokussiert sich auf die Schüler, die ihn fragend anschauen: “Ja, Rabbi?”
    Der fängt an: “Wenn man nimmt alles Wasser dieser Erde und macht daraus ein Wasser, wenn man nimmt alle Bäume dieser Erde und macht daraus einen Baum und wenn man nimmt alle Äxte dieser Welt und macht daraus eine einzige Axt …”
    “Und?”
    “Und wenn dann nimmt die Axt, die gemacht ist aus allen Äxten dieser Erde und man hackt damit um den Baum, der gemacht ist aus allen Bäumen dieser Erde und der fällt in das Wasser, was gemacht ist aus allen Wassern dieser Erde …”
    “Und?”
    “Ui, das gäbe aber einen großen Platsch!”

    Ich liebe diese Logik!

  479. @Stephan Schleim – zum Blog und zu den Kommentaren
    (Bei mir waren ein paar Notizen liegen geblieben …)

    Viele Aussagen, die man tätigt, treffen nur bei bestimmten Vor- oder Randbedingungen zu. Wenn man diese nicht ausdrücklich angibt, geht der Gesprächspartner evtl. von anderen aus und Widersprüche und Missverständnisse sind fast unvermeidlich.

    Evtl. liegt es daran, dass bestimmte „Ismen“ jeweils eigene Prämissen, Begriffsfestlegungen usw. im Gepäck haben. Ich hatte mich bis vor Kurzem nur sehr oberflächlich mit „Ismen“ beschäftigt. Meine Zurückhaltung mag daran liegen, dass viele „Ismen“, ob als „Denkschulen“, Religionen oder Weltanschauungen, aus meiner Sicht auch der Unterscheidung in „wir“ und „die anderen“ dienen – und das oft in abgrenzender Weise.

    Zum Naturalismus habe ich in der Wikipedia ein wenig gestöbert. Mir scheint, dass ich bei meinen Einschätzungen aus der angenommenen Sicht eines Naturalisten bzgl. Vor- oder Randbedingungen keine groben Fehler gemacht habe. 😉

    Wenn Sie als Blog-Hausherr den Wunsch äußern, dass Leser und Kommentatoren dieses Blogs sich mit diversen „Ismen“ oder auch mit anderen wissenschaftlichen Theorien und „Logien“ intensiv beschäftigen, ist das einerseits verständlich, andererseits aber auch überzogen. Dieser Blog in den Scilogs dient (nach meinem Verständnis) dazu, wissenschaftliche Forschung und Erkenntnisse auch einer breiten, wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit darzustellen. Sozusagen Fortsetzung von „Spektrum der Wissenschaft“ mit Mitteln des Internets. Da sollte es doch auch interessant und wichtig sein, wie Nicht-Philosophen oder Nicht-Psychologen oder Nicht-Theologen die Themen sehen, die Sie in Ihren Blog-Beiträgen darstellen.

    Mit Blick auf einige Anmerkungen Ihrerseits in den Blog-Einträgen und in den Kommentaren habe ich durchaus den Eindruck, dass Sie manchmal recht unbekümmert und nicht gerade fachkundig über die Naturwissenschaften, deren Erkenntnisse und daraus ableitbare Folgerungen fabulieren.

    Das war jetzt überspitzt. Aber „Übertreibung macht anschaulich.“

  480. Ethik wurde in Kommentaren angesprochen…

    Die „aufgezwungene“ Diskussion über Klone war für mich nervig und letztlich unergiebig.

    Über gedachte und nicht umsetzbare „1:1 Klone“ mache ich mir keine Sorgen, auch nicht aus ethischen Gründen.

    Ich mache mir eher Sorgen über das, was in der Reproduktionsmedizin für Nutztiere erforscht und angewendet wird (Stichworte „Klonschaf Dolly“ und „eineiige Mehrlinge“) und was aus biologischer oder technischer Sicht vermutlich auch bei Menschen möglich wäre.

  481. Mathematik wurde in Kommentaren angesprochen …
    Nur um zu zeigen, dass es auch Aussagen von Mathematikern gibt, in denen „Gott“ vorkommt. 😉

    „Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk.“
    Leopold Kronecker

    Die Mathematik als solche kann für die in diesem Blog betrachteten Themen im Wesentlichen als Hilfsmittel bzw. für Modellierungen eingesetzt werden. Aber auch die „mathematische“ Betrachtung von Themen schützt nicht vor Fehleinschätzungen. Auch hier müssen Vor- und Randbedingungen sorgfältig berücksichtigt werden. Nur leicht übertriebene Beispiele:
    Aus einem Unternehmen

    Personalabteilung (PA): „Kenntnisse und Fertigkeiten der Mitarbeiter sind normalverteilt. Wir werden Beurteilungen bzw. Bewertungen der Mitarbeiter auf Abteilungsebene zurückweisen, wenn diese nicht eine entsprechende Verteilung (Gaußsche Glockenkurve) aufweisen.“
    Mathematisch geschulter Mitarbeiter (MA): „Da müssen wir noch viele Idioten einstellen, damit wir das hinbekommen.“
    PA: „Hä?“
    MA: „Auf Unternehmensebene klappt es mit der Normalverteilung.“

    Ungewohnte Sichtweisen

    1 + 1 = 10 … Nanu?

    Völlig korrekt. Es gibt 10 Gruppen von Menschen. Diejenigen, die die binären Zahlen verstehen, und die anderen.
    Gern genutztes „Muster-Beispiel“ für unlösbare Aufgaben

    Die Quadratur eines Kreises ist unmöglich … oder doch möglich?

    Unmöglich, wenn man die Konstruktions-Aufgabe in der zweidimensionalen Ebene allein mit den Werkzeugen Lineal (ohne Skala), Zirkel und Bleistift lösen will.
    Möglich, wenn man z.B. einen dreidimensionalen Zylinder (Dose, Rad, Baumstamm, …) abrollt. Denn dann hat man zusätzlich zum „abgreifbaren“ Kreisdurchmesser auch den Kreisumfang und damit das für die Quadratur erforderliche Seiten-Verhältnis zur Verfügung. Und Abmessen und Umrechnen mit z.B. Pi = 3,14 ermöglicht bei millimetergenauer Arbeit eine recht genaue Quadratur.

  482. @Andresen: offene Meinung

    Danke für Ihre offene Meinung, die verschiedene Aspekte besprechbar macht.

    Sozusagen Fortsetzung von „Spektrum der Wissenschaft“ mit Mitteln des Internets.

    So sind und waren die BrainLogs (wie es ursprünglich hieß) und SciLogs nie gedacht. Das trifft dann eher für “Spektrum Direkt” zu. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass die Bloggerinnen und Blogger hier selbst entscheiden, ohne redaktionelle Kontrolle. In bald 14 Jahren und bei rund 350 Beiträgen kam es bisher nur einmal vor, dass ein Beitrag vom Netz genommen wurde: Weil er sich nicht an Richtlinien zur Kommunikation über Suizide gehalten habe. Das habe ich am Ende eingesehen.

    Da sollte es doch auch interessant und wichtig sein, wie Nicht-Philosophen oder Nicht-Psychologen oder Nicht-Theologen die Themen sehen, die Sie in Ihren Blog-Beiträgen darstellen.

    Das verstehe ich nicht ganz. Es gibt ja zahllose Themen, über die man sich unterhalten kann. Die Vorschläge mache i.d.R. ich hier mit meinen Beiträgen. Wenn wir miteinander diskutieren, brauchen wir Wörter. Wörter haben eine, oftmals viele Bedeutungen (Wittgenstein liegt zufällig neben mir in Greifweite). Darüber sollte man offen sprechen. Ismen sollen die Position schärfen und die Diskussion vereinfachen. Wir sehen aber, dass wir schon bei der Definition von “Naturalismus” zu keiner Lösung kommen, mit der alle zufrieden sind.

    Was hindert denn “Nicht-Philosophen oder Nicht-Psychologen oder Nicht-Theologen” am Teilen ihres Standpunkts? Es gibt hier ja keine Moderation.

    Mit Blick auf einige Anmerkungen Ihrerseits in den Blog-Einträgen und in den Kommentaren habe ich durchaus den Eindruck, dass Sie manchmal recht unbekümmert und nicht gerade fachkundig über die Naturwissenschaften, deren Erkenntnisse und daraus ableitbare Folgerungen fabulieren.

    Hier wäre ein konkretes Beispiel zum Verständnis hilfreich gewesen. Ich habe mich mit den zwei Beispielen (1) Glätte von Eis und (2) Bewusstsein auf konkrete wie aktuelle Forschungspublikationen aus der Physik/Physikochemie und Hirnforschung/Kognitiven Neurowissenschaft bezogen. Das hier ist aber eben ein Blog, keine wissenschaftliche Fachpublikation.

  483. @Balanus / 30.03.2021, 11:32 Uhr

    »Mir scheint, da hast Du was falsch verstanden. Soweit ich weiß, haben alle drei privaten Glauben und wissenschaftliche Arbeit stets sauber voneinander getrennt, eben weil miteinander inkompatibel.«

    Was soll ich denn da falsch verstanden haben?

    Es ist doch Mahner, der in der Gefolgschaft von Bunge Metaphysik quasi als Bestandteil von Physik behauptet, weil es ohne Metaphysik angeblich gar nicht geht, wie Thomas Waschke hier inzwischen nochmals ausgeführt hat. Weshalb Mahner dann ontologischen Naturalismus beim Science Teaching obligatorisch eingliedern will.

    Da das Wiener Physiker-Trio sich der “falschen” Metaphysik verschrieben hat, hätten die also ihre Physik ohne ihre Metaphysik und folglich metaphysikfrei gemacht, was der These von Bunge & Mahner zufolge aber gar nicht möglich ist. Was nun?

  484. @Chrys 01.04.2021, 00:40 Uhr

    Es geht auch metaphysikfrei, aber nur, wenn man seine Ansprüche herunterschraubt

    Es ist doch Mahner, der in der Gefolgschaft von Bunge Metaphysik quasi als Bestandteil von Physik behauptet,

    Unter der Prämisse, dass man Wert auf ein konsistentes Weltbild legt.

    weil es ohne Metaphysik angeblich gar nicht geht, wie Thomas Waschke hier inzwischen nochmals ausgeführt hat. Weshalb Mahner dann ontologischen Naturalismus beim Science Teaching obligatorisch eingliedern will.

    Wenn die Naturwissenschaftler wissen wollen, was sie eigentlich treiben, ist das unerlässlich. Selbstverständlich kann man vor sich hinwerkeln. Es soll zumindest einen Nobelpreisträger geben, der an eine 6000 Jahre alte Erde glaubt. Der vertritt mit Sicherheit eine Ontologie, die nicht konsistent ist.

    Da das Wiener Physiker-Trio sich der “falschen” Metaphysik verschrieben hat, hätten die also ihre Physik ohne ihre Metaphysik und folglich metaphysikfrei gemacht, was der These von Bunge & Mahner zufolge aber gar nicht möglich ist. Was nun?

    Diese Physiker haben sich offensichtlich zu wenig Gedanken über ihre Metaphysik gemacht. Sie treiben Physik, und nebenher vertreten sie Entitäten in deren Weltbild, die sie, streng genommen, gar nicht benötigen und die sie zudem nicht mit dem konsistent bekommen, was sie beruflich machen. Selbstverständlich kann man mit dieser Inkonsistenz leben.

    Muss man aber nicht.

    Es geht dann noch einen Schritt weiter: Was bringt intelligente Menschen dazu, eine inkonsistente Metaphysik zu vertreten?

    Okay, cuts both ways, aber der Naturalismus hat Probleme nicht, die der Supranaturalist hat, vor allem, wenn er Naturwissenschaften betreiben möchte.

    Wenn ich richtig informiert bin, wurde die Trennung zwischen ontologischem und methodologischem Naturalismus vor allem durch Pennock in den USA (wieder?) in die Diskussion eingeführt. Es ging dabei darum, dass man gegen Intelligent Design und Kreationismus polemisieren und dabei andere Varianten von Christentum vertreten kann, ohne konsequent sein zu müssen. Ein aufgewärmtes NOMA, das keiner Seite etwas gebracht hat.

  485. @Chrys 31.03.2021, 15:10 Uhr

    Unter Bunges Prämisse, dass Energie ein metaphysisches, mithin ontologisches Konzept sei, erscheint es gewiss als unausweichliche Konsequenz, dass insbesondere alle Physik, wo der Energiebegriff schliesslich eine ganz zentale Rolle spielt, eigentlich ontologisch ist.

    Es geht nicht nur um den Energiebegriff, sondern um ‘the world’s furniture’, also mit welchen Entitäten man seine Ontologie ausstattet. Bei der Physik wird das nur besonders deutlich, weil die sich mit dem grundlegenden Bau der Welt befasst. Streng genommen gilt das aber für jede (Natur)Wissenschaft.

    Doch warum sollte ich Energie überhaupt für ein metaphysisches Konzept halten? Dazu liefert mir die Physik gar keine Veranlassung. In der Physik wird der Begriff Energie allerdings auch gar nicht so definiert und verwendet, wie das bei Bunge herauskommt. Seine Konzepte von Energie wie auch von Materie haben indessen eine unübersehbare Ähnlichkeit mit den Vorstellungen von Enérgeia und Substanz bei Aristoteles, die fraglos metaphysisch waren.

    Es geht darum, dass man ein konsistentes Weltbild erhält und sich darüber im Klaren ist, warum man was vertritt und welche Entitäten man benötigt. Das ist Ontologie, Metaphysik oder wie auch immer man die Voraussetzungen dessen bezeichnet, was man betreiben möchte.

    Gerade die Quantenmechanik gestattet bekanntlich eine ganze Schar unterschiedlicher Interpretationen, die observationell äquivalent sind, sich aber ontologisch wechselseitig ausschliessen würden. Für Beispiele von observationeller Äquivalenz bei ontologischer Verschiedenheit muss man sich nicht mal in die Welt der Quanten begeben, die lassen sich auch in der klassischen Physik finden.

    Eben. Und ich haben schon erwähnt, dass das letztlich auf IBE hinausläuft, eben weil wir kein sicheres Wissen erlangen können (das ist nicht selbstwidersprüchlich, weil es unter Falllibilitätsvorbehalt vertreten wird, sobald gezeigt werden kann, dass es sicheres Wissen gibt, ist diese Einstellung falsch, aber nicht vorher). Aber ontologische Überlegungen sind die Vorbedingung dafür, dass man zu einem konsistenten Weltbild gelangt und so letztlich zum sichersten (aber nicht sicheren) Wissen, besser vielleicht zu dem, was zeitkernig gültig ist, gelangen kann. Wie gesagt, es geht nicht um Metaphysik oder keine Metaphysik, sondern um eine gute oder eine schlechte. Keine Metaphysik ist mit Sicherheit nicht gut. Es kann aber durchaus mehrere gute geben, die sich in Details unterscheiden.

    Ein Beispiel: Früher hatte man Physik unter der Annahme eines Äthers betrieben. Als sich zeigte, dass Äther nicht in dem Sinn existierte, wie er eingeführt wurde, hat man die Metaphysik angepasst. Wenn man Evidenzen für neue Entitäten hat, muss die Metaphysik ebenfalls angepasst werden. Das würde auch gelten, falls es Evidenzen für eine Übernatur gäbe.

    [Thomas Waschke]»Selbstverständlich braucht Frau Drossel eine Metaphysik. Sie geht ja von Entitäten aus, wenn sie Modelle erstellt.«

    Sie braucht theoretische Begriffe (wie e.g. Energie), um theoriebasierte Modelle zu erstellen. Doch das kann sie alles im Rahmen ihrer Wissenschaft tun, so etwas gehört wissenschaftstheoret. noch immer zur Physik — und keineswegs zur Metaphysik.

    Physik und der Rest gehören zu einem soliden Weltbild. Wie gesagt, die Frage ist, warum der methodologische Naturalismus überhaupt funktioniert. Man kann das als ‘brute fact’ hinnehmen und irgendwelche Entitäten aus irgendwelchen Gründen, ohne darüber weiter nachzudenken, zusätzlich einführen, aber die Annahme eines ontologischen Naturalismus erklärt das besser.

    Wenn Sie schreiben “so etwas gehört wissenschaftstheoret. …” setzen Sie voraus, dass es ‘die’ Wissenschaftstheorie gibt. Sie wissen sicher auch, dass es keinen Konsens unter Wissenschaftstheoretikern gibt. Darunter leiden vor allem die Evolutionsbiologen, weil die von den theoretischen Physikern dominierte Wissenschaftstheorie mit den Spezifika dieser Naturwissenschaft ihre Problemchen hat.

  486. @Elektroniker

    Vermutlich ist den Theologen nur die Einhaltung der 10 Gebote wichtig und sonst nichts.

    An deren Zweckmäßigkeit habe ich eigentlich nicht den geringsten Zweifel.

    In einer Welt in der man sich gegenseitig bestiehlt, den Schädel einschlägt …. möchte ich nicht wirklich leben.

    Von den 10 Geboten geht es in nur einem um Mord, von Körperverletzung u.ä. steht da nichts. Und Mord wird auch in jeder anderen Kultur geächtet – auch lange vor dem Alten Testament.
    Dafür sind die ersten Gebote gut geeignet Menschen einen weiteren Grund zu geben sich gegenseitig zu verprügeln. An das dritte hält sich eh (fast) kein Christ … andere sind Frauenfeindlich etc.

    Da sollte man nur bedenken, wenn man diese Gebote für so zweckmäßig hält.

  487. @Thomas Waschke 01.04.2021, 07:08 Uhr

    Und so etwas soll eine Voraussetzungsmetaphysik sein?

    Wenn man Evidenzen für neue Entitäten hat, muss die Metaphysik ebenfalls angepasst werden. Das würde auch gelten, falls es Evidenzen für eine Übernatur gäbe.

    Das geht doch nahtlos in das normale wissenschaftliche Geschäft ein.

    Für diesen Standpunkt sehe ich unter meinen Kollegen eine Mehrheit. Es gibt auch den einen oder anderen IDler. Naturalist im Sinne Mahners ist keiner darunter.

  488. @Timm Grams 01.04.2021, 09:29 Uhr

    Und so etwas soll eine Voraussetzungsmetaphysik sein?

    Zumindest ist das Metaphysik als allgemeinste Wissenschaft. Wenn man ein konsistentes Weltbild haben möchte, auch Voraussetzungsmetaphysik.

    [Thomas Waschke] Wenn man Evidenzen für neue Entitäten hat, muss die Metaphysik ebenfalls angepasst werden. Das würde auch gelten, falls es Evidenzen für eine Übernatur gäbe.

    Das geht doch nahtlos in das normale wissenschaftliche Geschäft ein.

    Das habe ich erwähnt.

    Aber das Problem ist, dass beispielsweise diese drei Physiker, die hier schon mehrfach erwähnt wurden, mehr als das betrieben haben. Sie gehen von einer Metaphysik mit Übernatur aus und forschen methodologisch naturalistisch. Bestenfalls verstecken sie ihre Übernatur im Zufall. Scheint mir nicht konsequent zu sein.

    Für diesen Standpunkt sehe ich unter meinen Kollegen eine Mehrheit. Es gibt auch den einen oder anderen IDler. Naturalist im Sinne Mahners ist keiner darunter.

    Das ist ein Argument argumentum ad populum für welchen Standpunkt? Dass viele Menschen keinen Wert auf eine konsistente Metaphysik legen und einfach vor sich hin werkeln?

  489. @Thomas Waschke 01.04.2021, 09:49 Uhr

    Um konkret zu werden: Einer der mir gut  bekannten Wissenschaftler ist sehr erfolgreich in einer großen Kollaboration zur Bestimmung der Neutrinomasse tätig. Er nennt sich Realist. Eine längere Diskussion offenbarte, dass  er den  Realismus im Sinne einer regulativen Idee auffasst, wie Kant und Popper sagen würden. Eine Ontologie im Sinne Mahners ist das nicht. Würden Sie solchen Leuten ins Gesicht sagen, dass  sie “einfach vor sich hin werkeln”?

  490. Elektroniker
    27.03.2021, 14:51 Uhr

    Ich habe die Beiträge nochmals durchgelesen, offenbar hatte ich einige nur überflogen. Einige Ihrer Ideen sind zumindest inspirierend. Wenn man Lernen als Bildung von Clustern sieht, die durch Impulse abgerufen werden (so, als wenn man einen Lichtschalter betätigt und Millionen Lampen gehen an), machen baumartige Strukturen natürlich Sinn. Auch unter Ladungsverschiebungen kann man sich etwa Denken vorstellen, ebenso unter Überlagerung von Elektrizität. Können Sie die einzelnen Punkte weiter ausführen und begründen?

  491. @ Thomas Waschke 01.04.2021, 09:49 Uhr

    Zitat: „Aber das Problem ist, dass beispielsweise diese drei Physiker, die hier schon mehrfach erwähnt wurden, mehr als das betrieben haben. Sie gehen von einer Metaphysik mit Übernatur aus und forschen methodologisch naturalistisch. Bestenfalls verstecken sie ihre Übernatur im Zufall. Scheint mir nicht konsequent zu sein.“

    Eigentlich könnten sie eine nicht ganz auszuschließende „Übernatur“ nicht nur im Zufall, sondern auch im „Geist verstecken“, wie die Theologen.

    Selbst den allergrößten Blödsinn den man sich nur ausdenken kann, könnten Sie z.B. mathematisch formulieren und unter irgendwelchen unbekannten Bedingungen könnte was blödsinnig, verrückt und übernatürlich scheint, vernünftig sein.

    Der „Panda mit dem Handstand“ lässt Grüßen …

  492. @Grams
    Für den Physiker ist Realität das, was er beobachten und messen kann. Woher die Realität kommt, mag für ihn philosophisch interessant sein, für die Alltagsarbeit aber irrelevant. Er muss und er kann mit der Hypothese der Realität von Materie und Energie leben und arbeiten. Um alles Nähere jenseits der Physik kümmert sich die Philosophie, ohne allerdings zu zuverlässigen Schlüssen zu kommen. Von Wahrheit erst gar nicht zu reden, das machen nur Ideologen.

    Die Astrophysiker sagen, dass Materie aus Energie entstanden ist, das ist alles, was wir darüber wissen, oder zu wissen glauben. Alles Weitere ist bloße Spekulation und bezahlter Zeitvertreib für Nichtnaturwissenschaftler.

  493. @Timm Grams 01.04.2021, 10:29 Uhr

    Um konkret zu werden: Einer der mir gut bekannten Wissenschaftler ist sehr erfolgreich in einer großen Kollaboration zur Bestimmung der Neutrinomasse tätig. Er nennt sich Realist. Eine längere Diskussion offenbarte, dass er den Realismus im Sinne einer regulativen Idee auffasst, wie Kant und Popper sagen würden. Eine Ontologie im Sinne Mahners ist das nicht.

    Das müsste man mit diesem Forscher im Detail klären.

    Würden Sie solchen Leuten ins Gesicht sagen, dass sie “einfach vor sich hin werkeln”?

    Kommt darauf an, welchen Diskurs wir führen. Wenn jemand den Anspruch erhebt, eine konsistente Ontologie zu vertreten, sieht das anders aus, als wenn dieser Anspruch nicht gestellt wird. Im ersten Fall würden wir über die Ontologie diskutieren, im zweiten Fall über die Frage, warum man unter welchen Prämissen eine Ontologie braucht.

    Nur nebenbei, ich habe vor ein paar Tagen eine Diskussion zwischen Atkins und Lennox gesehen. Atkins wirkte schon etwas ‘alt’, aber sehr aggressiv. Als Lennox ihn fragte, was er einem Nobelpreisträger sagen würde, der an Gott glaubt, Atkins trocken: “Grow up!”.

    Okay, so schroff wäre ich natürlich nicht.

    Für Popper war die Realität eine solche regulative Idee. Für Kant war es Gott.

    Die Frage ist nun, ob eine ‘regulative Idee’ hinreicht, oder ob man das sauber durchformulieren müsste. Eben als Ontologie.

  494. @Thomas Waschke / 01.04.2021, 06:46 Uhr & 07:08 Uhr

    Wir sollten strikt unterscheiden zwischen theoretischen Begriffen, die in der Objektsprache einer Theorie (speziell einer physikalischen) von Belang sind, und metaphysischen Begriffen, die sich auf etwas beziehen, das “jenseits der Physik” liegt, was ja gerade mit Attribut “metaphysisch” gekennzeichnet wird.

    So ist “Gott” für Physiker wie beispielsweise Thirring ein metaphysischer, aber kein theoretischer Begriff. Und “Gott” scheint in Thirrings Lehrbüchern der Mathemat. Physik nirgendwo auf, weil rein methodisch bedingt da gar keine Gelegenheit ist, mit etwas anderem als objektsprachlichen Begriffen zu operieren.

    Thirring hat als Emeritus dann noch ein Buch Kosmische Impressionen: Gottes Spuren in den Naturgesetzen geschrieben. Aber das ist eben kein Lehrbuch der Mathemat. Physik, da hat er nur seine persönliche Metaphysik dagelegt.

    Man hat doch kein konsistenteres Weltbild allein dadurch, dass man “Energie” als metaphysischen Begriff ausruft und die Rede von “Gott” vermeidet. Denn Bunges metaphysischer Begriff “Energie” ist aus der physikal. Theorie genauso herauszuhalten wie Thirrings metaphysischer Begriff “Gott”, weil weder das eine noch das andere ein theoretischer Begriff ist. Wenn man zwei kategoriell verschiedene Konzepte mit dem gleichen Wort “Energie” bezeichnet, verliert man allerdings leicht die Orientierung, wo man sich gerade gedanklich befindet, in der Physik oder jenseits davon.

    NB Zu beachten wäre noch, dass auch “Ontologie” mit unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht wird. Gemeint sein kann Ontologie a) als Teilbereich der Philosophie, der sich mit dem metaphysisch Seienden oder Sein befasst, oder b) schlicht als Bezeichnung für “a realm of things”, wie das bei Rescher typischerweise auftritt.

    Im Sinne von b) gehört dann beispielsweise ein Gravitationspotential zur Ontologie von Newtons Theorie der Gravitation, ohne dass damit etwas zu dessen metaphysischem Sein im Sinne von a) gesagt wäre. Eine Gleichsetzung von Ontologie mit Metaphysik kann dann offenkundig nur im Sinne von a) verstanden werden.

  495. @Chrys: schön, dass Sie die unterschwellige babylonische Begriffsverwirrung etwas aufgelöst haben.

  496. @Timm Grams cc @all / Realität

    Da ich es kürzlich schon für Balanus herausgesucht und daher noch im Speicher hatte, gestatte ich mir, das folgende Zitat von Hans Primas, Realism and quantum mechanics (1994), hier thematisch passend nochmals anzubringen (Fettung im Original kursiv):

    In scientific theories, the problem of realism is the question of the ontological status of the material reality while it is not observed. Since the existence of an external reality is not provable with the means available to science, we have to consider realism as a purely metaphysical regulative principle, free from any experimentally testable physical content, and without presupposing a particular compartmentalization of the material world.

  497. @Chrys
    01.04.2021, 11:39 Uhr

    Wir sollten strikt unterscheiden zwischen theoretischen Begriffen, die in der Objektsprache einer Theorie (speziell einer physikalischen) von Belang sind, und metaphysischen Begriffen, die sich auf etwas beziehen, das “jenseits der Physik” liegt, was ja gerade mit Attribut “metaphysisch” gekennzeichnet wird.

    Die Metaphysik einer Disziplin als Teil ihres Paradigmas bestimmt aber, was als theoretischer Begriff überhaupt zulässig ist. “Gott” ist im Lichte einer naturalistischen Metaphysik halt als theoretischer Begriff unzulässig. Daher hat z.B. Intelligent Design das Problem, dass sein übernatürlicher Designer einen Paradigmenwechsel zur Folge hätte. Das Paradigma bestimmt auch, dass für bestimmte Bereiche, wie die Kosmologie, keine intentionalen Erklärungen zulässig sind. Man kann natürlich gegen die metaphysischen Vorgaben verstoßen, doch dann wird man halt als Pseudowissenschaft aussortiert.

  498. @ Wolfgang Stegemann 01.04.2021, 11:04 Uhr

    Zitat: „Ich habe die Beiträge nochmals durchgelesen, offenbar hatte ich einige nur überflogen. Einige Ihrer Ideen sind zumindest inspirierend. Wenn man Lernen als Bildung von Clustern sieht, die durch Impulse abgerufen werden (so, als wenn man einen Lichtschalter betätigt und Millionen Lampen gehen an), machen baumartige Strukturen natürlich Sinn. Auch unter Ladungsverschiebungen kann man sich etwa Denken vorstellen, ebenso unter Überlagerung von Elektrizität. Können Sie die einzelnen Punkte weiter ausführen und begründen?“

    So ungefähr kann man es sehen. Impulsmuster tragen auch zum Lernen bei, nicht nur zum Abruf der Information. Statt Lampen werden Muskelgruppen von Impulsen angesteuert, die Handlungssteuerungen (Gehen, Hände bewegen, Sprechen….) bewirken.

    Ausgangspunkt für die Überlegungen waren die Gatterschaltungen mit denen man um 1960 komplexe Industrieprozesse steuerte. Heutzutage wird praktisch nur mehr die flexiblere von Software gesteuerte Prozessortechnik eingesetzt.

    Seit ungefähr 1985 habe ich, wegen der grundsätzlichen, mir durchaus verständlichen Akzeptanzprobleme anonym, Wissenschaftsredaktionen Beiträge zu diesem Thema zugesandt. Ich haben mich bemüht „Denkmuster der Elektronik/Informatik“ Biologen verständlich zu machen, was nicht einfach ist, weil es eigentlich unterschiedliche Welten sind.

    Ich bin vom Blickwinkel und vom Verständnis der Schaltungsentwickler (im Bezug auf elektronische Systeme) ausgegangen und habe versucht, möglichst anschaulich und mittels der (philosophisch nicht korrekten) „Sprache der Elektroniker“ den Sachverhalt zu vermitteln.

    Seit rund 5 Jahren „treibe“ ich mich unter dem Nickname „Elektroniker“ im scilog herum. Hauptsächlich bei S. Schleim, aber auch bei J. Dramiga, J. Konecny, C. Hoppe … Ich habe versucht zu verschiedenen Aspekten der „Elektronik im neuronalen System“ Stellung zu nehmen.

    Prof. Singer und sein Team haben offensichtlich hoch professionell, systematisch und meiner Meinung nach sehr erfolgreich, die alten Konzepte der Elektronik in die moderne Neurologie auf bestem wissenschaftlichen Niveau eingebunden. Er ist letztlich einer Erklärung der „Denkprozesse“ sehr nahe gekommen.

    Besonders erforscht werden sollten, einerseits im Detail, andererseits auf Systemtheoretischer Ebene, die Wechselwirkungen zwischen elektrischen Signalen und chemisch/phsikalischen Prozessen auf molekularer Ebene. Man könnte vielleicht Psychosomatische Prozesse erklären. Außerdem dürften noch eindeutige Nachweise fehlen, welche elektrisch – chemischen Prozesse „Empfindungen“ bewirken, wie Empfindungen zum „Bewusstsein“ emergieren.

  499. @Auch eine Variante: Spiritueller Agnostiker

    Eigentlich habe ich eine eher mittlere Position, nach dem Motto: „Das meiste geht mit rechten Dingen zu.“

    Ich glaube, dass es tatsächlich Geisteswelten in diesem Kosmos gibt, weis aber nicht, was das genau für Geist ist und auch nicht, wieviel wir damit im Leben wirklich zu tun haben. Im Prinzip kann ich auch dem Naturalismus viel abgewinnen, dass man sich damit gut auf die Fülle des Lebens auf diesem wunderbaren Planeten konzentrieren kann, und auch keine Kirche dafür braucht.

    Aber andere eher religiöse Konzepte haben auch ihre guten Seiten. Dass insbesondere unser Bewusstsein bzw. die menschliche Seele eine grundsätzlich geistige Seite hat, gefällt mir, das bringt Inspirationsmöglichkeiten und eine gewisse Geborgenheit ins Spiel. Nur ein Weiterleben nach dem Tod halte ich dennoch für aussichtslos, woraus auch folgt, dass die Geisteswelten eher nicht von Geistern, Göttern und Dämonen bevölkert sind.

    Angesichts der verschiedenen Positionen nehme ich nur eine mittlere, eingeschränkte Übernatur an, im Sinne einer ausnahmsweise mal geistigen Eingriffsmöglichkeit innerhalb von Effekten, die auf Quantenrauschen beruhen. Und das passiert eigentlich nur, wenn es anders nicht vernünftig geht. In dem Sinne wäre ein intelligent Design in der Evolution des Lebens wirklich die Ausnahme, und auch hier „Das meiste geht mit rechten Dingen zu.“ gültig.

    Die Evidenz für Übernatur ist wohl noch nicht erbracht, aber ich vermute, dass sich das ändern kann, wenn Hirnforschung und KI sich weiter entwickeln. Ich kann mir gut vorstellen, dass beim Thema Bewusstsein und innerer Erlebniswelt wohl vergleichsweise viel Geist mitspielt, und das müsste sich deshalb speziell da zeigen können, wenn man das weiter erforscht.

    Aber so oder so, wir sollten gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis ernst nehmen, und als eine gewisse gemeinsame Basis nutzen, und die darüber hinausgehenden Glaubensinhalte im Sinne eines Pluralismus zu akzeptieren und wenn möglich auch gegenseitig zu respektieren.

    Wo aber die Weltoffenheit fehlt, und auch noch fundamentalistisch keine Alternative anerkannt wird, da ist jegliche Auseinandersetzung sehr schwierig.

  500. @Jeckenburger
    Das Gehirn ist so komplex, dass darin jede Form geistiger Betätigung Platz hat. Denken Sie an Ihre Träume und Phantasien, oder denken Sie an kunstvolle oder geniale Schöpfungen. Ein Quantenrauschen ist dafür nicht nötig, was immer das auch sein sollte, außer einem fiktionalen und sinnlosen Wort. Eine Übernatur ist nichts als ein Produkt mangelnder Naturerkenntnis und Angst vor der eigenen Natur.

  501. @Chrys
    01.04.2021, 11:39 Uhr

    Man hat doch kein konsistenteres Weltbild allein dadurch, dass man “Energie” als metaphysischen Begriff ausruft und die Rede von “Gott” vermeidet. Denn Bunges metaphysischer Begriff “Energie” ist aus der physikal. Theorie genauso herauszuhalten wie Thirrings metaphysischer Begriff “Gott”, weil weder das eine noch das andere ein theoretischer Begriff ist. Wenn man zwei kategoriell verschiedene Konzepte mit dem gleichen Wort “Energie” bezeichnet, verliert man allerdings leicht die Orientierung, wo man sich gerade gedanklich befindet, in der Physik oder jenseits davon.

    Bunge würde die kategorielle Verschiedenheit wohl bestreiten. Er hielt Metaphysik für “allgemein(st)e Wissenschaft”, die Begriffe behandelt, die zwar in allen Realwissenschaften vorkommen, aber von keiner Einzeldisziplin als Forschungsgegenstand behandelt werden, wie Kausalität, Eigenschaft, Gesetzmäßigkeit, Prozess usw. Wenn sich nun zeigt, dass alle realen Gegenstände eine (einzige) physikalische Eigenschaft gemeinsam haben, nämlich den Besitz von Energie, dann kann man den Begriff eben auch in einer materialistischen Metaphysik verwenden, aber natürlich nicht in allen Metaphysiken.

  502. @Mahner: Pseudowissenschaft

    Die Metaphysik einer Disziplin als Teil ihres Paradigmas bestimmt aber, was als theoretischer Begriff überhaupt zulässig ist. […] Man kann natürlich gegen die metaphysischen Vorgaben verstoßen, doch dann wird man halt als Pseudowissenschaft aussortiert.

    Das gibt dem Metaphysiker eine Autorität, die er gar nicht hat. Popper (und vielen anderen Wissenschaftstheoretikern) hat man immer wieder vorgeworfen, zu wenig zu berücksichtigen, was (Natur-) Wissenschaftler wirklich machen (z.B. Hypothesen/Theorien zu bestätigen, anstatt zu versuchen, sie zu falsifizieren). In diesem Sinne ist Wissenschaftstheorie normativ. Wissenschaftstheoretiker sind aber in einer denkbar schlechten Position, Wissenschaftlern vorzuschreiben, wie sie arbeiten müssen.

    Ihr Standpunkt scheint mir dann auch zu wenig die Pragmatik der Forschung zu berücksichtigen. Wir kamen hier in der Diskussion gerade auf drei Physiker (Bertlmann, Thirring und Zeilinger), die scheinbar denken, salopp gesagt, dass hinterm “Zufall” ein Gott steckt. Man kann aber doch als Physiker Rechnungen, Theorien, Voraussagen usw. an- und aufstellen, ohne “Zufall” metaphysisch zu interpretieren. Das heißt, man kann einfach machen – und die tiefere Deutung dessen, was hinter den Beobachtungen steckt, dem “Philosophieren” bei einem Glas Rotwein überlassen.

    Das macht weder denjenigen, der sich einer Deutung enthält, noch denjenigen, der sie als göttliches Handeln interpretiert, zum Pseudowissenschaftler. Die wissenschaftlichen Ergebnisse, auf die sich die Deutung stützt, hat er ja vielleicht sogar selbst produziert!

    Man könnte es auch umdrehen und behaupten, dass Metaphysik per Definition Pseudowissenschaft ist. Wie war das noch beim Wiener Kreis? Nicht wahre, nicht falsche, vielmehr sinnlose Sätze. Denn ob sie wahr oder falsch sind, welchen Unterschied macht das für die Beobachtung/Erfahrung?

    P.S. Das mit dem “Aussortieren” wirkt auf mich sogar schon ein wenig arrogant. Die Geschichte wird zeigen, wer hier wen aussortiert. In der Zwischenzeit empfehle ich jedem einmal, Wissenschaftler an ihrem Arbeitsplatz zu besuchen (wenn das wieder geht) und dann zu fragen: “Was ist eigentlich Ihre Metaphysik?” (Wahlweise, wie ich es meinen Studierenden seit Jahren empfehle: “Wie viele Versuche, Ihre Hypothese zu falsifizieren, haben Sie heute schon unternommen?”)

  503. @Jeckenburger: Wolf Singer

    Wolf Singer in Ehren – er war einmal der Chef meines Praktikumsbetreuers –, doch in dem hier zitierten Aufsatz übers Bewusstsein (Koch et al., 2016) kommt man zum Ergebnis, dass die Gamma-Synchronizität doch nicht der Stein der Weisen zu sein scheint.

  504. @ Stephan Schleim 01.04.2021, 16:29 Uhr

    Zitat: „…doch in dem hier zitierten Aufsatz übers Bewusstsein (Koch et al., 2016) kommt man zum Ergebnis, dass die Gamma-Synchronizität doch nicht der Stein der Weisen zu sein scheint.“

    Wolf Singer spricht von „präzise“ im Zusammenhang mit „Synchronisationen“. Dies scheint etwas „unvorsichtig“.

    Gamma Wellen und andere halbwegs zyklische „Wellen“, stellen so etwas wie „Zeitschlitze“ bereit, in denen die neuronalen „Schaltvorgänge“ ablaufen können. Sowohl bei Lernen, als auch beim Output, können die Prozesse hauptsächlich nur in jeweils „aktiven Strukturen“ ablaufen.

    Bedeutet, wenn keine „Gammawellen“ auftreten (Prozess steuernde Signale, die zusätzlich bei den Neuronen auftreten müssen, damit dass „qualifizierte UND“ erfüllt wird), dann können auch keine Zeitschlitze, damit auch keine neuronalen „Arbeitsprozesse“ stattfinden.

    Die Information abbildenden Signale allein, könnten die Neuronen nicht triggern lassen. Bei den „Denkprozessen“ müssen Prozess steuernde Impulse zusätzlich bewirken, dass die erforderlichen „Ladungsverschiebungen“ korrekt im neuronalen Netz stattfinden können.

    Probleme könnte es aber geben, wenn durch besondere äußere Muster, z.B. kontrastreiche geometrische Figuren mit „regelmäßigen Mustern“, (allenfalls auch durch „Überladungen“ von Neuronen z.B. bei Traumphasen in der Nacht), unnatürliche „Impulskaskaden“ ausgelöst werden, ähnlich wie von den Gammawellen. Wie bei den Singer scheinbar widersprechenden Experimenten.

    Die Neuronen Gatter können sozusagen „nicht wissen“, dass die „zusätzlichen Steuerungsimpulse“ nicht die korrekten „Zeitschlitze“ repräsentieren, sondern nur ähnliches zeitliches Verhalten, veranlasst durch besondere Mustern oder „Restüberladungen“ haben. Das kann natürlich fehlerhafte, auch Traum Wahrnehmungen zur Folge haben.

    Man sollte davon ausgehen, dass die Arbeiten vom Prof. Singer äußerst kritisch von der Umgebung betrachtet wurden und er sich entsprechend vorsehen musste. Vielen Neurologen die an der Hirn Thematik geforscht haben ist es übel ergangen. (Turing, McCulloch, Freud hat (musste???) eiligst widerrufen, …)

    Ich nehme an, dass er nicht alle Praktikanten ins „Allerheiligste“ seiner Forschung „eingeweiht“ hat als er noch nicht mit guten Daten aufwarten konnte. Er konnte kein Verständnis, eigentlich nur Ablehnung erwarten….

    That’s Life….

  505. @Stephan Schleim
    01.04.2021, 16:26 Uhr

    Das gibt dem Metaphysiker eine Autorität, die er gar nicht hat. Popper (und vielen anderen Wissenschaftstheoretikern) hat man immer wieder vorgeworfen, zu wenig zu berücksichtigen, was (Natur-) Wissenschaftler wirklich machen (z.B. Hypothesen/Theorien zu bestätigen, anstatt zu versuchen, sie zu falsifizieren). In diesem Sinne ist Wissenschaftstheorie normativ. Wissenschaftstheoretiker sind aber in einer denkbar schlechten Position, Wissenschaftlern vorzuschreiben, wie sie arbeiten müssen.

    Das ist ein Missverständnis. Es gibt doch keinen Metaphysikbeauftragten, der der Wissenschaft vorschreibt, was sie zu tun hat. Das Paradigma der Wissenschaft (als Groß-Paradigma) oder die Paradigmen der Einzelwissenschaften befinden sich doch (mehr oder weniger unbewusst) in den Köpfen der scientific community. Diese entscheidet darüber, wie ein theoretischer Begriff, der offenbar gegen die Metaphysik des Paradigmas verstößt, aufgenommen wird. Wahrscheinlich wird er eher abgelehnt werden.

    Der Metaphysiker bzw. der an diesen metaphysischen Aspekten interessierte Wissenschaftsphilosoph bringt doch nur die Annahmen ans Tageslicht, analysiert sie, systematisiert sie und weist ggf. auf Inkonsistenzen hin. Dazu muss er die Forscher keineswegs besuchen: es reicht, die veröffentlichen Theorien zu analysieren. Und bei dieser Analyse kann man zu dem Schluss kommen, dass die verschiedenen Unterparadigmen alle etwas gemeinsam haben, also etwas, das ein Groß- oder Überparadigma ausmacht, das für alle Realwissenschaften gilt (z.B. der Naturalismus).

    Was sich Wissenschaftler, denen die metaphysischen Hintergrundannahmen ihres Faches nicht klar sind, so in ihren naturphilosophischen Betrachtungen zusammenspinnen, ist doch egal, solange diese “Geister und Götter” nicht wirklich in ihren fachlichen Theorien auftauchen. Und das tun sie halt lustigerweise nicht (weder bei Newton noch bei Maxwell noch bei Zeilinger). Und wenn sie es doch mal tun, wie beim Kreationismus oder der Parapsychologie, fliegen sie am Ende raus. Das ist nicht arrogant, sondern gelebte Pragmatik der Forschung!

    Ich finde es erstaunlich, wie viele Anhänger eines naiven Empirismus es immer noch zu geben scheint, die Jahrzehnte nach Kuhn noch glauben, Wissenschaft werde paradigmenfrei betrieben…

  506. Metaphysische Postulate kontra Paradigmata

    Am Spielfeldrand stehend, wundere ich mich doch sehr. Unvermittelt neben den “metaphysischen Hintergrundannahmen” erscheint dies:

    Ich finde es erstaunlich, wie viele Anhänger eines naiven Empirismus es immer noch zu geben scheint, die Jahrzehnte nach Kuhn noch glauben, Wissenschaft werde paradigmenfrei betrieben.

    Das sind doch Ansätze und Herangehensweisen der Epistemologie, die einander fundamental widersprechen.

  507. @Mahner
    Wir kennen das Daktylogram der Fingerkuppe und neuerdings des Gehirns.
    Wenn ich die Entitaeten der Aussagenlogik UND,ODER und WENN-DANN darueber lege,dann waere es ein ‘geistiges Daktylogram’.
    Deckung zwischen Materie und Bewusstsein.

  508. @Grams
    Als Elektrotechniker:haben Sie plus und minus = gegensaetze = Widerspruch mal als ‘Einheit’ auch auf der geistigen Ebene gesehen?

  509. @Grams
    Warum halten sie etwas auf der epitomologischen getrennt,waehrend es auf der ontologischen Ebene zusammengehoert?

  510. @Schleim
    In der Zwischenzeit empfehle ich jedem einmal, Wissenschaftler an ihrem Arbeitsplatz zu besuchen (wenn das wieder geht) und dann zu fragen: “Was ist eigentlich Ihre Metaphysik?” (Wahlweise, wie ich es meinen Studierenden seit Jahren empfehle: “Wie viele Versuche, Ihre Hypothese zu falsifizieren, haben Sie heute schon unternommen?”)

    Sie sind nicht der Einzige hier, der selber einen wissenschaftlichen Arbeitsplatz hatte oder hat.

    Es geht Popper nicht darum, eine konkrete Theorie zu falsifizieren, sondern die Falsifizierbarkeit zu prüfen und zu gewährleisten. Dazu muss eine Theorie bestimmte Eigenschaften besitzen oder Kriterien erfüllen. Um die Falsifizierbarkeit sicherzustellen, sollte nach Popper ein Falsifizierungsversuch der betreffenden Theorie simuliert werden.

    Manche Theorien können nicht falsifiziert werden, weil sie z.B. aus tautologischen Aussagen oder aus Definitionen bestehen. Manche Theorien können nicht falsifiziert werden, weil sie vage, ungenau oder diffus formuliert sind, wie z.B. Antworten von Wahrsagern oder Astrologen.

    Der Hintergrund von Poppers Falsifikationismus ist der Induktivismus. Induktive Theorien können nicht verifiziert werden, sie können aber falsifizierbar sein und somit von unwissenschaftlichen Theorien unterschieden werden. Die Falsifizierbarkeit bedeutet Reproduzierbarkeit, Überprüfbarkeit und Entscheidbarkeit einer Theorie oder Hypothese. Insofern geht die Frage an Ihre Studenten ins Leere!

    Poppers “naiver” Falsifikationismus wurde durch den “raffinierten Falsifikationismus” kritisiert, ergänzt und modifiziert.

  511. @Mussi 01.04.2021, 19:57 Uhr

    Martin Mahner stellt eine Ontologie ohne praktische Relevanz vor, wohingegen Thomas Kuhn Grundlinien des Forschungsprozesses herausarbeitet, die dem tätigen Wissenschaftler Orientierungshilfe sein können. Da geht nichts zusammen.

  512. @Stephan Schleim 01.04.2021, 16:26 Uhr

    Martin Mahner hat ja schon geantwortet, nur noch ein paar Gedanken dazu.

    P.S. Das mit dem “Aussortieren” wirkt auf mich sogar schon ein wenig arrogant. Die Geschichte wird zeigen, wer hier wen aussortiert.

    Die Geschichte der modernen Naturwissenschaften hat gezeigt, dass zunächst versucht wurde, Gottes Spuren in der Schöpfung zu lesen. Irgendwann hat sich dann gezeigt, dass das nicht zielführend ist, und das, was heute ‘methodologischer Naturalismus’ genannt wird, hat sich durchgesetzt. Eben weil er funktioniert.

    Mahner und Bunge gehen dann noch einen Schritt weiter: Sie fragen, warum der methodologische Naturalismus, der ja unbestritten Standard in den Naturwissenschaften ist, funktioniert. Die einfachste Erklärung ist der ontologische Naturalismus.

    Also wurde letztlich der Supranaturalismus aussortiert. Die weltanschaulichen Konsequenzen haben sich aber leider noch nicht herumgesprochen.

    Die Frage, die ich schon lange mit Ihnen klären wollte, ist, warum Sie so großen Wert darauf legen, dass der Gedanke an eine Übernatur salonfähig bleibt. Also warum man die Auffassung von Naturwissenschaftlern, die methodisch sauber arbeiten, aber ‘irgendwie’ in ihrem Weltbild von einem meist extrem diffus gedachten Schöpfer ausgehen, der nun wirklich nichts mehr mit dem Vater von Jesus Christus zu tun hat, der letztlich zumindest für die Forschung irrelevant ist, als ontologisch vertretbar einstufen sollte.

    Dafür kann es eigentlich nur psychologische Gründe geben. Wenn Sie überhaupt darauf antworten, sind die Ausführungen eher provokant oder ausweichend, aber auf keinen Fall durch Argumente bestimmt.

    In der Zwischenzeit empfehle ich jedem einmal, Wissenschaftler an ihrem Arbeitsplatz zu besuchen (wenn das wieder geht) und dann zu fragen: “Was ist eigentlich Ihre Metaphysik?”

    Da werden Sie schnell bemerken, dass die meisten sich darüber gar keine Gedanken machen (und ja, ich weiß aus erster Hand, was ein naturwissenschaftlicher Arbeitsplatz ist …). Ich habe das mit ‘vor sich hin werkeln …’ beschrieben. Aber es wäre wichtig, dass sie das tun würden, falls sie ernsthaft daran interessiert sind, ein konsistentes Weltbild zu entwickeln.

    Okay, es geht auch ‘ohne’. Wie Sie an jeder Verschwörungstheorie sehen, kann man an so gut wie alles glauben, aber in der Alltagspraxis ‘funktionieren’. Aber man muss dann weder agnostisch noch allzu verständnisbereit sein, falls diese Menschen dann Gedanken zu ontologischen Fragestellungen äußern. Vor allem, wenn der Begriff ‘Gott’ darin vorkommt.

    (Wahlweise, wie ich es meinen Studierenden seit Jahren empfehle: “Wie viele Versuche, Ihre Hypothese zu falsifizieren, haben Sie heute schon unternommen?”)

    Ich würde den Studenten empfehlen, in den Klassiker

    Kuhn, T.S. (1978) ‘Logik oder Psychologie der Forschung?’ in: Kuhn, T.S. ‘Die Entstehung des Neuen. Studien zur Struktur der Wissenschaftsgeschichte’ Frankfurt, Suhrkamp S. 357-388

    zu schauen. In dem Buch findet man übrigens auch eine sehr interessante Analyse zum Umfang des Begriffs ‘Paradigma’:

    ‘Neue Überlegungen zum Begriff des Paradigma’ S. 389-420

    durch den Autor, der diesen Begriff in die Diskussion einbrachte.

    Interessant in unserem Kontext ist, dass alle Paradigmenwechsel der neueren Wissenschaftsgeschichte in Richtung Naturalismus gingen, obwohl die Intelligent Design Bewegung kräftig, aber erfolglos, versucht, das zu ändern. Reste von Supranaturalismus hielten sich beispielsweise in der deutschen Paläontologie bis mindestens in die 1960er Jahre, das ist inzwischen meines Wissens nicht mehr der Fall.

    Warum haben es die theoretischen Physiker, die meines Wissens prozentual religiöser sind als Angehörige anderer Forschungsdisziplinen, nie geschafft, ihren Supranaturalismus in ihre Theorien einzubauen? Spricht das nicht Bände?

  513. @Timm Grams 01.04.2021, 22:24 Uhr

    Martin Mahner stellt eine Ontologie ohne praktische Relevanz vor, wohingegen Thomas Kuhn Grundlinien des Forschungsprozesses herausarbeitet, die dem tätigen Wissenschaftler Orientierungshilfe sein können. Da geht nichts zusammen.

    Interessant, dass praktische Relevanz ein Kriterium für die Bewertung einer Ontologie sein soll. Nennt man so etwas nicht einen Kategorienfehler?

  514. @Grams
    Das ist mein Punkt:das Gehirn strebt nach Kohaerenz und Konsistenz.
    Was ist, wenn es das nicht gibt?

  515. @Thomas Waschke 01.04.2021, 23:46 Uhr

    Ersetzen Sie “ohne praktische Relevanz” durch: “zumindest für die Forschung irrelevant”. Das gefällt Ihnen wohl besser, denn es sind Ihre Worte.

  516. @Timm Grams 02.04.2021, 08:23 Uhr

    Ersetzen Sie “ohne praktische Relevanz” durch: “zumindest für die Forschung irrelevant”. Das gefällt Ihnen wohl besser, denn es sind Ihre Worte.

    Dann bleibt das immer noch ein Kategorienfehler, weil Sie normative Wissenschaftstheorie mit Ontologie unter einen Hut bringen möchten.

    Da Forscher sowieso vor sich hinwerkeln, dürfte auch Kuhn nicht weiter relevant sein, wenn man Ihrer Logik folgt.

  517. @Thomas Waschke 02.04.2021, 08:28 Uhr

    Wie kommen Sie denn darauf, dass ich “normative Wissenschaftstheorie mit Ontologie unter einen Hut bringen möchte”?

  518. Ich glaube, hier gibt es einige, die mit Begriffen wie Ontologie um sich werfen ohne zu wissen, was sie bedeuten. Seit wann ist Wissenschaftstheorie normativ?

  519. @Stegemann: Normen in der Wissenschaft(stheorie)

    Ich glaube, Sie haben nicht verstanden, was hier mit “normativ” gemeint ist:

    Wenn man sagt, wissenschftliche Hypothesen/Theorien müssen falsifizierbar sein, dann ist das eine normative Aussage. Insofern war (und ist) das ganze Demarkationsproblem (Abgrenzungsproblem) der Wissenschaftstheorie normativ: Eine Unterscheidung von Pseudo- und Wissenschaft ist immer normativ, von Menschen gesetzt, weil das keine natürlichen Kategorien sind, die wir irgendwo entdecken und dann nur beschreiben müssten (die tiefergehende Frage, inwiefern Beschreibungen überhaupt völlig frei von Normen sein können, einmal ausgeklammert).

    U.a. der Wiener Kreis und Karl Popper wollten beschreiben, was gute Wissenschaft isw bzw. was Pseudowissenschaft von Wissenschaft unterscheidet; das war ein normatives (vorschreibendes) Projekt. U.a. Thomas Kuhn beschrieb mehr, wie Wissenschadtlerinnen und Wissenschaftler tatsächlich arbeiten; das war ein eher deskriptives (beschreibendes) Projekt. Im Einzelfall sind die Grenzen zwischen beiden Projekten nicht immer ganz klar.

    @Waschke: Danke, guter Konter an @Stegemann

  520. @Mahner: Metaphysikbeauftragte

    Das erinnert mich an einen gewissen Sigmund Freud, der meinte, den Menschen in die Köpfe gucken zu können und ihnen dann zu sagen, was wirklich in ihnen vorgeht. (Und wenig bescheiden stellte er sich dann in eine Reihe mit Kopernikus und Darwin.)

    Wenn Sie nun (als Metaphysiker) offenlegen wollen, was “(mehr oder weniger bewusst) in den Köpfen der scientific community” vorgeht, dann mögen Sie aber bitte nicht nur die Köpfe zählen, die zum Naturalismus neigen, sondern auch die, für die (Natur-)Wissenschaft und Religion kein Widerspruch sind – und das ist, wie wir empirisch bestätigt gesehen haben, die große Mehrheit.

    Ihre Metaphysik scheint mir allenfalls eine Möglichkeit zu sein; Sie scheinen Sie hingegen wie eine Notwendigkeit zu vertreten. Das ist aber, wie wir im täglichen wissenschaftlichen Arbeiten sehen, gar nicht der Fall. Ihre – von mir so wahrgenommene – Neigung zur Verabsolutierung, die mich an vielen Naturalisten stört, äußert sich auch gleich in solchen Stigmatisierungen: “Pseudowissenschaft”, “fliegen sie am Ende raus”.

    Wie gesagt, das entscheidet nicht der “Metaphysikbeauftragte”; interessante Idee übrigens. Wenn man einmal von ein paar säkularen Enklaven im Westen absieht, findet global meiner Meinung nach zurzeit eine große spirituelle Gegenbewegung statt. Kann schon sein, dass das erst einmal blutig wird; das sollte man dann aber auch mit den durch wissenschaftlichen Fortschritt überhaupt erst ermöglichten großen Vernichtungswellen im 20. Jahrhundert vergleichen. Ich wünsche der Menschheit auf lange Sicht vor allem das: Frieden und Harmonie. Die naturalistische Ontologie trägt dazu meinem Eindruck nach nicht bei.

  521. Eine Wissenschaftstheorie, die relevant sein will für die Wissenschaft, muss normativ sein im Sinne von anleiten, führen oder sollen, nicht im Sinne von vorschreiben, zwingen oder müssen. Eine deskriptive Wissenschaftstheorie ist dafür Voraussetzung als Grundlage für Phänomene, Analysen und Beispiele wissenschaftlicher Arbeit. Ein Paradebeispiel für deskriptive Wissenschaftstheorie ist Kuhn, für normative ist es der Falsifikationismus.

    Das “anything goes” von Feyerabend bedeutet nicht, dass Wissenschaftler chaotisch arbeiten dürfen oder sollen, sondern dass ihnen nicht bestimmte Methoden, Regeln oder Paradigmen vorgeschrieben werden dürfen. Wissenschaftler sollen nach der Methode arbeiten, die sie für sich am geeignetsten halten, um ihren Genius zu entfalten. Natürlich gibt es dafür praktische Grenzen, z.B. in der Finanzierung von Forschungsprojekten.

    In esoterischen Quellen liest man häufig, die Wissenschaft soll über ihre konventionellen Grenzen hinausgehen. Was aber hinter den Grenzen zu finden sein könnte, wird dabei nicht ausgeführt und bleibt im Dunkeln, so wie die “spirituellen Erlebnisse”. Deshalb hat dieses nichtfalsifizierbare Stochern in der Dunkelheit mit Wissenschaft nichts zu tun.

  522. Wenn man Begriffe verwendet, muss klar sein, in welcher Weise. Hier werden Begriffe ‘stillschweigend’ in einer bestimmten Weise verwendet. Wenn ich sage, Wissenschaftstheorie ist normativ, dann impliziert das eine bestimmte Vorstellung. Das ist das Problem der ganzen Diskussion hier. Ich bezeichne das als Feierabendphilosophie. Und Schleim: “Guter Konter” finde ich ganz untere Schublade.

  523. @Waschke: auf der Suche…

    Also wenn erfahrene Physiker im 21. Jahrhundert noch spekulieren, Zufall könnte ein Ausdruck göttlichen Handelns sein, wie kann man dann behaupten, das sei nicht zielführend?

    Irgendwann hat sich dann gezeigt, dass das nicht zielführend ist, und das, was heute ‘methodologischer Naturalismus’ genannt wird, hat sich durchgesetzt. Eben weil er funktioniert.

    Es ist wohl eher andersherum: Das, was funktioniert, nannte man schlicht “methodologischen Naturalismus”, um dem Ontologischen Naturalismus mit einem begrifflichen Trick mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen; das sind PR-Methoden.

    Das, was funktioniert, funktioniert, weil es funktioniert. Wir bewegen uns auf dem Niveau tautologischer Wahrheiten. Hier kann man auch noch einmal an die Diskussion von Putnam und Van Fraassen zum “no miracle Argument” denken. Van Fraassen erwiderte, meines Erachtens zutreffend, dass Erfolg kein Gütekriterium wissenschaftlicher Theorien sein kann, weil die erfolgreichen Theorien eben schlicht diejenigen sind, die von scientific communities ausgewählt werden; im Lauf der Geschichte hat man dabei übrigens auch oft genug ins Klo gegriffen (Äther, Elan Vital, Vulkan…).

    Ich lasse mich einfach nicht auf Ihren Dualismus von Naturalismus und Supranaturalismus festlegen. Das erinnert mich an die Logik von Diktaturen: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und ich werde es auch müde, das hier immer wieder zu wiederholen.

    …der nun wirklich nichts mehr mit dem Vater von Jesus Christus zu tun hat, der letztlich zumindest für die Forschung irrelevant ist, als ontologisch vertretbar einstufen sollte.

    Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, hier einem christlichen Schöpfergott das Wort geredet zu haben.

    Dafür kann es eigentlich nur psychologische Gründe geben. Wenn Sie überhaupt darauf antworten, sind die Ausführungen eher provokant oder ausweichend, aber auf keinen Fall durch Argumente bestimmt.

    Vielleicht, weil mich Ihr Auftreten allmählich nervt? Man kann doch die begründeten Gedanken eines Anderen – ich habe hier nicht für nichts eine sechsteilige Serie geschrieben, in deren fünften Teil es eine klar gegliederte Zusammenfassung gab – auch einmal stehen lassen, anstatt dem Anderen immer und immer wieder den eigenen Standpunkt aufzwängen zu müssen. Haben Sie eigentlich Ihre “psychologischen Gründe” einmal gecheckt?

    Schleim: In der Zwischenzeit empfehle ich jedem einmal, Wissenschaftler an ihrem Arbeitsplatz zu besuchen (wenn das wieder geht) und dann zu fragen: “Was ist eigentlich Ihre Metaphysik?”

    Waschke: Da werden Sie schnell bemerken, dass die meisten sich darüber gar keine Gedanken machen (und ja, ich weiß aus erster Hand, was ein naturwissenschaftlicher Arbeitsplatz ist …).

    Das ist ja gerade mein Punkt! Weil für tatsächliches (natur-)wissenschaftliches Arbeiten in fast allen Fällen völlig irrelevant ist, ob jemand eher Ontologischer Naturalist, Agnostiker oder “Supranaturalist” ist.

    P.S. Danke für den Hinweis auf Kuhn. Davon abgesehen, dass wir auf englisch unterrichten, fehlt uns für diese Tiefe leider die Zeit: Wir haben nur ganze sieben Vorlesungen pro Kurs mit Studierenden, die vorher wenig über Philosophie gehört haben. In einem philosophischen Seminar könnte man das aber so machen.

  524. @Stephan Schleim 02.04.2021, 10:29 Uhr

    Offensichtlich doch psychologisch …

    Wenn Sie nun (als Metaphysiker) offenlegen wollen, was “(mehr oder weniger bewusst) in den Köpfen der scientific community” vorgeht, dann mögen Sie aber bitte nicht nur die Köpfe zählen, die zum Naturalismus neigen, sondern auch die, für die (Natur-)Wissenschaft und Religion kein Widerspruch sind – und das ist, wie wir empirisch bestätigt gesehen haben, die große Mehrheit.

    Ich denke, dass hier zwei Ebenen durcheinander gehen. Standard, zumindest innerhalb der Naturwissenschaften, ist der methodologische Naturalismus. Das ist Fakt und hat nichts mit ‘in die Köpfe schauen’ zu tun. Die Frage, die sich dann stellt, ist warum der methodologische Naturalismus funktioniert, und da ist eine, meiner Meinung nach sehr plausible Argumentation, dass das eben daran liegt, dass der ontologische Naturalismus korrekt ist.

    Dann wird ein Naturwissenschaftler, der Supranaturalist ist, inkonsistent.

    Ihre Metaphysik scheint mir allenfalls eine Möglichkeit zu sein; Sie scheinen Sie hingegen wie eine Notwendigkeit zu vertreten. Das ist aber, wie wir im täglichen wissenschaftlichen Arbeiten sehen, gar nicht der Fall. Ihre – von mir so wahrgenommene – Neigung zur Verabsolutierung, die mich an vielen Naturalisten stört, äußert sich auch gleich in solchen Stigmatisierungen: “Pseudowissenschaft”, “fliegen sie am Ende raus”.

    Gut, nun sind wir auf der korrekten Ebene: Es geht darum, was einen ‘stört’. Die einen stört, dass man den Supranaturalisten ein Schlupfloch belässt, die anderen stört, dass man das nicht macht.

    Wie gesagt, das entscheidet nicht der “Metaphysikbeauftragte”; interessante Idee übrigens. Wenn man einmal von ein paar säkularen Enklaven im Westen absieht, findet global meiner Meinung nach zurzeit eine große spirituelle Gegenbewegung statt.

    Ab dem Moment, in dem sich das darin niederschlägt, dass innerhalb naturwissenschaftlicher Theorien ein ‘Gottesterm’ einsetzbar wird, haben Sie ein Argument.

    Kann schon sein, dass das erst einmal blutig wird; das sollte man dann aber auch mit den durch wissenschaftlichen Fortschritt überhaupt erst ermöglichten großen Vernichtungswellen im 20. Jahrhundert vergleichen. Ich wünsche der Menschheit auf lange Sicht vor allem das: Frieden und Harmonie. Die naturalistische Ontologie trägt dazu meinem Eindruck nach nicht bei.

    Nun sind wir wohl beim Kern der Sache: Was stellt man in den Vordergrund? Erkenntnisse über das Sein des Seienden, oder die Bedürfnisse von Menschen? Soll man eine Ontologie um des lieben Friedens aufgeben?

    Denken Sie an die Bedeutung der Kopernikanischen Revolution. Warum sollte es eigentlich eine Rolle spielen, was sich um was dreht? Nach Ihrer Argumentation hätte man auf dieses Wissen wohl besser verzichtet. Oder denken Sie an den armen Mathematiker im alten Griechenland, den die Entdeckung, dass die Diagonale eines Quadrats eine irrationale Zahl ist, das Leben kostete. Oder an die englische Lady, die, als sie von der Abstammung des Menschen von affenähnlichen Formen erfuhr, sagte, dass man hoffen soll, das würde nicht stimmen, oder falls doch, dafür sorgen, dass es sich nicht herumspricht.

    Könnte sein, dass Sapere aude! wirklich Mut erfordert, wenn Sie Recht haben. Sollte man nun versuchen, etwas dagegen zu tun, oder die Prioritäten anders setzen?

  525. Ein Beispiel für das Niveau hier ist mal wieder Reutlinger:
    “Eine Wissenschaftstheorie, die relevant sein will für die Wissenschaft, muss normativ [sein]…Ein Paradebeispiel für deskriptive Wissenschaftstheorie ist Kuhn, für normative ist es der Falsifikationismus.”

    Normativ sind die Köpfe hier, die nicht in der Lage sind, zu relativieren. Und das soll erkenntnisfördernd sein und Spaß machen, sich gegenseitig die Begriffe um die Ohren zu hauen. Traurig.

  526. @Stephan Schleim 02.04.2021, 10:47 Uhr

    Sorry, hat sich gekreuzt

    Also wenn erfahrene Physiker im 21. Jahrhundert noch spekulieren, Zufall könnte ein Ausdruck göttlichen Handelns sein, wie kann man dann behaupten, das sei nicht zielführend?

    Solange sich das nicht in ihren wissenschaftlichen Publikationen niederschlägt, scheint mir das nicht zielführend zu sein.

    [Thomas Waschke] Irgendwann hat sich dann gezeigt, dass das nicht zielführend ist, und das, was heute ‘methodologischer Naturalismus’ genannt wird, hat sich durchgesetzt. Eben weil er funktioniert.

    Es ist wohl eher andersherum: Das, was funktioniert, nannte man schlicht “methodologischen Naturalismus”, um dem Ontologischen Naturalismus mit einem begrifflichen Trick mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen; das sind PR-Methoden.

    Interessante Frage, zu der Mahner auch schon publiziert hat. Als ich ihn vor vielen Jahren auf diese Unterscheidung hinwies, meinte er, dass die in der Philosophie überhaupt nicht üblich sei.

    Wenn ich es richtig sehe, wurde diese Unterscheidung von Pennock in die neuere Diskussion eingebracht um auf der einen Seite gegen Intelligent Design argumentieren zu können, dabei aber nicht den ontologischen Naturalismus vertreten zu müssen. In den USA ist das erforderlich, um keine Bundesgenossen im Kampf gegen den Kreationismus zu verlieren (Pennock ist übrigens Quäker). Wir können das gerne im Detail diskutieren.

    Das, was funktioniert, funktioniert, weil es funktioniert.

    Nein, es ist etwas anders. Schon im alten Griechenland gab es die Unterscheidung zwischen techne und episteme, also Handwerkskunst, die funktioniert, und der Erkenntnis, was dahinter steckt (eher global gesehen, nicht direkt auf das Handwerk bezogen, galt aber als höher wertig). Der Trick der modernen Naturwissenschaften ist, durch techne (also die experimentelle Methode) zu episteme zu gelangen, und das funktioniert konkurrenzlos. Das Argumentieren in Sätzen über Sätze der Philosophen hat diese Erkenntnisse nicht erreichen können. Denken Sie beispielsweise daran, dass so gut wie kein Philosoph auf die Idee einer biologischen Evolution kam.

    Es ist daher keine Tautologie, und die Frage, warum das Verfahren funktioniert, ist durchaus berechtigt.

    Wir bewegen uns auf dem Niveau tautologischer Wahrheiten. Hier kann man auch noch einmal an die Diskussion von Putnam und Van Fraassen zum “no miracle Argument” denken. Van Fraassen erwiderte, meines Erachtens zutreffend, dass Erfolg kein Gütekriterium wissenschaftlicher Theorien sein kann, weil die erfolgreichen Theorien eben schlicht diejenigen sind, die von scientific communities ausgewählt werden; im Lauf der Geschichte hat man dabei übrigens auch oft genug ins Klo gegriffen (Äther, Elan Vital, Vulkan…).

    Natürlich, und ich hatte schon erwähnt, dass es verschiedene Wissenschaftstheorien gibt. Sie könnten auch einen andere Konkurrenz zu Bunge/Mahner, beispielsweise den Erlanger Konstruktivismus (beispielsweise Janich), anführen. Ich habe mich für eine Position entschieden, die mir am plausibelsten erscheint, aber nicht deshalb, weil ich keine anderen Auffassungen kennen würde. @Chrys gegenüber habe ich mehrfach erwähnt, dass es hier letztlich um eine IBE geht und ich habe meine Argumente benannt.

    Ich lasse mich einfach nicht auf Ihren Dualismus von Naturalismus und Supranaturalismus festlegen. Das erinnert mich an die Logik von Diktaturen: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und ich werde es auch müde, das hier immer wieder zu wiederholen.

    Mein Punkt war, dass Sie das oft schreiben, aber ich sehe nicht so recht, welche Argumente Sie haben, die über Psychologie hinaus gehen.

    [Thomas Waschke] …der nun wirklich nichts mehr mit dem Vater von Jesus Christus zu tun hat, der letztlich zumindest für die Forschung irrelevant ist, als ontologisch vertretbar einstufen sollte.

    Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, hier einem christlichen Schöpfergott das Wort geredet zu haben.

    Das war nicht mein Punkt. Mein Punkt war, dass das, was diese Physiker, selbst wenn sie sich als Christen betrachten, nichts mit Christentum ™ zu tun haben kann. Ich habe das in einem anderen Posting hier auch schon näher ausgeführt.

    Ich bezweifle nicht, dass Sie Agnostiker sind.

    [Thomas Waschke] Dafür kann es eigentlich nur psychologische Gründe geben. Wenn Sie überhaupt darauf antworten, sind die Ausführungen eher provokant oder ausweichend, aber auf keinen Fall durch Argumente bestimmt.

    Vielleicht, weil mich Ihr Auftreten allmählich nervt? Man kann doch die begründeten Gedanken eines Anderen – ich habe hier nicht für nichts eine sechsteilige Serie geschrieben, in deren fünften Teil es eine klar gegliederte Zusammenfassung gab – auch einmal stehen lassen, anstatt dem Anderen immer und immer wieder den eigenen Standpunkt aufzwängen zu müssen. Haben Sie eigentlich Ihre “psychologischen Gründe” einmal gecheckt?

    Natürlich. Ich komme von der Argumentation gegen Evolutionsgegner her, die vor allem im Rahmen der Intelligent Design Bewegung versuchen, wieder Supranaturalismus in die Naturwissenschaften einzuführen, als ‘thin edge of the wedge’. Daher sehe ich Supranaturalismus wohl etwas kritischer als Sie.

    Was um alles in der Welt bringt Sie aber dazu, mir zu unterstellen, welchen Standpunkt ich Ihnen aufzwängen möchte? Ich habe doch mehrfach geschrieben, dass mich interessiert, warum Sie Ihren Standpunkt vertreten, obwohl die Argumente meiner Meinung nach nicht hinreichen. Ihre Formulierung ‘auch einmal stehen lassen’ verwundert mich. Das heißt, man darf keine Kritik üben?

    [Schleim]: In der Zwischenzeit empfehle ich jedem einmal, Wissenschaftler an ihrem Arbeitsplatz zu besuchen (wenn das wieder geht) und dann zu fragen: “Was ist eigentlich Ihre Metaphysik?”

    [Waschke]: Da werden Sie schnell bemerken, dass die meisten sich darüber gar keine Gedanken machen (und ja, ich weiß aus erster Hand, was ein naturwissenschaftlicher Arbeitsplatz ist …).

    Das ist ja gerade mein Punkt! Weil für tatsächliches (natur-)wissenschaftliches Arbeiten in fast allen Fällen völlig irrelevant ist, ob jemand eher Ontologischer Naturalist, Agnostiker oder “Supranaturalist” ist.

    Ich hoffe, dass ich in meinem anderen Posting, das sich mit Ihrem gekreuzt hat, hinreichend deutlich gemacht habe, wo ich das Problem sehe.

    P.S. Danke für den Hinweis auf Kuhn. Davon abgesehen, dass wir auf englisch unterrichten,

    Das Buch besteht aus einer Artikel-Sammlung, unter jedem Beitrag steht die Quelle für das englisch-sprachige Original, das für diese Ausgabe übertragen wurde.

    fehlt uns für diese Tiefe leider die Zeit: Wir haben nur ganze sieben Vorlesungen pro Kurs mit Studierenden, die vorher wenig über Philosophie gehört haben. In einem philosophischen Seminar könnte man das aber so machen.

    Sehe ich auch so. War nur ein Tipp.

  527. @Stegemann
    Zufällig hat Herr Schleim fast gleichzeitig dasselbe geschrieben wie ich. Soweit ich mich an Ihre Spekulationen von Makro- und Mikrokausalität zwischen Geist und Körper erinnere, sind diese meines Erachtens nicht falsifizierbar. Auch eigenwillige, mit technischen Fachbegriffen gespickte, aber wenig qualifizierte Lösungsangebote für das Bewusstseinsproblem sind nicht hilfreich.

  528. Aus einem Aufsatz von Feyerabend (1964):

    Der Unterschied besteht nicht darin, dass die einen [die “respektablen Denker”] Dinge vorschlagen, die einleuchten und Erfolg versprechen, während die anderen [die “Cranks”] nur unplausible, absurde, zum Scheitern verurteilte Ideen zu bieten haben. Er kann nicht darin bestehen, weil wir nie im voraus wissen, welche Theorie Erfolg haben wird und welche nicht. Das zu entscheiden braucht lange Zeit und jeder Schritt auf dem Weg dahin kann wieder revidiert werden … Nein – der Unterschied zwischen Cranks und “respektablen” Denkern liegt in der Forschung, die nach der Aufstellung eines Standpunktes durchgeführt wird. Der erstere begnügt sich gewöhnlich damit, den Standpunkt in seiner ursprünglichen, unentwickelten, metaphysischen Form zu verteidigen; er ist nicht bereit, ihn in den Fällen auf die Probe zu stellen, die seinem Gegner recht zu geben scheinen, ja er sieht da oft überhaupt kein Problem. Es ist diese weitere Untersuchung, mit ihren Einzelheiten, dem Bewusstsein der Schwierigkeiten und des allgemeinen Wissensstandes, der Berücksichtigung von Einwänden, die den “repektablen” Denker vom Crank unterscheidet, und nicht der Inhalt der ursprünglichen Theorie.

    Kein weiterer Kommentar dazu, der Absatz spricht für sich selbst!

  529. @Reutlinger: Dann haben wir es hier ausnahmslos mit Cranks zu tun.

    Hier schreibt jeder, was ihm grade in den Kopf kommt und wie er es braucht. Wenn ich Lust hätte, würde ich entsprechende Zitate bringen.

  530. @Waschke: Subjekte

    Wir kamen zu einem früheren Zeitpunkt dieser Diskussion zum Zwischenergebnis, dass wir Evidenzen anders abwägen (siehe z.B. Waschke: Welches Patt?). Es ist doch auch eine Erkenntnis des kritischen Rationalismus, dass es keine Letztbegründung gibt; man kann nur versuchen, seinen Standpunkt so gut wie möglich zu begründen. Zumindest ein Stückchen Subjektivität und damit, wenn man es so nennen will, Willkür, bleibt am Ende immer übrig.

    Mir kamen Ihre Psychologisierung und Hinweise auf (angeblich) abwesende Argumente sowie der harte Dualismus von Naturalismus/Supranaturalismus schon etwas aufdringlich, fast missionarisch vor. Ich danke Ihnen für Ihr Durchhaltevermögen und die Mühe um Klarheit. Es gibt aber auch Punkte, wo man etwas mal stehen lassen sollte. Wenn Sie das “Psychologie” nennen, sei mir das recht. Wir Menschen sind Wesen mit psychischen Vorgängen.

    Auf Wunsch der Telepolis-Redaktion erscheint die Serie jetzt auch dort, Teil 1 ist gerade online gegangen (übrigens mit einer ganz neuen Einführung): Wissenschaft und Religion: Konflikt oder Kooperation?

    Ich habe auch noch andere Dinge zu tun, doch könnte mir vorstellen, danach noch einmal eine Art Epilog o.ä. zu schreiben, als Fazit der Diskussionen dort und hier. Natürlich darf (und soll) man Kritik üben; es gibt hier aber keinen Anspruch darauf, dass Personen, an die man sich wendet, in der gewünschten Zeit und Ausführlichkeit antworten. Frohe Ostern erst einmal allen!

    P.S. Und zur der “Gretchenfrage”, die sich bei uns herauszukristallisieren scheint (vielleicht: Agnostizismus oder Ignostizismus?), sehe ich einfach nicht die praktische Relevanz, um diese nun in aller Dringlichkeit so auszudiskutieren, dass Sie mit dem Ergebnis zufrieden sind.

  531. @Martin Mahner / 01.04.2021, 13:49 Uhr

    Walter Thirrings “Kosmische Impressionen” habe ich zwar nicht gelesen, aber nach meinem Verständnis haben Physiker (m/w) wie er grundsätzlich die Vorstellung von einem Gott, der die apriorischen Bedingungen für die physikalische Phänomenwelt metaphysisch konstituiert hat auf eine Weise, die in Analogie gedacht wird dazu, wie ein Theoretiker axiomatische Bedingungen für eine objektheoretische Modellwelt metasprachlich konstituiert.

    Die Forderung, den Begriff “Gott” auf der Objekt-Ebene für unzulässig zu erklären, erübrigt sich dabei, insofern “Gott” hier zur Bezeichnung einer Entität auf der Meta-Ebene dient, der eine rein konstitutive Bedeutung für die Objekt-Ebene zugeschrieben wird.

    Eine Argumentation von der Art, man bräuchte “Gott” nicht, wenn er sich nicht auf der Objekt-Ebene durch irgendwelche nachweislich “übernatürliche Aktionen” bemerkbar macht, halte ich schon für ziemlich daneben. Damit verkennt man völlig die Art der Fragestellung, die e.g. Barbara Drossel mutmasslich im Sinn hat, wenn davon spricht, dass die Physik fragen aufwirft, “die über sie selbst hinausweisen”.

    Noch zu der Frage, ob man Anton Zeilinger widerlegen kann, wenn er meint “[D]er Zufall ist eine Möglichkeit, bei dem Gott in die Welt eingreifen könnte, ohne dass wir es ihm ihn nachweisen könnten.

    Zu beachten ist dabei, dass es kein generelles Verfahren gibt, nach dem sich entscheiden liesse, ob eine Ereignisfolge, die uns als “random” erscheint, auch wirklich “random” ist. Die formale Annahme, es gäbe ein solches Verfahren, führt auf einen Widerspruch, und es ist gewiss, dass dieses Problem der “randomness” so unentscheidbar ist wie Turings Halteproblem. Konstatieren lässt sich hier nur, dass sehr wahrscheinlich “random” ist, was “random” aussieht, doch es bleibt dabei eine Ungewissheit. Insofern gibt’s auch kein zwingendes Argument, um Zeilinger davon zu überzeugen, dass er falsch liegt.

  532. @Stephan 02.04. 10:29

    „Ich wünsche der Menschheit auf lange Sicht vor allem das: Frieden und Harmonie. Die naturalistische Ontologie trägt dazu meinem Eindruck nach nicht bei.“

    Diese naturalistische Ontologie kommt doch einem wissenschaftlichem Fundamentalismus gleich. Im Kampf gegen Kreationismus als eine Variante von religiösem Fundamentalismus ist das vielleicht kurzfristig hilfreich, diskreditiert sich aber doch schnell selbst. Weltoffene Gläubige werden sich aus dieser Auseinandersetzung auf die Dauer heraushalten, wenn hier jegliche Übernatur in der Konsequenz ausgeschlossen wird.

    @Waschke 02.04. 10:55

    „Es geht darum, was einen ‘stört’. Die einen stört, dass man den Supranaturalisten ein Schlupfloch belässt, die anderen stört, dass man das nicht macht.“

    Es geht hier nicht um Schlupflöcher, sondern um komplexe Lebenserfahrungen und sicher auch um kulturelle Traditionen, die durchaus respektabel sein können. Religionsfreiheit ist kein Opportunismus, sondern ist der menschlichen Realität geschuldet.

    @Waschke 02.04. 10:55

    „Nun sind wir wohl beim Kern der Sache: Was stellt man in den Vordergrund? Erkenntnisse über das Sein des Seienden, oder die Bedürfnisse von Menschen? Soll man eine Ontologie um des lieben Friedens aufgeben?“

    Es geht doch nicht um ihre Ontologievariante selbst, sondern darum, dass diese als alternativlos hingestellt wird. Und dabei geht es nicht nur um Bedürfnisse der Menschen, sondern um die innere Realität der Menschen, die immer subjektiv ist. Spirituelle Erfahrungen haben Folgen für das Weltbild, und religiöse Traditionen haben Folgen für den Möglichkeitsraum, innerhalb dessen man nach entsprechenden Erfahrungen sucht.

    Entsprechend sind die Erkenntnisse über das Sein des Seienden uneindeutig. Der Schritt von der wissenschaftlichen Methode zum ontologischen Naturalismus ist und bleibt ein Glaubensakt, der nicht zwingend der einzig Wahre ist. „Das meiste geht mit rechten Dingen zu“ ist hier eine ernstzunehmende Alternative zu „Alles geht mit rechten Dingen zu“, wenn man mit dem wissenschaftlichen Fundamentalismus nicht leben mag, aber auch von einem religiösen Fundamentalismus nicht überzeugt ist.

    Wir werden den Pluralismus in Glaubensfragen nicht los, weil er so grundlegend ist, dass man ihn selbst als Naturgesetz betrachten kann. Und das im Prinzip durch alle Fachgebiete, von der Physik über die Biologie bis hin zu Psychologie und Soziologie.

    Selbst mit dem Ausschluss der Realität des Pluralismus aus der wissenschaftlichen Community wird man dieses Problem nicht aus der Welt schaffen. Da müsste man schon die Welt selbst abschaffen.

  533. Was Zeilinger mit seiner Aussage meint, ist mir schleierhaft. Vielleicht, oder wahrscheinlich, liegt es an seiner christlichen, monotheistischen Erziehung.

    Auch was allgemein mit Zufall oder Zufälligkeit gemeint ist, bleibt oft sehr schleierhaft. Ist ein Ereignis an sich zufällig, oder sind es seine Attribute, wie Ort und Zeit? Ort und Zeit eines Erdbebens sind zufällig, aber Erdbeben an sich sind nicht zufällig, ebenso beim radioaktiven Zerfall.

    Eine Taube im freien Flug verhält sich zufällig bezüglich ihres aktuellen Ortes. Eine Taube in einer Voliere verhält sich ebenfalls zufällig, aber auf den Raum der Voliere beschränkt. Je kleiner die Voliere, desto geringer der Zufall des Ortes. In der Quantenmechanik kommt die Unschärferelation bzw. Komplementarität hinzu. Einen freien, unbegrenzten Zufall gibt es auch dort nicht.

    Viele Ereignisse erscheinen nur deshalb als Zufall, weil die Kausalität zu komplex ist, oder weil die kausal vorausgehenden Ereignisse nicht erkennbar oder nicht beobachtbar bzw. messbar sind. Indeterminismus dagegen ist noch keine Zufälligkeit. Ob letztlich akausale Ereignisse möglich sind, ist eine andere Frage, die vielleicht nicht beantwortbar ist. Der überzeugte Naturalist wird die Frage jedenfalls verneinen.

  534. @Jeckenburger
    Ihre Forderungen nach alternativen Formen von Erkenntnis hat schon Feyerabend aufgestellt als einen Aspekt des “anything goes”. Er wollte die Gleichberechtigung von bspw. Astrologie, Theologie und Voodoo mit der Erkenntnisform Wissenschaft. Dazu stellen sich aber einige Fragen:
    1. Worin läge die konkrete Begründung und Berechtigung dafür? Die historische Existenz allein reicht dafür nicht aus!
    2. Welche oder welcher Art Erkenntnisse sollten diese Formen liefern?
    3. Welche Qualität hätten solche Erkenntnisse (Glaube oder Wissen)?
    3. Welche Nützlichkeit (nicht Nutzen!) für die Menschen würde davon erwartet?

    Feyerabend hatte sich dazu nicht geäußert. Er forderte lediglich die Untersuchung solch inkommensurabler Erkenntnisformen. Dabei muss auch die Frage erlaubt sein, ob, oder in welcher Weise, Philosophie, Psychologie und Soziologie bereits solch alternative Erkenntnisformen sind! Umfasst die Psychologie nicht bereits auch “spirituelle Erfahrungen”?

  535. Hallo Herr Schleim, danke für die Rückmeldung.
    Ich habe vorsichtshalber nachgelesen – Blog-Einträge, Kommentare und ein bisschen „drum herum“. Ich teile das auf in zwei Kommentare.

    Erster Kommentar:
    Dass die Scilogs ohne redaktionelle Kontrolle organisiert sind, war mir bewusst. Besser wäre gewesen, wenn ich geschrieben hätte:

    Sozusagen eine redaktionsfreie Fortsetzung von „Spektrum der Wissenschaft“ mit Mitteln des Internets.

    Glätte (1)
    Das von Ihnen genannte Beispiel „Glätte von Eis“ in Teil 2 der Reihe hatte mir gut gefallen, insbesondere auch Ihr Hinweis, dass es sich dabei um eine emergente Eigenschaft von Wasser handelt. @Physiker hatte dazu und auch zur „späten Erkenntnis“ kommentiert. Ich hätte noch darauf hinweisen können, dass diese und andere Eigenschaften des Wassers letztlich auf die besondere asymmetrische („winklige“) Anordnung der Atome im Wassermolekül als Dipol zurückzuführen sind. Schon in Teil 1 hatte @reutlinger auf die Dipolkräfte und auf die Bedeutung der Wasserstoffbrücken bei Wasser selbst und bei anderen Molekülen für biologische Systeme hingewiesen. Und @Waschke hatte im Zusammenhang mit Emergenz in diesem Teil 6 dazu kommentiert.
    Solche Eigenschaften a priori aus dem Molekülaufbau zu erkennen, dürfte sehr, sehr schwer sein und, z.B. beim Berechnen mit Computern, allein aufgrund des immens großen Rechenaufwands für eine große Zahl von Molekülen oft aussichtslos sein. Bekannte Eigenschaften a posteriori auf den Molekülaufbau zurückzuführen (zu reduzieren?) ist auch nicht einfach.

    Bewusstsein (2)
    Den „Selbstversuch“ mit dem Heben des linken Arms, ebenfalls in Teil 2, habe ich gemacht. Ich stimme Ihnen auch zu, „dass es beim heutigen Kenntnisstand keine vollständige, rein naturwissenschaftliche Erklärung dafür gibt, was Sie gerade gemacht haben.“ Allerdings beunruhigt mich das nicht, denn ich vermute nicht, dass hier noch etwas wirkt, was nicht im Grundsatz auf Partikeln (Protonen, Neutronen, Elektronen), Kräften (Wechselwirkungen, Gravitation, Elektromagnetismus) und deren Zusammenwirken (ART, QED) beruht.

    Dass etwas „noch nicht vollständig (natur-) wissenschaftlich erklärt“ ist, heißt nicht zwingend, dass es „nicht vollständig (natur-) wissenschaftlich erklärbar“ sei. Sie schätzen das evtl. als spekulativ ein. Ich sehe für mich keinen Anlass anzunehmen, dass es dafür „etwas ganz Anderes“ oder etwas „Übernatürliches“ geben müsste.

    Es ist schon ein Unterschied, ob man etwas erst dann akzeptieren will, wenn es „hieb- und stichfest bewiesen“ oder „vollständig wissenschaftlich erklärt“ ist, oder ob man etwas als mögliche Erklärung anerkennt, solange es keine „handfesten“ Gründe gibt, dieses zu verneinen. @Waschke hatte, auch mit dem Stichwort Evidenz, mehrfach auf diese unterschiedlichen Sichtweisen hingewiesen.

    Wörter
    Beim Nachlesen hatte ich deutlicher als beim ersten Lesen festgestellt, dass Sie Wörter, Begriffe und Begriffserklärungen vorgestellt bzw. beschrieben hatten. Das hatte mir auch schon beim ersten Lesen gefallen. Evtl. hatte ich manche Erläuterungen Ihrerseits nicht ausreichend berücksichtigt.

  536. @Stephan Schleim, zweiter Kommentar:

    Aus meinem Kommentar „zu allen 14 Punkten“ aus Teil 5 hatte sich ein „Ping-Pong-Spiel“ aus Rückfragen und Antworten ergeben. Hier nur sehr knapp, aber hoffentlich zutreffend und fair zusammengefasst. Mit den Suchbegriffen „Andresen“, „Wiederbeleben / Wiederbelebung“, „Leben und Tod“ und „Klon“ sollten die entsprechenden Texte auffindbar sein.

    Ich hatte zu Nr. 6 (… was die “Naturgesetze” genau ausschließen) geantwortet:

    Aus meiner Sicht ist z.B. ausgeschlossen: Das Wiederbeleben eines Toten, auch wenn es manchmal möglich erscheint. In dem Fall war der wieder Lebende vorher nur vermeintlich gestorben.

    Aufgrund Ihrer mehrfachen Rückfragen, sinngemäß „… müsste doch möglich sein“, hatte ich schließlich sorgfältig und mit Blick auf biologische, also naturwissenschaftliche, Erkenntnisse begründet, warum das aus meiner Sicht nicht möglich ist. Präzisierungen durch @Balanus hatte ich dabei einbezogen.
    Weitere Präzisierungen durch @Waschke hatte ich gelesen und als Bestätigung für meine Darstellung gesehen. Nachträglich vielen Dank für diese argumentative Unterstützung.

    Diese Begründungen und Argumente haben Sie anscheinend nicht beachtet oder als irrelevant verworfen.

    Stattdessen hatten Sie das Gedankenexperiment „1:1 Klon“ in die Diskussion eingebracht. Soweit ich das mitverfolgt habe, hatten viele Kommentatoren darauf hingewiesen, dass das nicht möglich sei. Sie hatten auf eine Antwort gedrängt („… nicht komplizierter machen …“) und so formuliert:

    Wenn man Naturalist ist und eine 1:1 Kopie eines Körpers auf molekularer Ebene herstellt, inklusive aller Strukturen, dann hat man zweimal dieselbe Person.

    Das hatte ich „positiv“ beantwortet, aber zugleich darauf hingewiesen, dass es aus meiner Sicht technisch nicht möglich sei. Andere Kommentatoren hatten schon erläutert, dass die von Ihnen angedeutete Herstellung („3-D-Drucker“) nicht möglich sei. Ich hatte Ihnen dargelegt, dass das erforderliche Erfassen („Scanner“) unmöglich ist.

    Auch diese Begründungen und Argumente aus naturwissenschaftlicher Sicht haben Sie anscheinend nicht beachtet oder als irrelevant verworfen.
    Sie hatten in meiner Argumentation einen Widerspruch gesehen und so formuliert:

    Man kann nicht gleichzeitig behaupten, das Leben sei nichts als ein naturalistischer, materialistisch-molekularer Prozess, es dann aber doch aus dem Bereich der naturalistischen, materialistisch-molekularen Verfügbarkeit ausklammern, weil einem die Implikation (Auferstehung von den Toten) nicht gefällt.

    Ich muss zugeben, dass ich nicht verstehe, wie sie diese Implikation und damit einen Widerspruch herleiten. Mir scheint, dass Sie technische bzw. technologische Wünsche, die aus naturwissenschaftlicher Sicht unerfüllbar sind, in Ihre Argumentation einbeziehen. Das hatte ich zuvor anders und überspitzt beschrieben.

    Genug für heute. 🙂
    Ich wünsche erholsame Feiertage.

  537. @Andresen: Fazit

    Danke für dieses (aus meiner Sicht in weiten Teilen) sehr gelungene Fazit!

    Ich habe hier ja immer wieder den Unterschied zwischen epistemischen und ontologischen Aussagen hervorgehoben.

    Religiösen Menschen wirft man (aus meiner Sicht: zu recht) vor, wenn sie einen “Gott der Lücke” vertreten: Dort, wo die Naturwissenschaft keine Erklärung bietet, müsse etwas Übernatürliches im Spiel sein. Bildlich gesprochen ist aber die Tür einen Spalt weit offen, d.h. das Übernatürliche ist nicht prinzipiell ausgeschlossen. Ich sehe bloß kein überzeugendes positives Argument für etwas Übernatürliches. Darum sehe ich mich als Agnostiker, nicht Theist.

    Den offenen Türspalt interpretiert der Naturalist anders: Ganz sicher lasse sich die Tür vollständig schließen. “Es geht alles mit rechten Dingen zu.” Wir sehen, dass beide Seiten aus der Lücke einen (logisch) unzulässigen Schluss ziehen: Für den Einen ist da zwingend Gott (o.ä.) am Werk; für den Anderen sind es die Naturkräfte.

    Ich könnte mich hier nur wiederholen und argumentieren, dass sich die epistemische Lücke eben nicht eindeutig ontologisch interpretieren lässt; im Übrigen bräuchte man selbst dann, wenn die Tür vollständig geschlossen wäre (es also eine vollständige naturwissenschaftliche Erklärung von allem in der Welt gäbe), mindestens eine zusätzliche Annahme, nämlich die eines optimistischen Realismus (d.h. dass es eine von uns unabhängige Welt gibt und diese sich erkennen lässt). In diesem Sinne halte ich, mal kantisch gesprochen, das “Ding an sich” für unerkennbar.

    Ich sehe unter diesen Umständen keinen vernünftigen Weg, über den Standpunkt des Skeptikers, Agnostikers oder kritischen Rationalisten hinauszugehen und mich als Ontologischen Naturalisten oder Theisten zu bezeichnen.

    Wenn jemand aber die Lücke anders interpretiert: So be it!

  538. @Andresen: Auferstehung, Klone usw…

    Schönes Thema übrigens für Ostern! 😉

    Aber im Ernst: Hier habe ich die Naturalisten mal ein Bisschen aus der Reserve gelockt. Mir ist schon klar, wie Sam Harris das mit dem Gehirn und Bewusstsein meint; ich erwarte aber von einem Philosophen, der ernst genommen werden will, seinen Standpunkt widerspruchsfrei zu formulieren.

    Und ähnlich verhält es sich mit dem “Auferstehungsargument”. Wenn Leben, Bewusstsein und so weiter… nichts als vollständig naturwissenschaftlich erklärbare Prozesse sind, wieso soll es dann prinzipiell unmöglich sein, diese vollständig technisch zu manipulieren/zu erzeugen? (Ich erinnere mal an das Zitat, das auch Feynman gerne verwendete: What I cannot create I do not understand. Nebenbei: Daraus folgt nicht, What I can create I do understand.)

    Wenn Sie und Andere hier in der Diskussion auf “Komplexität” verweisen, dann ist das eben kein prinzipielles Argument. Mir ist klar, dass diese Beispiele in der heutigen Zeit nur Gedankenexperimente sind. Aus der technischen Unmöglichkeit lässt sich aber keine prinzpielle (in der Philosophie würde man hier sagen: nomologische) Unmöglichkeit ableiten. Da irren Sie, die Balanesen usw. sich. Aber wenn Sie das jetzt immer noch anders sehen: So be it!

  539. P.S. Die technischen Möglichkeiten verändern sich doch Jahr für Jahr. Man kann einfach nicht gleichzeitig alles Übernatürliche ausschließen und dann, ohne positives Argument, die vollständige technische Verfügbarkeit natürlicher Prozesse prinzipiell ausschließen.

  540. @reutlinger 02.04. 16:55

    „Er wollte die Gleichberechtigung von bspw. Astrologie, Theologie und Voodoo mit der Erkenntnisform Wissenschaft.“

    Da macht aus meiner Sicht heraus wenig Sinn. Einen Unterschied von Wissen und Glauben halte ich ja gerade für ganz wichtig.

    „Dabei muss auch die Frage erlaubt sein, ob, oder in welcher Weise, Philosophie, Psychologie und Soziologie bereits solch alternative Erkenntnisformen sind! Umfasst die Psychologie nicht bereits auch “spirituelle Erfahrungen”?“

    Klar tut sie das, aber oft ohne es zu merken. Mir geht es ja gerade darum, dieses dann auch zutreffend einzuordnen.

  541. @anton reutlinger / Zeilinger und der Zufall

    Versuchen wir es mal ganz einfach:

    Einstein meint, der Alte würfelt nicht.

    Zeilinger meint, falls der Alte doch wüfelt, kann er uns dabei nach Belieben so betrügen, dass wir ihm seinen Betrug nicht nachweisen können.

  542. @Chrys
    02.04.2021, 14:24 Uhr

    Eine Argumentation von der Art, man bräuchte “Gott” nicht, wenn er sich nicht auf der Objekt-Ebene durch irgendwelche nachweislich “übernatürliche Aktionen” bemerkbar macht, halte ich schon für ziemlich daneben. Damit verkennt man völlig die Art der Fragestellung, die e.g. Barbara Drossel mutmasslich im Sinn hat, wenn davon spricht, dass die Physik fragen aufwirft, “die über sie selbst hinausweisen”.

    Da können wir uns gern gegenseitig Danebenheit vorwerfen. Was hier zur Sprache kommt, ebenso bei Zeilingers Zufall, ist doch nur das ganze Elend der Theologie bzw. des Supranaturalismus. Man kann heute offenbar nur noch etwas davon retten, indem man natürliche Faktoren “verdoppelt” bzw. annimmt, dass da jemand hinter den Kulissen die Fäden zieht. Damit garantiert man prinzipielle Unwiderlegbarkeit und Allerklärbarkeit. Man kann Naturalisten wirklich nicht vorwerfen, dass sie solche Puppenspieleransätze schlichtweg für überflüssig halten. Wenn jemand meint, er oder sie brauche das, um glücklich zu sein, bitte gern, aber man kann dann wirklich nicht den Anspruch erheben, mit solche Beliebigkeiten naturphilosophisch ernst genommen zu werden.

    Und bei Drossel verkenne ich gar nichts, vielmehr erkenne ich bei ihr den vergeblichen Versuch, die naturtheologischen Gottesbeweise wiederzubeleben. Metaphysik geht immer über die Physik hinaus, das ist nichts Verwerfliches. Doch eine solche heutzutage mit deistischen oder theistischen Beliebigkeiten auszustatten, sollte sich eigentlich überlebt haben.

  543. @Jeckenburger
    Einen Unterschied von Wissen und Glauben halte ich ja gerade für ganz wichtig.

    Ohne negativen Beigeschmack glaube ich, dass Philosophie, Psychologie und Soziologie solche zur Wissenschaft alternative Erkenntnisformen beinhalten. Das ergibt sich aus der Komplexität von Prozessen, der Entwicklungsdynamik, mangelnder Beobachtbarkeit und Objektivität und der Abstraktheit der betreffenden Forschungsgegenstände. Im Vergleich zur Naturwissenschaft unterscheiden sich die Methoden und die Erkenntnisse sind nicht universell verallgemeinerbar. Eine Nützlichkeit der (meisten) Erkenntnisse für die Menschen steht außer Zweifel.

    Im Gegensatz zu den genannten “Halbwissenschaften” sind Astrologie, Theologie, Supranaturalismus u.a. in keiner Weise mit Wissenschaft zu vergleichen, sie sind inkommensurabel, womit eine Gleichberechtigung nicht begründet wäre.

    Astrologie, Theologie und Homöopathie argumentieren gerne mit der Behauptung, sie hätten bei manchen Kunden Erfolg gehabt. Dabei verschweigen sie geflissentlich, bei wieviel Kunden sie keinen Erfolg hatten, abgesehen davon, dass keine Studie signifikante Erfolge nachweisen konnte. Ich würde kein Auto bei einem Händler kaufen, der mir versichert, das Modell hätte bei einigen Kunden funktioniert! Glaube kann nur funktionieren, oder ist nur dann glaubwürdig, wenn er plausibel begründet und nicht widersprüchlich ist.

    Die derzeitige Pandemie offenbart viele Widersprüchlichkeiten und Paradoxien zwischen Glaube und Wissen, besonders bei Behauptungen und Verhaltensweisen der “Querdenker” und Impfgegner.

  544. @Mahner: Puppenspieleransätze

    Zu denken, “Zufall” oder “Ist halt so” (z.B. Urknall) seien befriedigende Letzterklärungen, halte ich ebenfalls für einen Puppenspielertrick.

    P.S. Ich glaube, die Naturphilosophie nehmen schon seit Galilei nicht mehr so viele ernst. (Hintergrund: Im Gegensatz zu dem häufig kolportierten Bild, war es am Anfang gar nicht so sehr die Kirche, mit der Galilei ein Problem hatte, sondern waren es die gekränkten Naturphilosophen; die haben dem Sternenbeobachter dann entsprechend der damaligen Machtstrukturen Probleme bereitet; und das war eben die Kirche.)

  545. @ Chrys 02.04.2021, 18:14 Uhr

    Zitat: „Zeilinger meint, falls der Alte doch würfelt, kann er uns dabei nach Belieben so betrügen, dass wir ihm seinen Betrug nicht nachweisen können.“

    Das Elend beginnt bei der Sprache und den Begriffen.

    Ein „Zufallsgenerator“ (Würfel) ist dann „betrügerisch“ wen er keine „richtigen Zufallszahlen“ generiert, sondern sozusagen „gezinkt“ ist und praktisch vorgegebenen „Zufallszahlen“ generiert. Wie früher bei der Bauernfängerei am Jahrmarkt.

    Generiert er „richtige Zufallszahlen“, so ist er eben nicht betrügerisch.

    Für Theologen dürfte „Gott“ genau der „Bezeichner“ und „Ausgangspunkt“ jeglicher Gesetze, jeglicher geistigen Konstrukte, jeglicher Prozesse und jeglicher Materie, eben transzendent sein….

  546. Idealismus

    Interessante Reaktion eines Telepolis-Lesers (“Quantenphysik“):

    Vielleicht muss man ja den Spiess herumdrehen: eine Art Grund-Bewusstsein produziert erst die Materie. Es gibt viele Physiker, die diesem Gedanken offen gegenüber stehen. Und auf einmal sieht Religion nicht mehr so alt aus, wie starke Materialisten behaupten.

    Idealismus statt Naturalismus? Ob das noch mit rechten Dingen zugeht? Warten wir’s ab!

  547. Für mich ( als Techniker ) war war “Popper” bislang der Name einer Person, die mich nicht weiter interessiert hat, “Platon” auch nur wenig ( da kenne ich eigentlich nur das Höhlengleichnis, für mich auch wichtig, hinter/bei den Messergebnissen auch nur bemessende Zahlen zu sehen und nicht die “Wirklichkeit” ), “Hegel”, “Marx” und andere “Schwafelheinis” …
    Den letztgenannten ist gleich, dass sie von den heutigen Kenntnissen der Anthropologie, der Verhaltensforschung und anderen biologischen, chemischen und physikalischen Wissenschaften nichts wissen konnten und demzufolge nur als “Kinder ihrer Zeit” mit dem Wissen ihrer Zeit über die “wahre Natur” und die “letzten Dinge” und deren Zusammenhänge nachdenken konnten. Für Nachgeborene ist es immer einfach, von der aktuellen Basis aus zu urteilen über etwas, was eine andere Basis hatte. Faszinierend ist aber, dass es den Menschen seit jeher ein Bedürfnis ist, darüber nachzudenken, was “die Welt im Innersten zusammenhält”. Möglicherweise war das auch ein evolutionärer Vorteil, indem wir das “Prinzip” hinter der “Wirkung” erkennen und damit besser überleben konnten.
    In Bezug auf Karl Popper habe ich mir eine Wiki-Schnellbleiche gegönnt und frage mich ( bei aller Achtung vor seinem Lebensweg ), ob ihm eigentlich klar war, wie privilegiert er eigentlich war – angefangen davon, mit dem Gehirn eines heutigen homo sapiens sapiens ( dieses Privileg haben wir alle mit ihm gemeinsam, aber noch vor kurzem, so etwa vor 500.000 Jahren, wäre es das Gehirn eines homo erectus gewesen ) geboren zu werden, dazu mit dem Losglück bei seiner Zeugung ( wenn ich das mal so formulieren darf ) des Zusammentreffens der “richtigen” Gene seiner Eltern, dazu die Erziehung und Sozialisation in einem derart intellektuellen Umfeld – das ist längst nicht allen gegeben. Wenn er Platon mit seiner Staatstheorie verurteilt und seine “offene Gesellschaft” dagegen setzt, ist für mich die Frage, in wieweit er seine privilegierte Welt als Standard ( ein heutiger Ausdruck wäre “Blase” ) für alle an dieser Gesellschaft Beteiligten vorausgesetzt hat und er die Normalverteilung für das Auftreten auch menschlicher Eigenschaften und Verhaltensweisen in Betracht gezogen hat. Es hat natürlich seinen Charme, mit einem einzigen “Falsch”-Beweis zu zeigen, dass alle bisherigen “Richtig”-Beweise für eine vollständige Beschreibung nicht ausreichen, aber wenn wir nicht so gern bereit wären, alles gleich als Dogma zu sehen, könnten wir “nach bestem Wissen” auch Lücken lassen. Mich wundert, wie gesagt, die Sucht, immer und überall Kästchen zu machen und uns dann mit Eifer über die Größe und Form der Kästchen “auseinanderzusetzen”, siehe “Rabbi, Wasser, Baum, Axt, Platsch”, aus meiner Sicht ist der Inhalt – unabhängig vom Kästchen – viel wichtiger für das Überleben. Was ich nicht weiß, weiß ich nicht, jetzt nicht, noch nicht oder nie ( je nach den Randbedingungen ), werde es aber durch Versuch und Irrtum … siehe “Wissen” … herauskriegen. Und wenn nicht, dann hat es wohl auf das menschliche Leben hier und jetzt einen nur geringen Einfluss.

  548. Stephan Schleim
    02.04.2021, 23:24 Uhr
    … eine Art Grund-Bewusstsein produziert erst die Materie …

    Das sage ich auch, manchmal muss man einfach “gegen den Strich bürsten” ( um die Flöhe zu sehen 😉 ) – wenn es hinterher Erfolg hat, vielleicht eine bessere Wettervorhersage oder ein Gottes-(Nicht)-Beweis oder warum die Teilchen gerade die Masse haben, die sie haben, wenn es also mehr beschreiben kann …

    Beispielsweise ventiliere ich die Idee, ob wir nicht die Beziehung “Materie krümmt Raumzeit” auch umgekehrt denken könnten, dass zum Beispiel die Verkrümmung der Raumzeit, die wir auf sogenannte dunkle Materie zurückführen ( und die wir bislang nicht gefunden haben ), eine Verkrümmung der Raumzeit “an sich”, eine Art “Raumzeitwirbel” ist, dessen Wirkung uns annehmen lässt, dass da Materie sein müsse, die wir nur nicht sehen …

  549. Idealismus

    Denken kann und darf man sich alles. Man kann neue Wörter erfinden und eigene gedankliche Welten mit Göttern oder Raumzeitwirbeln erschaffen. Das Denken ist frei und gratis. Die Frage ist, ob es dem Leben, oder den Menschen, in irgendeiner Form dienlich ist. Jedenfalls ersetzt das Denken und sein gedanklicher Ausfluss weder die tägliche Nahrung noch sich selbst durch neues Leben.

  550. @Chrys // 01.04.2021, 00:40 Uhr

    » Was soll ich denn da falsch verstanden haben?
    […]
    Da das Wiener Physiker-Trio sich der “falschen” Metaphysik verschrieben hat, hätten die also ihre Physik ohne ihre Metaphysik und folglich metaphysikfrei gemacht, was der These von Bunge & Mahner zufolge aber gar nicht möglich ist. Was nun?
    «

    Wenn ich mich recht erinnere, wurde hier auf MENSCHEN-BILDER stets behauptet, dass auch der Naturwissenschaftler als Naturwissenschaftler nicht ohne metaphysische Grundannahmen auskomme. (Ich war anfangs ja anderer Meinung, habe mich aber eines Besseren belehren lassen.. ;- )).

    Was das Wiener Physiker-Trio angeht (eigentlich betrifft es nur das Duo Zeilinger und Thirring), so scheinen diese beiden nur bei der Arbeit (wie zuvor während des Studiums) dem naturalistischen Glaubensbekenntnis zu folgen („keine Übernatur“ und „es geht überall mit rechten Dingen zu“), während man privat eher dem religiösen Glaubensbekenntnis zugeneigt ist.

    Man könnte vielleicht auch sagen, und ich will das gar nicht bewerten, manche Naturwissenschaftler tun auf Arbeit so, als ob sie ontologische Naturalisten wären.

    Insofern teile ich die Auffassung Mahners, dass man nicht ohne Metaphysik auskommt, auch als Naturwissenschaftler nicht.

    Thirring scheint mir übrigens ein eindrückliches Beispiel dafür zu sein, wie man sich im Berufsleben zwar innerhalb naturalistischer Grundannahmen bewegen kann (siehe seine Lehrbücher), ansonsten aber gänzlich anderer Auffassung ist, wie man seinem Spätwerk (Kosmische Impressionen: Gottes Spuren in den Naturgesetzen) entnehmen kann. Dort gehen dann Physik/Mathematik und religiöse Überzeugungen Hand in Hand. Zumindest für Thirring scheint es keinen Widerspruch zwischen Naturwissenschaft und Religion zu geben, ganz im Gegenteil, die Wissenschaft stärkt sogar den Glauben.

  551. @Schleim: und dann wundern Sie sich, wenn Sie von Naturalisten angegriffen werden.
    Wenn wir davon ausgehen, dass mit dem Urknall eine Explosion Energie expandieren ließ, die erst die uns derzeit bekannten vier Grundkräfte und mit ihnen die Naturgesetzmässigkeiten entstehen ließ sowie die Materie in Atome, Elemente, Planeten etc. emergieren ließ, dann können wir sagen, dass die Geschichte des Universums ebenso wie die Evolution auf unserem Planeten Stufen von Emergenzen sind, in denen Materie einen jeweils spezifischen Zustand eingenommen hat. Dass die Bioelektrizität in den 1,5 kg Biomasse, die wir Gehirn nennen, Gedanken hervorbringt, ist ausschließlich das Ergebnis dieser Emergenz sind, merkt man erst mit dem Tod, wenn diese Elektrizität zum Erliegen kommt. Natürlich konstruieren wir mit diesem Gehirn unsere Realität und es ist fast folgerichtig, dass wir Gedanken entwickeln, die über unsere eigene Existenz hinausgehen und die Selbstreferenz unseres Ichs nach außen projizieren. Aber es sind halt nur Gedanken, so schön sie auch klingen mögen. Bewusstsein ist nur ein Wort, das eine Eigenschaft des Gehirns beschreibt, aber nichts, was im Kosmos herumgeistert. Die Reduktionisten tragen daran eine Mitschuld, denn sie versuchen, Gehirn als lineare Funktion von Atomen zu beschreiben, werden also dem Gegenstand in keiner Weise gerecht, denn Denken kann man auf diese Weise nicht erfassen.
    Übrigens: Unsere Werkzeuge sind einfach zu grob , um auf der Mikroebene der Quanten ähnlich eindeutige Ergebnisse zu erzielen wie in unserer mesoskopischen Welt. Als mesoskopische Wesen haben wir kein Auge für den Mikrokosmos bzw. dieser erscheint uns ‘unscharf’. Nun kann man die ganze Natur als Metaphysik beschreiben, ob das sinnvoll ist, mag jeder für sich entscheiden. Man kann Metaphysik auf das beziehen, was jenseits der uns bekannten Welt (Physik) liegt und es entweder als das sehen, was noch nicht erkennbar ist oder nie erkennbar sein wird. Jeder kann das sehen, wie er will und muss sich nicht missionieren lassen.

  552. @Martin Mahner / 02.04.2021, 18:31 Uhr

    Die ins Metaphysische zielende Frage nach den apriorischen Bedingungen für die Möglichkeit von Erfahrungswissen, also nach einer Begründung dafür, warum die wissenschaftl. Methode funktioniert, lässt sich mit nicht logisch-empirischen Mitteln beantworten. Für den Wiener Kreis war so etwas ein Scheinproblem, das auch nur sinnlose Scheinlösungen ohne jeden Erkenntniswert als Antwort zulässt. Sinnlos gewiss hinsichtlich des explanativen Gehalts einer Antwort, denn damit wird nichts erklärt. Aber vielleicht nicht ganz sinnlos hinsichtlich der regulativen Funktion einer Antwort, und sogar Carnap hat in diesem Zusammenhang immerhin eine Bedeutung von Metaphysik für das “Lebensgefühl” konzediert.

    Zeilingers Idee von “Gott” lässt sich demnach als ein regulatives Prinzip auffassen, mit dem er nichts erklären will, das ihm jedoch als gedankliches Ordnungschema dienlich ist.

    Wenn Sie nun schreiben (01.04.2021, 14:57 Uhr) »Er [Bunge] hielt Metaphysik für “allgemein(st)e Wissenschaft”,« und Bunge darin folgen, Metaphysik als eine Art von Wissenschaft zu sehen, dann haben Sie ganz ein anderes Verständnis von Metaphysik, mit dem Sie praktisch erwarten, dass auch metaphysische Begriffe wie “Gott” immer mit einem explanativen Anspruch verknüpft sein müssten. Das sehe ich gerade bei Zeilinger aufgrund seiner Einlassungen in dem Interview gerade nicht, und ich denke, Sie missverstehen ihn gründlich, wenn Sie ihm unterstellen, er wolle mit “Gott” irgendwas erklären, was eigentlich in den Bereich der Physik fällt.

    Zeilinger habe ich dabei jetzt nur als Beispiel genannt, weil er sich da vielleicht etwas deutlicher ausgedrückt hat als die anderen.

  553. @Balanus 03.04.2021, 10:36 Uhr

    Dem anderen in sein Gehirnkästchen durch Sprachregelungen  hineinregieren zu wollen, finde ich anmaßend und unerträglich:

    Was das Wiener Physiker-Trio angeht (eigentlich betrifft es nur das Duo Zeilinger und Thirring), so scheinen diese beiden nur bei der Arbeit (wie zuvor während des Studiums) dem naturalistischen Glaubensbekenntnis zu folgen („keine Übernatur“ und „es geht überall mit rechten Dingen zu“), während man privat eher dem religiösen Glaubensbekenntnis zugeneigt ist.

    So etwas habe ich schon als Kind in der DDR zu verabscheuen gelernt. (Da sehr erregt, werde ich ausnahmsweise persönlich.)

    Hier wird anderen Menschen ein Glauben unterstellt, dem diese ganz ausdrücklich nicht folgen wollen. Mahners gleichlautende allgemeine, also nicht auf konkrete Personen gemünzte Unterstellungen, nämlich, dass wer Naturwissenschaft betreibt, dazu  verurteilt ist, Naturalist zu sein, sind nur peinlich.

    Hier aber wird echt übel.

  554. @Stephan Schleim
    Ein Philosoph und ein naturwissenschaftlich interessierter Informatiker – zwei Welten prallen aufeinander. 🙂
    Mir scheint, dass wir uns beide redlich Mühe gegeben haben, aber unsere Ansichten, Einsichten, Standpunkte gehen doch weit auseinander.

    Ein kleiner Nachtrag:
    „Komplexität“ ist nicht nur etwas, was z.B. naturwissenschaftlich interessierte Informatiker an vielen Stellen als systeminhärent ansehen und was sich oft ganz schlicht aus der Anzahl der beteiligten Instanzen ergibt, beispielsweise indem sich die Anzahl von 1:1-Beziehungen (oder Schnittstellen) bei Verdoppelung der Anzahl der Beteiligten nicht etwa verdoppelt, sondern vervierfacht (quadratisches Wachstum). Bei kleinen Zahlen wirkt das noch harmlos.

    Es ist auch zu beachten, dass „Komplexität“ ein Trigger-Wort ist für Leute, die dann Sätze sagen wie „Da muss doch Intelligenz dahinterstecken! Das kann sich doch nicht von allein entwickelt haben!“ Darauf muss man gefasst sein. 🙂

    Folgendes hatte ich an anderer Stelle schon mal geschrieben:

    Auch wenn alles Denken auf dieser Welt auf den gleichen zellulären / neuronalen Vorgängen basiert, so denkt doch jeder seine eigenen Gedanken.
    Eine wunderbare Vielfalt!

  555. @Chrys, @Stefan Schleim, @Martin Mahner

    Ontologie à la Transzendentalpragmatik?

    Vielleicht mal ganz grundsätzlich. Vermutlich beruht der Dissens auch auf einer unterschiedlichen Auffassung von ‘Ontologie’ (‘Metaphysik’, die Begriffe kann man auch als synonym betrachten). Darunter wird oft etwas Letztbegründetes bzw. eine Tätigkeit, die zu sicherem Wissen führt, verstanden.

    Wie aber, wenn man das in etwa so betrachtet, wie Apel seine Transzendentalpragmatik entwirft? Er analysierte wie Habermas den herrschaftsfreien Diskurs einer idealen Kommunikationsgemeinschaft, also das, was jemand, der am Diskurs teilnimmt, implizit eben durch diese Teilnahme einräumt.

    Wenn man nun analysiert, was ein Naturwissenschaftler implizit einräumt, wenn er Forschung betreibt, ist man in etwa bei dem, was man als methodologischen Naturalismus bezeichnet. Man kann aber nun noch weiter fragen, und versuchen, zu klären, wie die Welt beschaffen sein müsste, um den Erfolg dieser Tätigkeit zu garantieren. So gelangt man dann zu der eigentlichen Ontologie, also den Entitäten, mit denen man sein Weltbild einrichtet. Da sich dieses Weltbild auf die Natur bezieht, gelangt man so letztlich zum ontologischen Naturalismus.

    Das ganze System ist dynamisch: Welche Entitäten man darin einbaut, ändert sich, je nach Stand der Forschung. Wichtig ist nur, dass man begründen kann, warum man welche Entitäten einbaut, oder eben auch nicht. Letztlich ist das immer die Domäne der Naturwissenschaften, denn Denken in Sätzen über Sätze konnte noch nie zeigen, dass es zu Erkenntnis über die Natur führt, obwohl die Ontologie über diese hinaus führt.

    So gesehen kann ein Wissenschaftler problemlos sauber forschen, aber eine inkonsistente supranaturalistische Ontologie vertreten. Die stört ihn bei der Forschung nicht, wenn er nicht den Fehler macht, supranaturale Entitäten in seinen Modellen zu berücksichtigen.

    Es könnte aber auch sein, dass er mit einer Übernatur sogar eine bessere Ontologie entwickelt könnte, aber das müsste er erst einmal zeigen. Bisher hat das meines Wissens noch niemand geschafft.

  556. @Stephan Schleim
    02.04.2021, 19:35 Uhr

    Zu denken, “Zufall” oder “Ist halt so” (z.B. Urknall) seien befriedigende Letzterklärungen, halte ich ebenfalls für einen Puppenspielertrick.

    Das erschließt sich mir mehrfach nicht. Wenn Zufall ganz einfach ein factum brutum ist, dann braucht es keine “Letzterklärung”. Ist halt so. Dann hätte das aber auch nichts mit Puppenspielerei zu tun, denn es fehlt ja gerade die für alles einsetzbare göttliche Entität, die an den Fäden zieht. Eine Nicht-Marionettentheorie ist eben keine Marionettentheorie.

    P.S. Ich glaube, die Naturphilosophie nehmen schon seit Galilei nicht mehr so viele ernst.

    Sie scheinen eine sehr antiquierte Vorstellung von Naturphilosophie zu haben. Alles, was hier diskutiert wird, ist Naturphilosophie.

    @Chrys
    03.04.2021, 12:16 Uhr

    Für den Wiener Kreis war so etwas ein Scheinproblem, das auch nur sinnlose Scheinlösungen ohne jeden Erkenntniswert als Antwort zulässt.

    Der Positivismus ist seit den 1960er Jahren tot. Was sollte also der Hinweis auf obsolete Auffassungen bringen?

    Zeilingers Idee von “Gott” lässt sich demnach als ein regulatives Prinzip auffassen, mit dem er nichts erklären will, das ihm jedoch als gedankliches Ordnungschema dienlich ist.

    Dann kann man sich nur freundlich verabschieden und sagen, dass viele andere das für überflüssig halten.

    Wenn Sie nun schreiben (01.04.2021, 14:57 Uhr) »Er [Bunge] hielt Metaphysik für “allgemein(st)e Wissenschaft”,« und Bunge darin folgen, Metaphysik als eine Art von Wissenschaft zu sehen, dann haben Sie ganz ein anderes Verständnis von Metaphysik, mit dem Sie praktisch erwarten, dass auch metaphysische Begriffe wie “Gott” immer mit einem explanativen Anspruch verknüpft sein müssten.

    Ich denke, Bunge hat den Voraussetzungsaspekt vernachlässigt. Für mich umfasst Metaphysik beide Aspekte. Wie dem auch sei: Man kann “Gott” aus beiden Perspektiven für einen funktionslosen Begriff halten, der daher auch in der Metaphysik verzichtbar ist. Wenn man nicht auch in der Metaphysik Sparsamkeit walten lässt, können die Begriffe bzw. Entitäten schnell proliferieren…

    Zudem dürfte es sicher nicht falsch sein festzustellen, dass die meisten in ihrem Gott eine letzterklärende Instanz sehen. Die Strategie ist ja nicht unbekannt, dass man unter kritischem Druck gern auf andere Gotteskonzepte ausweicht, und sobald der Druck nachlässt, sie schnell wieder im herkömmlichen Sinne nutzt. Ist halt typisch theologisch….

  557. @Thomas Waschke
    03.04.2021, 15:15 Uhr

    Ontologie à la Transzendentalpragmatik?

    Eher im Sinne von Transzendentalphilosophie (ohne Pragmatik). Allerdings kann der Naturalist keine wirklich Kantische Antwort geben im idealistischen Sinne. Aber das weißt Du ja dank Kap. 8. 😉

    Inzwischen habe ich auch noch Vorläufer gefunden wie z.B. Dustin McWherter (2012): Reconstructing Bhaskar’s transcendental analysis of experimental activity. Cosmos and History 8(1): 199-226.
    Das ist aber eher ein transzendentales Argument für den Realismus.

  558. @Grams
    Thirring war gläubiger Protestant und hat sich öffentlich dazu bekannt. Das darf man durchaus kritisch hinterfragen bei einem Naturwissenschaftler. Selbstverständlich sollte man dabei Toleranz wahren, aber Kritik oder Widerspruch ist weder Intoleranz noch ist es Zensur, wie manche Leute behaupten, die selber Kritik und Widerspruch nicht vertragen können (Pegida usw.) und deshalb einschüchtern wollen!

  559. @anton reutlinger 03.04.2021, 15:59 Uhr

    Wer Wissenschaft betreibt, hat Naturalist im Sinne Mahners zu sein: Das ist zudringlich und intolerant und weitab von zulässiger Kritik.

  560. @Grams
    Zudringlich und intolerant sind die Kirchen seit jeher gegenüber der Wissenschaft und gegenüber dem Atheismus. Deshalb war die Wissenschaft immer in der Verteidigung und musste sich rechtfertigen, auch gegenüber den christlich orientierten Institutionen und Behörden. In der DDR war es der Staat selber, der die Wissenschaft bevormundete und für seine Zwecke missbrauchte.

  561. @Waschke 03.04. 15:15

    „Es könnte aber auch sein, dass er mit einer Übernatur sogar eine bessere Ontologie entwickelt könnte, aber das müsste er erst einmal zeigen. Bisher hat das meines Wissens noch niemand geschafft.“

    Vielleicht wird das ja in der Tat langsam mal Zeit, dass das mal geschafft wird.

    Wenn man nur den Gott als Schöpfer der Naturgesetze und dem Initial des Urknalls schon mal annimmt, erklärt das schon mal Einiges. Nicht zweifelsfrei, aber unübersehbar auch praktisch: Die Naturgesetze inclusive der richtigen Werte für eine ganze Reihe von Naturkonstanten sind dann genau so konfiguriert, dass es Galaxien, Sterne, Planeten, Leben und Bewusstsein geben kann. Und genau das kann man ja nun auch beobachten.

    Für mich ist das doch schon eine interessantere, bessere Ontologie. Nicht alternativlos, aber möglich. Die Beweise dafür haben wir in der Tat noch nicht, aber auch keine Gegenbeweise. Unentschieden. Also Glaubenssache?

    Jetzt darf man aber hoffen, dass dieser Minimalgott der Naturgesetze doch noch mehr tut, also etwa per Quantenzufall im Betrieb des Lebens unterstützen, sowie als Bewusstseinsanteil auch einen wesentlichen Teil der Psyche ausmachen. Auch hierfür haben wir keine Beweise, aber genau die könnten wir bekommen:

    Wie schon öfter erwähnt, könnte man die geistige Unterstützung der Psyche nachweisen, wenn man in einem Versuch, ein komplettes Konnektom zu simulieren, feststellten würde, dass dieses nur bei der Verwendung von Zufallszahlen, die aus dem Quantenrauschen kommen, wirklich funktionieren kann. Das wäre denkbar, als Zukunftsperspektive, meine ich. Ebenso könnte ein derartiges Experiment auch nachweisen, dass man den Geist hierfür doch nicht braucht, weil alles auch mit Pseudozufallszahlen läuft. Dann wäre das eine Falsifikation dieser Idee.

    Wir brauchen einem derartigem Experiment auch nicht vorgreifen, wir können in Ruhe abwarten, was dabei herauskommen wird, und derweil an die eine wie die andere Möglichkeit schon mal glauben. Je nachdem, wie es uns ins Gesamtkonzept passt.

    Eben glauben, was gefällt, und was ganz persönlich plausibel wie möglich erscheint. Man lebt ja erstmal selber.

  562. @anton reutlinger 03.04.2021, 17:51 Uhr

    Aha, da die Kirche nicht mehr zuverlässig bevormundet und die DDR Geschichte ist, brauchen wir für diesen Zweck die Naturalisten vom Schlage Mahners. Gut zu wissen.

  563. @Grams: ich sehe das wie Sie. Hier wird ständig mit Begriffen in einer Weise hantiert, als wären sie naturgegeben. Naturalismus schließt nicht nur die naturwissenschaftliche Methode ein, sondern erhebt sie zur Methodologie. In dieser Weise ist sie reduktionistisch. Natürlich gibt es Abwandlungen, aber letztlich wird alles, auch Gedanken, naturwissenschaftlich erklärt. Da nützt es auch nichts, wenn man sich als Emergentist versteht. Emergentismus bedeutet vielmehr, Phänomene (der belebten Natur) nicht auf Elemente, sondern auf Prinzipien zurückzuführen. Und solche Prinzipien lassen sich eben in der belebten Welt nicht naturwissenschaftlich reduzieren.
    @Waschke: Ontologie ist kein Synonym für Metaphysik

  564. @Jeckenburger
    Die Naturgesetze inclusive der richtigen Werte für eine ganze Reihe von Naturkonstanten sind dann genau so konfiguriert, dass es Galaxien, Sterne, Planeten, Leben und Bewusstsein geben kann.

    Das ist blanke Esoterik. Es gibt nicht den geringsten Beleg dafür.

    Kommentar von MARTIN GARDNER (Sci. Amer.):
    CRAP–Completely Ridiculous Anthropic Principle

    aus dem Internet.

  565. @Tobias Jeckenburger 03.04.2021, 18:11 Uhr

    Die Naturgesetze inclusive der richtigen Werte für eine ganze Reihe von Naturkonstanten sind dann genau so konfiguriert, dass es Galaxien, Sterne, Planeten, Leben und Bewusstsein geben kann. Und genau das kann man ja nun auch beobachten.

    Nun ja, das ist das Fine-Tuning-Argument der Intelligent Design Bewegung, neben Irreduzibler Komplexität das zweite Standbein. Wurde auch schon früher behauptet (‘anthropisches Prinzip’).

    Hoimar v. Ditfurth, der Erklärbär lange vor Lesch und wie dieser bekennender Christ, hat schon vor langer Zeit dazu gesagt, was zu sagen ist: “Wäre es anders, würde es niemandem auffallen”.

  566. Zum Schluss von mir einige Fragen, über die es sich m.E. lohnt nachzudenken:

    Ist ontologiefreie bzw. ontologisch neutrale Erkenntnistheorie möglich? Wie geht Erkenntnis ganz ohne Erkenntnisgegenstände? Wie geht Forschung ohne Forschungsgegenstände?

    Sind Religionen ein plausibles Mittel, um Frieden zu gewährleisten? Wieviele Milizen gibt es, die den kritischen Rationalismus von Hans Albert auf ihre Fahnen schreiben? Wird das Gewaltpotenzial von Religion unterschätzt? Sollte Gewalt widerstanden werden?

    Sollten Religionen generell mit Wohlwollen betrachtet werden? Ist das wissenschaftliche Weltbild eine zu verurteilende Ideologie und, wenn ja, warum? Sind alle Weltbilder gleich evident, welche Evidenzkriterien könnte es geben?

    Sollte in der Erkenntnistheorie Kritisierbarkeit als wünschenswerte Eigenschaft von Konzepten, Hypothesen oder Theorien aufgefasst werden? Ist Aussagequietismus kritisierbar?

  567. @Feodor 03.04.2021, 19:35 Uhr

    Mich erfasst große Lust, die Sinnentleerung auf die Spitze zu treiben.

    Warum geht Mathematik ganz ohne Erkenntnisgegenstände? (Punkte, Geraden, Flächen nehmen keinen Raum ein. Die Eins ist kein Gegenstand.)

    Sind Ballistik und Maschinenbau ein plausibles Mittel, um Frieden zu gewährleisten?

    Welches Bundewehrbataillon hat den kritischen Rationalismus von Hans Albert auf ihrer Fahne stehen?

  568. @ Martin Mahner 03.04.2021, 15:38 Uhr

    Es geht in meinen Beitrag um Arten des Zufalls, Wahrnehmungsfehler, Musterverarbeitung im Gehirn, Ursachen der „Kakofonie“ unter Philosophen/Wissenschaftler.

    Zitat: „…Wenn Zufall ganz einfach ein factum brutum ist, dann braucht es keine “Letzterklärung”. Ist halt so. ….
    Sie scheinen eine sehr antiquierte Vorstellung von Naturphilosophie zu haben. Alles, was hier diskutiert wird, ist Naturphilosophie.“

    Es reicht nicht, „den Zufall“ zu beurteilen, ohne nach den Mechanismen seines „Zustandekommens“ zu fragen.

    Bei Veranstaltungen, z.B. Volksfesten, werden die Menschen häufig mit „gezinkten“, Zufälle generierenden Maschinen betrogen. Der Betrogene glaubt an den „fairen“ Zufall und der Betreiber der Maschine betrügt, bzw. manipuliert die Teilnehmer auf vielfältige Weise, um die Spieler abzuzocken.

    Auf „Zufälligkeiten“ beruhende Mechanismen können aber auch „nutzbringend“ verwendet werden. Z.B. um nach Zufallsvariablen für Prozesse optimierende KI Systeme zu suchen.

    Die Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen ist nun einmal begrenzt und kann absichtlich, oder auch zufällig, „ausgetrickst“ werden. Man merkt es oft nicht einmal. Man kann es Wunder oder sonst irgendwie nennen.

    Die Naturphilosophie scheint zwar recht anschaulich (Weltscheibentheorie), musste aber immer wieder und in immer kürzeren zeitlichen Abständen „upgedatet“ werden. Die Theologen haben sie einfach ausgelagert um die Updateprobleme zu vermeiden.

    Das grundsätzliche Problem dürfte sein, dass Theologen, Mathematiker, Philosophen, Wissenschaftler versuchen, alle „Sachverhalte“ möglichst mit so etwas wie grundlegenden allgemein gültigen „Konzepten“ zu beschreiben.

    Dies ist nicht einmal den Mathematikern gelungen. Die haben sozusagen das Pech, dass ausgerechnet in der „Mitte ihrer Zahlenebene“, der „absolut winzige Null Punkt“ liegt, für den Gesetze die sonst überall auf der Ebene gelten, nicht gelten.

    Das scheint für die Psyche ein Fiasko. Die bewusste Wahrnehmung im Gehirn dürfte auf einer Art von statistischer Auswertung ausreichend vieler „Teilmuster“ beruhen, die sozusagen zu einem „Ergebnismuster“ emergieren müssen.

    Absolute Singularitäten (Nullpunkt), oder unerwartete (oder absichtlich verfälschte) Teilmuster werden bei der vermutlich grundsätzlichen Art der Musterverarbeitung im Gehirn eher ausgeblendet. Das verursacht vermutlich Denkfehler, kognitive Dissonanzen oder die Kakofonie unter Philosophen/Wissenschaftler.

  569. Elektroniker will sagen, dass es reinen und notwendigen Zufall gibt. Nach einigen Sekunden nach dem Urknall war wahrscheinlich der reine Zufall am Werk, der für einen Symmetriebruch zwischen Materie und Antimaterie gesorgt hat, ansonsten wäre das Universum ‘geplatzt wie eine Seifenblase’. Alles, was danach kam waren auch Zufälle, aber sie basierten auf den sich entwickelten Naturgesetzmäßigkeiten. Dieselbe Art von Zufall gibt es in der Evolution. Gäbe es dort den reinen Zufall, hätten Vögel ebenso Propeller statt Flügel entwickeln können. Wenn man schon mit factum brutum arbeitet, sollte man den Unterschied kennen.

  570. @Wolfgang Stegemann 03.04.2021, 21:10 Uhr

    Gäbe es dort den reinen Zufall, hätten Vögel ebenso Propeller statt Flügel entwickeln können. Wenn man schon mit factum brutum arbeitet, sollte man den Unterschied kennen.

    Haben Sie sich gelegentlich Gedanken darüber gemacht, wie Sie in einem Propeller die Blutversorgung oder die Innervierung gestalten möchten? Vermutlich nicht, sonst würden Sie so etwas nicht schreiben.

    Nur nebenbei, in der Evolutionsbiologie ist ‘Zufall’ als ‘ohne Zusammenhang mit den Selektionsbedingungen’ definiert.

    Und ja, dort gibt es ‘brute facts’. Beispielsweise, dass Menschen üblicherweise 5 Finger haben.

    Sie haben aber Recht, alles geht dabei mit rechten Dingen im Rahmen von Naturgesetzen zu. Zumindest konnte noch niemand zeigen, dass das nicht der Fall ist.

  571. @Waschke: ich habe über den reinen und notwendigen Zufall gesprochen. Aber macht ja nichts.

  572. @Wolfgang Stegemann 03.04.2021, 21:58 Uhr

    ‘Zufall’ in der Evolution(sbiologie)

    ich habe über den reinen und notwendigen Zufall gesprochen. Aber macht ja nichts.

    Ich habe mich nur auf das bezogen, was Sie meinten, zu Evolution sagen zu sollen.

    Diesbezüglich ist Ihre Unterscheidung eine Etüde in Irrelevanz.

  573. @Waschke, verschonen Sie mich bitte mit Ihrem Halbwissen. Tip: denken Sie mal selber, anstatt sich durch Schulbuchwissen zu informieren.

  574. @Mahner: Zufall & Naturphilosophie

    Man kann vielleicht sagen, dass die Begründung, Phänomen P beruhe auf echtem, nicht mehr hintergehbaren Zufall, sparsamer ist…

    …aber einige werden sie unbefriedigend finden…

    …und ein paar die Annahme von etwas Göttlichem für sinnvoller halten.

    Jetzt stehen drei Werte nebeneinander: Sparsamkeit, Befriedigung und Sinnhaftigkeit. Meinetwegen darf sich jeder den Wert wählen, der ihm am besten gefällt.

    Der Bedeutungsverlust des Konzepts der Naturphilosophie lässt sich sogar empirisch nachweisen. Viele Wissenschaftler dürften heute mit dem Begriff gar nichts mehr anfangen können. (Aber irgendwie finde ich es trotzdem gut, dass Sie das tun!)

  575. @Waschke, Stegemann: Kann man nicht diskutieren, ohne dem Anderen Halb- bzw. Schulbuchwissen vorzuwerfen?

    Man kann, finde ich, nicht leugnen, dass a) einigen hier das Thema sehr wichtig ist und b) ein paar sich wirklich darin vertieft haben. Das sollten eigentlich gute Voraussetzungen für eine vielversprechende Diskussion sein.

    Aber vielleicht ist das Thema für manche schon zu wichtig?

  576. @Stephan Schleim 02.04.2021, 13:34 Uhr

    Meine Schlussbemerkung

    Wir kamen zu einem früheren Zeitpunkt dieser Diskussion zum Zwischenergebnis, dass wir Evidenzen anders abwägen (siehe z.B. Waschke: Welches Patt?). Es ist doch auch eine Erkenntnis des kritischen Rationalismus, dass es keine Letztbegründung gibt; man kann nur versuchen, seinen Standpunkt so gut wie möglich zu begründen. Zumindest ein Stückchen Subjektivität und damit, wenn man es so nennen will, Willkür, bleibt am Ende immer übrig.

    Selbstverständlich. Ich hatte mehrfach IBE erwähnt. Mehr ist in solchen Fragen nicht drin.

    Mir kamen Ihre Psychologisierung und Hinweise auf (angeblich) abwesende Argumente sowie der harte Dualismus von Naturalismus/Supranaturalismus schon etwas aufdringlich, fast missionarisch vor. Ich danke Ihnen für Ihr Durchhaltevermögen und die Mühe um Klarheit. Es gibt aber auch Punkte, wo man etwas mal stehen lassen sollte. Wenn Sie das “Psychologie” nennen, sei mir das recht. Wir Menschen sind Wesen mit psychischen Vorgängen.

    Mein Punkt war ein anderer. In vielen Punkte passt zwischen dem, was Sie schreiben, und dem, was ich vertrete, keine Zeitung. Aber dann kommt ein grundlegender Punkt, an dem wir divergieren. Da ich 20 Jahre lang so ähnlich gedacht habe wie Sie und meinen Standpunkt vor etlichen Jahren aus, wie ich meine, guten Gründen, geändert habe, hatte ich gehofft, Sie überzeugen zu können.

    Vielleicht ein andermal in einem anderen Kontext.

    Auf Wunsch der Telepolis-Redaktion erscheint die Serie jetzt auch dort, Teil 1 ist gerade online gegangen (übrigens mit einer ganz neuen Einführung): Wissenschaft und Religion: Konflikt oder Kooperation?

    Danke für den Hinweis, habe mal kurz hineingeschaut. Ich vermute nach den paar Dutzende Kommentare, die ich gelesen habe, dass dort viel Hitze und wenig Licht produziert wird. Ich werde Ihre Artikel dort lesen, bin gespannt, was sich gegenüber den hier eingestellten Versionen ändert. Von der Diskussion dort erwarte ich mir nichts.

    P.S. Und zur der “Gretchenfrage”, die sich bei uns herauszukristallisieren scheint (vielleicht: Agnostizismus oder Ignostizismus?), sehe ich einfach nicht die praktische Relevanz, um diese nun in aller Dringlichkeit so auszudiskutieren, dass Sie mit dem Ergebnis zufrieden sind.

    Kein Problem, s.o.

    Ich sehe auch, dass Sie die praktische Relevanz mehr in den Vordergrund rücken als ich.

    Sehr deutlich war:

    Ich wünsche der Menschheit auf lange Sicht vor allem das: Frieden und Harmonie. Die naturalistische Ontologie trägt dazu meinem Eindruck nach nicht bei.

    [ Link ]

    Meine Sicht dazu habe ich ausführlich dargestellt (könnte sein, dass Sie es gelesen haben, direkt darauf eingegangen sind Sie meines Wissens nach nicht).

    Meine eigentliche Frage: Welche Motive bewegen Sie, obwohl Sie inhaltlich sehr weitgehend mit mir übereinstimmen, dann an der letzten Kreuzung die andere Straße zu nehmen? haben Sie damit eigentlich weitgehend beantwortet.

    Ich muss zugeben, dass mich die Auffassung, eine Ontologie danach zu beurteilen zu sollen, ob sie “Frieden und Harmonie” unter den Menschen (die ich mir selbstverständlich auch wünsche) stiften kann, vollkommen ratlos macht. Das erinnert mich an den armen Menschen, der erkannte, dass die Diagonale des Quadrats eine irrationale Zahl darstellt. Man muss unter dieser Prämisse dann wohl ‘die Wahrheit’ dem Nutzen opfern.

    Letztlich würde das bedeuten, dass man sich die Welt so bastelt, wie sie einem gefällt. Oder zumindest, dass man nichts so vertritt, dass es andere Menschen stören könnte.

    @Feodor hat dazu ein paar Fragen gestellt, die durchaus als ‘consciousness raiser’ dienen könnten.

  577. @Martin Mahner / 03.04.2021, 15:38 Uhr / cc @Thomas Waschke

    Ach, diese Statemants zur Metaphysik sind doch nicht obsolet. Aber wenn es Sie stört, William James hatte ich ja auch schon zur Metaphysik heranzitiert [30.03.2021, 14:45 Uhr].

    Zeilingers “Gott” ist garantiert auch überflüssig für Tenzin Gyatso, den 14. Dalai Lama. Dessen ungeachtet verstehen sich die beiden ganz ausgezeichnet und kriegen sich nicht in die Haare über ihre Metaphysiken.

    P.S. Zum Materialismus. Der entstammt eigentlich einer Epoche, in der man noch meinte, die elementaren `Building Blocks of Matter’ müssten halt sehr einfache Objekte sein. Die moderne Quantenphysik vermittelt uns inzwischen jedoch ein ganz anders Bild. Je genauer wir da hinschauen, desto so weniger begreiflich erscheinen uns die elementaren Bausteinchen. Ist gerade Titelthema im aktuellen SdW 4/2021, aber ich habe jetzt auch noch einen Link gefunden zu Meinard Kuhlmanns lesenswertem Artikel What is real?, Scientific American, 8/2013 [PDF, Text only].

    P.P.S. Wer die deutsche Übersetzung “Was ist real?” sucht, google könnte helfen…

  578. @Thomas Waschke 04.04.2021, 00:08 Uhr

    Ihrer Einschätzung

    Feodor hat dazu ein paar Fragen gestellt, die durchaus als ‘consciousness raiser’ dienen könnten.

    widerspreche ich. Die Unangemessenheit solcher Suggestivfragen habe ich im Kommentar (grammatikalisch nicht durchweg korrekt) aufgespielt. Mit entgegengesetztem Vorzeichen sind mir derartige Suggestivfragen in pietistischen Kreisen begegnet. Es ist eine von Missionaren gern genommene Manipulationstechnik.

  579. Eine unschuldige Frage in die Runde: Wie wird man Autokorrekturprogramme los, die beispielsweise aus “aufgespießt” “aufgespielt” machen?

  580. Wer wissen will, wie Esoterik, Astrologie, Spiritualismus, Supranaturalismus, Religion und andere Mythen funktionieren, muss nur in die USA schauen wie Trump und QAnon funktionieren. Der Mensch glaubt, was er glauben will. Wenn es mit der Realität nicht konform ist, dann wird die Realität umgedeutet, kein Problem, alles nur Information. Wahrheit ist eine Illusion; Imagination oder Einbildung wird Realität.

    Aus einem aktuellen Artikel der New York Times zur Realität von Republikanern:

    One Republican’s Lonely Fight Against a Flood of Disinformation.
    Mr. Riggleman quotes one true believer explaining why he is absolutely convinced Bigfoot is real, even though he has never seen it. In an answer that could have come straight from the lips of someone defending the myth that Mr. Trump actually won the 2020 election, the man says matter-of-factly: “Evidence is overwhelming. Check out the internet. All kinds of sightings and facts.”

    Dieselbe Antwort könnte von Virusleugnern oder Impfgegnern kommen. Ist Agnostizismus eine vernünftige und verantwortliche Einstellung dazu? Rationale Wissenschaft allein kann weder die Welt retten noch die Menschen befriedigen, aber Irrationalität macht die Welt, die Gesellschaften und die Menschen kaputt.

  581. @Thomas Waschke / Ontologisches

    Sie hatten hier wiederholt Formulierungen verwendet wie beispielsweise

    »Es geht … um ‘the world’s furniture’, also mit welchen Entitäten man seine Ontologie ausstattet.«

    »So gelangt man dann zu der eigentlichen Ontologie, also den Entitäten, mit denen man sein Weltbild einrichtet.«

    Damit bin ich nicht so ganz einverstanden. Die “eigentliche” (metaphysische) Ontologie fragt gerade nicht danach, wie man sein Weltbild a posteriori einrichtet resp. in Abhängigkeit von der bei Physikern und Physik-Philosophen gerade angesagten und volatilen Mode zur Interpretation von “uneigentlichen” Teilchen- oder Feld-Ontolgien einrichten sollte.

    Sondern sie fragt danach, wie die Welt a priori eingerichtet ist. Oder plakativ metaphorisch gesprochen: Sie fragt danach, wie Gott sein Weltbild eingerichtet hat.

    Wie es bei Ihnen nach meinem Eindruck herauskommt, verteten Sie eigentlich eine Position, die man “ontologischen Relativismus” oder “modische Ontologie” nennen könnte — Hauptsache ist, das Wort “Gott” kommt darin nicht vor.

  582. Das ist es, was mich an den missionierenden Naturalisten hauptsächlich stört: Sie vermischen Wissens- mit Glaubensfragen.

    Dieselbe Antwort könnte von Virusleugnern oder Impfgegnern kommen. Ist Agnostizismus eine vernünftige und verantwortliche Einstellung dazu?

    Ich bestehe darauf: Agnostizismus betrifft die Metaphysik und nicht die Epistemologie.

  583. @Chrys: In der Philosophie sind Begriffe nahezu beliebig verwendbar. Naturalismus kann mit Emergentismus einhergehen, Ontologie wird als Synonym für Metaphysik verwendet, Metaphysik gilt für die gesamte Welt statt nur für die jenseits der Physik usw. usf. Daher ist es wichtig, inhaltlich zu diskutieren und keine Begriffsdiskussionen zu führen, denn droht die o.g. babylonische Begriffsverwirrung und man kommt keinen Schritt weiter.

    @Grams: Ich bestehe darauf: Agnostizismus betrifft die Metaphysik und nicht die Epistemologie.
    Auch das kann man sehen wie man will.

  584. @Waschke 04.04. 00:08

    „Ich muss zugeben, dass mich die Auffassung, eine Ontologie danach zu beurteilen zu sollen, ob sie “Frieden und Harmonie” unter den Menschen (die ich mir selbstverständlich auch wünsche) stiften kann, vollkommen ratlos macht. Das erinnert mich an den armen Menschen, der erkannte, dass die Diagonale des Quadrats eine irrationale Zahl darstellt. Man muss unter dieser Prämisse dann wohl ‘die Wahrheit’ dem Nutzen opfern.“

    Wenn ich meine, dass man sagen kann: „Das meiste geht mit rechten Dingen zu“, dann schließe ich hiermit doch schon die meisten religiösen Fundamentalisten aus. Den weltoffen Religiösen kommt das womöglich noch entgegen, auch die gehen nicht davon aus, dass alles im Leben ein Wunder sein kann. Und wenn einer glaubt „Alles geht mit rechten Dingen zu“, dann ist dies auch mit der Religionsfreiheit abgedeckt.

    Wenn Sie meinen, dass Sie das wirklich wissen können, dann wird das viele weltoffen Gläubige noch nicht mal stören. Solange der ontologische Naturalismus nicht zur Vorschrift gemacht wird zumindest. Aber das hat ja noch keiner vor. Dass der Staat Religionsunterricht finanziert, kann ich aber auch nicht nachvollziehen, das sollen die Kirchen mal schön selber organisieren. Dafür wäre ein Fach Religionswissenschaft eventuell aber nicht verkehrt, auch vorbeugend gegen Verschwörungsmythen aller Art.

    Mir persönlich ist es hierbei wichtig, dass wir etwa das Klimaproblem nicht durch beten lösen können. Quantenzufälle mögen das Bewusstsein unterstützen, aber den Klimawandel aufhalten, dass können sie wohl kaum. Hierfür brauchen wir engagierte Menschen, die bereit sind, in entsprechende Technik zu investieren.

    Die konkrete Weltoffenheit ist schon sehr wichtig. Wenn religiöse Fundamentalisten Mehrheiten bekommen, ist das oft auch ein Ende der Religionsfreiheit, und damit ist dann auch Frieden und Harmonie dahin. Wer an die Junge Erde glaubt, der glaubt folgerichtig auch an die Apokalypse und an das absolute Primat des Seelenheils. Die gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse schließen derartigen Unsinn aber tatsächlich im wesentlichen aus.

    Hierfür müssen wir nicht jegliche Übernatur ausschließen. Es genügt auf die Jahrmilliarden zu verweisen, in der die Evolution schon zugange ist, auf die Perspektive zu schauen, dass wir als Menschen noch Jahrmillionen auf diesem wunderbaren Planeten vor uns haben, und darauf, dass vieles dafür spricht, das uns kein Leben nach dem Tod erwartet, sondern das wir hier auf Erden schon glücklich werden müssen.

    Dieses irdische Leben darf dann aber gerne vielfältig geistig unterstützt sein, und unser Bewusstsein, bzw. unsere Seele darf dabei auch gerne zur Hälfte eine geistiges Ding sein. Nur ohne Gehirn geht es wohl nicht. Wenn wir für unser Seelenleben kein Gehirn bräuchten, dann wäre es unsinnig, dass wir überhaupt ein Gehirn haben. Das sind für mich Argumente.

    Ein Naturalismus, der den Fokus auf die real erfahrbare Mannigfaltigkeit der Natur setzt, den finde ich sogar ausgesprochen sympathisch. Wenn er denn noch Platz für ein Seelenleben lässt. Wir können ohne Religionsfreiheit nicht, politisch-pragmatisch gesehen schon mal sowieso nicht, aber auch philosophisch nicht. Meine ich zumindest.

  585. @Wolfgang Stegemann 04.04.2021, 12:35 Uhr

    Selbst wenn man den Agnostizismus weiter fasst als ich es tue, gibt es keinen Anlass, dem Agnostiker grundsätzliche Entscheidungsenthaltung in Fragen von Corona, Impfung und Verschwörungstheorien zu unterstellen. Dafür liegen zu viele bewertbare Indizien oder gar Fakten auf dem Tisch.

  586. @Waschke, @Feodor: Gewaltpotenzial

    Erst einmal danke für Ihr Schlussstatement, @Waschke. Die nächsten Teile der Serie auf TP werden mehr oder weniger eins-zu-eins den Texten hier auf den SciLogs entsprechen, allein schon aus Zeitgründen. Ich könnte mir aber vorstellen, danach noch einmal einen Epilog o.ä. zu schreiben, der dann wohl hier wie dort erscheinen würde.

    Zum “Consciousness Raising”: Nennen Sie mir eine Schule, ein verbreitetes System in der Geschichte der Menschheit, in dem es nicht zu Machtsmissbrauch kam. (Schon die erste Generation der Schüler des jüdischen Psychoanalytikers Freud hat mit den Nazis gegen Juden u.a. Randgruppen paktiert; also jetzt nicht alle Schüler, doch einige.) Schauen Sie sich mal den demokratischen Rechtsstaat an, dessen Repräsentanten sich vor allem erst einmal in die eigene Tasche wirtschaften (wieder nicht alle, doch einige). Ob wir damit weiter sind als die Attische Demokratie – oder wir eher in einer Zeit des gesellschaftlichen Zerfalls leben, ist wohl schwer eindeutig zu beantworten.

    Für mich ist es aber zu billig, sich vom Christentum (oder anderen Religionen) nur den Missbrauch und die Gewaltexzesse herauszusuchen – und die Liebe und Friedensbewegung beispielsweise völlig auszuklammern. Wäre eine Welt ohne Religionen unterm Strich eine bessere? Ich weiß es nicht.

    Umgekehrt lassen sich mit Materialismus oder Sozialdarwinismus auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit rechtfertigen; und das nicht nur theoretisch, sondern das hat es durchaus gegeben – und zwar nicht nur im Nazi-Regime: Biologisch “minderwertige” Menschen mussten etwa zwangskastriert, wenn nicht gleich ganz vernichtet werden, weil sie Ressourcen verschwendeten und die Evolution der Anderen behinderten. (Warten wir mal ab, wie die westlichen Gesellschaften am Ende das Problem der Überalterung lösen. Schon heute wäre es ohne Massen illegaler Pflegekräfte aus Ost-Europa nicht mehr zu bezahlen. Dabei stehen wir erst am Anfang des demokratischen Wandels.)

    Ich wähle in einer unentscheidbaren Situation die Philosophie, mit der es sich besser leben lässt. Sie haben ausgeführt, dass die Situation für Sie nicht unentscheidbar ist. Damit gelten für uns andere Voraussetzungen. Das muss man auch mal so stehen lassen können.

    In jedem Fall aber Danke für den Gedankenaustausch.

    P.S. @Waschke: Nennen Sie mir doch bitte zum Abschluss den einen Aufsatz, von dem Sie denken, dass ich ihn unbedingt lesen müsste.

  587. @Grams
    Ich bestehe darauf: Agnostizismus betrifft die Metaphysik und nicht die Epistemologie.

    Egal worauf Sie den Agnostizismus beziehen, die Frage nach Vernunft und Verantwortung bleibt davon unberührt.

    Die Gläubigen behaupten doch immer, dass ihr Glaube auch erfahrbar sei, also nicht nur rein metaphysisch, sondern auch epistemisch! Metaphysik ohne Episteme wäre völlig sinnlos, reine Phantasie oder Fiktion, wie der Glaube an Bigfoot.

    Es ist charakteristisch für viele metaphysisch Gläubige, dass sie versuchen, ihren Glauben mit einem Zipfelchen Erkenntnis zu rechtfertigen, sei es noch so weit hergeholt oder gegen jedes verfügbare Wissen. Daher kommen doch die geistigen Verrenkungen vieler Kleriker, sich mit Wissenschaft zu versöhnen.

  588. @anton reutlinger 04.04.2021, 14:04 Uhr

    Da geht es dem Naturalisten wie den Gottgläubigen, stellt der Zaungast fest, nämlich,

    dass sie versuchen, ihren Glauben mit einem Zipfelchen Erkenntnis zu rechtfertigen, sei es noch so weit hergeholt oder gegen jedes verfügbare Wissen. 

    Irrtümer vermeiden ist eben lebenslange Aufgabe.

  589. @Grams
    Die Naturalisten bauen auf dem vorhandenen, bewährten Wissen auf, das wissen Sie selber. Das Fundament dieses Wissens, oder die Rückfallebene bei Irrtümern, kann unterschiedlich sein. Die Gläubigen bringen bei Widerspruch oder nachgewiesenem Irrtum oftmals ganz neue Behauptungen bzw. Interpretationen, sie schießen gerne aus der Hüfte, das nennt man ad-hoc-Argumente, um ihren Glauben zu retten.

    Freiheit ist das Recht auf Irrtum.

  590. @Timm Grams
    04.04.2021, 12:21 Uhr

    Ich bestehe darauf: Agnostizismus betrifft die Metaphysik und nicht die Epistemologie.

    Das kann aber nur eine Epistemologie ohne Erkenntnisgegenstand sein, denn Sie müssten dann konsequenterweise bezüglich aller Erkenntnisgegenstände agnostisch sein. Was Sie vertreten, ist also eine Erkenntnistheorie ohne Erkenntnis. Erkenntnis ist immer Erkenntnis von etwas durch jemanden. Wenn Sie dem von gegenüber agnostisch sein wollen, bleibt also nur eine Erkenntnistheorie, die von Einbildung bzw. Illusion nicht zu unterscheiden ist, weil sie sich weigern, etwas über die Natur ihrer Erkenntnisobjekte auszusagen, also darüber, was denn nun auf welche Weise erkannt werden soll und kann. Kurzum: Ihr Agnostizismus ist inkohärent.

    @Thomas Waschke

    Ich würde hier statt IBE lieber IBM sagen: inference to the best metaphysics. Denn wir verlassen ja streng genommen den Bereich wissenschaftlicher Erklärung.

  591. Martin Mahner
    04.04.2021, 18:01 Uhr
    @Timm Grams
    04.04.2021, 12:21 Uhr

    Ich bestehe darauf: Agnostizismus betrifft die Metaphysik und nicht die Epistemologie.

    Wenn ich mich einmischen darf: Agnostizimus bedeutet ‘Nichtwissen’ und ist damit ein erkenntnistheoretischer Begriff. Metaphysik ist der Gegenstand der Erkenntnistätigkeit.
    Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob diese Details wirklich von großer Bedeutung sind.

  592. @Schleim
    Dabei stehen wir erst am Anfang des demokratischen Wandels.

    Ich vermute stark, dass Sie den demographischen Wandel meinen.

    Dass die Erkenntnisse der Wissenschaft missbraucht werden können, ist hinreichend bekannt und zur Genüge praktiziert worden. Man kann es aber nicht der Wissenschaft unmittelbar zum Vorwurf machen. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen Forschung und Entwicklung. Andererseits trägt die Wissenschaft Mitverantwortung dafür, wie wissenschaftliche Erkenntnis öffentlich dargestellt wird.

    Mit den modernen Medien wird es wieder deutlich schwieriger, Missverständnisse in der Öffentlichkeit zu vermeiden, seien sie unabsichtlich oder absichtlich. Letztlich tragen aber diejenigen Menschen die Verantwortung, die wissenschaftliche Erkenntnisse für eigene Zwecke oder zum Schaden von Mitmenschen missbrauchen. Und auch diejenigen Menschen, die nicht intervenieren, sofern sie es könnten, tragen Verantwortung.

    Denken wir auch an die Hassbotschaften und Gewaltaufrufe in den “sozialen Medien”. Diese Medien und viele andere Dinge sind selber Produkte der Wissenschaft, die alltäglich missbraucht werden. Pauschalkritik an der Wissenschaft in dieser Hinsicht ist vielfach nur Heuchelei oder Selbstgerechtigkeit.

  593. @Reutlinger: Stimmt, danke… aber beides stimmt inhaltlich: demokratischer Wandel durch demografischen Wandel.

    P.S. Und ich fand Ihre letzten Kommentare zum Teil inhaltlich gut. Nach der vorherigen Eskalation ist mir aber nicht mehr so nach einem Austausch. Vielleicht ein anderes Mal wieder.

  594. @all: Agnostizismus & Metaphysik

    Das ist wieder so ein Beispiel für eine Scheindiskussion:

    Bei der Entscheidung zwischen Gott (Theismus) und kein Gott (Atheismus) geht es natürlich ums Sein und damit die Metaphysik… Wenn überhaupt, dann können wir aber wohl nur übers Erkennen zum Sein gelangen, insofern setzt Metaphysik Epistemologie voraus.

    Da ich hier einen eher phänomenologischen Standpunkt vertrete, ist Metaphysik für mich im Prinzip reine Spekulation. (Und doch gehe ich im Alltag von einem optimistischen Realismus aus, ja.)

  595. @Martin Mahner 04.04.2021, 18:01 Uhr

    Meine Metaphysik ist bescheiden, sozusagen nicht der Rede wert. Im Grunde beginne ich als naiver Realist, wie wir alle. “Solange nichts schiefgeht, ist der naive Realismus eine sehr entspannte Weise, sein Leben zu leben”, meint Thomas Metzingen (2009/2017, S. 77). In dieses Idyll brechen unangenehme Probleme herein: Qualia, optische Täuschungen, Denkfallen.

    Wir können jetzt einen Reparaturbetrieb aufmachen à la “Klüger irren” oder uns den Kopf über das Wesen des Bewusstsein zerbrechen, wie wir das hier im Blog tun. Wie wir feststellen müssen, ist dem kein durchschlagender Erfolg beschieden.

    Sehen wir nur die Irrungen und Wirrungen des Hilary Putnam: Er suchte zunächst das Heil im metaphysischen Realismus, wechselte, nachdem ihm dieser als unhaltbar erschien, zum inneren Realismus; schließlich landete er wieder beim naiven Realismus, den er schließlich sicherlich besser durchschaut als ich.

    Die Lösung scheint immer zu sein, die Subjekt-Objekt-Trennung aufzugeben (Wie real ist unendlich?).

    Sie sehen: Mein Umgang mit den Metaphysiken ist ein spielerischer, ein skeptischer. Ich käme nie auf die Idee, für eine davon zu missionieren. Das unterscheidet uns.

  596. Das höre ich immer wieder:

    Erkenntnis ist immer Erkenntnis von etwas durch jemanden.

    Wenn dieses “etwas” etwas Denkunabhängiges sein soll, dann ist der Satz schlicht falsch. Der Mathematiker gewinnt Erkenntnis von “Gegenständen” und Strukturen, die es in diesem Sinne eben nicht gibt.

  597. @Schleim: “Da ich hier einen eher phänomenologischen Standpunkt vertrete…”

    Das Stichwort Phänomenologie verleitet mich dazu, zum Abschluss nochmals die Methode bei der Entwicklung meines systemtheoretischen Modells des Menschen am Beispiel ‘Bewusstsein’ darzustellen, die man in Anlehnung an Husserl als phänomenologische Reduktion bezeichnen könnte:
    Schritt 1: Was ist Bewusstsein: Antwort: Eine Eigenschaft des Gehirns als Emergenz.
    Schritt 2: Was ist das Wesen/Prinzip dieser Emergenz, was ist also allen (vorangegangenen) Formen gleich (nicht in naturalistischem Sinn, sondern im phänomenologischen). Antwort: es handelt sich um Regulationssysteme, mit denen der Außen- sowie der Innenbezug geregelt wird.
    Schritt 3: was ist das Spezifische des Gehirns. Antwort. Es arbeitet bioelektrisch, verarbeitet und generiert Bedeutungen.
    Schritt 4: Wie lässt sich diese Arbeitsweise im Einzelnen beschreiben. Antwort (Beispiele): Physiologisch durch die Tätigkeit von Neuronen. psychologisch als Herstellung von Identität, Neuropsychologisch als Konstruktion von Bildern etc. pp.
    Will man das Gehirn als das verstehen, was es ist (also nicht nur Biomasse), dann muss man es als Phänomen betrachten und kann es dann aus allen möglichen Perspektiven beschreiben, ohne einem Dualismus, Naturalismus oder Reduktionismus verfallen zu müssen. Die harte Frage der Neurowissenschaft, wie aus Physik Gedanken entstehen, kann nur auf eine solche ganzheitlich Weise beantwortet werden. Dafür reicht hier der Platz nicht.

  598. Manche Leute glauben offenbar, mit “Philosophie für Dummies” Welträtsel lösen zu können. Es ist dilettantische Illusion, dem Bewusstsein ohne reduktionistische, neurobiologische Fachkenntnis näherkommen zu können, egal wieviel Platz man dafür zur Verfügung hätte. Wieviele Bücher über Bewusstsein gibt es schon, auch von Personen, die lebenslang darüber geforscht haben?

    Alles in der Welt ist Phänomen oder Emergenz. Es gibt keine Schleichwege daran vorbei.

  599. @Timm Grams
    05.04.2021, 10:33 Uhr

    Erkenntnis ist immer Erkenntnis von etwas durch jemanden.
    Wenn dieses “etwas” etwas Denkunabhängiges sein soll, dann ist der Satz schlicht falsch. Der Mathematiker gewinnt Erkenntnis von “Gegenständen” und Strukturen, die es in diesem Sinne eben nicht gibt.

    Damit weisen Sie aber mathematischen Objekten einen bestimmten ontologischen Status zu, nämlich als Konstrukt. Der mathematische Platonismus würde das anders sehen, ebenso der neuere Strukturalismus. Der Satz ist nur falsch aus Sicht einer bestimmten Metaphysik!

    Sie gehen ständig von bestimmten metaphysischen Voraussetzungen aus, leugnen dann aber, dass sie es tun. Das war aber schon immer das Elend von Antimetaphysikern: das Übersehen oder Nichtwahrhabenwollen der eigenen metaphysischen Annahmen.

  600. @Reutlinger: Folgendes sollten selbst Sie verstehen können: ‘Gedanken’ ist ein gesellschaftlicher Begriff. Wie sollte man ihn physikalisch erklären können. Man muss es ganzheitlich tun. Bei einem Computer bezieht man die Umwelt ein, indem er mit externen Daten gefüttert wird. Beim Menschen ist es ähnlich. Äußere Reize sind nie nur physikalisch. Sobald sie von unserem zentralen Nervensystem verarbeitet werden, beinhalten sie Aspekte unserer Umwelt, also ‘Bedeutungen’. Vielleicht ist man irgendwann einmal in der Lage, den Bedeutungsaspekt eines Reizes messen zu können, etwa in Form einer spezifischen Modulation der Bioelektrik oder der Biochemie des Hirns oder vielleicht auch der Topologie. Ich weiß, Reutlinger, für Sie sind solche weitergehenden Überlegungen zu komplex.

  601. @reutlinger 05.04. 12:57

    „Alles in der Welt ist Phänomen oder Emergenz. Es gibt keine Schleichwege daran vorbei.“

    Was ist etwa mit der Thermodynamik? Die entsprechende Gesetze, die z.B. für den Bau von Dampfmaschinen wichtig sind, die sind älter als die Quantenphysik, mit der man ein Gas beschreiben müsste, wenn man es auf Molekülebene beschreiben wollte.

    In diesem Sinne ist die Thermodynamik ein Schleichweg, an dem man auch heute nicht vorbei kommt, wenn man etwa Gasturbinen konstruieren will.

    Eben in ähnlichem Sinne ist wohl die Emergenz des Bewusstseins zu verstehen, die @Stegemann sucht. Selbst wenn wir ein komplettes Konnektom hätten, und den Computer um es zu simulieren, bräuchten wir noch die Kenntnis von einer Menge solcher Emergenzen, um auch zu verstehen, was sich da im Computer am simulieren ist.

    Das ist ein Zusammenhang, den man auch mit einer Geistesbeteiligung nicht mal los wird. Selbst wenn beim Bewusstsein noch funktional eine Geistesbeteiligung vorliegt, müsste man immer noch diese Emergenzen verstehen, wenn man wirklich wissen will, was da im Einzelnen vor sich geht. Nur von der Nervenzellen an von unten nach oben untersuchen genügt nicht, man muss auch die Funktionsprinzipien auf der obersten Funktionsebene untersuchen.

    Erst wenn ich die Funktionsprinzipien verstanden habe, kann ich diese Prinzipien auch umformulieren und auf Computertechnik mit künstlichem Bewusstsein anwenden. Wenn man denn sowas bauen möchte, zumindest.

  602. @Stegemann
    Sie werfen leichtfertig und planlos mit Begriffen um sich. Äußere Reize sind immer nur physikalisch oder chemisch. Das Gehirn funktioniert jedoch nicht nur mit Aktionspotentialen als Reaktionen auf Reize. Bedeutungen von Reizen ergeben sich allein aus der Erinnerung an gleichartige Reize und ihrem Zusammenspiel aus ähnlichen Erlebnissen. Im nächsten Satz reduzieren Sie Bedeutungen von Reizen wieder auf physikalische oder chemische Signale, an denen irgendwie irgendetwas sogar messbar sein soll. Offenbar wissen Sie nicht, dass alle Nervensignale, unabhängig von den Sinnesnerven als Quellen, gleichartig sind! Ihre Überlegungen sind unterkomplex und chaotisch.

    Ich habe schon dutzendmal geschrieben, dass Informationen wie Gedanken in mehrere strukturelle Ebenen zergliedert werden können: Semiotik, Syntaktik, Semantik, Pragmatik. Am Anfang steht das semiotische Zeichen, das syntaktisch zu Wörtern und Sätzen zusammengesetz werden kann, nach den Regeln einer Grammatik. Die objektive Bedeutung von Zeichen, Wörtern und Sätzen ergibt sich aus Konventionen und der historischen Entwicklung einer Sprachgemeinschaft. Der praktische Sinn von Informationen und Gedanken ist die subjektive Bedeutung als Produkt der Gesamtheit von Lebenserfahrung und Lebensumständen sowie der konkreten Lebenssituation.

    Signale entsprechen semiotischen Zeichen, die alleinstehend oder als Signalfolge eine Bedeutung haben können. Der Empfänger muss die Bedeutung schon kennen bzw. verstehen, denn das Signal an sich hat keine Bedeutung. Das Bewusstsein ist ein Produkt der Evolution (Phylogenese) wie auch der ontogenetischen (und ratiogenetischen) Entwicklung, es kommt nicht fertig zur Welt und es ist nicht unveränderlich. Wie man weiß, kann es sich sogar rückwärts entwickeln (Demenz, Alzheimer).

  603. Ich habe den Eindruck, dass die Diskussion hier zu einem gewissen Höhe- und Endpunkt gekommen ist und sich allmählich in die Einzelteile auflöst. Ich weiß nicht, ob man es mir glaubt, aber, wäre es hier eine geschlossene Gesellschaft, wäre ich durchaus stolz auf die scheinbare Rolle eines “Alibiproleten” in diesem gelehrten Kreis, aber ich denke, dass gerade meine Sicht von außen mich zu meiner Kritik führt, dass mich die meisten Diskussionskreise hier an das platonische Höhlenbeispiel erinnern: Es wird mit viel Engagement und Einsatz über die “wahre Natur der Schatten“ diskutiert, ob sie ontologisch oder epistemisch „sind“.
    Mir fehlt auch der Drang zu missionieren, ich stelle meine Gedanken vor und wer mag, kann darüber selber nachdenken und seine Schlüsse ziehen.
    Eine ungenaue Bezeichnung/Beschreibung verhindert Erkenntnisse oder produziert sogar falsche. Materie kann sowohl als Welle wie auch als Teilchen aufgefasst werden, je nachdem, wie man misst. Die Beschreibung in der Form „die Wellenfunktion bricht durch die Messung zusammen“ ist als Erklärung m.E. ebenso irreführend wie die Aussage, dass ein physikalischer Vorgang dem Gesetz XY gehorche. Ebenso gibt es aus meiner Sicht einen Unterschied zwischen „Eigenschaft“ und „Funktion“, so ist das Bewusstsein keine Eigenschaft des Gehirns, sondern eine Funktion des Gehirns, die in erster Näherung zu einem erfolgreicheren Überleben verholfen hat. Ebenso muss man zwischen einer Zuschreibung und dem Begriff dafür trennen. Ich kann einem Fahrzeug eine „Geschwindigkeit“ zuschreiben, aber es gibt nicht die „Geschwindigkeit an sich“ ohne das Etwas, dem sie zugeschrieben wird, obwohl der Begriff „Geschwindigkeit“ definiert ist als „Ortsdifferenz pro Zeitdifferenz“. Für mich ist „Wissenschaft“ eine Methode, Erkenntnisse zu gewinnen, „Glaube“ ist eine Einstellung, die Erkenntnisse auf „Gott hat’s gegeben, Gott hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt“ reduziert. Damit ist die Frage, ob es sich bei „Wissenschaft“ und „Glaube“ um Gegenspieler handele, obsolet. Für mich ist „Geist“ und „Glaube“ ein Artefakt aus der Funktion des Gehirns, nicht mal eine „Emergenz“, weil ich argwöhne, dass einer „Emergenz“ unausgesprochen eine gewisse Realität zugemessen wird, die ihr als Artefakt nicht zukommt, selbst wenn die Auswirkungen des Glaubens ( durch die Handlungen der „Gläubigen“ ) in der Vergangenheit schreckliche Realität ( Ketzerverbrennungen ) wurden. Natürlich können wir trefflich streiten ( diskutieren ), ob es Glauben=Gott auch ohne den homo sapiens sapiens mit seinem Gehirn geben könnte, aber ohne homo sapiens sapiens ist das belanglos und mit stellt sich immer die unbeweisbare Frage danach, ob nicht das nicht ein Artefakt der Existenz des Menschen und seines Gehirns ist, da hilft dann nur der Glaube – womit wir uns im Kreis gedreht hätten, aber uns dabei gut unterhalten haben. Ein solches analytisches, zerlegendes Denken ist reichlich mühsam, mir scheint, dass das manchmal durch Zusammenfassen und Kategorien vermengen, als „Philosophie“ getarnt, umgangen wird.
    Aus meiner Sicht ist es auch unbedingt nötig und deshalb mache ich daher einen Unterschied, ob es sich bei Sachverhalten um solche handelt, die nach heutigem Wissen auch ohne die Anwesenheit des homo sapiens sapiens „messbar“ wären und solchen, die Auswirkungen der Anwesenheit des homo sapiens sapiens darstellen, auch diese beiden Sachverhalte sollte man möglichst nicht durcheinander bringen, weil „homo“-Sachverhalte, auch wenn es schwer fällt und evolutions-historisch manchmal unmöglich zu sein scheint, doch prinzipiell durch den homo sapiens sapiens selber änderbar sind, wenn auch manchmal nur in Zeiträumen der Evolution.

  604. @Reutlinger: Sie müssen sich die Frage stellen, was Sie untersuchen möchten. Wenn es das Gehirn ist, müssen Sie sagen, ob Sie es aus physikalischer, chemischer, biologischer, psychologischer, soziologischer o.a. Sicht beschreiben wollen. Wenn Sie es physikalisch beschreiben, können Sie nicht den Schluss auf die gesellschaftliche Ebene ziehen etc.
    Bewusstsein ist keine physikalische Kategorie. Wenn Sie es dahingehend operationalisieren wollen, ok. Aber dann werden Sie Bewusstsein nicht als das beschreiben können, als was es philosophisch, psychologisch oder gesellschaftlich bezeichnet wird. Sie werden dann lediglich auf der Ebene der Bioelektrik oder Biochemie bleiben. Das ist wichtig, selbstverständlich, aber nicht hinreichend. Wenn ich das Bewusstsein untersuchen will, geht es auch um die Frage, wie ich Bedeutungen erlebe. Das Gehirn ist kein physikalischer Projektor, daher wird es niemals möglich sein, z.B. einen Sonnenuntergang, an den ich gerade denke, mittels Technik direkt nach außen auf eine Leinwand zu projizieren. Es sei denn, ich korreliere Physik mit Bedeutungen (was vielleicht eines fernen Tages auf indirektem Weg möglich sein kann). Aber selbst auf physikalischer Ebene hat die Hirnforschung nur geringe Fortschritte gemacht. Es fehlt an innovativen Ideen. Ich denke, man muss das Problem multimodal angehen.

  605. @Martin Mahner 05.04.2021, 13:28 Uhr

    Allein die Tatsache, dass für axiomatisch umschrieben Objekte verschiedene Ontologien auf dem Markt sind, zeigt, dass man sie eigentlich nicht braucht. Mir erschließt sich ferner nicht, was an einem Konstrukt ontologisch sein soll.

    In Ihrem Denksysten der Ontologien scheint “Konstrukt” ein Platzhalter für fehlende ontologische Ansprüche zu sein und hat damit zwangsweise ontologische Bedeutung. Wenn das so ist, widerspreche ich nicht.

  606. @Jeckenburger
    Was ist etwa mit der Thermodynamik?

    Gerade die Thermodynamik beschreibt Phänomene. Ist Wärme nicht eine typische Emergenz? Sie steckt nicht in den Teilchen, denn sie fließt ohne Zutun von “wamen” zu kalten Teilchen! Letztlich beschreibt auch die Quantenmechanik nichts anderes als Phänomene. Kann Statistik etwas anderes beschreiben als Phänomene?

  607. @ anton reutlinger 05.04.2021, 14:24 Uhr

    Zitat: „Äußere Reize sind immer nur physikalisch oder chemisch. Das Gehirn funktioniert jedoch nicht nur mit Aktionspotentialen als Reaktionen auf Reize. Bedeutungen von Reizen ergeben sich allein aus der Erinnerung an gleichartige Reize und ihrem Zusammenspiel aus ähnlichen Erlebnissen.“

    Reize können physikalisch oder chemisch sein. Wirklich von Bedeutung sind aber auch z.B. die Stärke, die Zeitdauer, die Örtlichkeit, die Kombination mit anderen Reizen im Vergleich mit einer übergeordneten Zeitstruktur. (Ich formuliere vorsichtig mit “können“ weil es z.B. bei viralen Prozessen auf die „Kombination der viralen Grundbausteine“ (Information) ankommt, weniger auf den einzelnen z.B. immer gleichen „chemischen Baustein“)

    Letztlich sind es „Reizmuster“ die von der Sensorik, sowohl bei neuronalen Systemen, als auch bei technischen Systemen, hauptsächlich in elektrische Ladungen (möglichst allgemein formuliert) „umgesetzt“ werden.

    In der Technik werden (üblicherweise) die, letztlich elektrischen Signale, in „Daten“ umgewandelt und von entsprechend „vorbereiteten Programmen“ verarbeitet.

    In der Biologie ist die Evolution auf Konzepte der Musterverarbeitung „gestoßen“. In der Sprache der Informatik wären „Muster“ (Objekte) so eine Art von Verbund aus „Daten und Programmen“.

    Dass Reizmuster in die „Erinnerung“ eingebunden werden, Vergleiche aus den Erfahrungen mit früheren „Mustern“ erfolgen, das sehe ich ähnlich wie Sie.

  608. @Stegemann
    Da gebe ich Ihnen recht. Selbstverständlich ist es das Ziel der Hirnforschung, das Bewusstsein als solches zu verstehen, also auf der psychologisch/mentalen Ebene. Das ist aber nicht ohne das Verständnis der biologisch/chemischen Ebene möglich. Man muss wahrscheinlich nicht auf die physikalische oder atomistische Ebene herunter gehen.

    Das Problem ist immer der Übergang von der unteren zur oberen Ebene, umgekehrt ist es eher einfacher. Ich habe gerade von einer Studie gelesen, wonach erhöhter Zuckerkonsum im Kindesalter zu schwächeren Gedächtnisleistungen im Erwachsenenalter führt. Dies lässt sich weiter im Detail auf der zellulären und der biochemischen Ebene untersuchen. Die Hirnforscher müssen also zwischen den Ebenen hin und her wechseln.

    Wie aber milliarden gleichzeitige Nervensignale zu einem Gedanken oder zu einer Vorstellung in Echtzeit führen, das ist die Schwierigkeit. Die Hirnforschung behauptet in keiner Weise, dass man aus der isolierten Beobachtung von Nervensignalen Gedanken oder Gefühle ableiten könnte. Das ist ohnehin nichit möglich, weil die Nervensignale zu weitreichenden zellulären Veränderungen führen können. Es braucht noch eine strukturelle und begriffliche Ebene zwischen der biologischen und der psychologisch/mentalen Ebene.

  609. @Timm Grams / 05.04.2021, 15:07 Uhr

    Der fragliche Satz suggeriert ein schlichtes Szenario, in welchem ein Subjekt einem Objekt gegenübersteht wie ein Ochse einem Scheunentor. Indes, wie Herbert Schnädelbach (Was Philosophem wissen) anmerkt, “wird in der modernen erkenntnistheoretischen Diskussion niemand ernst genommen, der immer noch mit den Modellen ‹Subjekt — Objekt› oder ‹Bewusstsein — Gegenstand› operiert, in der Semantik Bedeutung und Gegenstand miteinander gleichsetzt, in metaphysischen Fragen das Sein für eine Eigenschaft von Gegenständen hält,…” So einfach ist die Sache eben nicht.

    Zum Vergleich, in Eislers Kant-Lexikon finden wir

    Erkenntnis. Erkenntnis ist bestimmte Beziehung von Vorstellungsdaten auf Objekte, Herstellung einheitlicher Zusammenhänge solcher Daten, nicht passive Abspiegelung von fertig gegebenen Realitäten. Die Erkenntnis ist denkende Verarbeitung des Anschauungsmaterials nach apriorischen Prinzipien, Anwendung dieser Prinzipien auf das sinnlich Gegebene, Unterordnung desselben unter die Formen des erkennenden Bewußtseins, Eingliederung des so Geformten in einen einheitlichen, systematischen Zusammenhang.

  610. @reutlinger 05.04. 15:03

    „Kann Statistik etwas anderes beschreiben als Phänomene?“

    Im Falle der Thermodynamik von Gasen kann man das tatsächlich noch auch aus der Quantenphysik heraus modellieren, da braucht man aber einen Supercomputer und muss bei sehr kleinen Volumina bleiben.

    Die Emergenz der thermodynamischen Gesetze lässt sich theoretisch auf die Moleküle reduzieren, klar. Aber in der Praxis ist der Schleichweg über Temperatur und Druck als statistische Zustandsvariablen eben unendlich einfacher zu handhaben, und führt zuweilen zu hinreichenden Lösungen. Erst wenn hier chemische Reaktionen oder Turbulenzen dazu kommen, wird es wieder komplizierter, und die nur statistischen Konstrukte werden ungenau. Das merkt man etwa in der Klimaforschung, wenn man die Wolkenbildung simulieren will.

    Es geht doch gerade um solche Vereinfachungen, wenn man mal ein Bewusstsein modellieren will. Generell verschärfter ist das rechnerische Mengenproblem bei biologischen Systemen aller Art. Die sind alle in der Evolution über Jahrmillionen herangewachsen, und bilden oft letztlich ein Gewirr von Unkraut, das aber wunderbar funktioniert. Wenn wir Glück haben, können wir Teile der Funktionalität nachvollziehen, wenn hier die Natur auf nachvollziehbare Lösungen gekommen ist, etwa die Funktionalität unseres Blutkreislaufs.

    Aber der Nachvollzug biologischer Systeme bleibt meistens schwierig, und die Rückreduzierbarkeit der biologischen Vorgänge von unten nach oben ist eben generell unpraktikabel, und kann einen Nachvollzug von Funktionalität nicht ersetzen.

    Genau deswegen gibt es auch die Psychologie, weil eben von unten nach oben von der Nervenzellenebene aus recht wenig herzuleiten ist. Wir brauchen die Prinzipien, die unser Bewusstsein benutzt, so wie wir in der Thermodynamik die statistischen Gasgesetze brauchen, um handhabbare Berechnungen zu machen. Was darüber hinausgeht, bleibt dann eben vorerst unberechenbar und entzieht sich einer einfachen Beschreibung.

    Hier bleibt dann jeder Mensch ein konkretes Mysterium, was auch wieder was hat. Im Miteinander ist diese gegenseitige Einschätzung als Mysterium öfter sogar strategisch erfolgreich.

  611. @Timm Grams 05.04.2021, 15:07 Uhr

    So gesehen ist der Satz

    Erkenntnis ist immer Erkenntnis von etwas durch jemanden.

    tatsächlich falsch.

    Stegmüller formulierte: A erkennt B als C.

    Ist das auch falsch?

  612. @Chrys
    05.04.2021, 16:19 Uhr

    Der fragliche Satz suggeriert ein schlichtes Szenario, in welchem ein Subjekt einem Objekt gegenübersteht wie ein Ochse einem Scheunentor. Indes, wie

    Das und was folgt, ist halt typischer Idealisten-Speak. Tatsache bleibt aber, dass Erkennen ein mehrstelliges Prädikat ist: “a erkennt” ist schlichtweg sinnlos. Minimum ist die Zweistelligkeit: “a erkennt b”. Das ist natürlich verkürzt, denn es sieht ja eher so aus: “a erkennt b mit den eingesetzten Mitteln c im Lichte seines Hintergrundwissens d als e”. Oder meinetwegen mit noch mehr Stellen. Man kann b aber nur weglassen, wenn man sich um Sinn nicht mehr schert. Oder wenn es einem egal ist, dass man nichts mehr sagt, was für wissenschaftliche Erkenntnis von Interesse sein könnte.

  613. @Stephan Schleim 04.04.2021, 14:00 Uhr

    Danke für die Info zu Telepolis.

    Auch Ihnen Danke für den Austausch, war ergiebiger als das letzte Mal 🙂

    P.S. @Waschke: Nennen Sie mir doch bitte zum Abschluss den einen Aufsatz, von dem Sie denken, dass ich ihn unbedingt lesen müsste.

    Vielleicht

    Mahner, M. (2011) ‘The Role of Metaphysical Naturalism in Science’ Sci & Educ 21:1437-1459

    DOI 10.1007/s11191-011-9421-9

    Umfassender natürlich in

    Mahner, M. (2018) ‘Naturalismus. Die Metaphysik der Wissenschaft’ Aschaffenburg, Alibri

  614. @Chrys 04.04.2021, 12:01 Uhr

    Sie hatten hier wiederholt Formulierungen verwendet wie beispielsweise

    »Es geht … um ‘the world’s furniture’, also mit welchen Entitäten man seine Ontologie ausstattet.«

    »So gelangt man dann zu der eigentlichen Ontologie, also den Entitäten, mit denen man sein Weltbild einrichtet.«

    Stimmt, und ich sehe, dass Sie durchaus richtig eingeschätzt haben, was ich damit sagen will.

    Damit bin ich nicht so ganz einverstanden. Die “eigentliche” (metaphysische) Ontologie fragt gerade nicht danach, wie man sein Weltbild a posteriori einrichtet resp. in Abhängigkeit von der bei Physikern und Physik-Philosophen gerade angesagten und volatilen Mode zur Interpretation von “uneigentlichen” Teilchen- oder Feld-Ontolgien einrichten sollte.

    Nun sind wir beim ‘wahren Schotten’. Ich habe beschrieben, was ich unter ‘Ontologie’ verstehe. Dass es andere Menschen gibt, die unter ‘Ontologie’ etwas anderes verstehen, ist trivial und es wäre extrem merkwürdig, falls ausgerechnet dieser Begriff klar definiert ist.

    Wenn wir uns auf einen anderen Begriff einigen wollen, kein Problem.

    Sondern sie fragt danach, wie die Welt a priori eingerichtet ist. Oder plakativ metaphorisch gesprochen: Sie fragt danach, wie Gott sein Weltbild eingerichtet hat.

    Ich bezweifle, dass es möglich ist, ein stimmiges Weltbild anders denn a posteriori zu konstruieren. Das sieht man leicht, wenn man sich anschaut, wie sich Philosophen im Lauf der Geschichte über das Sein geäußert haben. Davon hat kaum etwas Bestand, wenn man nicht etwas in die Texte hineinliest, was der Autor gar nicht wissen konnte. Vor allem ist meines Wissens kein Philosoph (vielleicht mit Ausnahme von Kant, der buchstäblich den letzten Schritt bewusst nicht machte, der ihn zu Darwins Erkenntnis geführt hätte) auf die Idee einer Evolution des Lebendigen gekommen, die den aktuellen Erkenntnissen auch nur nahe kommen würde. Ich denke, dass es eine gute Heuristik ist, in diesem Bereich (also eben dem, womit sich eine Ontologie im Sinne der Beschreibung des ‘Seins des Seienden’ befasst, letztlich dem, was die modernen Naturwissenschaften betreiben) klassische Philosophen nur als Ideensteinbrüche für ernsthafte Forschung zu studieren, aber nicht um Ergebnisse zu suchen.

    Den Kraftschluss zwischen Sätzen über Sätze und dem Sein konnte meines Wissens noch niemand zeigen. Letztlich ist die Interpretation der Kalküle relevant, und das geht nur durch Empirie.

    Im Bereich der Geisteswissenschaften mag das anders aussehen, denn hier konstruiert sich der Mensch einen Bereich und kann dann die Axiome und Schlussregeln beliebig wählen.

    Ein gutes Beispiel ist Aristoteles. Was er über Naturwissenschaften geschrieben hat, hat oft bestenfalls Unterhaltungswert. Seine Ethik hingegen kann man heute noch ernst nehmen.

    Wie es bei Ihnen nach meinem Eindruck herauskommt, verteten Sie eigentlich eine Position, die man “ontologischen Relativismus” oder “modische Ontologie” nennen könnte — Hauptsache ist, das Wort “Gott” kommt darin nicht vor.

    Eine Übernatur gehört nicht zu dem, was in in meine Ontologie einbauen möchte. Zumindest so lange nicht, bis jemand entweder zeigt, dass es eine gibt oder wenigstens, welchen heuristischen Sinn diese Entitäten machen würden.

    Genauer, es kommt nichts darin vor, wofür es keine Evidenz gibt. ‘Gott’ ist bestenfalls ein Corollar, wenn man jede Übernatur ablehnt. In etwa so, wie Sommer das in der Diskussion mit Drossel sah, als er begründete, warum er sich Naturalist und nicht Atheist nennt.

    Und, wie gesagt, ich vertrete meine Ontologie als IBM (danke an @Martin Mahner, IBE ist halt geläufiger) unter Fallibilitätsvorbehalt. Ich denke, dass der Supranaturalist begründungspflichtig ist, weil er Entitäten postuliert.

  615. @Axel Krüger: Es wird hier derselbe Fehler gemacht wie immer, wenn es um die harte Frage der Neurowissenschaft geht, wie nämlich Physik zu Gedanken wird. Die Frage ist von vornherein falsch. Erst basteln wir uns einen Begriff, etwa Bewusstsein, und dann glauben wir allen Ernstes, ihn physikalisch erklären zu wollen. Es sind zwei verschiedene Sprachwelten. Bewusstsein, als Eigenschaft des Gehirns, konstituiert sich nicht nur durch physikalische Reize und deren Verarbeitung, sondern es gibt keine Reize ohne Bedeutungen. Jedem Reiz ist eine Bedeutung assoziiert. Erst mittels Bedeutungen konstruieren wir unser Bild von der Welt. Es ist also die Verarbeitung von Bedeutungen, welche Bewusstsein entstehen lässt. Die Bioelektrik ist nur der Trägerprozess. Und der stirbt mit dem Gehirn ebenso wie der an der Verarbeitung beteiligte biochemische Prozess.

  616. @Thomas Waschke / 05.04.2021, 19:41 Uhr

    »Ich habe beschrieben, was ich unter ‘Ontologie’ verstehe.«

    Okay. Dann verstehen Sie jedoch Ontologie offenbar gar nicht im Sinne von Metaphysik, sondern lediglich im Sinne von “a realm of things” im objektsprachlichen Rahmen von Theorien. Mit anderen Worten, sie verstehen Ontologie ganz im Sinne von W.V.O. Quine, wenn er von ontological commitments bei “theories of quarks and the like” spricht.

    Sind Sie sicher, dass Sie nicht zwischendurch unversehes die Seiten gewechselt haben und vom metaphysischen zum epistemischen Naturalismus übergelaufen sind?

    Auf das metaphysische Seinsproblem, das sich manifestiert in der “ontologischen Grundfrage” (Stegmüller), also der Frage danach, welche physischen Gegenstände a priori — unabhängig von den Sinnesphänomenen — vorhanden sind, wird sich mit einem theorieabhängigen Verständnis von Ontologie jedenfalls keine Antwort geben lassen.

    »Ich bezweifle, dass es möglich ist, ein stimmiges Weltbild anders denn a posteriori zu konstruieren.«

    Darf man das dann so auffassen, dass Sie die “ontologische Grundfrage” schlicht für sinnlos halten?

  617. @Waschke:Kraftschluss zwischen Woerter ueber Woerter und das Sein

    Versuchen Sie es mal: Das philosophische Verstaendnis zu Komplementaritaet ist bei Entsprechungen ein gleichzeitiges ‘sowohl als auch’ und ‘entweder oder’ z.B. bei Kooperation vs Konkurrenz (Darwin’ ‘s Dilemma).
    ‘s. Wikipedia zu Komplementaritaet.

    Dann nehmen Sie sich ein Stabmagnet mit Eisenspaenen und schon erkennen Sie das Wechselwirkungsprinzip((Grundkraefte).

    Aus meiner Sich ergibt es eine Deckung. Setzen Sie die jeweiligen Axiome/Gegensaetze/Widersprueche/Entsprechungen/Antonyme ein.

    Haben wir den Baum vor lauter Wald nicht erkannt.

    Aus meine Sicht ist das eine Deckung des gleichen Prinzips. Insofern liegt @Stegemann nicht ganz falsch. …

    Wenn wir Widerspruchsfreiheit als Dogma an nehmen, dann mussen wir uns mit den Widerspruechen befassen.

  618. @Waschke: trick

    Der Trick ist,die Komplementaritaet nicht im Bohr’schen Welle-Teilchen-Dualismus zu sehen, son in der darin folgenden untersten Ebene des Elektromagnetismus.
    Welle-Teil folgt aus den Grundkraeften. Des Prinzips in den Grundkraeften.

  619. Die Frage nach dem Apriori:

    Es gibt verschiedenste Versuche, apriorische Ausagen über die Welt abzuleiten. Ich hatte hier mal darüber gearbeitet und einiges an Literatur gesichtet.

  620. @ Wolfgang Stegemann 06.04.2021, 08:49 Uhr
    @Axel Krüger

    Ich schließe mich der früher in „Wissenschaftlerkreisen zirkulierenden“ Vermutung an, dass Empfindungen/Bewusstsein als „Begleitphänomene chemischer Prozesse“ wenn Elektronen/Löcher unter bestimmten Umständen, sozusagen aus ihren Bahnen „fliegen“, auftreten könnte.

    Unter „Wissenschaftlerkreise“ verstehe ich Chemiker, Physiker, Mediziner…. die ehemals in der Naziforschung gearbeitet haben und sich nach dem Krieg als Lehrer, Professoren …. an mittleren und höheren Schulen verdingt haben.

    Mehrere Mediziner wurden wegen ethischer Grenzverletzungen nach dem Krieg gehenkt. Manche haben ihr Wissen (Laborprotokolle) nach dem Krieg zwecks Versorgung ihrer Angehörigen an neugierige Amifirmen verhökert, andere haben es mit Absicht und aus Prinzip ins Grab mitgenommen….

    Wechselbeziehungen zwischen Information mit Prozessen auf Prozessoren waren für mich alltägliche Arbeit. Ich habe kein Problem Bewusstsein so zu sehen wie die o.a. Wissenschaftler ehemals. Dafür bin ich ausreichend Materialist.

    Es geht im Gehirn um Informationsverarbeitung und um das Auftreten von Empfindungen.
    Rein sachlich, als Auftreten von Empfindungen, die möglichst eindeutig mit bestimmten Prozessen (z.B. w.o. angeführt) korrelieren, das können nur Chemiker/Physiker erklären. Vermutlich gehört es sachlich zur Quantenphysik.

    Aber gewisse Anhaltspunkte brauchen sie schon von Neurologen/Biologen, besonders was die vermutete Örtlichkeit und auch Dynamik dieser Prozesse betrifft. Wenn sensorische Moleküle elektrische Ladungsträger aussenden und wie sie, vermutlich über das neuronale Netz, in typische dynamische Wechselbeziehungen mit bestimmten anderen Molekülen treten.

    Vielleicht reichen die Zapfen im Auge allein um zumindest die Entstehung der Farbempfindungen zu erklären, daraus eine Systematik entwickeln zu können? Womöglich könnten
    Mathematiker die physikalisch – chemische Systematik beschreibbar machen. Ob dabei auch die elektrische Feldkomponente eine Rolle spielt, ist eine andere Frage.

    Halbwegs eindeutige Korrelationen sollten reichen.

    Selbst im WLAN Beispiel vom Link des Herrn Krüger wäre ersichtlich, dass an der Empfangsantenne (Grenzschicht zwischen „Entstehungs- bzw. Auswertebereich) der serielle Datenstrom auftrifft und danach in der Elektronik ausgewertet wird. Dies, und das Faktum dass an der flächigen Netzhaut im Auge relativ viel Information, örtlich genau bestimmt und gleichzeitig auftritt, (wie auch an der Kinoleinwand, oder am Fernsehbildschirm…) ist der Grund warum ich vermute, dass Bewusstsein hauptsächlich an flächigen Strukturen „abgebildet“ wird, es mit einer Art von empfindungsfähigem „Hirnkino“ vergleichbar ist.

    Übrigens, die Antenne die im „Handyfrequenzbereich“ selektiv ist, ist heutzutage meistens „flächig“ und nicht mehr stabförmig.

    Im Zusammenhang mit dem visuellen System kann man gut den sensorischen und den emergierenden Effekt des Bewusstseins erkennen, wenn Bildpunkte zu Bildern emergieren und Signale emittiert werden, die in der Folge zur Musterverarbeitung dienen.

    Dass das Bewusstsein samt dem „Körper“ stirbt, ist auch mir klar. Allerdings bleibt nach dem Tod eines Menschen viel an Information („abgebildet“) auf Genen, Memen …. „übrig“ die sozusagen in den Nachkommen weiter existieren, sie steuern.

    Übrigens nicht nur „nachher“, viel an Information war auch schon vor der Geburt eines Menschen „in der Welt“, es ist wie in einer langen Kette, irgendwie vergleichbar mit der Seelenwanderung. Information ist dauerhaft und steuert immer wieder die zeitlich begrenzte Existenz etwas variierender Lebewesen….

  621. @Elektoniker: Ich hatte schon erwähnt, dass man wissen muss, über was man redet. Das Thema dieses Blogs ist Bewusstsein, nicht Neurophysiologie. Ich versuchs mal am Beispiel (ich weiß, es hinkt immer):
    Wenn Sie einem Alien das Fernsehen erklären wollten, dann würden Sie ihm die technischen Funktionn des Fernsehapparates erklären. Aber reicht das aus? Sie müssten ihm auch von der Sendeanstalt erzählen, denn ohne die würde man auf dem Fernsehgerät nur Rauschen sehen.
    Ohne Bedeutungen können Sie keine Bilder im Gehirn konstruieren, es wäre bloßes Rauschen. Und das Gehirn hätte sich auch nicht so entwickelt. Wir wissen ja, dass ständiges Hantieren mit Bedeutungen zum Wachstum von Neuronen führt. Ich hatte weiter oben erläutert, dass Bewusstsein nicht nur physikalisch erklärt werden muss, sondern ebenso von den anderen Humanwissenschaften. Das heißt doch nicht, dass man die Physik ausblenden will (komisch, dass das immer gleich vermutet wird). Deshalb finde ich übrigens den informationstheoretischen Ansatz von Tonnoni lohnenswert. Er ist zwar quantitativ, das soll er auch, denn er erklärt, wie es zu Kausalitäten in der Informations- (oder Bedeutungs-) Verarbeitung im Gehirn kommt.

  622. @ Wolfgang Stegemann 06.04.2021, 13:50 Uhr

    Dass „Bedeutungen“ wie Sie es formulieren existieren, das ist auch meine Sicht. Allerdings würde ich es etwas allgemeiner „Muster“ nennen.

    Alles was sich praktisch in unserer Umgebung so „abspielt“ kann als „Muster“ gesehen werden.

    Z.B. auf vielfältige Art reale Prozesse steuernde Muster, Planungsmuster, Konstruktionsmuster, Kausalmuster, Zufallsmuster (und alles dazwischen), konvergierende oder divergierende Muster, Funktionsmuster, Fehlermuster, Fehlersuchmuster, mimische und handelnde Muster, abstrakte Abbildung-, Modifikation-, Übertragung von Mustern, Muster in Algorithmen und algorithmisch abgebildete Muster (für die KI), Muster in biologischen besonders auch evolutionär entstandenen Systemen, Kombinationen von Mustern.

    Selbst so etwas wie „Denkmuster“ gibt es. Einerseits die neuronale Abbildung externer Muster und andererseits die besondere Art der Steuerung der im neuronalen System abgebildeten Muster im Gehirn.

    Auch wie diese Muster mit dem neuronalen System wechselwirken, wie sie auf neuronalen Systemen vorhandene Strukturen erweiternd abgebildet, realisiert, und transferiert werden, wie „externe“ Muster auf die Muster molekularer Prozesse Einfluss nehmen, womöglich dabei „Empfindungsmuster“ entstehen, die zu „Bewusstseinsmuster“ emergieren.….

    Allerdings haben manche Menschen Probleme damit, sich vorstellen zu können, dass Empfindungen/Bewusstsein als reale „Begleitphänomene realer chemischer Prozesse“ wenn z.B. Elektronen/Löcher unter bestimmten Umständen, sozusagen aus ihren Bahnen „fliegen“, auftreten könnte. Es könnte sozusagen nicht mit rechten Dingen zugehen…

    Konsolidierungsfunktionen dürfte auch im Gehirn nötig sein, Tonnoni dürfte dies erfolgreich erforscht haben.

  623. @ Wolfgang Stegemann – heute – 08:49 Uhr

    Mit derselbe Fehler meinen Sie einen des Artikelautors (Johnjoe McFadden) … Warum ist (überlegen) wie Physik zu Gedanken wird falsch? Zumindest (doch nicht) in dem Sinne, dass man überlegt was die physikalischen/realen Ursachen für/Zusammenhänge mit Denken sind. Warum sollte man nicht glauben (nicht versuchen) Bewusstsein physikalisch erklären zu können? Das ist doch vernünftig/realistisch (besser als ein esoterischer Ansatz).

    Bewusstsein, als Eigenschaft des Gehirns, konstituiert sich nicht nur durch physikalische Reize und deren Verarbeitung, sondern es gibt keine Reize ohne Bedeutungen.

    Meinen Sie mit *es gibt keine Reize ohne Bedeutung* Reize ohne Ursache? Ich nehme jedoch an Sie meinen eher, dass wir einem (jedem?) Reiz einen Sinn/Zweck beilegen — Zitat: Jedem Reiz ist [wird?] eine Bedeutung assoziiert —. Was nicht falsch sein muss, aber recht natürlich bzw. subjektiv ist – d.h. “sehr“ individuell empfunden/interpretiert (assoziiert) wird.

    Erst mittels Bedeutungen konstruieren wir unser Bild von der Welt. Meint (oder?): Je nach unserem (jeweiligen) persönlichen “Geisteszustand“/-inhalt (Wissen, Verständnis) “sehen“/denken wir die Welt.

    Es ist also die Verarbeitung von Bedeutungen, welche Bewusstsein entstehen lässt. Dazu fällt mir ein buddhistisch geprägter Spruch ein: It is your mind that creates your world. Wobei unser mind natürlich wiederum “nicht unerheblich” von äußeren Einflüssen “kreiert“ (gestaltet/-prägt) wird. Vererbung, Erziehung, Schule (ggfls. Universität), Klima, kulturelles Umfeld etc.

    “Bioelektrik“ kann man auch (mal) dazu (den Einflüssen) rechnen – auch wenn sie nur ein Prägefaktor (Trägerprozess) von mehreren ist. Und der stirbt mit dem Gehirn ebenso wie der an der Verarbeitung beteiligte biochemische Prozess. Ja – ich wage aber trotzdem zu sagen (“hypothesieren“), dass die entsprechende Energie (der Wille zum/das “Haften“ am Leben) über den Tod erhalten bleibt.

  624. @Elektroniker: “Alles was sich praktisch in unserer Umgebung so „abspielt“ kann als „Muster“ gesehen werden.”

    Ja, aber Muster sind keine Bedeutungen. Das Muster eines Sonnenuntergang enthält noch nicht die Bedeutung ‘Sonnenuntergang’, ein Wort, dessen Sinn Sie in Ihrer Ontogenese ‘gelernt’ haben und vielfach bedeutungshaft mit anderen Worten verknüpft haben.

    “…diese Muster mit dem neuronalen System wechselwirken…”

    Muster wechselwirken nicht mit dem neuronalen System, sie entstehen in ihm.

    @Axel Krüger: “Warum ist (überlegen) wie Physik zu Gedanken wird falsch?”

    Habe ich oben beschrieben. Es sind zwei unterschiedliche Begriffswelten, so, als wollten Sie mit Äpfeln das Wachstum von Birnen beschreiben.

  625. @Chrys 06.04.2021, 12:20 Uhr

    »Ich habe beschrieben, was ich unter ‘Ontologie’ verstehe.«

    Okay. Dann verstehen Sie jedoch Ontologie offenbar gar nicht im Sinne von Metaphysik, sondern lediglich im Sinne von “a realm of things” im objektsprachlichen Rahmen von Theorien. Mit anderen Worten, sie verstehen Ontologie ganz im Sinne von W.V.O. Quine, wenn er von ontological commitments bei “theories of quarks and the like” spricht.

    Möglich. Ich halte mich in etwa an die Terminologie, die in

    Mahner, M.; Bunge, M. (2000) ‘Philosophische Grundlagen der Biologie’ Berlin; mult., Springer

    im Kapitel 1 (Ontologie) verwendet wird. Kann sein, dass das nicht das ist, was ‘klassische’ Philosophie unter ‘Metaphysik’ versteht.

    Sind Sie sicher, dass Sie nicht zwischendurch unversehes die Seiten gewechselt haben und vom metaphysischen zum epistemischen Naturalismus übergelaufen sind?

    Auch das sind Begriffe, die man eventuell unterschiedlich definieren kann. Anstelle von ‘metaphysischer Naturalismus’ wird meist synonym auch ontologischer Naturalismus verwendet. Das passt dann 100-prozentig: alles geht mit rechten Dingen zu, in der Ontologie ist keine Übernatur enthalten. Zu epistemisch weiter unten mehr.

    Auf das metaphysische Seinsproblem, das sich manifestiert in der “ontologischen Grundfrage” (Stegmüller), also der Frage danach, welche physischen Gegenstände a priori — unabhängig von den Sinnesphänomenen — vorhanden sind, wird sich mit einem theorieabhängigen Verständnis von Ontologie jedenfalls keine Antwort geben lassen.

    Selbstverständlich nicht. Es geht sogar noch weiter: Schon diese Frage scheint mir sinnlos zu sein.

    »Ich bezweifle, dass es möglich ist, ein stimmiges Weltbild anders denn a posteriori zu konstruieren.«

    Darf man das dann so auffassen, dass Sie die “ontologische Grundfrage” schlicht für sinnlos halten?

    Exakt. Ich gehe da mit Vollmer einig, der den hypothetischen Realismus als die Grundlage der modernen Naturwissenschaften sieht. Mahner und Bunge sehen das ähnlich, in dem genannten Buch schreiben sie auf Seite 5

    Postulat 1.1. Die Welt (das Universum) existiert – mit all ihren primären Eigenschaften – aus sich sich selbst heraus, d.h. unabhängig von denkenden und sie erforschenden Subjekten.

    Das ist als Postulat formuliert (“Dieses Axiom ist nicht beweisbar …”, unmittelbar darunter), eben weil noch niemand zeigen konnte, dass der Solipsismus widerlegt ist. Daher ist schon die Existenz einer an sich seienden Welt nicht beweisbar und daher scheint mir die Frage, wie man Eigenschaften dieser Welt sicher erkennen kann, als ‘geht nicht’ beantwortet zu sein.

    Es ist sicher möglich, wahre Sätze zu formulieren, es ist aber nicht möglich, zu zeigen, dass sie das sind. Wie gesagt, alles unter Fallibilitätsvorbehalt, es könnte sein, dass es einem Philosophen doch noch gelingt, das zu schaffen, was bisher keiner geschafft hat.

    Kant jedenfalls ist das nicht gelungen, eine gute Zusammenfassung der Ursachen dafür scheint mir in

    https://www.feodor.de/node/20.html

    zu finden zu sein.

    Wir haben nur die Empirie, die uns zumindest Handlungswissen ermöglicht und darüber hinaus noch die Konstruktion eines in sich schlüssigen zeitkernig gültigen Weltbildes (AKA Ontologie). Das hat noch kein Philosoph durch reines Denken geschafft und ich vermute, das wird auch nicht der Fall sein.

    Wie gesagt, auf den Gedanken einer Evolution ist keiner der Alten gekommen, und selbst nach Darwin haben sehr viele Philosophen gar nicht bemerkt, was das für das Weltbild bedeutet. Liegt wohl daran, dass die meisten Wissenschaftstheoretiker oder -philosophen als theoretische Physiker ausgebildet sind, die von ihrer Denke her Evolution überhaupt nicht verstehen können. In seinem ‘Schwanengesang’ hat Mayr, der ‘Darwin des 20. Jahrhunderts’, noch einmal zusammenfassend darüber geklagt:

    Mayr, E. (2004) ‘The autonomy of biology’ in: Mayr, E. ‘What Makes Biology Unique? Considerations on the autonomy of a scientific discipline’ Cambridge, Cambridge University Press S. 21-38

    Das ist auch der Grund, warum ich die Arbeiten von Mahner und Bunge schätze, eben weil hier ein ausgebildeter theoretischer Physiker mit einem Biologen zusammenarbeitete (Bunge ist jüngst verstorben). Bei Vollmer merkt man ab und an, dass ihm, obwohl er viel über (Evolutions)biologie publiziert hat, doch einige grundlegende Erkenntnisse der Biologie nicht so ganz vertraut sind.

  626. Sollte man nicht Begriffe wie Metaphysik aufgeben. Es mutet manchmal an wie Koketterie, wenn solche Begriffe fast inflationär gebraucht werden. Machen wir uns klar, dass mit dem Urknall Energie explodierte, expandierte und ein Teil davon zu Materie emergierte, in Form von Atomen, Elementen und Planeten, während der nicht emergierte Rest als ‚dunkle‘ Energie das Universum weiterhin auseinandertreibt. Dann können wir sagen, dass die Gleichförmigkeit der Expansion, wie sie sich uns während unserer Lebensphase und der der gesamten Menschheit darstellt, es uns ermöglicht, die Vorgänge im Universum als Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und zu formulieren. Sobald diese Gleichförmigkeit der Expansion nicht mehr gegeben ist, verlieren die Naturgesetzt sowie unsere Mathematik und Logik ihre Gültigkeit. Eine Philosophie, die einen kosmologischen oder auch transzendenten Anspruch erhebt, muss sich vor diesem Hintergrund die Frage gefallen lassen, was der Begriff Metaphysik zum Ausdruck bringen soll. Die naturwissenschaftliche Beschreibung eines solchen Universums, auch wenn es nicht gänzlich beschrieben werden sollte, ist prinzipiell möglich. Nicht, weil es ein prinzipiell geordnetes ist, sondern weil es ‚derzeit‘ geordnet ist. Im Zusammenhang dieses Universums macht der Eingriff eines supernaturalistischen Prinzips keinerlei Sinn, vor allem, wenn man in Rechnung stellen will, dass unser Universum nicht das Einzige sei. Ein Gott wäre von einem solchen Szenario weit entfernt.
    Die an die Emergenzen gekoppelten Grundkräfte, die wir kennen, ob sie vor, während oder nach der Emergetisierung der Materie entstanden sind, wirken als Basis der Selbstorganisation der Materie. Mit Beginn des Lebens wirken diese Kräfte da indirekt, d.h. Selbstorganisation wirkt nicht mehr linear, sondern, wenn man so will, als Selbstorganisation 2.0. Der ‚Naturalismus‘, der die direkte Beziehung der Materie zueinander beschreibt, kann hier nicht mehr unmittelbar angewandt werden. Er wird ‚vermittelt‘ durch die Selbstreproduktion von Reaktionszyklen von Biomolekülen. Also müsste ‚Naturalismus‘ zumindest ebenfalls neu gefasst werden, um die emergenten Phänomene des Lebens adäquat beschreiben zu können. Letztlich wird Leben nur mit einer ‚phänomenologischen Reduktion‘ beschreibbar sein, eine Reduktion auf das Wesentliche, das mehr ist als Physik, aber dennoch keine Metaphysik im Wortsinn.

  627. @Thomas Waschke, Chrys

    Thomas Waschke schreibt:

    Ich bezweifle, dass es möglich ist, ein stimmiges Weltbild anders denn a posteriori zu konstruieren.

    So weit, so gut.

    Damit fällt doch der Anspruch des Naturalismus, eine Voraussetzungsmetaphysik zu sein: “Der metaphysische Naturalismus ist eine notwendige Bedingung der Realwissenschaften. In dieser Hinsicht ist er unverhandelbar.” (Mahner, 2018, S. 185)

  628. @Timm Grams 07.04.2021, 11:11 Uhr

    Thomas Waschke schreibt:

    Ich bezweifle, dass es möglich ist, ein stimmiges Weltbild anders denn a posteriori zu konstruieren.

    So weit, so gut.

    Schön, dass wir uns schon mal einig sind.

    Damit fällt doch der Anspruch des Naturalismus, eine Voraussetzungsmetaphysik zu sein: “Der metaphysische Naturalismus ist eine notwendige Bedingung der Realwissenschaften. In dieser Hinsicht ist er unverhandelbar.” (Mahner, 2018, S. 185)

    Wie gesagt, der methodologische Naturalismus hat sich als einzig sinnvolle Methode der Naturwissenschaften gezeigt. Wenn man nun fragt, warum er funktioniert, ist man beim ontologischen Naturalismus. Unter Fallibilitätsvorbehalt, bis jemand zeigt, dass das nicht stimmt.

    Nur ‘ich brauche so was nicht’ auf der Basis von etwas niedrigen Ansprüchen an ein konsistentes Weltbild scheint mir diesbezüglich kein Argument zu sein. Genauso wenig wie die Klage, dass so eine Voraussetzungsmetaphysik nicht dazu geeignet sei, Frieden und Harmonie unter den Menschen zu schaffen. Das scheint mir eher ein Kategorienfehler zu sein.

  629. @Thomas Waschke 07.04.2021, 12:04 Uhr

    Ich sage doch nicht  ‘ich brauche so was nicht’. Ich verweise auf einen Zirkelschluss, eine Petitio Principii.

  630. @Grams
    Man muss nicht immer wieder die gleiche Platte auflegen – weil man beides haben kann. Der naturwissenschaftliche Naturalismus braucht keine Metaphysik, er speist seine Erkenntnis und seine Weltanschauung aus der Empirie. Anderes ist nur als Fiktion verfügbar. Alle Beobachtungen sprechen für den Naturalismus, trotzdem bleibt er offen für die Fallibilität menschlicher Erkenntnis.

    Der philosophische Naturalismus sinniert über Voraussetzungen, Bedingungen, Begründungen und Grenzen des Naturalismus und der Naturwissenschaft als Metaphysik und als Naturphilosophie bzw. Erkenntnistheorie, wie zum Beispiel Kant mit der reinen Vernunft als transzendentale Erkenntnis. Einen Zirkelschluss sehe ich da nicht. Ein Supranaturalismus wäre keine Alternative, sondern eine Erweiterung des Naturalismus, oder genauer eine Erweiterung der Erkenntnis.

    Ein Teilgebiet des Naturalismus ist die Frage der Realität der Dinge, die ebenfalls naturwissenschaftlich oder philosophisch interpretiert werden kann und daher in die verschiedenen Formen des Realismus, einschließlich Antirealismus, mündet. Die Frage nach der Realität transzendenter Dinge stellt sich nicht – da läge ein Zirkelschluss vor.

  631. @Timm Grams 07.04.2021, 12:25 Uhr

    Ich verweise auf einen Zirkelschluss, eine Petitio Principii.

    wenn schon Latein, warum dann nicht Vollmer: circulus virtuosus?

  632. @Timm Grams 07.04.2021, 15:15 Uhr

    Warnung vor einem Absturz ins Niveaulose:

    ich hoffe, Sie amüsieren Sich über die Zweideutigkeit dieser Aussage genauso gut wie ich.

  633. @Thomas Waschke / 06.04.2021, 23:45 Uhr / cc @Timm Grams

    Wie es für mich aussieht wollen Sie, ausgehend von einer theorie- und mithin auch denkabhängig konstituierten Ontologie (d.h. einem Gegenstandsbereich objekttheoretischer Dingbegriffe), diese Ontologie als denkunabhängig behauptete Voraussetzungsmetaphysik anführen zur Begründung dafür, dass sich mittels dieser Theorie etwas deduktiv-nomologisch hat erklären lassen, sofern sich denn damit etwas hat erklären lassen.

    Aus dem Umstand, dass mittels einer in Betracht stehenden Theorie eine DN-Erklärung für ein Phänomen erhalten wurde, lässt sich aber nur schliessen, dass die Ontologie dieser Theorie hinreichend war für die Erklärung. Es lässt sich jedoch nicht folgern, dass diese Ontologie auch notwendig ist für eine DN-Erklärung des fraglichen Phänomens. Wir kennen immerhin Beispiele für ontologisch verschiedene Theorien, die observationell völlig äquivalent sind, die mithin ontologisch verschiedene Erklärungen eines Phänomens gestatten. Von Denkunabhängigkeit kann da gar keine Rede sein.

  634. @Timm Grams // 04.04.2021, 20:15 Uhr
    und @Stephan Schleim – Stichwort „widerspruchsfrei“

    Ich habe nicht alle Folge-Kommentare aufmerksam gelesen – evtl. hatte es schon jemand anders aufgegriffen.

    Der von @Grams verlinkte Beitrag verweist u.a. darauf, dass die Mathematik nicht immer widerspruchsfrei ist, und benennt „Selbstreferenzen“ als Problem-Bereiter.
    (Grundsätzlich war mir das geläufig, aber man hat ja nicht immer alles parat. Da kam der „Hoppla-Artikel“ von @Grams gerade zur rechten Zeit. 🙂 )

    Das ist Auslöser für meine Fragen: Können Ontologien oder Metaphysik bzw. die diese nutzenden Wissenschaftler bei einer umfassenden Beschreibung der in diesem Blog beschriebenen Themen ohne Selbstreferenzen auskommen? Werden sie es widerspruchsfrei hinbekommen?

    Das wird nicht einfach sein. Selbstreferenz oder Rückkopplung gehören aus meiner Sicht zum alltäglichen Leben dazu. Auch im Zentralnervensystem.

  635. @Andresen
    Gute Frage, oberflächlich leicht zu beantworten. Wenn der Mensch über das Universum spricht, dann ist das bereits Selbstreferenz, denn er ist selber Teil des Universums. Lebewesen wie der Mensch funktionieren nur mit Selbstreferenz, als Selbstwahrnehmung, Selbstverständnis oder Selbstbewusstsein des eigenen Lebens. Das Ich ist eine Selbstreferenz des Bewusstseins. Widersprüche äußern sich in psychischen Störungen oder in selbstzerstörerischem Verhalten. Rückkopplung gehört auch dazu, als Wahrnehmung und Kontrolle eigenen Handelns, aber das sehe ich nicht als Synonym zu Selbstreferenz.

  636. Es geht noch einmal um die Aussage: “Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt”.

    Das ist eine sehr „statische“ Sichtweise und sie „stimmt“ nur scheinbar.

    Es wäre absurd, würde eine weitere Entwicklung der Menschen in der Welt scheitern, nur weil es der Sprache an Worten mangelt.

    Die Elektroniker z.B., die immer wieder auf der Suche „nach dem Neuen“ sind, die Grenzen der Welt und die Grenzen der Sprache „verschieben“ wollen, „umgehen“ das Problem, indem sie kurzerhand, systematisch, absichtlich und aus Prinzip, ähnliche, aber aus philosophischer Sicht völlig falsche Begriffe nutzen, ein „Sakrileg“ wider der philosophischen Denke begehen.

    Dass es diese Unterschiede gibt, ein Sachverhalt als „falsch“ gilt, wenn die Übereinstimmung nicht „absolut“ ist, ist völlig klar.

    Nur ist es zumindest zweckmäßig, wenn man (noch) keine passenden „Bezeichner“ hat, diese Unterschiedlichkeiten, sozusagen explizit oder gemäß einer „stillschweigenden“ Übereinkunft unter Fachkollegen, „aus der Betrachtung“ herausnimmt, wenn man über „neuartige“ Sachverhalte diskutiert. Wenn man keine Bezeichner für einen Sachverhalt, für Mechanismen hat, dafür aber für einen Teilaspekt gut passende beschreibende, aber formal völlig falsche Begriffe nutzt.

    So flexibel, dass einem der Unterschied zur „wahren Realität“ klar ist, sollte man schon sein.

    Ein Beispiel wäre, dass Elektroniker den Sachverhalt dass Daten abbildende Signale parallel und gleichzeitig über mehrere z.B. „Flachbandleitungen“ geführt werden, oder sozusagen in „Paketen“ (Zeitschlitzen) seriell über nur eine Leitungen geführt werden, als „Bussystem“ bezeichnen. Einfach deswegen, weil die Daten sozusagen „gemeinsam reisen“ wie die Buspassagiere, aber es ist definitiv kein „wirklicher Bus“.

    Die Sprache kennt keine Grenzen….

  637. Wolfgang Stegemann
    08.04.2021, 16:25 Uhr

    Naja, wenn ich den Artikel so richtig verstanden habe, ist es ja ziemlich ambitioniert, diese Messergebnisse als “Erforschung des Bewusstseins” zu bezeichnen.
    Faszinierend ist, dass man eine Art “KI” benutzt hat, um aus 239 vorhandenen Datensätzen auf den 240sten der “NI” zu schließen. Ich will das hier beileibe nicht abwerten, wir lernen damit, wie das “Denken” funktioniert, wie das Gehirn organisiert ist, welche Abläufe eine solche Leistung hervorbringen, aber “Bewusstsein” ist das noch nicht. Wir wissen ja aus anderen Versuchen, dass das Gehirn die “Sätze” schon formuliert, bevor sie uns “bewusst” werden.

    In diesem Zusammenhang möchte ich aber eine Frage stellen, bei Wikipedia steht:
    “Die Metaphysik (griechisch μετά metá ‚danach‘, ‚hinter‘, ‚jenseits‘ und φύσις phýsis ‚Natur‘, ‚natürliche Beschaffenheit‘) ist eine Grunddisziplin der Philosophie.”

    Ich nehme an, dass sich gelehrte Köpfe auch schon Gedanken darüber gemacht haben, was wäre, wenn “alles” in der Form “WYSIWYG” organisiert ist, dass “dahinter” nichts mehr ist, weil wir das, was wir ( noch ) nicht wissen, einfach noch nicht präzise genug oder mit ungeeigneten Mitteln gemessen haben, dass unsere bisherigen Annahmen nicht ( ganz ) zutreffend sind?

  638. @Chrys 07.04.2021, 15:32 Uhr

    Ist das, was ich unter ‘Ontologie’ (AKA ‘Metaphysik’) vesrtehe, nach Ihrem Verständnis überhaupt eine Ontologie bzw. Metaphysik?

    Ich fürchte, wir reden aneinander vorbei, weil Sie unter ‘Metaphysik’ bzw. ‘Ontologie’ nicht das verstehen, was ich darunter verstehe. Im Gegensatz zu mir haben Sie Ihre Auffassung, zumindest in dem, was ich bisher hier gelesen habe, nicht ausgeführt, daher bin ich auf Spekulationen angewiesen. Meiner Meinung nach habe ich meine Position in diesem Forum hinreichend ausführlich dargestellt.

    Ich versuche, die Differenz herauszuarbeiten, entscheiden Sie, ob das zutrifft.

    Wie es für mich aussieht wollen Sie, ausgehend von einer theorie- und mithin auch denkabhängig konstituierten Ontologie (d.h. einem Gegenstandsbereich objekttheoretischer Dingbegriffe),

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich alle Fachbegriffe korrekt interpretiere, aber ich denke, das ist in etwa zutreffend.

    diese Ontologie als denkunabhängig

    Nein, das liegt mir fern. Selbstverständlich vertrete ich einen (nicht radikalen) Konstruktivismus. Wenn ich davon ausgehe, dass nicht einmal sicher ist, ob es überhaupt eine vom erkennenden Subjekt unabhängig existierende ‘Welt an sich’ gibt, sollte deutlich sein, dass es für mich keine denkunabhängige Ontologie geben kann.

    behauptete Voraussetzungsmetaphysik anführen zur Begründung dafür, dass sich mittels dieser Theorie etwas deduktiv-nomologisch hat erklären lassen, sofern sich denn damit etwas hat erklären lassen.

    Auch das trifft es nicht. Wie gesagt, ich vertrete eine IBM unter Fallibilitätsvorbehalt. Das heißt, ich gebe meine Ontologie auf, wenn jemand zeigen kann, dass eine andere erklärungsmächtiger ist. Nicht, wenn jemand auf der Basis einer anderen Ontologie, die nicht mehr zeigen kann, meint, meine sei insuffizient.

    Aus dem Umstand, dass mittels einer in Betracht stehenden Theorie eine DN-Erklärung für ein Phänomen erhalten wurde, lässt sich aber nur schliessen, dass die Ontologie dieser Theorie hinreichend war für die Erklärung. Es lässt sich jedoch nicht folgern, dass diese Ontologie auch notwendig ist für eine DN-Erklärung des fraglichen Phänomens. Wir kennen immerhin Beispiele für ontologisch verschiedene Theorien, die observationell völlig äquivalent sind, die mithin ontologisch verschiedene Erklärungen eines Phänomens gestatten. Von Denkunabhängigkeit kann da gar keine Rede sein.

    Das war auch nicht mein Punkt, s.o. Unterschiedliche naturalistische Ontologien sind kein Problem für mich (meine Voraussetzungsmetaphysik ist der ontologische Naturalismus). Ich vermute beispielsweise, dass die Ontologie eines Physikers sich nicht mit der eines Biologen oder Chemikers decken muss. Wie gesagt, ich bezweifle, dass (theoretisch) Physiker ein echtes Verständnis von Evolutionsbiologie entwickeln können. Details hat Mayr ausgeführt. Vielleicht kurz: Populationsdenken, die zentrale Grundlage der Evolutionsbiologie, liegt Physikern fern, eben weil sie mit identischen Teilchen argumentieren. Daher trennen sich die Wege sehr früh und kommen meiner Meinung nach nicht mehr zusammen. Aber das bedeutet auch, dass die Ontologie eines Physikers, obwohl sie ‘basaler’ ist als die des Biologen, nicht unbedingt relevant sein muss.

    Kann natürlich sein, dass der Philosoph nun noch tiefer als die Physiker gehen möchte, aber ich vermute, dass er prinzipiell scheitern muss, in etwa so, wie Kant scheiterte. Details in dem Link, den ich angegeben habe.

    Mein Punkt ist, dass die Einführung einer eingreifenden Übernatur (eine Übernatur, die nicht eingreift, ist in etwa so interessant wie Russells Teekesselchen im Orbit, sie würde zwar meine Ontologie falsifizieren, aber das wäre praktisch irrelevant) in die Ontologie keinerlei Erkenntnisgewinn bringt. Ich lasse mich aber gerne durch konkrete Beispiele überzeugen.

    Wie gesagt, mein Spezialgebiet ist die Argumentation der Intelligent Design Bewegung, speziell im Bereich der Biologie (weniger in dem der Physik), und ich kenne deren Versuche, für eine eingreifende Übernatur zu argumentieren. Die tragen meiner Meinung nach nicht. Es gibt auch andere Auffassungen von Übernatur, aber auch die überzeugen mich nicht.

  639. @Thomas Waschke / 09.04.2021, 00:21 Uhr

    »Selbstverständlich vertrete ich einen (nicht radikalen) Konstruktivismus.«

    Das glaube ich Ihnen, und ich will Ihnen auch nicht unterstellen, hier in Ihren eigenen Formulierungen mit “denkunabhängig” argumentiert zu haben. Doch das “denkunabhängig” klebt Ihnen gleichsam an den Hacken, das fangen Sie sich unweigerlich ein, wenn Sie sich auf Mahner und/oder Bunge beziehen. Ich rezitiere dazu mal das Welt-Postulat aus Ihrem Kommentar vom 06.04.2021, 23:45 Uhr:

    Postulat 1.1. Die Welt (das Universum) existiert — mit all ihren primären Eigenschaften — aus sich sich selbst heraus, d.h. unabhängig von denkenden und sie erforschenden Subjekten.

    Damit fängt es an. Denn was darinnen sein soll in dieser denkunabhängigen Welt, sind laut Bunge die “real oder objektiv existierenden Dinge”, die für ihn dann genauso “unabhängig vom Denken existieren”. Oder hätte er je irgendwo etwas anderes proklamiert?

    Ein Beispiel für einen naturwiss. Dingbegriff wären etwa die Quarks. Für Quine wohl ein geradezu idealtypischen Beispiel, denn er hat “natural science” schliesslich als “Theories of quarks and the like” charakterisiert. Den Begriff Quarks hat Murray Gell-Mann in die Physik, oder genauer, in die Quantenchromodynamik (QCD) eingebracht, und auf diese Biester ist er durch einen Akt kreativen Denkens gekommen — die hat er nicht gefunden wie Jaguare im brasilianischen Regenwald.

    Jegliche auf Quarks bezogene “ontological commitments” sind im Rahmen der QCD gemäss der Begriffsbildung von Gell-Mann zu verstehen. Das “ontological” bezieht sich dabei nicht auf ein metaphysisches “Sein” von Quarks, sondern auf deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten `realm of things’ aka `ontology’, eben dem Gegenstandsbereich der QCD. Ich habe diese nicht-metaphysische Bedeutung von `ontology’ nicht erfunden, ich habe sie nur vorgefunden, etwa bei Quine oder Rescher.

    Das ist offensichtlich nicht die Bedeutung von Ontologie, wie das Wort bei Bunge verwendet wird. In Evaluating Philosophies (Springer, 2012) hat Bunge ein Glossar, wo man findet

    Ontology The philosophical study of being and becoming.

    Die Kontextualität der Bedeutung von `Ontology’ wäre nicht tragisch, bis jemand auf die Idee kommt, als Begründung dafür, dass sich das Quark Model bis anhin bewährt hat, Quines nicht-metaphysische “ontological commitments” qua hypothetischem Realismus als ontologisch = metaphysisch nach Bunge umzudeuten. Womit den Quarks ein denkunabhängiges “reales Sein” zukäme, was dann als Begründung dafür dient, dass nicht nur a) das Quark Model funktioniert, sondern auch b) der metaphysische Naturalismus eine notwendige Bedingung u.a. für die QCD sein soll.

    N.B. Die Gleichsetzung Metaphysik = Ontologie ist im übrigen auch so eine Spezialität bei Bunge. Der Begriff Metaphysik ist i.a. viel weiter gefasst; Stegmüller hat dem ein ganzes Kapitel in Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft gewidmet.

  640. @Chrys 09.04.2021, 18:10 Uhr

    We agree to disagree?

    Ich bin mir aufgrund Ihres Postings ganz sicher, dass wir aneinander vorbei reden. Ich habe meine Ontologie dargestellt, Sie verweisen auf andere, ohne die Ihrige zu schildern oder gar auf das eigentlich Interessante, ob eine Ontologie mit zumindest einem Schlupfloch für eine Übernatur dem Naturalismus vorzuziehen sei, einzugehen.

    Ich habe meine Ontologie als IBM bezeichnet, Sie schildern mir, was Sie in der Literatur vorfinden. Sind Sie sicher, dass Sie mir etwas Neues sagen? Quarks sind hinsichtlich dessen, was wir diskutieren, eine Etüde in Irrelevanz.

    Was wollen Sie mir eigentlich mit

    N.B. Die Gleichsetzung Metaphysik = Ontologie ist im übrigen auch so eine Spezialität bei Bunge.

    sagen?

    Das ist doch in etwa so, als würden Sie schreiben, Sie haben bei anderen Autoren andere Spezialitäten gefunden. Wenn ich mich auf Bunge und nicht auf andere Autoren beziehe, mache ich das doch deshalb, weil mich an dessen Ansatz etwas überzeugt hat, was bei anderen Autoren nicht der Fall war. Zudem habe ich Ihnen auch schon vorgeschlagen, andere Begriffe zu verwenden, wenn Sie meinen, das würde helfen, dass wir uns besser verstehen.

    Mehr als ‘So what?’ und ‘Lesen Sie bitte den Thread.’ fällt mir daher dazu nicht ein, Sorry.

    Ich denke, wir sollten uns einfach auf “we agree to disagree” einigen, wobei mir gar nicht klar ist, was Sie eigentlich vertreten und an welchem Punkt sich unsere Wege trennen.

  641. @Thomas Waschke 10.04.2021, 00:22 Uhr

    Chrys hat Ihnen meines Erachtens sehr treffend vor Augen geführt, wie es um den von Ihnen vertretenen Naturalismus steht. Mehr können Sie nicht verlangen, vor allem kein Glaubensbekenntnis.

  642. “Ich denke, also bin ich.”

    Dieser Satz von Descartes hat seine Gültigkeit, er begründet die nackte Existenz dieser Welt, denn ich bin ein Teil davon. Der Satz bedeutet nicht, dass die Welt von meinem Denken abhängig ist. Die Existenz allein ist aber unbedeutend.

    Die Beschaffenheit dieser Welt dagegen ist eine Folge meines Denkens darüber. Das kann ich nur, weil die Objekte der Welt Signale miteinander austauschen, die ich interpretiere. Je komplexer die Welt, desto mehr Interpretationen sind möglich, weil der Mensch jeweils nur einen winzigen Ausschnitt wahrnehmen kann und daraus ein objektiviertes Weltbild konstruiert. Die Beschaffenheit der Welt ist von Wahrnehmung, Erfahrung, Denken und Urteilen abhängig, kurz: von der Vernunft. Das ist keine Beliebigkeit, sondern gründet auf einem objektiven und rückbezüglichen System von Methoden und Regeln der Wissenschaft.

    Die Beschaffenheit der Welt gründet auf dem Austausch von Signalen, also Wechselwirkungen zwischen Objekten der Welt. Deshalb bin ich ein Anhänger des Strukturenrealismus von John Worrall und Anderen. Strukturen sind eine Menge von Objekten, zwischen denen bestimmte Relationen bestehen. Strukturen sind äquivalent mit Ordnung und mit Information! Man findet sie überall im Alltag, mal bewusst, oftmals unbewusst.

  643. @Timm Grams 10.04.2021, 09:32 Uhr

    Mehr können Sie nicht verlangen, vor allem kein Glaubensbekenntnis.

    Ich verlange nichts. Ich habe nur nachgefragt.

    Aber gut, dass wir darüber geredet haben. Ihnen noch ein schönes Wochenende.

  644. Die Existenz von Quarks ist offenkundig vom Denken abhängig, denn sie sind ein Produkt bzw. Postulat des Denkens. Ob sie auch denkunabhängig, ontologisch existieren, ist eine metaphysische und unbeantwortbare Frage, denn erkennbar sind sie nur anhand ihrer Wirkungen, also ihres Signalaustausches oder ihrer Relationen mit der übrigen Welt.

    Für den Naturwissenschaftler ist die metaphysische Frage per se uninteressant und irrelevant. Für den Philosophen ist es interessant, inwieweit das Denken des Naturwissenschaftlers kohärent ist. Am Ende entscheidet die Frage der wissenschaftlichen Bewährung durch Integration in das Netzwerk der physikalischen Theorien (Standardmodell) oder die Fallibilität des Postulats.

  645. @Thomas Waschke / 10.04.2021, 00:22 Uhr

    Excusez-moi, aber Sie produzieren hier doch einige widersprüchliche Statements. Einerseits erklären Sie mir

    »Wenn ich davon ausgehe, dass nicht einmal sicher ist, ob es überhaupt eine vom erkennenden Subjekt unabhängig existierende ‘Welt an sich’ gibt, sollte deutlich sein, dass es für mich keine denkunabhängige Ontologie geben kann.«

    Andererseits schwenken Sie u.a. mit dem zitierten Welt-Postulat 1.1. beflissen das Mahner&Bunge-Fähnlein, wo das genaue Gegenteil zur “Welt” behauptet wird. Ja was denn nun?

    Sie reden von `Ontologien’ (beachte, im Plural) in einem theorie- und sprachhängigen Sinn, wenn Sie Ihre Ontologien dem jeweiligen Stand wissenschaftl. Erkenntnisse anzupassen bereit sind. Dann haben Sie aber ein rein epistemologisches Verständnis von Ontologie, das mit dem “ontologischen Naturalismus” überhaupt nicht zusammenpasst.

    Die Feststellung, dass sich mit dem Quark Model observationell bestätigte Vorhersagen haben erhalten lassen, gestattet logisch keine Inferenz auf irgendeine Metaphysik von Quarks, die dann als notwendige Voraussetzungsmetaphysik für das Quark Model dienen und vermeintlich “erklären” oder “begründen” könnte, warum denn mit dem Modell brauchbare Vorhersagen möglich waren. Da ist nichts mit IBM oder IBE.

    Aber Ihr Anliegen ist primär offenbar auch ein anderes, nämlich den Ausschluss von jeglicher “Übernatur”. Okay, das hätten Sie aber auch mit einer naturalistic thesis in der Form

    The world is as natural science says it is, insofar as natural science is right.

    Das lässt sich völlig metaphysik-frei verstehen. Warum also wollen Sie da überhaupt noch irgendwas mit Metaphysik ins Spiel bringen?

    »Was wollen Sie mir eigentlich mit […] sagen?«

    Sie hatten doch danach gefragt:

    Wolfgang Stegemann (03.04.2021, 18:17 Uhr) »@Waschke: Ontologie ist kein Synonym für Metaphysik«

    Thomas Waschke (03.04.2021, 19:01 Uhr) »Sez who?«

    Eine Antwort stand noch aus. Jetzt nicht mehr.

  646. @Chrys 10.04.2021, 11:32 Uhr

    Excusez-moi, aber Sie produzieren hier doch einige widersprüchliche Statements. Einerseits erklären Sie mir

    [Thomas Waschke]»Wenn ich davon ausgehe, dass nicht einmal sicher ist, ob es überhaupt eine vom erkennenden Subjekt unabhängig existierende ‘Welt an sich’ gibt, sollte deutlich sein, dass es für mich keine denkunabhängige Ontologie geben kann.«

    Andererseits schwenken Sie u.a. mit dem zitierten Welt-Postulat 1.1. beflissen das Mahner&Bunge-Fähnlein, wo das genaue Gegenteil zur “Welt” behauptet wird. Ja was denn nun?

    Darin steht doch, dass das ein Postulat (ich habe “wenn ich davon ausgehe …” geschrieben, ist das etwas anderes?) ist. Was ist dann widersprüchlich? Wie wollen Sie etwas denkunabhängig konstruieren, wenn Sie nicht einmal sicher sagen können, dass Sie ein Konstrukt von Etwas modellieren?

    Wie gesagt, wir scheinen unter ‘Metaphysik’ nicht dasselbe zu verstehen.

  647. Es wäre fatal, wenn Philosophen aus Postulaten der Naturwissenschaftler die reale oder ontologische Existenz von Objekten der Welt herleiten würden. Das wäre spekulative Metaphysik. Genau so scheint es aber in Theologie und Esoterik zu funktionieren. Aus Postulaten Schamanen, Priester oder Philosophen des Altertums wird die Existenz gewisser übernatürlicher Entitäten hergeleitet, nicht zuletzt auf Grund von Übersetzungen zwischen Kulturen.

    In der Esoterik sind es die abstrakten Entitäten Energie, Kraft, Information, Geist, die als verdinglichte Realität interpretiert werden und denen dann eigenwillige Eigenschaften und Wirkungen zugesprochen werden. Dabei wird die physikalische Kausalität zur Teleologie umgekehrt. Das heißt, es wird nicht gefragt “was macht Energie”, sondern “was kann Energie”.

  648. @anton reutlinger:

    Haben Sie Angehörige? Gehen Sie davon aus, dass diese existieren? Wenn ja, gehen Sie davon aus, dass auch die Organe ihrer Angehörigen existieren? Wenn ja, gehen Sie davon aus, dass die Körperzellen ihrer Angehörigen existieren? Wenn ja, existieren dann auch deren Zellorganellen? Wann bricht das Verfahren ab und warum?

    Wenn Sie alles verneinen, wie sehen Sie dann Ihre Angehörigen?

  649. @Reutlinger: “Die Beschaffenheit dieser Welt dagegen ist eine Folge meines Denkens darüber.”

    “Die Beschaffenheit der Welt gründet auf dem Austausch von Signalen”

    “Die Existenz von Quarks ist offenkundig vom Denken abhängig”

    “Es wäre fatal, wenn Philosophen aus Postulaten der Naturwissenschaftler die reale oder ontologische Existenz von Objekten der Welt herleiten würden”

    Meinen Sie das alles ernst??

  650. @Feodor
    Wie werden Sie von Ihren Mitmenschen gesehen? Etwa von Allen gleich, oder gibt es da Unterschiede, etwa von Lebenspartner oder Arbeitgeber? Wurden Sie in Ihrer Kindheit genauso gesehen wie heute?

    Was genau bedeutet Existenz eines Menschen? Was genau umfasst diese Existenz? Ist sie unveränderlich? Sie gehen von Annahmen aus, die für Sie trivial sein mögen. Aber philosophisch sind sie nicht haltbar. Bei komplexen Objekten ist auch die Bedeutung von Existenz komplex, z.B. hinsichtlich einer Teilung.

    Die “Existenz an sich” eines Objekts ist nicht erkennbar. Sie äußert sich nur in einem Bezeichner, z.B. “Quark”. Relevant sind erst die Eigenschaften des Objekts, die sich in Wechselwirkungen mit der übrigen Welt äußern und zu erkennen geben. Die Physiker können von solchen Wechselwirkungen umgekehrt auf die Existenz bestimmter Teilchen schließen, wie beim Neutrino oder beim Higgsboson. Auch der Planet Neptun wurde auf Grund seiner gravitativen Wirkungen auf andere Planetenbahnen gezielt gesucht und entdeckt.

    Übernatürliche Objekte sind mit natürlichen Methoden nicht erkennbar. Ihre Eigenschaften sind lediglich unüberprüfbare Postulate. Genauso kann man Russels Teekanne im Orbit postulieren, oder jedes andere Objekt der Phantasie oder Willkür.

  651. @Stegemann
    wenn Sie ernsthafte Argumente haben, dann her damit! Vielleicht haben Sie nur etwas missverstanden oder missinterpretiert.

  652. @Reutlinger: “Die Existenz von Quarks ist offenkundig vom Denken abhängig”

    Was gibts da zu missinterpretieren?? Materie existiert, wenn ich sie denke?

  653. @Feodor 10.04.2021, 19:19 Uhr

    Warum kommst Du immer wieder mit diesen Ad-lapidem-Argumenten? Inzwischen solltest Du wissen, dass solche Täuschungsversuche von Deinen Diskussionspartnern mühelos durchschaut werden.

  654. @Feodor 10.04.2021, 21:55 Uhr

    Thomas Metzinger, in Humanisten- und Skeptikerkreisen hochgeschätzt, stellt sich Fragen wie diese: “Wer ist sie denn, diese mysteriöse erste Person? Worauf bezieht sich das Wörtchen ‘ich’? […] Ist die Existenz eines erlebenden Selbst ein notwendiger Bestandteil des Bewusstseins? Ich glaube das nicht.” (Der EGO-Tunnel. 2009/2017, S. 101)

    Solche Fragen wären schon mal ein Anfang, um diesen Ad-lapidem-Unfug loszuwerden.

  655. Lieber Tim Grams,

    wer schreibt Ihnen hier? Bin ICH es oder eine roboterartige Reiz-Reaktionsmaschine? Was für ein Unsinn, das ICH eliminieren zu wollen, sowohl aus philosophischer wie aus ontologischer wie aus wissenschaftspraktischer Sicht. Es macht Sinn, eine interne Entscheidungsinstanz anzunehmen, die denkt, fühlt und handelt. Bewusstsein, als Ensemble allen Denkens, also bild- und bedeutungshaften Vorstellens, ist eben nicht bloß eine lineare Folge aus biochemischen Vorgängen bzw. nicht einfach als solche beschreibbar. Wer so denkt, ist naturalistischer Dogmatiker, so wie Stefan Schleim es anfangs dieser Reihe bereits sinngemäß formuliert hat.

  656. @Wolfgang Stegemann 11.04.2021, 00:34 Uhr

    Genau darum dreht sich unsere Diskussion: Wir nehmen eine Entscheidungsinstanz an und haben doch keine Ahnung davon, wie diese beschaffen sein könnte. Unser Streben nach Klarheit fördert Widersprüche zutage: Die denkunabhängige Realität ist undenkbar; die Subjekt-Objekt-Trennung führt in den unendlichen Regress. Damit müssen wir vorerst leben. Das Ad-lapidem-Argument täuscht Klarheit nur vor. Es ist ein Argumentationsfehler.

  657. Warum ich an den Naturalismus glaube:was ist das Gemeinsame an der Aussagenlogik,der Komplementarität,des Daktylogram und der Wechselwirkung?

  658. @Timm Grams: Man kann sich natürlich selbst Steine in den Weg legen und daran verzweifeln.
    “Wir nehmen eine Entscheidungsinstanz an und haben doch keine Ahnung davon, wie diese beschaffen sein könnte”

    Ich kann Ihnen das ziemlich genau erklären, jedenfalls modellhaft.

    “Die denkunabhängige Realität ist undenkbar”

    Aber nur, wenn ich das Ding an sich in den Vordergrund stelle und mich daran abarbeiten will, anstatt das Ding für sich.

    “die Subjekt-Objekt-Trennung führt in den unendlichen Regress”

    Aber nur, wenn man die pure Logik (oder Mathematik) in den Vordergrund stellt und meint, es wäre Realität.
    Das ICH als Entscheidungsinstanz aufzugeben, heißt, philosophische Spielereien ernster zu nehmen, als die Realität. Und genauso realitätsfern argumentieren Naturalisten in Bezug auf ‘Leben’.

  659. @Stegemann
    Was gibts da zu missinterpretieren?? Materie existiert, wenn ich sie denke?

    Was ist Materie? Besteht Materie nicht überwiegend aus “Luft” zwischen den Atomen? Wenn Sie den Kopf gegen die Laterne schlagen, dann ist es genauso eine sinnliche Wahrnehmung eines Phänomens der Außenwelt wie das Sehen der Laterne, oder des Lichtes von der Laterne. Erstaunlich ist, dass die Laterne so hart ist, dass der Schädel brummt, wogegen die Luft doch kaum wahrnehmbar, jedenfalls unsichtbar ist (im Regelfall).

    Die Materie als Beschaffenheit dieser Welt, mit ihrem Teilchenzoo, ist ein Produkt des Denkens. Die Quarks wurden nicht entdeckt, sondern zuerst erfunden und sie sind nicht sinnlich wahrnehmbar. Die Existenz der Welt insgesamt nehme ich deshalb an, weil ich selber als Teil dieser Welt existiere!

    Das ist kein Solipsismus, weil ich die wahrnehmbaren Phänomene der Welt nicht leugne, sondern sie gedanklich kollektiv der “Materie” zuschreibe. Aber die Materie besteht nicht nur aus monolithischen Gegenständen wie Laternen oder Steinen (lat. lapis). Sie ist ein Kompositum ihrer wechselwirkenden Bestandteile, einschließlich meines Gehirns, das selbstreferenziell darüber nachdenkt.

  660. @Wolfgang Stegemann 11.04.2021, 10:17 Uhr

    Meine Skepsis gilt den Erkenntnisansprüchen des Naturalismus. Die Kritik trifft nicht Lebensdienliches wie den (geläuterten) naiven Realismus oder den Realismus als regulative Idee. Es ist schon ein Unterschied, ob ich die Existenz eines Objekts (versuchsweise) annehme oder ob ich zur Erfassung desselben eine Ontologie und damit eine bestimmte Existenzweise voraussetzen muss. Mein Programm “Klüger irren” kommt ohne Metaphysik aus und Übernatürliches interessiert mich nicht, solange mir niemand sagen kann, was das genau sein soll.

  661. @Grams
    Bevor ich die Existenz eines Objekts annehmen kann, auch nur hypothetisch, muss ich irgend einen Hinweis darauf haben, sei es empirisch durch Beobachtung/Experiment eines Phänomens oder theoretisch durch logische Schlussfolgerung aus einer Hypothese/Theorie. Mir ist schleierhaft, warum der Naturalismus eine Ontologie oder bestimmte Existenzweise voraussetzen soll/muss. Das tut er nach meiner Meinung gerade nicht, es wäre doch Metaphysik.

    Naturwissenschaft ist wie Bergsteigen in einem Felsspalt: man stützt sich abwechselnd auf Beobachtung/Experiment und Hypothese/Theorie, so wie der Bergsteiger abwechselnd auf die linke und auf die rechte Seite des Felsspalts. Den metaphysischen Anfang hat die Wissenschaft längst hinter sich – in der Geschichte des wissenschaftlichen Denkens, z.B. mit der Erfindung der Zahlen und der Sprache. Heute liegt die Metaphysik in der Entwicklung neuer mathematischer Methoden, neuer Instrumente wie Computer und in der Intensivierung der globalen Kommunikation und Kooperation.

  662. @anton reutlinger 11.04.2021, 12:20 Uhr

    Martin Mahner bezeichnet den von ihm verfochtenen ontologischen Naturalismus als Voraussetzungsmetaphysik. Dem gilt meine Kritik.

  663. @Grams
    Aus einem Interview von M.Mahner habe ich folgendes Zitat, das sicher auch in diesem Strang irgendwo zu finden wäre:

    Damit wir überhaupt mit empirischen Methoden wie Messung oder Experiment Daten bzw. Belege gewinnen können, muss die Welt bereits bestimmte Eigenschaften aufweisen. Dazu gehören unter anderem gesetzmäßiges Verhalten, Kausalität und die Nichtexistenz geistiger oder übernatürlicher Manipulationsmöglichkeiten.

    Dazu kann ich ihm nur recht geben, obwohl es sicher eine metaphysische Aussage ist. Aber diese Aussage wird von jenen aufgezwungen, die eben solche sachfremden und willkürlichen Existenzbehauptungen aufstellen.

    Jeder Anthropologe würde und müsste die Nichtexistenz oder Nichtbeachtung von Aliens explizit zur Voraussetzung seiner Untersuchungen machen, wenn jemand die Existenz von Aliens und ihren Einfluss auf die Menschheit behaupten würde.

    Es ist wie mit dem Atheismus. Es gibt ihn nur, weil es den Theismus gibt! Eine weiße Figur wird erst vor einem nichtweißen Hintergrund erkennbar und zur Information oder zum Diskursobjekt.

    Dazu verweise ich auf ein Werk von George Spencer-Brown “Laws of Form”.

  664. Warum sollte ich eigentlich mit Menschen kommunizieren wollen, die noch nicht mal meine bloße physische Existenz (vorläufig) anerkennen? Warum sollte ich mich als bloßes Phänomen (d.h. nur als potenzielles Wahrnehmungsereignis) bezeichnen lassen?

  665. @reutlinger 11.04. 13:11

    „Aus einem Interview von M.Mahner habe ich folgendes Zitat, das sicher auch in diesem Strang irgendwo zu finden wäre:
    Damit wir überhaupt mit empirischen Methoden wie Messung oder Experiment Daten bzw. Belege gewinnen können, muss die Welt bereits bestimmte Eigenschaften aufweisen. Dazu gehören unter anderem gesetzmäßiges Verhalten, Kausalität und die Nichtexistenz geistiger oder übernatürlicher Manipulationsmöglichkeiten.“

    Nicht die ganze Welt muss so beschaffen sein, das ist doch gerade der Unterschied. Wenn ich Bereiche finde, die gesetzmäßiges Verhalten, Kausalität und die Nichtexistenz geistiger oder übernatürlicher Manipulationsmöglichkeiten haben, dann kann ich ja schon genau dort wissenschaftliche Untersuchungen machen. Mit dem Ergebnis, genau dort auch nicht auf Übernatur zu stoßen, die die Untersuchungen stört.

    Mein eigenes Modell von Geist, und dass der in der Außenwelt nur sporadisch bis gar nicht wirksam ist, würde auf diesen Gebieten keinen Unterschied zum ontologischen Materialismus machen. Mit Teilchenbeschleunigern kann ich so arbeiten, als gäbe es diesen Geist nicht, weil es hier für den Geist nichts hinzuzufügen gibt.

    Wenn jetzt dieser Geist aber im Bewusstsein nicht nur regelmäßig aktiv wird, sondern eventuell sogar wesentliche Funktionen übernimmt, dann haben wir eine andere Ausgangslage. Das würde eben bedeuten, dass Simulationen von Konnektomen nur mit Zufallszahlen, die aus dem Quantenrauschen generiert werden, aufwachen und funktionieren können.

    Noch ist man einiges davon entfernt, hier Konnektomexperimente zu machen, in denen die Wirkung des Geistes eben doch maßgeblich werden kann. Der Hinweis, dass die Physik des Äußeren ja bisher ohne dem auskam, hilft da wenig. Andererseits berichten ganz viele Menschen von spirituellen Erfahrungen, das kann man komplett zu kuriosen Sinnestäuschungen erklären, aber das kann man auch als Ansatzpunkt nehmen, um nach Geist im Leben zu suchen.

  666. @Feodor
    Sie existieren als Zeichenkette auf meinem Bildschirm, wo sie erscheint, wenn ich die entsprechende Stelle wähle. Aus Erfahrung nehme ich an, bzw. denke ich mir, dass am andern Ende einer langen Leitung eine Person physisch an einer Tastatur sitzt – wenn es mit rechten Dingen zugeht.

  667. @Jeckenburger
    Wenn jetzt dieser Geist aber im Bewusstsein nicht nur regelmäßig aktiv wird, sondern eventuell sogar wesentliche Funktionen übernimmt, dann haben wir eine andere Ausgangslage.

    Es gibt keinen vernünftigen Grund für die Annahme, dass ein Gehirn fundamental anders funktionieren würde als die übrige Welt. Es besteht aus derselben Materie, d.h. den bekannten Atomen und Molekülen. Andernfalls wäre es mit den Methoden der Naturwissenschaft nicht feststellbar. Von Quantenmechanik haben Sie offenbar falsche Vorstellungen. Sie gilt für alle Materie gleichermaßen.

  668. @anton reutlinger // 11.04.2021, 10:37 Uhr

    » Die Materie als Beschaffenheit dieser Welt, mit ihrem Teilchenzoo, ist ein Produkt des Denkens. «

    Mir ist schon klar, wie das gemeint ist, aber wenn Sie mit dem Kopf an ein bestimmtes Produkt des Denkens knallen, sagen wir an einen Laternenpfahl, dann betrachten Sie die resultierende Beule sicher nicht als ein Produkt des Denkens, oder?

    Der Welt da draußen ist es völlig egal, wie ich über sie denke und welche Begriffe ich erfinde, um über die Dinge der Welt reden zu können. Das bedeutet für mich „Denkunabhängigkeit“ in Bezug auf die Welt (meinetwegen auch die „Welt an sich“) (siehe das vielzitierte Postulat 1.1).

    Perzeption findet bekanntlich ohne Denkprozesse statt. Denken kommt erst ins Spiel, wenn im Hirn die Sinneseindrücke aufscheinen und somit Gegenstand von Überlegungen, Interpretationen und Reflexionen sein können.

    Ob nun der ontologische Naturalismus ein (missratenes?) Kind der Naturwissenschaften ist, oder umgekehrt die Naturwissenschaften schon immer implizit oder a priori die naturalistische These vertreten oder vorausgesetzt haben, eben dass die Welt (das Universum) unabhängig von denkenden und sie erforschenden Subjekten existiert (siehe das vielzitierte Postulat 1.1), ob nun das eine oder das andere zutrifft, darüber zu streiten halte ich für wenig ergiebig.

  669. @Balanus
    ob nun das eine oder das andere zutrifft, darüber zu streiten halte ich für wenig ergiebig.

    Das kann man so oder so sehen. Am Wirtshaustisch wird man sich darüber nicht kümmern. Aber in einer wissenschaftlich-philosophischen Diskussionsrunde macht es schon einen Unterschied. Niemand wird gezwungen, daran teilzunehmen.

    Für die Bewältigung und Gestaltung des Lebens macht es wohl auch einen Unterschied, ob man lieber den Klerikern oder lieber den Wissenschaftlern glaubt. Das kann man gut in den USA beobachten, oder auch in Polen, wo Menschen immer noch verachtet und entrechtet werden, weil sie nicht den Normen der Kleriker genügen.

    Oder man nehme hierzulande als Beispiel die Coronaleugner und Impfgegner, die ihre eigene Ideologie durchsetzen wollen, ohne Rücksicht auf die Gesundheit und das Leben der Mitmenschen. Dazu gibt es viele andere Beispiele für Pseudowissenschaft wie Homöopathen, “Wunderheiler” oder “Geistheiler” bis Klimaleugner.

    Gerade in der heutigen Zeit der Verschwörungsmythen, Desinformationen und Fake News wird das wissenschaftlich orientierte, vernünftige, kritisch rationale Denken, sowie der Unterschied zwischen Wissen und Glaube (das eigentliche Blogthema!), immer wichtiger für die Gesellschaften.

  670. @Thomas Waschke / 10.04.2021, 18:14 Uhr

    »Wie wollen Sie etwas denkunabhängig konstruieren, wenn Sie nicht einmal sicher sagen können, dass Sie ein Konstrukt von Etwas modellieren?«

    Es liegt mir fern, so etwas tun zu wollen. Wann immer ich versuche, etwas Denkunabhängiges zu konstruieren, führt mich das zu einem performativen Selbstwiderspruch, womit sich der Fall erledigt hat.

    Das einzige, was als denkunabhängig gelten kann, sind phänomenale Muster in unseren sinnlichen Wahrnehmungen, empirischen Observationen und experimentellen Messungen, oder wie immer man dergleichen zu nennen beliebt. Denkunabhängig sind nur die Clicks in einem Detektor, aber nicht die Quarks, Elektronen, Photonen etc. aus unseren Theorien, mit welchen wir uns vermittels unseres Verstandes begreiflich zu machen versuchen, wie die Clicks zustandekommen.

    Es ist durchaus falsch zu glauben, die Physik könne herausfinden, wie die Natur die Clicks und andere Phänomene hervorbringt. Die Physik kann uns lediglich sagen, wie wir uns vorstellen können, auf welche Weise die Phänomene hervorgegebracht werden. Dazu braucht es keine Metaphysik — ganz egal, ob nun gleichgesetzt mit Ontologie oder nicht.

    Und was speziell das grandiose Welt-Postulat angeht: Die “Welt” ist eben kein Phänomen, kein Gegenstand möglichen Erfahrungswissens. Denn “Welt” ist nur die Bezeichnung für eine regulative Idee, für eine in der Vorstellung gedanklich vollzogene Zusammenfassung von Erscheinungen zu einer totalen Gesamtheit, die jedoch selbst keine Erscheinung ist und insbesondere kein Ding, auf das irgendwer zeigen und das man erforschen könnte.

  671. @anton reutlinger 11.04.2021, 13:11 Uhr

    Sie zitieren Martin Mahner:

    Damit wir überhaupt mit empirischen Methoden wie Messung oder Experiment Daten bzw. Belege gewinnen können, muss die Welt bereits bestimmte Eigenschaften aufweisen. Dazu gehören unter anderem gesetzmäßiges Verhalten, Kausalität und die Nichtexistenz geistiger oder übernatürlicher Manipulationsmöglichkeiten.

    Was geht verloren, wenn ich das neu formuliere?

    Damit wir überhaupt mit empirischen Methoden wie Messung oder Experiment Erkenntnis gewinnen können, müssen Einflussgrößen kontrollierbar sein und die so gewonnenen Daten gesetzmäßiges Verhalten erkennen lassen.

    Nur die Ontologie fehlt jetzt. Da ansonsten alles funktioniert, wie gehabt, verzichte ich gern auf solches Gedöns.

  672. @Grams
    Bei Ihren Messungen versuchen Sie doch, störende Einflüsse der Umwelt auszuschalten, um die Daten nicht zu verfälschen. Das ist heute ein großes Problem in der Physik, ich denke an die Neutrinomessungen, die Gravitationswellen oder aktuell an die Experimente mit dem Myon-g-2.

    Dazu müssen die möglichen Störquellen bekannt sein. Wenn Sie aber annehmen müssen, dass übernatürliche Quellen, die Sie nicht kennen und nicht ausschalten können, in die Suppe spucken, dann brauchen Sie gar nicht mehr messen, dann ist alles möglich und nichts mehr zuverlässig. Es sei denn, Sie gehen grundlos davon aus, dass solche Quellen keinen Einfluss hätten. Das wäre dann genauso eine Voraussetzungsmystik oder Gedöns.

  673. @anton reutlinger 11.04.2021, 18:45 Uhr

    Wenn Sie aber annehmen müssen, dass übernatürliche Quellen, die Sie nicht kennen und nicht ausschalten können, in die Suppe spucken, …

    Wer um Himmels Willen muss das denn?

  674. @Grams
    Wenn Sie es nicht a priori ausschließen wollen, dann müssen Sie damit rechnen. Tertium non datur. Der Naturalist kann auf das Netzwerk seiner Theorien vertrauen, solange es konsistent ist. Der Naturalist, der übernatürliche Quellen nicht a priori ausschließt, könnte die Dunkle Materie und Energie als solche Quellen interpretieren. Dann sollte er sinnvollerweise aufhören zu forschen.

  675. @anton reutlinger 11.04.2021, 19:27 Uhr

    Sie können niemanden zwingen, beim Spiel der Wissenschaft mitzumachen. Wer kraft seines Geisterglaubens ausscheidet, hat die Folgen zu tragen. So einfach ist das. Es machen immer noch genügend viele mit. Eine Ontologie brauchen sie dafür nicht.

  676. @anton reutlinger // 08.04.2021, 09:30 Uhr
    Widersprüche und psychische Störungen

    Dazu ein Beispiel.
    Den grundsätzlichen Regelkreis im Kopf aus Eingaben über die Sinne, Bewertung der Eingaben mittels Erlebtem und Erlerntem aus dem Gedächtnis, Veranlassen von Aktionen (inkl. Nichtstun) und Ergänzen des Gedächtnisses hatten Sie und andere ja auch in dieser Blog-Reihe erläutert.

    Dass es dabei zu Widersprüchen und Störungen kommen kann, hatte ich vor ein paar Jahren bei meinem Hund erlebt. Auf der morgendlichen Hunderunde in einer fremden Stadt geriet sie (es ist eine Hündin) plötzlich in Panik, drückte sich an einen Betonklotz und ging nicht weiter. Nicht vor und nicht zurück. Wir waren auf einer Brücke über einen breiten Fluss. Eher nicht bedrohlich, aber wer weiß, woran sie sich erinnerte.

    Die akute Störung ließ sich schließlich bereinigen, indem ich sie von der Brücke trug. Danach war alles in Ordnung. Brücken über Flüsse habe ich danach gemieden und zu Hause gibt’s keine Flüsse und entsprechende Brücken. Allerdings geriet sie anschließend auch dort in Panik, wenn uns der Weg über (kleine) Brücken oder Stege führte, unter denen fließende Bäche zu sehen waren. Auch diese zu vermeiden oder alternativ ein Gewicht von 30 kg zu tragen, war auf Dauer keine Lösung. Ich habe ihr die Angst dann nach und nach in „sehr kleinen Schritten“ abgewöhnt. Inzwischen können wir in fremden Städten auch wieder Brücken über Flüsse angstfrei überqueren. Aber ich achte doch darauf, dass sie nicht direkt am Rand entlanggeht.

    OK. Hier ging es „nur“ um einen Hund. Für mich aber ein lehrreiches Beispiel.

    Angst ist zunächst etwas Nützliches. Sie hilft, lebensbedrohliche Gefahren zu meiden oder zu überwinden. Wer gar keine Angst hat, geht evtl. zu hohe Risiken ein und stirbt evtl. einen frühen Tod. Wer zu viel Angst hat, auch vor harmlosen Dingen oder Situationen, gerät unnötig unter Stress, wird evtl. psychisch gestört oder krank. Wäre in dem Fall das Gehirn geschädigt? Eher nicht, aber das Gedächtnis enthielte störende oder fehlinterpretierte Erinnerungen bzw. Erfahrungen.

  677. @Timm Grams 11.04.2021, 17:02 Uhr

    Was geht verloren, wenn ich das neu formuliere?

    Damit wir überhaupt mit empirischen Methoden wie Messung oder Experiment Erkenntnis gewinnen können, müssen Einflussgrößen kontrollierbar sein und die so gewonnenen Daten gesetzmäßiges Verhalten erkennen lassen.

    Das ist dann techne (Handwerkskunst). Mehr braucht man nicht zum Reagenzglasschwingen.

    Die Frage ist nur, ob man ein solides Weltbild (in Richtung episteme) haben möchte.

    Falls nein, okay, man kommt auch ‘ohne’ durchs Leben.

    Falls doch, brauchen sie eine solide Ontologie.

  678. @Thomas Waschke // 11.04.2021, 19:57 Uhr

    » Falls nein, okay, man kommt auch ‘ohne’ [Weltbild] durchs Leben. «

    In Bezug auf den Menschen habe ich da meine Zweifel. Wie soll das gehen? Das Großhirn lässt sich nicht ausschalten. Auch wer nicht explizit über seine Existenz oder gar den Sinn des Lebens nachdenkt, irgendeine Haltung gegenüber seinem Dasein hat gewiss jeder, das ist unvermeidlich.

    @Timm Grams: » …müssen Einflussgrößen kontrollierbar sein und die so gewonnenen Daten gesetzmäßiges Verhalten erkennen lassen. «

    Mit anderen Worten: Es muss immer und überall mit rechten Dingen zugehen…

  679. @Balanus 11.04.2021, 21:24 Uhr

    Mein Text lässt die Folgerung

    Es muss immer und überall mit rechten Dingen zugehen

    nicht zu. Was sollen diese “rechten Dinge” denn überhaupt sein? Wenn Anomalien den unrechten Dingen zugeordnet werden, bedeutet diese Forderung Stillstand der Wissenschaft.

  680. @Balanus 11.04.2021, 21:24 Uhr

    [Thomas Waschke]» Falls nein, okay, man kommt auch ‘ohne’ [Weltbild] durchs Leben. «

    In Bezug auf den Menschen habe ich da meine Zweifel. Wie soll das gehen?

    Ich hätte ‘Ontologie’ schreiben müssen, sorry.

    Das Großhirn lässt sich nicht ausschalten. Auch wer nicht explizit über seine Existenz oder gar den Sinn des Lebens nachdenkt, irgendeine Haltung gegenüber seinem Dasein hat gewiss jeder, das ist unvermeidlich.

    Ich fürchte, es geht auch ohne. Leider kenne ich eine ganze Reihe von Menschen, die sich nicht über viel mehr als drei Mahlzeiten am Tag und einen leckeren Nachtisch Gedanken machen. Vergiss nicht, dass ich länger an einer integrierten Gesamtschule in einem sozial nicht besonders hoch gestellten Einzugsgebiet gearbeitet habe.

  681. Wenn ich mir die Dialoge der letzten 48 Stunden so ansehe, schließe ich daraus, dass wir alle doch sicher, satt, warm und trocken zuhause sitzen und uns darüber unterhalten können, ob Großmutters Bart als Beweis dafür gelten kann, dass Eheleute im langen Eheleben sich immer ähnlicher werden …

  682. @Balanus / 11.04.2021, 21:24 Uhr

    »Es muss immer und überall mit rechten Dingen zugehen…«

    Ach was, es sollte schlicht und einfach nach den bewährten Regeln der `scientific method’ zugehen.

    Womöglich sind es ja gerade die Naturalisten selbst, die beständig dieses Mantra von den “rechten Dingen” vor sich hinmurmeln müssen, um nicht auf Abwege zu geraten.

    Denn als einziger Versuch, körperlose kleine Geister in die Wissenschaft einzubringen, fallen mir nur die Meme des die-hard Naturalisten Richard Dawkins ein. Dank der normativen Kraft des Faktischen scheint sich diese Affaire zum Glück inzwischen weitestgehend erledigt zu haben. (Why Did Memetics Fail?)

  683. @Chrys 12.04.2021, 00:34 Uhr

    Ach was, es sollte schlicht und einfach nach den bewährten Regeln der `scientific method’ zugehen.

    Die Frage ist, warum diese Regeln funktionieren.

    Denn als einziger Versuch, körperlose kleine Geister in die Wissenschaft einzubringen,

    Eigentlich eher ein Zeichen dafür, dass die message “Es geht alles mit rechten Dingen zu” in der scientific community angekommen ist. Zumindest als Methode, aber man kann ja weiter fragen …

  684. @Chrys 11.04.2021, 16:47 Uhr

    [Thomas Waschke] »Wie wollen Sie etwas denkunabhängig konstruieren, wenn Sie nicht einmal sicher sagen können, dass Sie ein Konstrukt von Etwas modellieren?«

    Es liegt mir fern, so etwas tun zu wollen. Wann immer ich versuche, etwas Denkunabhängiges zu konstruieren, führt mich das zu einem performativen Selbstwiderspruch, womit sich der Fall erledigt hat.

    Schön, dass wir uns hier einig sind.

    So in etwa hätte ich meine Kritik am Denken in Sätzen über Sätze auch begründet, allerdings erweitert um den fehlenden Kraftschluss zwischen Denken in der ‘Welt für mich’ und der ‘Welt an sich’.

    Das einzige, was als denkunabhängig gelten kann, sind phänomenale Muster in unseren sinnlichen Wahrnehmungen, empirischen Observationen und experimentellen Messungen, oder wie immer man dergleichen zu nennen beliebt.

    Hier trennen sich unsere Wege. Aus meiner Sicht gilt nicht einmal das denkunabhängig. Es ist ein Postulat, dass das gelten soll. Es hat sich aber so bewährt, dass man eine Ontologie darauf aufbauen kann.

    Das ist in etwa das, was ich dann als IBM bezeichne, und die bestenfalls zu falliblen zeitkernigen Gültigkeiten führt. Das ist aber mehr als das, was ‘die Konkurrenz’ bieten kann.

    Denkunabhängig sind nur die Clicks in einem Detektor, aber nicht die Quarks, Elektronen, Photonen etc. aus unseren Theorien, mit welchen wir uns vermittels unseres Verstandes begreiflich zu machen versuchen, wie die Clicks zustandekommen.

    S.o. Aber eben in einer postulierten ‘Welt an sich’.

    Es ist durchaus falsch zu glauben, die Physik könne herausfinden, wie die Natur die Clicks und andere Phänomene hervorbringt. Die Physik kann uns lediglich sagen, wie wir uns vorstellen können, auf welche Weise die Phänomene hervorgegebracht werden.

    Exakt meine Position, aber unter der Prämisse, dass nicht einmal die Physik herausfinden kann, ob es eine ‘Welt an sich’ gibt.

    Aber dann geht es noch weiter ….

    Dazu braucht es keine Metaphysik — ganz egal, ob nun gleichgesetzt mit Ontologie oder nicht.

    Es geht darum, wie die postulierte ‘Welt an sich’ aussehen müsste, damit das alles, sollte es etwas geben, funktioniert. Wenn das keine metaphysischen bzw. ontologischen Fragen sind, was wäre dann unter solchen Fragen zu verstehen?

    Und was speziell das grandiose Welt-Postulat angeht: Die “Welt” ist eben kein Phänomen, kein Gegenstand möglichen Erfahrungswissens. Denn “Welt” ist nur die Bezeichnung für eine regulative Idee, für eine in der Vorstellung gedanklich vollzogene Zusammenfassung von Erscheinungen zu einer totalen Gesamtheit, die jedoch selbst keine Erscheinung ist und insbesondere kein Ding, auf das irgendwer zeigen und das man erforschen könnte.

    Exakt das, was ich mit (nicht radikalem) Konstruktivismus meine, auf den sich dann die ontologischen bzw. metaphysischen Fragen beziehen. Als Corollar dazu, dass Denken in Sätzen über Sätze niemals eine Begründung für eine Ontologie liefern kann, wenn der ‘Input’ der empirischen Wissenschaften fehlt.

    Meine Argumentation fängt mehr oder weniger dort an, wo wir jetzt stehen.

    Und die Frage bleibt immer noch, warum man eine Übernatur in diese Ontologie einbauen sollte, und sei das nur als Schlupfloch.

  685. @Karl Maier 12.04.2021, 00:28 Uhr

    Tolle Leistung oder bedauernswerte Emanzipation?

    Wenn ich mir die Dialoge der letzten 48 Stunden so ansehe, schließe ich daraus, dass wir alle doch sicher, satt, warm und trocken zuhause sitzen und uns darüber unterhalten können, …

    Sehen Sie das nun als eine tolle Errungenschaft dessen an, was das menschliche Denken ermöglicht hat, oder trauern Sie den Zeiten nach, als man durch die Problematik, das Essen für den nächsten Tag zu sichern, für alles und jedes eine Übernatur bemühen musste, weil man nicht wissen konnte, wo die Sonne nachts ist?

  686. @Chrys 12.04.2021, 00:34 Uhr

    ‘Mem’ als überflüssiges Synonym für ‘Idee’

    Denn als einziger Versuch, körperlose kleine Geister in die Wissenschaft einzubringen, fallen mir nur die Meme des die-hard Naturalisten Richard Dawkins ein. Dank der normativen Kraft des Faktischen scheint sich diese Affaire zum Glück inzwischen weitestgehend erledigt zu haben.

    Vielleicht interessiert Sie, was Mahner / Bunge dazu schreiben:

    … daß der Begriff des Mems, von Dawkins (1978) als Analogie zum Genbegriff eingeführt, nur eine Metapher ist sowie ein überflüssiges Synonym für ‘Idee’.

    Mahner, M.; Bunge, M. (2000) ‘Philosophische Grundlagen der Biologie’ Berlin; mult., Springer, S. 63

  687. Sind nicht “Covid19” und “Coronavirus” zur Zeit gängige Meme? Das sind Ideen, die in sprachlich fester Form formuliert sind und so einheitlich dargestellt und allgemein verbreitet und verständlich werden. Das verhindert nicht ihre Mutation durch Veränderungen der wissenschaftlichen Erkenntnisse oder kulturellen Anpassung. Ganz abwegig ist die Idee von den Memen nicht, als Parallele zu den Genen. Natürlich wird das Mem selbst zum Mem, wenn es sich durchsetzen würde.

  688. @Chrys // 12.04.2021, 00:34 Uhr

    » Denn als einziger Versuch, körperlose kleine Geister in die Wissenschaft einzubringen, fallen mir nur die Meme des die-hard Naturalisten Richard Dawkins ein. «

    Schon mal was von „Homöopathie“ gehört?

    Wie könnte ohne die Zuhilfenahme kleiner Geister heilsame „Information“ ins Wasser gelangen?

    In Nature wurden vor rund 30 Jahren mal Forschungsergebnisse veröffentlicht, da haben sich viele gefragt, ob da alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Wenn sich diese Ergebnisse bei Anwendung korrekter „scientific methods“ bestätigt hätten, wäre es in der Biomedizin wohl zu einem Paradigmenwechsel gekommen. Und in der Biophysik sicher auch. Mindestens.

    Aber im Vertrauen darauf, dass es überall mit rechten Dingen zugeht und weder Hexenwerk noch Magie eine Rolle spielen können, wurde die Sache schließlich aufgeklärt.

    Näheres dazu hier.

  689. @Thomas Waschke / 12.04.2021, 06:03 Uhr

    »Die Frage ist, warum diese Regeln funktionieren.«

    Die Meta-Frage dazu wäre, welche Erwartungshaltung an eine Antwort mit einer solchen Frage eigentlich verbunden wird. Die Fragestellung, sofern sie für sinnvoll gehalten wird, setzt eigentlich bereits voraus, dass es möglich sein sollte, irgendwie “hinter die Phänomene” zu schauen, dass sich dahinter noch eine weitere Ebene der Erkenntnis verbirgt, die noch fundamentaler ist als jene des logisch-empirischen Wissens.

    Mit der Fragestellung wird ein Münchhausen-Trilemma-Szenario heraufbeschworen, denn auf jede inhaltliche Antwort liesse sich wiederum mit “Warum?” nach einer noch tiefer verborgenen Ebene der Erkenntnis fragen. Einzig mit “dogmatschem” Abbruch käme man da wieder heraus. Wobei dahingestellt sei, ob die Abbruch-Kriterien dann tatsächlich immer dogmatisch sein müssten oder bisweilen durchaus auch rational sein könnten.

  690. Vielleicht lässt sich die Frage nach immer tiefer gehenden Begründungen durch den Satz beantworten: “Es ist wie es ist”,
    und zwar so:
    Licht ist weder hell noch dunkel. Leben hat ein Sensorium für Licht ausgebildet, weil Photonen überall durch den Raum strömen. Wir sind also lediglich sensibel für die Wahrnehmung von elektromagnetischer Strahlung. Und die Frage ist, hätten wir ohne optische Informationsverarbeitung ein Gehirn ausgebildet? Wenn wir die Frage mit Nein beantworten, hieße das, dass unser Intellekt unmittelbar an die Beschaffenheit des Universums gebunden ist. Das würde bedeuten, ein Ding an sich gibt es nicht oder ist zumindest eine unsinnige Konstruktion.
    Zwar kann man die Frage stellen, ob Leben auch anders möglich wäre, etwa auf Siliziumbasis oder in einer Methanumgebung. Hätte dann ein möglicher Intellekt andere Erkenntnismöglichkeiten, könnte er das Ding an sich als solches erkennen? Kaum. Er hätte nur eine andere modale Beziehung zum Universum.
    Was heißt das? Jegliche Spekulation über Dinge an sich ist überflüssig. Ebenso wie jede Metaphysik. Wir können nichts anderes tun, als zu versuchen, die Welt mit unseren (sensorischen und intellektuellen) Mitteln weiter zu erforschen, allerdings ohne das Ziel, irgendeine absolute Wahrheit zu finden.

  691. @reutlinger 11.04. 14:23

    „Es gibt keinen vernünftigen Grund für die Annahme, dass ein Gehirn fundamental anders funktionieren würde als die übrige Welt.“

    Ich meine aber doch. Wenn sich in der Außenwelt kein Geist zeigt, dann liegt das daran, dass er da nichts hinzuzufügen hat. In der Innenwelt gibt es aber was hinzuzufügen. Letztlich käme ich ohne spirituelle Erfahrungen aber auch nicht auf die Idee einer Übernatur.

    Und unabhängig von der Frage ob Geist oder nicht, ist ein Gehirn als Informationsverarbeitungssystem schon was ganz anderes, als ein Bakterium, ein Berg oder eine Brücke. So wie auch in der Technik ein Verbrennungsmotor und der Computer, der den Motor steuernd optimiert, aus ganz unterschiedlichen technischen Bereichen kommt.

    @Chrys 11.04. 16:47

    „Es ist durchaus falsch zu glauben, die Physik könne herausfinden, wie die Natur die Clicks und andere Phänomene hervorbringt. Die Physik kann uns lediglich sagen, wie wir uns vorstellen können, auf welche Weise die Phänomene hervorgegebracht werden.“

    Es geht letztlich um Weltbilder, die wir uns machen. Da gibt es meistens mehr als eine Lösung für.

    @Grams 11.04. 17:02

    „Was geht verloren, wenn ich das neu formuliere?
    Damit wir überhaupt mit empirischen Methoden wie Messung oder Experiment Erkenntnis gewinnen können, müssen Einflussgrößen kontrollierbar sein und die so gewonnenen Daten gesetzmäßiges Verhalten erkennen lassen.“

    Genau das genügt. Insbesondere in der Psychologie ist es ganz deutlich, dass die zu beobachtenden Gesetzmäßigkeiten meistens kaum in einen absoluten Zusammenhang gebracht werden können. Mehr geht hier meistens nicht, es ist ja schon fast die Ausnahme, dass psychologische Studien überhaupt reproduzierbar sind. Und doch ist das eben Wissenschaft: Das Fachgebiet Psychologie muss sich damit begnügen, weil der Hirnforscher hier eher noch weniger beizutragen hat, zumindest auf dem Stand heutiger Technik.

    An Teilchenbeschleunigern hat man eben mit den rein mechanischen Gegebenheiten zu tun, und kann sich ein schönes Standardmodell machen. Wenn es um das Leben, insbesondere um das Innenleben geht, geraten wir nun mal in Bereiche, die nicht so simpel modellierbar sind.

    Zur Faktenbasis gehören im Leben die unterschiedlichsten Erfahrungen der verschiedenen Individuen, der Teilchenbeschleuniger ist nur eine simple Maschine, die auf die selbe Frage tatsächlich immer dieselbe Antwort gibt. Daraus kann man ein simples Weltmodell herleiten. Das funktioniert aber im wilden Leben nicht.

    Man kann natürlich alles Psychologische ausblenden, und sagen, die Hirnforschung wird irgendwann alle Probleme lösen. Und einfach glauben, dass auch das, was man noch gar nicht kennt, alles mit rechten Dingen zugeht. Gesichertes Wissen ist das dann aber nicht.

    Und das ist auch bezüglich der Einstellung als Forscher eher suboptimal: Wenn man schon vor der eigentlichen Untersuchung zu wissen glaubt, dass alles mit rechten Dingen zugeht, kommt man eben auch nur mit Phänomenen zurecht, bei denen dies auch zutrifft. Aber genau das macht man ja auch: Man folgt nur den Regelmäßigkeiten, die man findet. Das ist auch soweit noch in Ordnung, erst wenn man dann auf alles Andere extrapoliert, gerät man in einen fundamentalistischen Naturalismus.

    Wenn man Wissenschaft nur aus Interesse an der Welt betreibt, genügt es, wenn Einflussgrößen kontrollierbar sind und die so gewonnenen Daten gesetzmäßiges Verhalten erkennen lassen. Wenn man Wissenschaft betreibt, um Spiritualität und Religiosität loszuwerden, ohne sich damit auseinandersetzen zu müssen, dann reicht das natürlich nicht. Dann geht es ja ums Postulat selber: Alles geht mit rechten Dingen zu.

    Das ist jedenfalls keineswegs die Voraussetzung dazu, überhaupt Wissenschaft betreiben zu können. Wenn das meiste mit rechten Dingen zugeht, kann man schon genug Regelmäßigkeiten finden, die weiterhelfen. Wenn man aber die Dinge, die eben dann doch nicht mit rechten Dingen zugehen, untersuchen will, muss man sich natürlich darauf einlassen. Zumindest für den Fall, dass es diese wirklich gibt.

  692. @Chrys 12.04.2021, 12:43 Uhr

    [Thomas Waschke]»Die Frage ist, warum diese Regeln funktionieren.«

    Die Meta-Frage dazu wäre, welche Erwartungshaltung an eine Antwort mit einer solchen Frage eigentlich verbunden wird.

    Eigentlich geht es im aktuellen Kontext eher um die Konstruktion einer möglichst konsistenten Ontologie.

    Letztlich ist das das Argument von Mahner, warum der ontologische Naturalismus die Basis des methodologischen ist. Einige Details habe ich geschildert, letztlich diskutieren wir aber aktuell etwas anderes.

    Die Antwort besteht in einer Hypothese, zeitkernig gültig unter Fallibilitätsvorbehalt.

    Die Fragestellung, sofern sie für sinnvoll gehalten wird, setzt eigentlich bereits voraus, dass es möglich sein sollte, irgendwie “hinter die Phänomene” zu schauen, dass sich dahinter noch eine weitere Ebene der Erkenntnis verbirgt, die noch fundamentaler ist als jene des logisch-empirischen Wissens.

    Eigentlich nicht, denn sie basiert auf der Erwartung, dass genau das nicht möglich ist.

    Mit der Fragestellung wird ein Münchhausen-Trilemma-Szenario heraufbeschworen, denn auf jede inhaltliche Antwort liesse sich wiederum mit “Warum?” nach einer noch tiefer verborgenen Ebene der Erkenntnis fragen. Einzig mit “dogmatschem” Abbruch käme man da wieder heraus.

    Nein. Es geht darum, dass man aus dem, was man (als zeitkernige Gültigkeit) erkannt zu haben glaubt, ein konsistentes Weltbild konstruiert. Und auf der Basis dieses Weltbilds in Konkurrenz zu anderen tritt, beispielsweise zu supranaturalistischen. Wobei man seine Ontologie dem jeweiligen Stand der Erkenntnis anpassen muss.

    Wobei dahingestellt sei, ob die Abbruch-Kriterien dann tatsächlich immer dogmatisch sein müssten oder bisweilen durchaus auch rational sein könnten.

    Wie gesagt, zentral für mich ist hier die Frage, ob man in seine Ontologie eine Übernatur einbaut, genauer, wie man diesen Schritt begründet. Eine Übernatur wird nicht a priori und prinzipiell ausgeschlossen, es wird nur konstatiert, dass nicht genug für deren Existenz spricht. Zumindest so lange, bis jemand zeigen kann, was die Einführung einer Übernatur an Erkenntnisgewinn bringt.

    Nur zur Sicherheit: Ich vertrete meinen Standpunkt, nicht den irgendwelcher Autoren (auch wenn er sich weitgehend mit bestimmten Ansätzen deckt). Durch meine Beschäftigung mit der Intelligent Design Bewegung bin ich durchaus zu der Erkenntnis gelangt, dass es gute Argumente für eine eingreifende Übernatur geben könnte, und ich kenne sogar Modelle für eine derartige Ontologie.

    Mein Standpunkt ist ähnlich wie der von

    Monton, B. (2009) ‘Seeking God in Science. An Atheist Defends Intelligent Design’ Toronto, Broadview Press

    allerdings aus der Sicht der Biologie (das, was Monton diesbezüglich schreibt, ist wenig tragfähig, aber man könnte das besser machen), während Monton von der Ebene der theoretischen Physik her argumentiert. Letztlich bedeutet das, dass ich wie Monton gute Argumente für Design sehe, aber eben nicht so gute, dass ich von meinem Naturalismus abrücken würde.

  693. @Chrys
    12.04.2021, 12:43 Uhr

    @Thomas Waschke »Die Frage ist, warum diese Regeln funktionieren.«

    Die Meta-Frage dazu wäre, welche Erwartungshaltung an eine Antwort mit einer solchen Frage eigentlich verbunden wird. Die Fragestellung, sofern sie für sinnvoll gehalten wird, setzt eigentlich bereits voraus, dass es möglich sein sollte, irgendwie “hinter die Phänomene” zu schauen, dass sich dahinter noch eine weitere Ebene der Erkenntnis verbirgt, die noch fundamentaler ist als jene des logisch-empirischen Wissens.

    Hat nicht auch Kardinal Bellarmin sowas gegen Galilei ins Feld geführt: Bitte schön bei den Erscheinungen bleiben und ja nicht “hinter die Phänomene” blicken! Also bitte weg mit dem transphänomenal-realistischen Unfug eines heliozentrischen Systems! Glücklicherweise haben sich die Naturwissenschaften nie an den Phänomenalismus gehalten und sind geradezu zu Wissenschaften des Transphänomenalen geworden.

    Jedenfalls dann, wenn man “Phänomen” im Sinne des Phänomenlismus versteht, nicht im inflationären Alltagssinne, in dem alles Mögliche damit gemeint sein kann, sogar transphänomenale Dinge oder Prozesse wie Evolution. Mit anderen Worten: Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Anhänger des logisch-empiristischen Phänomenalismus es über 50 Jahre nach dem Tod des Neopositivismus immer noch zu geben scheint…

  694. @Martin Mahner 12.04.2021, 18:12 Uhr

    Dafür hätte ich gern Belege (Quellenangaben):

    Hat nicht auch Kardinal Bellarmin sowas gegen Galilei ins Feld geführt: Bitte schön bei den Erscheinungen bleiben und ja nicht “hinter die Phänomene” blicken!

    Wenn ich mich recht erinnere, standen Kopernikus’ Weltbild und das des Tycho Brahe einander unentschieden gegenüber. Galilei hielt sich nicht an eine entsprechende Zusage gegenüber dem Papst. Das machte beiden Seiten große Probleme. Dass damals irgend jemand den Vorwurf des “transphänomenal-realistischen Unfugs” erhoben haben soll, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

  695. @Mahner: das ist keine inhaltliche Argumentation, das ist Begriffshuberei.

  696. @ Wolfgang Stegemann
    12.04.2021, 19:16 Uhr

    @Mahner: das ist keine inhaltliche Argumentation, das ist Begriffshuberei.

    Nein, ist es nicht. Wenn es einen Unterschied geben soll zwischen Phänomenalismus und Realismus, dann ist ersterer auf einen bestimmten Phänomenbegriff festgelegt, nämlich auf den des sinnlich Erfahrbaren, der Erscheinungen im wörtlichen Sinne. Die Evolution der Saurier ist sicher nicht sinnlich erfahrbar, nicht einmal in einem sehr weiten Sinne.

    @ Timm Grams
    Wie so oft, verstehen Sie miss. Sie sollten parabelhafte Zuspitzungen nicht wörtlich verstehen. Galilei hatte Ärger mit dem phänomenalistisch argumentierenden Bellarmin, weil er das heliozentrische System nicht als rein hypothetische Denkmöglichkeit betrachten wollte, sondern darauf bestand, es realistisch zu interpretieren (von dessen Wahrheit auszugehen). Das war der philosophisch interessante Knackpunkt. Und man darf doch sicher die dahinter steckende Frage aufwerfen, wie sich jemand eine phänomenalistische Wissenschaft vorstellt, die sich letztlich durch Erkenntnisdesinteresse auszeichnet, weil sie mit dem Oberflächlichen zufrieden ist. Wissenschaft hat immer versucht, hinter die Erscheinungen zu blicken und nach tiefer liegenden Ursachen und Mechanismen gefragt.

  697. @Martin Mahner 12.04.2021, 20:30 Uhr

    Semantische Verschiebungen sind ein Mittel der Rabulistik:

    Galilei hatte Ärger mit dem phänomenalistisch argumentierenden Bellarmin, weil er das heliozentrische System nicht als rein hypothetische Denkmöglichkeit betrachten wollte, sondern darauf bestand, es realistisch zu interpretieren (von dessen Wahrheit auszugehen).

    Man kann “realiistisch” alltagssprachlich auffassen, Sie aber wollen damit Ihre Ontologie transportieren. Dafür bin ich nicht empfänglich.

  698. Thomas Waschke
    12.04.2021, 07:11 Uhr
    Tolle Leistung oder bedauernswerte Emanzipation?

    Es ist interessant, dass Sie die Frage nach “wo ist die Sonne nachts” hier erwähnt haben. Wenn Sie sich den “Sonnenwagen von Trundholm” anschauen, ein exquisites Stück frühzeitlicher Hochtechnologie ( Feinguss nach dem Wachsauschmelzverfahren ), werden Sie sehen, dass eine Seite der Sonnenscheibe mit Gold belegt ist, die andere Seite war es laut Analyse der Archäometallurgen nie. Ziehen die Pferde den Wagen und schaut man nach Süden ( dahin, wo die Sonne ist, wenn man das Teil herstellt ), bewegt sich das Gefährt von Ost nach West und man sieht die Gold-Sonnen-Seite. Ziehen hingegen die Pferde den Wagen wieder zurück, von West nach Ost ( und man blickt nach Süden … ), sieht man die dunkle Bronzeseite, also nichts. Es ist doch wohl klar, dass die Sonne nur auf der Vorderseite leuchtet, auf der Rückseite ist sie dunkel, deshalb sieht man sie auch in der Nacht nicht.

    Aber zurück zum Gehirn: Diese biologische Rechenmaschine, ursprünglich nur als sich immer weiter entwickelnde Überlebensmaschine in Funktion, hat Fähigkeiten der nervösen Multi-Verschaltung erworben, die uns an “morgen” und “übermorgen” denken lassen können, die uns im Stein den zukünftigen Faustkeil erkennen lassen, die uns die Keramikofentechnik und in Folge die Gießtechnik ermöglicht haben … die uns zum Mond und zurück gebracht haben, vor allem aber, dass wir zwar mühsam, aber doch gelernt haben, erfolgreiche Vorratswirtschaft zu betreiben, Pflanzen und Tiere zu züchten, die uns die Seife und die Medizin gebracht haben und nicht zu vergessen, einen möglichst großen Abstand zwischen Abort und Trinkwasserhahn herzustellen, alles eine Folge der Funktion des Gehirns. Denn selbst, wenn wir ein … Wesen annähmen, so lesen wir, dass geschrieben steht: “Machet euch die Erde untertan!”, da steht nicht, wie man einen Ofen baut, Seife kocht – nun gut, dass man das Abort abseits des Lagers errichtet und die Hinterlassenschaft zudecken soll, steht so schon drin, aber nicht mehr, es wird immer nur der Rahmen oder das Ziel genannt, wir wir den ausfüllen oder das erreichen, liegt in unserem Hirn-Ermessen.

    Diese aus unserer heutigen Sicht nützlichen Funktions-Eigenschaften des Gehirns gehen nun aber einher mit Fragen, die nichts direkt mit dem Überleben zu tun haben. In der Form als Nachdenken über ein gedeihliches Zusammenleben in der Gesellschaft sind Gedanken über immaterielle Themen auch nützlich, aber als Frage nach dem “Ding an sich” hinter dem “Ding” ist es aus meiner Sicht der Leerlauf einer nicht ausgelasteten Denkmaschine. Ich halte das für einen ( anthropomorph gedacht ) “ungeplanten Nebeneffekt” einer im Grunde nützlichen Eigenschaft.
    Als “geistige Fingerübung” zum Üben einer möglichst exakten Beschreibung eines Umstandes, um diesen dann so erklären zu können, dass Vorhersagen für die Zukunft treffsicher möglich sind, ja ( das war ja der Startpunkt der Entwicklung ), als eine um sich selbst drehende Beschäftigung mit sich selbst, nein.

    Insofern war mein Statement eine Lobes-/Liebeserklärung für diese Denkmaschine und eine Kritik an der Weise, wie wir sie hier ( zum Teil ) verwenden.

  699. @Karl Maier 12.04.2021, 22:45 Uhr

    Es ist interessant, dass Sie die Frage nach “wo ist die Sonne nachts” hier erwähnt haben.

    War nur eine Metapher für die Grenzen der Erkenntnis von Menschen, deren angebliche Offenbarungen von manchen heute noch ernst genommen werden.

    Ich halte das für einen ( anthropomorph gedacht ) “ungeplanten Nebeneffekt” einer im Grunde nützlichen Eigenschaft.

    Es gibt sogar einen Fachbegriff dafür:

    Gould, S.J.; Vrba, E.S. (1982) ‘Exaptation – a missing term in the science of form’ Paleobiol. 8:4-15

    Insofern war mein Statement eine Lobes-/Liebeserklärung für diese Denkmaschine und eine Kritik an der Weise, wie wir sie hier ( zum Teil ) verwenden.

    Danke für die Klärung 🙂

  700. @Mahner: “Wenn es einen Unterschied geben soll zwischen Phänomenalismus und Realismus, dann ist ersterer auf einen bestimmten Phänomenbegriff festgelegt, nämlich auf den des sinnlich Erfahrbaren, der Erscheinungen im wörtlichen Sinne. Die Evolution der Saurier ist sicher nicht sinnlich erfahrbar, nicht einmal in einem sehr weiten Sinne.”

    Das ist Ihre Definition von Phänomen. Deshalb finde ich metatheoretische (-ismus) Diskussionen wenig ergiebig.
    Natürlich hat das Phänomen und seine Beschreibung seine Berechtigung. Wie wollen Sie sonst Emergenzen im Bereich des Lebendigen beschreiben, ohne sie in reduktionistischer Weise auf Elemente (welche?) zu reduzieren. Nehmen Sie das Bewusstsein als Eigenschaft des Gehirns oder meinetwegen das Gehirn selbst. In einer Ontologie, die nicht einseitig biologisch aussehen soll, muss ein solches Phänomen reduziert werden auf das zugrunde liegende Prinzip, und das wäre hier allgemein die Regulation nach außen und innen. Mit der darauf folgenden (Re-) Konstruktion haben Sie dann einen weiten Begriff von Bewusstsein, den Sie von allen einzelwissenschaftlichen Seiten betrachten können. Und hier hat dann purer Naturalismus keine Berechtigung.

  701. @Stegemann
    Natürlich hat das Phänomen und seine Beschreibung seine Berechtigung. Wie wollen Sie sonst Emergenzen im Bereich des Lebendigen beschreiben, ohne sie in reduktionistischer Weise auf Elemente (welche?) zu reduzieren.

    Eigentlich bedeuten Phänomen und Emergenz dasselbe, nämlich “Erscheinung” bzw. “Auftauchen”. Das Auftauchen bedeutet implizit, dass etwas im Untergrund schon fertig vorhanden ist! Das steht offenbar im Widerspruch zum Gebrauch des Begriffes.

    “Emergenz” ist ein Begriff, von dem sich offenbar viele Menschen täuschen lassen. Es ist trivial, dass die Gravitation erst dann “auftaucht”, wenn ein zweiter Körper im Gravitationsfeld erscheint. Sie, bzw. das Gravitationsfeld, ist aber schon vorher vorhanden.

    Chemische Reaktionen finden erst dann statt, wenn die betreffenden Moleküle eng genug zusammenrücken. Laien machen sich keine Vorstellung, welche Bedingungen in einer lebenden Zelle gegeben sein müssen, damit eine chemische Reaktion geschehen kann. Meist sind dafür zusätzlich Enzyme als Katalysatoren erforderlich, oder bestimmte Untereinheiten von Proteinen übernehmen diese Aufgabe (prosthetische Gruppen).

  702. Definitionen von “Oxford Languages”:

    Emergenz: Begriff der neueren englischen Philosophie, wonach höhere Seinsstufen durch neu auftauchende Qualitäten aus niederen entstehen

    Phänomen: In der Philosophie das Erscheinende, sich den Sinnen Zeigende; der sich der Erkenntnis darbietende Bewusstseinsinhalt.

    Natürlich kann man die Begriffe auch anders verwenden, sollte dann aber immer genau erläutern, was jeweils gemeint ist. Begriffe sind “Werkzeuge”.

  703. @Feodor
    Kein Widerspruch; Begriffe haben eine objektive Bedeutung, z.B. gemäß Wörterbuch, und zusätzlich einen Sinn, der sich aus dem eher subjektiven Gebrauch ergibt. Viele Begriffe haben bekanntlich mehrere Bedeutungen, oder haben zusätzlich eine “übertragene Bedeutung”, d.h. einen anderen Sinn.

    Emergenz kann nichts Neues erbringen, es sei denn physikalisch Neues, kann aber Vorhandenes sichtbar oder erkennbar machen. Dasselbe geschieht, wenn man einen Körper oder Messfühler in ein Kraftfeld bringt, um die Kraft bestimmen und anzeigen zu können. Kommt ein Wasserstoff-Luft-Gemisch mit Feuer zusammen, gibt es die explosive Knallgasreaktion und es entsteht Wasser, mit anderen, oder “emergenten”, Eigenschaften. Das ist ganz normale Chemie.

  704. @Thomas Waschke // 12.04.2021, 07:06 Uhr

    »[@Chrys] Das einzige, was als denkunabhängig gelten kann, sind phänomenale Muster in unseren sinnlichen Wahrnehmungen, empirischen Observationen und experimentellen Messungen, oder wie immer man dergleichen zu nennen beliebt.
    Hier trennen sich unsere Wege. Aus meiner Sicht gilt nicht einmal das denkunabhängig. Es ist ein Postulat, dass das gelten soll. «

    Was mich betrifft, ich bleibe auf dem Pfad der Tugend, es ergibt (für mich) keinen Sinn, die Denkunabhängigkeit der Naturvorgänge in Zweifel zu ziehen—im Unterschied zu den diversen Postulaten über die Natur der Dinge, die sind bloß gedankliche Konstrukte.

  705. @Martin Mahner / 12.04.2021, 18:12 Uhr

    Als Phänomen gilt etwa in der Physik alles, was sich zum formalen Gegenstand möglicher empirischer Untersuchungen machen lässt. Erklärungen oder observationell testbare Aussagen zu einem in Betracht stehenden Phänomen kann die Physik nur anhand theoriebasierter Modelle dieses Phänomens liefern. Massgeblich für die Brauchbarkeit eines Modells — resp. der unterliegenden Theorie — ist schlussendlich einzig der Grad an Verlässlichkeit der daraus erhaltenen testbaren Aussagen.

    Demnach schaut dabei der Experimenter auf das Phänomen, während der Theoretiker auf eine modellhafte Darstellung des Phänomens schaut, aber keiner schaut hinter das Phänomen. Das heisst, beide gemeinsam können etwas zur Brauchbarkeit oder Verlässlichkeit ihrer Erklärungen des Phänomens sagen, aber sie können nichts dazu sagen, warum ihre Erklärungen so gut sind, sofern sie denn gut sind.

    Meines Wissens hat Galilei kein Argument vorbringen können, wieso das geozentrische Bild als falsifiziert und folglich das heliozentrische als das bessere zu akzeptieren sei. Danach befragt, soll Galilei die Gezeiten angeführt haben, was falsch ist und bereits von Kepler völlig korekt mit dem Mond in Verbindung gebracht worden war. Falls der Kardinal Bellarmin der Fragesteller war, hat er damit exakt einen Schwachpunkt in Galileis Argumentation erwischt, und insofern ist der Spielstand hier: Bellarmin 1 — Galilei 0.

  706. @Martin Mahner 12.04.2021, 20:30 Uhr

    Vor sechs Jahren beschrieb ich, worin mich Martin Mahner jetzt ungewollt bestätigt:

    Ich halte den ontologischen Naturalismus Mahnerscher Prägung für Wortgeklingel, für Prosa ohne tieferen Sinn.

    Da wird eine gegenüber dem naiven Realismus tiefere Version dieser Denkungsart versprochen. Aber schon der Einstieg in die Philosophie des ontologischen Naturalismus ist von erschreckender Unbedarftheit: „ Es gibt nur eine – kausal geschlossene – Natur, in der alles ‚mit rechten Dingen‘ zugeht, aber keine Übernatur“ (Martin Mahner, 2007).

    Meine Einlassung, dass die Kausalitätserwartung ein angeborener Lehrmeister sei, dass das Kausalitätsprinzip im Laufe der Stammesgeschichte gelernt werde, dass es letztlich dazu diene, die Welt in unserem Kopf zu ordnen, wurde […] mit dem Satz „Das Kausalitätsprinzip beschreibt zutreffend gewisse objektive Eigenschaften der Realität, auch wenn es in den physikalischen Grundgesetzen gar nicht ausdrücklich vorkommt“ gekontert. Die Kausalität soll ein ewig gültiges, der objektiven Realität anhaftendes Gesetz sein? Dafür gibt es keine Belege; die Naturgesetze schweigen sich – wie man bereit ist, zuzugestehen – darüber aus.

  707. @Balanus / 12.04.2021, 12:05 Uhr

    Vor dem zeitgenössischen Hintergrund der deutschen romantischen Naturphilosophie würde es mich nicht wundern, wenn Hahnemann sein homöopathisches Ähnlichkeitsprinzip einfach für ein von ihm entdecktes Naturprinzip gehalten hätte. Hast Du mal ein naturphilos. Lehrbuch aus jener Zeit angeschaut? Von Lorenz Oken etwa, oder G.W.F. Hegel, die irgendwo online einsehbar sind. Da würde Hahnemann nicht störend auffallen. Wie er es mit der Geisterwelt gehalten hat, weiss ich leider nicht.

    Und wie es diesbezüglich um Jacques Benveniste stand, ist mir auch nicht ersichtlich. Er hat sich nicht an die Regeln gehalten und anscheinend sogar die relevanten Experimente niemals selbst durchgeführt. Ausserdem er hat sich wohl in seine eigene These verliebt, womit man sich leicht zum Narren machen kann. Don’t forget,

    The first principle is that you must not fool yourself — and you are the easiest person to fool.
    —Richard P. Feynman

  708. @Chrys
    13.04.2021, 12:17 Uhr

    Als Phänomen gilt etwa in der Physik alles, was sich zum formalen Gegenstand möglicher empirischer Untersuchungen machen lässt. Erklärungen oder observationell testbare Aussagen zu einem in Betracht stehenden Phänomen kann die Physik nur anhand theoriebasierter Modelle dieses Phänomens liefern. Massgeblich für die Brauchbarkeit eines Modells — resp. der unterliegenden Theorie — ist schlussendlich einzig der Grad an Verlässlichkeit der daraus erhaltenen testbaren Aussagen.

    Demnach schaut dabei der Experimenter auf das Phänomen, während der Theoretiker auf eine modellhafte Darstellung des Phänomens schaut, aber keiner schaut hinter das Phänomen. Das heisst, beide gemeinsam können etwas zur Brauchbarkeit oder Verlässlichkeit ihrer Erklärungen des Phänomens sagen, aber sie können nichts dazu sagen, warum ihre Erklärungen so gut sind, sofern sie denn gut sind.

    Dann können Phänomene also auch unbeobachtbare Objekte oder Vorgänge sein? Dann ist der Begriff überflüssig. Und vor allem kein Quell für einen Phänomenalismus, wie er aus Ihren früheren Beiträgen durchschien. Dennoch finde ich das, was die oben sagen, für eine unnötig eingeschränkte – naja, eben eng empiristische – Sichtweise.

    Meines Wissens hat Galilei kein Argument vorbringen können, wieso das geozentrische Bild als falsifiziert und folglich das heliozentrische als das bessere zu akzeptieren sei. Danach befragt, soll Galilei die Gezeiten angeführt haben, was falsch ist und bereits von Kepler völlig korekt mit dem Mond in Verbindung gebracht worden war. Falls der Kardinal Bellarmin der Fragesteller war, hat er damit exakt einen Schwachpunkt in Galileis Argumentation erwischt, und insofern ist der Spielstand hier: Bellarmin 1 — Galilei 0.

    Falsifikation als Basis der Theoriewahl mag zwar immer mal vorkommen, aber viel häufiger werden Theorien nicht aufgegeben, weil sie falsifziert wären, sondern weil es schlichtweg bessere gibt. Und bei Galilei war es schon so. Thomas Waschke hat ja IBE schon erwähnt, und genau das ist auch oft das Prinzip der Theoriewahl. Auch gerade bei “großen” historischen Beispielen. Beispiele findet man HIER. Die falsifikationistische Sichtweise ist heute schon als eher antiquiert zu betrachten…

  709. @Balanus
    Was mich betrifft, ich bleibe auf dem Pfad der Tugend, es ergibt (für mich) keinen Sinn, die Denkunabhängigkeit der Naturvorgänge in Zweifel zu ziehen

    Der Begriff “denkunabhängig” ist denkbar ungeeignet gewählt. Dass die Welt nicht so ist, wie sie unseren Sinnen erscheint, das ist evident und unbestreitbar. Zusätzlich machen (konstruieren) wir uns ein gedankliches Bild von der komplexen und veränderlichen Welt, das dem begrenzten Wissen und den jeweiligen Erfahrungen entspricht, auch durch Kommunikaton mit den Menschen der Umgebung.

    Im Verlauf der Evolution haben sich die Erscheinung der Natur gegenüber den Sinnen und die Lebenserfordernisse des Menschen einander angepasst. Dieses Weltbild ist nicht beliebig, aber es ist perspektivisch und äußerst lückenhaft. Es bildet die empirische Quelle der Naturwissenschaft, aber die Naturwissenschaft muss dieses Weltbild methodisch überwinden, durch objektive Abstraktion, Approximation und Idealisierung, Segregation und Aggregation, Generalisierung.

  710. @chrys: Ein Phänomen ist irgendwas in der Physik, das sich untersuchen lässt? Ist das alles, was sich über den Begriff sagen lässt?

    Ich vermeide den Begriff Phänomen meist, da er mir zu vage scheint. Und wenn ich ihn doch gebrauche, dann in der engen Bedeutung von Sinneserscheinung.

  711. @Chrys // 13.04.2021, 12:17 Uhr

    » Demnach schaut dabei der Experimenter auf das Phänomen, während der Theoretiker auf eine modellhafte Darstellung des Phänomens schaut, aber keiner schaut hinter das Phänomen.«

    Klar, ein Blick „hinter“ das Phänomen (oder ‚Ereignis‘) wäre ja soviel wie ein Blick ins „Jenseits“ (oder ins Transzendente, wenn‘s philosophisch klingen soll).

    Davon zu unterscheiden wäre aber die Frage, was einem Phänomen (oder ‚Ereignis‘) zugrunde liegt. Beispiel Ebbe und Flut: Die Pegelstände messen ist leicht, die Ursache(n) der Tide herauszufinden ist schon schwieriger. Die Eigenschaften des Phänomens Wassers sind das Eine, das Andere aber sind die diesem Phänomen zugrundeliegenden Phänomene, als da sind die physikalischen Eigenschaften der Wassermoleküle, und weiter die Eigenschaften der atomaren Bestandteile der Wassermoleküle, und noch eine Ebene tiefer, die Eigenschaften der atomaren Bausteine, und so weiter und so fort, bis man eben an die Grenze des Messbaren stößt. Ab da geht es dann nur noch theoretisch weiter.

    Langer Rede kurzer Sinn: Was hinter einem Phänomen liegt, also so etwas wie das Ding „an sich“, ist uninteressant, bedeutsam kann hingegen sein, was dem beobachteten Phänomen unterliegt, also etwa die Ursache(n) von Ebbe und Flut oder warum Wasser unter null Grad Celsius andere Eigenschaften hat als darüber.

    (Das gilt natürlich nur für Leute, für die das Kausalprinzip keine naturalistische Verirrung ist).

    »Ausserdem, er [Benveniste] hat sich wohl in seine eigene These verliebt, womit man sich leicht zum Narren machen kann. «

    Einem Naturalisten passiert so etwas vielleicht nicht ganz so leicht.

    Der entscheidende Punkt in dieser Geschichte ist für mich, dass Benveniste es überhaupt für möglich halten konnte, dass Wasser ein Gedächtnis hat.

    Ich frage mich, ob der ontologische Naturalismus solche Vorstellungen von vorneherein ausschließt. Wenn ja, hätten Naturalisten, die sagen, der ontologische Naturalismus sei eine Grundbedingung für naturwissenschaftliches Arbeiten, m. E. einen Punkt.

  712. @Balanus 13.04.2021, 12:15 Uhr

    [Thomas Waschke] Hier trennen sich unsere Wege [die von @Chrys und mir, T.W.]. Aus meiner Sicht gilt nicht einmal das denkunabhängig. Es ist ein Postulat, dass das gelten soll.

    Was mich betrifft, ich bleibe auf dem Pfad der Tugend, es ergibt (für mich) keinen Sinn, die Denkunabhängigkeit der Naturvorgänge in Zweifel zu ziehen—im Unterschied zu den diversen Postulaten über die Natur der Dinge, die sind bloß gedankliche Konstrukte.

    Ich komme von der Diskussion mit Evolutionsgegnern her, meist solchen, die Bücher schreiben. Besonders die, die irgendeine Art von Intelligent Design vertreten, kennen sich oft in Evolutionsbiologie und Erkenntnistheorie ganz passabel aus.

    Wenn man den Supranaturalisten klar macht, dass man davon ausgeht, dass nicht einmal bewiesen werden kann, dass es eine vom erkennenden Subjekt unabhängig existierende Wirklichkeit gibt und auch Gründe dafür hat, warum das so ist, kann man denen leicht klar machen, dass die Problemchen, die sie damit haben, wie man eine evolutionäre Transition naturalistisch erklären kann, eher marginal sind.

    Von dort aus kommt man dann leicht zu Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, kann zeigen, was man mit welchem Anspruch auf Geltung vertreten kann, und warum welche Anforderungen an Evolutionstheorien wenig Sinn machen. Vor allem, wenn keine supranaturalistische Alternative durchformuliert wird. Vor allem vermeidet man dann das KleinKlein, sich irgendwelche Experimentalbefunde vorzulegen, die eh nicht das zeigen können, was erforderlich wäre.

    Letztlich ist man dann bei IBE (oder, wie @Martin Mahner sagen würde, IBM) und da sieht der Supranaturalismus mit Sicherheit nicht besser aus als der Naturalismus.

  713. @Chrys 13.04.2021, 13:18 Uhr

    Vor dem zeitgenössischen Hintergrund der deutschen romantischen Naturphilosophie würde es mich nicht wundern, wenn Hahnemann sein homöopathisches Ähnlichkeitsprinzip einfach für ein von ihm entdecktes Naturprinzip gehalten hätte.

    Wenn ich richtig informiert bin, war das der Fall.

    Irgendwo (müsste die Quelle jetzt suchen …) habe ich mir mal herausgeschrieben:

    Hahnemann fügte weiterhin hinzu, dass das homöopathische Präparat nur dann wirke, wenn es an einem Gesunden geprüft wurde und bei diesem die Symptome hervorgerufen hat, an denen der Kranke leidet. Diese Annahme betrachtete Hahnemann als ein von ihm entdecktes Naturgesetz. Bis heute gilt dieses Prinzip als die tragende Säule der Homöopathie.

  714. @Balanus
    Der entscheidende Punkt in dieser Geschichte ist für mich, dass Benveniste es überhaupt für möglich halten konnte, dass Wasser ein Gedächtnis hat.

    Wasser hat tatsächlich ein Gedächtnis, aber nicht so, wie sich die Esoteriker das vorstellen. Wasser hat eine Temperatur, die veränderlich ist, aber auch über längere Zeit stabil gehalten werden kann, so wie Daten im Arbeitsspeicher des Computers. Wasser kann Salze oder Spurenelemente enthalten, deren Anteil eine Information darstellt. Destilliertes Wasser allerdings trägt keine Information, es verändert sich nicht. Man könnte die Formel H2O als Information deuten, aber sie ist keine Nachricht, d.h. sie bringt keinen Informationswert.

  715. @anton reutlinger

    Ich habe vor vielen Jahren (muss in den 1970ern gewesen sein) im Kontext mit ‘Polywasser’ (das sich als Irrtum aufgrund von Verunreinigungen durch Silizium aus den Glaskapillaren herausstellte) gelesen, dass Wasser aus Eis, das langsam aufgetaut und nicht über eine bestimmte Temperatur erhitzt wird, in der Lage ist, Proteine zu stabilisieren. Das wurde ‘damals’ ziemlich umfangreich untersucht, ich habe aber nichts mehr davon gehört. Soll angeblich an Clustern liegen, die in diesem Wasser erhalten bleiben und erst bei höheren Temperaturen zerfallen.

    Das wäre zwar kein ‘Gedächtnis’, aber doch ein Effekt, den Wasser unter bestimmten Umständen haben kann.

  716. @Waschke
    Ja, Wasser hat einige seltsame Eigenschaften, die für die Möglichkeit des Lebens entscheidend sind. Ich bin überzeugt, dass Leben nur im Wasser entstehen konnte und dass es auf ganz natürliche Weise entstanden ist. Extraterrestrisches Leben ist sehr wahrscheinlich, menschenähnliche Intelligenz mit Bewusstsein halte ich dagegen für unwahrscheinlich.

  717. @anton reutlinger – Leben aus dem Wasser

    Für die These, dass Leben im Wasser entstanden ist, spricht wohl auch, dass die Zellen eines Land-Lebewesens das benötigte Wasser einfach in sich aufgenommen haben. Für viele Funktionen (in) einer Zelle wird eine wässrige Lösung benötigt.

    In der Wikipedia nachgelesen: Ein erwachsener Mensch besteht zu ungefähr 50 bis 65 % aus Wasser, davon ca. zwei Drittel in Zellen und der Rest im Blut und anderen Körperflüssigkeiten.

  718. @Harald Andresen 13.04.2021, 20:07 Uhr

    Für die These, dass Leben im Wasser entstanden ist, spricht wohl auch, dass die Zellen eines Land-Lebewesens

    … in etwa einen osmotischen Wert haben, der dem des Meerwassers entspricht.

  719. Leben aus dem Wasser

    Aber es darf nicht zuviel Wasser sein, ist schließlich auch ein Lösungsmittel…

  720. @Balanus und andere – Homöopathie

    Zur Homöopathie gehören nicht nur die unwirksamen Medikamente („hoch potenziert“) sondern auch das ausführliche Gespräch des Therapeuten mit dem Patienten. Ich könnte mir vorstellen, dass manch Schulmediziner auch Homöopathie in sein „Repertoire“ aufnimmt, weil ihm die “Alternativmedizin” ein längeres (und abrechenbares) Arztgespräch ermöglicht.

    Oh… Dass ich einmal etwas Positives über Homöopathie schreiben würde.
    Überraschung! Damit hatte ich nicht gerechnet.

  721. @Thomas Waschke // 13.04.2021, 15:57 Uhr

    »Wenn man den Supranaturalisten klar macht, dass man davon ausgeht, dass nicht einmal bewiesen werden kann, dass es eine vom erkennenden Subjekt unabhängig existierende Wirklichkeit gibt und auch Gründe dafür hat, warum das so ist, kann man denen leicht klar machen, dass die Problemchen, die sie damit haben, wie man eine evolutionäre Transition naturalistisch erklären kann, eher marginal sind.«

    Tja, da kann man nur staunen, wenn das bei den „Supranaturalisten“ funktioniert hat.

    Ich bin mit der Materie, also mit der Beweisführung in Sachen denkunabhängiger Realität, nicht so vertraut, aber soweit ich weiß, handelt es sich dabei bloß um ein philosophisches Problem. Kant soll es dem Vernehmen nach als einen Skandal der Philosophie angesehen haben, dass der „Beweis der Realität der Außenwelt“ immer noch nicht gelungen sei.

    Wie dem auch sei, faktisch (und aus gutem Grund) verhalten sich alle Menschen so, als sei die Außenwelt real und vom willentlichen Denken unabhängig. Träume machen halt nicht satt. Könnte man wohl als unmittelbare Evidenz bezeichnen.

  722. Thomas Waschke
    12.04.2021, 23:28 Uhr

    Ich habe den “Sonnenwagen von Trundholm” nicht zufällig auf Ihre Sonnen-Frage genannt.
    Aus meiner Sicht ist dieses handwerkliche Meisterstück eine real-bronzene Antwort auf eine philosophische Frage der damaligen Zeit nach dem “Ding an sich”, nach der Physik hinter der Physik, und ich habe zwar beim Tippen “unbewusst”, aber im Nachhinein ganz bewusst die Formulierung “Es ist doch wohl klar, dass die Sonne nur auf der Vorderseite leuchtet, auf der Rückseite ist sie dunkel, deshalb sieht man sie auch in der Nacht nicht.” so gewählt. Ich denke, dass es in damaliger Zeit nicht unbedingt klar war, ob man die Sonne deshalb sieht, weil es hell ist oder ob es hell ist, weil die Sonne scheint, schließlich wird es schon hell, bevor die Sonne auftaucht und es bleibt noch hell, nachdem sie verschwunden ist. Der Mond wird zwar gern zum “kleinen Licht der Nacht” erklärt, aber es muss auch schon damals aufgefallen sein, dass der Mond eben nicht immer nur nachts zu sehen ist und alle 29,x Tage überhaupt nicht. Unsere Suche nach der “wahren Ursache” hinter der messbaren Physik gleicht aus meiner Sicht jener in Form eines Bronzegusses überlieferten Antwort auf eine alte Frage.
    Und manchmal scheinen wir auch nicht “schlauer” zu sein als die alten Meister, wir können zwar aus der gemessenen Expansion des Weltalls rückwärts auf einen “Knallpunkt” rechnen – und das erstaunlich konsistent, dabei aber entziehen wir uns der Frage, was denn “vorher” war, die Frage nach dem “drumherum” verbietet sich, weil qua Definition nichts da war, aber … ( und nun als Laie ) wenn nach Theorie beim Fall in ein schwarzes Loch keine “Information” verloren gehen darf, wo kam sie denn her, die Information, die wir jetzt finden, wenn vorher “nichts” war?
    Ebenso, aber vielleicht einfacher, die Frage nach dem Ursprung des Lebens. Es gibt archäologische Hinweise darauf, dass der Salzgehalt des “Urozeans” etwa dem der heutigen physiologischen Kochsalzlösung entsprochen und demnach die erste Zelle dieses Wasser eingeschlossen und “zufällig” die Biochemie auch damit gut funktioniert habe, aber es gibt auch Ansichten, dass es im ( aus “Sicht” einer Zelle ) unbegrenzten Urozean keinen Anlass für die Entwicklung einer Zellmembran, einer Unterscheidung zwischen außen und innen gegeben habe, wohl aber beim Wechsel zwischen unter- und überkritischen hydrothermalen Zuständen oder in Lehmschichten heißer Quellen mit zeitlich unterschiedlichen Wasserständen.
    Und so sehe ich – auf anderem Niveau, aber vergleichbar – unser Wissen heute so, wie die Bronzezeitgießer es für ihre Zeit dargestellt haben: Tags sehen wir die goldene Seite der Sonne, nachts sehen wir nichts, weil es dunkel ist.
    Da wir aber als Menschen eben dieses unseres Gehirn haben, können wir in die Zukunft denken und annehmen, dass wir es eines Tages wissen werden, ohne irgendwelche mystischen Eingriffe bemühen zu müssen.

  723. @Martin Mahner / 13.04.2021, 13:38 Uhr

    »Dann können Phänomene also auch unbeobachtbare Objekte oder Vorgänge sein? Dann ist der Begriff überflüssig.«

    Ein Photon wäre ein Beispiel für unstrittig inobservables Objekt. Denn immer, wenn man es beobachten will, isses weg. Dessen ungeachtet lässt es sich zum Gegenstand empirischer Untersuchung machen, etwa beim double-slit experiment.

    Die Charakterisierung von `Phänomen’ als Gegenstand möglichen Erfahrungswissens ist keine spezifische Physiker-Denkweise, das findet sich auch bei Kant; siehe e.g. hier in der Formulierung von Eislers Kant-Lexikon:

    Die objektive Erscheinung ist […] der Gegenstand möglicher Erfahrung, der in für alle Subjekte gleichen, einheitlich-gesetzmäßigen Zusammenhängen besteht.


    Ich denke, es war schon Galilei selbst, der das geozentrische System für falsch gehalten und dies auch vertreten hat. Er hat sich damit aber schlicht mehr auf die Hantel gepackt, als er dann tatsächlich stemmen konnte.

  724. @Karl Maier 13.04.2021, 23:03 Uhr

    Ich habe den “Sonnenwagen von Trundholm” nicht zufällig auf Ihre Sonnen-Frage genannt.

    Das war keine Frage, sondern ein Hinweis, dass die Menschen ‘damals’ in diesen Fragen wohl genauso wenig eine Offenbarung hatten als in anderen. Mehr nicht.

    Der Kontext sollte aus meinem ersten Posting deutlich geworden sein

    Das, was Sie schreiben, deckt sich mit meinem Weltbild.

  725. @Andresen
    Für viele Funktionen (in) einer Zelle wird eine wässrige Lösung benötigt.

    Völlig richtig; man muss sich vorstellen, dass die Moleküle in der Zelle, wie auch außerhalb, leicht beweglich sein müssen, um überhaupt chemische Reaktionen möglich zu machen. Moleküle müssen transport werden und die passenden Reaktionspartner finden. Dazu muss die Zelle in kleine Kompartimente aufgeteilt und strukturiert sein. Anders wären die komplizierten Vorgänge des Lebens nicht möglich.

    Die meisten und wichtigsten Vorgänge im Gehirn finden innerhalb der Nervenzellen statt, die Nervensignale zwischen den Neuronen dienen “nur” der Steuerung dieser Vorgänge. Das Bewusstsein ist vielleicht nur ein Epiphänomen.

  726. @Martin Mahner

    Den Stil meines Kommentars vom 13.04.2021, 12:50 Uhr finde ich inzwischen unmöglich. Dafür möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Das betrifft nicht den sachlichen Gehalt.

  727. @Chrys

    Die Stanford Encyclopedia schreibt folgendes:

    Phenomenalism can mean many things, and later we will explore these meanings in detail, but for now it is worth distinguishing at least three different things we might mean by phenomenalism:

    (1) Objects in space are identical to (unified collections of) our representations.
    (2) Objects in space exist solely in virtue of the contents of our representations of them. They possess all of their properties solely in virtue of the contents of those representations.
    (3) Objects in space exist partly in virtue of the contents of our representations of them. They possess their “core physical properties” solely in virtue of the contents of those representations.”

    Es bleibt also dabei, dass dies antirealistische Positionen sind, wonach vor der Existenz zur Repräsentation fähiger Organismen nichts wirklich existiert hat und immer noch nicht existiert. Bei 3 scheint es so zu sein, dass da zwar etwas Unbestimmtes auch ohne uns existiert, das aber erst durch unsere Erkenntnis zu etwas Bestimmtem wird. Mit anderen Worten: seine Natur wird immer noch vom erkennenden Subjekt bestimmt. Gold ist also kein Gold, solange wir das nicht festlegen. Usw. Gewiss steckt dahinter eine berechtigte erkenntnistheoretische Frage, doch diese lässt sich eben auch realistisch (nichtphänomenalistisch) beantworten.

  728. @Timm Grams // 14.04.2021, 09:49 Uhr

    »Das betrifft nicht den sachlichen Gehalt.«

    Sie meinen offenbar Ihre „Einlassung, dass die Kausalitätserwartung ein angeborener Lehrmeister sei, dass das Kausalitätsprinzip im Laufe der Stammesgeschichte gelernt werde, dass es letztlich dazu diene, die Welt in unserem Kopf zu ordnen“.

    Bis auf den Punkt, dass es „letztlich“ dazu diene, im Kopf Ordnung zu schaffen, ist das soweit korrekt. Denn „letztlich“ dient das Gelernte dazu, länger zu überleben und sich erfolgreich fortzupflanzen. So ist das ja mit den meisten evolutionär erworbenen Fähigkeiten, das Erkennen-können von Ursache- und Wirkungszusammenhängen macht da keine Ausnahme.

    Insofern hat Martin Mahner völlig recht mit seiner Entgegnung, die ja letztlich nichts anderes besagt, als dass es ohne real existierende Kausalzusammenhänge nichts gegeben hätte, was im Laufe der Evolution hätte „gelernt“ werden können.

  729. @Balanus: Eine einfache Kausalität: Es ist hell, weil die Sonne scheint. Dies ist eine Kausalität, die nur existiert, weil wir Menschen existieren. Warum? Photonen sind nicht hell oder dunkel, sie sind elektromagnetische Strahlung. Wir haben ein Sensorium entwickelt, das uns Photonen als Licht sehen lässt und erst dadurch können wir Raum und Zeit wahrnehmen. Und die Sonne scheint auch nicht, sie emittiert lediglich elektromagnetische Strahlung. Auch Zeit ist ein Begriff, den wir gemacht haben. Geht man davon aus, dass die Energie mit der Expansion des Universums sich immer weiter ‘verteilt’, kann man Zeit auch als Energiedifferenz pro Rauminhalt bezeichnen. Wenn wir dem Universum eine Kausalität unterstellen können, dann ist sie nicht mit der Kausalität identisch, die wir erfahren. Und das hat übrigens rein gar nichts mit dem sog. ‘Ding an sich’ zu tun.

  730. Balanus14.04.2021, 10:40 Uhr

    Wie stellen Sie sich die real existierenden Kausalzusammenhänge vor? Welche Billardkugel den ursächlichen Stoß bewirkt, hängt von der Wahl des Inertialsystems ab. Jedenfalls scheint hier naheliegend, die (Stoß-)Kraft als Ursache der Bewegung anzunehmen. Im Kettenkarussell empfinden wir aber die (Kreis-)Bewegung als ursächlich für die (Flieh-)Kraft. Jedenfalls sind das alles Zuschreibungen, die sich Newtons Gesetzen nicht entnehmen lassen; sie sind unveräußerliche Angelegenheit des Verstandes. Aber insofern gebe ich Ihnen Recht: Solche Zuschreibungen sind uns nur möglich, weil die von uns erfahrene Welt Regeln erkennen läßt. Diese Welt versorgt uns nicht mit der Wenn-dann-Wissenschaft; darauf müssen wir schon selber kommen.

  731. Man muss unterscheiden zwischen der den Sinnen zugänglichen Welt der Phänomene und der dem Denken zugänglichen Welt der Wissenschaft. Da stellt sich natürlich die Frage, in welcher Welt das Kausalprinzip gültig ist. Die Wirkungen auf die Sinne sind subjektiv, daher ist auf Kausalitäten in der Welt der Phänomene kein Verlass. Das hat schon David Hume zu seinen Studien über Kausalität veranlasst und nach ihm auch Kant. Beide unterscheiden sich in der Notwendigkeit als Eigenschaft von Kausalität. Ist es nur dann hell, wenn die Sonne scheint?

  732. Thomas Waschke
    14.04.2021, 06:12 Uhr
    Sonnen-Frage

    Sie haben recht, wenn wir hier schon versuchen, genau zu sein, um den Kern zu präparieren, sollte das auch dafür gelten. Ich hatte es auch nicht mal als “Frage” im eigentlichen Sinn verstanden, sondern eher als “Sonnen-Thema”.

  733. @Reutlinger: “Ist es nur dann hell, wenn die Sonne scheint?”

    Es gibt keine Helligkeit. Photonen bzw. elektromagnetische Strahlung ist weder hell noch dunkel. Wir nehmen Licht nur deshalb als solches wahr, weil wir Sensoren dafür haben. Den Raum nehmen wir nur deshalb wahr, weil Photonen von A nach B fliegen. Die Kausalitäten, die wir formulieren, gelten für uns, wir extrahieren sie quasi aus dem Vorhandenen, wir können sie ‘extrahieren’, weil dafür die Möglichkeit besteht und weil wir Regelmäßigkeiten erkennen, die für uns nützlich sind, sowohl für technische Anwendungen wie auch zur Welterklärung. Vielleicht gibt es Dinge, die wir nie erkennen können, die aber dennoch da sind und Kausalitäten unterliegen. Das würde uns dann aber auch nicht interessieren, weil es nicht zur Welt ‘für uns’ gehörte. Fazit: Es gibt kein Ding an sich.

  734. @Stegemann
    Die Dinge der Welt sind immer nur über ihre Wechselwirkungen zu erkennen. Von den Wechselwirkungen schließen wir auf Eigenschaften, als Masse oder Ladung. Aber von den Dingen selbst wissen wir außer diesen Eigenschaften und dem Zustand nichts über ihre Beschaffenheit.

  735. @anton reutlinger 14.04.2021, 14:18 Uhr

    Aber von den Dingen selbst wissen wir außer diesen Eigenschaften und dem Zustand nichts über ihre Beschaffenheit.

    Wir wissen nicht einmal, ob es überhaupt ‘Dinge’ gibt …

  736. @Timm Grams // 4.04.2021, 11:21 Uhr

    » Wie stellen Sie sich die real existierenden Kausalzusammenhänge vor? «

    @Wolfgang Stegemann // 14.04.2021, 10:58 Uhr

    »Es ist hell, weil die Sonne scheint. Dies ist eine Kausalität, die nur existiert, weil wir Menschen existieren.«

    Es ist zu unterscheiden zwischen einem (letztlich postulierten) universalen Kausalprinzip (a) und dem vom Subjekt konstruierten Zusammenhang von Ursache und Wirkung (b). Ohne (a) kein Chance, überhaupt näherungsweise zu (b) zu gelangen. Und völlig klar, bei (b) wird oft genug geirrt (mit zum Teil erhebliche Folgen für menschliche Gesellschaften).

    Davon abgesehen kann ich mir ein Universum ohne Kausalität, d. h. ohne elementare Wechselwirkungen und ohne physikalische Gesetzmäßigkeiten, überhaupt nicht vorstellen.

    Würden Photonen, wenn sie auf andere Teilchen treffen, nicht etwas bewirken, wäre die irdische Evolutionsgeschichte völlig anders verlaufen—wenn es denn überhaupt eine gegeben hätte.

    (Da kann man dem Herrgott für diese geniale Feinabstimmung von Kausalitäten nur dankbar sein ;- )

  737. @Thomas Waschke // 14.04.2021, 15:34 Uhr

    » Wir wissen nicht einmal, ob es überhaupt ‘Dinge’ gibt …«

    Etwa ‚Dinge‘ wie SARS-CoV-2 …? ;- )

  738. @Balanus: Natürlich sieht es so aus, als ob es prinzipiell Kausalität gibt. Wenn wir von einem Urknall ausgehen und alles auseinanderfliegt, ergibt sich durch die entstehenden (4? Grund-)Kräfte und die Beziehungen der emergierten Materie zueinander notwendig Kausalität. Die (für uns) gleichförmige Expansion zeitigt Kausalitäten, die wir ‘für uns’ erkennen können. Erkaltet das Universum eines Tages oder kontrahiert wieder, gibt es diese Kausalitäten nicht mehr. Wenn wir dann noch existieren würden, müssten wir neue Naturgesetze formuleren.

  739. @Martin Mahner / 14.04.2021, 10:15 Uhr

    »Bei 3 scheint es so zu sein, dass da zwar etwas Unbestimmtes auch ohne uns existiert, das aber erst durch unsere Erkenntnis zu etwas Bestimmtem wird. Mit anderen Worten: seine Natur wird immer noch vom erkennenden Subjekt bestimmt. Gold ist also kein Gold, solange wir das nicht festlegen. Usw.«

    Das scheint mir alles grundsätzlich hinauszulaufen auf eine generellere Frage wie “Existiert ein Referent auch ohne jemandes (semiotische) Referenz?

    Dies wiederum halte ich für ein logisches Scheinproblem. Die Frage wäre logisch äquivalent zu “Existieren unreferenzierte Referenten?” Wobei durch die Fragestellung mit “unreferenzierte Referenten” aber schon eine symbolische Referenz eingeführt wird auf etwas, das zugleich als unreferenziert bezeichnet werden soll. Ein `unreferenzierter Referent’ ist ein Oxymoron, eine logische Denkunmöglichkeit, die man nicht sinnvoll erörtern kann.

  740. @Stegemann 14.04. 12:48

    „Vielleicht gibt es Dinge, die wir nie erkennen können, die aber dennoch da sind und Kausalitäten unterliegen. Das würde uns dann aber auch nicht interessieren, weil es nicht zur Welt ‘für uns’ gehörte.“

    Da Geist in der Außenwelt eher sporadisch mitspielt, gibt es Menschen mit Spirituellen Erfahrungen, und welche ohne diese. Wer eine Glückssträhne am Roulettetisch erlebt hat, wird das nicht vergessen, und eventuell spielsüchtig davon werden. Wer sowas nicht aus Erfahrung kennt, zu dessen Welt gehört meist kein Phänomen Glückssträhne.

    Man kommt so zu verschiedenen Weltbildern.

    @reutlinger 14.04. 14:18

    „Die Dinge der Welt sind immer nur über ihre Wechselwirkungen zu erkennen. Von den Wechselwirkungen schließen wir auf Eigenschaften, als Masse oder Ladung. Aber von den Dingen selbst wissen wir außer diesen Eigenschaften und dem Zustand nichts über ihre Beschaffenheit.“

    Genau, wir können uns aber auch Modelle machen, so als ob. Sogar verschiedene Modelle zu den selben Fakten sind denkbar. Und Sciencefiction kann man auch versuchen. So kann man sich von der Naturwissenschaft aus auch ins Reich der Fantasie bewegen.

    Wir müssen als Mensch ja nicht ein Weltbild haben, dass in allen Einzelheiten nachgewiesen ist. Manches ist recht sicher, anderes weiß man nie so recht. Gegen Fiktionen ist wohl grundsätzlich nichts zu sagen, und oft bleibt uns nichts anderes übrig, als mit Fiktionen zu leben, mangels genauerer Fakten. Und manche Fiktionen werden allein dadurch zur Realität, dass man an sie glaubt. Geld zum Beispiel.

  741. @Jeckenburger: Nehmen wir mal an, mit dem Urknall wäre eine ungeheure Energie explodiert. Wo würden Sie da einen ‘Geist’ verorten. Ist er mit explodiert, erst später entstanden, schon vorher dagewesen? Und warum sollte dieses immaterielle Etwas mit unserer materiellen bioelektrischen Aktivität korrespondieren?

  742. @Karl Maier – zum Sonnenwagen

    Ein Bild dieses Kultwagens hatte ich schon mal gesehen, aber sonst hatte ich mich nicht damit beschäftigt. Danke für die Hinweise und Erläuterungen.
    Es gilt Respekt zu haben für die Erkenntnisse der Menschen aus früheren Zeiten und für die auf deren Grundlage entstandenen Kunstgegenstände.

  743. @Balanus 14.04.2021, 16:08 Uhr

    Es hakt wieder einmal bei den Begriffen. Nach gängiger Auffassung ist Kausalität eine gerichtete Beziehung von der Ursache zur Wirkung. Kausalnetze sind gerichtete Graphen (Digraphen) ohne Zyklen. Elementare Wechselwirkungen und physikalische Gesetzmäßigkeiten unterliegen solchen Beschränkungen nicht.

  744. @Stegemann 14.04. 17:22

    „Wo würden Sie da einen ‘Geist’ verorten. Ist er mit explodiert, erst später entstanden, schon vorher dagewesen?“

    Was vor dem Urknall war, ist nicht erfahrbar, und nicht besonders relevant. Ich würde sagen, dass der Geist wohl spätestens mit dem Urknall mitexplodiert ist, aber zunächst wenig zu tun hatte, sowenig wie er im interstellarem Raum auch heute nichts hinzuzufügen hat.

    „Und warum sollte dieses immaterielle Etwas mit unserer materiellen bioelektrischen Aktivität korrespondieren?“

    Aus zwei Gründen. Erstens halte ich das für gut möglich, dass schon tierisches Bewusstsein nicht auf Nervenzellen allein laufen kann, und es hierfür grundsätzlich geistige Unterstützung braucht. So erklärt sich auch der Schritt von Aktionspotenzialen zur inneren Existenz einer inneren Erlebniswelt.

    Und zweitens kann auf diesem Weg der Geist dieses Kosmos sich am Innenleben von Tier und Mensch beteiligen, was dann wiederum den Sinn der ganzen kosmischen Veranstaltung ausmacht. Die Weltbühne selbst in ihrer fast unendlichen Mannigfaltigkeit hätte so auch Adressaten, hätte hier ihren Sinn darin, dass wir uns in ihr bewegen können.

    Dass Pflanzen etwas Bewusstseinsartiges haben, kann auch sein. Einzeller aber wohl sicherlich eher nicht, zumindest nicht so wie beim Bewusstsein. Höchstens eine gewisse regulative Unterstützung der Vorgänge der Zellchemie, was generell die Gesundheit auch von Mehrzellern fördern könnte.

  745. @Jeckenburger: Wenn Sie mir logisch erklären, wie Immaterielles Materielles beeinflussen kann, glaube ich Ihnen. Allerdings ohne substanzlose Begriffe wie Information etc.

  746. @Balanus 14.04.2021, 16:19 Uhr

    [Thomas Waschke]» Wir wissen nicht einmal, ob es überhaupt ‘Dinge’ gibt …«

    Etwa ‚Dinge‘ wie SARS-CoV-2 …? ;- )

    Mich 😉

  747. @Timm Grams // 14.04.2021, 18:01 Uhr

    »Elementare Wechselwirkungen und physikalische Gesetzmäßigkeiten unterliegen solchen Beschränkungen [gerichtete kausale Beziehungen] nicht.«

    Ja, natürlich nicht, es war genau anders herum gemeint, sie bilden die Grundlage für kausale Zusammenhänge, sie sind quasi deren Bedingung. Man könnte vielleicht auch sagen, dass Kausalität aus den gegebenen physikalischen Gesetzmäßigkeiten heraus „emergiert“.

  748. Kommentar vom 15.04.2020 00:35
    https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/was-wir-vom-raetsel-bewusstsein-lernen-koennen/

    @Stegemann 14.04. 18:50

    „Wenn Sie mir logisch erklären, wie Immaterielles Materielles beeinflussen kann, glaube ich Ihnen. Allerdings ohne substanzlose Begriffe wie Information etc.“

    Meine Erklärung wäre, dass die Zufälle, die beim Zusammenbruch der Wellenfunktionen in der Quantenwelt entstehen, ausnahmsweise auf die Zukunft hin gezielt sein können. Der Rahmen der Wahrscheinlichkeiten, die die Wellenfunktion für einen konkreten Zu-Fall vorsieht, kann hierbei im wesentlichen sogar erhalten bleiben. Entscheidend ist die Intelligenz, die dahinter steckt. Die muss eine gewisse (aber keine absolute) Vorausberechnung beinhalten, wenn sie hier die Wirklichkeit über diese Zufallsvorgänge wirksam beeinflussen will.

    Wenn hier ein Einfluss an anderer Stelle stattfinden würde, würde das Naturgesetze verletzen, deshalb favorisiere ich den Quantenzufall.

    Wenn dies grundsätzlich nur ausnahmsweise und nur dann passiert, wenn es ohne dem nicht vernünftig funktioniert, würde das erklären, dass es in der Außenwelt nur sporadisch auftritt, im Innenleben aber sehr viel regelmäßiger vorkommen kann.

    Auch sind hier sensible, nichtlineare Systeme eher geeignet, auf Quantenzufälle makroskopisch zu reagieren.

  749. @Balanus / 14.04.2021, 16:08 Uhr

    »Es ist zu unterscheiden zwischen einem (letztlich postulierten) universalen Kausalprinzip (a) und dem vom Subjekt konstruierten Zusammenhang von Ursache und Wirkung (b). Ohne (a) kein Chance, überhaupt näherungsweise zu (b) zu gelangen.«

    Wenn Du Dir klar machst, dass Deine Ursachen-Suche eigentlich immer nur eine Suche nach Begründungen oder Erklärungen für einen vorfindlichen Sachverhalt ist, den Du “Wirkung” nennst, kannst Du auf (b) und folglich auch auf (a) verzichten.

    Und wenn Du eine naturgesetzliche Erklärung für etwas hast, dann brauchst Du doch kein “emergentes Kausalprinzip” mehr, um zu rechtfertigen, dass Deine Erklärung etwas erklärt.

  750. @Jeckenburger: Wenn Sie ein grünes Gebilde mit einem Stamm sehen, assoziieren Sie dieses mit der Bedeutung ‘Baum’. Diese Bedeutung ist nichts anderes als eine gesellschaftliche Übereinkunft darüber, dieses Gebilde als Baum zu bezeichnen. Diese Reiz-Bedeutungsassoziation legen Sie als spezifisches elektrochemisches Muster im Gehirn ab. Mit diesen Bedeutungen denken Sie. Somit entsteht Denken also auf der Erde und nicht im Kosmos. Ebenso können Quantenzufälle (was immer das auch sein mag) keine Reiz-Bedeutungsassoziationen transportieren. Sollten sie überhaupt einen Einfluss auf unser Gehirn haben, könnte dieser bestenfalls als Störung (Rauschen) auftreten. Denken Sie an das Kaspar-Hauser-Syndrom. Völlig isolierte Kinder können weder sprechen noch denken.
    Wenn Sie psychische Erscheinungen haben, die Sie spirituell deuten, dann spricht vieles dafür, dass es sich um neue Assoziationen von Bildern und Bedeutungen handelt. Nicht umsonst sprechen Menschen davon, dass sie im Halbschlaft die besten Ideen haben, wo nämlich Denkmuster ‘aufgebrochen’ und neu kombiniert werden, die Karten also neu gemischt werden.
    Wir sind in der Lage, mit dieser ungeheuren Zahl an Kombinationen von Bedeutungsmustern einen virtuellen Raum zu erzeugen, den man als Bewusstseinstheater bezeichnen kann. Dieser Raum erscheint dann gerne als nicht von uns gemachtes Szenario, was auch zutrifft in Bezug auf die gesellschaftlich induzierte Symbolik. Übrigens: Kausalitätsumkehr ist ein gerne auftretendes Phänomen menschlichen Denkens.

  751. @Wolfgang

    Denken Sie an das Kaspar-Hauser-Syndrom. Völlig isolierte Kinder können weder sprechen noch denken.

    Das Kasper-Hauser-Syndrom schliesst in der Regel auch Misshandlungen mit ein, wie soll das bei völliger Isolation gehen?

    “Denken” können solche Kinder aber auch.

  752. @Balanus / Zur Kausalität

    Beim relativistischen Zwillingsszenario, wo zwei Uhren zwischen den Ereignissen A = Abschied und B = Begegnung getrennte Wege gehen und dann i.a. unterschiedliche Messwerte für die Reisedauer ermitteln, wurde bei der Suche nach vermeintlichen Ursachen für diesen Unterschied schon allerlei Unsinn geschrieben. Denn da ist keine physikal. Kraft oder Wechselwirkung und kein spezifisches Ereignis, woraus dieser Unterschied resultiert. Die RT hat indessen eine simple Erklärung dafür: Diejenige Uhr, welche die längere Reiseroute durch Raum und Zeit (Weltlinie) zwischen A und B nimmt, misst eine längere Reisedauer.

    Wer meint, `causa’ unbedingt mit `Ursache’ übersetzen zu müssen, nagelt sich so nur ein hinderliches Brett vor den Kopf. Laut dem UTB-Handwörterbuch Philosophie hat übrigens auch Stegmüller irgendwo vorgeschlagen, Kausalität nicht als eine Ursache-Wirkung Beziehung, sondern im Sinne von Erklärbarkeit zu verstehen. Eine Quelle wird da nicht angegeben, und ich kenne momentan leider auch keine.

  753. @Balanus 14.04.2021, 16:08 Uhr

    Wenn wir A als Ursache für B erkennen wollen, müssen wir uns A zumindest (kontrafaktisch) wegdenken können. Im Experiment geht das auch faktisch, durch Veränderung der Versuchsbedingungen. Wenn aus der Veränderung von A, ohne dass dadurch weitere Bedingungen allzu stark in Mitleidenschaft gezogen werden, die Veränderung von B folgt, können wir A als (Mit-)Ursache der Wirkung B ansehen. Mehr dazu: das Closest-World-Konzept von David Lewis und die INUS Bedingung von John Leslie Mackie. Diese heutige Auffassung von Kausalität schließt so etwas wie ein

    (letztlich postuliertes) universales Kausalprinzip

    aus.
    Kausalitäten
    gibt es nur durch unser Zutun und nicht für sich allein gesehen.

  754. @einer: für Scholastiker formuliere ich es präziser: Menschen, die vom Erwerb gesellschaftlicher Bedeutungen weitgehend ausgeschlossen sind, weisen erhebliche psychische Probleme auf, die sich auch sprachlich niederschlagen.

    @Jeckenburger: Ihre ‘Erklärung’ ist nichts weiter, als eine Aneinanderreihung von Wörtern wie Wellenfunktion oder Quantenzufall. Sie sagen aber nicht, welche Wirkung das eine oder andere konkret ausübt, Sie behaupten nur, dass es eine Wirkung gibt.

  755. @Chrys
    Diese Argumentation ist meines Erachtens inkonsequent und letztlich tautologisch. Was wir beobachten, sind Phänomene, oftmals komplexe Phänomene, an denen verschiedene Wirkmechanismen beteiligt sind. Wir beobachten zum Beispiel, dass ein Stein und eine Feder unterschiedlich schnell fallen. Der Fall selbst hat eine Ursache und die unterschiedliche Geschwindigkeit des Falles hat auch eine Ursache. Für beides gibt es separate Erklärungen.

    Wir sollten uns vielmehr der Tatsache bewusst werden, dass wir nicht physikalisch sauber getrennte Kausalitäten beobachten, sondern komplexe Vorgänge, so wie sie uns erscheinen. Kausalität ist die Vorannahme, dass Vorgänge eine Ursache haben (Satz vom zureichenden Grund). Es ist gerade die Aufgabe der Wissenschaft, die Beobachtungen zu analysieren und die physikalischen Kausalitäten zu bestimmen, mit dem Ziel der Erklärbarkeit.

    Die Erklärbarkeit eines Vorganges ist die Kenntnis und Beschreibung der (aller) Ursache-Wirkungs-Relation(en). Wenn Kausalität als Vorannahme mit Erklärbarkeit gleichgesetzt würde, dann bliebe sie beliebig, oder eben tautologisch.

  756. @Chrys // 15.04.2021, 00:42 Uhr

    »Wenn Du Dir klar machst, dass Deine Ursachen-Suche eigentlich immer nur eine Suche nach Begründungen oder Erklärungen für einen vorfindlichen Sachverhalt ist, den Du “Wirkung” nennst, kannst Du auf (b) und folglich auch auf (a) verzichten.«

    Klingt logisch. Aber es geht zumindest für uns Menschen ja um mehr als bloß um die Suche nach der Ursache für ein Ereignis, wir wollen ja auch wissen, welche zukünftigen Ereignisse aufgrund aktueller Ereignisse zu erwarten sind.

    Ich gebe zu, es sollte eigentlich genügen zu wissen, dass bestimmte aufeinanderfolgende Ereignisse naturgesetzmäßig zusammenhängen müssen (wenn alles mit rechten Dingen zugehen soll). Mehr besagt das „Kausalprinzip“ im Grunde ja auch nicht.

    @15.04.2021, 10:12 Uhr

    » Beim relativistischen Zwillingsszenario, wo zwei Uhren zwischen den Ereignissen A = Abschied und B = Begegnung getrennte Wege gehen…«

    Es ist schon eine gewisse Herausforderung zu erkennen, bei welchen aufeinanderfolgenden Ereignissen sinnvoll nach einem naturgesetzlichen, sprich kausalen Zusammenhang gefragt werden kann. Die Verirrungen beim relativistischen Zwillingsszenario sind ja noch harmlos und ohne tiefgreifende Folgen für die Physik, aber wenn man meint, Regenfälle stünden in einem kausalen Zusammenhang mit bestimmten Opfergaben an vermeintliche Gottheiten, dann wird es wirklich kritisch für die Betroffenen.

    » …Kausalität nicht als eine Ursache-Wirkung Beziehung, sondern im Sinne von Erklärbarkeit [] verstehen. «

    Sicher, darauf läuft es ja schlussendlich hinaus, auf Erklärungen. Aber das Denken in Ursache-Wirkung Beziehungen ist für uns Menschen wohl unvermeidlich, mit diesem Brett vor dem Kopf müssen leben.

  757. @Grams: Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig interpretiere. Nimmt man die Existenz einer objektiven Welt an, also eines ‘Ding an sich’, gerät man in das Kausalitäts – Trilemma. Das lässt sich m.E. nur dadurch vermeiden, dass man dieses ‘Ding an sich’ von vornherein ausschließt. Dann hat man eine ‘Welt für uns’ und kann sie als Realist kausal beschreiben.
    Der Ausschluss dieser ‘Welt an sich’ lässt sich damit begründen, dass wir die Welt als diejenigen wahrnehmen, die wir sind. Ein Lebewesen ohne Augen kann nicht nur Licht nicht wahrnehmen, es gibt für es kein Licht, auch nicht ‘an sich’. Auch der Bewohner eines Nachbaruniversums könnte nichts Objektives über Unseres sagen. Er würde vielleicht ein mörderisches Bündel von Energie wahrnehmen, das ihn sofort vernichten würde.

  758. @Wolfgang Stegemann 15.04.2021, 13:19 Uhr

    Im Großen und Ganzen fühle ich mich verstanden. Einiges würde ich vorsichtiger ausdrücken. Das “Ding an sich” schließe ich nicht aus, ich erwarte nur nicht, dass es sich mir offenbart. Es bleibt eine regulative Idee.
    Anstelle von

    Dann hat man eine ‘Welt für uns’ und kann sie als Realist kausal beschreiben.

    würde ich davon sprechen, dass man diese Welt, das Diesseits, hinsichtlich möglicher Kausalitäten analysieren kann.
    Zu Ihrem zweiten Absatz fällt mir ein, dass wir schon Mittel und Wege haben, die uns mehr erschließen lassen als das nur mit bloßen Sinnen Erfahrbare – sozusagen ein detaillierteres Diesseits.

  759. Ergänzung: “Die Welt für uns” ist Gegenstand des internen Realismus. Er entspricht in etwa der Ansicht Kants und der des Hilary Putnam (nachdem dieser den metaphysischen Realismus hinter sich gelassen hat).

  760. @ Timm Grams: “Das “Ding an sich” schließe ich nicht aus, ich erwarte nur nicht, dass es sich mir offenbart.”

    Dann schließen Sie also implizit einen Gott ein, nämlich einen, der das ‘Ding an sich’ kennt. Der Schritt zur Religion ist dann nicht mehr fern, oder?

  761. @Wolfgang Stegemann // 15.04.2021, 13:19 Uhr

    » Das [Kausalitäts – Trilemma] lässt sich m.E. nur dadurch vermeiden, dass man dieses ‘Ding an sich’ von vornherein ausschließt. Dann hat man eine ‘Welt für uns’ und kann sie als Realist kausal beschreiben. «

    Dafür sehe ich eigentlich keine Notwendigkeit. Warum soll es nicht beides geben, die Welt für uns (mit all den vom Subjekt erkannten „Objekten“), und das „Ding an sich“, das den Objekten zugrunde liegt, aber vom Subjekt nicht unmittelbar erkannt werden kann—eben weil der evolutionär entstandene Erkenntnisapparat des Subjekts dafür nicht gebaut ist.?

    Nach meinem Dafürhalten wird das das „Ding an sich“ gebraucht, um eine Erklärung für die im Hirn (Bewusstsein) aufscheinenden Phänomene zu haben. Und als ewige Frage danach, was wohl hinter den Erscheinungen wie Farben, Töne usw. steht. Aber damit hat es sich auch schon.

  762. @Wolfgang Stegemann 15.04.2021, 14:06 Uhr

    Von Gott war nicht die Rede. Ich weiß nicht einmal, was ich darunter zu verstehen habe. Ich kann Gott also gar nicht einschließen. Zum Ausschließen fehlt mir der Begriff aber ebenfalls. Zu dem Thema kann ich nichts Substanzhaltiges beitragen.

  763. @Stegemann 15.04. 11:20

    „Ihre ‘Erklärung’ ist nichts weiter, als eine Aneinanderreihung von Wörtern wie Wellenfunktion oder Quantenzufall. Sie sagen aber nicht, welche Wirkung das eine oder andere konkret ausübt, Sie behaupten nur, dass es eine Wirkung gibt.“

    Mehr als die Lokalisierung der Wirkung habe ich in der Tat nicht anzubieten. Wie der kosmische Geist selber funktioniert, wie dieser die nötigen Vorausberechnungen macht, um dann letztlich seinen Einfluss auf das Geschehen umsetzen zu können, ist offenbar weder je zu beobachten, noch zu erklären.

    Aber die Wirkung genügt vollkommen, um die meisten spirituellen Erfahrungen zu erklären bzw. genauer zu lokalisieren, wo sie im Geschehen der Wirklichkeit wirksam werden.

    Und die Wirkung wäre nachweisbar, wenn es sie denn wirklich gibt. Wenn man in einem simulierten Konnektom mal mit Pseudozufallszahlen und mal mit Zufallszahlen aus dem Quantenrauschen arbeitet, dann wird man ja einfach beobachten können, ob bzw. welchen Unterschied das macht. Wenn unser Bewusstsein geistige Anteile hat, und darum geht es im wesentlichen, wird man das feststellen können.

    Erste Anhaltspunkte werden Simulationen von Insektenkonnektomen liefern können. Wenn die schon geistig unterstützt werden (müssen), dann wir ja wohl erst recht.

    Und der Einsatz von Zufallszahlen, die aus Quantenrauschen generiert werden, wäre in der Lage, auch die Funktion von KI alle Art unterstützen zu können. Das ist recht einfach umzusetzen, ich habe selbst schon Experimente mit Computerkunst gemacht, und dafür eine analoge Fernsehkarte als Zufallszahlenquelle zweckentfremdet. Die gibts hier zu sehen:

    https://geier-wg.de/jeckenburger/mand1/index.php

    Das war ein erster Versuch mit solchen Zufallszahlen. In Planung ist bei mir noch mehr davon, aber künstlerisch noch mal deutlich anspruchsvoller.

  764. Auf ein Erdbeben folgt eine Flutwelle. Wenn Kausalitäten nur durch menschliches Zutun entstehen, könnte man dann die Flutwelle nicht einfach verhindern, indem dieses Zutun unterbleibt?

  765. @Balanus, Timm Grams: Licht ist nur für uns hell, die Frage nach dem Licht an sich stellt sich nicht. Wir können mit unseren Mitteln Licht wahrnehmen und beschreiben. Nähme ich ein Licht ‘an sich’ an, müsste ich einen objektiven Geist annehmen, der weiß, was ‘an sich’ bedeutet.
    Für “die im Hirn (Bewusstsein) aufscheinenden Phänomene” brauche ich das Ding an sich nicht. Dafür kann ich eine wissenschaftliche Erklärung heranziehen, es sei denn, ich nehme einen kosmischen Geist an. Die wissenschaftliche Erklärung erfolgt im Rahmen unserer ‘handwerklichen’ Möglichkeiten und bringt ja keine absoluten Wahrheiten zutage.
    Die Frage, warum wir blau als blau wahrnehmen, ist sinnlos. Es gibt kein blau an sich und eine Antwort könnte höchstens lauten: blau nehmen wir als blau wahr, weil es blau ist.

  766. @Balanus 15.04. 14:15

    „Warum soll es nicht beides geben, die Welt für uns (mit all den vom Subjekt erkannten „Objekten“), und das „Ding an sich“, das den Objekten zugrunde liegt, aber vom Subjekt nicht unmittelbar erkannt werden kann—eben weil der evolutionär entstandene Erkenntnisapparat des Subjekts dafür nicht gebaut ist.?„

    Dem würde ich mich anschließen. Eine Erweiterung der Erkenntnismöglichkeiten durch Mikroskope und Teleskope spielt ja schon eine wesentliche Rolle, was unsere Erkenntnis betrifft. Und Computersimulationen eröffnen weitere Erweiterungen für die Realisierung unserer Erkenntnis, und ermöglichen immer weitergehende Vergleiche von Theorie und Praxis.

    Und die Umsetzung von Erkenntnis in Technik begleitet dann den Alltag auch von Menschen, die mit der wissenschaftlichen Theorie eher wenig zu tun haben.

  767. @Timm Grams // 15.04.2021, 10:37 Uhr

    » Diese heutige Auffassung von Kausalität schließt so etwas wie ein

    (letztlich postuliertes) universales Kausalprinzip

    aus. «

    Verstehe ich nicht. Die INUS Bedingung von John Leslie Mackie beispielsweise ergibt doch nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass es kausale Zusammenhänge tatsächlich gibt. Ob wir sie nun finden (können) oder nicht, darauf kommt es letztlich nicht an.

    »Kausalitäten gibt es nur durch unser Zutun und nicht für sich allein gesehen.«

    Also erst seit Menschen meinen, es gäbe Kausalitäten, „gibt“ es kausale Zusammenhänge?

    Ich kann mich nur wiederholen: Der Begriff ‚Kausalität‘ steht (zumindest aus meiner Sicht) für naturgesetzlich ablaufende Vorgänge. Womöglich ist dieser Begriff überflüssig, wie @Chrys und Sie wohl meinen, aber ich finde ihn sehr nützlich—gerade auch zur Abgrenzung von bloßen Korrelationen.

    Und ja, es gibt keine Möglichkeit, einen tatsächlichen Kausalzusammenhang messtechnisch nachzuweisen. Hierzu wird menschlicher Intellekt gebraucht.

    (Ihren verlinkten Aufsatz habe ich gelesen. Nur so viel dazu: Ich muss darauf vertrauen, dass meine inneren Wahrnehmungen adäquat mit der äußeren Wirklichkeit korrespondieren. Wenn ich zu sehr daran zweifle laufe ich Gefahr, mich wegen massiven Realitätsverlustes einer medizinischen Behandlung unterziehen zu müssen. Will sagen: Manche philosophische Betrachtungen sind ja gut und schön, aber früher oder später fordert die Realität ihren Preis, dann essen Sie das reale Stück Brot aus dem „Jenseits“, um satt zu werden. Und ob da nun tatsächlich ein kausaler Zusammenhang besteht zwischen Nahrungsaufnahme und Sättigungsgefühl, ober ob wir uns diesen Zusammenhang bloß gedanklich konstruieren, im Endeffekt kommt es darauf dann auch nicht mehr an.)

  768. @Wolfgang Stegemann // 15.04.2021, 14:46 Uhr

    » Die Frage, warum wir blau als blau wahrnehmen, ist sinnlos. «

    Ich finde die Frage, warum uns der Himmel blau erscheint, sehr interessant.

    Warum sollte man überhaupt nach einer wissenschaftlichen Erklärung suchen, wenn einem die phänomenalen Wahrnehmungen doch genügen?

    Nur weil wir wissen wollten, was sich hinter dem Phänomen ‚Licht‘ verbirgt, also im Grund die Frage nach dem „Ding/Licht an sich“, sind wir auf elektromagnetische Strahlung gestoßen.

  769. @Balanus: Ich bin Realist. Ich habe diese Fragen nur aufgeworfen, um die Konsequenz aufzuzeigen, wenn man philosophisch (nicht ontologisch) ein ‘Ding an sich’ annimmt, also nicht nach Theorien sucht, sondern nach der absoluten Wahrheit.

  770. @Balanus 15.04.2021, 15:23 Uhr
    @Feodor 15.04.2021, 14:45 Uhr

    Wir betrachten das Diesseits, beobachten Gesetzmäßigkeiten und beschreiben diese. Dazu benutzen wir Begriffe wie Masse, Kraft, Kausalität, die wir eigens zu diesem Zweck schaffen. Es ist kein Wunder, wenn wir Sachverhalte in der diesseitigen Welt, in der Welt der Phänomene, so wie wir sie beschrieben haben auch vorfinden. Wer in dem Kreis hier bestreitet denn

    dass es kausale Zusammenhänge tatsächlich gibt

    Es gibt sie im hier beschriebenen Sinn. Die Frage

    Auf ein Erdbeben folgt eine Flutwelle. Wenn Kausalitäten nur durch menschliches Zutun entstehen, könnte man dann die Flutwelle nicht einfach verhindern, indem dieses Zutun unterbleibt?

    ist so gesehen sinnlos. Ich bestreite allerdings, dass unsere Begriffe und Gesetze den Dingen von vornherein anhaften, dass wir sie sozusagen von der Welt ablesen können.

  771. @anton reutlinger / 15.04.2021, 11:27 Uhr

    Was wäre eine Benennung von Ursachen denn anderes als eine sehr spezielle Form von Begründung oder Erklärung?

    Nur eben keine Begründung, die auf wissenschaftl. Begriffe rekurriert. Für Leute, die es gar nicht so genau wissen wollen, die hierbei nur in lebensweltlich vertrauten Kategorien denken können. Und der Lebenswelt entstammt schliesslich die ganze Rede von Ursache und Wirkung.

    Ich bemerke etwas und suche nach einem Grund dafür,” schrieb Nietzsche, und damit ist praktisch auch schon alles zur Kausalität gesagt, was sich sagen lässt. Unsere Suche nach Gründen bedarf keiner Postulierung von universalen Prinzipien zur Weltordnung, um gerechtfertigt zu sein.

  772. Zum Kausalitätsthema: Hier wird mal wieder brandneu den Empiristen erklärt, warum man reale Verursachung braucht, damit empirische Methoden wie Experimente überhaupt Sinn ergeben: “Empiricism Must, but Cannot, Presuppose Real Causation“. Mit anderen Worten. Empiristen müssen metaphysische Annahmen machen, dürfen es aber nicht, wenn sie sich nicht aufgeben wollen. Ist kostenlos zugänglich.

  773. @Grams: anhaften
    Wir SIND das Diesseits.
    Wie ist das Alphabet entstanden?
    Stegemann hat zurecht auf Bedeutung verwiesen.
    Bedeutung ist Laut. Laut ist in uns,aus uns und uns Teil der Ontologie.Sprache ist Laut.
    Zu Noam Chomsky’s Universalgrammatik vertrete ich eher den Standpunkt der Universalbedeutungen…
    Semantik ist der Schlüssel.

  774. @Grams: Begriffe und Gesetze ablesen
    Sie sind in uns und wir formulieren und nutzen Sie nur:Dieseseits
    Sie formulierten:Naturalismus=Naturwissenschaften.
    Wenn Sie bestreiten,das wir aus der Natur ablesen können,dann bestreiten Sie ihr Ego.

  775. @Martin Mahner 15.04.2021, 19:00 Uhr

    Sie werfen ohne weiteren Kommentar ein Papier in die Runde. Damit ist man dann erst einmal beschäftigt… Und dann findet man heraus, dass es nichts Neues bringt und für die Diskussion irrelevant ist. Dennoch gehe ich anhand des Papiers nochmal auf den mir wesentlichen Punkt ein.

    Der Aufsatz präsentiert ein weiteres Mal die Behauptung der Realisten (Naturalisten):

    Without stable and reproducible experimental or observational results, we do not have good reasons to believe the (empirical and theoretical) knowledge claims of the sciences. Successful experimentation and observation, however, is not possible without the notion of real causation.

    Und dann bringt er eine mögliche Ausweichreaktion seitens der Empiristen:

    Empiricists may argue (for instance, on the basis of a non-literal instrumentalist interpretation of the description of the O + A-interaction) that this ‘interaction’ can be consistently interpreted as no more than a correlation.

    Aber dieses Argument verfängt bei mir nicht. Ich weiche ja nicht auf die Korrelation anstelle der Kausalität aus. Die Kausalität lässt sich in der Welt der Phänomene, im Diesseits also, feststellen; ein Ausweichmanöver ist unnötig. Das moderne Konzept der Kausalität hat keine Metaphysik nötig und leistet alles, was man braucht.

  776. @ Balanus 15.04.2021, 15:33 Uhr
    @Wolfgang Stegemann, @ Mussi

    Zitat Balanus: „Ich finde die Frage, warum uns der Himmel blau erscheint, sehr interessant.

    Warum sollte man überhaupt nach einer wissenschaftlichen Erklärung suchen, wenn einem die phänomenalen Wahrnehmungen doch genügen?

    Nur weil wir wissen wollten, was sich hinter dem Phänomen ‚Licht‘ verbirgt, also im Grund die Frage nach dem „Ding/Licht an sich“, sind wir auf elektromagnetische Strahlung gestoßen.“

    Die „elektromagnetische Strahlung“ ist nicht z.B. „blau“. Sie ist ein wichtiges Medium zur Übertragung von Information, wie es ganz häufig von der Nachrichtentechnik genutzt wird.

    Eine bestimmte Frequenz ist „so moduliert“ dass sie „blau“ überträgt, z.B. von der „blauen“ Parkbank zu den für „blau“ sensitiven Zapfen im Auge.

    Ich fände es interessant, könnten Physiker/Chemiker (z.B. aus den „Sensorikwissenschaften“) herausfinden, welche „Reize“ genau z.B. „Qualiaeffekte“ an bestimmten (auch eventuell über getrennte, nur über das neuronale Netz verknüpften) Molekülverbänden bewirken. Zumindest eine sichere Korrelation besteht, da man das Phänomen zwar wie z.B. die Schwerkraft, berechnen und nutzen kann, aber nicht wirklich versteht.

    Nach dem Krieg „zirkulierten“ in Wissenschaftlerkreisen „Denkmuster“ in dem Sinne, dass Empfindungen/Bewusstsein als reale „Begleitphänomene realer chemischer Prozesse“ wenn z.B. Elektronen/Löcher unter bestimmten Umständen, sozusagen aus ihren Bahnen „fliegen“, auftreten könnten.

    „Bedeutung“ im Sinne von Herrn Stegemann entspricht eher der „Zuordnung“ von Mustern, der Codierung oder Modulation. Es ist sozusagen eine „höhere Ebene“ als die „Muster“, die so etwas wie einen „Verbund“ aus Daten und Programmen („Objekt“ im Sinne der Informatik), von der untersten Ebene ausgehend, abbilden.

  777. @Wolfgang Stegemann

    Ja, schon witzig, die Biologie ist immer wieder für Überraschungen gut.

    Äußere Einflüsse sind natürlich wichtig, aber auch die inneren DNA-Reparaturmechanismen sind von enormer Bedeutung. Man wird sehen, was man noch zu diesem Bakterium herausfinden wird.

  778. @Balanus: Und genau auf diesen zellulären Reparaturmechanismen baut meine Theorie des Placeboeffekts auf. Denn diese Mechanismen finden sich auf allen Regulationsebenen, nur dass sie auf der zentralnervösen Ebene aufgrund der höheren Komplexität des Außenbezugs fluktuieren und daher (mittels symbolhafter Repräsentationen) unterstützt werden müssen (Arzt, Tablette, spirituelle Techniken etc.).

  779. @Balanus: “…die inneren DNA-Reparaturmechanismen…”

    Sie reparieren m.E. alle Fehler, die ‘von innen’ kommen (gegen die äußeren sind sie bei entsprechender Stärke ‘machtlos’). Könnten sie das nicht, wäre der Organismus dem Tod geweiht. Bei allen, die es jetzt nicht mehr gibt (falls es sie gegeben hat) haben diese Reparaturmechanismen versagt.

  780. @Stegemann
    Von allen Arten, die jemals existiert haben, sind schätzungsweise 99% bereits ausgestorben. Zur Zeit wird das Aussterben noch beschleunigt.

  781. @Grams

    Gerne

    Übrigens: den Gedanken der entbehrbaren Vorrausetzunfsphilosophie hatte ich auch schon mal. Bin wegen der Widerspruchsfreiheit vs Paradox drauf gekommen,aber dann nicht weiter verfolgt. Warum?Weiß ich nicht mehr. Vermutlich weil ich mich gefragt habe,was Funktion und Dysfunktion ist. Egal.
    Aber interessant,dass Sie dran sind.

  782. @Wolfgang Stegemann
    » Und genau auf diesen zellulären Reparaturmechanismen baut meine Theorie des Placeboeffekts auf. «

    Therapien unterstützen eigentlich immer nur die sogenannten Selbstheilungskräfte. Das ist auch beim Placeboeffekt der Fall, die positive Heilerwartung kann (über Neurohormone) das Immunsystem stimulieren.

    Die DNA-Reparaturmechanismen reparieren glaube ich vor allem die Kopierfehler, da geht es wohl meist um einzelne Basen. Schädigungen von außen werden vor allem durch mutagene Substanzen und energiereiche Strahlung verursacht (Huch, ein phänomenaler Kausalzusammenhang? ;- ). Wenn dadurch Zellen entarten, kann nur noch das Immunsystem helfen.

  783. @Timm Grams // 15.04.2021, 17:01 Uhr

    » Wir betrachten das Diesseits, beobachten Gesetzmäßigkeiten und beschreiben diese.«

    Wie kommen Sie eigentlich auf „wir“?

    Ist das die Vereinigung bzw. die Zusammenführung von „Diesseits“ und „Jenseits“?

  784. Balanus: sehe ich auch so ähnlich.

    “…die positive Heilerwartung…”

    Ich glaube, es ist nicht so sehr die Erwartung, sondern die Überzeugung.

    “Schädigungen von außen werden vor allem durch mutagene Substanzen und energiereiche Strahlung verursacht”

    Genau, also durch Stress, (und ich ergänze) der auch zentralnervös verursacht werden kann.

  785. @Balanus 17.04.2021, 12:10 Uhr

    Wie geht das: eine Wissenschaft ohne Beobachtung des Diesseits, ohne die Kenntnisnahme der Phänomene? Wenn Sie einen direkten, einen privilegierten Zugang zum Wesen der Dinge, zur Wahrheit haben, sagen Sie’s bitte weiter. Das Interesse daran ist groß.

  786. Ich finde, der Placeboeffekt ist ein schönes Beispiel dafür, wie man mit Phänomenen umgeht. Die Placeboforschung untersucht den Zusammenhang zwischen der Placebogabe (Tablette, Arzt, Scheinoperation, etc) und Heilungseffekt. Sie hat aber keine Vorstellung davon, warum und wie der Effekt begründet ist. Nun kann man (reduktionistisch) versuchen, diesen Effekt in irgendwelchen Neuronen zu verorten, wie man es ja beim Bewusstsein auch vergeblich versucht hat. Oder man entwickelt ein theoretisches Modell. Und reduziert das Phänomen auf ein Allgemeineres, man könnte sagen, auf ein zugrundeliegendes Prinzip. In diesem Falle wäre das der angesprochene Reparaturmechanismus, man könnte auch sagen Selbstheilungsmechanismus, oder: ein dem Leben innewohnendes Differential, welches die Balance zwischen Gleichgewicht und Nichtgleichgewicht aufrecht erhält bzw. den Entropieim- und -export steuert. Und dieses Prinzip kann man dann vom Einzeller bis zum Menschen systematisch beschreiben. Und kann dann auf dieser Basis versuchen, effektivere Methoden zu finden, um den Placeboeffekt zielgenau auszulösen.

  787. @all / Kausalität und Natur

    Daran thematisch Interessierte könnten folgenden Aufsatz vielleicht noch lesenswert finden, auf den ich jetzt auch eher zufällig gestossen bin:

    Mues, A. (1990). Naturkausalität – keine Kausalität der Natur. Philosophisches Jahrbuch (Freiburg), 97(2), 322-327. [PDF]

  788. @ Wolfgang Stegemann 17.04.2021, 14:02 Uhr

    Früher wurde der Placeboeffekt grundsätzlich bestritten, weil geistiges niemals mit Materie wechselwirken könne.

    Diese Sicht ist nicht mehr haltbar.

    Vermutlich wäre er sehr wohl erklärbar, wenn man von den Sichtweisen der Physik/Chemie ausgeht. Visuelle Muster die im Auge zu „größeren und komplexeren“ Bildmustern emergieren, bewirken im Prinzip, dass „elektrische Signalmuster“ von der Sensorik ausgehen und in der Folge im neuronalen Netz „neuronal ausgewertet“ werden. Das ist Fakt.

    Naheliegend wäre, dass auf Zellen (letztlich Molekülverbände) diese sozusagen von außen stammenden „Ladungsträger“ einwirken und diese Verbände chemisch, allenfalls auch nur temporär, verändern.

    Letztlich dürften die Signale auch so etwas wie „Masken“ generieren, so wie das „Negativ“ eines Objektes. Mir fällt momentan nichts besseres ein als der Vergleich mit einer Totenmaske, aus der z.B. der Kopf eines Verstorbenen „rekonstruiert“ wird.

    Ein noch besseres Beispiel wäre die „Maskentechnik“ bei der Videobearbeitung, wobei im Fernsehen (z.B. bei den Nachrichten) Beispiele zu sehen sind, wie Objekte fast beliebig „ausgestanzt“ manipuliert und nach Belieben zusammengeführt werden. Die visuellen Objekte im Fernsehen, entsprechen den biologischen Objekten.

    Prozesse die einerseits die „Objektbildung“, andererseits die „Maskenbildung“ ermöglichen, dürften grundsätzlich bei den Wirkungen auch des Immunsystems sein. Nicht nur rein chemische Prozesse, sondern auch der Einfluss der Ladungsträger die vom neuronalen System herrühren, dürften auf die biologischen Prozesse Einfluss nehmen.

    Damit habe ich an banalen Beispielen versucht, das Phänomen auf ein Allgemeineres, man könnte sagen, auf ein zugrundeliegendes Prinzip zu reduzieren, wie man es in der Videotechnik mit der Bildmanipulation macht.

  789. @Stegemann 17.04. 14:02

    „Und kann dann auf dieser Basis versuchen, effektivere Methoden zu finden, um den Placeboeffekt zielgenau auszulösen.“

    Wenn man hier mehr nach gucken würde, könnte man mehr Medikamente zulassen. Derzeit muss ein neues Medikament gegen ein Placebo antreten, und wird nur zugelassen, wenn hier entsprechend ein Vorsprung nachweisbar ist. Dabei kann auch der Name eines Präparats oder die Farbe der Tablette einen Unterschied machen.

    Auch ein Medikament, dass eine direkt spürbare Wirkung hat, etwa Bienengiftsalbe, wird einen höheren Placeboeffekt haben. Oder wenn man einfach Röntgenaufnahmen eines Tumors digital manipuliert, und dem Patienten sagt, dass der schon kleiner geworden ist.

    Ich glaub mir wäre es egal, welcher Effekt mich gesund macht.

  790. @ Tobias Jeckenburger 17.04.2021, 16:16 Uhr

    Es hat schon was auf sich was Sie schreiben. Ich persönlich halte viel von Placebos.

    Das Problem ist allerdings, dass der Placeboeffekt auch dann auftritt, wenn ein Patient z.B. glaubt, ein Medikament kostet 100 000 Euro und es hilft, weil es eben so teuer ist. Das absolut gleiche Billigmedikament würde ihm nicht helfen.

    Die Krankenkasse kann nicht gut Unsummen an Geld, für die die Beitragszahler hart arbeiten müssen, den schlauen Firmen in den Rachen werfen, wenn es sich offensichtlich nur um Placebowirkungen handelt.

    Denkt man das weiter, dass man den Patienten einfach den hohen Preis „vorspielt“, aber wenn er dahinter kommt, auch als Placebowirkung, womöglich tot umfällt, wenn er vom “Betrug„ erfährt…?

    Gute Ärzte nutzen selbst die Placebowirkung ihrer Stimme und ihres Auftretens. Jedes Wort und jede Betonung kann wichtig sein.

    Als „Normalo“ bleibt einem gar nichts anderes übrig, als selbst möglichst alles für die beste psychische Gesundheit zu tun, möglichst keine „Baustellen“ zu haben.

    Selbst wenn mir völlig klar ist, dass ich mich letztlich selbst „bescheiße“ wenn ich „Psychotricks“ (z.B. dass es mir „super gut geht“, ich absolut glücklich bin, ich mich selbst psychisch (ohne Drogen) gut „high“ machen kann, …) auch bei mir selbst anwende.

    „Psychotricks“ halte ich trotzdem für sehr nützlich.

  791. Johannes 5, 8-9:
    Jesus spricht zu ihm: “Stehe auf, nimm dein Bett und gehe hin!” Und alsbald ward der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Es war aber desselben Tages der Sabbat.

    Der Volksmund sagt dazu: “Der Glaube versetzt Berge.”

    Und so sind wir vom Urknall über das Universum, die QCD, über die alten und neuen Philosophen, “das Ding an sich”, über “Glaube” und “Wirklichkeit” bei den Placebos angekommen.
    Gut, dass wir darüber gesprochen haben …

  792. @Timm Grams // 17.04.2021, 13:13 Uhr

    » Wie geht das: eine Wissenschaft ohne Beobachtung des Diesseits, ohne die Kenntnisnahme der Phänomene? Wenn Sie einen direkten, einen privilegierten Zugang zum Wesen der Dinge, zur Wahrheit haben, sagen Sie’s bitte weiter. «

    Interessante Frage. In meiner Welt, d. h. in meinem Dies- und Jenseits, würde man wohl eher fragen: Wie geht Wissenschaft ohne Hirn und Verstand?

    Die schlichte Antwort lautet: Gar nicht!

    Ich sag’s mal so: alles, was tierliche Organismen von der Außenwelt „wissen“, beruht letztlich auf der Leistung des eigenen Wahrnehmungsapparates. Schlussendlich wird die Welt so “für wahr” gehalten, wie sie erscheint und wie es lebensdienlich ist.

    Beim Menschen liegen die Dinge etwas anders. Dank seiner kognitiven Fähigkeiten und Kulturtechniken nimmt er seine Wahrnehmungen nicht mehr so ohne weiteres für bare Münze (so erklärt sich auch das soeben Geschriebene). Insbesondere als Wissenschaftler ist er bemüht, den Dingen auf den Grund zu gehen.

    Das heißt, die Wissenschaft forscht nicht nach dem „Wesen der Dinge“ und fragt auch nicht nach „Wahrheit“. Insofern geht also die Frage nach einem „direkten“ oder „privilegierten Zugang“ am Kern der Sache vorbei.

    Man muss halt wissen, inwieweit man seinen Sinnen trauen darf, ob die Wahrnehmungen adäquat mit der Realität korrespondieren, oder ob das Gehirn spinnt und einem Dinge vorgaukelt, die mit der denkunabhängigen Außenwelt rein gar nichts zu tun haben. Ist nicht immer einfach.

    Sie können, um in Ihrer Diktion zu bleiben, anhand der Beobachtung des Diesseits z. B. Farben und Töne für bare Münze nehmen, oder eben versuchen zu schauen, was sich hinter dem Phänomen Farbe oder Ton verbirgt.

    Und ja, Überraschung, auch dafür bemühen wir unseren Verstand. Und zwar ganz ohne Zirkel…

    Apropos Verstand und Verstehen: Meine Frage war, was genau Sie mit dem Begriff „wir“ meinen, wenn Sie vom „Betrachten des Diesseits“ sprechen. Schließlich erscheinen Ihnen dort, in Ihrem Diesseits, andere Menschen doch nur als Phänomene.

  793. @Wolfgang Stegemann

    » Placebo hat einen schlechten Ruf,… «

    Nicht in der klinischen Forschung. Im Rahmen einer Pharmakotherapie darf man Patienten halt nicht im Unklaren lassen, was man ihnen verabreicht.

  794. Balanus:

    “Im Rahmen einer Pharmakotherapie darf man Patienten halt nicht im Unklaren lassen, was man ihnen verabreicht.”

    Bei Scheinoperationen wurde aber genau das gemacht. Patienten von der Placebowirkung zu überzeugen, ist schwierig. Insgesamt ist eine zielgenaue Placeboanwendung wesentlich effektiver, und vor allem kann der Patient bestimmte Techniken selbst anwenden, was ein riesengroßer Vorteil ist.

  795. @Wolfgang Stegemann

    Scheinoperationen im Rahmen einer normalen Behandlung? Mag ich kaum glauben…

    Homöopathische Kügelchen sind doch (meist) auch nichts anderes als Placebos. Von deren Wirkung sind die meisten Patienten eh sehr überzeugt. Da braucht der ordentliche Arzt keine falschen Versprechungen zu machen. Das ist ethisch einwandfrei.

  796. @Balanus 17.04.2021, 22:41 Uhr

    Sie schreiben:

    Man muss halt wissen, inwieweit man seinen Sinnen trauen darf, ob die Wahrnehmungen adäquat mit der Realität korrespondieren, oder ob das Gehirn spinnt und einem Dinge vorgaukelt, die mit der denkunabhängigen Außenwelt rein gar nichts zu tun haben. Ist nicht immer einfach.

    Die Korrespondenztheorie wird als Maßgabe für Wissensfortschritt nicht gebraucht, die Außenwelt steht zum Abgleich nicht zur Verfügung. Es gibt ja nur das, was wir beobachten können. Wenn Beobachtungen einander widersprechen, wie der bloße Augenschein und das Nachmessen bei den optischen Täuschungen, dann ist dieser Konflikt aufzulösen. Das nennt sich “Lernen”. In “Klüger Irren” zeige ich an Beispielen, wie das auch auf höheren kognitiven Ebenen bis hin zur Wissenschaft funktioniert. Die “Logik der Forschung” (Karl Raimund Popper, 1934) kennt keinen Zugriff auf Wahrheiten einer denkunabhängigen Realität.

    Meine Frage war, was genau Sie mit dem Begriff „wir“ meinen, wenn Sie vom „Betrachten des Diesseits“ sprechen. Schließlich erscheinen Ihnen dort, in Ihrem Diesseits, andere Menschen doch nur als Phänomene.

    Na und? Das verhindert dich nicht, dass ich mit ihnen kommuniziere. Ich nehme das Gegenüber ernst, und auch die drohende Flutwelle. Aber das hatten wir alles doch schon.

  797. @ Timm Grams 18.04.2021, 00:22 Uhr

    Zitat: “Die Korrespondenztheorie wird als Maßgabe für Wissensfortschritt nicht gebraucht, die Außenwelt steht zum Abgleich nicht zur Verfügung. Es gibt ja nur das, was wir beobachten können. Wenn Beobachtungen einander widersprechen, wie der bloße Augenschein und das Nachmessen bei den optischen Täuschungen, dann ist dieser Konflikt aufzulösen. Das nennt sich “Lernen”.

    Ich verstehe nicht, warum Sie die Korrespondenztheorie so strikt ablehnen?

    Ich glaube mich zu erinnern dass Sie ehemals wesentlich zur Entwicklung von Simulationssoftware für die Elektronik beigetragen haben.

    Das erste was ein potentieller Anwender tut, ist zu testen, wie weit die Ergebnisse der Simulationsrechnung mit der „Realität“ übereinstimmen. Dies dürfte offensichtlich der
    Korrespondenztheorie entsprechen und scheint, in diesem Fall auch naheliegend.

    Dass dies aus praktischen Gründen nicht immer möglich, sogar gelegentlich unmöglich scheint, ist auch naheliegend. Es wäre sozusagen sehr aufwendig zum Mond fliegen zu müssen, um z.B. den Durchmesser eines Kraters nachmessen zu können.

  798. Balanus: Allen Placebos ist gemeinsam, dass es eine mind-body-Beziehung gibt. Diese wirkt auf unterschiedliche Weise mit unterschiedlichen ‘Mitteln’. Die Placeboforschung untersucht diese unterschiedlichen Weisen und die Medizin setzt sie auch unterschiedlich ein. Und natürlich wirkt Homöopathie ebenso placebisch, wie übrigens auch jedes Verum. Es gibt Vermutungen, dass die Placebobasierung von Pharmaka eine Illusion ist, die darauf beruht, dass ein Verum gegenüber einem Placebo, das gar nichts enthält, ja irgendeinen Stoff enthält, den man (unbewusst) wahrnimmt und dadurch die Überzeugung gewinnt, eine Wirkung erwarten zu können. Und es gibt Fachleute, die behaupten, dass 70 – 80% aller Pharmaka in der Hauptsache placebisch wirken.
    Unser Hirn (Bewusstsein – Unterbewusstsein) hat also einen gewaltigen Einfluss auf den Rest unseres Körpers (und auf sich selbst).

  799. @ Balanus 17.04.2021, 22:41 Uhr

    Zitat: „Man muss halt wissen, inwieweit man seinen Sinnen trauen darf, ob die Wahrnehmungen adäquat mit der Realität korrespondieren, oder ob das Gehirn spinnt und einem Dinge vorgaukelt, die mit der denkunabhängigen Außenwelt rein gar nichts zu tun haben. Ist nicht immer einfach.

    Sie können, um in Ihrer Diktion zu bleiben, anhand der Beobachtung des Diesseits z. B. Farben und Töne für bare Münze nehmen, oder eben versuchen zu schauen, was sich hinter dem Phänomen Farbe oder Ton verbirgt.“

    Das „Tonphänomen“ ist praktisch restlos, zumindest als existierendes Phänomen, geklärt. Mir scheint auch klar, dass man nach Fragen suchen und sie auch so stellen könnte, die sich prinzipiell jeder Erklärung entziehen. Dies scheint eine Frage der psychischen Kognition. Man sollte sich der Grenzen des Denken bewusst sein, trotzdem kann man sie verschieben….

    Vom „Sprecher“ werden im neuronalen System „elektrische Impulse“ generiert, die die Sprechmuskeln ansteuern, so dass der Luftstrahl von der Luge „moduliert“ wird und Schallwellen entstehen.

    Diese werden direkt (oder indirekt, mittels z.B. elektronischer Systeme) zum Empfänger der Botschaft überragen.

    Die Ohren können die Schallwellen aufnehmen und als Sensorik in elektrische Impulse für das neuronale System umsetzen. Ich würde vermuten, dort werden sie, letztlich nach elektronischen Konzepten, verarbeitet.

    Die nächste Aussage ist heikel, aber vermutlich wird an elektrisch chemischen Schnittstellen die „elektrisch abgebildete“ Information unter Nutzung bestimmter, noch etwas vage vermuteten Phänomenen, (die eigentlich wegen der Vorgänge an den äußeren Elektronenbahnen, Grundlage der chemischen Prozesse sind) ins „Bewusstsein“ umgesetzt.

    Beim Farbphänomen scheint es komplexer, es dürfte sich aber vergleichbar verhalten.

  800. Simulation einschließlich Test ist eine rein diesseitige Angelegenheit. Wir vergeichen die Simulationsergebnisse mit einem entsprechenden Ausschnitt unseres Bildes von der Welt (“innere Realität”) und hoffen auf eine Verbesserung dieses Bildes beispielsweise durch Extrapolation oder das Testen von Theorien. Mehr ist nicht drin. Ich halte die Korrespondenztheorie für nicht hilfreich, weil mir nicht klar ist, wie eine Korrespondenz im konkreten Fall aussehen könnte. Ich kenne immer nur eine Seite. Die andere ist jenseits.

    Mit Ihrer abschließenden Bemerkung haben Sie natürlich Recht.

  801. @Grams,Balanus: Ich denke, es ist die Perspektive, die Sie beide unterscheiden. In dem von Chrys verlinkten Artikel geht es darum, dass die Natur keine Kausalitäten kennt, mithin keine Naturgesetze und damit auch kein Ding an sich (meine Folgerung). Unsere Naturgesetze und die damit verbundenen Kausalitäten konstruieren wir selber und bewältigen damit unseren Alltag. Der Versuch, ein Wesen hinter den Erscheinungen zu erkennen, das über unsere Gesetze der Natur hinausgehen, scheint unmöglich, denn es gibt ein solches Wesen nicht. Die reine Vernunft mit ihren Aprioris scheint ein von uns konstruierter Trugschluss, die praktische Vernunft hingegen orientiert sich an den Phänomenen und versucht, diese ‘für uns’ zu nutzen.

  802. @Timm Grams / 18.04.2021, 00:22 Uhr

    » Es gibt ja nur das, was wir beobachten können.«

    Sie meinen, (a) für den individuellen tierlichen Organismus existiert nur das, was er von der Außenwelt wahrnimmt. Da würde ich nicht widersprechen wollen.

    Und Sie meinen, (b) alles Beobachten, Wahrnehmen, Denken, usw., spielt sich in unserem Kopf, im Gehirn ab. Klar, wo auch sonst.

    » Wenn Beobachtungen einander widersprechen, wie der bloße Augenschein und das Nachmessen bei den optischen Täuschungen, dann ist dieser Konflikt aufzulösen. «

    Sie meinen, wenn bei der Wahrnehmung der Außenwelt das evolutionär entstandene Gehirn die eingehenden Sinnesdaten falsch „interpretiert“, dann können wir das dank bestimmter Hilfsmittel korrigieren. Auch da gibt es meinerseits keinen Widerspruch.

    » Ich nehme das Gegenüber ernst, und auch die drohende Flutwelle. «

    Das zeigt, dass Sie darauf vertrauen, dass Ihren Wahrnehmungen wirkliche (reale) Sachverhalte in der mental unzugänglichen Außenwelt zugrunde liegen („Gegenüber“, „Flutwelle“). Finde ich gut, denn nur darauf kommt es an. Bestimmte durch die Außenwelt evozierte innere Phänomene sollte man in der Tat ernst nehmen, es könnte sonst tragisch enden.

    » Aber das hatten wir alles doch schon. «

    So ist es.

    Aber eine Frage hätte ich dennoch. Sie schreiben (15.04.2021, 17:01 Uhr):

    » Ich bestreite allerdings, dass unsere Begriffe und Gesetze den Dingen von vornherein anhaften, dass wir sie sozusagen von der Welt ablesen können. «

    Wem gegenüber bestreiten Sie das eigentlich? Hier im Kommentariat wurde das meines Wissens nirgendwo behauptet.

  803. @Chrys // 17.04.2021, 15:22 Uhr

    » Mues, A. (1990). Naturkausalität – keine Kausalität der Natur. «

    Danke für den Hinweis.

    Schon erstaunlich, dass nach Hume und nach Nietzsche, der doch praktisch schon alles zur Kausalität gesagt hat, was es zu sagen gibt, immer noch darüber räsoniert wird.

    Aber gut zu wissen, dass es Energie „an sich“ nicht gibt. ;- )

    (Hat das eigentlich Konsequenzen für das Ding „an sich“?).

  804. @Balanus 18.04.2021, 11:49 Uhr
    Sie schreiben:

    Das zeigt, dass Sie darauf vertrauen, dass Ihren Wahrnehmungen wirkliche (reale) Sachverhalte in der mental unzugänglichen Außenwelt zugrunde liegen („Gegenüber“, „Flutwelle“). Finde ich gut, denn nur darauf kommt es an. Bestimmte durch die Außenwelt evozierte innere Phänomene sollte man in der Tat ernst nehmen, es könnte sonst tragisch enden.

    Das kann man so sehen. Ich halte den Bezug zur Außenwelt für nicht lebensnotwendigen Luxus. Er bringt eigentlich nichts. Hier greift das Sparsamkeitsprinzip.

  805. @Wolfgang Stegemann // 18.04.2021, 11:24 Uhr

    »Es gibt Vermutungen, dass die Placebobasierung von Pharmaka eine Illusion ist, die darauf beruht, dass ein Verum gegenüber einem Placebo, das gar nichts enthält, ja irgendeinen Stoff enthält, den man (unbewusst) wahrnimmt und dadurch die Überzeugung gewinnt, eine Wirkung erwarten zu können./em>«

    Das klingt abstrus. Wer vermutet denn so etwas?

    »Und es gibt Fachleute, die behaupten, dass 70 – 80% aller Pharmaka in der Hauptsache placebisch wirken.«

    Wie groß die Placebowirkung bei einer Pharmakotherapie ist, wird in randomisierten klinischen Doppelblind-Studien ermittelt. Das sollte eigentlich ausschließen, das Mittel auf den Markt kommen, die einem Placebo an Wirksamkeit unterlegen sind. (Oder sind da wirkungslose Naturheilstoffe und Homöopathika mitgemeint?)

  806. @Balanus 18.04.2021, 11:49 Uhr
    Sie schreiben:

    Hier im Kommentariat wurde das [nämlich, dass unsere Begriffe und Gesetze den Dingen von vornherein anhaften, dass wir sie sozusagen von der Welt ablesen können] meines Wissens nirgendwo behauptet.

    Hier geht es um den Naturalismus, wie ihn Martin Mahner und Gerhard Vollmer sehen. Wenn Gerhard Vollmer davon spricht, dass

    es eine Welt gibt, „dass also das Objekt unserer Erkenntnis, die Welt, einmalig und eindeutig bestimmt“ sei, und „dass wir diese Welt erkennen können”,

    dann ist er schon nahe bei dem, was ich ausdrücken wollte. Noch deutlicher wird das im Hoppla!-Artikel über Wunder.

  807. @Timm Grams // 18.04.2021, 12:08 Uhr

    »Ich halte den Bezug zur Außenwelt für nicht lebensnotwendigen Luxus.«

    Dieses Statement ist eine typische Kopfgeburt. Könnte Ihr Verdauungstrakt sich äußern, fiele die Entgegnung anders aus. Da bin ich mir sicher ;- )

  808. Guten Tag Herr Grams,
    würden sie mir, als philosophisch nicht sonderlich versierten, aber interessierten Mitleser eine Frage beantworten?

    Ich weiß nicht, ob ich Ihre Position richtig verstehe:

    Sie sagen, dass es keine Möglichkeit gibt zu entscheiden, ob es “Dinge an sich” bzw. eine reale Außenwelt gibt (auch wenn eine solche eine regulative Idee bzw. Denknotwendigkeit ist, das “Jenseits”). Wir sind im “Diesseits” gefangen. Deshalb ist eine Voraussetzungsmetaphysik nicht möglich, bzw. überflüssig, vom ontologischen Realismus bis zum metaphysischen Solipsismus könnte alles der Fall sei.

    Habe ich das richtig verstanden?

    Falls ja, stellt sich mir die Frage, welche “Funktion” die uns im “Diesseits erscheinenden” Sinnesorgane haben. Sie scheinen ja mit “unseren” Erscheinungen in Zusammenhang zu stehen. Ist es nicht evtl. klug, diese Erscheinungen (die Sinnesorgane) zumindest als Hinweis (kein Beweis) auf das Vorliegen einer realen Aussenwelt zu interpretieren, die man ja auch im Alltag intuitiv voraussetzt?

  809. @Balanus:

    “Das klingt abstrus. Wer vermutet denn so etwas?”

    Frau Prof. Bingel, eine der renommiertesten Placeboforscher/innen in Deutschland. Ich finde, es gehört nicht allzuviel Fantasie dazu, sich das vorzustellen: Ein Verum wirkt diskret und löst damit den Placeboeffekt aus. Randomisierung hat damit nichts zu tun.

  810. @Balanus 18.04. 14:26

    „Wie groß die Placebowirkung bei einer Pharmakotherapie ist, wird in randomisierten klinischen Doppelblind-Studien ermittelt. Das sollte eigentlich ausschließen, das Mittel auf den Markt kommen, die einem Placebo an Wirksamkeit unterlegen sind.“

    Jedenfalls nutzt ein Verum den begleitenden Placeboeffekt mit, und der macht eher sogar mehr als die Hälfte der Gesamtwirkung aus. Es wäre töricht, eine Therapiemaßnahme zu kritisieren, weil der Placeboeffekt überwiegt. Überhaupt sind viele Maßnahmen nicht mit einem Placebovergleich zu untersuchen. Etwa kann Psychotherapie nicht in Doppelblindstudien mit einem Placebo verglichen werden.

    @Hirsch 18.04. 14:56

    „Falls ja, stellt sich mir die Frage, welche “Funktion” die uns im “Diesseits erscheinenden” Sinnesorgane haben. Sie scheinen ja mit “unseren” Erscheinungen in Zusammenhang zu stehen. Ist es nicht evtl. klug, diese Erscheinungen (die Sinnesorgane) zumindest als Hinweis (kein Beweis) auf das Vorliegen einer realen Aussenwelt zu interpretieren, die man ja auch im Alltag intuitiv voraussetzt?“

    Volle Zustimmung. Sowohl die direkte Leistung unserer Sinne, wie auch die in der Welt lokalisierten Kausalitäten, die wir entdecken, sind überaus geeignet, Wesentliches in der Welt zu erkennen. Ein Solipsismus macht m.E. überhaupt keinen Sinn.

    Wir kennen aber eben nicht alles, das macht dann einen Unterschied. Vieles ist nicht untersucht, eben weil es nicht Paradigmen wie „Alles geht mit rechten Dingen zu“ folgt. In der Praxis bekommen wir es ganz gut hin, zu erkennen, was wir eben nicht kennen, und wo wir uns eines Urteils enthalten müssen.

    Gerade die verschiedenen Lebenserfahrungen der verschiedenen Menschen erzeugen einen unmittelbaren Pluralismus, den man im Miteinander immer genau im Auge behalten muss, wenn man miteinander klarkommen will. Auch wenn wir es mit reichlich subjektiven Auffassungen, die sogar gerne illusorisch sind, zu tun haben, führt kein Weg am Anderen vorbei, weil wir eben doch in der selben Welt leben.

  811. @I. Hirsch 18.04.2021, 14:56 Uhr

    “Vom ontologischen Realismus bis zum metaphysischen Solipsismus könnte alles der Fall sein”: So denke ich nicht. Mir geht es hier nur darum, dass der ontologische Naturalismus nicht zur Voraussetzungsmetaphysik taugt und dass man eine solche auch nicht nötig hat.
    Sie schreiben

    Ist es nicht evtl. klug, diese Erscheinungen (die Sinnesorgane) zumindest als Hinweis (kein Beweis) auf das Vorliegen einer realen Aussenwelt zu interpretieren, die man ja auch im Alltag intuitiv voraussetzt

    Wenn auch nicht besomders klug, ist’s zumindest unschädlich.

  812. @Wolfgang Stegemann

    »Ich finde, es gehört nicht allzuviel Fantasie dazu, sich das vorzustellen: Ein Verum wirkt diskret und löst damit den Placeboeffekt aus.«

    Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass eine solche Überlegung von Prof. Ulrike Bingel (et. al) stammt.

    Es ist ja keine Frage, dass die Erwartungen des Patienten und auch der behandelnden Ärzte bei einer Arzneimitteltherapie von Bedeutung sind, gerade deshalb gibt es ja die Doppelblindstudien, um die Größe des Placeboeffekts in einem bestimmten Setting zu bestimmen. Aber dass dieser Effekt irgendwie vom Arzneistoff „ausgelöst“ oder auch nur irgendwie (positiv) beeinflusst wird, davon habe ich noch nie gehört.

  813. @Timm Grams // 18.04.2021, 14:29 Uhr

    » Wenn Gerhard Vollmer davon spricht, dass

    es eine Welt gibt, „dass also das Objekt unserer Erkenntnis, die Welt, einmalig und eindeutig bestimmt“ sei, und „dass wir diese Welt erkennen können”,

    dann ist er schon nahe bei dem, was ich ausdrücken wollte. «

    Verstehe, aber besonders „nahe“ scheint mir das nicht zu sein. Womöglich haben Sie Vollmer da missverstanden.

    Ich zitiere, was er meint zu der Frage: „Wie kommt es, dass wir die Welt erkennen können?“ *)

    Unsere Frage setzt weiter voraus, dass wir diese Welt erkennen können – vielleicht nicht vollständig, vielleicht nicht beliebig genau, vielleicht nicht irrtumsfrei, aber eben doch einigermaßen.

    Wir sehen, Gerhard Vollmer legt in keiner Weise nahe, „dass unsere Begriffe und Gesetze den Dingen von vornherein anhaften, dass wir sie sozusagen von der Welt ablesen können“.

    Es müssen also andere Naturalisten sein, die das vertreten, was Sie meinen hier bestreiten zu müssen.

    *)vermutlich aus: Vollmer, G., Wieso können wir die Welt erkennen? Neue Argumente zur Evolutionären Erkenntnistheorie, in: Ch. Asmuth & H. Poser (Hrsg.), Evolution. Modell, Methode, Paradigma, Würzburg 2007.

  814. @Balanus 18.04.2021, 19:01 Uhr

    Sie entgegnen mir:

    Wir sehen, Gerhard Vollmer legt in keiner Weise nahe, „dass unsere Begriffe und Gesetze den Dingen von vornherein anhaften, dass wir sie sozusagen von der Welt ablesen können“.

    Er tut das vielleicht mehr, als der von Ihnen ausgewählte Textauszug vermuten lässt. Bevor wir uns im Klein-Klein verhaken: Auch beim Lesen – wie beim Wahrnehmen ganz allgemein – spielt die Erwartung eine ausschlaggebende Rolle. Ich spreche vom Buch der Natur.

    Zur Stützung meiner Argumentation ziehe ich das Kapitel “Warum eignet sich die Mathematik zur Naturbeschreibung” aus Vollmers  Buch “Wieso können wir die Welt erkennen?” von 2003 heran. Dort bezieht er sich auf einen “erhellenden Aufsatz” von Eugene Wigner. Ich sehe dieses Werk in der Nähe der Zahlenmystik (Über Wunder). Ein Auszug aus Wigners Artikel:

    Mathematics  does  play,  however,  also  a  more  sovereign  role  in  physics.  This  was  already  implied  in the  statement,  made  when  discussing  the  role  of  applied  mathematics,  that  the  laws  of  nature  must have  been  formulated  in  the  language  of  mathematics  to  be  an  object  for  the  use  of  applied mathematics.  The  statement  that  the  laws  of  nature  are  written  in  the  language  of  mathematics  was properly  made  three  hundred  years  ago;  [  It  is  attributed  to  Galileo.]  it  is  now  more  true  than  ever before.

    Gerhard Vollmer zieht dieses Fazit:
    – Mathematik ist eine Strukturwissenschaft.
    – Die Natur ist strukturiert.
    – Wir sind darauf angelegt, einige dieser Strukturen zu erkennen.

  815. @Wolfgang Stegemann

    Habe reingehört in das Video. Bin beruhigt, alles gut. Was Ulrike Bingel gegen 1:07:50 sagt, nämlich:

    » Placebo-Effekte entstehen nicht im Placobo, sondern im Gehirn des Patienten«,

    habe ich weiter oben (oder war’s im Nachbar-Thread?) auch schon sinngemäß geäußert. Und dass noch zum genauen Mechanismus viel geforscht werden muss, versteht sich.

  816. @Balanus:

    “» Placebo-Effekte entstehen nicht im Placobo, sondern im Gehirn des Patienten«,”

    Oje, es tut mir leid, wenn ich mich so missverständlich ausgedrückt haben sollte. Das erinnert mich an den Nachbarblog, bei dem es in einer Buchbesprechung darum geht, das Bewusstsein befinde sich nicht in unserem Gehirn, sondern in den Gegenständen, die wir beobachten. 😴

  817. Grenzen der Erkenntnis und des Verstands

    Einerseits ist es für mich verständlich und nachvollziehbar: „Erkennen“ kann man nur etwas, was man beobachten bzw. wahrnehmen kann durch Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken – Gleichgewichtssinn und „Positionsgefühl“ mögen noch dazu kommen. Man kann auch Beobachtungen anderer Leute einbeziehen und schließlich diverse technische Hilfsmittel vom Hörrohr über die Lupe bis zum LHC.

    Andererseits ist ein Grundsatz der Art „Wenn es nicht beobachtet werden kann, existiert es nicht“ schon an der Grenze des Alltagsverstands. Schon gelegentlich als Frage gelesen bzw. gehört: „Wo ist der Mond, wenn keiner hinguckt?“ Na gut, der wurde ja schon beobachtet. Haben das Universum, das Sonnensystem, die Erde existiert, als noch kein Mensch beobachtet hat?

    Zum wissenschaftlichen Diskurs gehört das Herantasten und evtl. auch Überschreiten dieser Grenzen dazu. Für die Bewältigung der alltäglichen Herausforderungen scheint mir das nicht wirklich hilfreich zu sein.

    Immerhin fühle ich mich mit den hier im Blog und in den Kommentaren gelesenen „Grenzbetrachtungen“ etwas besser vorbereitet, wenn ich im nachbarschaftlichen oder „hunderundlichen“ Gespräch feststelle, dass ich mich gerade mit einem Kreationisten, äh, mit einem Vertreter der Intelligent Design Theory unterhalte. Oder mit einer Anhängerin von Verschwörungsmythen. Oder mit einem Esoteriker, der exklusiv und persönlich über geheime Kenntnisse verfügt und sie mir zuraunen möchte.
    Zumindest würde ich vermeiden, dass sich folgender erfundener Dialog ergibt:

    A: „Das ganze Leben ist unwirklich. Es ist nur eine Illusion. Wir wissen nichts.“
    RUMMS.
    B (mit Blick auf seine Hand): „Oha. Heftige Wirkung für eine unwirkliche Faust.“

  818. @Timm Grams // 18.04.2021, 21:05 Uhr

    Zur Stützung meiner Argumentation ziehe ich das Kapitel “Warum eignet sich die Mathematik zur Naturbeschreibung” aus Vollmers Buch “Wieso können wir die Welt erkennen?” von 2003 heran.

    Es geht immer noch um die Behauptung, der (ontologische) Naturalismus (oder der eine oder andere Naturalist) behaupte, „dass unsere Begriffe und Gesetze den Dingen von vornherein anhaften, dass wir sie sozusagen von der Welt ablesen können“.

    Wenn Vollmer also das Fazit zieht, dass es an unseren besonderen, evolutiv entstandenen Hirnstrukturen liegt, dass wir die Gesetzmäßigkeiten (Strukturen) der Natur mittels der Mathematik (einer Strukturwissenschaft) beschreiben können, so wüsste ich nicht, was daran falsch sein soll.

    Zugegeben, ich kann nicht ausblenden, was ich von Vollmer gelesen habe. Vor dem Hintergrund seines Textes von (vermutlich) 2007 wundert mich aber schon die Wendung „wir sind darauf angelegt“ –falls sie denn überhaupt von Vollmer stammt.

    Zur Illustration noch ein kleiner Auszug aus seinem Aufsatz von (vermutlich) 2007, Seite 224 (und damit soll es dann auch gut sein, sofern Sie nicht noch einen stichhaltigen Beleg für die von Ihnen bestrittene Behauptung nachreichen):

    Denken und Erkennen sind Leistungen des menschlichen Gehirns, und dieses Gehirn ist in der biologischen Evolution entstanden. Unsere kognitiven Strukturen passen (wenigstens teilweise) auf die Welt, weil sie sich – phylogenetisch – in Anpassung an diese reale Welt herausgebildet haben und weil sie sich – ontogenetisch – auch bei jedem Einzelwesen mit der Umwelt auseinandersetzen müssen. […] So können wir auch andere kognitive Leistungen erklären.
    Aber warum ist unser Erkenntnisvermögen dann nicht noch besser? Auch hier ist die Antwort einfach: Biologische Anpassung ist nie ideal – und unser Erkenntnisvermögen deshalb auch nicht. Evolutiv belohnt wird nicht Vollkommenheit, sondern Effektivität.

  819. @Balanus:

    Denken und Erkennen sind Leistungen des menschlichen Gehirns, und dieses Gehirn ist in der biologischen Evolution entstanden. Unsere kognitiven Strukturen passen (wenigstens teilweise) auf die Welt, weil sie sich – phylogenetisch – in Anpassung an diese reale Welt herausgebildet haben und weil sie sich – ontogenetisch – auch bei jedem Einzelwesen mit der Umwelt auseinandersetzen müssen. […] So können wir auch andere kognitive Leistungen erklären.
    Aber warum ist unser Erkenntnisvermögen dann nicht noch besser? Auch hier ist die Antwort einfach: Biologische Anpassung ist nie ideal – und unser Erkenntnisvermögen deshalb auch nicht. Evolutiv belohnt wird nicht Vollkommenheit, sondern Effektivität.

    Die von Ihnen zitierte Aussage Vollmers liegt auf demselben Niveau, wie die Aussage, es müsse einen Gott geben, denn das Universum könne nicht von alleine entstanden sein. Es ist eine Leerformel, die durch nichts, aber auch wirklich gar nichts auch nur annährend bewiesen oder beweisbar wäre.
    Außerdem werden die Begriffe wieder durcheinandergeworfen. Geht es um die Erkenntnis der Natur an sich oder für uns? Wenn bereits Letzteres scheitern muss, wie soll dann Ersteres möglich sein. Was würde Vollmer sagen, wenn Myonen und Co. einst das Standardmodell der Physik pulverisieren sollten oder gar die Urknalltheorie in Zweifel gezogen würde? Unsere Maschinen würden auch weiterhin funktionieren, aber unser Weltbild würde ein Anderes.

  820. @Stegemann 19.04. 14:10

    „Die von Ihnen zitierte Aussage Vollmers liegt auf demselben Niveau, wie die Aussage, es müsse einen Gott geben, denn das Universum könne nicht von alleine entstanden sein. Es ist eine Leerformel, die durch nichts, aber auch wirklich gar nichts auch nur annährend bewiesen oder beweisbar wäre.“

    Was kann man schon beweisen, und dann auch noch sofort? Der Evolution Ergebnisse zu unterstellen, die sie eigentlich hervorgebracht haben müsste, nach aller Mutmaßung, kann doch eine gute Arbeitshypothese sein. Es bleibt der Nachwelt vorbehalten, derartige Aussagen dann doch zu verifizieren oder zu falsifizieren.

    Die Idee von einem Gott ist ja nun auch nicht grundsätzlich unüberprüfbar. Wenn Geisteswelten in unserer Psyche Grundfunktionen übernehmen, dann wird man das feststellen können, sobald man Konnektome im Computer simulieren kann.

    So wird dann auch hier aus einer Aussage, die nur aktuell noch nicht überprüft werden kann, dann doch noch was Definitives. Klar sind derartige Aussagen von geringerer Qualität, als die aktuell bereits gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, aber es lohnt sich doch, die Dinge zu verfolgen, insbesondere auch schon, wenn man nur den Gedanken attraktiv findet. Und wenn auch nur aus persönlichen spirituellen Erfahrungen heraus.

    Das gilt im Prinzip auch für den ontologischen Naturalismus: der ist auch derzeit nicht beweisbar, taugt aber so Manchem als (vorläufiger) Glaubenssatz, und wenn es nur darum geht, Übernatur auszuschließen, ohne sich im Detail mit Religion oder Esoterik auseinandersetzen zu müssen. In diesem Sinne ist es auch einfach eine Strategie, die aber theoretisch doch in Zukunft mehr Evidenz bekommen könnte.

    Wenn man versucht, Zukunft vorweg zu nehmen, ist man gut beraten, auch das ganze Spektrum der gehandelten Möglichkeiten einzubeziehen.

  821. @ Stegemann

    Das ist ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat. Es bezieht sich auf Vollmers Evolutionäre Erkenntnistheorie. Ein Teil dieser ist der hypothetische Realismus. Den hat er zumindest begründet.

    Das er das nicht beweisen kann ist doch klar und Vollmer betont das auch.

  822. Der Begriff „intelligentes Design“ ist natürlich etwas „anrüchig“ weil er, salopp formuliert, etwas nach „Pfaffen“ „riecht“.

    Aber das Konzept der „Sachwarmintelligenz“ war noch nie so aktuell wie heute in Coronazeiten.

    Ein Virus ist „strohdumm“, dümmer als z.B. ein Fisch. Dennoch schaffen es die Viren, sozusagen im Kollektiv, der Menschheit größte Probleme zu bereiten. (Allerdings dürften Viren auch zur Existenz von Lebewesen evolutionär beigetragen haben).

    Die intelligentesten einzelnen Wissenschaftler, die intelligent zusammenwirken können, denen auch noch schnelle Computersimulationen zur Verfügung stehen, „hecheln“ den Mutationen hinterher und die Gesellschaft erleidet dennoch schwerste Schäden.

    Bei diesem Sachverhalt fällt es mir jedenfalls schwer, keine „kollektiven, intelligente Funktionen“ bei den „Weltentstehungsprozessen“ zu vermuten, die man selbstverständlich leugnen kann.

    Wir Menschen scheinen sogar noch zu „dumm“ die (Lebens-) Prozesse auf molekularer Ebene ausreichend zu verstehen….

  823. Wenn ich die (neuzeitlichen) Theologen richtig verstanden habe, dann ist „Gott“ für sie „Bezeichner“ für „absolut alles“, jeglicher und wie auch immer gearteten transzendenten „Mechanismen“ die im Zusammenhang mit der Existenz der Welt stehen.

    „Absolut ganz genau so“, wie auch immer es sich verhalten hat, oder immer noch verhält.

    Selbst wenn alles nur „Schimäre“ wäre.

    Wir können der „absoluten Wahrheit“ höchstens näher kommen, sie vermutlich niemals vollständig verstehen.

    Theologen haben sich einfach das „Monopol“ zur Deklaration eines „Bezeichners“ für das „absolut Grundlegendste“ unserer Existenz „unter dem Nagel“ gerissen.

    So scheint es nun einmal, dies könnte manchem wütend machen, man könnte genau so gut den Mond anbellen, oder mit dem Kopf gegen eine Mauer rennen, es scheint jedenfalls formal korrekt zu sein ….

  824. @Balanus / 18.04.2021, 19:01 Uhr

    Mir scheint, Du servierst jetzt mit Bezug auf Vollmer erneut die Argumentation, mit der Thomas Waschke hier bereits vor ca. 2 Wochen den metaphysischen Naturalismus als Voraussetzungsmetaphysik für die Naturwiss. verteidigt hatte.

    Dabei wird u.a. die aposteriori Erkennnis, dass wir physische Sinnesorgane haben, durch die uns offenbar Sinneseindrücke vermittelt werden, als apriori notwendige Bedingung für unsere Sinneseindrücke hingestellt, was dann erklären soll, “wieso” wir überhaupt sensorische Eindrücke haben können.

    Das stimmt so aber nicht. Denn unter der Annahme, dass die Simulation Hypothesis zutrifft — was ich ja nicht ausschliessen kann — ist es denkmöglich, dass ich ontologisch weder Sinnesorgane noch ein Hirn habe, sondern vielleicht nur so etwas wie ein Programm in einer Galouye-Welt vom Typ Simulacron-3 bin. Und Elon Musk scheint jedenfalls dergleichen sogar für viel plausibler zu halten als, beispielsweise, ontologischen Naturalismus.

  825. @Chrys // 20.04.2021, 00:17 Uhr

    »Mir scheint, Du servierst jetzt mit Bezug auf Vollmer erneut die Argumentation, mit der Thomas Waschke…«

    Ach wo, es ging mir nur darum zu zeigen, dass Vollmer keineswegs meint, dass „unsere Begriffe und Gesetze den Dingen von vornherein anhaften“, damit lag Timm Grams offenkundig falsch.

    Was die „Galouye-Welt“ anbetrifft: Denkmöglich ist auch, dass ein intelligenter Programmierer „Simulacron-3“ als dezenten Hinweis auf Deine wahre Identität und die wahre Realität ins Simulations-Programm eingepflegt hat (und mich natürlich auch). So als kleine Gemeinheit.

    Aber hey, auch wenn es so sein sollte, take it easy, irgendwann wird die Simulation wohl auch für Dich zu Ende sein…

    Schöne Grüße aus der realen Welt ;- )

  826. Vielleicht sind ja nicht einzelne Lebewesen in der Simulation programmiert, sondern die Evolution an sich, Selbstreparaturprozesse usw., spart erheblich an Ressourcen. Sitzt ein Team in einem Rechenzentrum, quasi Lieber Gott 2.0. 😜

  827. @ Chrys 20.04.2021, 00:17 Uhr

    Zitat: „Denn unter der Annahme, dass die Simulation Hypothesis zutrifft — was ich ja nicht ausschliessen kann — ist es denkmöglich, dass ich ontologisch weder Sinnesorgane noch ein Hirn habe, sondern vielleicht nur so etwas wie ein Programm in einer Galouye-Welt vom Typ Simulacron-3 bin. Und Elon Musk scheint jedenfalls dergleichen sogar für viel plausibler zu halten als, beispielsweise, ontologischen Naturalismus.“

    Es ist die Frage, wie „wirksam und zahlreich“ Gehirn und Sinneszellen verteilt sind, „einige Zellen“ (im Universum) sollten es schon sein.

    Wenn Sie etwas anders formulieren, statt „so etwas wie einem Programm“ den Begriff „Objekt“ (im allgemeinen Sinne der Informatik) verwenden, dann ist „die Welt als Simulation“, vermutlich auch in der Interpretation von Elon Musk, wieder in Ordnung…..

  828. @Balanus 20.04.2021, 10:26 Uhr

    Ach wo, es ging mir nur darum zu zeigen, dass Vollmer keineswegs meint, dass „unsere Begriffe und Gesetze den Dingen von vornherein anhaften“, damit lag Timm Grams offenkundig falsch.

    Damit geben Sie weder das wieder, was ich gemeint habe noch das, was unsere Diskussion ergeben hat. Nochmal zu Vollmers Ansicht, der ich widerspreche. Er geht von einer evolutiven Anpassung an eine strukturierte Realität aus. Ich zitiere aus seinem Buch “Wieso können wir die Welt erkennen” von 2003 (S. 132):

    Vielmehr ändern wir unsere beschreibenden Theorien, also die Kalküle oder die Interpretationen oder beides, bis die vorgegebene Realität als Modell einer Theorie erscheint, die wir dann als die richtige ansehen.

    Es geht in der Evolution um Fitness, ums Überleben, um Nachkommen. Übertragen auf die Wissenschaft: Fitness zeigt sich darin, wie sich Theorien gemessen an den Beobachtungen bewähren. Fitness lässt sich bewerten, Anpassung nicht. Fitness ist Gegenstand der Wissenschaft, Anpassung ist Metaphysik. Wie will Gerhard Vollmer denn erkennen, was “die vorgegebene Realität” ist?

  829. @Timm Grams: Da ich Ihre Position noch nicht ganz verstanden habe, frage ich nochmal nach, indem ich keine Kategorien verwende, sondern Perspektiven.

    Wenn ich auf die Objekte des Diesseits blicke (um Ihren Begriff zu verwenden), dann sehe ich eine durch einen Urknall strukturierte Realität [durch eine Explosion ergibt sich eine in Bewegung befindliche Struktur, die eine gewisse Regelmäßigkeit aufweist]. Diese Realität nehme ich mit den mir zur Verfügung stehenden Sensorien wahr.
    Die Frage nach einem ‘Ding an sich’ und den damit verbundenen Kausalitäten stellt sich dabei m.E. nicht, denn wir können mit unseren Sensorien nicht anders wahrnehmen als wir es tun.
    Nehme ich nun den Standpunkt des Jenseits ein und blicke quasi von hinten auf unser Diesseits, dann könnte ich die Welt an sich sehen, wie es etwa der angenommene Programmierer einer Simulation tut, wenn er den Programmiercode sieht. Ein solcher Blickwinkel ist für mich ebenfalls sinnlos, da wir einen solchen nie einnehmen können und könnten wir es, würden wir es nicht verstehen.
    So ist es für mich realistisch [und das halte ich keineswegs für naiven Realismus] ein am Diesseits orientiertes Leben zu führen, da alles andere keinen Sinn ergeben würde, eingedenk dessen, dass es durchaus andere Perspektiven geben kann.
    Wie würden Sie Ihren Standpunkt in einem solchen Szenario einordnen?

  830. „So ist es für mich realistisch [und das halte ich keineswegs für naiven Realismus] ein am Diesseits orientiertes Leben zu führen, da alles andere keinen Sinn ergeben würde, eingedenk dessen, dass es durchaus andere Perspektiven geben kann.“

    Das finde ich auch alternativlos. Selbst mit etwas Geist im Leben macht es wenig Sinn, die Welt aus rein geistiger Sicht zu betrachten. Eben weil das nicht funktioniert, man bleibt an „Die Wege des Herrn sind unergründlich“ hängen, und muss sich mit dem Wirken des Geistes in der Welt begnügen. Und ansonsten das Diesseits im Mittelpunkt des Interesses behalten, und tun, was in der Welt vernünftig erscheint.

    Ein Solipsismus und die Idee von der komplett simulierten Welt sind einfach unsinnig. Damit kann man nichts Produktives anfangen, erst mal weil es einfach nicht so ist. Aber auch wenn es so wäre, was sollte man sonst tun, als einfach so zu leben, als wäre es doch die echte Welt, in der wir uns bewegen?

    Es gibt ja nun durchaus spirituelle Erfahrungen, mit reichlich konkreter Vielfalt, aber dass sich die Welt als Simulation zeigt, ist wieder sehr selten. So selten, dass man zuwenig Anlass hat, um dies wirklich in Betracht zu ziehen.

  831. @Wolfgang Stegemann 20.04.2021, 14:32 Uhr

    Zur Einordnung meines Standpunkts wähle ich folgendes Verfahren: Ich übernehme Ihren Text, streiche die Teile, die mir nicht behagen und füge fett ein, was mir eher behagt. Ihr Text mit meinen Änderungen:

    Wenn ich auf die Objekte des Diesseits blicke (um Ihren Begriff zu verwenden), dann sehe ich eine durch einen Urknall strukturierte Realität [durch eine Explosion ergibt sich eine in Bewegung befindliche Struktur, die eine gewisse Regelmäßigkeit aufweist. Diese Realität nehme ich mit den mir zur Verfügung stehenden Sensorien wahr.
    Die Frage nach einem ‘Ding an sich’ und den damit verbundenen Kausalitäten stellt sich dabei m.E. nicht, denn wir können mit unseren Sensorien nicht anders wahrnehmen als wir es tun.
    Nehme ich nun den Standpunkt des Jenseits ein und blicke quasi von hinten auf unser Diesseits, dann könnte ich die Welt an sich sehen, wie es etwa der angenommene Programmierer einer Simulation tut, wenn er den Programmiercode sieht. Ein solcher Blickwinkel ist für mich ebenfalls sinnlos, da wir einen solchen nie einnehmen können und könnten wir es, würden wir es nicht verstehen.
    So ist es für mich realistisch [und das halte ich keineswegs für naiven Realismus] richtig, ein am Diesseits orientiertes Leben zu führen, da alles andere keinen Sinn ergeben würde, eingedenk dessen, dass es durchaus andere Perspektiven geben kann.

  832. @Chrys // 20.04.2021, 00:17 Uhr
    … und Grenzen der Erkenntnis und des Verstands

    …nur so etwas wie ein Programm in einer Galouye-Welt vom Typ Simulacron-3 …

    An ungefähr so etwas oder an etwas wie “Matrix Re-Imagined“ hatte ich gedacht, als ich schrieb, dass manche Überlegungen für die Bewältigung der alltäglichen Herausforderungen nicht wirklich hilfreich seien. 😉

  833. @Karl Maier
    Analogien –das Auto
    Notizen, die liegengeblieben waren …

    Analogien (oder andere Arten, einen Sachverhalt zu betrachten) können den Blick auf sonst Übersehenes lenken. Auch eine sehr detaillierte Kenntnis aller Einzelbauteile eines Autos ergibt (für sich allein) noch keine Erkenntnis über Geschwindigkeit.

    Allerdings: Die detaillierte Kenntnis von Einzelbauteilen ergibt bei der Beobachtung fahrender Autos vermutlich erleichterte Erkenntnis über die (mögliche) Geschwindigkeit.

    Solche Analogie ist gut geeignet, offene Fragen oder bisher übersehene Sachverhalte zu entdecken. Als Begründungen für an Lebewesen entdeckte oder noch zu entdeckende Phänomene ist sie aus meiner Sicht nicht geeignet. Unter anderem, weil man ein Auto im Gegensatz zu einem Lebewesen aus- und wieder einschalten kann. 😉

    Nach dem „out-of-the-box“ Denken eine zur Auto-Betrachtung ähnliche Formulierung für den Menschen: Allein aus der detaillierten Kenntnis von Knochen, Gelenken, Muskeln, Sehnen, Bändern usw. wird man nicht erkennen können, ob und wie ein Mensch stehen, gehen, laufen, schwimmen oder fliegen kann oder eben nicht. Aber bei der Beobachtung stehender, gehender, laufender, schwimmender oder fliegender (huch?) Menschen führen diese Detailkenntnisse vermutlich zu erleichterter Erkenntnis.

  834. @Elektroniker
    Analogien zum Gehirn / Denken mittels Begriffen der Elektronik / Informatik

    Mir gefällt an dieser Betrachtung der Punkt, dass man die im (Arbeits-) Speicher eines Computers tatsächlich gespeicherten Inhalte von außen nicht einsehen bzw. lesen kann. Ähnlich, wie man die im neuronalen Netz eines Gehirns tatsächlich „gespeicherten“ Inhalte von außen nicht einsehen bzw. lesen kann. (Zumindest vermute ich, dass Letzteres gilt und auch zukünftig gelten wird.)

    Die jeweiligen Inhalte stehen nur innen im System – im Speicher des Computers einerseits bzw. im neuronalen Netz des Gehirns andererseits zur Verfügung. Dass man einen Computer anweisen kann, den Speicherinhalt zu „dumpen“, ändert nichts an dieser grundsätzlichen Gemeinsamkeit. 🙂

  835. @Timm Grams // 20.04.2021, 11:51 Uhr

    Ich fasse Ihren Standpunkt, so wie ich ihn verstanden habe, kurz zusammen:

    Sie schrieben (im Zusammenhang mit dem Kausalitätsbegriff): » Ich bestreite allerdings, dass unsere Begriffe und Gesetze den Dingen von vornherein anhaften, dass wir sie sozusagen von der Welt ablesen können.«

    Auf Nachfrage, wer dergleichen behauptet, nannten Sie Gerhard Vollmer, der sei da nahe dran.

    Das konnte ich anhand des mir vorliegenden Vollmer-Textes so nicht nachvollziehen.

    Reden wir uns also über den zuletzt zitierten Textauszug auf Seite 132 in “Wieso können wir die Welt erkennen” von 2003 (s.o.)

    Nach meinem Verständnis ist diese Passage plausibel und einleuchtend, zumindest auf den ersten Blick.

    Was genau Sie an dem Zitierten für falsch halten, bleibt (zunächst zumindest) unklar. Sie schreiben:

    »Es geht in der Evolution um Fitness, ums Überleben, um Nachkommen. Übertragen auf die Wissenschaft: Fitness zeigt sich darin, wie sich Theorien gemessen an den Beobachtungen bewähren. «

    Ich vermute, Sie sehen da eine gewisse Analogie: Theorien evolvieren gewissermaßen ähnlich wie Lebensformen.

    Der Begriff ‚Fitness‘ kommt dabei sowohl in der Evolution als auch in der Wissenschaft vor.

    „Fitness“ bedeutet in der Evolution auf gut deutsch „Angepasstheit“ (und nicht ‚gute körperliche Verfassung‘, wie manche vielleicht glauben).

    Doch dann schreiben Sie:
    » Fitness lässt sich bewerten, Anpassung nicht. «

    Mit „Anpassung“ könnte der Vorgang gemeint sein, an dessen Ende die „Angepasstheit“ steht.

    Also: Angepasstheit lässt sich bewerten, Anpassung (der Prozess) nicht.

    Ok, einverstanden (falls es so gemeint war).

    Und weiter:

    »Fitness [i.e., Angepasstheit] ist Gegenstand der Wissenschaft, Anpassung [i.e. Veränderung über die Zeit] ist Metaphysik.«

    Da komme ich nicht mit. Hier ist Nachhilfe gefordert.

    Schlussendlich:

    » Wie will Gerhard Vollmer denn erkennen, was “die vorgegebene Realität” ist? «

    Spontan würde ich sagen: Durch einen einfachen Test (Probe aufs Exempel). Wie z. B. im Falle der Flutwelle, die weiter oben von @Feodor ins Rollen gebracht wurde: Wenn sie einen nass macht, dann war die Flutwelle real (egal, was ich in diesem Zusammenhang denke oder auch nicht denke; woraus folgt: Die Flutwelle—als Teil der vorgegebenen Realität—ist in diesem Sinne denkunabhängig).

    Ein Philosoph würde womöglich noch nach dem Wesen der Flutwelle fragen, oder nach dem Wellending „an sich“, oder worin sich die phänomenale Flutwelle im Kopf (im “Diesseits”) von der Flutwelle da draußen (im “Jenseits”) unterscheidet.

    Zurück zum Vollmer-Zitat, mit meinen Ergänzungen in fett (Idee dazu geklaut bei Ihnen):

    Vielmehr ändern wir unsere beschreibenden Theorien, also die Kalküle oder die Interpretationen oder beides, bis die vorgegebene Realität der Flutwelle als Modell einer Wasserwellen-Theorie erscheint, die wir dann als die richtige ansehen.

    So ungefähr würde ich das lesen, sofern ich Vollmer richtig verstehe.

  836. Selbstheilungskräfte und Placebos

    Wenn jemand gesundheitlich eingeschränkt ist und wieder gesund wird, dann liegt das an den Selbstheilungskräften. Viele Einschränkungen, Verletzungen, Krankheiten, Störungen bewältigen die Selbstheilungskräfte ganz alleine. Oft wird Unterstützung benötigt, z.B. durch Ruhe, wiederkehrende Abläufe („Rituale“), eigene Aufmerksamkeit oder solche durch Kümmerer, geeignete Medikamente oder Maßnahmen mit geringer bis hoher Wirksamkeit. Und manchmal reicht auch Unterstützung nicht.

    Aus meiner Sicht ist alle ärztliche oder medizinische Kunst darauf ausgelegt, die Selbstheilungskräfte zu unterstützen, zu aktivieren oder zu stärken.

    Ein paar Beispiele:

    Gebrochene Knochen wachsen wieder zusammen. Aber eine Fraktur muss meistens gerichtet und fixiert werden, damit die Knochen nicht schief zusammenwachsen bzw. damit anschließend Beweglichkeit und Stabilität wiederhergestellt werden können. Leider gelingt das nicht immer.

    Verletzungen der Haut schließen sich, müssen aber vor Verunreinigungen geschützt werden und Platzwunden oder größere Verletzungen müssen beispielsweise genäht werden. Dabei können Narben und andere Einschränkungen bleiben.

    Krankheitserreger werden vom Immunsystem bekämpft. Bei manchen Erregern kann es passieren, dass der Patient stirbt, bevor das Immunsystem erfolgreich werden kann. Da kann die akute Krise durch Intensiv-Medizin abgewehrt werden. Das gelingt aber nicht immer.

    Von Stress oder psychischen Störungen kann man genesen. Wenn man Glück hat, schon im Schlaf; sonst z.B. durch (bewusstes) Verlernen oder durch Psychotherapie.

    In diesem Blog bzw. beim Thema Bewusstsein geht es wohl eher um psychische Störungen. Die können physische Ursachen haben. Stichworte: Wassermangel bzw. Dehydrierung; Mangel bei der Ernährung (z.B. Natrium- oder Kalium-Mangel) mit Einschränkungen der Biochemie in den Zellen bzw. Neuronen; Vergiftung z.B. durch zu hoch dosierten Alkohol; ggf. gehört auch Schlafmangel in diese Reihe. Dagegen helfen dann Zufuhr oder Entzug oder Ausgleich.

    Die meisten psychischen Störungen entstehen vermutlich durch Widersprüche zwischen aktuellen Wahrnehmungen und deren Abgleich mit Erinnerungen und Erfahrungen aus dem Gedächtnis bzw. dadurch, dass eigentlich harmlose Situationen oder Dinge als (lebens-) bedrohlich eingeschätzt werden.

    Wenn man Glück hat, kann man diese Widersprüche selbst entdecken und auflösen; evtl. auch mit einfacher Hilfe mittels Abtrainieren oder Abgewöhnen. Wenn es akut ist, können Psychopharmaka helfen, die Krise zu überstehen. Sonst hilft hoffentlich eine Psychotherapie, begleitet von mehr oder weniger wirksamen Medikamenten bis hin zu Placebos. Letztere wirken dann nicht stofflich, sondern z.B. durch (wiederkehrende) Abläufe oder durch die Erwartung der Wirkung.

  837. @ Harald Andresen 20.04.2021, 19:50 Uhr

    Zitat: „Analogien zum Gehirn / Denken mittels Begriffen der Elektronik / Informatik“

    Sie haben das grundsätzliche Problem der Elektronik und der Informatik angedeutet.

    Auf diesem Gebiet arbeitende Techniker sind gezwungen, sich untereinander über immer wieder neue Sachverhalte auszutauschen und dafür brauchen sie eine „Sprache“ mit neuen Begriffen die es bisher nicht gab.

    Sie schaffen sich eine eigenen Sprache, „quick and dirty“ sozusagen. Sie greifen auf bestehende Begriffe zurück und verleihen ihnen eine neue Bedeutung. Linguisten und Philosophen haben dafür nur begrenztes Verständnis, weil sie die „Klarheit“ der Sprache anstreben.

    Elektroniker sind, anders als Philosophen gezwungen, sich sehr schnell auf gemeinsame Begriffe zu einigen, weil es ihnen auf den zu beschreibenden Sachverhalt, aber weniger auf die Sprache ankommt.

    Die Informatiker sind auf gemeinsame „Bezeichner“ die für die Mitarbeiter verbindlich sind angewiesen und Firmen sollen sogar Linguisten angestellt haben, um Ordnung in das System zu bringen.

    Der Begriff „Speicher“ kommt vermutlich vom Wasserspeicher und der vom Speicher unter dem Dach. Ich vermute, Ihnen als Informatiker sagt sogar der „Kellerspeicher“ („Stack“) oder das LIFO – Prinzip etwas. Immerhin werden in der Elektronik wenigstens „Bit“, als „Teile von Daten“ oder eines „Programms“ sozusagen „abgelegt“ wie eine Kiste oder 1000 Liter Wasser im Speicher.

    Im neuronalen System wird es noch einmal „schlimmer“. Es gibt keine strikte Trennung in Daten und Programme wie in der Informatik, sondern nur eine Art von „Verbund aus Daten und Programmen“, die man grob gesagt als „Objekte“ bzw. „Muster“ bezeichnen kann.

    Die „Speicherung“ ist nicht mehr mit der Ablage irgend eines „Objekts“ vergleichbar und erfolgt als „Strukturerweiterung“ (neue oder verstärkte synaptische Verknüpfungen) bestehender Strukturen im Sinne von E.Kandel.

  838. @Balanus 20.04.2021, 21:01 Uhr

    Vorab: In Diskussionen mit gut sortierten Naturalisten mache ich drei Phasen aus. 1. Sachliche Diskussion. Falls nicht im Sinne des Naturalisten erfolgreich, folgt Phase 2. Wortspalterei, Rabulistik. Danach Phase 3. Grobheiten im Sinne vom Schopenhauers 48. Kunstgriff für Rechthaber.

    Wir befinden uns sichtlich iin Phase 2.

    Da ich im Zweifelsfall die Begriffsbestimmung mitzuliefern pflege, gibt es kaum Gelegenheiten für Missverständnisse. Das kann mich aber offensichtlich nicht vor Phase 2 bewahren:

    Fitness“ bedeutet in der Evolution auf gut deutsch „Angepasstheit“.

    Es ist aus dem Zusammemhang klar, dass ich ich diese Begriffe nicht gleichsetze, sondern klar unterscheide. In der Populationsdynamik legt man Wert auf die Operationalisierbarkeit von Erscheinungsgrößen. Der Fitnessbegriff leistet das: “Fitness” oder “Eignung” steht für Fortpflanzungserfolg. “Anpassung” ist demgegenüber offensichtlich nicht operationalisierbar.

  839. @Balanus / 20.04.2021, 21:01 Uhr

    »Wenn sie einen nass macht, dann war die Flutwelle real …«

    Wenn sie einen (empirisch feststellbar) nass macht, dann war die Flutwelle phänomenal. Der metaphysische Naturalismus will dann aber noch dem Umstand, dass Du phänomenal nass geworden bist, als notwendige Voraussetzung anheften, dass Du dabei auch metaphysisch “nass an sich” geworden sein musst.

  840. Timm Grams: 38. Kunstgriff: “Ad personam

    Es wäre hilfreich, den behaupteten Ad-personam-Angriff zu erläutern. Welches pejorative Prädikat wurde denn auf deine Person gemünzt? Was habe ich verpasst?

  841. @Elektroniker / 20.04.2021, 11:00 Uhr

    … dann ist „die Welt als Simulation”, vermutlich auch in der Interpretation von Elon Musk, wieder in Ordnung…..«

    Nach meinem Dafürhalten ist die “Welt als Simulation” von Elon Musk als Metaphysik durchaus in Ordnung. Entscheidend ist dabei nur, dass sie für ihn in Ordnung ist, das ist schliesslich so gut oder schlecht wie jede andere metaphysische Überzeugung, die er individuell für richtig und akzeptabel hält.

    Interessanterweise liefert die Computer Science mit VR Simulationen der Theologie noch eine Möglichkeit, sich die “Erschaffung einer Welt” zumindest als zeitgemässe Metapher vorzustellen. Die Götter sind dabei die Programmierer. Falls die simulierte Welt zudem interaktiv designed ist (wie in Simulacron-3), könnten die Götter sogar ins virtuelle Weltgeschehen eingreifen, ohne dass die simulierten Weltbewohner ihnen das nachweisen können.

  842. @Feodor 20.04.2021, 23:53 Uhr
    Was soll die Frage? Du kennst die Antwort doch schon. Was gibt es dazu denn noch zu sagen? Wir müssen das Gezänk doch nicht auch noch in dieses Blog hineintragen. Meine Vorbemerkung soll der Deeskalation dienen – nichts weiter. Also: Lassen wir das.

  843. @Chrys 21.04. 09:46

    „Die Götter sind dabei die Programmierer. Falls die simulierte Welt zudem interaktiv designed ist (wie in Simulacron-3), könnten die Götter sogar ins virtuelle Weltgeschehen eingreifen, ohne dass die simulierten Weltbewohner ihnen das nachweisen können.“

    Bei Computerspielen wird ja nur die Benutzeroberfläche erzeugt. Eine Weltsimulation, die wirklich stets bis auf die atomare Ebene herunter alles sauber simuliert, wäre von der echten Welt kaum zu unterscheiden. Ob mit oder ohne Spezialeingriffe seitens der „Götter“.

    Es macht dann dermaßen keinen Unterschied, dass man das selbst dann nicht beachten müsste, wenn es tatsächlich eine Simulation wäre. Eine so echte Simulation eben, dass sie tendenziell sogar echter sein kann, als das Universum im herkömmlichen Sinne.

    Entsprechend beliebig weitergedacht, wäre in der simulierten Welt Raumfahrt mit Überlichtgeschwindigkeit dann aber eventuell möglich? Meine Idee mit den gezielten Quantenzufällen könnte allerhand spirituelle Erfahrungen erklären, Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit wären da aber nicht im Angebot.

  844. @Timm Grams // 20.04.2021, 22:51 Uhr

    »“Fitness” oder “Eignung” steht für Fortpflanzungserfolg.«

    Dann haben ich Ihre Aufzählung, worum es in der Evolution geht („um Fitness, ums Überleben, um Nachkommen“) wohl überinterpretiert.

    Sie meinten mit ‚Fitness‘ also schlicht das relative Maß für den Reproduktionserfolg: Anzahl der Nachkommen eines Genotyps im Vergleich zu der eines anderen Genotyps. Hätten Sie auch gleich sagen können.

    Im Vergleich zu dieser Maßzahl ist das, wofür der der Begriff ‚Anpassung“ steht (oder doch besser ‚Angepasstheit‘?), natürlich etwas völlig anderes.

    Aber gleich „Metaphysik“, bloß weil man die Angepasstheit eines Merkmals an eine bestimmte Umweltbedingung nicht operationalisieren, also direkt messen kann?

    Dann müsste doch auch ‚Evolution‘ ein metaphysischer Begriff sein.

    Zum Beispiel der oft zitierte Photorezeptor: Was soll falsch daran sein, hier eine gewisse Angepasstheit an die sehr intensive elektromagnetische Strahlung auf der Erdoberfläche festzustellen? Die funktionalen Eigenschaften von Photorezeptoren lassen sich sogar wissenschaftlich exakt untersuchen, d.h. messen.

    Anstatt mit Schopenhauer zu kommen, könnten Sie vielleicht ja mal etwas konkreter werden, was die Anpassung bzw. Angepasstheit im Rahmen evolutionärer Betrachtungen betrifft. Ich habe so meine Zweifel, ob in Bezug auf die Evolutionsbiologe das Kriterium ‚Operationalisierbarkeit‘ geeignet ist, um Wissenschaft von Metaphysik zu unterscheiden.

    Oder anders herum: Mit welchen Argument könnte bestritten werden, dass die sensorischen Fähigkeiten der Lebewesen eine evolutive Anpassungsleistung der Organismen an die gegebene Physik der Umwelt ist? Denn das ist es doch, was Vollmers „evolutionärer“ Erkenntnistheorie zugrunde liegt, wenn ich nicht irre.

    »In Diskussionen mit gut sortierten Naturalisten mache ich drei Phasen aus.«

    „Wat geiht meck dat an“, könnte ich da mit Wilhelm Busch sagen. Ich bin gelernter Naturwissenschaftler (gewesen). (Will sagen: da gibt es nichts zu „deeskalieren“).

    Aber bleiben wir lieber beim Thema…

  845. @Chrys /// 20.04.2021, 22:53 Uhr

    » Wenn sie einen (empirisch feststellbar) nass macht, dann war die Flutwelle phänomenal. «

    Klar, je phänomenaler, desto nasser ;- )

    »Der metaphysische Naturalismus will dann aber noch dem Umstand, dass Du phänomenal nass geworden bist, als notwendige Voraussetzung anheften, dass Du dabei auch metaphysisch “nass an sich” geworden sein musst.«

    „Nass“ ist natürlich kein physikalisch definierter Begriff, insofern hakt es hier. Aber, so wie ich den metaphysischen Naturalismus verstehe, wird lediglich behauptet, dass, um im Beispiel zu bleiben, Wasser denkunabhängig existiert und es auch zu tatsächlichen (messbaren) Wellenbildungen kommen kann. Mit anderen Worten: Es gibt da draußen etwas, das den Messzeiger ausschlagen lässt und einen im günstigen Fall nur nass macht, im ungünstigsten Fall aber auch dazu führen kann, die Existenz des Beobachters ein für alle Mal zu beenden, womit dann, zumindest für diesen Beobachter, überhaupt nichts mehr existiert, weder Phänomene noch eine denkunabhängige Außenwelt.

    Das besagt für mich der metaphysische Naturalismus: Wir müssen die Phänomene ernst nehmen, sonst kann das böse enden.

  846. @Balanus: Die Photosynthese ist ein komplexes Phänomen, welches wir unter diesem Begriff abstrakt zusammenfassen, beschreiben und benennen. Die Natur kennt weder Photosynthese noch die Farbe grün. Ich denke, darauf sollte in obigen Beiträgen hingewiesen werden.
    Nur so, also phänomenal, lässt sich Leben wirklich beschreiben, also nicht auf naturalistische Weise, weder ontologisch noch methodologisch.

  847. @Wolfgang Stegemann // 21.04.2021, 15:21 Uhr

    » Die Photosynthese ist ein komplexes Phänomen, welches wir unter diesem Begriff abstrakt zusammenfassen, beschreiben und benennen. «

    Warum betonen Sie so stark den Begriff ‚Phänomen‘?

    Ist mit ‚Phänomen‘ etwas anderes gemeint als „Naturerscheinung“?

    » Die Natur kennt weder Photosynthese noch die Farbe grün. Ich denke, darauf sollte in obigen Beiträgen hingewiesen werden. «

    Photosynthese ist unser Begriff für ein bestimmtes Naturphänomen. Und „Grün“ ist unser Sinneseindruck, wenn bestimmte Fotorezeptoren in der Netzhaut angeregt werden.

    Wo ist das Problem? Ich vermute mal, dass hier auf SciLogs alle wissen, dass wir die „Welt“ mit unseren erdachten Begriffen beschreiben und erklären. Und dass z. B. Farben und Töne Konstrukte unseres Wahrnehmungsapparates sind, dass überhaupt alle unsere Äußerungen und Verlautbarungen Produkte unseres Denkvermögens sind. Was denn sonst?

    Mir scheint, man hält den Naturalisten vielfach für jemanden, der von sich behauptet, er könne die „Welt“ von außen betrachten, also nicht als forschendes, beobachtendes Subjekt, sondern gleichsam wie der Maxwellsche Dämon, und demzufolge erkennen, wie die Dinge „an sich“ und wirklich sind (denn sonst könnte der Dämon die Moleküle ja nicht sortieren ;- ).

    » Nur so, also phänomenal, lässt sich Leben wirklich beschreiben, also nicht auf naturalistische Weise, weder ontologisch noch methodologisch. «

    Wie sähe eine Beschreibung „auf naturalistische Weise“ überhaupt aus, ich kann mir darunter rein gar nichts vorstellen. Naturwissenschaftliche Beschreibungen sind mir hingegen ein Begriff (siehe diverse Lehrbücher).

    (Uups, ganz schön viel Text auf Ihr kurzes Statement ;- )

  848. @Balanus: Am Beispiel Bewusstsein lässt sich Phänomenologie gut beschreiben (vielleicht sollten Sie sich mal mit Husserl beschäftigen): Der Naturalist versucht zum einen, das Phänomen Bewusstsein naturwissenschaftlich zu reduzieren, d.h. es auf seine Elemente zu untersuchen, i.e. Neuronen. Das ist zwar eine von mehreren Herangehensweisen, aber das Phänomen wird man so nicht in Gänze erfassen. Zum anderen meint der Naturalist, mit dieser ‘Element’ – Methode das Phänomen erklären zu können, man muss dazu nur das Zusammenspiel der Neuronen erklären können. Auch so wird man dem Phänomen nicht Herr werden können. Das erste ist die Reduktion auf die naturwissenschaftliche Methode (ontologischer Naturalismus), das zweite die Verabsolutierung der Methode als Erklärungsweg des Phänomens (methodologischer Naturalismus).

    Im Unterschied dazu verwende ich etwa die Methode der phänomenologischen Reduktion, indem ich mich, unter Weglassen aller Voraussetzungen, frage, was ist das Wesen des Phänomens ‘Bewusstseins’ bzw. was kann es sinnvollerweise sein. Und komme dann zu dem Prinzip ‘Regulation’.
    Der Unterschied dürfte deutlich sein.

  849. Alles was der Mensch beobachtet, ob direkt mit den Sinnen oder mit Instrumenten, ist phänomenal. Etwas anderes ist nicht möglich. Man kann weder elektrische noch magnetische Kräfte direkt beobachten, man kann nur Bewegung und Beschleunigung auf Grund von Anziehung oder Abstoßung beobachten. Auch letztere sind wieder nur phänomenale Begriffe wie Druck und Zug.

    Egal wie man es bezeichnet, man kann nicht die Kräfte als Ursachen beobachten, sondern nur ihre Wirkungen. Wenn man die Kräfte selber nicht beobachten kann, dann ist es auch nicht möglich, die Träger der Kräfte als “Dinge an sich” zu beobachten.

    Das Licht, das wir sehen, ist nicht das elektromagnetische Feld, das auf die Augen trifft. Was wir “sehen”, das sind die Vorgänge im Nervensystem, an denen sowohl elektrische, elektromagnetische als auch chemische Vorgänge beteiligt sind. Was genau es ist, das ist nicht bekannt. Auf jeden Fall können die Vorgänge ausschließlich naturalistisch untersucht werden, wiederum als Phänomene.

  850. @Balanus 21.04.2021, 13:30 Uhr

    Zuerst sollten wir die Begriffe sortieren. Die Außenwelt und deren Ontologie machen den metaphysischen Realismus aus. Diese jenseitige Welt gilt als unerschaffen und sie folgt unwandelbaren Naturgesetze, die es zu erkennen gilt. So sieht das Gerhard Vollmer.

    Der interne Realismus hat nur die Welt unserer Erfahrungen zum Gegenstand, das Diesseits.

    Vollmer geht es um die Anpassung an die Außenwelt. Aber die kennen wir nicht, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen. Diese Anpassung gehört ins Reich der Metaphysik.

    Ihre Schlussfolgerung

    Dann müsste doch auch ‚Evolution‘ ein metaphysischer Begriff sein

    ist nicht gerechtfertigt. Man muss nur die Selektion ohne Rückgriff auf den metaphysischen Realismus fassen. Wohl hat Darwin von Anpassung geschrieben. Aber heute macht man das nicht mehr. Ernst Mayr, Edward Osborne Wilson, Richard Dawkins sind die Biologen, an deren Begriffsbildung ich mich halte. Die Gleichsetzung Fitness=Anpassung scheint gänzlich aus der Mode gekommen zu sein.

    Es wundert mich, dass das an Ihnen vorbeigegangen ist. Da das aber so ist, sind meine Bemerkungen auf der Metaebene fehlplatziert.

  851. Fitness und Anpassung
    Fitness und Anpassung können nicht direkt beobachtet werden. Es sind Hilfsbegriffe zur einfachen Bezeichnung komplexer Sachverhalte der Evolution. Die Anpassung ist eine Kette vielfältiger Ereignisse einer Spezies über Generationen hinweg, auf der Grundlage von Variationen der Nachkommen, sowie Veränderungen der Umwelt und der Lebensgrundlagen.

    Die Anpassung ist nicht bestimmt oder determiniert und nicht vorhersagbar. Sie hat kein Ziel und kein Ende. Der Erfolg zeigt sich in der Stärke, Ausdehnung und im Fortbestand einer Art, also im Erhalt oder der Stärkung ihrer Fitness.

    Anpassung kann aber auch zur Hochspezialisierung einer Art und dadurch zur Schwächung der Fitness führen. Fitness zeigt sich nicht allein in der Zahl der Nachkommen. Die Nachkommen müssen selber überlebens- und reproduktionsfähig werden.

  852. @Grams
    Das ist,was mich irritiert und zwischen Epistemologie und Ontologie fragen lässt: ‘was’ findet auf der Metaebene abstrakt statt,die anderen w-Fragen auf der Konkreten.
    Warum?Wie?
    Es gibt scheinbar eine Verbindung zwischen ‘was wie warum’.
    Trennung bringt uns nicht weiter?

  853. Im Rahmen des Phänomenalismus lässt es sich kaum sinnvoll von biologischer Selektion sprechen, denn es gibt ja nichts, das Selektiert werden könnte. Die reale Außenwelt ist darin schließlich absolut okkult, es gibt nur Sinneseindrücke und Gedankenkonstrrukte.

  854. #Feodor 21.04.2021, 20:34 Uhr

    Außer Naturalisten gibt’s auf dieser Welt nur Deppen. Damit ist die Selektion als Triebkraft der Evolution widerlegt.

  855. @Balanus / 21.04.2021, 14:03 Uhr

    Das war Dein Beispiel mit dem “nass machen”, ich habe das nur aufgegriffen.Und sofern hier niemand Zweifel an der phänomenalen Feststellbarkeit von “nass machen” anmeldet, wäre das für mich jetzt okay.

    Weiters denke ich, dass man sich auch mit Elon Musk darüber verständigen könnte, was mit phänomenalem “nass machen” gemeint sein soll. Du müsstest gegebenenfalls noch eine für jedermann praktikable und allgemein konsensfähige Methode spezifizieren, wie “nass machen” phänomenal festgestellt werden soll.

    Die Sache wäre dann halt, dass Du Dich mit Elon Musk nur über phänomenales “nass machen” verständigt hattest, jedoch nicht über ein metaphysisches “nass machen an sich”. Und letzteres ist absolut keine logisch denknotwendige Voraussetzung für ersteres.

    »Wir müssen die Phänomene ernst nehmen, sonst kann das böse enden.«

    Für diese umwerfende Einsicht braucht aber niemand metaphysischen Naturalismus. Nicht mal Du — das hast Du ganz einfach empirisch gelernt.

  856. Harald Andresen
    20.04.2021, 19:46 Uhr
    @Karl Maier Analogien –das Auto

    Meine Analogie zur “Geschwindigkeit” eines Fahrzeugs war die von “Bewusstsein” ( oder “Geist” ) beim Menschen. Und so, wie ein Ingenieur aus der Bauweise eines Fahrzeugs mit seinen Kenntnissen auf die ungefähre Höchstgeschwindigkeit im Betrieb bei guten Voraussetzungen schließen kann, kann ein Biologe zumindest innerhalb der Arten vom Aufbau eines Gehirns auf seine “Leistungen” schließen. Aber weder findet sich in den Einzelteilen eines Fahrzeugs “die Geschwindigkeit”, wie sich auch beim Sezieren des Gehirns in den Synapsen und Neuronen nicht “das Bewusstsein” finden lässt. Mehr sollte die Analogie nicht hergeben.
    In einem unterschätzen Sie aber wohl die moderne Biologie als Wissenschaft, es lässt sich sehr wohl eine Aussage aus der detaillierten Kenntnis von Knochen, Gelenken, Muskeln, Sehnen, Bändern treffen, ob und wie ein Mensch stehen, gehen, laufen, schwimmen oder fliegen kann oder eben nicht. Das geht ganz gut bei den Skeletten unserer Vorfahren bis 5 Ma zurück und sogar noch bei den Skeletten von Dinosauriern, wenigstens so ungefähr, denn nachprüfen kann man es ja nicht, es bleibt bei der These, die aber nicht in Widerspruch zu anderen Untersuchungsergebnissen an den Objekten kommen darf, um anerkannt zu bleiben.
    Wie dem aber auch sei, die Diskussion verflacht hier im Forum, franst aus und verzettelt sich.
    So passt aus meiner Sicht inzwischen die Sentenz des Anicius Manlius Torquatus Severinus Boëthius (473-524 n.Chr.) in seinem “Trost der Philosophie” 2,7 …
    A: „Intellegis me esse philosophum?“
    B: „Intellexeram, si tacuisses.“

  857. Karl Maier
    22.04.2021, 00:09 Uhr

    Mich reizt doch, die Übersetzung zu Anicius Manlius Torquatus Severinus Boëthius (473-524 n.Chr.) mit seinem “Trost der Philosophie” 2,7 … und
    A: „Intellegis me esse philosophum?“
    B: „Intellexeram, si tacuisses.“

    nachzuliefern:

    A: “Erkannt du mich sein Philosoph?”
    B: “Erkannt ich hätte wenn geschwiegen du hättest.”

  858. Hallo Herr Grams!

    Zum Begriff Anpassung sagt Wikipedia folgendes:

    “Eine evolutionäre Anpassung (oder wissenschaftlich Adaptation) ist ein in einer Population eines bestimmten Lebewesens auftretendes Merkmal, das für sein Überleben oder seinen Fortpflanzungserfolg vorteilhaft ist, und das durch natürliche Mutation und anschließende Selektion für seinen gegenwärtigen Zustand entstanden ist…..
    Da aber nach den zufälligen Mutationen häufig eine gerichtete Selektion wirksam ist, ist es sinnvoll, von Anpassungen zu sprechen.”

    Was sagen Sie nun zu dieser Formulierung:

    Unsere Fähigkeit zur (partiellen) Erkennung der (postulierten) Realität ist ein adaptives, sich vererbendes Merkmal, das für unser Überleben vorteilhaft ist (Fitness).

    Bis auf das Postulat einer in Teilen erkennbaren Realität ist diese Hypothese m.E. “metaphysikfrei”. Würden Sie mir darin zustimmen?

  859. Moin Herr Maier,
    es ist doch gut, dass ich nicht für einen Philosophen gehalten werden möchte. Auch nicht für eine britische Königin (“Never complain, never explain”).
    So kann ich mich gleich dem ganz realen Leben widmen und bei angenehmem Frühlingswetter einen Spaziergang mit meinem Hund unternehmen. Nachher werde ich versuchen, auch inhaltlich zu antworten. Ich rechne damit, dass ich viel Zustimmendes formulieren werde.
    Tschüs,
    Harald Andresen.

  860. @Chrys // 21.04.2021, 23:55 Uhr

    » — das hast Du ganz einfach empirisch gelernt. «

    Wie soll das gehen, ohne jegliche Kenntnis der Außenwelt? Laut Timm Grams kennen wir sie doch gar nicht. Also, wie könnte Deiner Meinung nach empirisches Lernen ohne Kenntnis der Außenwelt gelingen?

    Davon abgesehen:

    Ich habe irgendwo mal gelesen, dass unserem Vermögen bei der Frage, wie denn unsere Erkenntnisfähigkeiten zu begründen sei, nur drei Lösungen zur Verfügung stünden: eine transzendente nach Platon, eine transzendentale nach Kant, und eben eine evolutionäre nach Konrad Lorenz.

    Ich selbst tendiere ja zu der evolutionären Lösung, weil nur sie der empirischen Forschung zugänglich ist. Timm Grams ist wohl eher bei Platon oder Kant, doch wie hältst Du es mit der Erkenntnisfähigkeit?

    (Falls Dir die Frage zu persönlich erscheint, kein Problem, sie kann auch rein rhetorisch aufgefasst werden)

  861. @Timm Grams // 21.04.2021, 18:29 Uhr

    »Die Gleichsetzung Fitness=Anpassung scheint gänzlich aus der Mode gekommen zu sein.«

    Wie gesagt, es lag einfach an Ihrer Aneinanderreihung der Begriffe unter dem Megabegriff „Evolution“, da war es für mich naheliegend, dass Fitness im ursprünglichen Sinne gemeint war. Dass Sie die relative Fitness meinen könnten, hatte ich schlicht nicht auf dem Radar. Sei’s drum.

    Da Sie Ernst Mayr erwähnten: Laut Mayr steigert Angepasstheit die „Fitness“ (siehe auch @Hirsch, 22.04.2021, 07:38 Uhr), was m. E. schön zu Vollmers Position passt.

    »Vollmer geht es um die Anpassung an die Außenwelt. Aber die kennen wir nicht, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen. Diese Anpassung gehört ins Reich der Metaphysik.«

    Wer sagt denn, dass wir (oder Organismen ganz allgemein) die Außenwelt in einem tieferen Sinne „kennen“ müssten, damit Evolution stattfinden kann? Es genügt völlig, dass es sie überhaupt gibt. Evolution und Anpassung geschehen ganz von alleine.

  862. @I. Hirsch 22.04.2021, 07:38 Uhr

    Sie zitieren die Wikipedia:

    Da aber nach den zufälligen Mutationen häufig eine gerichtete Selektion wirksam ist, ist es sinnvoll, von Anpassungen zu sprechen.

    Meine Erfahrungen mit ökologischen Simulationen und mit der Analyse von Denkfallen haben mich zur Einsicht geführt: “Um Wahrheit geht es  nicht” (“Klüger irren – Denkfallen vermeiden mit System”, Springer-Verlag, 2026/2020).
    Evolution ist nicht zielgerichtet. Anpassung ist ein entbehrlicher Begriff. Auch in der von Ihnen zitierten Fundstelle wird Anpassung als nur im Nachhinein, also a posteriori, am Fortpflanzungserfolg festgestellbar gekennzeichnet. Der Begriff scheint mir ein historisch bedingtes Überbleibsel ohne Erklärungswert zu sein. Ernst Mayr schreibt in “Eine neue Philosophie der Biologie” (1988, S. 71):

    Adaptiv sein heißt lediglich: das Resultat der natürlichen Auslese sein.

    Ihrer Formulierung

    Unsere Fähigkeit zur (partiellen) Erkennung der (postulierten) Realität ist ein adaptives, sich vererbendes Merkmal, das für unser Überleben vorteilhaft ist (Fitness).

    stimmt der Biologe demnach nicht zu. Ich auch nicht.

  863. @Balanus 22.04.2021, 10:18 Uhr

    Auch Gerhard Vollmer ahnt wohl, dass mit seiner Anpassung etwas nicht stimmt (“Wieso können wir die Welt erkennen”, Hirzel, 2003, S. 19):

    Es geht nicht darum, die bestmögliche Lösung zu finden, sondern besser zu sein als die Konkurrenz.

  864. @Grams
    Die Evolutionsbiologen wissen sehr genau, was die Anpassung bedeutet, vor allem, dass es eine Sammelbezeichnung ist für einen mehrschrittigen Teilvorgang im Rahmen der Evolution, über Individuen und über Generationen hinweg. Die Anpassung ist Gegenstand vor allem der Populationsgenetik und ist durchaus auch operationalisierbar. Letztlich zeigt sich die Anpassung in den verschiedenen Spezies der Welt.

    Auch die Erkenntnisfähigkeiten des Menschen sind ganz selbstverständlich ein Produkt der Anpassung. Unsere Augen haben sich aus einer Urform des Auges entwickelt, genauso wie die Facettenaugen der Insekten. Bestimmte Schaltergene wie das PAX6 sind hoch konserviert, d.h. bei allen Bilateria in verschiedenen Varianten zu finden. Und selbstverständlich ist auch das Hirn als Zentrale der Erkenntnis ein Produkt der, wesentlich mit dem aufrechten Gang in Zusammenhang stehenden, Anpassung.

    Die Grundbedingung der Anpassung ist die Variation infolge der genetischen Mutationen im weitesten Sinn. Auf den Varianten kann die natürliche Selektion angreifen, beeinflusst durch die sich verändernden Lebensumstände der Umwelt. Die Fitness ist immer relativ zu den aktuellen, lokalen Lebensumständen zu sehen!

  865. @ Grams 22.04.2021, 10:51 Uhr

    Ich vermute, dass ich Ihr Argument nicht richtig verstehe. Das Wort “Anpassung” kommt in “meiner” Formulierung doch gar nicht vor, lediglich “adaptiv”.

    Dann eben so:

    Unsere Fähigkeit zur (partiellen) Erkennung der (postulierten) Realität ist ein sich vererbendes Merkmal, das für unser Überleben vorteilhaft ist (Fitness).
    Dieses Merkmal ist das Resultat der natürlichen Auslese (die durch die postulierte Realität bestimmt wird).

  866. @I. Hirsch 22.04.2021, 12:26 Uhr

    Sie fragen, ob ich dem zustimmen könne:

    Unsere Fähigkeit zur (partiellen) Erkennung der (postulierten) Realität ist ein sich vererbendes Merkmal, das für unser Überleben vorteilhaft ist (Fitness). Dieses Merkmal ist das Resultat der natürlichen Auslese (die durch die postulierte Realität bestimmt wird).

    Ich spreche nicht von einer “Fähigkeit zur (partiellen) Erkennung der (postulierten) Realität”. Ich sage es so:

    Die Hauptantriebskraft der Wissenschaft ist unsere Neugier . Die Grundmechanismen des Wissenserwerbs beruhen auf der Strukturerwartung und der damit einhergehenden Begabung zur Mustererkennung, auf der Kausalitätserwartung und auf der Befähigung zu Erweiterungsschlüssen, zur Induktion also. Diese angeborenen Lehrmeister machen wissenschaftliches Arbeiten überhaupt erst möglich.

    Diese Lehrmeister sind Resultat der Evolution. Auch hier geht es nicht um Anpassumg, sondern um Erfolg.

  867. @Grams
    Wie kommt denn der Erfolg zustande, wenn nicht durch ständige Anpassung an die Lebensumstände? Sie selber passen sich doch genauso dem Klima an wie die Inuit in Alaska oder die Völker am Äquator! Der Klimawandel wird die Anpassungsfähigkeit aller Spezies auf die Probe stellen und neue, besser angepasste Unterarten hervorbringen.

  868. @Balanus / 22.04.2021, 09:59 Uhr

    »Wie soll das gehen, ohne jegliche Kenntnis der Außenwelt? Laut Timm Grams kennen wir sie doch gar nicht.«

    Ich glaube, wir reden von `Aussenwelt’ auf verschiedene und etwas verwirrende Weisen. Aussenwelt könnte für mich u.a. bedeuten:

    a) Meine physische Umbegung mit mir selbst als perspektivischem Ursprung, die ich auf der Basis meiner Perzeptionen empirisch erkunden und observieren kann, und in der sich dann phänomenale Objekte wie diverse Pflanzen, Tiere, Minerale etc. individuell identifizieren lassen.

    b) Die metaphysische “Welt an sich”.

    Mit den Bezeichnungen von Gerhard Roth wäre a) die Wirklichkeit und b) die Realität — so ungefähr jedenfalls. Roths Terminologie tönt für mich zwar ziemlich schräg und ich mag mich damit nicht anfreunden, aber zumindest macht er da einen Unterschied, was immer noch transparenter ist, als für beides die gleiche Bezeichnung zu verwenden. Mir ist momentan noch nicht klar, wie Du da begrifflich unterscheidest, wenn überhaupt.

    Laut Timm Grams kennen wir b) nicht, worin er Kants Einsichten folgt, und dem kann ich mich anschliessen.

    »Ich selbst tendiere ja zu der evolutionären Lösung [zur Begründung von Erkenntnisfähigkeit], weil nur sie der empirischen Forschung zugänglich ist. Timm Grams ist wohl eher bei Platon oder Kant, doch wie hältst Du es mit der Erkenntnisfähigkeit?«

    Mir fällt aus dem Stand gerade nichts ein, was ich da als Begründung angeben könnte, ohne es sogleich wieder korrigieren zu wollen. Wäre “agnostische Lösung” auch eine akzeptable Antwort? Gib’ mir noch etwas Zeit, darüber nachzudenken.

  869. Harald Andresen
    22.04.2021, 07:44 Uhr

    Ich hatte zwar Ihnen geantwortet, aber hier wie auch im Gesellschaftskreis gilt das “Anwesende ausgeschlossen”, wenn gelästert wird.

  870. @Timm Grams // 22.04.2021, 10:51 Uhr

    »Anpassung ist ein entbehrlicher Begriff.«

    Da sind Sie weiter als Ernst Mayr. Der beschäftigt sich nämlich ausführlich mit diesem „entbehrlichen“ Begriff in Teil II seines Buchs „Das ist Evolution“ (2003) mit der Überschrift: „Wie sind entwicklungsgeschichtlicher Wandel und Anpassung zu erklären?

    Wir lernen, Mayr betrachtet „Angepasstheit“ als ein „allgemeines Prinzip“ , das sich nicht nur an höheren Organismen zeigt, sondern auch an „Pflanzen, Pilzen, Protisten und Bakterien”.

    Metaphysik geht anders…

    22.04.2021, 14:05 Uhr

    » Diese Lehrmeister sind Resultat der Evolution. «

    Sie belieben zu scherzen: Erst den Begriff „Anpassung“ eliminieren und dann durch die Hintertür wieder einführen als „Resultat der Evolution“.

    Was Sie als „angeborene Lehrmeister“ bezeichnen, nennen andere „kognitive Anpassung an die Welt“.

  871. @anton reutlinger 22.04.2021, 17:44
    Was Sie sagen wollen, lässt sich verlustfrei auch ohne “Anpassungsvokabular” und allein im “Erfolgsvokabular” ausdrücken.

  872. @Grams
    Man kann es auch auf chinesisch ausdrücken. Die Anpassung ist ein bewährter und stehender Begriff der Evolutionstheorie, den man allerdings richtig interpretieren muss. Erfolg beschreibt eine Eigenschaft oder einen Zustand, Anpassung beschreibt einen Komplex von Vorgängen und Bedingungen. Anpassung kann auch zum Misserfolg führen, z.B. durch zu starke Spezialisierung.

    Popper hat die Evolutionstheorie in früheren Schriften als Metaphysik bezeichnet, weil er sie missverstanden hatte, als Überlebenserfolg der Überlebensfähigen! Später hat er seinen Irrtum korrigiert.

  873. @Balanus 22.04.2021, 18:11 Uhr
    Da haben Sie etwas missverstanden:

    Sie belieben zu scherzen: Erst den Begriff „Anpassung“ eliminieren und dann durch die Hintertür wieder einführen als „Resultat der Evolution“.

    In meiner Arbeit spielt Darwins Evolutionsgedanke eine zentrale Rolle. (Wie bereits erwähnt, habe ich gegen das Intelligent Design öffentlich Stellung bezogen.) Anpassung ist zielgerichtet. Evolution nicht. Ich zitiere aus “Klüger irren”:

    In der Evolution geht es nicht um ewige Wahrheiten, nicht um die getreuliche Erfassung der Welt durch die sie bevölkernden Wesen. Die allgegenwärtigen Tarn‐ und Täuschungsmanöver sind der Wahrheitsfindung jedenfalls abträglich. Bereits unser Wahrnehmungs- und Denkapparat leistet seinen Beitrag zur Verschleierung der „Wirklichkeit“. Die Evolution hat keineswegs die Mechanismen begünstigt, die eine unverfälschte Wahrnehmung erlauben. Das belegen die optischen Täuschungen. Der Wahrnehmungsapparat dient dem Überleben. Wahrnehmungsgene, die die Wahrscheinlichkeit für Nachkommen erhöhen, bestimmen so auch in der nächsten Generation die Wahrnehmung.

  874. @Grams:Definition
    Hut ab, Sie denken mit!
    Ich scheitere regelmäßig für die Gleichzeitigkeit von ‘gleich und ungleich’! Als nichts anderes zu finden,als den vorherigen Satz.
    Lediglich ‘auf’ dem Zeitpfeil zu finden.

  875. @anton reutlinger 22.04.2021, 17:44 Uhr

    Im Winter kann ich mich warm anziehen oder zuhause bleiben oder mir eine Gänsehaut zulegen oder … Das sind doch keine Anpassungen an das Wetter. Es sind erfolgreiche Schutzmaßnahmen gegen Unterkühlung.

  876. @Grams
    Selbstverständlich sind das Anpassungen an das Klima, sonst hätten Sie diese Sachen nicht parat, Kleidung, Haus, Heizung. Aber natürlich bezieht sich die Anpassung nicht nur auf Individuen, sondern hauptsächlich auf Populationen über mehrere Generationen hinweg. Unsere Vorfahren hatten schon die genannten Anpassungen an das Klima.

    Die Anpassung ist der Kern der Evolution, sie gründet notwendig auf der Variation und geschieht durch die Selektion infolge der jeweiligen Lebensumstände. Sie ist also so wenig zielgerichtet wie die Evolution selber. Der Erfolg der Anpassung liegt im Erhalt oder in der Verbesserung der Überlebensfähigkeit, also der Fitness der Populationen.

    Die Nichtüberlebensfähigen in der Evolution sind nur noch in Museen oder als Fossilien zu bewundern. Der Erfolg der Anpassung zeigt sich gegenwärtig in den existierenden Arten, aber sie ist nicht immer erfolgreich. Eine Anpassung an den derzeitigen Klimawandel wird sehr problematisch und wird die Artenvielfalt drastisch reduzieren.

  877. Man sollte, wie ich schon des Öfteren gesagt habe, keine Begriffsdiskussionen führen. Vielleicht hilft ja die synthetische Sichtweise der Systemtheorie: Leben interagiert als autopoietisches System mit der Umwelt. Diese setzt die Rahmenbedingungen für die Entwicklung und insofern wächst Leben in diese Bedingungen hinein, allerdings nicht wie ein Kuchenteig adaptiv in eine Backform. Leben entwickelt seine eigenen Formen anhand seiner genetischen Struktur und zwar so, wie es die Umwelt zulässt und gleichzeitig ermöglicht. Der Begriff Anpassung hat hier eher alltagssprachliche Bedeutung. Ebenso Erfolg. Woran will man ihn messen? Waren die Dinos erfolgreich, obwohl sie ausgelöscht wurden? So ist unser Gehirn auch kein Werkzeug objektiver Erkenntnis, sondern ein Werkzeug, mit dem Leben – auf dieser Ebene – den Umweltbezug regelt. Dasselbe haben – mit anderen Werkzeugen – auch die Einzeller getan. Statt Erkenntnis sollte man also lieber sagen ‘Orientierung’.

  878. @ Timm Grams 22.04.2021, 19:04 Uhr

    Zitat: „In meiner Arbeit spielt Darwins Evolutionsgedanke eine zentrale Rolle. (Wie bereits erwähnt, habe ich gegen das Intelligent Design öffentlich Stellung bezogen.) Anpassung ist zielgerichtet. Evolution nicht.“

    Dazu hätte ich 2 Fragen?

    Warum kann man nicht sagen, die Evolution hätte das „Ziel“, möglichst zahlreiche (auf der Zahlengeraden „Richtung unendlich gehende“) Varianten zu testen? Man könnte vielleicht auch argumentieren, das Immunsystem „möchte“ das verhindern? Dann hätte aber das Immunsystem ein Ziel?

    „Intelligent“ ist an sich willkürlich deklariert.

    Z.B. im viralen Geschehen könnte man so etwas wie eine „kollektive Intelligenz“ (eine Art von „Schwarmintelligenz“) erkennen, obwohl die einzelnen Viren „dumm“ sind.

    Wenn wir Pech haben, könnte es dazu kommen dass die dem Virus hinterher hechelnden Impfstoffforscher vom immer schneller mutierenden Virus „abgehängt“ werden und das Virus womöglich immer gefährlicher wird, …. Jedenfalls „leicht“ haben es die Forscher nicht.

    Vermutlich wird sich die menschliche Intelligenz durchsetzen, so wie auch die Pest letztlich besiegt wurde.

    Warum würden Sie die Existenz von so etwas wie „intelligenten Mechanismen“ (auch bei der Evolution) ausschließen?
    (Bei entsprechender Deklaration des Begriffs „Intelligenz“, könnten Sie das natürlich jederzeit).

  879. @Elektroniker // 20.04.2021, 22:12 Uhr
    – Begriffe und Wörter

    Dieses grundsätzliche Problem zeigt sich für mich schon beim Wort „Ontologie“. Ontologie hatte ich zunächst in der Informatik als „Sammlung von Begriffen und den zwischen ihnen bestehenden Beziehungen“ für die Repräsentation von Wissen kennengelernt. Mit dieser für mich passenden Erläuterung des Wortes hatte ich anfangs in diesem Blog und in den Kommentaren gelesen – und mich gewundert.

    Na gut, die Wikipedia half da schnell weiter. Die „Informatik-Ontologie“ ist sozusagen eine sehr spezialisierte Anwendung der philosophischen Ontologie bzw. der „Lehre vom Seienden“.

    In den meisten Projekten, in denen ich gearbeitet habe, war allerdings nicht genug Zeit oder Gelegenheit für eine umfassende Sammlung von Begriffen und deren Beziehungen zueinander. So beschränkte sich das oft auf eine geeignete Strukturierung von Systemen und Subsystemen sowie auf die Festlegung von Begriffen in einem Glossar. Als „I-Pünktchen“ kam ein Abkürzungsverzeichnis dazu. Das sind sehr einfache Vorformen einer Informatik-Ontologie.

    Aus dem Informatik-Studium ist mir der „Kellerspeicher“ noch geläufig. Damals hatte man sich noch um geeignete deutsche Wörter bemüht. Inzwischen nennt man diesen Speicherbereich wohl nur noch Stack – und sorgt damit für Missverständnisse mit anderen „Stapeln“.

    Eine damalige Fehlübersetzung bei Funktionen bzw. Prozeduren und ihren Parametern fällt mir noch ein: Es war immer sorgfältig zu unterscheiden zwischen „formal“ und „actual parameters“, die dann als „formale“ bzw. „aktuelle Parameter“ übersetzt wurden. Für Letztere wäre „tatsächliche Parameter“ die treffende Übersetzung gewesen.

    Hat das noch mit dem Blog-Thema zu tun? Aus meiner Sicht ja, denn Wörter und Begriffe und deren zuweilen unterschiedliche Lesart sowie gelungene oder nicht ganz gelungene Übersetzungen führen auch hier gelegentlich zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen.

  880. @Karl Maier // 22.04.2021, 00:09 Uhr

    Zu Analogien
    Analogien (und auch Gedankenexperimente) gefallen mir meistens gut – auch die von Ihnen beschriebene Auto-Analogie. Vermutlich gilt das auch für @Stegemann, der das Thema in seinem Kommentar (18.03.2021, 08:10 Uhr) pointiert dargestellt hatte.

    Nur sollte man sich hüten, Erkenntnisse aus Analogien (oder aus Gedankenexperimenten) „einfach so“ in die eigentliche Fragestellung oder Untersuchung zu übernehmen. Aber solches hatten Sie ja auch nicht vorgeschlagen. 🙂

    Zu meiner selbst formulierten Analogie zu körperlichen Merkmalen und Bewegungen: Die (Paläo-) Biologen verfügen vermutlich über mehr als nur die genannten Detailkenntnisse. Na gut, Rückschlüsse auf erforderliche oder resultierende Kräfte und auf sich ergebende Beschleunigungen und ähnliche Werte lassen sich vermutlich schon aus den Details selbst ableiten.

    Und zum Verlauf der Diskussion:

    Ich sehe das ähnlich und habe auch schon selbst kommentiert, dass mir manches für die Bewältigung der alltäglichen Herausforderungen nicht wirklich hilfreich zu sein scheint. So gesehen könnte ich mir auch an die eigene Nase fassen und besser „philosophisch schweigen“.

    Gemäß Karl Valentin ließe sich beachten:

    Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.

    Aber es ergeben sich immer wieder auch neue und interessante Aspekte in den Kommentaren. Also geduldig weiterlesen und daran denken, dass der Blog-Autor die Kommentare nicht moderiert.

  881. @Elektroniker 22.04.2021, 20:10 Uhr

    Sie schreiben:

    Warum kann man nicht sagen, die Evolution hätte das „Ziel“, möglichst zahlreiche (auf der Zahlengeraden „Richtung unendlich gehende“) Varianten zu testen? Man könnte vielleicht auch argumentieren, das Immunsystem „möchte“ das verhindern? Dann hätte aber das Immunsystem ein Ziel? „Intelligent“ ist an sich willkürlich deklariert.

    Das geht mir zu sehr durcheinander. Vielleicht hilft es, sich noch einmal den “Kitzmiller v. Dover Area School District”-Prozess anzuschauen. Zufall ist wesentlich für die darwinsche Evolution. Dagegen steht eben das zielgerichtete Intelligent Design.

  882. Harald Andresen
    22.04.2021, 21:42 Uhr

    Das hier hatte ich als Beitrag zu Ihrem Dino-Satz gedacht:

    Wolfgang Stegemann
    22.04.2021, 20:09 Uhr
    Waren die Dinos erfolgreich, obwohl sie ausgelöscht wurden?

    Um den Faden aufzunehmen:
    Das habe ich mich auch schon gefragt und bin zum Ergebnis gekommen, dass die Dinos innerhalb der damals gegebenen Parameter ausgesprochen erfolgreich waren, wenn man sich auch nur die Größe mancher Skelette anschaut und die lange Lebensdauer dieser Klasse(?). Insofern frage ich mich nicht, warum sie nach heutiger Kenntnis als Folge des Chicxulub-Einschlags ausgestorben sind, vielmehr frage ich mich, was all’ die anderen ( und auch evolutionär “älteren” Stämme ) “besser” konnten, die letztendlich bis heute überlebt haben – und was hat die Dinos vor allen anderen Dinos und Flugreptilien ausgezeichnet, die wir heute “Vögel” nennen?

    Aber angesichts Ihrer letzten zwei Sätze

    @Harald Andresen 22.04.2021, 21:42 Uhr

    kann ich mich nicht enthalten, eine weitere Analogie zu versuchen:

    Ein Affenkäfig im Zoo, der Wärter/Forscher hat ein paar Bananen in den Käfig geworfen und beobachtet nun, was sich da so tut …

  883. @Timm Grams // 22.04.2021, 19:04 Uhr

    » Anpassung ist zielgerichtet. «

    Ah, endlich, jetzt verstehe ich, wo es hakt. Sie verstehen „Anpassung“ als einen teleologischen Vorgang. In diesem Falle haben Sie natürlich Recht, eine solche „Anpassung“ hat in der Evolutionslehre in der Tat nichts zu suchen.

    Der Einfachheit halber zitiere ich Ernst Mayr aus der oben genannten Quelle (S. 188):

    Man muss immer daran denken, dass Anpassung kein teleologischer Vorgang ist, sondern das im Nachhinein festgestellte Ergebnis der Elimination (oder sexuellen Selektion).
    […]
    Richtig angewandt, bezeichnet »Anpassung« eine Eigenschaft eines Lebewesens, sei es ein Körperteil, ein physiologisches Merkmal, eine Verhaltensweise oder irgendetwas anderes, das ein Organismus besitzt und das von der Selektion gegenüber anderen Merkmalen begünstigt wurde.

    Man muss dem, was Mayr (oder sonst ein Evolutionsbiologe) schreibt, nicht zustimmen, aber die Kritik sollte sich dann schon gegen Auffassungen richten, die in der Evolutionsbiologie auch ernsthaft vertreten werden.

  884. @Wolfgang Stegemann // 22.04.2021, 20:09 Uhr

    »Vielleicht hilft ja die synthetische Sichtweise der Systemtheorie…«

    Apropos: Ich habe letztens in (Rupert) „Riedls Kulturgeschichte der Evolutionstheorie“ geblättert, und musste an vielen Stellen an Ihre Einlassungen hier denken.

    Kennen Sie das Buch?

    Hier ein kleiner Auszug, es geht um Gen-Phän-Wechselwirkungen:

    Vielleicht sollte man von einer „imitatorischen Rückkopplungs-Kausalität“ sprechen. Das aber sind alles nur Worte, entscheidend ist, daß auch Phäne auf die Gene wirken.

  885. @Balanus 22.04.2021, 22:36 Uhr

    Ernst Mayr setzt Anpassung gleich Fortpflanzungserfolg. Das ist eine Bedeutungsverschiebung gegenüber dem Alltagsverständnis und hat historische Gründe.

    Dumm ist nur, dass Gerhard Vollmer von Anpassung spricht, ohne diese semantische Verschiebung in Rechnung zu stellen. Für ihn ist Anpassung die Übereinstimmung von Erkenntnisstrukturen mit realen Strukturen (Evolutionäre Erkenntnistheorie 1983, S.54). Dem widerspreche ich. Diese Art von Anpassung kann Wissenschaft nicht leisten, da die realen Stukturen nicht bekannt sind.

  886. @Elektroniker 22.04. 20:10

    „Warum kann man nicht sagen, die Evolution hätte das „Ziel“, möglichst zahlreiche (auf der Zahlengeraden „Richtung unendlich gehende“) Varianten zu testen?“

    Für die Evolution kann ich mir ein bestimmtes Intelligent Design weniger vorstellen, insbesondere dass der Mensch jetzt der Endpunkt der Entwicklung wäre. Aber dass hier ein zuweilen ins Irdische eingreifender kosmischer Geist in dieser mannigfaltigen Evolution das Bestreben hat, möglichst zahlreiche Varianten des Lebens ausführlich zu testen, das hört sich attraktiv an. Und das dann auch nicht nur mit jeder neuen Art, sondern auch mit jedem neuen Individuum. Nicht nur als Trost für alle, die sterben, oder gar aussterben.

    Eins ist ganz klar: Menschliches Bewusstsein hat Ziele. Aber etwa Computerprogramme auch, Word z.B soll es ermöglichen, Text am Bildschirm zu schreiben und zu formatieren. Jedes Einzelteil von Word ist diesem Ziel untergeordnet.

    Natürlich hat ein Programm zunächst nur den Zweck, den die Programmierer initiiert haben. Wie der Schmied, der einen Hammer schmiedet. Aber das besondere an komplexen Programmen ist, dass sie quasi selbsttätig arbeiten, wenn sie einmal fertig programmiert sind. Und sich dann tatsächlich so verhalten, als wenn sie Ziele hätten. Und mir scheint, das man das tatsächlich so sehen kann, das Softwarefunktionalität Ziele haben kann.

    Dass unser eigenes Bewusstsein selbst als biologisches Oberprogramm funktioniert, und dann zweifelsfrei mächtig genug ist, um richtige Ziele zu entwickeln und zu verfolgen, das zeigt ja, dass es möglich ist, Ziele zu haben.

  887. @ Grams 22.04.2021 22:36 Uhr

    “Dem widerspreche ich. Diese Art von Anpassung kann Wissenschaft nicht leisten, da die realen Stukturen nicht bekannt sind.”

    So in etwas habe ich Ihre Argumente auch interpretiert. Ich sehe die evolutionäre Erkenntnistheorie jedoch nicht als naturwissenschaftliche Theorie. Sie versucht eine erkenntnistheoretische Frage mit Hilfe einer wissenschaftlichen Theorie zu beantworten.

    Mit einer phänomenalistischen Sichtweise geht das wohl nicht.

  888. Balanus
    22.04.2021, 22:57 Uhr
    @Wolfgang Stegemann // 22.04.2021, 20:09 Uhr
    »Vielleicht hilft ja die synthetische Sichtweise der Systemtheorie…«
    Apropos: Ich habe letztens in (Rupert) „Riedls Kulturgeschichte der Evolutionstheorie“ geblättert, und musste an vielen Stellen an Ihre Einlassungen hier denken.
    Kennen Sie das Buch?
    Hier ein kleiner Auszug, es geht um Gen-Phän-Wechselwirkungen:
    Vielleicht sollte man von einer „imitatorischen Rückkopplungs-Kausalität“ sprechen. Das aber sind alles nur Worte, entscheidend ist, daß auch Phäne auf die Gene wirken.

    Ich kenne das Buch nicht, aber wie anders als mittels Rückkopplung lässt sich etwa erklären, wie ein Lebewesen die Farbe seiner Umgebung annimmt bzw. sie sogar mit sich ändernden Lichtverhältnissen synchronisiert. Das plumpe Mutation/Selektion – Modell trifft es nicht. Demnach würde eine Population verschiedene Farbmutationen über das gesamte Farbspektrum hinweg generieren und nur z.B. die grünen bleiben übrig, weil sie nicht gefressen würden? Woher ‘wüßte’ der Organismus, dass er überhaupt Farbmutationen bilden soll. Begriffe wie Anpassung, Erfolg, aber auch Zufall, erschlagen Phänomene eher, als dass sie sie erklären. M.E. sind Modelle, wie ‘Phasenübergang’, innerhalb dem sich solche Kommunikationen zwischen Organismus und Umwelt bzw. Phänotyp und Genotyp bzw. ‘Epigenom’ und Genom abspielen geeigneter, die Vielzahl diskreter Prozesse abzubilden.

    Ich stelle mir Evolution eher so vor, als wenn ich mit geschlossenen Augen und einem (Blinden-) Stock durch einen verwinkelten Flur laufe.

  889. @I. Hirsch 23.04.2021, 07:45 Uhr

    Sie schreiben:

    die evolutionäre Erkenntnistheorie […] versucht eine erkenntnistheoretische Frage mit Hilfe einer wissenschaftlichen Theorie zu beantworten. Mit einer phänomenalistischen Sichtweise geht das wohl nicht.

    Mit einer realistischen aber auch nicht. Die “Evolutionäre Erkenntnisttheorie” des Gerhard Vollmer (1983) beruht auf einer Petitio Principii: Eine strukturierte und für uns erkennbare Realität (Jenseits) muss existieren, weil wir in unseren Beobachtungen (Diesseits) Strukturen erkennen. Dieser ins Leere laufende Grundgedanke durchzieht die ganze Lehre. Darauf habe ich schon mehrfach hingewiesen.

  890. @Stegemann
    Offenbar vermischen Sie hier ganz unterschiedliche Dinge, nämlich evolutionäre Anpassung mit der Tarnung=Anpassung. Ein Farbwechsel zur temporären Tarnung hat nichts mit evolutionärer/genetischer Anpassung zu tun. Man sollte die in der Evolutionstheorie verwendeten Begriffe auch im Sinne der Evolutionstheorie interpretieren, statt sie so zu verdrehen, dass man sie kritisieren oder ablehnen kann.

    Anpassung geschieht durch Variation und Selektion, genau wie die Evolution insgesamt – welch ein Wunder! Die Selektion geschieht in Reaktion auf Veränderungen der jeweiligen Lebensumstände. Die Anpassung ist das Resultat von gerichteter Selektion oder von aktiv verändertem Verhalten. Ein Haus in der Arktis sieht anders aus als ein Haus in den Tropen, ein Resultat der Anpassung an das jeweilige Klima. Die Lebensumstände können sich lokal ändern, oftmals unvorhersehbar und zufällig, mal sehr schnell, mal sehr langsam.

    Die (genetische) Variation wiederum geht immer von den existierenden Populationen aus. Deshalb gibt es eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Arten, mit Verzweigungen in Unterarten und neue Arten, oder ein Aussterben lokaler Populationen und ganzer Arten.

  891. @Reutlinger: Was Sie beschreiben ist Alltagswissen, also wenn ich den Blick von außen auf etwas richte, ohne dass mich die internen, diskreten Prozesse interessieren. Das steht in jedem Wikipediaartikel. Damit bringt man die Wissenschaft nicht weiter, das ist was für Bibliothekare. Ich finde die internen Prozesse spannend, aber egal, muss nicht jeden interessieren.

  892. @Stegemann
    Wenn Sie schon das “Alltagswissen” missverstehen, wie wollen Sie dann die “internen Prozesse” verstehen? Die Anpassung von Tieren als Tarnung hat nichts mit genetischen Mutationen zu tun. Die Evolution wirkt primär an den Übergängen zwischen den Generationen.

    Eine Rückkopplung geschieht eben über die Wechselwirkung zwischen Variation und Selektion. Die genetische Variation kann nur auf den existierenden, also positiv selektierten Populationen wirken. Die Selektion wiederum kann nur auf den existierenden Varianten zur Wirkung kommen. Die “internen Prozesse” sind gut bekannt. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Mutationen. Und es gibt neuere Entwicklungen der Evolutionstheorie (EvoDevo), die ein differenzierteres Licht auf die Prozesse der Evolution werfen.

  893. @Reutlinger: Sind Sie der Bundesbeauftragte für die reine Wissenschaft? Ihre Besserwisserei nervt. Was Sie zum Besten geben ist ein Sammelsurium an Wikipediaartikeln. Ich bin nicht hier, um Banalitäten auszutauschen.

  894. @Stegemann
    Ihr Kommentar, auf den ich mich beziehe, enthält grundlegende Missverständnisse bzw. Unverständnis. Lesen Sie doch mal Wikipedia.

  895. @Stegemann 23.04. 11:31

    „Ich finde die internen Prozesse spannend, aber egal, muss nicht jeden interessieren.“

    Ich auch. Gerade wie Bewusstsein im Detail wirklich funktioniert, dass ist doch die interessante Frage. Klar hat die Evolution auch Bewusstsein als „Anpassung“ oder besser als „allgemein vorteilhafte Eigenschaft“ hervorgebracht. Gut zu wissen, aber ohne Detailkenntnisse wenig weiterführend.

    Wenn ich die Tricks kenne, die bei uns aus der Tätigkeit der Nervenzellen heraus ein Bewusstsein erzeugen, dann hilft das weiter. Das kann ich von den Nervenzellen her angehen, aber auch von der psychologischen Perspektive her.

    Wenn ich hier vorwärts komme, dann kann ich psychische Krankheiten verstehen und behandeln, oder ich kann versuchen, diese Funktionsprinzipien auf die Weiterentwicklung von KI anzuwenden. Der Pauschalhinweis Anpassung leistet das nicht.

  896. @Tobias Jeckenburger:

    Ich denke übrigens, dass es ein Prinzip gibt, mit dem man die Entwicklung von Leben beschreiben kann: Selbstorganisation. Sie gilt für den Einzeller wie für unser Gehirn. Das ist aber nur eine Beschreibung und keine Erklärung. Ich denke, der Kern von Selbstorganisation ist Wachstum. Alles Leben wächst. Das bedeutet die Agglomeration von Kompatiblem. Dieses Prinzip gilt z.B. auch für Lernen sowie das Grundprinzip von Denken, nämlich Assoziation. Ich fände es ungeheuer spannend, genetische wie auch neuronale Prozesse unter diesem Aspekt zu beleuchten und zu operationalisieren. Etwa durch die Definition von Phasenräumen, in denen Attraktoren aktiv sind, gebildet aus Geno- und Phänotyp bzw. aus neuronaler Struktur und Bedeutungen.

  897. @Jeckenburger
    Die evolutionäre Erkenntnistheorie hat unmittelbar doch nichts mit dem Verständnis von Bewusstsein zu tun. Dass der Mensch ein Produkt der Evolution ist, das ist trivial, erklärt aber nicht die Funktionsweise von Herz oder Hirn. Selbstverständlich muss man die internen Prozesse des Denkapparates erforschen und verstehen lernen. Die Evolutionstheorie kann dabei helfen, weil höhere Tiere viele Gemeinsamkeiten mit dem Menschen haben und leichter erforscht werden können.

    Mittelbar spielt die evolutionäre Erkenntnistheorie insofern eine Rolle, als sie Erklärungen liefern kann für die Möglichkeiten, Fähigkeiten und Qualitäten der Erkenntnis des Menschen. Die Anpassung ist das Kernelement der Evolution. Andernfalls gäbe es keine Lebenswelt! Wer das nicht versteht, kann auch keine internen Prozesse verstehen. Gerade der Holismus braucht ein tragfähiges Fundament, sonst wird er zur Luftnummer oder Esoterik.

  898. @ Tobias Jeckenburger 23.04.2021, 01:06 Uhr

    Zitat: „Aber dass hier ein zuweilen ins Irdische eingreifender kosmischer Geist in dieser mannigfaltigen Evolution das Bestreben hat, möglichst zahlreiche Varianten des Lebens ausführlich zu testen, das hört sich attraktiv an.“

    „Kosmischer Geist“ scheint wegen der Assoziationen mit „Gespenst“ etwas problematisch und da haben Sie sicherlich ihre Erfahrungen gemacht…..

    Andererseits ist klar, dass viele „einfachste und kleinste“ z.B. „Verknüpfungs“ Prozesse (z.B. elektrische Signalverknüpfungen) auf Prozessoren (den einzelnen Neuronen, oder in elektrischen Bauteilen) zu komplexen und intelligenten „geistigen Konstrukten“ z.B. als Output „emergieren“ können. Natürlich könnten die Prozesse auch „Hardware“ generieren.

    Nicht nur in sozusagen „geschlossenen Systemen“ (z.B. Menschen, Computern…), sondern auch „verteilt“ (Netzwerk der Menschen, Computernetzwerk, …).

    Selbst „dumme Corona Viren“ schaffen es, in verteilten Systemen, noch dazu unter Menschen, große Probleme zu verursachen und gleichzeitig ihre eigene („informelle“) Weiterexistenz, zumindest temporär, zu sichern.

    Die derzeit noch „hinterher hechelnden“, zweifellos intelligenten Impfstoffforscher werden es hoffentlich schaffen, letztlich „siegreich“ zu bleiben, wie ehemals bei der Diphtherie.

    Manche Menschen nennen die Fähigkeit, wenn einfachste Strukturen befähigt sind, im Kollektiv so etwas wie „Intelligenz“ zu generieren, „Schwarmintelligenz“. Einzelne „Bits emergieren“ metaphorisch formuliert zu „Intelligenz“, wie z.b. Bildpunkte zu einem Bild.

    Ich vermute, dass Theologen dieses Konzept als wichtig und allgemein gültig in der Evolution sehen und es als „intelligentes Design“ bezeichnen.

    Selbstverständlich können die Philosophen auch über diese „Begriffsbildung“ und die dahinterstehenden Sachverhalte endlos palavern.

  899. @Stegemann 23.04. 14:34

    „Ich denke, der Kern von Selbstorganisation ist Wachstum. Alles Leben wächst.“

    Interessant in diesem Zusammenhang ist unsere Sterblichkeit. Ausgehend von unserer genetischen Konstitution wächst und lernt sich jeder Mensch ein Weltbild und spezielle Fähigkeiten zusammen. Damit lebt und arbeitete man dann seine Jahrzehnte, bis dass der Tod erstmal einen Schlussstrich zieht. Was bleibt sind die Werte, die man geschaffen hat, die Kinder, die man in die Welt gesetzt hat, und ein gewisser Kulturbeitrag, dieser dann eher weniger und nur manchmal mehr.

    Wenn ich das mit Softwareentwicklung vergleiche, dann hat das Ähnlichkeiten. Ein komplexes Programm wie Word wird einige Jahre immer größer, mit immer neuen Funktionen erweitert, die sich aber nach und nach immer mehr gegenseitig ins Gehege kommen können. Irgendwann schließt man einen Schlussstrich, und baut das ganze Programm von Grund auf neu auf, mit einer konsistenteren Architektur, die dann aufgeräumter daher kommt, besser sortiert ist und auch stabiler im Umgang ist.

    So ähnlich bewegen wir uns auch in der Zeit, in die wir hineingeboren werden. Wenn wir uns neben dem persönlichem Leben auch als eine Art Kulturagent verstehen, der zu Lebzeiten aus seiner Kultur sich ein Sortiment zusammenstellt, dies noch einmal gründlich von allen Seiten betrachtet und am Ende dieser Kultur was hinzuzufügen hat, dann kommen wir uns selber dabei näher.

    So wie ein komplexes Programm immer mal wieder neu aufgebaut werden muss, so sind auch unsere Weltbilder ein Teil eines Kulturprozesses, der auch davon lebt, dass die alten Kulturträger wegsterben, und unsere Kinder die ganze Sammlung wieder neu aufnehmen, neu zusammenstellen und ein Stück weiter entwickeln.

    So wird aus dem doch auch mühseligen Umstand, dass wir alles immer wieder neu lernen müssen, am Ende doch etwas Weiterführendes. Was dann am Ende alle Mühe wert ist.

  900. @Timm Grams // 22.04.2021, 23:41 Uhr

    »Ernst Mayr setzt Anpassung gleich Fortpflanzungserfolg. Das ist eine Bedeutungsverschiebung gegenüber dem Alltagsverständnis und hat historische Gründe.«

    Nein, Mayr (2005) hat selbst ausgeführt, wie der Begriff „Anpassung“ richtig angewandt wird (S. 188) (meine Fettungen):

    Richtig angewandt, bezeichnet »Anpassung« eine Eigenschaft eines Lebewesens, sei es ein Körperteil, ein physiologisches Merkmal, eine Verhaltensweise oder irgendetwas anderes, das ein Organismus besitzt und das von der Selektion gegenüber anderen Merkmalen begünstigt wurde.

    Dass adäquate Anpassungsmerkmale in der Regel mit Fortpflanzungserfolg einhergehen, versteht sich.

    Vollmer hat das völlig richtig verstanden.

  901. @Balanus 23.04.2021, 18:27 Uhr

    Wortklauberei. Inhaltlich liege ich offenbar richtig. Zu beurteilen, ob Gerhard Vollmer Anpassung “richtig verstanden” hat, steht mir nicht zu, dass er den Begtiff anders verwendet als Ernst Mayr, hingegen schon. Vollmers teleologisches Denken kommt in diesem Lorenz-Zitat zum Ausdruck (Vollmer, Evolutionäre Erkrnntnistheorie, 1983, S. 153):

    Dasjenige, was das lebende System auf diese Weise von der äußeren Realität erfährt, was es “aufgeprägt” oder “eingeprägt” bekommt, ist Information über die betreffenden Gegebenheiten der Außenwelt. Information heißt wörtlich Einprägung!

  902. @Timm Grams // 23.04.2021, 19:33 Uhr

    »Vollmers teleologisches Denken kommt in diesem Lorenz-Zitat zum Ausdruck…«

    Da kommt nichts dergleichen zum Ausdruck.

    Zumindest nicht, wenn mit „teleologischem Denken“ gemeint ist, dass Vollmer den Evolutionsverlauf für einen zielintendierten Vorgang hält. Oder übersehe ich da etwas?

    Im Gesamtkontext der mir vorliegenden, allem Anschein nach rund 20 Jahre jüngeren Abhandlung („Wieso können wir die Welt erkennen? Neue Argumente zur Evolutionären Erkenntnistheorie“), wird deutlich, dass Vollmer sich inhaltlich voll auf den Spuren Ernst Mayrs (und anderer unverdächtiger Geistesgrößen) bewegt:

    Unsere kognitiven Strukturen passen (wenigstens teilweise) auf die Welt, weil sie sich – phylogenetisch – in Anpassung an diese reale Welt herausgebildet haben und weil sie sich – ontogenetisch – auch bei jedem Einzelwesen mit der Umwelt auseinandersetzen müssen.

    Zur Erinnerung nochmals Mayr:

    »Anpassung« [bezeichnet] eine Eigenschaft eines Lebewesens, sei es ein Körperteil, ein physiologisches Merkmal, eine Verhaltensweise oder irgendetwas anderes, das ein Organismus besitzt und das von der Selektion gegenüber anderer Merkmalen begünstigt wurde.

    …und letztlich zum Fortpflanzungserfolg beiträgt, könnte man noch hinzufügen.

  903. @Balanus 23.04.2021, 22:19 Uhr

    Ich sehe mich außerstande, Ihnen das Offensichtliche ins Bewusstsein (unser Thema) zu bringen. Tschüss.

  904. @Grams
    Jeder Versuch von Erkenntnis über die Erkenntnisfähigkeiten des Menschen ist hoch problematisch, weil rückbezüglich oder zirkulär. Vollmer war sich dessen voll bewusst und ist umfänglich darauf eingegangen. Man kann Vollmer kritisieren und man kann ihn missverstehen, aber ihm Teleologie zu unterstellen, das ist rundum falsch und zeugt von Missverstehen seiner Aussagen.

    Erkenntnistheorie ist keine Wahrheitstheorie. Die evolutionäre Anpassung ist Voraussetzung für pragmatisch wahre Erkenntnisse zum Überleben in unterschiedlichen und dynamisch veränderlichen Lebenswelten. Die evolutionäre Erkenntnistheorie verbindet die Anforderungen an Erkenntnis mit den Gegebenheiten der Evolution. Darin eine Teleologie zu sehen, wäre ein grobes Missverständnis. Der Mensch ist gerade auf dem besten Weg, sich selbst auszulöschen!

    Zitat von Vollmer 1988 “Was können wir wissen?”.

    Erkenntnistheorie beweist nicht die Existenz von Erkenntnis, sie setzt Erkenntnis voraus.
    [..]
    Unsere Anschauungsformen und die Kategorien unserer Erfahrung, die Qualitäten unserer Wahrnehmung und die Grundelemente des Schließens, der Klassifikation und Abstraktion sind nach der Evolutionären Erkenntnistheorie angeboren, ontogenetisch a priori und für mesokosmische Erkenntnis konstitutiv, nicht aber für wissenschaftliche Theorien.
    [..]
    Evolutiver Erfolg ist für Wahrheit weder notwendig noch hinreichend, hat aber immerhin Indizcharakter. [..] Wo tatsächlich von Arterhaltung auf die Richtigkeit der Weltbilder geschlossen wird, handelt es sich eindeutig um einen Fehlschluss.

  905. @ anton reutlinger 24.04.2021, 10:08 Uhr

    „Zielgerichtet“, „in Richtung“ auf den „Test unendlich vieler Variationen“ ist die Evolution vermutlich. Die „Entwicklungsprozesse“ verlaufen einige Zeit parallel und exponentiell. Vermutlich hat sich auch, lange vor den Menschen, eine „kollektive Intelligenz“ an sich „dummer“ „Teilelemente“ (z.B. Viren) entwickelt.

    „Teleologisch“ in dem Sinne dass Handlungen, oder überhaupt Entwicklungsprozesse, durchgängig „zielorientiert“ ablaufen müssen, ist sie vermutlich nicht. Es gibt offensichtlich auch „Irrwege“ und „Rückentwicklungen“.

    Es dürften Mechanismen entstehen, die der Evolution „entgegenwirken“, z.B. das Immunsystem.

    Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens neuer Variationen dürfte irgendwann gegen 0 gehen und der Zeitbedarf Richtung Unendlich.

    „Naturgesetzlichkeiten“, egal ob sie „irgendwo“ (in irgend einem System) formal „deklariert“ (mit Bezeichnern versehen) und (die Prozesse) formal definiert sind, ob es einen Beobachter gibt oder nicht, sie existieren jedenfalls, sozusagen „implizit“. Außer es gab vielleicht eine kurze „chaotische Naturgesetz freie“ Zeitspanne am „Anfang“ jeglichen Geschehens und vielleicht am „Ende“ wenn sozusagen alles „zusammenbricht“.

  906. @anton reutlinger 24.04.2021, 10:08 Uhr

    Gerhard Vollmer ist sich des Konflikts zwischen den Auffassungen,  nämlich der am Fortpflanzungserfolg orientierten Evolution einerseits  und der zielgerichteten Anpassung an reale Gegebenheiten andererseits, sicherlich vollkommen bewusst. Er ist ja anerkannter Wissenschaftler und Philosoph auf diesem Gebiet. Von ihm habe ich viel gelernt – was ich ja auch in meinen “Denkfallen und Programmierfehler” von 1990 deutlich anerkenne.

    Dennoch bleibe ich dabei: Vollmer sieht die Anpassung im beschriebenen Sinn als entscheidenden Wirkmechanismus der Selektion. Er kann gar nicht anders, denn sonst würde der von ihm propagierte Realismus in sich zusammenfallen.

    Die Mehrdeutigkeiten und die Unentschiedenheit sind mir an Vollmers Texten schon früher aufgefallen. In
    Der Realismus erklärt nichts gehe ich kurz darauf ein.

  907. @Grams
    Dennoch bleibe ich dabei: Vollmer sieht die Anpassung im beschriebenen Sinn als entscheidenden Wirkmechanismus der Selektion.

    In diesem Punkt, Anpassung als Wirkung von Selektion, sind wir uns völlig einig. Aber die Selektion steht nicht allein im Raum, sondern gründet auf den vorhandenen genetischen Varianten, die selbst wiederum eine Wirkung der (positiven) Selektion sind. Und die Selektion reagiert auf die veränderlichen Lebensumstände, indem sie bestimmte phänotypische Varianten aussondert oder auslöscht, mithin auch bestimmte genetische Varianten.

    Zur Zeit wirkt die Selektion mittels des Coronavirus auf bestimmte Bevölkerungsgruppen. Das Virus ist ein Zufall der Menschheitsgeschichte, so wie viele andere verheerende Naturkatastrophen. Deshalb kann die Selektion nicht teleologisch sein. Der Mensch kann sich allerdings mit der Impfung der Selektion entziehen; auch das ist eine Form von Anpassung, indem das Immunsystem auf dieses Virus künftig eingestellt ist.

  908. @ Grams 23.04.2021, 09:33 Uhr

    Sie schreiben:
    Mit einer realistischen aber auch nicht. Die “Evolutionäre Erkenntnisttheorie” des Gerhard Vollmer (1983) beruht auf einer Petitio Principii: Eine strukturierte und für uns erkennbare Realität (Jenseits) muss existieren, weil wir in unseren Beobachtungen (Diesseits) Strukturen erkennen.

    Meines Erachtens haben sie Vollmer hier völlig falsch verstanden.
    Er setzt den hypothetischen Realismus doch eindeutig an den Anfang.
    Dieser besteht aus mehreren (begründeten aber nicht beweisbaren) Postulaten, nachzulesen in dem von Ihnen genannten Buch (Vollmer, Evolutionäre Erkenntnistheorie, 1983).

    Seite 34:
    Existenz einer bewußtseinsunsbhängigen, gesetzlich strukturierten und zusammenhängenden Welt;
    teilweise Erkennbarkeit und Verstehbarkeit dieser Welt durch Wahrnehmung, Denken und eine intersubjektive Wissenschaft.

    Das ist gleichzeitig eine ontologische und eine erkenntnistheoretische Position. Wo Sie hier einen logischen Zirkel sehen ist mir ein Rätsel.

    Aber wie gesagt, mit einer phänomenalistischen Sichtweise macht die evolutionäre Erkenntnistheorie gar keinen Sinn.
    Ebenso macht es für mich keinen Sinn, hier weiter darüber zu diskutierten.

  909. @ Balanus
    @Timm Grams

    Ich meine, Ihr Konflikt werter „Balanus“ mit Herrn Grams beruht darauf, dass Sie wie alle „älteren Neurologen“ und auch so wie früher die „alten Elektroniker“ den Begriff „Information“ ignorieren.

    Herr Grams, zumindest ein gleichnamiger Wissenschaftler, hat ehemals mit einem Team von Wissenschaftlern, sozusagen die „Elektronik revolutioniert“. Die haben Simulationssoftware für die Elektronik entwickelt. Grundlage war die „totale Abstrahierung und Mathematisierung“ aller Komponenten, sogar der Messgeräte, gemäß den Konzepten der Informatik.

    Ich möchte das phantasievoll, als derzeit nicht ganz reales Gedankenexperiment, in die Welt der Neurologie übertragen.

    Es wäre so, als könnten Sie am Computer einen Hirnbereich mit allen seinen Funktionen mittels Symbolen in einer Art von „Schaltplan“ abbilden. Dann können Sie z.B. noch verschiedene Tumorarten oder Verletzungen mit der Maus an bestimmte „Stellen ziehen“ und einfügen.

    Das machen Sie auch z.B. mit einem Symbol für EEG Geräte, dass sie an einer freien Stelle des Bildschirms einfügen. An bestimmten Stellen am Computerbildschirm „klemmen“ Sie an der Gehirnabbildung (natürlich mit der Maus) die Elektroden an, analog wie es die Neurologen so machen.

    Danach lassen Sie sich an einer bestimmten Stelle des sehr großen Bildschirmes das Diagramm anzeigen, wie Sie es vom EEG gewohnt sind und klicken „Simulation ein“ an.

    Danach erhalten Sie ihr gewohntes Bild, abhängig vom Ort und der Art des Tumors/Verletzung. Sie könnten den „Tumor“ auf der Hirnabbildung am Bildschirm verschieben und erhalten das zugehörige EEG Bild.

    Sie könnten z.B. solange mit Tumorarten und Lokalitäten herumexperimentieren, bis Sie ein EEG wie bei einem bestimmten Patienten erhalten, dass Sie vorher noch nie gesehen haben und könnten damit eine Diagnose erstellen.

    Selbstverständlich könnte dies alles, außer der Anschluss der Elektroden an den Patienten, automatisiert werden und die KI würde Diagnosevorschläge machen. …

    Alles nach den Elektroden ist Informationsverarbeitung. Selbst das EEG Gerät existiert nicht wirklich, es ist alles „pure Informationsverarbeitung“ auf Softwarebasis, wie es in der Informatik üblich ist.

    Prozessor- Prozess- Information scheint die Grundlage jeglichen Geschehens, jede dieser Komponenten ist unverzichtbar, jedoch kann selbst ein Prozessor durch einen von Information gesteuerten Prozess „emuliert“ werden.

  910. Es ist erstaunlich, welchen Einfluss die klassische deutsche Philosophie auf das Denken der Menschen noch immer hat. ‘Erkenntnis’ impliziert bereits ein Objekt (an sich), das erkennbar wäre. Man sollte Erkenntnis ersetzen durch Orientierung, es würde weniger Verwirrung stiften😉 . Für die praktische Naturwissenschaft würde sich nichts ändern, sie fördert keine Erkenntnis der Welt an sich, sondern sucht nach Regelmäßigkeiten und formuliert daraus Naturgesetze. Es sind die Philosophen, die die Naturwissenschaft zum Naturalismus machen, jedenfalls zum ontologischen.

  911. @anton reutlinger // 24.04.2021, 13:46 Uhr

    » In diesem Punkt, Anpassung als Wirkung von Selektion, sind wir uns völlig einig. «

    Das klingt missverständlich in meinen Ohren. Ich würde es so sagen: Anpassung oder Angepasstheit ist das Ergebnis von Selektion, wird also insbesondere durch den stochastischen Prozess des differentiellen Reproduktionserfolgs der Individuen bzw. Genotypen bewirkt.

    Anders kann es sich m-. E. ja auch gar nicht verhalten, wenn die Evolutionäre Erkenntnistheorie in sich schlüssig sein soll.

    O-Ton Vollmer (in: Neue Argumente zur Evolutionären Erkenntnistheorie, S. 228):

    Diese Passung [des sensorischen Systems] ist feststellbar, ohne dass wir Realisten sein müssten und auch ohne dass wir dafür schon eine Erklärung haben müssten. Es ist die so festgestellte Passung, die wir in der Evolutionären Erkenntnistheorie – nicht als Zufall oder als das Werk eines Schöpfers, sondern – als Ergebnis einer Anpassung deuten.

  912. @Elektroniker // 24.04.2021, 17:51 Uhr

    » Ich meine, Ihr Konflikt werter „Balanus“ mit Herrn Grams beruht darauf, dass Sie wie alle „älteren Neurologen“ und auch so wie früher die „alten Elektroniker“ den Begriff „Information“ignorieren. «

    Lieber @Elektroniker, Sie belieben zu scherzen.

    Gestern Abend war es erst, da hat Timm Grams ein Zitat vom Urvater der Evolutionären Erkenntnistheorie, Konrad Lorenz, gebracht:

    Dasjenige, was das lebende System auf diese Weise von der äußeren Realität erfährt, was es “aufgeprägt” oder “eingeprägt” bekommt, ist Information über die betreffenden Gegebenheiten der Außenwelt. Information heißt wörtlich Einprägung!

    (Gerhard Vollmer. Evolutionäre Erkenntnistheorie, 1983, S. 153)

  913. Zitat Balanus 24.04.2021, 20:48 Uhr: „Diese Passung [des sensorischen Systems] ist feststellbar, ohne dass wir Realisten sein müssten und auch ohne dass wir dafür schon eine Erklärung haben müssten. Es ist die so festgestellte Passung, die wir in der Evolutionären Erkenntnistheorie – nicht als Zufall oder als das Werk eines Schöpfers, sondern – als Ergebnis einer Anpassung deuten.“

    Das Problem ist doch, dass im Beispiel „diese Passung des sensorischen Systems“ nur als Ergebnis einer „Anpassung“ zu deuten ist.

    Es ist mehr als nur Anpassung: Auch die Anpassung mittels sich selbst optimierender Systeme auf Basis von so etwas wie einer „kollektiven Intelligenz“ dürfte natürlich eine Rolle spielen, (so wie z.B. Viren ihr kollektives Überleben zu sichern versuchen), da habe ich keine Zweifel.

    Allerdings dürften auch „Zufallsmuster“ (von absolut zufällig bis determiniert) in einem riesigen System aus „biologischen Zufallsgeneratoren“ (als „Werkzeug“ der Evolution) eine Rolle spielen.

    Der alle Aspekte abbildende „Oberbegriff“ dürfte „Schöpfung“ sein, der nun einmal ganz allgemein das Faktum bezeichnet, das noch nicht existierendes (z.B. Geld), zu existierendem wird.

    Die Theologen haben „noch schnell“ den „Schöpferbegriff“ so deklariert, dass er eben ganz genau auch die noch nicht (oder niemals) bekannten, auf jedem Fall existierenden, Aspekte abdeckt („transzendenter Gott“).

    Seither lassen sie die „Philosophen allein im Regen stehen“ und haben die Wissenschaft einfach „ausgelagert“. Mögen sich andere mit Begriffen, Funktionen und besonders den „Updates“ (in den Wissenschaften) herumschlagen, es wäre ihnen egal, selbst wenn sie einmal sekündlich erfolgen sollten.

    In Wirklichkeit sind hauptsächlich eher psychologische, weniger wissenschaftliche Aspekte, für die Begriffsdeklaration und Definitionen maßgeblich.

    Vermutlich „stürzen“ sich eines Tages Psychologiestudenten auf die Beiträge der scilogs von Herrn Schleim um sie mit KI Software auf psychologisch interessante „Denkmuster“ auszuwerten.

  914. @ Stegemann 24.04.2021, 17:52 Uhr

    Sie schreiben:
    …..sie (die praktische Naturwissenschaft) fördert keine Erkenntnis der Welt an sich, sondern sucht nach Regelmäßigkeiten und formuliert daraus Naturgesetze. Es sind die Philosophen, die die Naturwissenschaft zum Naturalismus machen, jedenfalls zum ontologischen.

    Oder sind es nicht eher “die Philosophen”, die eine erkennbare äußere Realität infrage stellen?
    Ich vermute, dass die meisten Naturwissenschaftler verständnislos den Kopf schütteln, wenn Sie ihnen erklären, dass sie Regelmäßigkeiten in ihren Erscheinungen erforschen.

  915. @Hirsch: Naturwissenschaftler mit philosophischem Hintergrund verstehen meine Einlassung (ohne sie teilen zu müssen), praktisch arbeitende beschäftigen sich mit solchen Fragen nicht.

  916. @ Balanus
    Einverstanden, nicht anders habe ich es gemeint.

    Die Selektion kann nur an den existierenden, phänotypischen, mithin auch genotypischen Varianten angreifen. Die lokalen Lebensumstände bestimmen die Kriterien der Selektion. Dadurch verschieben sich allmählich die Verteilungen der phänotypischen Merkmale und folglich der Genotypen als Prozess der Anpassung. Diese Veränderungen in Populationen können auch quantitativ beobachtet werden.

    Beim Coronavirus kann der Prozess der Variation und Selektion des Virus aktuell im Schnelldurchgang beobachtet werden. Selbstverständlich findet dabei auch eine Selektion in der Menschheit statt. Wenn die phänotypische Variation, beim Menschen auch die Variation der Erkenntnis oder des Bewusstseins, der Selektion nicht schnell genug folgen kann, dann droht das Aussterben der jeweiligen Population oder Spezies.

  917. Die Wahrnehmung des Menschen bezieht sich auf die Dinge, so wie sie den Sinnen erscheinen und so, wie sich die Sinne in der Evolution entwickelt haben. Die Wahrnehmung der Naturwissenschaftler oder Naturalisten funktioniert nicht anders, egal ob sinnliche oder instrumentelle Wahrnehmung. Auch ein Zeiger oder die Anzeigen auf einem Computerbildschirm werden sinnlich als Phänomen wahrgenommen.

    Die Naturwissenschaft schaltet jedoch eine Zwischenstufe ein, nämlich eine bestimmte, objektivierende und rekonstruierende Interpretation der wahrgenommenen Phänomene, die über die alltägliche Interpretation weit hinausgeht. Es ist also naiv oder falsch zu glauben, die Naturwissenschaftler würden sich mit “Dingen an sich” beschäftigen. Ein Elektron ist lediglich ein Bezeichner oder Name für bestimmte Phänomene, die mit Notwendigkeit korrelieren. Die “Dinge an sich” sind eine Fiktion.

  918. @reutlinger 25.04. 10:21

    „Die Naturwissenschaft schaltet jedoch eine Zwischenstufe ein, nämlich eine bestimmte, objektivierende und rekonstruierende Interpretation der wahrgenommenen Phänomene, die über die alltägliche Interpretation weit hinausgeht.“

    Unser Bewusstsein rekonstruiert grundsätzlich ganz maßgeblich, unsere Rekonstruktion ist die Basis unseres Umweltbezuges. Auch wenn es mal schwierig ist, dies ist immer unsere Basis, ohne dem können wir nicht sinnvoll auf unsere Umwelt reagieren. Die Wissenschaft ist insgesamt als eine organisierte Erweiterung unseres Umweltbezuges zu sehen.

    „Ein Elektron ist lediglich ein Bezeichner oder Name für bestimmte Phänomene, die mit Notwendigkeit korrelieren. Die “Dinge an sich” sind eine Fiktion.“

    Aber genau diese Fiktionen sind doch das Beste, das wir haben. Auch wenn wir mal voreilig sind, und auf Fiktionen kommen, die bald wieder verworfen werden, so haben wir doch nichts anderes.

    Selbst wenn wir verschiedene Fiktionen zum selben Thema haben, wie „Alles geht mit rechten Dingen zu“ versus „Das meiste geht mit rechten Dingen zu“, nur mit derartigen modellhaften Vorstellungen können wir uns mit der Wirklichkeit auseinandersetzen. Anders geht es nicht. Auch wissenschaftliche Messergebnisse werden nur innerhalb von Modellvorstellungen nutzbar.

    Die Welt, wie sie wir uns vorstellen, ist doch meistens die Welt, in der wir leben. Die Lehrbücher, die wir in der Schule durcharbeiten, bauen schöne Modelle auf, die wir unserer privaten Vorstellungen vom Leben hinzufügen. Wenn es in Wirklichkeit mal anders ist als wir denken, machen wir eben Fehler. Oder wenn wir Bereiche haben, die wir nur unzureichend verstehen – z.B. unser eigenes Bewusstsein – dann haben wir eben keine modellbildende Fiktion zu diesem Thema. Zumindest keine Einheitliche, der jeder zustimmen würde.

    Was dem akkumuliertem Weltbild dessen, was wir ansonsten wissen können, keinen Abbruch tut.

  919. @ Reutlinger 24.04.2021 10:21 Uhr

    Ein Elektron ist lediglich ein Bezeichner oder Name für bestimmte Phänomene, die mit Notwendigkeit korrelieren. Die “Dinge an sich” sind eine Fiktion.

    O.k., zumindest ich persönlich halte aber z.B. den Erdkern trotzdem für real existierend. Natürlich ist er auch ein Konstrukt, denn wenn ich über ihn nachdenke, befindet er sich ja nicht in meinem Kopf.

    Aber um ein letztes Mal Vollmer zu zitieren (Vollmer, Evolutionäre Erkenntnistheorie, 1983):

    Seite 28:
    Welche Prinzipien (Axiome, Grundsätze, Postulate, Maximen, Voraussetzungen, Ausgangsthesen) man wählt, ist eine Frage der persönlichen Entscheidung.

    Und offenbar geht es auch ganz ohne. Die Welt (bzw. das “Diesseits”) ist bunt.

  920. @Jeckenburger
    Ihre Thesen sind insgesamt durchaus richtig. Schon als Kind deuten wir die Sinnesdaten und machen uns ein Bild von der Welt. Anfangs ist das noch naiv, wir denken, was wir sehen, ist die reale Welt, später lernen wir, dass es eben nicht so ist. Wir lernen, dass die reinen Sinnesdaten täuschen können und vieles verbergen. Den Höhepunkt bildet dann die Naturwissenschaft, die aus den Sinnesdaten abstrakte, naturgesetzlich kausalistische Modelle und Theorien ableitet und in Berechnungen, Experimenten und Simulationen rekonstruiert, prüft und verfeinert.

    Der Kern dessen ist und bleibt, dass wir ganz in der Welt der Phänomene verbleiben, auch die Naturwissenschaft. Sie vermag zwar mittels raffinierter Instrumente tiefer in die Natur zu blicken, aber die empirischen Beobachtungen beziehen sich immer auf Phänomene. Die “Dinge an sich” bleiben auch für die Naturwissenschaft Fiktion. Es gibt nur die Annahme, dass die Naturwissenschaft sich den “Dingen an sich” nähern kann. Der Naturalismus kann also prinzipiell keine ontologischen Aussagen machen, jedenfalls keine, die von Naturwissenschaft gestützt würden. Aber wer sonst könnte darüber fundierte Aussagen machen?

  921. @Chrys // 22.04.2021, 17:48 Uhr

    » Ich glaube, wir reden von `Aussenwelt’ auf verschiedene und etwas verwirrende Weisen. «

    Ist auch mein Eindruck, dass hier im Kommentariat Außenwelt nicht gleich Außenwelt ist.

    » a) Meine physische Umgebung […]

    b) Die metaphysische “Welt an sich”.
    […]
    Laut Timm Grams kennen wir b) nicht,
    «

    Nun ja, das bezweifelt ja eh keiner hier in der Runde. Kants „Welt an sich“ ist ja bloß ein metaphysisches Konstrukt, das nicht dem „Kausalgesetz“ unterworfen ist. Das kann also nicht die Außenwelt sein, von der Timm Grams meint, wir kennten sie nicht; und welche darum auch in der Evolutionsbiologie keine Rolle spielen kann. Es muss (für ihn) also noch etwas Drittes geben.

    Wie es scheint, hast auch Du, wie die meisten hier, nicht wirklich verstanden, von welcher Art Außenwelt bei Grams die Rede ist… ;- )

  922. @Balanus / 25.04.2021, 18:14 Uhr

    Wenn Vollmer von einer “vorgegebenen Realität” spricht, die unabhängig von jemandes Perzeption bestehen soll, dann kann das doch nur in Verbindung mit einem Begriff von Aussenwelt in dem vom mir unter b) genannten Sinn gemeint sein.

    Wenn ich es aus den diversen Zitaten hier korrekt verstehe, dann will Vollmer, grob gesagt, von den Perzeptionen empirischer Aussenwelten im Sinne von a) Erkenntnisse über die Aussenwelt im Sinne von b) erhalten, indem b) als unbedingte Voraussetzung behauptet wird dafür, dass solche Perzeptionen überhaupt möglich sind, und dass umgekehrt unser auf Perzeptionen begründete empirische Wissen zumindest gewisse Rückschlüsse auf etwas “real Vorgegebenes” gestattet.

    Insbesondere will die evolutionäre Erkenntnistheorie nach meinem Verständnis die Konklusion auf die biolog. Evolution als etwas empirisch Vorfindlichem zur notwendigen Prämisse für die Ermöglichung speziell dieser Konklusion machen. Das ist aber tautologisch und erklärt nichts. Eine Tautologie P → P ist formal stets wahr, unabhängig vom Wahrheitswert von P, und liefert daher keinerlei Begründung für P.

  923. @ Balanus
    @Chrys

    Was wäre, wenn Tim Grams von grundsätzlichen Konzepten der „Simulationsforschung“ ausgeht?

    Einerseits alles was in der Mathematik/Informatik auf abstrakter Ebene „abgebildet“ werden kann (könnte) und andererseits „die Abbildung“ und die „Wechselwirkungen“.

    Sensorik und Mustererkennung sind wichtig. (Vermutlich auch für die „Empfindungsmustererkennung“, wobei Empfindungen auch zum Bewusstsein „emergieren“ dürften.)

    Mit der uns direkt zur Verfügung sehenden Sensorik, den Auswertemöglichkeiten, z.B. auch der Erkennung von „Mustern“, oder der Fähigkeit „experimentieren“ zu können, bekommen wir einen eigentlich recht guten Zugang zu dem was wir „Realität“ nennen könnten. Als Mensch oder in einer Computersimulation.

    Interessant wäre, dass sogar z.B. Messgeräte, wie im „EEG Neurologen Gedankenexperiment“ (aus einem früheren Beitrag) informell „emuliert“ werden können, so als wären sie real vorhanden.

    In einer Simulationssoftware z.B. für Elektroniker, werden seit Jahrzehnten Messgeräte, z.B. Oszillographen, ganz bequem mit der Maus in das „Arbeitsblatt gezogen“.

  924. @Chrys // 26.04.2021, 12:24 Uhr

    » Wenn Vollmer von einer “vorgegebenen Realität” spricht, die unabhängig von jemandes Perzeption bestehen soll, dann kann das doch nur in Verbindung mit einem Begriff von Aussenwelt in dem vom mir unter b) genannten Sinn gemeint sein. «

    Es gibt wohl noch eine andere Möglichkeit.

    Mit Blick auf die „Realität der Außenwelt“ hatte Kant einst gesagt, er halte es für einen „Skandal der Philosophie“, dass ihr „Beweis“ immer noch nicht gelungen sei.

    Ich nehme stark an, dass bei Kant die „Realität der Außenwelt“ zum Bereich der Erscheinungen gehört. Er unterschied bekanntlich zwischen Erscheinungen (Phänomena) und Dingen an sich (Noumena). Deine Formulierung „metaphysische ‚Welt an sich‘ “ würde ich dem Bereich der Noumena zuordnen.

    Insofern kann ich Vollmer nur so verstehen, dass er von dem Sosein der Dinge spricht, wie sie an sich sind, wenn man sich sämtliche subjektiven sinnlichen Wahrnehmungen wegdenkt. Also die zwar unbewiesene, aber vom Subjekt unabhängige Realität der Außenwelt (die sich durch die Konstanz und Geschlossenheit des Geschehens z.B. von inneren Traumbildern unterscheidet).

    Ob die evolutionäre Erkenntnistheorie (EE) ebenfalls mit dem bekannten erkenntnistheoretischen Zirkel klarkommen muss, sei mal dahingestellt.

    Die Frage nach der Möglichkeit (und Grenzen!) einer Erkenntnis im Sinne eines „Treffens“ des Erkenntnisobjekts steht jedenfalls im Raum und will beantwortet werden.

    Und da gibt es eben unterschiedliche Antworten von Agnostikern, Skeptikern, Realisten, Nominalisten, Idealisten, Empiristen, Phänomenalisten, und schließlich auch von Naturalisten, die sich auf das Faktum der evolutiven Herkunft des Menschen stützen, also auf dessen Biologie.

    Ich sehe nicht, inwiefern evolutionsbiologische Erklärungen von menschlichen Verhaltensmerkmalen oder funktionellen Eigenschaften quasi zwangsläufig in einem Erklärungszirkel münden.

    Darüber hinaus ist festzustellen, dass jedes Erkennen notwendig von bestimmten Voraussetzungen ausgehen muss. Wir brauchen immer schon vorab Begriffe, Modelle Theorien, Wissen (bereits Erkanntes), etc. Im Falle der EE ist es eben die Kenntnis der evolutionsgeschichtlich entstandenen sensorischen und kognitiven Strukturen, die als Erklärung für die (begrenzten) Möglichkeiten menschlichen Erkennens dienen können.

  925. @Balanus 27.04. 10:34

    „Darüber hinaus ist festzustellen, dass jedes Erkennen notwendig von bestimmten Voraussetzungen ausgehen muss. Wir brauchen immer schon vorab Begriffe, Modelle Theorien, Wissen (bereits Erkanntes),…“

    Als kleines Kind ertastet man sich schon mal die nähere Umgebung und sich selbst, und später kommt der Sehsinn und die anderen Sinne dazu. Hier fängt es schon an, dass man sich eine Rekonstruktion der Umwelt macht, die dann im Laufe des Lebens immer präziser und immer komplexer wird. Es ist überaus vernünftig, sich darauf zu verlassen, dass dem eine wirklichen Existenz der inneren und äußeren Wirklichkeit entspricht.

    Als Kind habe ich mal ein Mikroskop geschenkt bekommen, damit habe ich fleißig alles mögliche untersucht, erst auch Zucker und Salz, die machen schöne Kristalle, dann auch mal Curry, und da war ich überrascht, das der auch aus Kristallen besteht. Das war ziemlich interessant.

    Ich guck mir auch immer schon gerne Atlanten und Landkarten an, und in modernen Zeiten Googlemaps. Auch hier, genauso wie mit dem Mikroskop, kann ich mich darauf verlassen, dass das was ich da sehe, eine Entsprechung in der Wirklichkeit hat.

    Der Schulunterricht mit Physik, Chemie und Biologie bringt auch die grundsätzlichen Beobachtungen der Wissenschaft mit sich, auch die sind in ihren Bereichen sehr verlässlich.

    Was insgesamt aber klar ist, dass diese ganzen Welterfahrungen eben in jedem Fall noch unvollständig sind, dass ist hier der eigentliche Punkt. Was da wirklich noch hintersteckt, das ist immer noch ziemlich offen.

    Und was hier an Geisteswelten noch die Welt und vor allem unser eigenes Innenleben bereichert, das ist für mich eine wesentliche offene Frage. Die Wirklichkeit, die sich aus den elementaren Welterfahrungen ergibt, die ist dagegen praktisch völlig verlässlich.

  926. @Jeckenburger
    Wie kann etwas Unvollständiges (Welterfahrungen) völlig verlässlich sein? Das ist offenkundig ein Widerspruch. Außerdem, die Welt steht nicht still, sie verändert sich ohne Pause und ohne Ende. Die Gegenwart ist nur der Anfang der unveränderlichen Vergangenheit.

  927. Kants System ist ziemlich unverständlich. Ein Beleg dafür sind die verwirrend vielen Kant-Interpretationen in der Fachliteratur. Siehe https://feodor.de/node/19 Dort gibt es für Interessierte weitere Literaturhinweise.

    Kant hat im Übrigen nichts letztbegründet. Es ist bislang auch nicht zu sehen, wie eine Konsolidierung der Transzendentalphilosophie zu letztbegründeten Aussagen führen können sollten: https://feodor.de/node/21

    Das Münchhausen-Trilemma ist nicht überwunden. Es bleibt beim Denken in Alternativen (Hans Albert).

  928. @Feodor

    Kants System ist ziemlich unverständlich. Ein Beleg dafür sind die verwirrend vielen Kant-Interpretationen in der Fachliteratur.

    Sie haben die Überzeugung das würde bei Bunge/Mahner anders aussehen, wenn die öfter interpretiert würden?

    Kant hat im Übrigen nichts letztbegründet.

    Das spricht ja schon mal sehr für ihn.

  929. Reale Welt = Außenwelt = Dinge an sich

    So einfach ist das. Steht alles in Vollmers “Evolutionäre Erkenntnistheorie” von1983.

    Jedenfalls sind alle Aussagen zur Außenwelt, von mir Jenseits genannt, unprüfbar, also metaphysisch. Auch Gerhard Vollmer stellt fest, dass die “Kategorien der Vielheit und der Kausalität gar nicht auf das Ding an sich anwendbar” seien, sondern nur auf die Erscheinungswelt. (S. 114)

  930. @Balanus / 27.04.2021, 10:34 Uhr

    Kants Einlassungen zur Frage der Außenwelt sind in Eislers Kant-Lexikon recht ausführlich zusammengefasst. Vor allem wird da sogleich auf den Begriff der “empirischen Realität” querverwiesen, wo es dann heisst:

    “Empirische Realität” ist “objektive Gültigkeit” (z. B. der Anschauungsformen, s. d.) in bezug auf alles, was Gegenstand der Sinnlichkeit, bzw. auch des Verstandes, sein kann, also betreffs aller Objekte als Erscheinungen (s. d.), d. h. der Dinge, sofern sie zum Subjekt (zum erkennenden Bewußtsein) in Beziehung stehen. Sieht man von dieser Beziehung ab, denkt man die Dinge als “Dinge an sich”, dann hat ebendasselbe, was sonst empirische Realität hat, “transzendentale Idealität”, d. h. es ist nichts Reales, sobald wir “die Bedingung der Möglichkeit einer Erfahrung” weglassen und es als “etwas, was den Dingen an sich selbst zum Grunde liegt”, annehmen.

    Gemäss Kant gilt dann etwa das Matterhorn ale ein identifizierbares Objekt möglicher Erfahrung in diesem Sinne als real, das Matterhorn “an sich”, verstanden als ein aus jeglichem Szenario der Beobachtung herausgelöst gedachtes Objekt, hingegen nicht.

    »Insofern kann ich Vollmer nur so verstehen, dass er von dem Sosein der Dinge spricht, wie sie an sich sind, wenn man sich sämtliche subjektiven sinnlichen Wahrnehmungen wegdenkt. Also die zwar unbewiesene, aber vom Subjekt unabhängige Realität der Außenwelt (die sich durch die Konstanz und Geschlossenheit des Geschehens z.B. von inneren Traumbildern unterscheidet).«

    Damit sprichst Du gerade den Aspekt der Herauslösung empirischer Objekte aus Szenarien ihrer Observation an. Das mag schon sein, dass Vollmer so ähnlich denkt, aber dazu hat es ein lehrreiches Beispiel. Denn Moritz Schlick hatte das u.a. in seiner Allgemeinen Erkenntnislehre auch so dargestellt: Kants “Ding an sich” sei doch gar kein Problem, man muss sich das fragliche Ding nur vorstellen, ohne es als einem Subjekt gegebenes Objekt zu denken.

    Was Schlick da noch für reichlich trivial hielt, erwies sich dann im Wiener Kreis jedoch als echtes Problem, das man mit der Formulierung geeigneter induktiver Logiken zu lösen hoffte — schlussendlich ohne Erfolg. Man kann da schon eine Verbindung sehen von Kant bis hin zu Maturana: Für empirische Objekte gult, dass sich die prinzipelle Beteiligung und Perspektive eines Beobachters nicht herauskürzen lässt und alles, was darüber gesagt werden kann, von einem Beobachter gesagt wird.

    »Ich sehe nicht, inwiefern evolutionsbiologische Erklärungen von menschlichen Verhaltensmerkmalen oder funktionellen Eigenschaften quasi zwangsläufig in einem Erklärungszirkel münden.«

    Ich auch nicht, sofern man die Biologie als empirische Wissenschaft begreift und keine Antworten auf trans-empirische Fragen von ihr erwartet.

    Nichts spricht dagegen, dass die hypothetischen Bewohner einer simulierten Galouye-Welt mit ihren empirischen Mitteln nicht auch würden herausfinden können, dass ihre Spezies durch biologische Evolution entstanden ist. Die wären in ihren Möglichkeiten der Erkenntnis methodisch halt ebenso limitiert, wie wir es sind.

  931. @Grams
    Es gibt mindestens ein dutzend verschiedene Realismen, vom naiven Realismus bis zum Antirealismus (Michael Dummett 1925-2011). Die Naturwissenschaft bedient sich des wissenschaftlichen Realismus, der von einer hypothetischen Wirklichkeit oder Realität ausgeht. Die Hypothese kann evtl. modifiziert oder neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden.

    In einem Haus ohne Öffnungen kann man nicht die Außenwand sehen und man kann nicht die Umwelt erkennen. Man kann nicht beurteilen, ob das Haus auf einer kleinen Insel im Meer oder auf einem Berg steht. Man kann das Haus nicht als Ganzes, d.h. nicht als Haus erkennen. Diese Welt ist wie ein Haus ohne Öffnungen und wir sitzen darin.

    Michael Dummett bei Wiki:

    In seinem Werk „Truth and other enigmas“ entwickelt Dummett in Auseinandersetzung mit klassischen realistischen Positionen eine antirealistische Haltung. Diese trägt seiner Meinung nach wesentlich zur Lösung des Leib-Seele-Problems bei. Die Entscheidung für den Antirealismus fällt in Auseinandersetzung mit der Betrachtung von Wahrheit als zweiwertig und unabhängig vom menschlichen Erkennen. In seinem letzten Werk, „Truth and the Past“ (dt. Wahrheit und Vergangenheit) widmet sich Dummett dem Problem, wie sich Antirealismus mit wahren Sätzen über die Vergangenheit vereinbaren lässt.

  932. @reutlinger 27.04. 13:58

    „Wie kann etwas Unvollständiges (Welterfahrungen) völlig verlässlich sein?“

    Wenn ich mich in Essen nicht auskenne, schadet das nicht meiner Ortskenntnis in Dortmund.

    Wenn der Postbote seine Runde macht, kann er sich darauf verlassen, dass hier nicht einzelne Straßen an bestimmten Tagen verschwunden sind. Derartige harte Fakten sind eben verlässlich.

    Es kann sein, dass mancher Briefkasten einem neuen Kunden gehört, dass er entsprechende Briefe nicht mehr zustellen kann. Und es kann auch mal sein, dass es regnet, obwohl der Wetterbericht das nicht vorhergesagt hat.

    Insgesamt ist der Arbeitstag des Briefträgers sehr vorhersehbar.

    So ist das eben auch mit den gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Obwohl die sich zunächst nur den Phänomen gegenüber verlässlich verhalten, und nicht die „Welt an Sich“ beschreiben müssen, so können wir doch damit arbeiten.

    Aber was dran sein kann hier auch für die „Welt an sich“, nur das ist unsicher, aber auch nicht mal unmöglich. Ich glaube durchaus, das die „Welt an sich“ nicht völlig unerreichbar ist. Aber klar, bezüglich der „Welt an sich“ ist die Unvollständigkeit relevant.

    Bezüglich der Phänomene ist die Erkenntnis aber sehr zuverlässig. Das Gravitationsgesetz von Newton liefert im Sonnensystem so gute Daten, dass man auf dieser Basis eine Raumsonde zum Jupiter schicken kann. Die Relativitätstheorie liefert noch genauere Daten, auf die man sich ebenfalls offenbar verlassen kann. Nur ob das letztlich alles ist, das weiß man nicht.

    Wenn man versucht, Modelle zu entwickeln, die vielleicht den „Dingen an sich“ wenigstens näher kommen können, so ist das ebenso eine interessante Tätigkeit. Der Mensch möchte halt gerne alles Wissen, warum soll er es nicht versuchen, und sehen, wie weit er damit kommt?

    Sich hinstellen, und sagen, ich kann nichts wissen, das führt mit Sicherheit nirgends wo hin.

    Wenn man nicht genau weiß, ob ein Impfstoff jetzt zu 80 % oder zu 85% vor einer Krankheit schützt, ändert das wenig an der Sinnhaftigkeit, sich damit impfen zu lassen.

    @Grams 27.04. 15:35

    „Auch Gerhard Vollmer stellt fest, dass die “Kategorien der Vielheit und der Kausalität gar nicht auf das Ding an sich anwendbar” seien, sondern nur auf die Erscheinungswelt.“

    Was ist denn z.B. mit dem Periodensystem der Elemente? Das hat doch soviel System, dass da was dran sein müsste, im Sinne der „Dinge an sich“. Und wenn es eben metaphysisch ist. Wo soll das hinführen, dies zu bezweifeln?

    Wenn wir noch keine vollständige Theorie der „Dinge an sich“ haben, wieso soll diese denn eigentlich unmöglich sein? Woher will man das denn jetzt wieder wissen? Die Wirklichkeit läuft doch, und wir sind da mitten drin. Wieso soll es hier kein definitives „Betriebssystem“ geben, auf dessen Basis der ganze Kosmos funktioniert?

  933. @Jeckenburger
    Das ist eine pragmatische Denkweise, die selbstverständlich bis zu einem gewissen Grad akzeptabel ist. Je komplexer die Objekte der Welt sind, desto mehr Information darüber steht uns zur Verfügung und desto verlässlicher ist unser Wissen. Hilary Putnam hat dies als “no-miracle-Argument” formuliert. Über die elementaren Objekte aber fehlt uns Information. Deshalb bleibt der Widerspruch zwischen Unvollständigkeit und Zuverlässigkeit prinzipiell bestehen.

    Herr Grams schlägt mit seiner Realismuskritik gegen offene Türen. Schon Kant hat mit seiner “Kopernikanischen Revolution” den Realismus kritisiert. Die “Dinge an sich” sind, so wie eine bewusstseinsunabhängige Welt, eine Fiktion und Fiktionen sind Hirngespinste. Das ändert natürlich nichts daran, dass wir uns selber als real erkennen, unabhängig von unserem Bewusstseinszustand, und dass wir die Welt daher für real halten. Auch das ist offensichtlich ein unlösbarer Widerspruch, also ein Paradoxon, weil wir sowohl erkennendes Subjekt als auch erkennbares Objekt sind.

  934. @anton reutlinger 27.04.2021, 18:29 Uhr

    Sie schreiben

    Es gibt mindestens ein dutzend verschiedene Realismen, vom naiven Realismus bis zum Antirealismus (Michael Dummett 1925-2011). Die Naturwissenschaft bedient sich des wissenschaftlichen Realismus, der von einer hypothetischen Wirklichkeit oder Realität ausgeht. Die Hypothese kann evtl. modifiziert oder neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden.

    Ja, genau darunter leidet der Diskurs hier. Ich spreche durchweg vom metaphysischen Realismus. Er stellt die Basis des (ontologischen) Naturalismus dar. Und genau um den geht es hier von Anbeginn.

    Einige der Mitdiskutanten vermeinen, den (starken) metaphysischen Realismus zu verteidigen. Ihre Argumente reichen aber nur für einen schwachen Realismus. Einen schwachen  Realismus habe ich nie infrage gestellt!

    Zu den schwachen Ausprägungen zähle ich
    den internen oder wissenschaftlichen Realismus des Hilary Putnam und auch Immanuel Kants empirischen Realismus. Für Immanuel Kant bildet die Welt der Erscheinungen bereits die Realität. (Abschnitt “Von dem transcendentalen Ideal” seiner “Kritik der reinen Vernunft”).

  935. @anton reutlinger 27.04.2021, 18:29 Uhr

    Noch ein Einfallstor für Missverständnisse: Ihr wissenschaftlicher Realismus ist eigentlich der metaphysische Realismus Vollmers, nicht das, was Hilary Putnam darunter versteht.

  936. @Chrys // 27.04.2021, 17:42 Uhr

    Mein Bezug zu Kants „Ding an sich“ findet sich bei Eisler unter „D“:

    Während Kant erst wenigstens die Kategorien (Kausalität, Substantialität usw.) auf das Ding an sich anwendet, schränkt er später deren Gültigkeit auf die Erscheinungswelt ein und erklärt das Ding an sich für unerkennbar; es ist bloß denkbar, als bloßer “Grenzbegriff”, als etwas, das wir als Grund der Erscheinungen und deren Bestimmtheiten setzen, annehmen müssen, ohne es positiv, seinem Wesen nach bestimmen zu können.

    Ich finde, daran sollten wir uns halten, sonst wird es widersprüchlich—und es hilft, Verwechslungen mit dem Sosein der Dinge (die laut Kant der Kausalität unterliegen) zu vermeiden.

    » Gemäss Kant gilt dann etwa das Matterhorn ale ein identifizierbares Objekt möglicher Erfahrung in diesem Sinne als real, das Matterhorn “an sich”, verstanden als ein aus jeglichem Szenario der Beobachtung herausgelöst gedachtes Objekt, hingegen nicht. «

    Nach meinem Verständnis geht das eben nicht, das widerspricht dem Gedanken, was Kant mit „Ding an sich“ meint. Metaphysisches lässt sich nicht „herauslösen“.

    Wenn wir das Matterhorn als Kants „Ding an sich“ ansehen, dann haben wir es mit einem Gedankengebilde zu tun. Und als solches gehört es selbstredend zur Innenwelt, wo alle metaphysischen „Objekte“ beheimatet sind. Das Matterhorn als „Ding an sich“ kann definitionsgemäß nicht bestiegen werden.

    Zur realen Außenwelt hingegen gehören Kants „Erscheinungen“. Dort unterliegen die Dinge den Kausalgesetzen, und zwar vollständig. Was auch für den Menschen (als „Erscheinung“) gilt Aber zugleich ist der Mensch auch „Ding an sich“, wodurch er seine Freiheit gewinnt. Denn Kausalität gilt wie gesagt nur in der Welt der Erscheinungen. So ungefähr hat Kant sich das wohl gedacht … ;- )

    Es liegt somit auf der Hand, dass Kants „Ding an sich“ etwas kategorial anderes ist als die Dinge, die so sind wie sie sind und uns in irgendeiner Form sinnlich erscheinen (Kants „Phänomena“ eben).

    »Maturana: Für empirische Objekte gult, dass sich die prinzipelle Beteiligung und Perspektive eines Beobachters nicht herauskürzen lässt und alles, was darüber gesagt werden kann, von einem Beobachter gesagt wird. «

    Die Frage ist aber doch, _was_ über das Objekt gesagt werden kann. Wovon hängt das ab?

    Ein Beobachter, dem man einen Teil seiner Sinne geraubt hat, beobachtet anderes als der, der noch alle Sinne beisammen hat, oder dem ein anderer Sinn fehlt.

    Wenn wir nun alle Beobachter mit beschränkter sinnlicher Wahrnehmung zusammen nehmen und alle nicht gemachten Beobachtungen (alles nicht Erkannte) addieren, dann haben wir die Dinge so, wie sie einfach nur sind, ohne jegliche spezifische Beobachtung und ohne jede Beschreibung.

    Wem es an Phantasie mangelt, sich so etwas vorzustellen, oder wer sich keine Welt ohne Beobachter vorstellen kann, der möge an die Quantenwelt denken. Was wird denn da wirklich beobachtet? Und vor allem: Wie wird das Beobachtete beschrieben?

  937. @Balanus / 27.04.2021, 22:43 Uhr

    Lies doch noch einmal den zitierten Abschnitt zur “empirischen Realität”:

    Sieht man von dieser Beziehung [zum erkennenden Bewußtsein] ab, denkt man die Dinge als “Dinge an sich”, … [E]s ist nichts Reales, sobald wir “die Bedingung der Möglichkeit einer Erfahrung” weglassen und es als “etwas, was den Dingen an sich selbst zum Grunde liegt”, annehmen.

    Zu Beachten wäre noch, dass da stets die Rede ist vom transzendentalen Ding an sich, das strikt zu unterscheiden ist vom empirischen Ding an sich. Letzteres wäre mit wissenschaftl. Bezug in moderner Sprechweise etwa als modellhafte Vorstellung eines Objekts (oder Prozesses) im Rahmen einer Theorie zu verstehen. Womit der Bereich des Empirischen freilich nicht transzendiert wird.

    »Die Frage ist aber doch, _was_ über das Objekt gesagt werden kann. Wovon hängt das ab?«

    Dies im konkreten Einzelfall festzulegen, sowohl hinsischtlich der theoretischen wie auch der observationellen Aspekte, gehört zu den Aufgaben der empirischen Wissenschaft und nicht der Philosophie. Das hängt dann jedenfalls sehr von der Fragestellung ab, die untersucht werden soll.

    Und es kommt dabei eben nicht auf den individuellen Beobacher an, sondern auf die prinzipielle Besetzung der Rolle des Beobachters. Gewiss hat keiner von uns einen LHC im Hobbykeller, sodass wir in gewisser weise auch blind sind für das, was am CERN alles so beobachtet wird. Wir können das nicht nachprüfen, entscheidend ist aber der Anspruch, dass es prinzipiell mit vergleichbaren Beschleunigern nachprüfbar sein sollte, was am CERN beobachtet wurde.

  938. @reutlinger 27.04. 20:02

    „Die “Dinge an sich” sind, so wie eine bewusstseinsunabhängige Welt, eine Fiktion und Fiktionen sind Hirngespinste.“

    Was heißt hier Hirngespinste. Das kann man auch positiver sehen. Man guckt ja auch gerne Filme, oder geht in Kunstausstellungen. Aber die bewusstseinsunabhängige Welt muss doch existieren, auch wenn unsere Fiktionen diese noch nicht richtig erkannt haben. Und dass unsere Fiktionen noch nicht die „Dinge an sich“ erfasst haben, das heißt nicht, dass wir die „Dinge an sich“ in Zukunft nicht doch noch erkennen werden.

    „Über die elementaren Objekte aber fehlt uns Information.“

    Was sich doch ändern kann.

    @Balanus 27.04. 22:43

    „Aber zugleich ist der Mensch auch „Ding an sich“, wodurch er seine Freiheit gewinnt.“

    Das ist eine richtig gute Idee. Wir wissen zwar nur bedingt über „die Dinge an sich“ Bescheid, sind aber selber eins, und können deshalb eventuell mehr, als wir uns gemeinhin zutrauen.

    „oder wer sich keine Welt ohne Beobachter vorstellen kann, der möge an die Quantenwelt denken. Was wird denn da wirklich beobachtet?“

    Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat eine Beobachtung in der Quantenwelt auf den Gang der Dinge einen Einfluss. Das heißt aber doch nicht, dass die Quantenwelt ohne Beobachter nicht funktioniert. Offensichtlich sind die ganzen Quantenvorgänge in ihrer ganzen Tiefe ständig dabei, die gegenwärtige Wirklichkeit zu realisieren, und bilden eine „Welt an sich“, auch wenn wir (noch) nicht genau wissen, wie dass alles genau abläuft.

  939. @Chrys // 28.04.2021, 00:17 Uhr

    » Lies doch noch einmal den zitierten Abschnitt zur “empirischen Realität”:«

    Uups, den Querverweis dorthin hatte ich übersehen.

    Was dort zu lesen ist, widerspricht nicht meinen obigen Einlassungen, ganz im Gegenteil. Das empirische „Ding an sich“ gehört zur realen Außenwelt, während das transzendentale „Ding an sich“ zur Innenwelt gehört, in den Bereich der Metaphysik.

    Schade, dass mir das mit dem „empirische ‚Ding an sich‘“ nicht präsent war, da hätte ich gar nicht so viele Worte machen müssen zum „Sosein der Dinge“, also wie die Dinge „an sich sind“, und dass das rein gar nichts zu tun mit dem metaphysischen „Ding an sich“. Mir scheint, das „empirische ‚Ding an sich‘“ trifft die Sache ziemlich gut.

    Deine Feststellung oben, dass „wir von `Aussenwelt’ auf verschiedene und etwas verwirrende Weisen [reden]“, hat sich, was mich betrifft, nun geklärt: Timm Grams verortet allem Anschein nach das transzendentale „Ding an sich“ in der Außenwelt („Jenseits“) anstatt in der Innenwelt („Diesseits“). Das führt zu Widersprüchlichkeiten, wenn es um (evolutionäre) Organismus-Umwelt-Beziehungen geht. Was aber tatsächlich (real) zur Außenwelt gehört, ist das „empirische Ding an sich“.

    »Gewiss hat keiner von uns einen LHC im Hobbykeller, sodass wir in gewisser weise auch blind sind für das, was am CERN alles so beobachtet wird.«

    Was mir in diesem Zusammenhang wichtig erscheint, ist, dass der Mensch meint, auch dort etwas erkennen zu können, wo die evolvierten Sinne nicht hin reichen. Klappt ja auch ganz gut. Nur, das Erkannte dem breiten Publikum anschaulich vor Augen zu führen, das ist schon fast ein Ding der Unmöglichkeit. Woran das liegt, scheint klar: Unser ratiomorpher Erkenntnisapparat ist das Ergebnis eines evolutiven Geschehens und darum nicht perfekt, das schafft Möglichkeiten, setzt aber auch Grenzen. Insoweit scheint die EE mit ihren Aussagen völlig richtig zu liegen.

  940. @Balanus / 28.04.2021, 12:37 Uhr

    Nach meinem Verständnis bezeichnet Timm Grams mit `Jenseits’ das, was gleichsam jenseits der empirischen Phänomene verborgen sein soll, d.h. eine “objektive Wirklichkeit”, in welcher sich die als “aus sich selbst heraus existierend” postulierten “Dinge ans sich” tummeln. Womit nach naturalistischer Lesart u.a. erklärt sein soll, dass wir überhaupt Perzeptionen von Phänomenen haben.

    Von Vollmer habe ich jetzt keine Texte zur Hand und kenne seine Terminologie auch nicht; die kann ich nur aus den diversen hier angegebenen Zitaten partiell ersehen. Weicht Vollmer irgendwo signifikant ab vom hier schon wiederholt beschworenen Postulat 1.1 bei Mahner & Bunge (2000)? (Vgl. S. 5 im google Preview.)

    N,B. `Postulat’ ist da eigentlich schon ein Euphemismus. Man könnte es auch gleich `Dogma’ nennen. Denn es gilt im weiteren dann ja als unverhandelbare Voraussetzungsmetaphysik.

  941. @Jeckenburger
    Ich schrieb: „Über die elementaren Objekte aber fehlt uns Information.“

    Ihre Antwort: “Was sich doch ändern kann.”

    Vielleicht kann es sich ändern, wahrscheinlich aber nicht. Über Autos gibt es sehr viele Informationen, über Elektronen nur sehr wenige. Dabei wird es wahrscheinlich bleiben. Der Zustand eines Autos ist deutlich erkennbar, der Zustand eines Elektrons nur sehr ungenau. Das gilt auch für die Elektronen, aus denen das Auto besteht. Natürlich müssen wir nicht jedes Elektron im Auto kennen, um das Auto zu verstehen und es fahren zu können. Dazu genügt schon eine sehr rudimentäre Information über das Auto.

    Das bedeutet, wir haben über die Dinge dieser Welt einerseits sehr viel Information, andererseits aber auch sehr wenig. Wir brauchen nicht viel Information, im Verhältnis zur gesamten möglichen Information, um in dieser Welt leben zu können und diese Welt als Realität zu erkennen. Aber über die “Dinge an sich”, die Elektronen und die noch kleineren Dinge, wissen wir so gut wie nichts.

    Es gibt also gute Gründe für die Annahme, dass die “Dinge an sich” existieren, weil wir selber existieren und darüber nachdenken können. Aber wir wissen nichts darüber und wir können nichts darüber wissen, sie bleiben Hirngespinste. Natürlich kann die Wissenschaft die Grenzen des Wissens über die reale Welt weiter ausdehnen, noch mehr Information anhäufen, aber nicht die Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten. Ist das Auto nun Realität, oder welcher Art Realität, wenn wir wie gezeigt tatsächlich nur sehr wenig Information darüber haben?

  942. @Joker

    Ich: Kant hat im Übrigen nichts letztbegründet.
    Joker: Das spricht ja schon mal sehr für ihn.

    Wer das schreibt, sollte die Literatur kennen. Lassen wir Kant sprechen:

    “Ich behaupte nun, daß die Transscendentalphilosophie unter allem speculativen Erkenntniß dieses Eigenthümliche habe: daß gar keine Frage, welche einen der reinen Vernunft gegebenen Gegenstand betrifft, für eben dieselbe menschliche Vernunft unauflöslich sei, und daß kein Vorschützen einer unvermeidlichen Unwissenheit und unergründlichen Tiefe der Aufgabe von der Verbindlichkeit frei sprechen könne, sie gründlich und vollständig zu beantworten” (KrV, AA-III, S. 331)

    Und:
    https://feodor.de/node/20.html#fn:AA4-11
    https://feodor.de/node/20.html#fn:AA3-505

  943. @Chrys // 28.04.2021, 17:36 Uhr

    » Weicht Vollmer irgendwo signifikant ab vom hier schon wiederholt beschworenen Postulat 1.1 bei Mahner & Bunge (2000)? «

    Nein, zumindest nicht in dem mir vorliegenden Text („Neue Argumente…“). Die Existenz einer Welt und deren partielle Erkennbarkeit wird vorausgesetzt, und es wird zugestanden, dass es dafür keine zwingenden Argumente gibt.

    Allem Anschein nach kommen Timm Grams‘ Aussagen bei Dir etwas anders an als bei mir.

    Wenn er die Außenwelt und deren Ontologie dem metaphysischen Realismus zuordnet und die Welt unserer Erfahrungen dem internen Realismus, dann frage ich mich halt, in welcher Beziehung unsere Erfahrungen wohl zur einer Außenwelt stehen, die prinzipiell nicht erkannt werden kann—eben weil metaphysisch.

    Ich glaube, das ist mir alles zu kompliziert, ich bleibe lieber dem, was ich bei Eisler zu Kant gelesen habe, Danke für den Hinweis („empirisches Ding an sich“, muss ich mir unbedingt merken… ;- )

    Ach ja, Gerhard Roth, der mag es offenbar auch nicht kompliziert: Die Außenwelt ist real, die Innenwelt wirklich. Wobei die Wirklichkeit logischerweise eine Teilmenge der Realität ist.

    Die EE hält er im Grunde für gescheitert (oder zumindest für unbegründet), aber das scheint mir vor allem auf einem etwas merkwürdigen Evolutionsverständnis zu beruhen.

    Nachzulesen hier in einem Text von 2018:
    https://doi.org/10.1515/9783110563436-010

  944. Balanus 27.04.2021, 22:43 Uhr:
    “Zur realen Außenwelt hingegen gehören Kants „Erscheinungen“”

    Die kantsche “Außenwelt” ist aber hinsichtlich ihrer Geometrie ausschließlich vom Subjekt geformt und daher eine konstruierte Innenwelt. Wenn das Subjekt weg ist, ist auch das Universum weg. Real ist bei Kant nur das Erlebnis der vom Subjekt geformten Außenwelt. Weil Kant das alles als letztbegründet angesehen hat, konnte er dies als objektiv ansehen.

    Willkommen in der Matrix.

  945. @Feodor // 28.04.2021, 22:14 Uhr

    » Wenn das Subjekt weg ist, ist auch das Universum weg. «

    Das Universum des Subjekts, keien Frage.

    Bei Eisler lese ich unter „Außenwelt“ z. B. folgendes (meine Fettungen):

    Die Außenwelt ist die Erscheinung eines “Ding an sich”, und zwar ein für alle erkennenden Subjekte gleicher, gesetzlicher Zusammenhang von Raumdingen, der von den einzelnen erlebenden Subjekten als solchen unabhängig ist,
    […]
    Unbekannt ist mir der “transzendentale Gegenstand” (s. Objekt), das “Ding an sich” als unerkennbarer “Grund” unserer äußeren und inneren Wahrnehmungen, um den es sich hier aber nicht handelt, ibid. (I 746f.—Rc 456f.). Raum und Zeit sind nur Anschauungsformen, nicht Bestimmungen der Dinge an sich; insofern sind sie also “subjektiv”. In ihnen sind aber die Außendinge “wirklich” vorhanden (sie haben “empirische Realität”), sofern sie mit der Wahrnehmung nach empirischen Gesetzen zusammenhängen; sie sind dadurch scharf von Einbildung, Traum usw. unterschieden, können “durch keine Einbildungskraft gedichtet und hervorgebracht werden, […]

    Soweit ich sehe, lässt sich das alles ohne Schwierigkeiten mit der Idee der EE vereinbaren.

  946. @Balanus / 28.04.2021, 22:13 Uhr

    Zunächst vielen Dank für den Link zu Roths Artikel, den kannte ich nicht. (Da steht zwar Open Access, ich habe nur keinen Access Button gefunden und den Text via scholar.google jetzt noch andernorts auftreiben können.)

    »Wobei die Wirklichkeit logischerweise eine Teilmenge der Realität ist.«

    Noch ohne den neuen Text von Roth gelesen zu haben, war seine neuro-konstruktivistische These stets, dass die Wirklichkeit konstruiert wird (von seinem “realen” Gehirn), wobei die Realität für ihn ebenfalls völlig unerkennbar bleibt. Empirisch erforscht werden gemäss Roth eben auch nur Phänomene in der Wirklichkeit, wie etwa “wirkliche” Gehirne, die jedoch u.a. gar nicht denken können, denn Denkbefähigung gesteht Roth nur einem “realen” Gehirn zu. “Teilmenge” wäre aus Roths Sicht daher wohl eher eine unzutreffende Bezeichnung.

    Empirische Forschung kann nur einzelne Phänomene untersuchen und gegebenenfalls Einsichten in der Form wissenschaftl. akzeptabler Erklärungen dazu liefern, doch sie kann nicht auch noch die Frage beantworten: “Warum ist das nun so und nicht irgendwie anders? Was liegt den Phänomenen zugrunde?” Mit diesen “warum”- und “was”-Fragen handelst Du Dir unweigerlich das metaphysische “Jenseits der Phänomene” ein.

    So kompliziert und unübersichtlich ist die Situation mines Erachtens doch nicht. Versuche doch einfach mal als Gedankenexperiment, Dir so eine Simulacron-3 Welt vorzustellen mit Hinblick auf die Frage, wie deren Bewohner mit ihren Mitteln herausfinden könnten, was hinter den ihnen wahrnehmbaren Phänomenen verborgen ist und diesen zugrundeliegt. Was schlägst Du vor, sollten sie da tun?

  947. @reutlinger 28.04. 19:58

    „Aber über die “Dinge an sich”, die Elektronen und die noch kleineren Dinge, wissen wir so gut wie nichts.“

    So wenig ist das doch gar nicht. Das, was wir über Elektronen wissen, reicht doch schon für das Periodensystem der Elemente, deren Verhalten von den verschiedenen Elektronenschalen bestimmt werden. Man weiß hier schon genug, dass man die Faltung von komplexen Proteinen vorausberechnen kann. Das ist doch eine ganze Menge.

    „Natürlich kann die Wissenschaft die Grenzen des Wissens über die reale Welt weiter ausdehnen, noch mehr Information anhäufen, aber nicht die Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten.“

    Von Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten gehe ich jetzt auch aus. Wenn Geist im Leben z.B. im Bewusstsein mitspielt, kann ich dessen Wirken im Gehirn wohl noch beobachten, aber wie der dafür zu postulierende Kosmische Geist selber funktioniert, das wäre ganz klar jenseits aller Erkenntnismöglichkeiten.

    „Ist das Auto nun Realität, oder welcher Art Realität, wenn wir wie gezeigt tatsächlich nur sehr wenig Information darüber haben?“

    Ja nun, das Auto fährt, der Autoschrauber weiß, wie er es reparieren kann, und der Hersteller kann sie nicht nur bauen, sondern ist gerade dabei, die Antriebstechnik auf Elektromotor und Lithiumbatterie umzustellen. Nebenbei versucht man sich gerade daran, den Fahrer durch KI zu ersetzen, was neben dem Ausbau der Radwege dazu führen kann, dass man kein eigenes Auto mehr braucht, und die meisten Wege per Fahrrad oder Sammeltaxi zurücklegt.

    Ein wesentliches Merkmal der Privatautos ist, dass sie im Schnitt 23 Stunden am Tag als Statussymbol vor der Tür stehen und dabei wertvolle urbane Fläche verschwenden. Insofern sind Autos auch Bestandteil psychologischer Phänomene.

  948. @Chrys // 29.04.2021, 13:25 Uhr

    “Warum ist das nun so und nicht irgendwie anders? Was liegt den Phänomenen zugrunde?” Mit diesen “warum”- und “was”-Fragen handelst Du Dir unweigerlich das metaphysische “Jenseits der Phänomene” ein.

    Das entspricht ja nun so gar nicht meiner Erfahrung aus der lebenswissenschaftlichen Praxis.

    Schon die Sesamstraße-Kinder wussten:

    Der. die das
    Wer, wie, was
    Wieso, weshalb, warum?
    Wer nicht fragt bleibt dumm.

    Was den Phänomenen zugrunde liegt, sind einfach nur weitere, andere Phänomene, denen wiederum andere Phänomene zugrunde liegen, und so weiter und so fort, bis wir—gemäß der EE—die Grenze unserer Erkenntnismöglichkeiten erreicht haben.

  949. @Chrys // 29.04.2021, 13:25 Uhr

    » Empirisch erforscht werden gemäss Roth eben auch nur Phänomene in der Wirklichkeit, wie etwa “wirkliche” Gehirne, die jedoch u.a. gar nicht denken können, […]«

    Völlig richtig, und Roth ist sich auch im Klaren darüber dass er diesen erkenntnistheoretischen Zirkel nicht aufbrechen kann.

    Und da dies nun mal nicht zu ändern ist, orientiert er sich an dem, was ihm plausibel erscheint, und das ist, Überraschung, „dass es eine bewusstseinsunabhängige Realität gibt in der real existierende Tiere in real existierenden Umwelten überleben, und zwar mithilfe eines Verhaltens, das durch ihr reales Gehirn erzeugt wird.“

    Das ist philosophisch gesehen vielleicht nicht ganz befriedigend, aber man kann auch schlecht sagen, dass diese Annahme abwegig sei.

    Und eben deshalb klappt das auch mit der Wirklichkeit als Teilmenge der Realität.

  950. @ Chrys 29.04.2021, 13:25 Uhr

    Die „Simulacron-3 Welt“ ereignet sich eigentlich gut, um im „Gedankenexperiment“ uralte philosophische Fragen „modern“ zu diskutieren.

    Vermutlich wäre es zweckmäßig, den Menschen (oder eine vergleichbare Maschine) mit der gesamten Sensorik (Haut, Augen, Ohren…), als eindeutige „Schnittstelle“ zwischen „Diesseits“ im Menschen und „Jenseits“ (außerhalb des Menschen (oder einer „Maschine“)) zu sehen. Es wäre eine durchaus gewöhnungsbedürftige Sichtweise.

    Es scheint zweckmäßig, im Zusammenhang mit der „Simulacron-3 Welt“ den Begriff „Abbildung“ im Sinne der Mathematik einzuführen, der als eine Funktion oder Abbildung eine Beziehung zwischen zwei Mengen, die jedem Element der einen Menge ein Element der anderen Menge zuordnet.

    Das könnten 2 „parallele“ Welten als physikalisches 1:1 Modell sein, oder Teile „physikalischer Nachbildungen“, wenn man z.B. einen „Wasserspeicher“ mit einem „Elektronenspeicher“ (Kondensator) „nachbildet“.

    Aber es können auch rein abstrakte „mathematische Abbildungen“ sein, die z.B. in elektronischen (technischen oder neuronalen) Systemen „verarbeitet“ werden können. In neuronalen Systemen können vermutlich sogar Empfindungsphänomene „realisiert“ werden. Möglicherweise sind, so wie in der Chemie, Vorgänge in den Elektronenschalen ursächlich, die sozusagen von der Umwelt (Panpsychismus) über „Lichtstrahlen als Trägersystem“ zum Auge übertragen werden.

    Das besondere an Simulationen ist heutzutage, dass eine mathematische Formulierung und Berechnung „mathematisch abgebildeter Realitäten“ wegen der schnellen elektronischen Computer, wesentlich schneller und Ressourcen sparender erfolgen kann, als die Prozesse in der Natur direkt ablaufen würden.

    Wegen der neuronalen Systeme sind auch Menschen oder Tiere zur Simulation von Prozessen befähigt, einerseits zur Flucht vorm Säbelzahntiger und hoffentlich auch zur Flucht vor der kollektiven Intelligenz des Corona Virus…

  951. @Balanus / 29.04.2021, 17:51 Uhr

    Warum gibt es elektrische Ladung? Was zum Kuckuck ist elektrische Ladung überhaupt?

    Da bist Du doch ganz schnell am Ende der Fahnenstange. Auch die Sesamstrasse hilft Dir da nicht nennenswert weiter. Warum man besser nicht auf eine blanke Starkstromleitung pinkeln sollte, lässt sich, wie ich zugebe, auch lebensweltlich beantworten.

    Einem Biologen mag es ja Gewohnheit sein, gewisse Phänomene “nach unten” an die Chemie oder Physik zu delegieren. Sollen die das doch klären — wozu haben sie studiert? Die Physiker können das nicht delegieren, die sitzen ganz unten im Keller, wo es nicht mehr weiter runter geht.

  952. @Chrys 29.04. 21:18

    „Warum gibt es elektrische Ladung? Was zum Kuckuck ist elektrische Ladung überhaupt?“

    Wenn man mit dem Warum nicht weiter kommt, kann man es mit dem Wofür probieren. Dann wäre die Antwort klar: damit es Elektronenschalen um Atomkerne gibt, die dann die ganze Mannigfaltigkeit des chemischen Universums bilden können.

    „Die Physiker können das nicht delegieren, die sitzen ganz unten im Keller, wo es nicht mehr weiter runter geht.“

    Dann eben wieder nach ganz oben deligieren, versuchsweise bei den Theologen. Wenn das nicht reicht, dann in den Sphären von esoterisch beeinflusster Psychologie mal gucken?

    Das Ende der Erkenntnis kann man aber auch akzeptieren, zumindest wenn man mit dem Ergebnis irgendwie leben kann. Hat man eigene spirituelle Erfahrungen, dann hat man aber einen gewissen erweiterten Erklärungsbedarf. Und dazu passend eventuell aber auch Ideen von Geist im Leben, und die Wofür-Frage als erweitertes Instrument, was die Erkenntnisgrenzen ein gutes Stück verschieben kann.

    Aber auch nur ein Stück weit, die letzten Erkenntnisgrenzen sind dann vermutlich auch nicht mehr so viel weiter weg. Das endet dann nach einigen durchaus interessanten Aspekten spätestens mit „Die Wege des Herrn sind unergründlich“.

    Aber wir müssen auch nicht alles wissen. Auf unserem Planeten ist es allemal schon interessant genug, und der ganze Kosmos wartet vielleicht auf uns.

  953. @Chrys

    Die Physiker können das nicht delegieren, die sitzen ganz unten im Keller, wo es nicht mehr weiter runter geht.

    Doch, doch, die können das delegieren und machen das auch, nämlich an die Metaphysiker. Siehe da, es geht also noch tiefer und hier, knapp über der Hölle, haben wir uns ja auch alle getroffen.

  954. Chrys
    29.04.2021, 21:18 Uhr
    Was zum Kuckuck ist elektrische Ladung überhaupt?

    In dem Zusammenhang möchte ich einfach darauf hinweisen, dass es bei den Quarks jeweils ± ¹/₃- und ± ²/₃-Ladungen gibt. Die Quarks seien nicht aus noch kleineren Teilchen zusammengesetzt, soweit ich weiß. Was ist denn nun eine “Elementarladung” ( die vom Elektron ist es ja nun nicht, weil sie aus der von 3 Quarks zusammengesetzt ist )? Wenn die ²/₃-Ladungen der Quarks elementar und nicht zusammengesetzt sind und unter der Annahme, dass es kleiner als ¹/₃ nichts an Ladung gibt, hätten wir ja glatt 4 elementare Ladungen – und also ± 4 Fragen …

  955. Zitat Chrys: „Warum gibt es elektrische Ladung? Was zum Kuckuck ist elektrische Ladung überhaupt?

    Da bist Du doch ganz schnell am Ende der Fahnenstange.

    Einem Biologen mag es ja Gewohnheit sein, gewisse Phänomene “nach unten” an die Chemie oder Physik zu delegieren. Sollen die das doch klären — wozu haben sie studiert? Die Physiker können das nicht delegieren, die sitzen ganz unten im Keller, wo es nicht mehr weiter runter geht.“

    Auch die Elektroniker „bestellen“ immer wieder und auch sehr erfolgreich „neues Wissen“ bei den Physikern/Chemikern. Ein kleines Stück „weiter nach unten“ geht es immer wieder, nur wird es halt teuer.

    Um meine Neugier zu befriedigen, würde es mir z.B. reichen, könnte man möglichst genaue und noch bessere Korrelationen zwischen ganz bestimmten molekular/elektrisch/chemischen Prozessen im Gehirn und dem Auftreten von Empfindungen an bestimmten Stellen des neuronalen Systems finden.

    Es ist zwar fraglich ob es „positiv“ für die Gesellschaft wäre, könnte man noch gezielter (und womöglich noch schlimmer, z.B. mit Drogen) als bisher, Einfluss auf das „Bewusstsein“ nehmen.

    Andererseits schiene das positive „weg machen“ von z.B. extremen Schmerzen/Depressionen und ein „gemäßigtes“ „high machen“ erstrebenswert. Allerdings wäre dies auch sehr gefährlich, weil sich die Gesellschaft damit selbst ruinieren könnte.

    Vielleicht ist es positiv dass wir die genauen Funktionen des Bewusstseins nicht kennen.

  956. Balanus 29.04.2021, 10:49 Uhr:

    sich auf das veraltete Eisler-Lexikon zu verlassen, scheint mir nicht hinreichend zu sein. Es gibt umfangreiche neuere Fachliteratur.

    Egal ob Zwei-Welten/Reiche-Auffassungen oder methodologische bzw. ontologische Zwei-Aspekte-Interpretationen in Stellung gebracht werden, die kantsche Außenwelt bleibt absolut okkult. Damit ist bereits die Möglichkeit eines Gesprächs zweier Menschen über diese okkulte Entität hinweg absolut unerklärbar. Neben vielem anderen mehr ergibt auch die Augenevolution in diesem Kontext keinen Sinn.

    Das Konzept der okkulten Außenwelt ist auch nicht kritisierbar, es ist mit Beliebigem vereinbar. Die Matrix hat darin auch ihren Platz.

    Folge dem weißen Kaninchen…

  957. @Chrys // 29.04.2021, 21:18 Uhr

    » Einem Biologen mag es ja Gewohnheit sein, gewisse Phänomene “nach unten” an die Chemie oder Physik zu delegieren. «

    Was die angesprochene Hierarchie innerhalb der Naturwissenschaften angeht, da wäre ich geneigt, Dir zuzustimmen.

    Aber neben den Fragen, die für Physiker das „Ende der Fahnenstange“ markieren, gibt es entlang der Fahnenstange immer noch unzählige andere.

    The goal of physics is to understand how things work from first principles.

    (Stanford Physics Department)

  958. @Feodor // 30.04.2021, 11:43 Uhr

    » …die kantsche Außenwelt bleibt absolut okkult.«

    Deshalb habe ich mich auf Eisler bezogen. Es geht mir nicht darum, Kant korrekt zu interpretieren, sondern um Aussagen, die mir schlüssig und plausibel erscheinen. Von wem auch immer.

    Das empirische „Ding an sich“ erscheint mir übrigens kein bisschen okkult, dieses Konstrukt harmoniert aus meiner Sicht einwandfrei mit naturwissenschaftlichen Vorstellungen.

  959. @Wolfgang Stegemann // 30.04.2021, 09:47 Uhr

    Wie der Zufall es so will, ich hab die Sendung gestern Abend gesehen.

    An dem, was die drei Gäste sagten, gab es nach meinem Verständnis nichts auszusetzen. Aber ansonsten waren viele Aussagen (in den Einspielern und gelegentlich auch in der Moderation) ziemlich grenzwertig. Aber wenigstens hat keiner die Epigenetik als wichtigen Evolutionsmechanismus hochstilisiert.

  960. @Balanus: Jedenfalls dürfte jedem klar geworden sein, dass es epigenetische Vererbung gibt und wie diese über Spermien an Nachkommen weitergegeben wird. Ich denke, eines Tages wird man vom darwinistischen Zufall abrücken. Was m.E. für die Epigenetik als treibende Evolutionskraft spricht, ist, dass die Selektion nicht das (egoistische) Gen betrifft, sondern das Individuum. Außerdem sind bei Änderungen immer hunderte von Genen betroffen, was den Zufall der Mutation eines einzelnen Gens weitgehend ausschließt. Und: genetische Änderungen im Hinblick auf die Entstehung neuer oder Änderung von Arten betrifft die Population und nicht das einzelne Individuum. Es ist also durchaus möglich, dass steter epigenetischer Tropfen den evolutiven Stein höhlt. Jedenfalls ist diese Vorstellung genauso seriös wie der Zufall, denn der ist nur ein Denkmodell, das durch nichts bewiesen ist.

  961. @Wolfgang Stegemann

    Ich hoffe doch sehr, dass den allermeisten klar geworden ist, dass es sich bei der sogenannten „epigenetische Vererbung“ im Wesentlichen um transgenerationale epigenetische Markierungen handelt.

    »Was m.E. für die Epigenetik als treibende Evolutionskraft spricht, ist, dass die Selektion nicht das (egoistische) Gen betrifft, sondern das Individuum.«

    „Selektion“ bedeutet nur, dass von den zahlreichen, genetisch verschiedenen Nachkommen nur ganz wenige überleben und ihrerseits (genetisch verschiedene) Nachkommen produzieren (können). Das führt mit der Zeit zu Veränderungen in den Gen- oder Allel-Frequenzen in der Population—was üblicherweise als Evolution bezeichnet wird.

    Die genetische Information (die DNA-Sequenz) ist das einzige, was die Zeiten überdauern kann. Epigenetische Vorgänge basieren (letztlich) auf der genetischen Information. Oder andersherum zugespitzt: Gene determinieren die Epigenetik.

    So sehe ich das ;- )

  962. @Stegemann
    Die heutige Evolutionstheorie ist über Darwin weit hinaus, als Erweiterte Synthetische Theorie. Durch die Integration der Embryogenese in die Evolutionsbiologie ist sie sehr viel komplexer geworden. Man kennt verschiedene Formen von Mutationen und Variationen, unter anderem durch Genregulation und Epigenetik. Viele varianten Entwicklungsschritte gehorchen genregulatorischen oder nichtzufälligen, systemisch prozesshaften Mechanismen, ohne Notwendigkeit von Genmutationen.

    Der Zufall spielt aber weiterhin eine große Rolle und ist durch die Genetik mit den zufälligen Punktmutationen und anderen Zufallsereignissen wie Rekombination unzweifelhaft bewiesen. Viele Mutationen bleiben ohne phänotypische Wirkung, weil sie nichtkodierende Bereiche oder heterozygot rezessive Allele betreffen. Bei homozygot rezessiven Allelen entscheidet der Zufall über die phänotypische Wirkung.

  963. @Balanus :

    “Epigenetische Vorgänge basieren (letztlich) auf der genetischen Information. Oder andersherum zugespitzt: Gene determinieren die Epigenetik.”

    Ich denke, Sie verwechseln das, schauen Sie den Film nochmal oder hier: https://m.simplyscience.ch/teens-liesnach-archiv/articles/epigenetik-es-steht-doch-nicht-alles-in-den-genen.html

    @Reutlinger:

    “Man kennt verschiedene Formen von Mutationen und Variationen, unter anderem durch Genregulation und Epigenetik.”

    ???

  964. @Stegemann
    Die Evolutionstheorie ist zu komplex geworden, um sie hier abhandeln zu können. Ein Beispiel für genetische Variation ist die Integration von Viren-DNA bzw. Fremd-DNA in die eigene DNA. Das ist ein bedeutender Motor der Evolution. Übrigens, epigenetische Merkmale werden nach meiner Kenntnis nur über zwei oder drei Generationen vererbt, oder gar nicht. Jedenfalls kann die DNA-Methylierung durch Demethylierung wieder rückgängig gemacht werden. Manchmal verursacht sie selber eine Genmutation durch Basentausch.

  965. @Reutlinger:

    “Übrigens, epigenetische Merkmale werden nach meiner Kenntnis nur über zwei oder drei Generationen vererbt, oder gar nicht.”

    Sie werden über viele Generationen vererbt, abhängig von der Spezies. Beim Menschen ist das schwer zu überprüfen. Da es in der Evolution um Populationen geht, nicht um einzelne Individuen, sowie um lange Zeiträume, ist es vorstellbar, dass stetige epigenetische Einwirkungen das Genom ändern, wie auch immer dieser Mechanismus konkret aussehen mag. Das mit dem steten Tropfen ist möglicherweise gar nicht abwegig.

  966. @Reutlinger:

    “Ein Beispiel für genetische Variation ist die Integration von Viren-DNA bzw. Fremd-DNA in die eigene DNA”

    Ein Paradebeispiel für Epigenetik 😊

  967. @Stegemann
    Epigenetische Mechanismen wie die DNA-Methylierung bewirken eine reversible Modifikation des Genoms im Hinblick auf die Genregulation, keine strukturelle und vererbbare Veränderung. Eine Genverdoppelung oder Integration von Fremd-DNA in die eigene DNA wird nicht zur Epigenetik gehörig verstanden. Eine Vererbung epigenetischer Markierungen ist möglich, aber nicht zwingend.

  968. @Wolfgang Stegemann

    » Ich denke, Sie verwechseln das, schauen Sie den Film nochmal…«

    Nein, da verwechsle ich nichts, und im Film ist einiges neben der Spur (nicht bei den Gästen, wie gesagt, die sind vom Fach, sondern bei den Medienmachern).

    Wie auch im verlinkten Aufsatz ausgeführt, geht es bei der Epigenetik um Genregulation. Darüber weiß man schon ziemlich lange ganz gut Bescheid.

    Relativ neu ist, was alles bei der Genregulation eine Rolle spielen kann. Für das richtige Verständnis scheint mir entscheidend wichtig zu sein, dass man sich klarmacht, dass sämtliche Eiweiße, also auch die genregulatorischen Faktoren, auf Basensequenzen der DNA beruhen. Die Umwelt kann also nur über Faktoren, die die Zelle via DNA zuvor bereitgestellt hat, „wirksam“ werden.

    Kurzum, wir haben es hier mit hochkomplexen Regelkreisen zu tun, in deren Zentrum stets die DNA-Sequenzen stehen.

    Ich habe hin und wieder den Eindruck, dass manch einer die Umwelt als eine Art „Akteur“ sieht („nimmt Einfluss“, „prägt“, „formt“, usw.). Die Sprache führt da m. E. in die Irre. Denn alle Macht geht vom Organismus aus. Der nimmt sich aus der Umwelt, was er zum Leben braucht.

    Was anderes sind physikalische Ereignisse wie Strahlung oder bestimmte chemische Substanzen. Die können schädigen und/oder zu Mutationen führen (sind auch meist schädlich).

  969. @Balanus:

    “Die Umwelt kann also nur über Faktoren, die die Zelle via DNA zuvor bereitgestellt hat, „wirksam“ werden.”

    Mein Reden. Die Umwelt wird wirksam. Meine darüberhinausgehende Vorstellung für die Evolution [ob das nun für die Menschheit besonders wichtig ist, weiß ich nicht] ist die, dass genetische Veränderungen eben nicht per Zufall entstehen, sondern über einen relativ langen Zeitraum hinweg durch epigenetische “Stimulierung” von außen (s.o.)
    Aber egal, ich würde das gerne nur konstruktiv diskutieren wollen, ohne mich ständig wehren zu müssen. Muss aber auch nicht sein.

  970. @Stegemann
    Aber egal, ich würde das gerne nur konstruktiv diskutieren wollen, ohne mich ständig wehren zu müssen.

    Wenn man unrichtige Behauptungen aufstellt, darf man sich über konstruktiven Widerspruch nicht wundern. Epigenetische Vererbung ist ein Ausnahmefall, sie wirkt nicht auf die Keimbahn. Andererseits ist die epigenetische Genregulation für Einflüsse aus der Umwelt offen, wobei alles außerhalb des Organismus Umwelt ist, auch während der Embryogenese. So können epigenetische Mechanismen auch für die Psyche eine Rolle spielen.

  971. Mir geht es nicht um recht oder nicht recht. Meine Hypothese lautet: Evolution wird angetrieben durch
    a. die Grundlagen von Selbstorganisation, deren Kern ich im Wachstum sehe (Balanus: “Der Organismus nimmt sich, was er zum Leben braucht”)
    b. den äußeren Einfluss auf das ‘Wachstums’.
    Ich denke, man muss das Genom genauso als Emergenz sehen, wie das Bewusstsein. Letztlich ist alles Biologie und ‘funktioniert’ nach denselben Prinzipien, ob proteinbasiert oder elektrochemisch: ein lebendes System koevolviert mit seiner Umwelt und tauscht was auch immer aus. Je nach Entwicklung- bzw. Differenzierungsstufe ändert sich die Modalität.
    Man wird sehen.

  972. @Reutlinger:

    “Wenn man unrichtige Behauptungen aufstellt…”

    Hauptsache, Sie wissen, was richtig ist. Ich habe das Gefühl, dass es Ihnen nur ums Rechthaben geht. Kaum schreibt jemand was, hecheln Sie die Wikipedia durch, um Gegenargumente zu finden. Wenns Ihrem Ego hilft, solls mir recht sein. Ich habe dazu aber keine Lust. Seis drum.

  973. @anton reutlinger / 30.04.2021, 19:28 Uhr

    » Alle haben ein bisschen recht, aber auch ein bisschen unrecht! «

    Ein Beispiel für ein bisschen unrecht aus der Lehrerhandreichung:

    »Somit erhält die in Verruf geratene Evolutionstheorie von Lamarck eine neue Bedeutung, was weitreichende Konsequenzen auf unseren Lebensstil hat.«

  974. Vor zehn Jahren gab’s einen Hype um die Epigenetik und die Frage Ist die Vererbung erworbener Eigenschaften möglich? Die Jubelmeldungen ergaben bei näherer Betrachtung eine negative Antwort. Vermutlich hat sich das bis heute nicht geändert, wie dem aktuellen Artikel “Evolutionstheorie auf dem Prüfstand” zu entnehmen ist (SdW, 5/2021, S. 18):

    Langfristige Wirkungen sind [mit epigenetischen Veränderungen] nicht möglich[…] Evolution [ist] nur mittels kombinierter Selektion und stabiler Vererbung über lange Zeiträume hinweg erklärbar.

  975. @Grams: Da sind Sie nicht auf dem neuesten Stand. Vielleicht googeln Sie mal.

  976. @Wolfgang Stegemann 30.04.2021, 21:50 Uhr

    Sagen Sie konkret, wo ich in meinem Hoppla!-Artikel falsch liege und auch, wo Diethard Trautz, Direktor des MPI Evolutionsbiologie irrt. Von ihm ist der Artikel im Spektrum der Wissenschaft (SdW). Mich allgemein auf Google zu verweisen, halte ich für unangemessen.

  977. @Grams: offenbar zweifeln Sie an epigenetischer Vererbung. Ich habe wenig Lust, dagegen anzuargumentieren. Daher Google. Ihr Beitrag ist über 10 Jahre alt!

    Zur Evolution: Sie meinen, ein Wissenschaftler vertritt die wahre Wissenschaft, weil er vom MPI ist? Auch hier gibt es gegenteilige Auffassungen: z.B. Eva Jablonka, Marion Lamb: „Evolution in Four Dimensions.Genetic, Epigenetic, Behavioral, and Symbolic Variation in the History of Life”, MIT Press, Cambridge 2005.

  978. @Wolfgang Stegemann 30.04.2021, 23:36 Uhr

    Hätten Sie auch nur einen flüchtigen Blick auf die von mir genannten Artikel geworfen, wären Sie nicht darauf gekommen, dass ich an epigenetischer Vererbung zweifeln könnte. Ich habe wenig Lust, gegen vorschnell gefasste Urteile anzuargumentieren. 

  979. @Grams:

    Aus Ihrem zitierten Beitrag: “Wenn da etwas dran ist, dann ist das tatsächlich spektakulär, ein wahrer Knaller. Denn es ist seit über einhundert Jahren eingebrannte Erkenntnis der Biologen: „Da die Nachkommen aus den Keimzellen hervorgehen, haben Veränderungen in den somatischen, den Körperzellen des Tieres keinen Einfluss auf das Erbgut der Nachkommen. Genveränderungen, Mutationen, werden nur dann vererbt, wenn sie in den Keimbahnen auftreten. Es gibt also keine Vererbung von erworbenen Eigenschaften.“ (Christiane Nüsslein-Volhard in „Das Werden des Lebens“, S. 38)”

    Und:

    “Fazit
    Erlerntes mag zuweilen erblich sein. Die hier zitierten Artikel zeigen das jedoch nicht. Vom spektakulären Aufmacher bleibt bei skeptischer Betrachtung nichts übrig.”

    Welchen Schluss zieht man daraus?

  980. Wie ich gestern schon geschrieben habe: die Evolutionstheorie ist viel komplexer geworden. Es gibt nicht mehr nur den reinen Darwinismus mit Mutation und Selektion. Deshalb bevorzuge ich schon lange den Begriff “Variation” statt “Mutation”. Es bringt aber nichts, nur vage und unbegründete Behauptungen aufzustellen. Man muss ein Stück in die Details gehen und konkrete Aussagen machen. Die epigenetische Vererbung ist nicht mit der genetischen Vererbung vergleichbar. Epigenetische Markierungen gehen in der Keimbahn vollständig verloren, außer der geschlechtsspezifischen genetischen Prägung.

    Selbstverständlich spielt die Umwelt eine große Rolle, sowohl für die embryonale Entwicklung als auch für das Überleben und die Fortpflanzung. Die Nahrung ist von größter Bedeutung, z.B. für die epigenetische DNA-Methylierung. Die Umwelteinflüsse sind hochgradig zufällig, man kann den Zufall für die Evolution nicht einfach ignorieren oder leugnen, außer aus ideologischen Gründen.

    Aber nicht alles ist zufällig, es gibt systemische Zwänge in der Evolution, insbesondere als Folge der Genregulation durch HOX-Gene und Homöoboxen. Der Organismus ist hochkomplex, es gibt viele funktionale Abhängigkeiten und Korrelationen. Das Stichwort dafür ist “Kanalisierung”, d.h. eine anatomische oder physiologische Änderung zieht bestimmte andere Änderungen notwendig nach sich. Man denke an die faszinierende Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling.

    Ich halte mich an die anerkannten Aussagen der etablierten Wissenschaft, d.h. der Erweiterten Synthetischen Evolutionstheorie, soweit sie mir bekannt sind. Missverständnisse sind nicht ausgeschlossen, aber ich stelle keine eigenen Theorien auf. Selbstverständlich gibt es auch unter den Evolutionsbiologen unterschiedliche Ansichten, meistens über Detailfragen, oder über neue Entdeckungen.

  981. @Stegemann 30.04. 20:08

    „Ich denke, man muss das Genom genauso als Emergenz sehen, wie das Bewusstsein. Letztlich ist alles Biologie und ‘funktioniert’ nach denselben Prinzipien, ob proteinbasiert oder elektrochemisch: ein lebendes System koevolviert mit seiner Umwelt und tauscht was auch immer aus.“

    Die Ähnlichkeit der Regulation der Zellchemie mit dem bewusstseinsproduzierendem Gehirn ist wohl da.

    Die kleine Zellen erschienen mir schon immer als selbstständige kleine Organismen. Sie haben grundsätzlich ein Eigenleben, eine regulierte eigene Funktionalität, auch wenn sie ganz spezielle Aufgaben innerhalb eines Organismus haben. Die einzelne Zelle bleibt auch bei Mehrzellern ein eigener Mikrokosmos.

    Ich bin mir nicht sicher, ob die Regulation der Zellchemie ohne geistige Unterstützung auskommt, so ähnlich wie ich mir diese für das Bewusstsein vorstelle. Entscheidend hierfür wäre, ob die reine Funktionalität zwischen Genom, Genregulation und Zellstoffwechsel überhaupt hinreichend stabil sein kann, und keine geistige Anstöße braucht, für sich selbst nicht, und auch nicht in Richtung Gesundheit des ganzen Organismus.

    Auch das wird man sehen, wenn man hier weiterforscht.

  982. @Jeckenburger
    Erst sollte man versuchen, die biologische Natur eigengeistig zu verstehen, bevor man nach geistiger Unterstützung ruft, die nur Verwirrung stiften würde. Von geistiger Unterstützung habe ich noch nichts bemerkt, obwohl ich sie dringend gebrauchen könnte.

  983. @reutlinger 01.05. 16:18

    „..bevor man nach geistiger Unterstützung ruft, die nur Verwirrung stiften würde.“

    Eine Unterstützung, die Verwirrung stiftet wäre auch keine. Was uns nicht weiterhilft, brauchen wir nicht.

    „Von geistiger Unterstützung habe ich noch nichts bemerkt, obwohl ich sie dringend gebrauchen könnte.“

    Das kann Ihnen trotzdem schon mal geholfen haben, einer gute Idee an der richtige Stelle muss man ja ihre Übernatur nicht ansehen. Soweit geistige Unterstützung als solche erkennbar und damit zur spirituellen Erfahrung wird, haben Sie ja dieses offensichtlich noch nicht erlebt.

    Von daher mögen sie berechtigt davon ausgehen, dass es diese Übernatur nicht gibt. Aber nicht nur in diesem Fall kann man schlecht von sich auf andere schließen.

    Ganz nebenbei gehe ich davon aus, dass die grundsätzliche Funktionalität unseres Bewusstseins eine geistige Seite haben könnte, dass der Innenraum, der sich mit unserem Bewusstsein öffnet, eben ein Geistiger ist. Das würde man wohl meistens so nicht unbedingt merken, weil unser Gehirn als materielle Seite des Bewusstseins eher dominiert, wäre aber mit simulierten Konnektomen wohl zu überprüfen. Das dauert noch, bis wir menschliche Konnektome haben, aber wenn dieses Prinzip, das unsere Innenwelten öffnet, schon bei Mäusen, oder noch einfacher bei Insekten vorkommen würde, wäre das wohl bald möglich, sowas genauer auszutesten.

  984. @Jeckenburger
    Wenn die “Übernatur” wahrnehmbar wäre, dann wäre sie Teil der gewöhnlichen Natur, so wie auch Halluzinationen oder ekstatische Erfahrungen. Wenn sie nicht irgendwie wahrnehmbar ist, dann hat sie keinerlei effektive Bedeutung. Nur als Fiktion, Placebo oder Einbildung könnte sie individuell und willkürlich eine spezifische Bedeutung erlangen.

    Das Konnektom zu simulieren würde bezüglich einer Übernatur keine Erkenntnis bringen, es wäre ein Widerspruch. Solche vagen Spekulationen sind völlig nutzlos, weil sie nicht überprüfbar wären. Aufgrund der Komplexität könnte man immer nur kleine Ausschnitte simulieren. Im Human Brain Project wird versucht, das Gehirn zu kartieren. Man wird sehen, was daraus wird.

  985. @reutlinger 02.05. 09:53

    „Aufgrund der Komplexität könnte man immer nur kleine Ausschnitte simulieren. Im Human Brain Project wird versucht, das Gehirn zu kartieren. Man wird sehen, was daraus wird.“

    Das menschliche Konnektom ist sicher auf Jahrzehnte noch zu komplex, um es am Stück zu simulieren. Aber das müsste es wohl, wenn man bei der Simulation den Test machen will, ob die Umschaltung von Pseudozufallszahlen auf echte Zufallszahlen aus dem Quantenrauschen einen Unterschied macht.

    Deshalb mein Verweis, dass eventuell schon Insekten ein Minibewusstsein haben, das entsprechend geistig unterstützt wird. Davon ein komplettes Konnektom am Stück zu erstellen, könnte in näherer Zukunft möglich werden.

  986. @Jeckenburger
    Sie haben sehr seltsame Vorstellungen. Das Quantenrauschen scheint Ihr Liebling zu sein. Aber bei einer Körpertemperatur von 37°C ist das thermische Rauschen im Kopf so stark, dass das Quantenrauschen keine Chance hat, sich bemerkbar zu machen. Zudem gehorcht es physikalischen und statistischen Gesetzmäßigkeiten, ist also keineswegs vollständig zufällig. Auch ist völlig unklar, wie der Zufall einen Geist im Bewusstsein deutlich machen könnte.

    Dass auch Tiere, insbesondere die Hominiden sowie die Elefanten, ein Teilbewusstsein haben können, daran dürften keine Zweifel bestehen. Bei niederen Tieren könnte es ein nur scheinbares Bewusstsein geben. Es gibt sicher eine Schwelle der Komplexität, unterhalb derer ein echtes Bewusstsein nicht möglich ist, denn es braucht hohe Redundanz und viele Rückkopplungen.

  987. @reutlinger 03.05. 18:13

    „Bei niederen Tieren könnte es ein nur scheinbares Bewusstsein geben.“

    Ich weiß es nicht, halte aber eine innere Erlebniswelt, die auf einer Rekonstruktion der Außenwelt beruht, auf jeden Fall auch für Mäuse für wahrscheinlich, und vielleicht sogar für Insekten.

    Bewusstsein im Sinne von Selbstbewusstsein trifft dann eher nur auf Elefanten, Affen und Rabenvögel zu.

    Wobei ich die innere Erlebniswelt als Qualität sehe, nicht nur als Funktion im Sinne der Steuerung des Verhaltens. Man mag auch keine Insekten unnütz quälen, weil die eben mutmaßlich Schmerz empfinden, und das ist glaube ich mehr als eine irrelevante Vermenschlichung.

  988. @anton reutlinger

    Zudem gehorcht es physikalischen und statistischen Gesetzmäßigkeiten, ist also keineswegs vollständig zufällig.

    Sollen wir daraus schließen, etwas kann nur dann vollständig zufällig sein, wenn es keinen statistischen Gesetzmäßigkeiten “gehorcht”, wenn es also anarchisch ist?

    Nur, etwas absolut Anarchisches, wäre das nicht auch schon wieder ‘gehorchend’?

  989. @Joker
    Zufall ist immer relativ, den absoluten Zufall gibt es nicht. Wir bewegen uns immer im Rahmen dieser Welt, im Rahmen des Menschseins und im Rahmen des Lebens. Was der Zufall des Quantenrauschens mit einem übernatürlichen oder außerweltlichen und außermenschlichen Geist zu tun haben soll, ist äußerst obskur. Aber die Gedanken sind frei – und oftmals zufällig.

  990. @Jeckenburger
    Objektive Voraussetzung eines Bewusstseins ist eine sehr umfangreiche, interozeptive Wahrnehmung, d.h. die Wahrnehmung der eigenen Körperzustände wie Wärme und Kälte, Tastsinn, Muskelaktivitäten, Gefühlszustände wie Hunger oder Erregung und andere Sensoren. Außerdem braucht es ein sehr leistungsfähiges Gedächtnis.

    Wenn künstliche Menschen diese Voraussetzungen erfüllen, werden sie von natürlichen Menschen kaum noch zu unterscheiden sein.

  991. @reutlinger 04.05. 10:53

    Ein Insekt hat sicher kein Selbstbewusstsein, keine Theory of Mind, die bei höheren Tieren als Voraussetzung für soziale Intelligenz gilt.

    Aber auch bei Insekten sind der Input durch Augen und Fühler sowie des Zustandes der Gliedmaßen und der aktuellen Verdauung wohl doch zentral irgendwie mit einander verknüpft, was dann in einer inneren Erlebniswelt praktischer Weise repräsentiert wäre. Daraus ergäbe sich dann eine Art Reaktionsprozess, der mit der Ansteuerung der Muskeln endet und zum Verhalten des Organismus führt.

    Wenn unserer innerer Erlebnisraum geistige Anteile hat, wird man das eventuell auch bei Insekten beobachten können. Wenn man also dabei ist Konnektome von Insekten am Stück zu simulieren, dann kann man den Test mit den verschiedenen Arten von Zufallszahlen ja machen.

  992. @Stegemann 05.05. 11:43

    Danke für den Link https://www.youtube.com/watch?v=-EVBTAXhNTg

    Genau so was meine ich. Man muss dem Geist wohl Angebote machen, die er nicht ablehnen kann. Einfach nur Testen kann schwieriger sein, wir haben es mit einem intelligenten Effekt zu tun.

    Die vielen armen Küken tun mir schon leid, offenbar dem armen Roboter auch, bzw. den Zufallszahlen, die ihn steuern. Das kann hier offenbar wirksam sein. Aber was die Massentierhaltung mit Hühnern macht, ist nicht besser.

    Der Kollege sprach zum Schluss davon, dass geistige Einflüsse auf Zufallsgesteuerte Roboter ein Tabuthema sind, was diese Diskussion hier z.T. bestätigt.

  993. @Jeckenburger: wenn ich das Experiment richtig verstanden habe, sorgen die Küken, die auf den Roboter geprägt wurden, dafür, dass dieser zu ihnen kommt. Er spielt ja die Mutterrolle für die Küken. Bei den Küken, die nicht auf den Roboter geprägt waren, zeigte dieser nicht solche Ergebnisse, sondern fuhr eine zufällige Normalverteilung.
    Ich wäre mal auf eine rationale Erklärung gespannt. Vielleicht weiß Reutlinger eine.

  994. Das sind eben die Gesetze der Stochastik, z.B. der zentrale Grenzwertsatz. Das kommt in der Natur sehr häufig vor, auf Grund der Überlagerung von Naturgesetzlichkeiten. Gäbe es den absoluten Zufall in der Natur, dann wäre Leben unmöglich.

  995. @Reutlinger: der Mann hat 1200 Versuche gemacht, die Häufigkeit liegt bei 2,5. Das ist ein signifikanter Wert. Schade, ich dachte, Sie hätten eine wissenschaftliche Erklärung parat. Da muss ich selber recherchieren.

  996. @ Wolfgang Stegemann 06.05.2021, 12:16 Uhr

    Das Experiment finde ich interessant.

    Ich meine, es hängt vom Zufallsgenerator ab. Darauf, ob die bestimmenden Komponenten des Zufallsgenerators z.B. in der Nähe der Küken oder weit entfernt sind.

    Die entsprechend geprägten Küken die der Maschine mit dem Zufallsgenerator nachlaufen, könnten z.B. auf elektrische Felder in der Nähe des bestimmenden Widerstandes der Schaltung Einfluss nehmen, so dass auch die Zufallszahlen eine gewisses Verhalten annehmen.

    Würde man die Zufallszahlen von einem weit entfernten Zufallsgenerator beziehen, sollte zumindest die elektrische Feldwirkung ausgeschlossen werden.

    Ob vielleicht sogar synchronisierte Quanteneffekte bei einer „Fernwirkung“ eine Rolle spielen könnten, das entzieht sich meiner Kenntnis.

  997. @Elektroniker:

    “Die entsprechend geprägten Küken die der Maschine mit dem Zufallsgenerator nachlaufen, …”

    Es ist umgekehrt, der Generator läuft den Küken nach.

    “Würde man die Zufallszahlen von einem weit entfernten Zufallsgenerator beziehen, sollte zumindest die elektrische Feldwirkung ausgeschlossen werden.”

    Die Küken beeinflussen also die Feldwirkung???

    “Ob vielleicht sogar synchronisierte Quanteneffekte bei einer „Fernwirkung“ eine Rolle spielen könnten, das entzieht sich meiner Kenntnis.”

    Quanteneffekte wirken im Mikrobereich.
    jetzt bräuchten wir den Physiker oder wir fragen bei der GWUP nach.

  998. @ Wolfgang Stegemann 06.05.2021, 20:44 Uhr

    Zitat: „Es ist umgekehrt, der Generator läuft den Küken nach.“

    Ich habe es so verstanden, dass die „normal“ geprägten Küken ihrer Mutter „nachlaufen“ und die auf den Miniroboter geprägten Küken den Miniroboter „nachlaufen“.

    Zitat: „Die Küken beeinflussen also die Feldwirkung???“

    Es ist die Frage wie stark die Felder und die Veränderungen sind. Es gibt elektronische Sicherungssysteme da werden Feldänderungen (z.B. ausgelöst durch Einbrecher) ausgewertet.

    Sogar eine Art „indirektes Radar“ soll es geben, wenn z.B. von normalen Radiosendern ausgesendete Frequenzen von Objekten reflektiert werden und die unterschiedlichen Laufzeiten ausgewertet werden.

    Auch könnten die sehr schwachen elektrischen Ladungsverschiebungen im neuronalen Netz des Küken schwache elektromagnetische Felder generieren, die mit den Feldern der Elektronik vom Roboter wechselwirken.

  999. @Stegemann 06.05. 12:16

    „wenn ich das Experiment richtig verstanden habe, sorgen die Küken, die auf den Roboter geprägt wurden, dafür, dass dieser zu ihnen kommt. Er spielt ja die Mutterrolle für die Küken.“

    Der emotionale Bedarf des Kükens spielt hier wohl die Hauptrolle: Ein kosmischer Geist will hier einfach das Leiden des Kükens verringern. Die Bauart des Roboters, der auf wohl echte Zufallszahlen sensibel reagiert, bietet eine Basis dafür, dass hier der kosmische Geist offenbar recht regelmäßig eingreifen kann, ohne dafür Naturgesetze verletzen zu müssen.

    @Elektroniker 06.05. 19:20

    „könnten z.B. auf elektrische Felder in der Nähe des bestimmenden Widerstandes der Schaltung Einfluss nehmen“

    Das kann man ausschließen, weil der Roboter nur auf Küken reagiert, die zuvor auf ihn geprägt wurden. Grundlegend für den Versuchsaufbau ist auch, dass das Küken im Glaskasten festsitzt, und eben nicht selbst zum Roboter hinlaufen kann.

    Wenn das Küken zum Roboter hin kann, ist das Problem des Kükens ja bereits gelöst, wenn es Körperkontakt mit dem Roboter aufnehmen kann. Egal wohin sich der Roboter dann bewegt, das Küken wird ihm in jede Richtung folgen. Hier gäbe dann keinen Anlass mehr, das Leiden des Kükens zu verringern.

  1000. @ Tobias Jeckenburger 07.05.2021, 00:20 Uhr

    Ich meine, die Küken haben evolutionär Verhaltensmuster entwickelt, dass sie ihrer Mutter nachlaufen. Ganz einfach deswegen, weil die Küken die andauernd vor ihrer als erstes wahrgenommenen „Mutter“ davon gelaufen sind, von anderen Tieren gefressen wurden oder an Futtermangel umgekommen sind.

    Auch die an den Roboter geprägten Küken haben sich im Glaskäfig sichtlich heftig bemüht sich zum Roboter hin zu bewegen, vermutlich häufiger als die nicht an den Roboter geprägten Tiere, die womöglich eher vorm fremden Roboter davon gelaufen sind.

    Der Roboter hat sich vermutlich auch eher dorthin bewegt, wo bestimmte Zufallszahlen häufiger waren. Wenn also die Küken um so mehr versucht haben den Roboter nahezukommen, könnten Zufallszahlen häufiger gewesen sein die den Roboter zu den Küken hin bewegt hat.

    Die an ihre Mutter geprägten Tiere sind eher vorm fremden Roboter davongelaufen und es wurden andere Zufallszahlen bevorzugt.

  1001. @Balanus: Lamarckismus

    Es ist schlechter Stil, hier in der Diskussion die Lehrerinformation auf den Seiten der Biologie/Uni München ohne Argument als Unsinn abzutun. Der Verfasser präsentiert auf seinen 31 Seiten jedenfalls wesentlich mehr Inhalt als du hier in deinem Kommentar.

    Obwohl die Mechanismen „über“ der Basenabfolge greifen, sind sie zu einem gewissen Grad vererbbar. Somit erhält die in Verruf geratene Evolutionstheorie von Lamarck eine neue Bedeutung, was weitreichende Konsequenzen auf unseren Lebensstil hat. (S. 3)

    Wie bereits bei der Prägung angesprochen können epigenetische Veränderungen der DNA in einigen Fällen vererbt werden. Da diese zum Teil aus Umwelteinflüssen resultieren, siehe die Agouti-Maus, erhält die in Verruf geratene Evolutionstheorie von Lamarck neue Bedeutung. (S. 25)

    Was ist daran denn falsch?

  1002. @Stephan Schleim 07.05.2021, 12:51 Uhr

    Wir sind uns doch einig, dass die Vererbung “epigenetischer Veränderungen der DNA” noch keine “Vererbung erworbener Eigenschaften” ist, oder?

  1003. @Elektroniker 07.05. 12:49

    „Auch die an den Roboter geprägten Küken haben sich im Glaskäfig sichtlich heftig bemüht sich zum Roboter hin zu bewegen, vermutlich häufiger als die nicht an den Roboter geprägten Tiere, die womöglich eher vorm fremden Roboter davon gelaufen sind.“

    Kommt jetzt drauf an, wie die Zufallszahlen konkret generiert worden sind. Störungen sind im Prinzip möglich.

    Ich selbst habe mal Experimente mit Computerbildern gemacht, die reichlich Zufallszahlen verarbeitet haben. Als Zufallszahlenquelle, die idealerweise überwiegend auf Quantenrauschen beruhen sollte, habe ich eine analoge Fernsehkarte benutzt. Ohne eingestellten Sender habe ich das Bildrauschen aufgenommen, und als Datei zwischenspeichern müssen. Das Dumme dabei war, dass auch noch Programmtext zwischen den eigentlichen Zufallszahlen zu finden war, der eine Folge des Videodateiformates war.

    Dieses hätte die Bilder verfälscht, bzw. zu deutlichen Artefakten geführt. Als Lösung für dieses Problem habe ich einfach vor der Verwendung der Daten nochmal die ganze Videodatei mit Pseudozufallszahlen bitweise addiert. Dadurch wurden sämtliche unerwünschte Regelmäßigkeiten zerstört. Wo vorher eine Zeile Programmtext war, kamen dann eben nur Pseudozufallszahlen als Endergebnis heraus.

    Wo aber die wirklichen intelligent gestalteten Zahlenpassagen von den Pseudozufallszahlen addiert werden, habe ich mit gedacht, dass diese eben darauf vorab reagierten, und dann am Ende genau die Ergebnisse dabei herauskommen, die der kosmische Geist haben will.

    Damit da nichts durcheinander kommt, habe ich erst alle Steuerparameter für einen Bilderzeugenden Programmdurchlauf festgelegt, danach dann erst die Pseudozufallszahlen mit individuellem Startwert erzeugt, und danach dann die Videodatei mit dem enthaltenen Quantenrauschen aufgenommen. Den eigentlichen bilderzeugenden Programmdurchlauf habe ich erst gestartet, als schon alle zu verwendenden Zufallszahlen feststanden.

    Genau das hat so funktioniert, und könnte auch in dem Experiment mit den Küken und dem Roboter eine Möglichkeit sein, sicher zu stellen, dass keine technischen Artefakte die Generierung der Quantenrauschen-Zufallszahlen stören. Hier kommen nach der Kombination mit garantiert zufälligen Pseudozufallszahlen nur wirklich intelligente Quantenzufälle durch. So sind alle möglichen Störquellen sozusagen entstört.

    Das Einzige, was passieren kann, ist, dass am Ende überwiegend die Pseudozufallszahlen maßgeblich sind, dann hat man eben keine messbaren Effekte. Wenn man aber Effekte hat, dann müssen die echt geistig bedingt sein. Und darum geht es ja.

  1004. @Grams: im von mir oben verlinkten Beitrag des MPI heißt es: “Das internationale Team aus Freiburg ist überzeugt, dass ihre Erkenntnisse zukünftig weitreichende Konsequenzen haben könnten. „Unsere Studie legt den Schluss nahe, dass wir mehr als nur Gene von unseren Eltern erben. Denn wir fanden auch Mechanismen, die die Aktivität unseres Erbguts steuern und von denen wir wissen, dass sie durch unsere Umwelt und vom individuellen Lebensstil beeinflusst werden. ”
    Natürlich werden damit Eigenschaften vererbt.

  1005. Epigenetische Vererbung.
    Eine epigenetische Vererbung würde als solche anerkannt, wenn 3 oder mehr Nachfolgegenerationen davon betroffen wären.

    Ob eine epigenetische Vererbung auch beim Menschen vorkommt, weiß man also noch nicht. Dies erscheint jedoch eher unwahrscheinlich, denn bei allen Säugetieren herrscht eine strikte Trennung zwischen Körperzellen und Keimzellen. Körperzellen reagieren auf Umweltreize, können diese Information aber nicht an Nachkommen weitergeben – das können nur die Keimzellen.

    Und bei Keimzellen werden fast alle epigenetischen Marker sorgfältig entfernt – bereits in der frühen Entwicklung des Embryo und in zwei unterschiedlichen Wellen[..]

    Für den Menschen gilt also: Epigenetische Prägung sicher ja, epigenetische Vererbung eher nein. Ein Vererbung gemäß der Theorie von Lamarck findet nicht statt, die Geschichte der menschlichen Evolution muss nicht umgeschrieben werden – es sei denn, die Epigenetik hält noch weitere Überraschungen parat.

    Quelle: Wissensschau, 2019

  1006. @Wolfgang Stegemann 07.05.2021, 16:03 Uhr

    Was Sie schreiben, bezweifele ich doch gar nicht. Es geht mir allein um den Begriff der erworbenen Eigenschaften. Unter der Vererbung erworbener Eigenschaften firmiert dies:

    Alles, was die Individuen durch den Einfluss der Verhältnisse, denen die Rasse lange Zeit hindurch ausgesetzt ist, und folglich durch den Einfluss des vorherrschenden Gebrauchs oder konstanten Nichtgebrauchs eines Organs erwerben oder verlieren, wird durch die Fortpflanzung auf die Nachkommen vererbt, vorausgesetzt, dass die erworbenen Veränderungen […] den Erzeugern dieser Individuen gemein sind. (Zitiert nach Wilson/Bossert “Einführung in die Populationsbiologie”, 1973, S. 14)

    Den Nachweis, dass die Epigenetik so einen Lernvorgang leistet, sehe ich nicht.

  1007. @Grams: Wir können noch lange über Genetik und Epigenetik streiten. Dass Erworbenes epigenetisch an die nächste Generation weitergegeben wird, ist inzwischen unstrittig. Ihr Zitat hebt auf die genetische Vererbung ab. Und hier, behaupte ich, wird man eines Tages zu der Erkenntnis gelangen, dass “…durch den Einfluss des vorherrschenden Gebrauchs oder konstanten Nichtgebrauchs eines Organs…” und nicht durch Mutationen neue ‘Eigenschaften’ entstehen.
    Ich will hier nochmals meine sechs Kritikpunkte anbringen, die ich in Ihrem Blog geschrieben habe:

    1. Zufällige Mutationen am Genom eines Individuums können keine neue Art entstehen lassen. Hat man es mit Mutationen am Genom der gesamten Population zu tun, handelt es sich um keinen Zufall mehr.
    2. Ist eine zufällige Genmutation nachhaltig genug, um eine Änderung der Spezies herbeizuführen, bedeutet das, dass die Reparationsmechanismen der Art nicht effektiv genug sind, um ihr Überleben zu sichern.
    3. Selektion geschieht immer am Individuum, nicht am einzelnen Gen. Die zufällige Mutation eines einzelnen Gens bewirkt nichts.
    4. Bei artspezifischen Veränderungen sind immer Hunderte von Genen beteiligt. Eine zufällige Mutation hunderter Gene kann nicht mehr als Zufall bezeichnet werden.
    5. Die teils extreme Anpassung von Leben an Umwelt kann kaum durch Zufall erklärt werden. Woher ‚weiß‘ der Zufall, dass er etwa Farbmutationen generieren soll, um einen Käfer in grüner Umgebung grün werden zu lassen?
    M.a.W. der darwinistische Zufall ist eher unwahrscheinlich.
    6. Auf dem ganzen Planeten hat die Natur für dieselben Probleme nahezu dieselben Lösungen gefunden. Gäbe es den reinen Zufall, müssten zum Teil sehr verschiedene Lösungen selektiert worden sein.

  1008. @Stegemann
    Ihre Behauptungen sind entweder völlig veraltet oder falsch. Kein Evolutionsbiologe hat jemals behauptet, dass die Evolution ausschließlich auf Zufall beruht. Die natürliche Selektion ist im Ergebnis kein Zufall, sondern hat Gründe. Ein Zusammenwirken vieler Faktoren kann im Endergebnis als Zufall erscheinen. Sie bekämpfen einen Strohmann. Evolutionsbiologen gähnen dazu nur.

    Selbstverständlich gibt es zufällige Mutationen, aber nicht nur. Ich hatte schon geschrieben, dass ich den Begriff “Variation” bevorzuge, weil es uaßer Mutationen mehrere verschiedene Faktoren der Variation auch innerhalb von Populationen gibt. Polygenie und Polyphänie (Pleiotropie) sind Beispiele für solche Faktoren. Auch Mutationen gibt es in verschiedenen Formen, z.B. Chromosomenmutationen. Die meisten Punktmutationen sind neutral, weil sie den nichtcodierenden, überwiegenden Teil der DNA treffen. Andererseits finden Mutationen sehr häufig statt.

    Die Evolutionsbiologie ist sehr viel komplexer geworden als Sie hier bemängeln wollen. Ein beispielhafter Fachbegriff dazu ist “phänotypische Plastizität”. Den reinen Zufall gibt es nicht in der Natur, es ist das mangelnde Wissen über die Natur und ihre Dynamik, was uns oftmals als Zufall erscheint.

  1009. @Stephan Schleim 07.05.2021, 18:03 Uhr

    Wer etwas erwirbt, weiß, was er für sein Geld kriegt. Hier stößt einem etwas zu. Ohne Plan.

  1010. @Grams: P.S. Sprache

    Duden: erwerben

    allmählich herausbilden, sich aneignen; Beispiele: den Herzklappenfehler hat er schon als Kind erworben; 〈meist im 2. Partizip:〉 angeborene und erworbene Reflexe, Leiden

  1011. @Grams: Das Internet ist inzwischen voll von Studien zur epigenetischen Vererbung, lesen Sie das gar nicht?
    Übrigens, um einem Denkfehler vorzubeugen: wenn davon die Rede ist, dass epigenetische Veränderungen nach x Generationen wieder verschwinden, muss natürlich darauf hingewiesen werden, dass Laborversuche ein Initial liefern, in der Natur erfolgen Induktionen stetig.

  1012. Stand der Evolutionsbiologie:

    In der Rubrik “Meistgelesen” von Spektrum.de war vor kurzem ein Artikel zur Evolutionsbiologie, der kurz die Entwicklung und ausführlich den aktuellen Stand sehr gut beschreibt. Die meisten Fragen oder Kritikpunkte, die hier vorgebracht werden, auch zur epigenetischen Vererbung, sind darin beantwortet.

    Evolutionstheorie auf dem Prüfstand

  1013. Mit Herrn Tautz hatte ich bereits einen entsprechenden Gedankenaustausch.

  1014. @Reutlinger: Guter Artikel

    Danke.

    Doch dieses Bild hat sich mittlerweile grundlegend gewandelt. Inzwischen kennen wir molekulare Vorgänge, die dafür sorgen, erworbene Merkmale in die nächste Generation zu tragen: die so genannten epigenetischen Prägungen. […] Wie Oliver Rando von der University of Massachusetts und Rebecca Simmons von der University of Pennsylvania 2015 in einer systematischen Übersichtsarbeit nachgewiesen haben, können epigenetische Prägungen, die durch Umwelteinflüsse entstehen – beispielsweise durch ein verändertes Nahrungsangebot –, in die Keimbahn gelangen. Sie bleiben dann in der nächsten Generation bestehen, selbst wenn ihr Auslöser weggefallen ist. […] In einer systematischen Übersichtsarbeit von 2019 hat die Biologin Upasna Sharma von der University of California, Santa Cruz, mehr als 150 Studien zusammengetragen, die das Konzept einer generationenübergreifenden Weitergabe epigenetischer Informationen stützen.

    Diethard Tautz, Spektrum.de

    P.S. Wie war das damit, sich nicht immer wiederholen zu wollen? 😉

  1015. @anton reutlinger

    Wirklich guter Artikel. Danke.

    Es liegt jedoch im Wesen epigenetischer Veränderungen, dass sie die DNA-Sequenz nicht beeinflussen. Daher lassen sich ihre Effekte meist nur für einige wenige Generationen nachweisen, danach gehen sie wieder verloren, wie etwa ein Team um die Neurobiologin Leah Houri-Zeevi von der Tel Aviv University 2020 gezeigt hat. Langfristige Wirkungen sind damit nicht möglich.

  1016. @Joker: Das ist die Frage. Im Labor induzierte epigenetische Änderungen wirken vielleicht deshalb nicht dauerhaft, da sie einmalig induziert werden. In der Natur wirken diese ständig. Man müsste Untersuchungen also ausschließlich dort durchführen. Und würde dann vielleicht feststellen, dass epigenetische Einflüsse sich phasenartig in genetischen Änderungen manifestieren.
    @all: es geht hier im Übrigen nicht um die gesamte Evolutionstheorie. Dass auch andere, als genetische und epigenetische Dinge eine Rolle spielen, ist trivial.
    Herr Tautz teilte mir mit, dass genetische Änderungen nicht der Hauptpunkt seien, da in menschlichen Populationen etwa 8 Mio. Polymorphismen vorhanden wären, welche durch neue Selektionsbedingungen Anpassungen bewirken würden. Auch darum geht es nicht. Es geht um die Entstehung der Arten. Und da sind natürlich genetische Änderungen wesentlich. Und da verweise ich auf meine o.g. 6 Punkte. Bisher hat niemand diese widerlegt.

  1017. @Joker: Vererbung

    Das ist doch erst einmal plausibel, dass es stabilere und weniger stabilere Formen der Vererbung gibt: Die Stabilen ändern sich über viele Generationen hinweg, die Instabilen über wenige. So kann “die Natur” auf lang- und kurzfristige Änderungen reagieren.

    Nehmen wir einmal an, dass chronischer Hunger zu bestimmten epigenetischen Veränderungen führt, die dann auch vererbt werden. Die Vorteile im Zusammenhang mit Nahrungsaufnahme bringen Nachteile auf anderem Gebiet mit sich. Dann ist es doch von Vorteil, wenn nach einer Weile “getestet” wird, ob die stabileren (also genetischen) Anpassungen (unterm Strich) wieder von Vorteil sind. Es erscheint mir plausibel, dass es, wenn die Umwelt immer noch durch Hunger geprägt wird, wieder zu ähnlichen epigenetischen Veränderungen und Vererbungen kommt.

    Die wichtige Erkenntnis ist doch, dass es auch in der Biologie kein Entweder-Oder sein muss, sondern ein Sowohl-Als-auch sein kann. Dogmatismus bringt niemanden weiter. Transgenerationale Vererbung und ihr mögliches Verschwinden lässt sich im Menschen nicht so ohne Weiteres wissenschaftlich untersuchen. Und wenn sich irgendwann doch einmal herausstellen sollte, dass die erworbenen Eigenschaften nach ein paar Generationen notwendigerweise verschwinden, dann ist das eben so. Das wissen wir jetzt aber noch nicht. Und man sollte vor allem die Nichtlinearität solcher Prozesse nicht unterschätzen!

    So oder so: Es gibt einen biologisch plausiblen und experimentell zumindest vorläufig bestätigten Mechanismus für die Vererbung erworbener Eigenschaften. Mehr muss hier einmal nicht gezeigt werden. (Und für die gesamte Diskussion ist das insofern interessant, als sich wieder einmal bestätigt hat, dass Dogmatismus in der Wissenschaft fehl am Platz ist.)

  1018. @Schleim
    So sieht es aus wissentschaftlicher Sicht aus: wir sind nichts weniger/anderes als das Äquivalenzprinzip zwischen Energie und Masse plus Lebensfunke.
    Versuchen Prinzipien zur Komplexität zu erkennen um sie zu beherrschen.
    Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm oder Eva’s Biss der Erkenntnis.
    Wir bauen gerade nur ziemliche Scheisse mit diesem Faszinosum Erde,was nach heutiger Erkenntnis in diesem Universum für uns einmalig ist und bleiben wird.

  1019. Die Forschung macht weiter gute Fortschritte. Sie ist nie zuende. Manche ihrer Kritiker oder Zweifler vergessen oder leugnen es und meinen, der heutige Stand wäre für die Ewigkeit festgeschrieben. Das gitlt für die Bewusstseinsforschung genauso wie für die Evolutionsforschung. Wie weit sie kommen wird, das wissen wir nicht, aber auf den genannten Gebieten, bzw. der Lebensforschung insgesamt, ist noch viel möglich. Man sollte die bisher kurze Zeit und die beschränkten Möglichkeiten der Forschung bedenken.

    Dass die Forschung auch Irrtümern und Korrekturen unterliegt, das ist trivial, hemmt aber nicht den Forschritt. Erkenntnisse sind nur selten eindeutig. Dass manche Forscher ihre Überzeugungen dogmatisch verteidigen, auch das ist trivial, das tut auch jeder Politiker oder Manager und letztlich jeder Mensch. Selbst offensichtliche Lügen, Falschinformationen und Verschwörungsmythen werden vehement verteidigt, besonders gegen die Wissenschaft. Früher oder später werden Falschbehauptungen und dogmatisch verteidigte Irrtümer aber aufgedeckt in dieser vernetzten Welt. Allerdings fällt es manchen Menschen sehr schwer, ihre Irrtümer oder Fehler einzugestehen.

  1020. Und schon wieder ein Streit wegen ungenau spezifizierter Wörter!
    Was sind denn “( epigentisch ) erworbene Eigenschaften”?
    In der DNA liegen die Informationen, die einen Körper so bauen, dass er über mehrere Stationen im Körper auf gewisse Umweltreize in gewisser Weise reagiert, in der DNA liegen mehr Bauanleitungen, als in den üblichen Umständen nötig sind, davon werden je nach “Bedarf” einige epigenetisch ab- oder angeschaltet. Da in der Natur schwerwiegende Veränderungen der Umwelt meistens über mehrere Generationen anhalten, erscheint es sinnvoll, dass die Natur “gelernt” hat, auch den Nachkommen der gestressten Lebewesen die erfolgreiche Strategie mitzugeben. Das betrifft aber immer nur die Expression von Vorhandenem – was ist denn da eine “erworbene Eigenschaft”?
    Für mich ist eine Frage, wie und wann Veränderungen in der DNA ankommen – und warum. Beispielsweise hatten Amphibien mehrere Kieferknochen – wir haben die Gehörknöchelchen. Was aber hatten entwicklungsgeschichtlich/fortpflanzungstechnisch die Lebewesen “dazwischen” für Vorteile von den Knochen auf der Wanderung vom Kiefer zum Ohr? Warum blieben die Knochen erhalten?

  1021. Stephan // 07.05.2021, 12:51 Uhr

    Mich hat’s für einige Tage umgehauen, konnte also nicht früher auf Deinen Post reagieren:

    » Es ist schlechter Stil, hier in der Diskussion die Lehrerinformation auf den Seiten der Biologie/Uni München ohne Argument als Unsinn abzutun. «

    Ich habe auf Reutlingers Bemerkung, alle hätten in Bezug auf Epigenetik „ein „bisschen recht, aber auch ein bisschen unrecht!“ lediglich ein Beispiel für „ein bisschen unrecht“ gegeben. Quasi als Zusammenfassung meiner Argumente aus den vorstehenden Kommentaren.

    Zu Deiner Frage (in Ergänzung zu dem, was Timm Grams u. a. schon ausgeführt haben:

    »

    Somit erhält die in Verruf geratene Evolutionstheorie von Lamarck eine neue Bedeutung, was weitreichende Konsequenzen auf unseren Lebensstil hat. (S. 3)

    Wie bereits bei der Prägung angesprochen können epigenetische Veränderungen der DNA in einigen Fällen vererbt werden. Da diese zum Teil aus Umwelteinflüssen resultieren, siehe die Agouti-Maus, erhält die in Verruf geratene Evolutionstheorie von Lamarck neue Bedeutung. (S. 25)

    Was ist daran denn falsch? «

    Hängt davon ab, was genau mit „neue Bedeutung“ auf Bezug von Lamarcks „Evolutionstheorie“ gemeint ist.

    Was auf Wikipedia zu Lamarcks Theorie zu lesen, scheint mir zutreffend zu sein:

    Diese umfasst als Hauptprinzip eine gerichtete Höherentwicklung durch wiederholte Urzeugung entstandener Lebewesen, durch die die einzelnen Klassen entstehen; und als Nebenprinzip die seiner Ansicht nach mögliche Vererbung erworbener Eigenschaften, die zur Artenvielfalt (Veränderlichkeit der Tierklassen) führen soll. Nur dieses Nebenprinzip wird seit dem späteren 19. Jahrhundert als Lamarckismus bezeichnet.

    Es geht demnach auch bei Lamarck letztlich um eine Erklärung für den erkannten Wandel der Arten. Aber dafür war es offenbar noch zu früh, die Erde (noch) zu jung.

    In der „Lehrerhandreichung zur Epigenetik“ geht es, wie der Titel schon sagt, um Epigenetik, also um bestimmte Mechanismen bei der Regulation der Genexpression.

    Die Regulation der Genexpression fällt in das Gebiet der Genetik bzw. Ontogenese.

    Ontogenetische Prozesse sind für die Evolutionsbiologie (und somit Wandel der Arten) insofern relevant, als sie zu fortpflanzungsfähigen Individuen führen. Aber sie erklären eben nicht, wie es dabei zu stammesgeschichtlichen Veränderungen kommen kann. Dafür hat’s vor allem Darwin und weitere Erkenntnisse aus der Molekularbiologie (Genetik) gebraucht. So dass heute Evolution definiert werden kann als die über Generationen hinweg stattfindenden Veränderungen in den Allelfrequenzen von Populationen. Was nichts anderes bedeutet, als dass die in der DNA-Sequenz festgelegte Erbinformation als die wesentliche Einheit der Evolution anzusehen ist. Kurz: Ohne generationenübergreifende Veränderungen in der DNA-Sequenz (speziell in Regulatorgenen) gibt es keine Evolution.

    Aus alledem folgt, dass die Evolutionstheorie von Lamarck keineswegs „in Verruf geraten“ ist, sie liefert einfach keine Erklärung für den Wandel der Arten, nach wie vor nicht.

    @Karl Maier hat es im vorstehenden Kommentar (09.05.2021, 19:42 Uhr) eigentlich schon alles Wesentliche dazu gesagt:

    » Da in der Natur schwerwiegende Veränderungen der Umwelt meistens über mehrere Generationen anhalten, erscheint es sinnvoll, dass die Natur “gelernt” hat, auch den Nachkommen der gestressten Lebewesen die erfolgreiche Strategie mitzugeben. «

    Wobei Neigung zu Diabetes und Depression ja nicht unbedingt als positiv zu werten ist. Aber davon abgesehen gilt es insbesondere auch für Pflanzen, dort können epigenetische Markierungen, soweit ich weiß, über deutlich mehr Generationen weitergegeben werden als bei Tieren. Es muss wohl irgendwie was bringen, sonst hätte die Evolution diese Regulationsmechanismen wohl nicht hervorgebracht.

  1022. @Balanus: ich warte noch auf Ihre Einlassung zu meinen o.g. 5 Punkten gegen endogene rein zufällige Mutationen. Dazu ein passendes Zitat von dem Zoologen und Neurophysiologen Gerhard Neuweiler: „Und deshalb taumelt das Leben nicht wie ein Windspiel des Zufalls über den Erdball und durch die Erdgeschichte, sondern folgt (…) unbeirrt einer Tendenz: wachsende Komplexität.“

  1023. Ich weiß- etwas spät hier – aber trotzdem:

    1.
    Zum Folgenden:
    „…..Glücklicherweise hat man sich nun in Teilen der Humanwissenschaft vom reduktionistischen Denken gelöst, weil es einen in vielen Fällen nicht weiterbringt. Der neue Ansatz des “New Mechanism” integriert verschiedene Erklärungsebenen, anstatt sie auf irgendeine grundlegende Ebene reduzieren zu wollen.
    Die Zukunft sieht interdisziplinär und vielschichtig aus, nicht einseitig. Hoffentlich wird die neue Wissenschaft auch das Qualitative und Subjektive wieder integrieren. Dafür gib es immerhin erste Anzeichen… „ (Zitatende)
    „….Doch fragen wir uns noch einmal: Was wüssten wir eigentlich, wenn es einmal so eine Erklärung des Bewusstseins gäbe? Inwiefern würde sie uns als Menschheit weiterbringen? Gäbe uns eine Theorie des Bewusstseins oder gar eine Weltformel Anleitung fürs Leben? Wohl kaum. ……..“ (Zitatende)
    „….Für die Forschung ist aber die Einsicht ganz bedeutend, dass die Entscheidung darüber, wie geforscht wird und was als Evidenz zählt, ebenfalls auf Werten basiert. …..“
    „….Und spezifisch zur Religion: Es ist eine empirische Tatsache, die auch und vor allem Naturalisten anerkennen sollten, dass sich die große Mehrheit der Menschheit außerhalb der säkularen westeuropäischen Enklave nach wie vor an religiösen Systemen orientiert. Und selbst aus dem Westen pilgern seit den 1960er Jahren viele Sinnsucher nach Asien. ..“
    (Zitatende)

    Das erinnert mich doch alles sehr an die Analysen des (späteren) Erkenntnistheoretikers (und Sängers 🙂 Paul K. Feyerabend aus den 1970er bis 1990er Jahren. Von dem die meisten allerdings nur in einer eher „vulgarisierten“ Form durch das frühe und teilweise missverstandene „Anything goes“ und „Wider den Methodenzwang“ gehört haben dürften.

    2. Zu:

    „…. Darin behauptete er, wir würden niemals verstehen, wie aus Materie und Energie Gedanken entstehen. Bis heute haben er und Leibniz Recht behalten, während die Versprechen der Autoren des Manifests, die man mit ihrem Programm wohl als Naturalisten bezeichnen darf, weiter uneingelöst sind. ….“ (Zitatende).

    Ich wundere mich schon , wie sorglos -kritiklos manche Philosophen und fast alle Mathematiker/Wissenschaftler mit den äußerst problematischen „Unendlichkeits“- Aussagen umgehen.

    3. Zu:

    „..Selbst wenn wir von jedem Atom, subatomaren Teilchen, jedem Energiequäntchen im Universum Ursprung, Herkunft und Ziel wüssten und so eine Weltformel hätten, würde daraus nichts für Bedeutung und den Sinn unseres individuellen Lebens und als Menschheit folgen. Die Frage, wie wir richtig und gut leben und zusammenleben können, bliebe offen. „ (Zitatende)

    Woher weiß Herr Schleim das eigentlich (so sicher)?

    4. Zu:
    „….Es herrscht ein Nihilismus, alle Standpunkt sind gleich sinnlos. Ohne moralische Orientierung werden Menschen im Endeffekt wohl schlicht das tun, was ihr Belohnungssystem aktiviert; und dies wiederum ist eine Folge angeborener Strukturen und sozialer Konditionierung. So sind sie immerhin gute Arbeitskräfte und Konsumenten.
    Wir sehen, dass uns dieser Standpunkt keine Leitlinien für das gute Leben bietet: Weder dafür, wie wir selbst leben sollen, noch wie wir mit anderen Menschen oder anderen Völkern zusammenleben sollen. Allerdings stimmt auch der Gegenstandpunkt, dass Religionen nicht unbedingt notwendig für ein Wertesystem sind und sie auch nicht immer die besten Werte vermit
    teln…..“ (Zitatende)

    Das ist vielleicht eine zu ungerecht- pauschale Beurteilung des „Materialismus“. Er war ja (zunächst) in erster Linie „Erkenntnismethode“.
    Zumal man zum Aufbau von wirklich humanen und vor allem „gerechten“ bzw ethischen Gesellschaftsformen nicht ohne technisch- rationale „Sozialtechniken“ auskommt. Und selbst wer (mit Grund) an „esoterisch-ere“ Grundlagen des Bewusstseins glaubt, wird sich wohl eher über eine von einem Materialisten geplante und gebaute Brücke trauen, als über die eines Brückenbauers, der nicht weiß , ob er sie jetzt mit der Bohrschen oder Bohmschen Interpretation der Quantenmechanik oder mit einer „realistischen Interpretation“ der Quantenphänomene planen soll . (-:

    5. Zu:

    „…Das Leben scheint ohne Spiritualität oder gar Religion für viele unangenehm leer zu sein. ..“
    (Zitatende)

    Ob das aber wirklich ein „tiefes“ Argument ist? Denn „für viele scheint“ auch das Leben ohne eine chemisch- neurologische Spiritualität über die tägliche Alkoholzufuhr unerträglich „unangenehm und leer zu sein.“ (Aber Herr Schleim hat ja später selbst auf Feuerbach hingewiesen)

    6. Zu:

    „….Wir haben gelernt, dass selbst dann, wenn es eine naturwissenschaftliche Erklärung des Bewusstseins gäbe, diese uns keine Orientierung bieten würde. ..“ (Zitatende)

    Sorry, aber um das zu lernen bin ich offenbar doch zu blöd. Obwohl ich kein „Physikalist“ und vermutlich auch kein (dogmatischer) Naturalist bin.

    7.

    Natürlich stimme ich mit Vielem Anderen des Artikels überein. Ich war bis vor ca. 2 Jahrzehnten auch „Richard Dawkins- Fan“, glaube aber, dass selbst dieser sich schon seit einiger Zeit (wenn vielleicht auch etwas leiser) etwas auf dem Rückzug befindet. Weil auch gerade er neuere Entwicklungen in verschiedenen Wissenschaftszweigen nicht ignorieren kann.
    Aber vielleicht irre ich mich da auch. . (-:

  1024. @Wolfgang Stegemann / 15.05.2021, 18:29 Uhr

    » …ich warte noch auf Ihre Einlassung zu meinen o.g. 5 Punkten gegen endogene rein zufällige Mutationen. Dazu ein passendes Zitat von dem Zoologen und Neurophysiologen Gerhard Neuweiler: „Und deshalb taumelt das Leben nicht wie ein Windspiel des Zufalls über den Erdball und durch die Erdgeschichte, sondern folgt (…) unbeirrt einer Tendenz: wachsende Komplexität.“ «

    Gerhard Neuweilers „Zufall“ scheint mir nichts mit dem von Ihnen bestritten endogenen Zufallsmutationen zu tun haben. Neuweiler geht es, da bin ich mir ziemlich sicher, um die Bedingungen, die zu Veränderungen und Anpassungen der Merkmale und Strukturen führen und letztlich die von ihm propagierte „Höherentwicklung“ zur Folge hat, also vermutlich um Selektions- und Entwicklungsphänomene.

    Mein Eindruck stützt sich hier allein auf das, was der Rezensent Arno Orzessek zu Neuweilers: Und wir sind es doch – die Krone der Evolution (das Buch, aus dem das Zitat stammt) schreibt:

    Neuweilers Reformulierung der Evolutionstheorie ist mit vielen alten Lehrsätzen vereinbar. Die Mutabilität der Gene, die daraus folgende Variabilität der Arten, der Einfluss der Auslese: Nichts davon zieht Neuweiler in Zweifel.

    Wenn das so zutrifft, dann gehe ich in diesen Punkten, und auch, was die zentrale Bedeutung der Selbstorganisation lebender Systeme betrifft, wohl weitgehend konform mit Neuweiler, habe aber eine andere, d.h. wertfreie Sicht auf das Evolutionsgeschehen insgesamt.

    Zunächst einmal: Ich habe nicht die geringste Idee, was Sie sich unter einer „nicht rein zufälligen endogenen Mutation“ im DNA-Strang vorstellen. Was soll denn sonst hinter den diversen Mutationsraten stehen, die von Generation zu Generation zu beobachten sind? Diese sind nicht gleichmäßig über die DNA bzw. das Genom verteilt, da gibt es wohl Bereiche, die empfindlicher sind als andere (wenn ich mich recht erinnere), aber am Ende sind es eben doch Zufallsvarianten, die entstehen.

    Nur kurz zu Ihrem ersten Punkt 07.05.2021, 17:47 Uhr):

    » 1. Zufällige Mutationen am Genom eines Individuums können keine neue Art entstehen lassen. Hat man es mit Mutationen am Genom der gesamten Population zu tun, handelt es sich um keinen Zufall mehr. «

    Ist das so zu verstehen, dass, wenn es zutrifft, dass eine neue zufällige Mutation bei einem Individuum keine neue Art entstehen lassen kann, sondern diese neue Mutation dafür in der ganzen Population vorhanden sein muss, dann kann diese neue Mutation eben nicht rein zufällig bei allen Individuen aufgetreten sein.

    Das ist jetzt kein böswilliges Missverstehen meinerseits, aber ich wüsste nicht, wie ich diese beiden Sätze anders interpretieren sollte.

    Zunächst einmal:

    Zufällige Mutationen am Genom eines Individuums _alleine_ können sowieso keine neue Art entstehen lassen, zur Artbildung braucht es deutlich mehr (nachzulesen in der Fachliteratur).

    Aber eine zufällige Mutation bei einem Individuum kann sich per Gendrift (Zufall) und bei hinreichend hoher relativer Fitness (Selektionsvorteil) durchaus in der ganzen Population verbreiten. Und wenn dann noch andere wesentliche Evolutionsfaktoren hinzukommen, kann auch eine neue Art entstehen.

    Das ist jetzt zwar grob verkürzt dargestellt, aber ich denke, es wird klar, worauf ich hinaus will.

    Ich denke, ganz allgemein gesprochen, es ist einfach so: wenn man Leute, die die gängigen modernen Theorien zur Evolution vertreten, von seinen Ideen überzeugen will, dann muss man die dort abholen, wo sie gemäß der breit anerkannten Theorien stehen. Also z.B. erklären, warum Gendrift nicht funktionieren kann oder warum die Neutrale Theorie falsch ist, so in der Art. Zugegeben, das ist mit harter Arbeit verbunden, aber in meinen Augen die einzig richtige Vorgehensweise.

  1025. @Balanus: Sie haben recht, man kann verfestigte Denkmuster nur schwer aufbrechen, die wenigsten können und wollen sich auf andere Argumente einlassen. Und dann interpretiert man die Argumente der Gegenseite gerne um. Ich habe nicht gegen Gendrift argumentiert. Im Gegenteil. Ich habe gesagt, dass Selektion nicht an Genen, sondern am ganzen Individuum erfolgt, und die Entstehung von Arten nicht durch Individuen, sondern durch ganze Populationen erfolgt. Aber das Wesentliche: Zufällige Mutationen haben nichts mit Anpassung zu tun. Zu glauben, dass in zufälligen Mutationen das ganze Arsenal für mögliche und optimale Anpassungen vorhanden ist, halte ich für höchst naiv. Wie bereits gesagt müsste der Zufall also ‘wissen’, das auch Farbmutationen erforderlich sind, um daraus eine optimale Farbanpassung an die Lebenswelt des Tieres zu selektieren. In diesem Zusammenhang habe ich zur Illustration das Zitat von Neuweiler gebracht. Ich argumentiere übrigens nicht gegen die Evolutionstheorie (EvoDevo) im Allgemeinen. Die käme auch ohne die Denkfigur der endogenen Mutation aus. Und natürlich argumentiere ich auch nicht gegen die Untersuchunsergebnisse der Molekulargenetik. Meine Sichtweise ist die, das Genom als Emergenz zu betrachten, an dem DNA-Änderungen nicht durch endogenen Zufall erfolgt, sondern Stress auf ein mehr oder weniger stabiles oder labiles Genom trifft, welches dann zu einer pathogenen Logik führen kann. Das Phänomen der DNA-Änderung muss nicht gleich dessen Erklärung sein. Würde man dies anerkennen, würde man sowohl hinsichtlich pathogener Ursachen wie therapeutischer Ansätze vielleicht nicht nur am einzelnen Gen suchen, sondern auf einer Ebene ‘höher’, am Zellverband.
    Aber ich denke, wir lassen es damit gut sein.

  1026. @Wolfgang Stegemann // 16.05.2021, 18:38 Uhr

    Klar, kein Problem, wir können es damit gut sein lassen. Sie hatten nach meiner Meinung gefragt, und ich hatte sie gerne geäußert.

    Stephan Schleim schrieb oben von der wichtigen Erkenntnis,
    » dass es auch in der Biologie kein Entweder-Oder sein muss, sondern ein Sowohl-Als-auch sein kann. Dogmatismus bringt niemanden weiter. «

    Da hat er völlig Recht, gerade die Biologie, also das Lebendige in all seinen Erscheinungsformen, steckt voller Überraschungen.

    Und weiter schreibt Stephan Schleim:

    »So oder so: Es gibt einen biologisch plausiblen und experimentell zumindest vorläufig bestätigten Mechanismus für die Vererbung erworbener Eigenschaften. Mehr muss hier [erst; B.] einmal nicht gezeigt werden.«

    Genau das ist für mich der Punkt: was es braucht, ist ein biologisch plausibler, also auch physikochemisch möglicher Mechanismus. Wenn man so etwas zu einer doch recht spekulativen biologischen Theorie vorlegen kann, dann ist man schon ein ganzes Stück weiter, dann wäre womöglich sogar ein Paper drin, etwa im Journal of Theoretical Biology.

    Auch wenn wir es damit gut sein lassen: ein paar Einlassungen und Gedanken zu Ihren letzten Postings habe ich noch und die wollen raus in die Welt.

    Fortsetzung folgt… :- )

  1027. @Balanus: Sie erwarten also, wenn ich Sie recht verstehe, einen nobelpreiswürdigen Beitrag. 😉

    Das Problem eines emergenztheoretischen Ansatzes ist, dass Systeme sich nicht auf Elemente, sondern nur auf Prinzipen reduzieren lassen. Reduziert man ein System auf seine Elemente, geht seine Besonderheit, Qualität, Logik etc. verloren. Das gilt auch für Bewusstsein. Wie Tonnoni sagt, entsteht Bewusstsein ab einer bestimmten Zahl sowie Komplexität von Neuronen, er nennt es integrierte Information. Das scheint für alle lebenden Systeme zu gelten. Die ‘Intelligenz’ eines Systems liegt also im System selber, nicht im einzelnen Element. Ich habe z.B. versucht, den Begriff der Selbstorganisation lebender Systeme weiter zu reduzieren und bin so zu dem Begriff ‘Wachstum’ gekommen, der wiederum weiter reduziert ‘Agglomeration von Kompatiblem’ bedeutet [und folgt damit den Anziehungskräften und Valenzen, die für die Entstehung von Molekülen verantwortlich sind]. Für mich lässt sich so ‘Leben’ konkreter begreifen. Diese Agglomeration gilt auch fürs Denken (Assoziation von Mustern). Und ebenso könnte es für das Genom als Ganzes gelten. Es wäre dann nicht das egoistische Gen, sondern das egoistische Genom. Um es bildlich zu sagen: das Genom ‘tastet’ die Umwelt nach Entwicklungs- (Wachstums-) Möglichkeiten und -grenzen ab, möglicherweise nach dem Prinzip Versuch/Irrtum (was etwas ganz anderes ist als Mutation/Selektion). Die Frage wäre, macht ein solches ‘Modell’ vor dem Hintergrund empirischer Daten Sinn? Wenn ja, könnte man damit viel anfangen.

  1028. @Stegemann 17.05. 18:26

    „Um es bildlich zu sagen: das Genom ‘tastet’ die Umwelt nach Entwicklungs- (Wachstums-) Möglichkeiten und -grenzen ab, möglicherweise nach dem Prinzip Versuch/Irrtum (was etwas ganz anderes ist als Mutation/Selektion)“

    In einer Population ist ein gewisses Maß an Mutationen stets dabei, alles Mögliche auszuprobieren, meist sehr viel häufiger zum Nachteil der jeweiligen Individuen, aber eben hin und wieder ist was Produktives dabei. Hier wird in der Tat der Möglichkeitsraum ständig ausgetestet, so dass manche Mutationen sogar fast zwangsläufig irgendwann auftreten müssen.

    Wenn beispielsweise eine Sippschaft in den Himalaya umzieht, werden hier Mutationen, die z.B. die Sauerstoffversorgung verbessern können, auf die eine oder andere Art auftreten, und sich danach in der Population ausbreiten. Die selben Mutationen werden sicher auch ohne Umzug auftreten, aber sich dann eben nicht in der Population ausbreiten.

    Sie werden bestenfalls eine Weile in den Genomen der nächsten Nachkommen herumdümpeln, bis sie von selber wieder herausgekreuzt werden. Die Selektion ist dabei letztlich die treibenden Kraft, der Möglichkeitsraum führt zu den wirklichen Innovationen.

    In der Regel ist die sexuelle Fortpflanzung schon sehr wirksam. Eine Population verfügt für jeden Genabschnitt über eine ganze Palette von Varianten, die sich im Falle einer Veränderung der Umwelt recht schnell in ihren Häufigkeiten innerhalb der Population verändern können. Hier müssen oft gar keine neuen Mutationen passieren, das Angebot von Genvarianten ist schon sehr reichhaltig, um auf Vieles reagieren zu können.

    Wenn etwa eine andere Population in sonnigere Gegenden umzieht, müssen keine neue Mutation passieren, die für eine dunkleren Haut sorgen. Die Varianten für dunklere Haut sind längst im Genpool vorhanden, und können sich sofort ausbreiten, sobald sich die Umweltbedingungen ändern.

    In dem Sinne kann man dem Genom eine Eigentendenz, sich stetig weiterzuentwickeln, zuschreiben. Die Genome ganzer Populationen sind so ständig in gewisser Bewegung, die beispielsweise bei Räuber-Beute-Beziehungen immer wieder Varianten durchprobieren.

    Die Nervensysteme spielen hier immer ganz vorne mit, neue Ideen von Verhaltensweisen, die dann noch als Kultur an die Nachkommen weitergegeben werden, erfordern wiederum Reaktionen auf der Ebene des Genoms. Dazu kommen dann noch epigenetische Effekte, die dabei helfen, sich an schnelle Umweltänderungen anzupassen.

    Wenn etwa Orcas eine neue Jagdstrategie erfinden, müssen die Robben darauf reagieren, indem sie ihr Fluchtverhalten ändern. Zunächst indem sie einfach lernen, wie sie der neuen Strategie entkommen können, aber dann auch epigenetisch, und wenn die Jagdstrategie der Orcas nachhaltig erfolgreich bleibt, auch genetisch.

  1029. @Jeckenburger: Ja, aber das alles hat nichts mit Zufall zu tun, also nichts mit endogenen zufälligen Mutationen, sondern offenbar spielt die Umwelt die entscheidende Rolle.

  1030. Zufall hin, Zufall her: Veränderungen (genetische Mutationen oder epigenetische Modifikationen) geschehen nicht zielorientiert. Diese Grundannahme Darwins steht unerschüttert im Raume, soweit ich sehen kann.

  1031. @Grams: Meine Darstellung hat mit Zielorientierung absolut nichts zu tun. Zur Illustration: Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch ein Labyrinth. Als Mutations-/Selektionist würfeln Sie an jeder Verzweigung. Der reine Zufall entscheidet also über Ihren weiteren Weg. In meinem Modell tasten Sie sich an Verzweigungen vor und wählen den Weg, der Ihnen am besten erscheint [Wenn Sie allerdings Pech haben, landen Sie in einer Sackgasse]. Der Zufall liegt hier also im Labyrinth selber.

  1032. @Stegemann 18.05. 12:34

    „Der Zufall liegt hier also im Labyrinth selber.“

    Wenn es für eine neue Anpassung, wie das Leben im Himalaya, mehrere Möglichkeiten gibt, wie diese konkret erfolgen kann, dann entscheidet schon der Zufall etwas mit. Die Mutation, die schneller auftritt, macht dann erstmal das Rennen. Wenn ein effektiveres Hämoglobin schon für mehr Sauerstoff sorgt, braucht es keine größere Lungen mehr.

    @Grams 18.05. 11:19

    „Zufall hin, Zufall her: Veränderungen (genetische Mutationen oder epigenetische Modifikationen) geschehen nicht zielorientiert. Diese Grundannahme Darwins steht unerschüttert im Raume, soweit ich sehen kann.“

    Naja, wenn man wie ich von der Möglichkeit geistig mitbestimmter Quantenzufälle ausgeht, kann dies natürlich auch bei Mutationen passieren. Die Einschränkungen der Macht des Zufalls in der Evolution bleibt dabei erhalten, auch dann bleibt der Möglichkeitsraum die treibende Kraft, in die sich alles entwickelt. Geistig bedingte Elemente wären nach wie vor die Ausnahme, und ein Kreationismus nur sehr eingeschränkt am Werke.

  1033. @Jeckenburger:
    “Die Mutation, die schneller auftritt, macht dann erstmal das Rennen. Wenn ein effektiveres Hämoglobin schon für mehr Sauerstoff sorgt, braucht es keine größere Lungen mehr.”

    Das macht doch keinen Sinn. Woher soll denn der Zufall wissen, dass er sich im Himalaya befindet und ein effektiveres Hämoglobin generieren soll. Im Urwald soll er dann “zufällig” die Farbe grün generieren??
    Die Tatsache, dass es DNA-Änderungen gibt ist nicht gleich die Ursache für dieses Phänomen. Ich behaupte, es gibt absolut keine endogenen zufälligen Mutationen, die relevant wären. DNA-Basen-Änderungen treten pro Zellteilung sowieso nur einmal bei 1 Milliarde auf.

  1034. @Wolfgang Stegemann / 17.05.2021, 18:56 Uhr

    »Um es bildlich zu sagen: das Genom ‘tastet’ die Umwelt nach Entwicklungs- (Wachstums-) Möglichkeiten und -grenzen ab, möglicherweise nach dem Prinzip Versuch/Irrtum (was etwas ganz anderes ist als Mutation/Selektion).«

    Inwiefern wäre dabei das Prinzip Versuch/Irrrtum etwas ganz anderes als Mutation/Selektion?

    Jede genetische Zufallsvariante kann als ein Versuch gesehen werden, der entweder glückt (selten), keine nennenswerten Folgen hat (also neutral bleibt), oder sich als Irrtum erweist.

    » Die ‘Intelligenz’ eines Systems liegt also im System selber, nicht im einzelnen Element. «

    In meinem Bücherregal findet sich das Buch „Das intelligente Genom“ (Adolf Heschl, Springer 1998). Es handelt von der Entstehung des menschlichen Geistes durch, aufgepasst, Mutation und Selektion. Alle ontogenetischen Prozesse hängen letztlich vom Genom ab (dessen „Intelligenz“ im Laufe der Evolution entstanden ist—weshalb Evolution von irgendwem auch als „kognitiver Prozess“ bezeichnet wurde).

    Wie man sieht, es wurde schon Vieles gedacht.

    In der mir vorliegenden biologischen Literatur, in der u. a. auch systemtheoretische Überlegungen angestellt werden, geht es nie so weit, dass das System die Erbinformation, also das Genom, verändern könnte. Das von Crick 1958 formulierte zentrale „Dogma“ der Molekularbiologie (sinngemäß: der Informationsfluss läuft immer nur von den Genen in Richtung Nukleinsäuren und/oder Proteine, niemals zurück) gilt nach wie vor.

    Das scheint mir die entscheidende Grenze bei allen systemtheoretischen Wechselwirkungen in lebenden Systemen zu sein. Das epigenetische (genregulatorische) System empfängt Informationen aus der Außenwelt, aber die können nur zur Regulation der Genexpression genutzt werden, die DNA-Sequenzen selbst bleiben davon unberührt.

    An Grams gerichtet schreiben Sie:

    » In meinem Modell tasten Sie sich an Verzweigungen vor und wählen den Weg, der Ihnen am besten erscheint…«

    Dieses „Vortasten“ muss aber doch einhergehen mit schrittweisem Informationsgewinn. Das aber kann ein Genom nach der reinen Lehre der Kunst nicht leisten.

  1035. @Wolfgang Stegemann / 18.05.2021, 14:49 Uhr

    » Woher soll denn der Zufall wissen, dass er sich im Himalaya befindet und ein effektiveres Hämoglobin generieren soll. «

    Falsche Frage. In der Population existieren von Anfang an Zufallsvarianten, deren Hämoglobin unterschiedlich gut Sauerstoff binden kann.

    In sauerstoffarmen Regionen haben dann die einen Reproduktionsvorteil, die besser Sauerstoff aufnehmen können.

    Am Ende ist die ganze Population an ein sauerstoffarmes Leben angepasst.

  1036. @ Wolfgang Stegemann 18.05.2021, 12:34 Uhr

    Wer tastet? Womit? Zu welchem Zweck? Nach welchem Kriterium werden Tastversuche verworfen?

    Darwins Evolutionslehre hat eine Antwort: Den gelungenen Versuch erkennen wir daran, dass er überlebt hat. Für Ihre kausale Emergenztheorie steht die Antwort noch aus.

  1037. @Stegemann 18.05. 14:49

    „Ich behaupte, es gibt absolut keine endogenen zufälligen Mutationen, die relevant wären.“

    Wenn sich über 100 Generationen in einer Population mit 10.000 Individuen zunächst in einem Individuum durch Mutationen ein Hämoglobin bildet, dass effektiver Sauerstoff bindet, so hat das doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit größer als Null.

    „Woher soll denn der Zufall wissen, dass er sich im Himalaya befindet und ein effektiveres Hämoglobin generieren soll.“

    Natürlich kann der Zufall selber das nicht wissen, deswegen ist diese Hämoglobinmutation ja auch bei Populationen ohne entsprechenden Bedarf genauso wahrscheinlich. Nur dort bringt sie keinen Vorteil, wahrscheinlich sogar einen Nachteil, z.B. erhöht da die Gefahr von Trombosen, wird sich also nicht nur nicht durchsetzen, sondern sogar ganz schnell wieder verschwinden.

    So denke ich jedenfalls wie Evolution funktioniert. Weil die Innovationen so selten sind, deswegen verläuft die Evolution ja auch so langsam. Was schneller geht, ist, dass sich im Zuge der sexuellen Fortpflanzung die Häufigkeiten bestimmter Genvarianten in einer Population zügig verändern können.

    Wie soll das denn sonst funktionieren? Woher weiß denn das Genom, welche neuen Proteinvarianten jetzt mal ausprobiert werden können? Das wäre sehr interessant, wenn es hier solche Kompetenzen gäbe. Aber soweit hier nichts bekannt ist, wie das gehen könnte, bleibt ja nur Versuch und Irrtum übrig. Oder geistige Beteiligung.

  1038. @Grams:
    “Für Ihre kausale Emergenztheorie steht die Antwort noch aus.”

    Da haben Sie recht, das dauert noch.

  1039. @Wolfgang Stegemann

    Rupert Riedl hat sich in „Riedls Kulturgeschichte der Evolutionstheorie“ intensiv mit der Adaptierbarkeit komplexer Systeme beschäftigt, insbesondere damit, dass es offenbar Beschränkungen gibt, was die Richtungen der möglichen Adaptierung betrifft. Es geht also um die Beziehung zwischen Gensystemen und Phänfunktionen—und damit „um die Akzeptanz des Vorliegens rückgekoppelter Kausalität oder ‚feedback-causality‘“.

    So richtig habe ich Riedl da nicht verstanden, zugegeben, aber es scheint darauf hinauszulaufen, dass
    „sich mit der Zeit ein Epigenesemuster entwickeln [muß], das den Mustern der Funktionseinheiten der Phäne entspricht, diese imitiert – imitatorische Genotypen und Archigenotypen.“ (was immer „Archigenotypen“ sein soll).

    Klingt ein bisschen verrückt, aber worauf es mir hier ankommt, ist, dass auch aus Riedls systemtheoretischer Sicht die Grenze zur Modifikation der Basen-Sequenz offenbar nicht überschritten werden kann. Riedl betont ausdrücklich, dass sein Konzept nichts mit Lamarckismus habe.

    Es hätte mich wirklich nicht verwundert, wenn Ihnen Riedls Texte mit seinen systemtheoretischen Vorstellungen geläufig gewesen wären.

    Sein Buch „Strukturen der Komplexität: Eine Morphologie des Erkennens und Erklärens“ (Springer, 2000) scheint mir auch sehr lesenswert zu sein, zumindest, wenn man sich für systemtheoretische Sichtweisen und die Grundlagen der evolutionären Erkenntnistheorie interessiert.

  1040. @Stegemann
    Chaostheorie!
    Wir überlegen ständig zwischen Determinismus und Zufall. Also zwischen entweder oder. Was wäre,wenn es ein gleichzeitiges sowohl als auch wäre.
    Dann hätten wir ein,den,Fall von Komplementarität,der in der Lösung die Akzeptanz des Paradox enthält.

  1041. @Balanus: Danke für den Link. Eigentlich ist das Thema, das mich interessiert, ein psychologisches, nämlich wie der Kopf den Körper beeinflusst (Placebo/Nocebo). Natürlich spielt die Genetik da auch eine Rolle.
    Was Sie von Riedl zitieren, entspricht ja schon meinen Vorstellungen. Ob Basensequenzen sich auf die genannte Weise ändern und wie, ist schwer nachzuweisen.
    Ich denke, der reine Zufall endogener Mutationen lässt sich nur schwer in Verbindung bringen mit der Systematik, die sich in Optimierung und Differenzierung widerspiegelt. In jedem Fall halte ich eine systemtheoretische Begründung der Evolution für weitaus erklärungsreicher.

  1042. @Grams:Antwort kausale Energenz
    Wäre die gleiche-überlebt.
    Wir können nur nicht deterministische oder zufällige Mutation beweisen.

  1043. Aus meinem Modell folgt [ich bleibe mal bei der illustrativen Darstellung], dass das, was man als “Mutation” sieht, das (positive oder negative) Ergebnis des ‘Aufbrechens’ des Genoms ist infolge einer neuartigen Situation. Nicht Situation des Genoms, sondern des Einzellers, denn er ist es ja, der sich in der Welt bewegt. Das Genom ist ‘bloß’ das Ensemble der Programm- und Speicherchips, die sich, im Unterschied zum Computer, stets verändern (Genetik, Epigenetik)
    Die Zelle ist die Kontrollebene des Genoms, es herrscht eine dialektische (Top-Down/ Bottom-up) Beziehung. Entsprechend liegt der Auslöser von Krankheit nicht im Genom, sondern in der Zelle (durch äußere Induktion von Strahlen, Toxinen, etc.)
    Mit jeder evolutiv weiteren Ebene kommt eine neue Beziehung, und damit Kontrollebene, hinzu: Mehrzeller (Gewebe bei uns), Organismen (Organe bei uns), solche mit einem ZNS (das bei uns eine eigene Entwicklung vollzogen hat).
    D.h. in meiner Vorstellung gibt es ebenso Freiheitsräume für neue Genotypen, aber nicht rein zufällig, sondern ausgelöst durch die Interaktion von Leben mit Umwelt.

  1044. @Stegemann 19.05. 08:31

    „D.h. in meiner Vorstellung gibt es ebenso Freiheitsräume für neue Genotypen, aber nicht rein zufällig, sondern ausgelöst durch die Interaktion von Leben mit Umwelt.“

    Entscheidend ist wohl in jedem Fall, dass wir Freiheitsräume brauchen, ohne dem sich keine Gelegenheiten für sinnvolle Mutationen der Basenfrequenzen bieten.

    Ob die Mutationen jetzt rein zufällig sind, ist eine Frage für sich. Eventuell könnte die Zellregulation bemerken, dass es einen Bedarf für ein besseres Hämoglobin gibt, und in der Folge den Genabschnitt, der das Hämoglobin codiert, zu einer verstärkten Mutationsrate freigeben?

    Wenn es dagegen um die Evolution des Coronavirus geht, so hat dieser ja nun keine eigene Zellregulation, und müsste hier also komplett auf zufällige Mutationen angewiesen sein. Aber auch hier braucht es unbedingt einen Möglichkeitsraum, etwa dass eine Verbesserung der Übertragbarkeit überhaupt möglich ist. Und jede Menge Infizierte, je mehr davon, desto mehr Experimentierfeld hat das Virus.

  1045. @Jeckenburger: Viren sind keine Lebewesen, sondern RNA-Schnipsel, die nur in Kontakt mit Wirtszellen mutieren. Ihnen fehlt der Stoffwechsel, der für ihre Evolution sorgen würde. Stellen Sie sich ein Virus als Tennisball vor, den Sie jeweils in andere Farbtöpfe tauchen. Mal wird er rot, mal grün etc. Das sind dann die Mutanten [simplifiziert ausgedrückt].

  1046. @Wolfgang Stegemann // 19.05.2021, 08:31 Uhr

    »Das Genom ist ‘bloß’ das Ensemble der Programm- und Speicherchips, die sich, im Unterschied zum Computer, stets verändern (Genetik, Epigenetik) «

    Ich verstehe das jetzt so: Das Genom ist das Ensemble der gespeicherten genetischen Programme. Da kann ich noch mitgehen. Aber was verändert sich da stets? Im Laufe der Evolution die Programme, ok, und im Lauf der Ontogenese die jeweils genutzten Programme (Genregulation, Epigenetik), auch ok. Ist das gemeint?

    » Die Zelle ist die Kontrollebene des Genoms, es herrscht eine dialektische (Top-Down/ Bottom-up) Beziehung. «

    Ich würde es so sagen: Im Genom steckt sie Information für die genregulatorische Zellmaschinerie, die gebraucht wird, um die genetisch codierte Information auszulesen.

    Das ist mMn eine eher zirkuläre Beziehung, bei der die im Genom gespeicherte Information unverändert bleibt. Die Zelle als „Kontrollebene“ des Genoms sorgt dafür, dass diejenigen Genabschnitte abgelesen werden, die gerade gebraucht werden für die Synthese der Struktur- und Regulationsproteine.

    » Entsprechend liegt der Auslöser von Krankheit nicht im Genom, sondern in der Zelle (durch äußere Induktion von Strahlen, Toxinen, etc.) «

    Ja und nein, würde ich meinen: Wenn z. B. Tumorsuppressorgene durch zelluläre Mechanismen deaktiviert und Onkogene aktiviert werden, dann ist ja irgendwie sowohl die Zellmaschinerie als auch das Genom an der Entstehung von Krebs beteiligt—wobei der eigentliche Auslöser (quasi als Erstursache) außerhalb der Zelle zu verorten ist.

    » Mit jeder evolutiv weiteren Ebene kommt eine neue Beziehung, und damit Kontrollebene, hinzu:.. «

    Ja, bezogen auf das ganze System. Von der Zelle oder dem Genom aus gesehen spielt es keine Rolle, ob die (Stör-)Signale aus der Peripherie der Körpers stammen oder von ganz außerhalb (Strahlung, Toxine).

    » D.h. in meiner Vorstellung gibt es ebenso Freiheitsräume für neue Genotypen, aber nicht rein zufällig, sondern ausgelöst durch die Interaktion von Leben mit Umwelt. «

    Nach meinen obigen Einlassungen wäre der Genotyp eines Organismus‘ lebenslang fix—bis auf den natürlichen Verschleiß, der in den Körperzellen das eine oder andere Gen oder Allel verändern kann. Das wäre eine Konsequenz aus der Interaktion mit der Umwelt. Wenn die Keimzellen von solchen Änderungen nicht betroffen sind, dann werden die Nachkommen dem Genotyp der Eltern entsprechen, plus den üblichen Veränderungen durch Mutation und Rekombination. In diesem Falle spielt die Umwelt keine Rolle, d.h., sofern keine mutagenen Substanzen das Erbgut verändert (i. d. R. geschädigt) haben

    Ich weiß jetzt nicht, inwieweit ich Ihre Ausführungen bloß in andere Worte gefasst habe, oder ob sich unsere Vorstellungen, wie lebende Systeme funktionieren, wirklich fundamental unterscheiden.

    (Wieso bloß geraten meine Beiträge immer viel länger als Ihre ?? ;- ))

  1047. @Stegemann 19.05. 13:48

    „Mal wird er rot, mal grün etc. Das sind dann die Mutanten [simplifiziert ausgedrückt].“

    Trotzdem können Viren riesigen Schaden anrichten. Sie evolvieren eben doch, und werden dabei kaum absichtlich von den Wirtszellen in ihren Mutationen unterstützt. Ihre Evolution ist dann im Wesentlichen zufällig.

    Dass Mutationen ganz durch Zufall entstehen, und nur die Selektion dafür sorgt, dass etwas Gerichtetes daraus wird, bleibt möglich. Kann man das nicht nachrechnen? Wenn sinnvolle Mutationen häufiger wären als sinnlose, statistisch erwartet, dann müsste man hier entweder einen zelleigenen Prozess annehmen, wie ihnen das wohl vorschwebt, oder es würde ein kosmischer Geist mitspielen, wie ich meine, und über auch mal gezielte Quantenzufälle dann eher sinnvolle Mutationen verursachen.

    So oder so, wir haben es mit etlichen 100.000 Jahren zu tun, die es braucht, dass sich eine Spezies richtig ausbildet und weiterentwickelt, und neue Arten entstehen können. Hier kann die Beobachtung, dass fast jedes biologische Detail seinen Sinn im Organismus hat, den Schluss nahelegen, dass hier eine durchgehende intelligente Konstruktion dahinter steckt. Man hat hier nicht vor Augen, dass Millionen von Individuen stets fähig sind neue Mutationen zu erzeugen, da ist dann über tausende von Generationen doch jede Menge Gelegenheit, Bauanleitungen für verbesserte Proteine auch ganz per Zufall zu erzeugen.

    Hat sich die Bauanleitung für das neue Protein erstmal einmal gebildet, kann dann die Selektion dafür sorgen, dass sie sich nachfolgend in der ganzen Population ausbreitet und irgendwann zum Standard wird. Und diese Ausbreitung vorteilhafter Eigenschaften kann mit ganz vielen Innovationen gleichzeitig passieren. Hier werden dann die Größe der Population und die langen Zeiträume maßgeblich.

    In diesem Sinne muss man vom Individuum weg, und die ganze Population in den Blick nehmen.

  1048. @Balanus: Ich denke, dass wir im Wesentlichen übereinstimmen, jedenfalls, was ich herauslese.

  1049. @Stegemann
    Viren sind keine Lebewesen, sondern RNA-Schnipsel, die nur in Kontakt mit Wirtszellen mutieren. Ihnen fehlt der Stoffwechsel, der für ihre Evolution sorgen würde.

    Es gibt RNA-, DNA- und Retroviren. Selbstverständlich können sie auch ohne Wirtszellen mutieren, z.B. durch UV-Licht. Der Kopiervorgang in der Wirtszelle begünstigt Mutationen, besonders bei RNA-Viren.

    Richtig ist, dass es neben den zufälligen Mutationen (SNPs, INDELs) auch systemische Mutationen gibt, wie Genduplikationen, Chromosomenmutationen springende Transposons und Viren-DNA. Die Mutationen schaffen Genom-Varianten, an deren Phänotypen die Selektion angreifen kann. Die meisten zufälligen Punktmutationen sind neutral, weil sie in nichtkodierende Bereiche fallen, oder weil sie keinen Effekt auf das Genprodukt haben. Ursache dafür kann der degenerierte, redundante Kode oder ein rezessives Allel sein.

    Was hat der Stoffwechsel mit der Evolution zu tun? Die Evolution ist eine Folge der fortlaufenden Reproduktion, ohne die Möglichkeit eines Reset. Der Stoffwechsel ist natürlich für den Erhalt des Lebens an sich notwendig.

  1050. @Reutlinger: Viren sind Gen-Schnipsel, darum geht es. Mutationen finden ausschließlich durch eine Wirtszelle statt (UV-Licht tötet sie).
    Transposons sind keine Viren, auch nicht deren Mutationen. Da Viren keine Lebewesen sind, ist es unsinnig, von Evolution im Sinne der Entstehung von Arten zu sprechen, darum ging es.

  1051. @Stegemann
    Mutationen finden ausschließlich durch eine Wirtszelle statt (UV-Licht tötet sie).

    UV-Licht führt zu Mutationen, die bei ausreichender Stärke für die Zelle oder das Virus auch tödlich sein können, insbesondere bei Hautzellen, wodurch der Hautkrebs entstehen kann.

    Die DNA von Viren muss zur Reproduktion in die DNA der Wirtszelle integriert werden, was definitionsgemäß eine Mutation darstellt. Solche DNA trägt nicht unwesentlich zur Evolution bei.

  1052. Frei zitiert, *Wir waren auf dem Mond, wissen aber nicht, was Bewusstsein ist*. Ich möchte darauf hinweisen, dass es Menschen gibt, die die Mondlandung bezweifeln und das in vollem Selbstbewusstsein . Doch das wird anderswo diskutiert, natürlich war die Mondlandung eine super Show und die Courrege-Anzüge der Astronauten sehr schick e.c.t, e.c.t. Ein Freund von mir pflegt zu sagen, wer an Gott glaubt, muss dumm sein. Doch da bin ich anderer Meinung. Denn für mich ist alles beseelt, ob Wind , Stein, Wasser, Gewässer, was da kreucht und fleucht, Flora und Fauna. Und alles zusammen ergiebt die Weltenseele. Denn das Auge erhellt das Seelenfünkelin, wie er Meister Eckhard zu sagen pflegte.
    Und nur kurz zur Definition von Anima!
    1. Lufthauch, Wind, Luft
    2. Atem, Hauch
    3.Seele, Leben(skraft)
    4. beseelte Wesen
    5.Seelen der Verstorbenen, Schatten, Magen
    6. Geist, Deckkraft
    7. Als Kosewort, Seele (Seelchen)
    Wenn das nicht ein tolles Programm ist… Doch es geht weiter in der männlichen Form.
    animus
    1. Geist, Deckkraft, Gedanken
    2.Seele, Herz Gefühl, Empfindung
    3.Lebenskraft, Leben
    4. Stimmung, Gesinnung, Sinn, Gemütsart, Charakter
    5. Energie, Mut, Selbstvertrauen, Zuversicht
    6. Hochmut, Stolz, Übermut (meist pl.)
    7.Zorn, Heftigkeit
    8. Vergnügen, Lust
    9.Wille, Wunsch, Verlangen, Vorsatz, Absicht
    10. Urteil, Überzeugung, Meinung
    11. Bewusstsein, Besinnung
    12. Gedächtnis

    Das ist nun das volle Program……
    Und um es mit Goethe zu sagen,
    Dem Klugen ist alles kluge, dem Törichten alles töricht.
    Oder, Sophisten und Grammatiker werden sich nie verstehen mit den Animisten, und erstgenannte werden wohl noch in tausend Jahren darüber streiten, wieviele Ruderer die Flotte des Odysseus nun zählte, e.c.t, e.c.t. Alles Erbsenzähler…

Schreibe einen Kommentar