Was ist Naturalismus?

Im dritten Teil der Serie über Bewusstsein, Philosophie, Religion und Naturwissenschaft beschäftigen wir uns mit Naturalismus, Neuem Atheismus, Dogmatismus, Natürlichem und Übernatürlichem.

Serie in sechs Teilen

  1. Grundlagen: Materialismus, Reduktionismus, Ontologie & Epistemologie (3.2.2021)
  2. Zwischenbilanz & Erklärung von Alltagsphänomenen (8.2.2021)
  3. Naturalismus & Ost vs. West (15.2.2021)
  4. Intermezzo: Konflikt oder Vereinbarkeit? (22.2.2021)
  5. Zwischenfazit (1.3.2021)
  6. Was wir vom Rätsel Bewusstsein lernen können (15.3.2021)

Komplexe philosophische Begriffe

Bisher haben wir uns mit Definitionen wichtiger philosophischer Begriffe wie “Materialismus” und “Reduktionismus” beschäftigt. Am Ende des zweiten Teils ging es dann um die wissenschaftlichen Erklärungen von Alltagsphänomenen, etwa der Glätte von Eis oder dem Heben des Arms. Dabei fanden wir heraus, dass bei näherer Betrachtung erstaunlich viele Fragen offenblieben.

Solche Beispiele sind auch für einen anderen “Ismus” von Bedeutung, der durch so manche Diskussion geistert, nicht zuletzt den Gastbeitrag Timm Grams’: den Naturalismus. Ein Blick in die Stanford-Enzyklopädie für Philosophie verrät sofort: “Der Term ‘Naturalismus’ hat in der heutigen Philosophie keine sehr genaue Bedeutung.”

Mal meint man damit, dass die Naturwissenschaften alles erklären können (das wäre also eine epistemische Interpretation); mal will man die Möglichkeit übernatürlicher Phänomene – wie Gedankenlesen/Telepathie oder Levitation – ausschließen (eine Aussage über das Sein und damit ontologisch).

Im Prinzip stecken die wesentlichen Zutaten schon im Materialismus/Physikalismus, wie wir ihn vorher kennengelernt haben. Historisch waren im Englischen die naturalists übrigens schlicht Naturforscher, ging es also gar nicht um Philosophie.

Der Wissenschaftsphilosoph Peter Janich (1942-2016) bezeichnete Naturalismus in einem Essay im Spiegel einmal als Gläubigkeit gegenüber den Naturwissenschaften und lag damit meiner Meinung nach ganz richtig. Aberwitzig wird es, wenn Naturalisten ihr Mantra “In der Welt geht es mit rechten Dingen zu!” herbeten, denn so haben früher schließlich religiöse Naturwissenschaftler Gott gesehen: Als das Wesen oder Prinzip, das Ordnung in der Welt und damit Naturerkenntnis überhaupt erst ermöglicht; so hielten manche dann auch die Natur für die göttliche Offenbarung, die es zu studieren gelte.

Natur und Wunder

Bevor man den Naturalismus vertritt, möge man sich erst einmal mit der philosophischen Diskussion zur (Un-)Möglichkeit von Wundern befassen. Schon David Hume (1711-1776) erläuterte den schwierigen Standpunkt des Wundergläubigen, einerseits erklären zu müssen, dass ein Vorgang eigentlich unmöglich ist, denn sonst wäre er kein Wunder, und andererseits darzulegen, dass er eben doch passierte. Und wie viele Vorgänge, die für uns heute selbstverständlich sind, wie das Sprechen mit räumlich abwesenden Personen (Tele-fonie, Chats), hätte man vor wenigen Jahrhunderten noch für ein Wunder gehalten?

Der Verdacht liegt nahe, dass der Naturalist in einer Pattsituation – nämlich die Existenz eines Gottes oder anderer religiöser Phänomene weder objektiv beweisen noch widerlegen zu können – die heute sehr einflussreich gewordene Naturwissenschaft gegen seinen Diskussionsgegner instrumentalisieren will. Und wer ist sein Diskussionsgegner? Eben der Gläubige, für den es “Übernatürliches” gibt.

Verfechter des Naturalismus – allen voran Richard Dawkins, Daniel Dennett, Sam Harris und Christopher Hitchens, auch bekannt als die “Vier Reiter des Neuen Atheismus” – schreiben zwar auflagenstarke Bücher. Von ihrem persönlichen Profit abgesehen scheinen ihre Bemühungen aber nicht sehr erfolgreich zu sein, wenn man sich das Erstarken der Religionen sowie des religiösen Fundamentalismus weltweit vor Augen führt: Gerade einmal 16% der Weltbevölkerung sehen sich als nichtreligiös.

In den USA, einer der wichtigsten westlichen Demokratien, hat man es jüngst wieder gesehen: Dort werden zu bedeutenden politischen Anlässen Pfarrer eingeladen und betet man gemeinsam im Parlament: “In God we trust. And God bless America. Amen.” Und dabei ist noch nicht einmal an die größte Demokratie der Welt gedacht, wo man an eine Vielzahl von Göttern und übernatürlicher Phänomene glaubt, nämlich Indien.

Wissenschaft und Weltanschauung

“Naturalismus” erscheint dann als ein sprachlich an “Naturwissenschaft” angelehnter alternativer Kampfbegriff, weil “Physikalismus” viele verwirren würde, “Materialismus” altmodisch klingt und zudem eine negative Bedeutung aus der Alltagssprache mitbringt, nämlich materiellen Werten nachzustreben. Den Gottgläubigen kann man nicht argumentativ widerlegen, deshalb tut man so, als sei sein Standpunkt unwissenschaftlich, im Widerspruch zu den Naturwissenschaften – und damit nicht mehr diskursfähig.

Die Cancel Culture lässt grüßen: Anstatt sich mit seinem Gegenüber zu verständigen, grenzt man den Anderen einfach als irrational aus. Das hat mit dem Projekt der Aufklärung nichts mehr zu tun. Naturalismus ist ebenso wenig Naturwissenschaft wie Physikalismus Physik. Zwei Bezugssysteme können sich prinzipiell nur dort widersprechen, wo sie denselben Gegenstandsbereich haben.

Für wen Gott das metaphysisch ordnende Prinzip ist oder der Ursprung von allem, dessen Standpunkt kann man prinzipiell nicht naturwissenschaftlich widerlegen. Wer hingegen aus einer alten Schrift ableitet, die Erde sei maximal 10.000 Jahre alt, dessen Standpunkt ist durchaus naturwissenschaftlich widerlegt. Ähnlich können sich Wetterbericht und Fußballergebnisse nicht widersprechen, außer wenn beispielsweise wegen schweren Unwetters die Spiele abgesagt werden mussten.

(Natur-) Wissenschaft ist mehr als nur eine Überzeugung. Naturalismus ist aber nur ein Überzeugungssystem wie viele andere. Philosophie, Ideologie, Überzeugungs- und Glaubenssystem auf der einen und Wissenschaft auf der anderen Seite sollte man strikt trennen. Erinnern wir uns an das agnostische Prinzip des großen Biologen-Philosophen Thomas H. Huxley (1825-1895), auch bekannt als “Darwins Bulldogge”:

“Agnostizismus ist tatsächlich kein Glaube, sondern eine Methode […]. Positiv formuliert kann das Prinzip so ausgedrückt werden: Folge in Sachen des Intellekts so weit deiner Vernunft, wie sie dich tragen wird, ohne Rücksicht auf andere Überlegungen. Und negativ: Gebe in Sachen des Intellekts nicht vor, dass Schlussfolgerungen sicher sind, die nicht bewiesen wurden oder nicht beweisbar sind.”

Huxley, 1893, S. 245f.; dt. Übers. d. A.

Mit anderen Meinungen leben

Dieses Vernunftprinzip, das Huxley übrigens vom Philosophen Sokrates (469-399 v. Chr.) herleitete, gebietet eine gewisse Bescheidenheit. Eine Bescheidenheit, nicht so zu tun, als ob. Und natürlich wurden und werden religiöse Systeme manchmal zur Manipulation missbraucht, genauso wie Wissenschaftler manchmal ihre Karriereinteressen über die Suche nach der Wahrheit stellen.

Für die agnostische (von griechisch agnostos = nicht erkennbar) Bescheidenheit spricht nicht nur die Vernunft, sondern auch die Empirie, unsere Erfahrung vom Weltgeschehen: Außerhalb der säkularen Enklave Westeuropas nehmen religiöse Strömungen zu. Da mögen sich Naturalisten noch so sehr freuen, wenn die Zahl der Konfessionslosen in Deutschland oder vor allem hier in den Niederlanden immer größer wird – im weltweiten Maßstab fallen sie kaum ins Gewicht.

Anstatt gläubige Menschen und damit die Mehrheit der Menschheit auszugrenzen, sollte man sich daher besser überlegen, wie man mit ihnen friedlich zusammenlebt. Der Dogmatismus und die Überheblichkeit, mit der Naturalisten bisweilen auftreten, wird Andersdenkende wohl kaum überzeugen. So schreibt etwa Sam Harris, einer der genannten “Vier Reiter des Neuen Atheismus”, auf den mich meine Studierenden über die Jahre immer wieder angesprochen haben:

“Die östliche Weisheit hat keine Gesellschaften oder politischen Institutionen produziert, die irgendwie besser sind als ihre westlichen Gegenstücke; tatsächlich könnte man argumentieren, dass Indien als größte Demokratie der Welt nur wegen der unter britischer Herrschaft aufgebauten Institutionen überlebt hat. Noch hat der Osten die Welt nicht in wissenschaftliche Entdeckungen geführt.”

Harris, 2014, S. 28; dt. Übers. d. A.

Westen gegen Osten

Harris scheint hier die Geschichte der westlichen Kolonialmächte nicht vor Augen zu haben. Diese haben nämlich mit ähnlichen Erzählungen von der Überlegenheit der “Weißen” und Rückständigkeit der Anderen die Besetzung, Unterdrückung und zum Teil sogar Vernichtung ganzer Völker gerechtfertigt.

Auch hat Harris’ eigene Nation (die USA) seit gut zwanzig Jahren vielfach Völker- und Menschenrecht gebrochen, wenn es ihren Interessen nutzte. Sie hat auch immer wieder internationale Verträge gekündigt oder ignoriert, obwohl diese der friedlichen Zukunft von Mensch und Natur dienen.

Die Besetzung des Kapitols vom 6. Januar 2021 durch wütende Teile der US-Wählerschaft, während die Volksvertretung die Ergebnisse demokratischer Wahlen bestätigte, ist ebenfalls in guter Erinnerung (Wie gefährlich Fake News wirklich sind). Davon abgesehen haben beleidigte Briten, als sie die Unterdrückung Indiens aufgaben, den Zusammenbruch des Landes innerhalb weniger Jahre prophezeit. Bis heute behauptet sich der Subkontinent aber und ist sogar zur Atom- und Wirtschaftsmacht aufgestiegen.

Aufstrebendes Asien

Es ist noch gar nicht so klar, wie das Rennen zwischen Ost und West ausgehen wird. Allein aufgrund der schlechten demographischen Entwicklung ist es unwahrscheinlich, dass das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert Europas oder Nordamerikas werden wird. Es gibt schlicht zu wenig Nachwuchs. Da man Zuwanderung in vielen Ländern auch nicht will, wird die Wirtschaft wohl schrumpfen; und dass ein Wirtschaftseinbruch auch die demokratischen Institutionen schwächen wird, zeichnet sich jetzt schon ab.

Währenddessen geht Chinas Wachstum mit seiner konfuzianisch-daoistischen Staatsphilosophie weiter und weiter. In Afrika sichert man sich wichtige Kontakte für die Zukunft – und zwar nicht, oder jedenfalls bisher nicht, mit Staatsputschen und Angriffskriegen, wie der ach so zivilisierte Westen es oft genug vorgemacht hat, sondern mit direkter Wirtschaftshilfe.

Auch viele andere asiatische Länder haben eine junge Bevölkerung, die bereit dazu ist, für mehr Wohlstand hart zu arbeiten. Viel spricht dafür, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert Asiens wird.

Dass in vielen dieser Länder neben Buddhismus, Hinduismus und Islam ein traditioneller Ahnen- oder Naturgeisterglaube weitverbreitet ist, selbst im technologisch so hoch entwickelten Japan, wird dem nicht entgegenstehen. Im Gegenteil stützt dies vielleicht sogar die gesellschaftliche Identität, während wir im individualisierten wie säkularisierten Westen – jedenfalls in den Städten – nicht einmal mehr unsere Nachbarn gut kennen.

Falsifizierbarer Physikalismus?

Zum Stichwort “Übernatürliches” noch einmal ein interessantes Zitat von Harris. Dieser meint erst, der Leib-Seele-Dualismus sei nicht falsifizierbar (was wohl schon für Descartes, der Aussagen über die Arbeitsweise der Zirbeldrüse traf, nicht stimmt), und schreibt dann über den Physikalismus, den er hier wohl synonym zum Naturalismus verwendet:

“Der Physikalismus könnte, im Gegensatz dazu, leicht falsifiziert werden. Falls die Wissenschaft jemals die Existenz von Geistern oder Reinkarnation bestätigt, oder irgendeines anderen Phänomens, das den menschlichen Geist (vollständig oder in Teilen) außerhalb des Gehirns platziert, dann wäre der Physikalismus tot.”

Harris, 2014, S. 191; dt. Übers. d. A.

Hier müsste man erst einmal anmerken, dass Harris mindestens zwanzig Jahre Fortschritt in den Kognitionswissenschaften verschlafen hat: Denn dort hat man sich in großen Teilen darauf geeinigt, Stichworte “embodyment” und “situatedness”, dass sich psychische Prozesse sehr wohl über das Gehirn auf den Körper und die Umgebung ausdehnen. Die Extended-Mind-Hypothese (z.B. nach Andy Clark und David Chalmers, 1998; 2010 gab es schon einen Sammelband bei MIT Press) ist auch bei Technikfreaks, Cyborgs und in der Augmentation- und Bodyhacking-Szene populär.

Beim Wort genommen, müsste der Physikalismus laut Harris also schon als widerlegt gelten. Immerhin dehnen sich psychische Prozesse laut “extended mind” nicht nur über das Gehirn auf den Körper, sondern auch auf Computerchips, Gadgets, Apps und andere Hilfsmittel aus.

Außerdem ist das mit der Falsifikation von Karl Popper (1902-1994) – übrigens einem notorischen Substanzdualisten! – zwar gut gemeint, doch in der Praxis wenig nützlich. Denn wenn ein Team von Wissenschaftlern die Hypothese oder Theorie einer anderen Gruppe falsifiziert zu haben scheint, dann streitet man sich regelmäßig über die Zulässigkeit der Methoden und die Interpretation der Ergebnisse. Beispiele hierfür kennt die Wissenschaftsgeschichte zuhauf (Vielleicht doch keine neuen Nervenzellen im Gehirn – na und?!).

Übernatürliches

Sam Harris dürfte nur zu gut wissen, dass Begriffe wie “Geister” oder “Reinkarnation” schon begrifflich schwer zu fassen und damit wissenschaftlicher Forschung kaum zugänglich sind, wenn überhaupt. Er ließ sich übrigens selbst von Meditationslehrern der tibetanischen Dzögchen-Tradition ausbilden, also von Buddhisten, die behaupten, die tiefste Ebene des Bewusstseins sei vom Körper unabhängig, die “Buddha-Natur” der Menschen werde wiedergeboren und ihre nächste Inkarnation könne man noch nach dem körperlichen Tod beeinflussen. Für die nötigen Rituale bitten die hierfür speziell ausgebildeten Mönche freilich die Hinterbliebenen um großzügige Spenden.

So erhärtet sich mein Eindruck, beim Physikalismus/Naturalismus handle es sich um “Kampfbegriffe”, die noch nicht einmal ihre Verfechter richtig verwenden können. Ich erinnere noch einmal von Peter Janichs Definition von Naturalismus als “Gläubigkeit gegenüber den Naturwissenschaften.”

Wer glaubt, denkt bisweilen nicht mehr kritisch nach und übersieht seine blinden Flecke. Und nehmen wir einmal an, man würde in Zukunft auf Phänomene stoßen, die man sich heute noch nicht vorstellen kann: Als Wissenschaftler würde man sie nicht ignorieren, sondern als Teil der Natur anerkennen und erklären wollen. Daher rührt nämlich auch der Ursprung des Wortes “Physik”: griechisch physikos, die Natur betreffend. Mit anderen Worten: Gäbe es Engel oder Geister, wir würden versuchen, sie wissenschaftlich zu erklären, so wie alle anderen Phänomene auch.

Im vierten und letzten Teil beschäftigen wir uns noch einmal mit dem Rätsel des Bewusstseins und kommen wir auf die Frage nach dem sinnvollen Leben.

Literatur

  • Clark, A. & Chalmers, D. J. (1998). The extended mind. Analysis. 58, 7-19.
  • Harris, S. (2014). Waking Up: A Guide to Spirituality Without Religion. Simon & Schuster.
  • Huxley, T. H. (1893). Collected Essays, Vol. V. Macmillan.

Titelgrafik: geralt auf Pixabay.

Avatar-Foto

Die Diskussionen hier sind frei und werden grundsätzlich nicht moderiert. Gehen Sie respektvoll miteinander um, orientieren Sie sich am Thema der Blogbeiträge und vermeiden Sie Wiederholungen oder Monologe. Bei Zuwiderhandlung können Kommentare gekürzt, gelöscht und/oder die Diskussion gesperrt werden. Nähere Details finden Sie in "Über das Blog". Stephan Schleim ist studierter Philosoph und promovierter Kognitionswissenschaftler. Seit 2009 ist er an der Universität Groningen in den Niederlanden tätig, zurzeit als Assoziierter Professor für Theorie und Geschichte der Psychologie.

357 Kommentare

  1. Zitat:

    Zum Stichwort “Übernatürliches” noch einmal ein interessantes Zitat von Harris. Dieser meint erst, der Leib-Seele-Dualismus sei nicht falsifizierbar.

    “Der Physikalismus könnte, im Gegensatz dazu, leicht falsifiziert werden. Falls die Wissenschaft jemals die Existenz von Geistern oder Reinkarnation bestätigt, oder irgendeines anderen Phänomens, das den menschlichen Geist (vollständig oder in Teilen) außerhalb des Gehirns platziert, dann wäre der Physikalismus tot.”

    Dass der Physikalismus falsifizierbar ist spricht ja gerade für ihn.
    Was nicht falsifizierbar ist, ist wohl darum nicht falsifizierbar, weil es keine Beobachtungen geben kann, die es widerlegen kann.

    Wenn man über etwas prinzipiell nicht Falsifizierbares spricht, spricht man entweder über eine Tautologie, also eine Wahrheit, die schon immer wahr war und es immer bleiben wird oder man spricht über eine Fiktion, die kaum etwas mit der Aussenwelt, kaum etwas mit der Welt der Dinge zu tun hat.

    Hier aber kommt das Problem: Diejenigen, die an einen Gott glauben, galuben in der Mehrzahl, dass Gott in diese Welt eingreift und sie lenkt. Und schon haben wir das Problem der Theozidee, also das Problem wie Gott all das Unheil und Übel, dass es hier gibt, zulassen kann.

    Huch: Wer sich mit Theozidee beschäftigt, der stellt genau die Frage ob das was hier geschieht, den Glauben in Frage stellt oder gar falsifiziert.

  2. Anstatt gläubige Menschen und damit die Mehrheit der Menschheit auszugrenzen, sollte man sich daher besser überlegen, wie man mit ihnen friedlich zusammenlebt. Der Dogmatismus und die Überheblichkeit, mit der Naturalisten bisweilen auftreten

    Da hat wohl jemand den Balken im eigenen Auge übersehen. (In Deutschland) sind es doch die beiden Staatskirchen, die Ungläubigen auf Grund ihres Unglaubens kündigen (dürfen).
    Welche Naturalisten wollen denn nicht mit anderen friedlich zusammen leben? Sind es nicht Islamisten, die das nicht wollen?
    “Dogmatismus und die Überheblichkeit” Das gilt doch viel mehr für Gläubige. Naturalisten würden sich doch leicht überzeugen lassen, würde ihnen ein Engel etc. präsentiert wird. Theisten können ihren Gott doch nicht mal widerspruchsfrei zur Welt definieren. Stichwort Theodizee.

  3. Die Ismen sind Symbole für die dahinter stehenden komplexen Weltanschauungen. Durch ihren hohen Abstraktionsgrad kann man sie leicht missverstehen und auch missbrauchen, sei es von Anhängern oder von Gegnern. Dadurch werden sie allmählich zu Kampfbegriffen, wodurch eine bewusste Umdeutung einsetzt und Missverständnisse und Missbrauch weiter verstärkt werden, so dass sie ihre ursprüngliche Bedeutung weitgehend verlieren.

    Das ändert jedoch nichts an der eigentlichen Bedeutung der Begriffe als Stellvertreter einer Weltanschauung und rechtfertigt nicht deren Ablehnung oder Forderungen nach ihrer Abschaffung. Selbstverständlich darf man Kritik üben, gerade auch an Missverständnissen und Missbrauch. Ein Missbrauch ist bspw. die Darstellung des Atheimus als Gefahr für Moral und Gesellschaft, wie es Kleriker oder Theisten gerne tun.

    Der Naturalismus ist der Glaube an die Erklärungskraft der Naturwissenschaft, hinsichtlich des Weltgeschehens, des Lebens allgemein und speziell auch des Menschen. Zu den Aufgaben der Philosophie gehört es, Grenzen der Erkenntnis und somit der Naturwissenschaft zu ergründen und aufzuzeigen. Die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass sowohl festgefügte als auch fließende Grenzen vorhanden sind, wobei die Meinungen sehr unterschiedlich sein können – je nach Weltanschauung.

  4. Auf die Idee, den ontologischen Materialismus als Naturwissenschaftsgläubigkeit zu interpretieren kommt man erst heute mit dem Erfolg der Naturwissenschaften.

    Doch seinen Ursprung hat der Naturalismus/ontologische Materialismus sowohl in antiken westlichen wie in östlichen Kulturen. Demokrit, Epikur, Lukrez waren alle davon überzeugt, dass es nur eine Welt gibt und dies die Welt sei in der wir leben. Keiner dieser Philosophen hat die Amoral gelehrt, sondern nur gerade die Lebensfreude – etwas, was viele Gott- und Jenseitsgläubige allerdings bereits für Amoral halten. Denn wer dieses Tal des Leidens und Schmerzes gar noch liebt kann in den Augen der Jenseitsgläubigen nicht ganz klar im Kopf sein.

    Wenn diese Epikureer und Lukrez-Jünger gar noch verkünden, man müsse jetzt leben und nicht auf das Jenseits warten, dann wird wohl dem letzten Jenseits-Gläubigen klar, was für gefährliche Gesellen sich da im Wartesaal der Jenseits-Reisenden eingefunden haben. Wollen die etwa den Himmel auf Erden und wollen sie gar uns, den Jenseits-Geneigten, das Jenseits madig machen? Aber nicht mit uns! Werft sie aus dem Wartsaal hinaus in die schmutzige Welt wo sie von den Würmern zerfressen oder von unseren Atombomben vernichtet werden!

  5. Das Herummäkeln am Popper-Kriterium („wenig nützlich“) stört mich inzwischen sehr. Das Störfeuer kommt vor allem von denen, die gern im Trüben fischen.
    Das Kriterium der Falsifizierbarkeit ist kein Rezept, das eine mechanische Anwendung erlaubt. Es ist für mich ein konstitutiver Bestandteil einer inneren Haltung, gepaart mit Aufrichtigkeit und der Fähigkeit zur fairen Diskussion. Ich denke, Herr Schleim, dass auch Sie das eher so sehen und die abschätzige Bemerkung nicht ganz so ernst meinen. Wenn doch, bitte ich um Erläuterung.
    Wer so etwas noch nicht erlebt hat, kann vielleicht nicht einmal ahnen, welche Kraft in dem Kriterium steckt: In „Grundlagen des Qualitäts- und Risikomanagements“ (2001) schreibe ich von einem mehrjährigen Projekt. Die Arbeitshypothese war, dass eine vielversprechende grafische Bedienoberfläche, die eine anschauliche Repräsentation des Kraftwerkszustands erlaubt, die Urteilsfindung im Fehlerfall beschleunigt. Das Ergebnis war, dass die rasche Urteilsfindung tatsächlich gegeben war, nur dass das Urteil viel zu oft falsch war. Die Bedienoberfläche begünstigte das Einfrieren von Vorurteilen.
    Die Abschlussbesprechung, in der der Projektleiter das vernichtende Ergebnis vorstellte, war für mich ein unvergessliches emotionales Erlebnis. Was für ein großartiger Wissenschaftler! Popperianer eben.

  6. @Mainländer: Wie man’s dreht und wendet

    Mir sind im Leben mehr dogmatische Naturalisten als dogmatische Theologen begegnet. Das mag aber natürlich an meinem Umgang liegen.

    Sie sollten umgekehrt nicht Gott auf den in einer bestimmten christlichen Tradition (mit den drei Eigenschaften: Allgütigkeit, Allmächtigkeit und Allwissendheit) definierten Gott reduzieren; dann gibt es nämlich auch kein Theodizeeproblem. (Auch dies ist also ein Problem der Dogmatik.)

    So oder so lohnt es sich, auch einmal links und rechts vom Tellerrand zu schauen, was es sonst noch so gibt.

  7. @Grams: Popper/Falsifikation

    Popper schrieb nach meinem Verständnis darüber, wie eine ideale Wissenschaft wäre; nicht wie die wirkliche Wissenschaft ist.

    Man sollte sich um Falsifikation bemühen, ja, doch in der Praxis macht es kaum einer; und wenn es doch jemand versucht, verliert man sich im Kleinklein. Am liebsten scheint man aber dem Anderen vorzuwerfen, seine Position sei nicht falsifizierbar (wie hier Sam Harris). Das stört mich.

    Ein einflussreicher deutscher Physiker schrieb einmal, ein Wissenschaftler müsse an dem am meisten zweifeln, was seinem Herzen am nächsten sei (siehe die DFG Denkschrift zur Guten Wissenschaftlichen Praxis). Wo ist aber denn bitte heute noch Platz für Zweifel in der Wissenschaft? Und sogar als Philosoph muss man heute vor allem dies sein: produktiv.

  8. Zitat Stephan Schleim

    Wo ist aber denn bitte heute noch Platz für Zweifel in der Wissenschaft?

    Antwort: Experimentalphysiker sind professionelle Zweifler. Mit Maschinen wie dem LHC wollen sie etwas messen, was den Aussagen von Theoretikern widerspricht (und einen Widerspruch finden sie bei vielen Hypothesen). Oder sie wollen eine bereits etablierte Theorie bis zu ihren Grenzen ausreizen und nachschauen ob sie auch noch unter Extrembedingungen gilt.

    Natürlich wird diese Haltung zur Ausnahme wenn es in den Bereich der Anwendungen und der Technik geht. Bei einer neuen Batterietechnologie wird der Forscher zuerst einmal hervorheben wie vielversprechend sie ist und ihre Schwachstellen vielleicht nur in einem Nebensatz erwähnen, denn sonst kann er seine Forschung nicht fortsetzen.

    Wie aber steht es in der Allgemeinbevölkerung um das Interesse an der Falsifizierbarkeit oder besser gesagt daran, zu hören was man alles falsch macht?
    Erstaunlicherweise ist das Interesse daran viel grösser als man zuerst erwartet. Allerdings wollen die Menschen eher aus Büchern oder in der Not nich von einem guten Freund erfahren, was sie falsch machen, als von irgendeinem dahergekommenen. Ein Beispiel dafür, für die Suche des Publikums nach Korrektur ist – stellvertretend für einen wichtigen Teil der Ratgeberliteratur – das Buch Die Kunst des klaren Denkens: 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen.
    Die Leute wollen sich also verbessern, sie wollen lernen Denkfehler zu vermeiden. Der Glaube daran, dass man sich selbst verbessern kann, dass man klüger werden kann, aus Fehler lernen kann, der ist immer noch recht verbreitet.
    Vielleicht ist es ja so, dass Leute die Zuflucht bei der Religion erst dann suchen, wenn sie sich selber aufgegeben haben, wenn sie glauben, jetzt könne ihnen nur noch jemand aus dem Jenseits helfen.

  9. Es würde mich sehr wundern, wenn Popper von “idealer Wissenschaft” gesprochen hat. Seine Logik der Forschung ist in meinen Augen durch und durch pragmatisch. Er sagt, nach welchen Regeln das Spiel empirische Wissenschaft gespielt werden sollte. Wer sich nicht an die Regeln hält, spielt eben ein anderes Spiel.

  10. Aberwitz

    Aberwitzig wird es, wenn Naturalisten ihr Mantra “In der Welt geht es mit rechten Dingen zu!” herbeten, denn so haben früher schließlich religiöse Naturwissenschaftler Gott gesehen: Als das Wesen oder Prinzip, das Ordnung in der Welt und damit Naturerkenntnis überhaupt erst ermöglicht; so hielten manche dann auch die Natur für die göttliche Offenbarung, die es zu studieren gelte.

    Oder aber so: Früher war es üblich, dass man bei manchen ungewöhnlichen Vorkommnissen lieber sagte, es sei ‘nicht mit rechten Dingen zugegangen’, als dass man offen von Hexerei gesprochen hätte.

  11. Klar ist die Interpretation von Balanus die richtige, die Interpretation mit der Negation. Im Redensartenindex lese ich jedenfalls

    Redensart: nicht mit rechten Dingen zugehen
    Bedeutung: unrecht / illegal / unerklärlich / suspekt / seltsam sein
    ; auf übernatürliche Weise geschehen
    Beispiele:
    – “Als die Kinder die Umgebung des Sees erkunden, entdecken sie eine alte Fabrik, in der es nicht mit rechten Dingen zugeht. Wie gut, dass Tom und Nicki hervorragende Detektive sind”;
    – “Als sie einen Pestkranken aufnahm und ihn gesund pflegte, glaubten die Bürger, dass dies nicht mit rechten Dingen geschehen sei. Sie wurde als Hexe verschrien und aus der Stadt verbannt”

    Bedeutung im Kontext des Naturalismus: Die Naturalisten glauben, dass es immer „mit rechten Dingen zugeht“, dass also nie übernatürliches am Werk ist, sondern immer nur die Natur. Aber auch unerklärliche und suspekte Dinge gibt es für ontologische Materialisten weniger: Epikur und Lukrez waren beide lebensfroh.

  12. @Grams: Sollen

    Sie schreiben es doch selbst: Wie wissenschaft sein soll… Das ist normativ, nicht deskriptiv. Es geht darum, dass wissenschaftliche Theorien und Hypothesen an der Erfahrung scheitern können sollen. Das ist ein Idealbild.

    Das hilft uns hier aber wohl kaum weiter, wenn bsp. die Theologie gar nicht das Selbstverständnis hat, eine Naturwissenschaft zu sein, und als Quellen auch Tradition und Überlieferung zulässt.

  13. Wer glaubt, denkt bisweilen nicht mehr kritisch nach und übersieht seine blinden Flecken.

    Anstatt gläubige Menschen und damit die Mehrheit der Menschheit auszugrenzen …

    Denk mal drüber nach!

  14. Der Naturalismus als Kunstrichtung ist bekannt und anerkannt.
    Schon im ersten Satz hier haben wir die Begriffe Kunst und Natur, die auf den ersten Blick unvereinbar scheinen.
    Wen wählen wir als Schiedsrichter in dem Widerstreit der Begriffe ?
    Wir wählen die Mathematik, die im angelsächsischen Raum den Geisteswissenschaften zugeordnet wird, im deutschsprachigen Raum den Naturwissenschaften.
    Die Mathematik beginnt mit den natürlichen Zahlen
    und sie findet einen ersten Höhepunkt beim Algorithmus naturalis.
    Er ist die Umkehrfunktion der Zahl e , die den Grenzwert eines stetigen Wachstums darstellt.
    Wachstum ist ein Kriterium der Natur wie das Kriterium mathematischen Wachstums.
    Also, erste Bilanz, in der Mathematik findet die erste Synthese aus dem Geist der Mathematik und dem Geist der Natur statt.

  15. @Stephan Schleim

    Die Spielregeln des Spiels “empirische Wissenschaft” sind freilich normativ. Die grundsätzliche Falsifizierbarkeit ist nach Popper ein Abgrenzungskriterium. Für ihn zeichnet sich Metaphysik dadurch aus, dass sie dieses Kriterium nicht erfüllt. Ich pflichte Ihnen bei, wenn Sie schreiben:

    Das hilft uns hier aber wohl kaum weiter, wenn bsp. die Theologie gar nicht das Selbstverständnis hat, eine Naturwissenschaft zu sein, und als Quellen auch Tradition und Überlieferung zulässt.

    Beim Naturalismus liegt nun ein bedeutsamer Sonderfall vor, sobald man ihn zur Voraussetzungsmetaphysik der Naturwissenschaft erklärt. Mein Kritikpunkt ist ja genau der, dass die Naturwissenschaft eine solche Voraussetzungsmetaphysik nicht nötig hat. Auf die negativen Konseauenzen einer solchen Voraussetzungsmetaphysik habe ich aufmerksam gemacht.

  16. Dass philosophische Lehren nicht falsifizierbar sind, ist eines ihrer grössten Probleme. Das ist letztlich der Grund, dass es keinen Fortschritt in der Philosophie gibt: Platon ist heute noch immer nicht überholt, was ich so interpretiere: Die Denkgebäude der Philosophen entsprechen nicht Gebäuden von Bauingenieuren, sondern eher den Inneneinrichtungen von kreativen Gestaltern und wie aus der Mode bekannt, ist das als Neu angekündigte dann plötzlich etwas Rezykliertes aus dem letzten Jahrhundert. Mit Philosophie richtet man sich also im Leben ein, einfach dadurch dass man die Dinge an den richtigen Ort und ins richtige Licht stellt. Wirklich neue Bautechnologien, die alte ablösen gibt es aber in der Philosophie nicht.
    Nicht nur ich, sondern auch der Philosoph Markus Gabriel stört sich gewaltig am fehlenden Fortschritt in der Philosophie. Er selbst ist überzeugt, dass sein neuer Realismus viele Philosophien der letzten 2000 Jahre obsolet macht. Denn Markus Gabriel ist der Ansicht, es gebe auch in der Philosophie wahr und falsch und man müsse den Spreu vom Weizen trennen. Zum Streu zählt er übrigens den Konstruktivismus. Aber auch den Naturalismus hält er für einen Irrweg. Jedenfalls denkt Gabriel, dass die heutige Philosophie die Welt aus heutigen Augen sehen muss und dass es auch in der Philosophie um wahr oder falsch gehe. Im Interview mit der NZZ sagt er:

    Markus Gabriel: Gut, auch ich will Sie nicht schonen. Nehmen wir die Schrödinger-Gleichung aus der Quantenmechanik. Was, wenn ETH-Studenten ein paar Formeln auf ein Blatt kritzeln und sich per Mehrheitsbeschluss darauf einigen, dies sei korrekt, haben sie dann die Schrödinger-Gleichung neu formuliert? Nein, sie haben einfach Blödsinn hingekritzelt. Oder, noch schlimmer, im moralischen Bereich: Sollten die Engländer oder die Schweizer mehrheitlich zur Überzeugung gelangen, es sei sinnvoll, Konzentrationslager für EU-Flüchtlinge einzurichten, so wäre dies dessen ungeachtet moralisch verwerflich.

    Frage: Ist es ein Ausweis von Toleranz zu sagen, dass man selbst eine Wahrheit habe und die anderen eben eine andere?

    Markus Gabriel: Nein. Es verhält sich genau andersherum – das führt zu fundamentalistischen Aussagen ersten Ranges und ist ausserdem furchtbar verworren.

    Frage: Weil Menschen in unterschiedlichen Welten leben würden, wenn es unterschiedliche Wahrheiten gäbe?

    Markus Gabriel: Genau. Und wenn jeder in seiner Welt lebte, dann hätten wir uns nichts mehr zu sagen, sondern könnten nur noch kämpfen. Diese Ansicht ist zwar nachweislich falsch, aber wenn wir uns so gebärden, als wäre sie wahr, dann werden wir uns irgendwann tatsächlich die Köpfe einschlagen. Wer also auf diese Weise von der Wahrheit im Plural spricht und meint, was er sagt, droht mit Gewalt.

    Stephan Schleim vertritt ja hier die Absicht, jeder könne mit jedem reden und alles hätte seine Berechtigung. Insbesondere dürfe der Naturalismus nicht die Oberhoheit beanspruchen. Doch Markus Gabriel hält diese Sicht für falsch, falls diese Sicht bedeutet, dass die Diskussionspartner nicht mehr um die Wahrheit kämpfen. Denn auch in der Phiosophie gehe es um richtig und falsch. Den Naturalismus lehnt Gabriel aber ab, weil die Realität gemäss seiner Philosophie aus sehr vielen Sinnfeldern besteht und eine monistische Erklärung, die das nicht zulässt, deshalb falsch sein muss. Markus Gabriel hält übrigens auch Fiktionen für Real. Die Figur Harry Potter beispielsweise ist für ihn in einem gewissen Sinnfeld real und die Welt besteht für ihn aus vielen Sinnfeldern – Sinnfeldern, die ineinander verschlungen sind, von denen aber keine alle anderen enthält.

    Der Naturalismus übrigens kann gut mit der Religion leben solange die Religion nicht behauptet, übernatürliche Dinge beeinflussten den Lauf der Welt. Wenn Religion sich auf das Fiktive beschränkt, dann kann man nichts gegen sie einwenden, denn im Fiktiven ist alles möglich.
    Wer auch das Fiktive für real hält, der widerspricht dem Naturalismus übrigens nur dann, wenn er annimmt, das Fiktive gebe es auch ohne und unabhängig von Denkern des Fiktiven. Gott kann es auch für einen Naturalisten geben: als Gedanke nämlich, nicht aber als Beweger der Welt.

  17. Die einführende Kritik am Naturalismus liest sich wie eine Werbeschrift für Esoterik.

  18. Hallo Herr Schleim,

    “Für die agnostische (von griechisch agnostos = nicht erkennbar) Bescheidenheit spricht nicht nur die Vernunft, sondern auch die Empirie, ….”

    Alles spricht für Bescheidenheit. Die Welt ist nur dialektisch zu verstehen: nicht nur die unbelebte Natur entfaltet sich aus Gegensetzen, auch die Lebewesen tun es genauso: so ist der Mensch ist gut und böse, wissend und unwissend, rational und irrational zugleich. Vom ehemaligen Pabst Benedikt (war Theologe und Philosoph) ist ein lesenswertes Büchlein erschienen (sog. Regensburger Vorlesungen), in dem er den Widerspruch zwischen Glaube und Vernunft philosophisch thematisiert. Wie kann man glauben, wenn man vernünftig ist, oder anders herum: kann man überhaupt glauben, wenn man Vernunft hat. Es gibt eben große Bandbreiten für Glauben und Vernunft, und auch Raum, wo sich beides überlappt oder beides im Einklang findet. Unvernünftiger Glaube findet sich im Fundamentalismus, vernünftiger Glaube im Wissen um die Beschränktheit des Menschen (siehe oben Dialektik der Natur (s.a.Engels)).

    Wer die Beschränktheit des Menschen im Auge hat, dem wird die eigene Beschränktheit logischerweise bewußt, Bescheidenheit ist dann auch nur eine logische Folgerung.

    Grüße Fossilium

  19. Der Wissenschaftsphilosoph Peter Janich (1942-2016) bezeichnete Naturalismus in einem Essay im Spiegel einmal als Gläubigkeit gegenüber den Naturwissenschaften und lag damit meiner Meinung nach ganz richtig.

    Das Fazit, letzte Absätze von Nachricht haben oft etwas Fazitäres, so direkt zitiert :

    Hier trifft die Sprachkritik auf den Gegensatz naturalistischer und kulturalistischer Ansätze: die Sprache der Naturwissenschaft ist ja selbst kein Natur-, sondern ein Kulturgegenstand. Hier muß ein (kulturalistisches) Anthropisches Prinzip gelten (von griechisch “ánthropos”, Mensch): die Hirnforschung darf sich nicht in einen Durchführungswiderspruch verwickeln (wie wenn jemand in brüllender Lautstärke behauptet, er flüstere gerade; die Experten nennen solche Widersprüche performativ). Sonst dementiert sie sich selbst, indem sie den Menschen als Objekt so beschreibt, daß er nicht mehr als Subjekt eben diese Wissenschaft und eben diese Beschreibung hervorbringen kann. Hirnforschung würde damit einen “transsubjektiven” Geltungsanspruch verlieren.

    Dr. W schließt sich dem Zitierten, trotz gewisser Aufgeblasenheit, die wohl dem Fach geschuldet ist, gerne an.
    Sicherlich könnte es der (talentierte, wie auch fachfremde, abärrr doch eingelesene wie selbst denkende) Schreiber dieser Zeilen, der Kulturalist ist, auch anders, gemein verständlicher formulieren, bleibt aber zustimmend.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  20. Hallo Herr Holzherr,

    als Ergänzung zu Ihrem Beitrag: gem. Marcus Gabriel geht es in der Philosophie nicht um Wahrheit schlechthin, sondern um die Wahrheit in Sinnfeldern, das sind relative Wahrheiten. Man kann auch sagen die Wahrheit von Aspekten. Das ist aber nichts Neues, Gabriel stellt es aber in einen größeren Rahmen.

    Insofern ist Wahrheit auch (oder nur ?) Konvention.

    Im übrigen behauptet schon die Physik, dass jeder seine eigene Wahrnehmung der äußeren Welt hat, dass die Wahrheit der äußeren Welt ist also ganz sicher Konvention (vor dem Hintergrund einer gültigen speziellen Relativitätstheorie).

    Wir können der Relativität also nicht entrinnen, eine spezielle Art der Beschränkung des menschlichen Daseins.

    Grüße Fossilium

  21. Pattsituation?

    Der Naturalist kann …

    …die Existenz eines Gottes oder anderer religiöser Phänomene [gemeint sind vermutlich Wunder, Engel, etc.; B.] weder objektiv beweisen noch widerlegen…

    Es ist notorisch schwierig, Dinge oder Ereignisse, für deren Existenz es keinen belastbaren Beweis gibt, mittels naturwissenschaftlicher Methoden zu widerlegen. Eine „Pattsituation“ ist das sicherlich nicht.

    Der Agnostiker, so scheint mir, ist in diesem Zusammenhang einer, der die bloß behaupteten Entitäten immerhin für möglich hält—auch wenn es für deren Existenz keinen Beweis gibt.

    Insofern befindet sich wohl eher der Agnostiker in einer Pattsituation als der Naturalist.

    Beim (dezidierten) Atheisten kommt es darauf an, wie er seine atheistische Position begründet und vertritt. Der Versuch, etwas widerlegen zu wollen, dessen Existenz bloß behauptet wird, kann nur scheitern. Ein wahrer Naturalist würde das sicherlich gar nicht erst versuchen wollen.

  22. Man muss klar unterscheiden zwischen Naturalismus und Naturwissenschaft. Der Naturalismus geht über die Naturwissenschaft hinaus, indem er Phänomene für naturwissenschaftlich erforschbar und erklärbar hält, die bisher nicht erforscht sind. Das betrifft hauptsächlich das Leben allgemein und das menschliche Leben und Denken speziell. Diesem Anspruch gilt die Kritik am Naturalismus hauptsächlich.

    Die Kritiker gehen wiederum über den Anspruch des Naturalismus hinaus, indem sie ihm Übergriffe hinsichtlich der Gesamtheit des menschlichen Lebens zum Vorwurf machen. Das kann teilweise berechtigt sein, entspringt aber auch den traditionellen Ansprüchen seiner Gegner, insbesondere der Theologie und Esoterik wie auch der Psychologie, die im Naturalismus eine unliebsame Konkurrenz und eine existenzielle Gefahr für sich sehen. Entsprechend scharf sind die Angriffe, die über die sozialen Medien auch mit Diskreditierung und Diffamierung geführt werden.

    Über die Berechtigung des Naturalismus entscheiden allein künftige Erkenntnisse der Naturwissenschaft. Es ist klar, dass sich das Leben der Menschen dadurch kaum ändern wird und dass die kulturellen Aspekte des Lebens kaum beeinträchtigt werden, weil es auch andere Einflussfaktoren gibt. Ganz ohne Einfluss werden die naturwissenschaftlichen Erkenntisse jedoch nicht bleiben. Deshalb sollten die Anhänger und die Gegner des Naturalismus in ihrem Verhältnis zueinander sachlich und moderat bleiben.

    Gerade die derzeitige Pandemie zeigt die Notwendigkeit und Bedeutung naturwissenschaftlicher Forschung für das menschliche Leben. Man kann keine willkürliche Grenze ziehen zwischen berechtigten Forschungsinteressen und Verbotszonen aus traditionellen oder persönlichen Interessen. Wie weit die naturalistische Forschung kommen wird, das wird man sehen – in Jahrzehnten.

  23. “Gäbe es Engel oder Geister…”
    Ich bin da ganz bei dem Kommentar von KRichard. Wo ist da der Unterschied zu ASTRO TV ? Ich beschäftige mich zur Zeit mit der Schlacht um Stalingrad 1942,wieder einmal. In vielen Feldpostbriefen werden von den armen Kerlen in den Schützengräben die Schutzengel und Schutzgeister angerufen .
    Diese angeblichen Schutzengelbrigaden verhinderten aber nicht das Millionen Landser Kanonenfutter für die machtgieren Mächtigen wurden, dass sie mit diesem Opium rettender Engel von den Realitäten abgelenkt und manipuliert wurden -. Gemäß Angebot und Nachfrage sind “Wunder” und “Übernatürliches” in diesen deutschen Landen nun einmal ein profitables Geschäftsmodell geworden, wo Einfältige /Gutmütige/Leichtgläubige über den Tisch gezogen werden und das Finanzamt sich auch freut. Für Medien scheint diese “Magie” auch lohnend, da man dadurch die Auflagen und Einschaltquoten erhöht. Es ist eben alles -wieder einmal- nur ein GESCHÄFT und die Deppen sind die die daran glauben und zahlen .
    Zu ihrer Buddha- Natur Definition : Meiner Erfahrung nach erreichen sie die tiefste Ebene des Bewusstseins in der Meditation durch eine von Gedanken und Gefühlen freien Selbstbetrachtung des eigenen Ichs , was sie auch GEWAHRSEIN nennen können. Dieses Gewahrsein ist eine simple Sache, da sie eigentlich von allen Tieren praktiziert wird – als Vorstufe des Bewusstseins, also macht der Mensch hier aus seiner Unkenntnis einer profanen biologischen Erscheinung eine mythische ,mystische Religion(Glaube statt Nicht-Wissen) Im übrigen wird, so der Buddhismus, der Mensch nach dem Erreichen des Nirvana, meiner Ansicht nach nicht wiedergeboren. Seine maßlose Gier und ICH-Sucht ist also erloschen und er muss nicht mehr an Engel, Geister und übernatürliches glauben , er ist frei .

  24. @ Kommentatorenfreund Bal und hierzu kurz :

    Der Agnostiker, so scheint mir, ist in diesem Zusammenhang einer, der die bloß behaupteten Entitäten immerhin für möglich hält—auch wenn es für deren Existenz keinen Beweis gibt.

    Insofern befindet sich wohl eher der Agnostiker in einer Pattsituation als der Naturalist.

    Ganz genau!
    Dr W mag derartige Logik.
    ‘Peter Janich (1942-2016)’, Artikeltext – Dr. W hat sich um Dr. J bisher wenig bemüht – hat diese ‘Pattsituation’ ein wenig bearbeitet, sofern Dr. W weiß; Gags entstehen durch die sogenannte n-wertige Logik, im 3-dimensionalen wird bspw. in (fast) jeder relationalen Datenhaltung implementiert :

    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Null_(SQL)

    Derartige “Pattsituationen” aufzulösen, …, …, …, obliegt der Naturwissenschaft, die sich gerne auch der Mathematik (der formalisisierten “Fähigkeitslehre”) anschließen darf.

    MFG
    Wb

  25. Herr Grams,
    als überzeugter Skeptiker sehe ich es ähnlich wie Sie: die zentrale Aufgabe ist die Widerlegung von – wie soll ich sagen – unsinnigen Behauptungen mit naturwissenschaftlichen Argumenten. Dabei gilt leider die Faustregel, dass eine saubere Widerlegung meist einen zehnfachen Aufwand erfordert wie die Behauptung selbst.
    Darüber hinaus kann aber die Naturwissenschaft aber auch weitergehende Aussagen treffen, wie ich schon gesagt hatte: die Tatsache, dass unser Gehirn aus ganz normalen Atomen zusammengesetzt ist und damit den bekannten Naturgesetzen gehorcht, bedeutet eben die Unmöglichkeit von Telepathie, Telekinese und der Kommunikation mit einer göttlichen Instanz durch Beten.
    In dem von uns beobachtbaren Universum gibt es keinen, auch nicht den geringsten Hinweis auf irgendetwas was mit einem Gott vereinbar wäre. Dabei muss man festhalten, dass schon nach ganz extrem kleinen Effekten gesucht wird, zum Beispiel bei der Suche nach der dunklen Materie.
    Ich wundere mich auch immer, wenn Religion als etwas Positives dargestellt wird. Wenn man einmal bilanziert, was insbesondere die monotheistischen Religion mit ihrem Absolutheitsanspruch an Leid über die Menschheit gebracht haben und noch bringen und wie Religion als Machtmittel in Sekten usw benutzt wird, finde ich die Lösung von diesen irrationalen Zwängen als etwas extrem Befreiendes.
    @Golzowers: Zustimmung zur Erläuterung der Buddha-Natur. Siehe Zen.

  26. @Balanus 16.02.2021, 11:09 Uhr
    @Dr. Webbaer
    Pattsituation?

    Balanus schreibt:

    Der Agnostiker, so scheint mir, ist in diesem Zusammenhang einer, der die bloß behaupteten Entitäten immerhin für möglich hält—auch wenn es für deren Existenz keinen Beweis gibt.

    In Glaubensfragen gibt’s nicht nur Pro, Kontra oder Unentschieden. Der Agnostiker, wie ich ihn sehe, kann auch desinteressiert sein, einfach weil er sein Denken für nicht gerüstet sieht, hier zu einem vernünftigen Schluss zu kommen. Das trifft m. E. Thomas Huxleys Definition am ehesten.

  27. @Timm Grams / 16.02.2021, 12:19 Uhr

    Gegen Huxleys Definition ist auch aus meiner Sicht nichts einzuwenden.

    Mir ging es um den „anderen“ Agnostiker, der da meint, er habe eine (mittlere, unentschiedene) Position zwischen dem religiös Gläubigen und dem dezidierten Atheisten.

  28. Anstatt gläubige Menschen und damit die Mehrheit der Menschheit auszugrenzen, sollte man sich daher besser überlegen, wie man mit ihnen friedlich zusammenlebt.

    In der Regel grenzen vor allem “gläubige Menschen” aus und schrecken dabei leider auch oft nicht vor Gewalt zurück. Dabei ist es diesen dann im Übrigen auch egal ob die Opfer gläubig sind oder nicht, es reicht schon wenn man etwas Anderes glaubt.
    (z.B. evangelische Christen gegen katholische Christen, Christen gegen Juden, Christen gegen Muslime, Schiiten gegen Sunniten, Buddhisten gegen Muslime etc.)

    Ergo man kann nicht mit “den gläubigen Menschen” friedlich zusammenleben. So wie man sich einer gläubigen Gruppe anschließt, macht man sich praktisch alle anderen zum Feind. Ungläubige können sich dabei der Aggression praktische aller Religionen sicher sein.

    Deus Vult halt.

  29. Herr Schleim,
    hier in diesem blog hat sich ein Vorurteil eingeschlichen, dass einem Gläubigen Dogmatismus unterstellt. Sogar die Geistlichen sind mittlerweile ganz pragmatisch und sehen im Glauben eine Lebenshilfe.

    Überhaupt werden hier Gegensatzpaare produziert, die es gar nicht gibt.
    Die Kreatonisten, die gibt es in den Staaten, bei uns nicht.
    Agnostiker, ich schätze , dass nur 5 % der Bevölkerung weiß, was das sein soll.
    Ich schreibe bewusst nicht, , was ein Agnostiker ist.
    Zu unterscheiden zwischen Naturalismus und Naturwissenschaft, das ist ein Streit im Elfenbeinturm.
    Und dann kommt noch jemand auf die Idee, von Geistern zu sprechen. Wer glaubt denn noch an Geister?
    Fakt ist dagegen die Religion. In jedem Dorf steht eine Kirche, Die meisten Leute sind getauft.

    Das nennt sich Kultur. Will die Naturwissenschaft die Kultur untergraben , das haben schon die Kommunisten versucht und sind gescheitert.

  30. Ergänzend beigebracht und nur ausschnittweise :

    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Agnosticism#Thomas_Henry_Huxley

    MFG
    Wb (der schon lange im Geschäft ist)

    PS:
    Dies hier – ‘In Glaubensfragen gibt’s nicht nur Pro, Kontra oder Unentschieden. Der Agnostiker, wie ich ihn sehe, kann auch desinteressiert sein, einfach weil er sein Denken für nicht gerüstet sieht, hier zu einem vernünftigen Schluss zu kommen. ‘ – deutet auf Logik hin, die es geben mag.
    “Dockie” hier “eigentlich gewohnte” Logik gut findend)

  31. @einer // 16.02.2021, 08:52 Uhr

    » Denk mal drüber nach! «

    Ich war zwar nicht gemeint, aber Sie sprechen einen Punkt an, der auch mich etwas irritiert hat.

    Einerseits wird im Beitrag „Gläubigkeit“ als etwas Negatives dargestellt, nämlich dann, wenn es um die Naturwissenschaften geht.

    Auf der anderen Seite aber wird um Verständnis für (religiös) gläubige Menschen geworben, man solle sie doch bitte nicht „ausgrenzen“. Wenn sich der Glaube auf etwas Überempirisches richtet, dann scheint er vertretbar zu sein.

    (Was im Grunde schon zutrifft, denn bei naturwissenschaftlichen Erkenntnissen stellt sich die Glaubensfrage nicht, zumindest nicht im religiösen Sinne.)

  32. einer,
    haben sie die letzten 50 Jahre verschlafen. Kein Katholik feindet einen Protestanten mehr an.
    Es ist doch umgekehrt, die “Aufgeklärten” feinden die Christen an, indem sie ihnen potentiellen Kindesmissbrauch unterstellen.
    Dabei zeigt die Statistik,
    jedes Jahr passieren im Schnitt 14000 Fälle von Kindesmissbrauch. Das sind in 30 Jahren 420 000 Fälle.
    Im gleichen Zeitraum sind 5000 Fälle von Kindesmissbrauch durch die Kirchen
    bekannt geworden.
    Die Zahlen sprechen für sich.

  33. @einer 16.02.2021, 12:32 Uhr:

    Ergo man kann nicht mit “den gläubigen Menschen” friedlich zusammenleben. So wie man sich einer gläubigen Gruppe anschließt, macht man sich praktisch alle anderen zum Feind. Ungläubige können sich dabei der Aggression praktische aller Religionen sicher sein.

    Gruppenselektion und Evolution der Kulturen setzen voraus, dass sich Gruppen bilden. Eine Voraussetzung für das Entstehen sozialer Gemeinschaften ist, wie E. O. Wilson meint, das “verteidigbare Nest”. Religiosität ist ebenfalls guppenbildend. Das mag einem gefallen oder nicht. Selektion ist kein Freudenfest.

  34. Jetzt müssen wir nur noch einen anderen Begriff für “Agnostiker” finden.
    Meine erste Assoziation war Hundeknochen.
    Wenn wir meinungsbildend werden wollen, dann müssen wir bereit sein, neue Begriffe zu erfinden .

  35. Wenn manche Phänomene noch nicht naturwissenschaftlich erklärbar sind, dann bedeutet dies nicht, dass dies ein Hinweis auf unerklärbare oder gar übersinnliche Gegebenheiten ist – sondern nur, dass die Naturwissenschaft noch Erklärungslücken hat.

    Manchmal ist es aber schlicht nur vorsätzlicher Betrug – mit dem bekanntes Erklärungswissen absichtlich unterdrückt werden.
    Ich habe seit 2006 ein komplettes Erklärungsmodell für das Phänomen NTE erstellt und veröffentlicht.
    (Per Google gibt es eine kostenfreie PDF ´Kinseher NDERF denken_nte´)
    Aber von vielen Einzelpersonen und Medienredaktionen werden NTEs aber immer noch – obwohl sie informiert wurden – absichtlich falsch als unerklärbar dargestellt.

    Mit meinem NTE-Erklärungsmodell kann man viele Gehirnaktivitäten, Bewusstseinsphänomene (z.B. Spiritualität) ganz einfach erklären.
    Aber offenbar wollen einige Leute nicht, dass es naturwissenschaftliche Erklärungen für bestimmte Phänomene gibt.

    Z.B. habe ich seit 2010 über 30x Personen/Abteilungen des Bayerischen Rundfunks darauf hingewiesen, dass NTEs erklärbar sind. In den Berichten des BR werden NTEs aber ausschließlich nur als unerklärbar dargestellt.
    Es gab keine Rückfragen nach Details und meine Bücher bekam ich original in Folie verschweisst wieder zurückgesandt.

    Den Begriff NTE habe ich nicht ausgeschrieben – weil hier schon mehrmals Beiträge ´verschwunden´ sind, wenn der Begriff als Wort geschrieben wurde.

  36. Der Naturalismus meint unter anderem, die Corona-Pandemie sei auf natürliche Ursachen zurückzuführen und nur naturwissenschaftlich plausible Massnahmen helfen, nicht aber der Glaube.
    Anderer Ansicht ist der Churer Weihbischof Marian Eleganti (Zitat):

    Eleganti wörtlich: «Und jetzt stehe ich als gläubiger Mensch, als Bischof, vor dem Sakrament der heiligen Eucharistie vor dem Leib Christi, und ich glaube an diese übernatürliche Kraft der Gegenwart Gottes in der heiligen Hostie, die der Leib Christi ist. Wie kann ich mir jetzt vom Kommunionempfang Unheil, Kontamination und Ansteckung erwarten? Ich kann das einfach für mich persönlich in meinem Herzen nicht nachvollziehen. (…) Ja, ich erwarte Wunder. Ich rechne mit der Kraft und dem Schutz Gottes.»

    Hier behaupte ich nun: Nicht nur die Naturwissenschaft, sondern auch die gesamte kulturelle Erfahrung in Europa spricht dafür, dass infektiöse Krankheiten ansteckend sind und keine übernatürliche Kraft Ansteckungen verhindern kann.

  37. “Ja, ich erwarte Wunder. Ich rechne mit der Kraft und dem Schutz Gottes.”
    Offenbar wartet er vergeblich. Wie sind noch die Inzidenzen bei den Freikirchlern und den Ultraorthodoxen Juden? Unsinn, gespeist durch religiöse Irrationalität.
    Vom Skeptiker geprüft und als gefährlicher Quatsch enttarnt.

  38. @hwied – doch DIE Kreationisten gibt es auch bei uns auch.
    Ich habe da sehr intensive eigene Erfahrungen mit jenen Christen.

  39. einer
    Und wie sind die eigenen Erfahrungen mit den Kreationisten ?

    Holzherr,
    die Macht des Glaubens kann Berge versetzen. Schauen Sie sich doch die kulturellen Werke der Gläubigen an.
    Die Kathedralen des Mittlealters, die Sagrada famillia in Barcelona, die Moscheen an der Seidenstraße.
    Der Glaube stabilisiert den eigenen Organismus. Ohne ein intaktes Immunsystem läuft man Gefahr krank zu werden.
    Hat der Bischof behauptet, dass Medikamente nicht gegen Infektionskrankheiten helfen.
    Lesen Sie doch mal ein paar religiöse Bücher. Sie urteilen mit der Kraft des Vorurteils.
    Nachtrag: Was haben Sie gegen Wunder. Das wunderbare am Wunder ist, dass man es nicht erklären muss, es ist ein Geschenk Gottes.

  40. @hwied

    haben sie die letzten 50 Jahre verschlafen. Kein Katholik feindet einen Protestanten mehr an.

    D.h. wenn ich auch nur einen Katholiken finde, der meint das Heil gäbe es nur in der katholischen Kirche, habe ich Sie widerlegt?
    Da habe die Päpste durchaus in den letzten 50 Jahre einiges gesagt ….

    Der Nordirlandkonflikt z.B. wird oft als Religionskonflikt gesehen – zwischen Katholiken und Protestanten.
    usw.

    Und die Jahrhunderte vorher sind nicht mehr relevant?

    Es ist doch umgekehrt, die “Aufgeklärten” feinden die Christen an, indem sie ihnen potentiellen Kindesmissbrauch unterstellen.
    Dabei zeigt die Statistik,
    jedes Jahr passieren im Schnitt 14000 Fälle von Kindesmissbrauch. Das sind in 30 Jahren 420 000 Fälle.
    Im gleichen Zeitraum sind 5000 Fälle von Kindesmissbrauch durch die Kirchen
    bekannt geworden.
    Die Zahlen sprechen für sich.

    Und damit ist der Missbrauch im Kontext der Kirchen egal?
    Vor allem wo die Kirchen diesen weltweit vertuscht haben – was sonst keine Organisation machen / wagen würde?

  41. @hwied

    Und wie sind die eigenen Erfahrungen mit den Kreationisten ?

    Erschreckend – vor allem auch, weil diese sich in der evangelische Gemeinde hier ausbreiten.

  42. Holzherr,
    die Macht des Glaubens kann Berge versetzen. Schauen Sie sich doch die kulturellen Werke der Gläubigen an.

    Nicht der Glaube hat das getan, sondern die Menschen mit Hilfe der Physik.
    Der Glaube hat vielleicht dazu motiviert, aber getan hat er es nicht.

  43. Machen wir uns nichts vor, es gibt alle Schattierungen irrationalen Glaubens, von den Gottgläubigen über Esoterik- und Verschwörungsgläubige bis zu den Coronaleugnern und sonstigen Krankheitsleugnern, sei es Krebs oder HIV/AIDS (dazu heute ein Bericht in SPON). Genauso gehören dazu die Homophobie, der Rassismus, der Fremdenhass. Die Rechtfertigungen solcher Leute sind meist haarsträubender Unsinn, oft genug mit selbstgerechtem, betrügerischem oder psychisch gestörtem Hintergrund. Klar ist auch, dass solche Gläubige nur selten zur Einsicht zu bringen sind, am wenigsten mit Fakten oder naturwissenschaftlichen Erkenntnissen.

  44. einer,
    dass einige Kirchenoberen den Missbrauch vertuschen wollen ist dumm und skandalös.
    Es gibt auch nicht “die Kirche”. Die Geistlichen, die ich persönlich kenne sind gebildet und pragmatisch.

    was jetzt die Konflikte in Irland betrifft, die scheinen Religionskriege zu sein. Die Hauptursache ist, dass die eingewanderten Engländer Protestanten sind.
    Und die Firmeneigner in den Städten sind ebenfalls Engländer. Die bevorzugen die protestantischen Engländer (Nordiren) und die Katholiken sind arbeitslos.

    Früher hat man gesagt Irland ist a “priest ridden country” . Das war tatsächlich so. Heute ist es eher umgekehrt. Wenn in einem Ort eine Kirche nicht mehr gebraucht wird , dann wird sie einer anderen Verwendung zugeführt, bis hin zu einer Gastwirtschaft.

    (Von einem, der Irland besser kennt than the Irish.)

  45. Reutlinger,
    machen Sie sich nichts vor , wenn es um die Einsichtsfähigkeit der “Nichtchristen” geht. Die ist genauso wenig ausgebildet wie bei den Christen.
    Wer vermüllt denn den Ozean. Das sind doch nicht die Buddhisten aus dem Himalaya. Das sind auch nicht die Wilden aus Papua-Neuguinea. Das sind die Stehkragenverbrecher aus den Vorstandsetagen, das sind die gedankenlosen , glaubenslosen, Mainstreamer.

  46. Einer Zitat:

    die Macht des Glaubens kann Berge versetzen. Schauen Sie sich doch die kulturellen Werke der Gläubigen an.

    Ja, Glauben steckt überall drin. Auch naturwissenschaftlich orientierte Menschen glauben an den Sinn von ideellen Zielen, die sich nicht rein rational begründen lassen. Wie etwa an Nachhaltigkeit oder dass nur noch erneuerbare Energien in Frage kommen. Gefährlich werden solche ideellen Ziele, wenn ihre Vertreter über Leichen gehen, wenn sie nicht mehr falsifizierbar sind, nicht mehr überdacht werden und diejenigen, die sie verfolgen nicht mehr zu Korrekturen bereit sind.

  47. einer,
    .
    Bei uns hier gibt es eine evangelische Sekte die behauptet: “Der Mensch ist von Geburt an böse”.

  48. @hwied
    Zu den Umweltsündern gehören die allermeisten Menschen, manche mehr manche weniger. Manche geben aber vor, die Moral gepachtet zu haben und halten sich für die besseren Menschen, obwohl sie ihre Moral nur vortäuschen. Siehe den Kindesmissbrauch und seine Vertuschung.

    Mit dem Beispiel Kindesmissbrauch begeben Sie sich auf sehr glattes Eis!

  49. @hwied natürlich gibt es überall liebe und nette Menschen, natürlich auch unter den Gläubigen und den Menschen, die für religiöse Organisationen arbeiten.

    Wenn man aber mit “den gläubigen Menschen” friedlich zusammenleben will oder soll, dann geht es halte gerade nicht um den Einzelnen, der nett, freundlich etc. ist.
    Sondern es geht dann auch um die Organisationen, Extremisten etc.

    Und wir hatten und haben bisher schon sehr viele Religionskonflikte, ob die Religionen dabei angeblich missbraucht werden oder nicht ist dafür nicht relevant – das ist dann eh nur “Ein wahrer Schotte”.

    Mit “den gläubigen Menschen” in ihrer Gesamtheit kann man nicht friedlich zusammenleben, dazu gehört nämlich dann genauso ein christlicher Kreuzzügler, wie auch der Ali mit Sprengstoffgürtel etc. – gerade hier sieht man wie Glaube Dinge möglich macht, die sonst nicht möglich wären.

  50. @Holzherr
    Aus jeder guten Idee
    kann man eine schlechte Ideologie machen.

  51. @hwied

    Bei uns hier gibt es eine evangelische Sekte die behauptet: “Der Mensch ist von Geburt an böse”.

    So what? Die Ur- oder Erbsünde ist doch Teil der meisten christlichen Strömungen. Die RKK hat es in ihrem Katechismus, die EKD erlaubt eh quasi alles …

  52. @all: Asymmetrie & Kirchenhass

    Ich habe in keiner Zeile irgendeine Kirche verteidigt. Der naive Kirchenhass, der sich hier in manchen Kommentaren ausdrückt, erinnert mich an andere Vertreter der Giordano-Bruno-Stiftung und ist hier nicht nur fehl am Platz (off topic), sondern auch asymmetrisch:

    Wir haben hier gesehen, dass mit Sam Harris noch nicht einmal einer der führenden Vertreter des Naturalismus und Neuen Atheismus seinen Standpunkt widerspruchsfrei vertreten kann. Wer darin kein Problem sieht, der kann an anderer Stelle nicht so tun, als gehe es ihm um Wissenschaftlichkeit. Wie von mir vermutet scheint “Naturalismus” ein weiterer Kampfbegriff zu sein, mit dem man andersdenkende Menschen aus dem Diskurs verdrängen will.

    Mich langweilt so eine asymmetrische und naive Diskussion eher.

  53. @Golzower & Physiker: Buddhismus

    Ich habe überhaupt nicht über “Buddha-Natur” geschrieben; für eine eingehendere Diskussion der hier angesprochenen Aspekte verweise ich auf die einschlägigen tibetischen Quellen.

  54. @Physiker: Z.B. Deismus

    Ich würde mich freuen, wenn Sie den logischen Einwand wenigstens zur Kenntnis nehmen würden, dass sich zwei Aussagensysteme prinzipiell nur dort widersprechen können, wo sie sich auf denselben Gegenstandsbereich beziehen.

    (1) Für z.B. den Deismus steht ein Gott nur am Anfang der Welt und greift nicht mehr in den Weltenlauf ein. (2) Mit Telepathie usw. würfeln sie hier unterschiedliche Dinge durcheinander. (3) Zudem gibt es Menschen, die die Tatsache, dass es überhaupt Ordnung im Universum gibt, als Ausdruck von etwas Göttlichem sehen. Solche Gedanken (1-3) wurden in den letzten zwei- bis dreihundert Jahren intensiv diskutiert, auch von (zum Teil sehr namhaften) Naturwissenschaftlern.

    Mich überzeugt das nicht, dass Sie etwas ablehnen, womit Sie sich allem Anschein nach noch nicht einmal sorgfältig beschäftigt haben. Manche nennen das: Voreingenommenheit.

  55. @hwied 16.02.2021, 12:37 Uhr:

    Die Kreatonisten, die gibt es in den Staaten, bei uns nicht.

    Das Intelligent Design (ID) steht in der Nachfolge des Kreationismus, nachdem auch dem letzten US-Gericht die wissenschaftliche Unhaltbarkeit dieser Lehre aufgefallen ist. Das ID ist zwar nicht viel besser, aber immer noch aktiv. Auch bei uns. Ein Kollege schenkte mir einst ein Büchlein des britischen(!) ID-lers John Lennox: “Hat die Wissenschaft Gott begraben?” Ich habe den Eindruck, dass das
    Professorenforum
    von diesen Leuten durchsetzt ist. Das Lennox-Buch empfehle ich dem Naturalisten. Er kann darin all seine Argumente wiederfinden – nur eben nicht für die Realität als Urgrund des Seins, sondern für Gott.

  56. @Schleim:
    Ich habe auf den Zen-Buddhismus verwiesen, und da sind keine tibetanischen, sondern chinesische und japanische Quellen relevant.

  57. @all: Placebo

    Diejenigen, die behaupten, Glaube nutze nichts, haben wohl noch nie vom Placebo- oder Kontext- oder Bedeutungseffekt gehört…

    …wie kann man sich nur auf Wissenschaft berufen, ohne sich eingehend mit den Phänomenen zu beschäftigen?! Mich überzeugt das nicht.

  58. @Timm Grams // 16.02.2021, 16:44 Uhr

    »Das Lennox-Buch empfehle ich dem Naturalisten. Er kann darin all seine Argumente wiederfinden – nur eben nicht für die Realität als Urgrund des Seins, sondern für Gott.«

    Woraus man ersehen kann, dass—ja was eigentlich?

    Dass Naturalisten sich die (Dinge der) Welt erklären ohne Rückgriff auf einen Schöpfer- bzw. Lückenbüßergott?

    Oder soll damit gesagt sein, dass die Argumente der Naturalisten genauso untauglich sind wie die der Kreationisten bzw. IDler?

  59. @Schleim:
    „ Für z.B. den Deismus steht ein Gott nur am Anfang der Welt und greift nicht mehr in den Weltenlauf ein. „
    Damit kann ich mich anfreunden, obwohl man es weder beweisen noch widerlegen kann, es ist also egal ob man damit argumentiert oder es sein lässt.
    Bezüglich Telepathie, Telekinese und Unmöglichkeit des Kontaktes zu einer göttlichen Instanz werfe ich nichts durcheinander. Die für diese Argumentation nötigen naturwissenschaftlichen Kenntnisse sind vorhanden und da gibt es keine Lücken, auch wenn manche Personen es gerne hätten. Mit diesen Fragen habe ich mich intensiv auseinandergesetzt

  60. @Schleim: zum Placebo-Effekt gehört ja auch sein dunkler Bruder, der Nocebo-Effekt. Oder, anders gesagt, Angst macht krank. Bestenfalls heben sich die Wirkungen auf.

  61. Eine ernstgemeinte Frage:
    Ist der Glaube bei Placebo der gleiche wie bei Religion?
    Oder ist das der Glaube wie bei “Ich glaube morgen geht die Sonne wieder auf.”
    Unsere Sprache ist da ja etwas ungenau.

  62. @Physiker: Buddhismus#2

    Da spricht der Kenner…

    …Zen (chinesisch: Chan) kam von Indien über Tibet nach China und Japan. Das Wort “Chan” stammt übrigens von Sanskrit “Dhyāna” und bedeutet schlicht: Meditation.

    Davon abgesehen bezog sich die Diskussion auf meine Darstellung im Text und die handelt vom tibetanischen Buddhismus.

  63. @Schleim: Für den Kenner:
    „Zen-Buddhismus oder Zen [zɛn, auch t͜sɛn] (chinesisch Chan, koreanisch Seon, vietnamesisch Thiền) ist eine in China ab etwa dem 5. Jahrhundert entstandene Strömung bzw. Linie des Mahayana-Buddhismus, die wesentlich vom Daoismus beeinflusst wurde.  „
    Falls Sie anderweitige Kenntnisse haben…

  64. einer
    kommst du aus Pankow ? Was hat man dir in deiner Jugend beigebracht.
    Kreuzritter , Sprengstoffgürtel und die Erbsünde ?
    Mannoman, da hat es jeder Missionar schwer.

    Ich kann dich beruhigen. Die Christen von heute sind geschult, umfassend gebildet, haben gute Umgangsformen, kümmern sich um Notleidende und benützen aftershave.

    Sie sind meistens verheiratet , sehr lange und mit der gleichen Frau, sind zuverlässig und sind die Stütze der Gesellschaft.

    Und zum Schluss, der Glaube ist eine Überzeugung. So wie der Kommunist an den Sozialismus glaubt, so glaubt der Christ an das Gute im Menschen.

  65. @Physiker: Buddhismus#3

    Ja – ich schaue z.B. auf eine Landkarte und stelle fest, dass Buddhisten, die aus dem Geburtsland des Buddhismus (Indien) nach China wanderten, das Gebiet Tibets überquerten…

    …und in China den dort schon bestehenden, einheimischen Daoismus vorfanden. 😂

    Es ist alles nicht so schwer, wenn man sich mit den Hintergründen beschäftigt.

  66. @Balanus 16.02.2021, 17:06 Uhr:

    Oder soll damit gesagt sein, dass die Argumente der Naturalisten genauso untauglich sind wie die der Kreationisten bzw. IDler?

    Ja doch. Beide lösen die beabsichtigte Begründungsaufgabe offenbar nicht. Der agnostische Standpunkt kann verlustlos bezogen werden.

  67. Fast täglich melden die Naturwissenschaften neue Erkenntnisse und die Ingenieure melden Fortschritte bei den Technologien, die von den meisten Menschen, ob gläubig oder nicht, genutzt werden.

    Die Antinaturalisten melden neue Verschwörungsmythen, neue Falschbehauptungen, Fortschritte im Kampf gegen Schulmedizin und Impfung, gegen Abtreibung, gegen künstliche Befruchtung, gegen Gleichberechtigung von LGBT …

  68. @Physiker: Religion & Health

    Hierzu gibt es wissenschaftliche Forschung, die im großen ganzen Ihren Ausführungen widerspricht.

    @all: Ich nehme hier vor allem wahr, dass diejenigen von Ihnen, die sich die stärksten Urteile erlauben, offenbar am wenigsten mit den Phänomenen (hier: religiöser Glauben/Spiritualität) auskennen. Das bestärkt mich in meiner Einschätzung, dass die Kritik an dieser Pseudo-Aufklärung von Leuten wie Harris u.ä. nötig ist. Im Detail werde ich mich zu Ihren Vorurteilen nicht mehr äußern.

  69. @all: Wegen der massiven Verbreitung von Vorurteilen und Schwarzweißdenken durch sogenannte “Naturalisten” schließe ich die Diskussion erst einmal für ca. 24 Stunden. Ein bisher einmaliger Vorgang in der über 13-jährigen Geschichte von MENSCHEN-BILDER.

    Jeder kann sich erst einmal selbst ein Bild von der Situation machen.

  70. Liebe Leserinnen und Leser,

    wenn Sie sich an der Diskussion dieses Themas beteiligen möchten, bitte ich Sie, ein paar Punkte zu berücksichtigen:

    1. Sätze mit Ausdrücken wie “die Gläubigen” oder “die Muslime” sind wahrscheinlich genauso wenig zutreffend wie Sätze mit Ausdrücken wie “die Frauen” oder “die Deutschen”. Bitte überprüfen Sie, ob Sie sich ausreichend mit dem Thema beschäftigt haben und hier nicht nur ihre Vorurteile verbreiten.

    2. Mit den Phänomenen der Religionen und Spiritualität beschäftigen sich verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, darunter die Vergleichende Religionswissenschaft. Idealerweise eigenen Sie sich hier ein paar Grundlagen an, wenn Sie mitdiskutieren möchten.

    3. 86% der Weltbevölkerung können einer Religion zugerechnet werden. Fragen Sie sich einmal, was diese Menschen bewegt – und ob Sie vielleicht etwas übersehen haben könnten, wenn Sie in Religionen/Spiritualität keinen Sinn sehen und nur negativ gegenüberstehen. (Wenn Sie immer wieder auf Missbrauch in Kirchen verweisen, dann ist Ihnen natürlich bewusst, dass es diese Fälle in Sportvereinen auch gab – und wohl am häufigsten in Familien. Als aufgeklärter Mensch sind Sie darum selbstverständlich ebenso gegen diese Institutionen wie gegen die Kirchen.)

    Ich öffne den Diskussionsbereich jetzt noch einmal. Wenn es hier aber wieder so gut wie nur um die Verbreitung von Polemik und Vorurteilen geht, dann wird er permanent geschlossen.

    Ihr Autor, seit über 13 Jahren, von MENSCHEN-BILDER

    Stephan Schleim

  71. Hallo Herr Schleim!

    Zitat: “Sätze mit Ausdrücken wie “die Gläubigen” oder “die Muslime” sind wahrscheinlich genauso wenig zutreffend wie Sätze mit Ausdrücken wie “die Frauen” oder “die Deutschen”.

    Sehe ich auch so. Sätze mit Ausdrücken wie “die Naturalisten” aber auch nicht. Sie erwähnen selbst am Anfang ihres Beitrags, dass der Term ‘Naturalismus’ in der heutigen Philosophie keine sehr genaue Bedeutung habe.
    Der Naturalismus ist ein philosophisches Programm und wohl auch ein Weltbild. Man kann z.B. auch Agnostiker und Naturalist sein (“schwacher Naturalismus”).

    Zitat: ““86% der Weltbevölkerung können einer Religion zugerechnet werden. Fragen Sie sich einmal, was diese Menschen bewegt – und ob Sie vielleicht etwas übersehen haben könnten…..”

    Die eigene Meinung immer wieder zu hinterfragen ist auch meines Erachtens sinnvoll.
    Vor über 30 Jahren habe ich im Konfirmandenunterricht den Pastor gefragt, warum ich an Gott glauben soll, wo ich doch keinen Beweis habe. Er antwortete damals, dass so viele Menschen an Gott glauben, da müsse ja wohl was dran sein. Das hat mich damals nicht überzeugt.
    Ich denke sie vermuten, dass spirituelle/gläubige Menschen möglicherweise einen Vorteil im Glauben sehen? Das könnte ja durchaus sein. Es kann aber auch andere Gründe geben (Erziehung, “Gruppenzwang”, Desinteresse, aufgrund fehlender Bildung keine Alternativen bekannt….). Ich persönlich denke, dass sich die meisten Menschen (weltweit) nicht aktiv dazu entschließen zu glauben, weil sie sich dadurch Vorteile erhoffen.

    Freundliche Grüße

  72. @I Hirsch / 17.02.2021, 15:18 Uhr

    Ein wichtiger anderer Grund für Religionszugehörigkeit ist hierzulande auch, dass die (katholische) Kirche ein großer Arbeitgeber ist. Bis vor kurzem wurde meine kleine Familie noch zu 100 Prozent einer Religion (dem Katholizismus) zugerechnet, aktuell sind es nur noch 50 Prozent, und von diesen 50 Prozent sind 100 Prozent areligiös.

  73. Auch Areligiöse haben eine religiöse Ader. Religion gibt 1) dem eigenen Leben einen Sinn und 2) bedeutet Teilhabe an einer Gemeinschaft die sich in ähnlichen Überzeugungen, Gemeinsamkeiten in der Weltsicht und einer geteilten Begrifflichkeit ausdrückt. Sie erzählen sich dann Geschichten, die nur sie, nur die Gemeindemitglieder wirklich verstehen.

    So gesehen sind selbst die CERN-Forscher unabhängig von ihrer Konfession oder dem Fehlen einer Konfession Teil einer geistigen Gemeinschaft, die sich einem nicht materiellen Ziel verschrieben hat – dem Ziel nämlich etwas zum Entschlüsseln der letzten Geheimnisse dieses Universums beizutragen. Und ganz ähnlich wie bei anderen Religionen, kann es sein, dass dieses Ziel zwar näher rückt, aber nie erreicht wird, kann es sein, dass die Quintessenz immer nur ein Gedankengebilde bleibt. Es bleibt ein gemeinsames Streben zu etwas letztlich Transzendentem, etwas was sich dem direkten Zugriff entzieht. Und wie die normal Religiösen, erzählen auch sie sich Geschichten in einer Begrifflichkeit, die nur Mitglieder ihrer Gemeinschaft wirklich verstehen.

  74. Hallo Schleim,
    erst einmal Zustimmung und dass Sie versuchen zu vermitteln.
    Am Fastnachtsdienstag sind die Wellen hochgeschlagen, das nehmen Sie nicht so ernst, das war Fastnachtspolemik.

    Balanus,
    Thema Religionszugehörigkeit.
    Nach dem 2. Weltkrieg waren die Kirchen die Anlaufstationen, wenn es keine andere Möglichkeit gab, etwas zu Essen zu bekommen.
    Und wenn man in einem Ort gelandet ist, der evangelisch war, dann wurden die Kinder eben evangelisch. Wenn der Ort katholisch war, dann wurden die Kinder katholisch. In Berlin z.B. waren die Baptisten aktiv, also gingen die Kinder am Sonntag in die Sonntagschule zu den Baptisten, wo es auch etwas zu essen gab.
    Gleichzeitig hat man auch gelernt tolerant zu sein, egal welche Konfession man hatte.
    Letzte Anmerkung: Gott hat die Konfessionen nicht erfunden.

  75. Nachtrag,
    da hat sich doch ein Wort aus dem Staube gemacht, natürlich Hallo Herr Schleim.

  76. @Stephan Schleim,

    Ich kenne die 4 apokalyptischen Schreiber auch und losgelöst ihrer Argumente frage ich mich was sie damals motiviert hatte das alles zu schreiben. Klar, mal einen Titel reisserisch “raushauen” um Aufmerksamkeit und damit Kohle zu machen kann eine Motivation sein. Wenn ich den Vieren das nun mal nicht unterstelle, frage ich mit was solche Werke bewirken sollen?
    Atheisten brauchen sie nicht zu überzeugen. Das sind ja bereits Atheisten.
    Menschen die wiederrum einen religiösen Glauben haben, werden durch solche Bücher kaum ihren Glauben verlieren und Atheist oder wenigstens Agnostiker.
    Wenn also wirklich eine Motivation vorliegt Menschen aufzuklären, die Augen zu öffnen, was auch immer, dann, ja dann gäbe es vermutlich bessere Methoden. Ok, vielleicht wären die weniger spektakulär.

    Kann man Naturalismus mit Naturwissenschaften gleichsetzen? Vermutlich nicht, schon weil es ersten erheblich vor Naturwissenschaften gab.
    Vermutlich habe ich ein zu einfaches Bild davon, aber Naturalismus war für mich immer die Übersetzung von: Ich schau mal was ich über eine Sache, einen Effekt, ein Phänomen herausfinde über das was mir in der Natur zugänglich ist mit Messung, Hypothesenbildung, Experiment usw. Je nach Komplexität einer Sache dauert das auch unterschiedlich lange.

    Weshalb sollte mich in diesem Zusammenhang ein religiöser Glaube überhaupt interessieren? Allenfalls doch wenn ich religiösen Glauben als Phänomen untersuchen möchte. Aber in der weit überwiegenden Anzahl aller zu untersuchenden Dinge kommt religiöser Glaube überhaupt nicht vor.

    Heisst, es kann jederzeit jemand einen Glauben und dennoch Naturwissenschaftler sein oder er glaubt eben nicht. Beides hat keinen Einfluß.

    Auch wenn das gerade im Web ja mal gerne diskutiert wird. Selbst die meisten Physiker arbeiten nicht an Theorien zur Entstehung des Universums 😉

  77. Warum Naturalisten wie Einstein der Religion spinnefeind sind
    Zitat Einstein:

    Für mich ist die unverfälschte jüdische Religion wie alle anderen Religionen eine Inkarnation des primitiven Aberglaubens. Und das jüdische Volk, zu dem ich gern gehöre und mit dessen Mentalität ich tief verwachsen bin, hat für mich doch keine andersartige Qualität als alle anderen Völker. So weit meine Erfahrung reicht, ist es auch um nichts besser als andere menschliche Gruppierungen, wenn es auch durch Mangel an Macht gegen die schlimmsten Auswüchse gesichert ist. Ansonsten kann ich nichts ,Auserwähltes’ an ihm wahrnehmen.“

    Einstein kritisiert die jüdische Religion wegen der dort zentralen Idee des „Ausserwähltseins“. Einstein war Zeit seines Lebens ein Antimilitarist, Antinationalist und ein Gegner hergebrachter patriotischer Ideale. In den religiösen Schriften aber erkannte er bereits all das Schlimme gegen das er Zeit seines Lebens ankämpfte.

    Einen persönlichen Gott lehnte er ab, das Göttliche, dessen Ausdruck für ihn die Schöpfung ist aber nicht.
    Zitat:

    Auf die Frage eines New Yorker Rabbiners, ob er an Gott glaube, antwortete Einstein: „Ich glaube an Spinozas Gott, der sich in der gesetzlichen Harmonie des Seienden offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit Schicksalen und Handlungen der Menschen abgibt.“ Und in einem Brief schrieb er: „Was ich in der Natur erblicke, ist eine großartige Struktur, die wir nur bruchstückhaft verstehen können. Diese Struktur muss jedem denkenden Menschen ein Gefühl von Bescheidenheit vermitteln – ein authentisches religiöses Gefühl, das mit Mystizismus nichts zu tun hat.“

  78. Holzherr,
    Naturalismus ist eine Kunstrichtung , die auf Wissenschaft fußt und den Menschen in seinem “Menschsein” sieht und darstellt. Man könnte auch sagen , Naturalismus ist Wissenschaft + Moral.
    Und Sie haben darauf verwiesen, dass wir die Fiktion, die Vision nicht vergessen sollen. Wir sind auch das, was wir in Zukunft sein werden.
    Deswegen ist der Naturalismus geeignet eine Synthese aus Naturwissenschaft und Geisteswissenschaften zu schaffen.

    Reutlinger,
    heute morgen ist mir niemand mit einem Mundschutz begegenet. Ich glaube nicht, dass die alle Coronaleugner sind, die sind einfach nur gedankenlos, leichtfertig, “das betrifft mich nicht”. Das sind Coronaagnostiker.

  79. @ Martin Holzherr

    “Bedeutung im Kontext des Naturalismus: Die Naturalisten glauben, dass es immer „mit rechten Dingen zugeht“, dass also nie übernatürliches am Werk ist, sondern immer nur die Natur. Aber auch unerklärliche und suspekte Dinge gibt es für ontologische Materialisten weniger: Epikur und Lukrez waren beide lebensfroh.”

    Sosehr ich Epikur mal geschätzt habe ist seine “lebensfrohe” Haltung von dem was ein rheinischer Katholik oder ein russisch orthodoxer Christ unter lebensfroh versteht weg wie die letzendlich lustfeindliche Grundhaltung des Buddhismus. Nur die Protestanten sind wahrscheinlich schlimmer.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Epikur#Epikurs_Lehre

    Die Katholiken (und orthodoxen Christen) können es richtig krachen lassen (man kann ja beichten und lebt ja in einer gefallenen Welt ), da können die Begierden schon mal ein bischen aus dem ruder laufen.

    Etwas das Epikur scharf verurteilt.

    Also nix mit schwarzweiß gramgebeugten Christen und hedonistischen Naturalisten.

  80. @hwied. Die englischsprachige Wikipedia gibt am besten wieder, was mit Naturalismus als Begriff der Philosophie gemeint ist:

    In der Philosophie ist Naturalismus die Idee oder der Glaube, dass nur natürliche Gesetze und Kräfte (im Gegensatz zu übernatürlichen oder spirituellen) im Universum wirken.[1] Anhänger des Naturalismus behaupten, dass Naturgesetze die einzigen Regeln sind, die die Struktur und das Verhalten der natürlichen Welt bestimmen, und dass das sich verändernde Universum in jeder Phase ein Produkt dieser Gesetze ist.

    Dubray 1911 : Der Naturalismus ist nicht so sehr ein spezielles System als vielmehr ein Standpunkt oder eine Tendenz, die einer Reihe von philosophischen und religiösen Systemen gemeinsam ist; nicht so sehr eine genau definierte Menge positiver und negativer Doktrinen als vielmehr eine Haltung oder ein Geist, der viele Doktrinen durchdringt und sie beeinflusst. Wie der Name schon sagt, besteht diese Tendenz im Wesentlichen darin, die Natur als die eine ursprüngliche und fundamentale Quelle von allem, was existiert, zu betrachten und zu versuchen, alles aus der Natur heraus zu erklären. Entweder sind die Grenzen der Natur auch die Grenzen der existierenden Wirklichkeit, oder zumindest hat die erste Ursache, wenn ihre Existenz als notwendig erachtet wird, nichts mit dem Wirken der natürlichen Kräfte zu tun. Alle Ereignisse finden also ihre adäquate Erklärung in der Natur selbst. Da aber die Begriffe Natur und natürlich selbst in mehr als einem Sinn verwendet werden, ist auch der Begriff Naturalismus weit davon entfernt, eine feste Bedeutung zu haben.

  81. Eine Diskussion über Naturalismus zieht unweigerlich auch orthodoxe Antinaturalisten an. Dazu gehören nun mal allen voran die religiös Gläubigen, die Spiritualisten, die Esoteriker und schließlich die Gegner oder Fundamentalkritiker der Wissenschaften generell, oder Kombinationen davon. In vielen Foren hier bei SciLogs tauchen Letztere sehr häufig auf, um die Diskussion aktivistisch für ihre Zwecke zu kapern. Sie schaffen es immer wieder mit Hartnäckigkeit und Penetranz, ihre Gegner in ausgedehnte, meist abwegige Schlagabtausche zu verwickeln.

  82. Martin Holzherr,
    Sehr gut die Beschreibung von Dubray.
    Als Nachtrag zu Einstein. Der verrät nichts Neues. Der Gott der Hebräer ist ein transzendenter Gott, das heißt außerhalb jeder Vorstellung. Deshalb das Bilderverbot der Juden-
    Wenn er von einer Inkarnation des Aberglaubens spricht, da hat er wohl einen schlechten Tag erwischt. Einstein war kein Rabbi. Er war kein Fachmann für Glaubensfragen.

  83. Können die Naturwissenschaften alles erklären?
    Antwort auf die obige Frage von Radio Eriwan: Im Prinzip ja, in Wirklichkeit kann die Naturwissenschaft nicht einmal diesen Beitrag von Stephan Schleim erklären – und die Mathematik kann die Naturwissenschaft erst recht nicht erklären, denn ist es nicht umgekehrt?: Mathe erklärt Natur und nicht: Natur erklärt Mathe.

    Sabine Hossenfelder sagt in ihrem You-Tube Video You don‘t have free will but don‘worry alles was wir tun, wollen und denken sei letztlich durch Naturgesetze bestimmt, denn unser Hirn bestehe aus Teilchen und wir würden die Gesetze kennen nach denen sich diese Teilchen verhalten. Mit den Naturgesetzen in Form von Differentialgleichungen könnten wir also bei bekanntem Input und bekanntem „Hirn“ berechnen was als nächstes (im Hirn) geschehe.

    Doch, und nun kommt das grosse Doch: In der Praxis ist das kaum möglich. Wir können damit nicht die Gedanken eines Mathematikers vorausberechnen. Und schon gar nie hätten wir je vorausberechnen können, was Carl Friedrich Gauss alles für mathematische Gebiete erschliesst.

    Fazit: In der Theorie ist alles vorausberechenbar, in der Praxis nur wenig.

  84. @hwied (Zitat):

    Einstein war kein Rabbi. Er war kein Fachmann für Glaubensfragen.

    Ein Kolle von Michael Blume, ein Theologie, schrieb mal hier auf diesem Blog, er glaube nicht an Gott. Ein Fachmann für Glaubensfragen muss nicht glauben!

  85. @Holzherr
    Naturwissenschaflliche Vorausberechnungen oder Vorhersagen sind wichtig für die Bewältigung des Lebens. In den USA herrscht zur Zeit der stärkste Wintersturm seit einem Jahrhundert, er war vorhergesagt. Trotzdem waren millionen Amerikaner nicht darauf vorbereitet. Die derzeitige Pandemie dagegen war nicht vorhersagbar. Die Gründe dafür sind ganz einfach und trivial.

    Die Naturwissenschaft kann und muss nicht alles vorhersagen. Es ist praktisch nicht möglich, z.B. aus Gründen der Komplexität und mangelnden Berechenbarkeit. Es ändert aber nichts am Wesen und an der Bedeutung des Naturalismus. Der Naturalismus sagt im Kern, dass jedes menschlich wahrnehmbare Phänomen der Welt mit Methoden und Werkzeugen der Naturwissenschaft erforschbar, erklärbar und beschreibbar ist. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Naturwissenschaft im engeren Sinn, Aussagen über Lebensweisen, Kultur oder Ethik zu machen.

    Dass die Naturwissenschaft schließlich mit ihren Erkenntnissen in Anwendungen übergeht, ist eine andere Sache. Dafür gelten andere Prinzipien und andere Auffassungen von Naturalismus.

  86. Sehr geehrter Herr Schleim,

    Sie schreiben, dass der “Physikalismus” durch das Extended-Mind-Konzept (EMK) widerlegt sei. Das ist aber nicht der Fall. Es ist überhaupt nicht belegt, dass sich “psychische Prozesse […] über das Gehirn auf den Körper und die Umgebung ausdehnen”.

    Es ist nur belegt, dass Menschen mit ihrer Umwelt physisch wechselwirken. Die dabei ggf. erschaffenen Artefakte lassen sich wieder über physische Mechanismen sinnlich wahrnehmen und interpretieren. Auch die Kommunikation mit anderen Menschen gelingt auf diesem Wege.

    Außerkörperliche psychische Prozesse sind hingegen nicht belegt. Beim EMK handelt es sich vielmehr um Begriffsakrobatik.

    Erfolgreiche Telepathie würde das EMK hingegen erheblich plausibilisieren und die gegenwärtige Konzeption der Naturgesetzlichkeit tatsächlich ernstlich in Frage stellen. Dies wurde aber schon geprüft, bislang ohne positives Ergebnis. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

    Schreiben Sie eigentlich gegen ein wissenschaftliches Weltbild an, in dem supranatürliche Entitäten einfach nur nicht vorkommen? Wundern Sie sich über den Widerspruch speziell bei scilogs.de?

  87. Naturalismus ist aber nur ein Überzeugungssystem wie viele andere.

    Sehe ich auch so.

    Deshalb kann ich auch immer wieder nur amüsiert verfolgen, wie trotzdem versucht wird, den Naturalismus als in sich logisch widersprüchlich zu kennzeichnen. Das ist er so wenig, wie viele andere Überzeugungssysteme. Und empirisch betrachtet ist er natürlich auch nicht falsifizierbar. Eine solche Behauptung amüsiert mich nicht weniger.

    Sowohl bei den Verächtern als auch bei den Verteidigern des Naturalismus sind erstaunliche Defizite in ihren Argumentationsversuchen alltäglich.

    Die ersten beachten oft nicht die Prämissen der Naturalisten für logische Ableitungen und fügen eigene hinzu, oder zumindest eigene Interpretationen, um auf einen Widerspruch zu stoßen. Die letzteren behaupten häufig, einen Sprung vom Empirischen zum Logischen machen zu können, und verkennen dabei regelmäßig ihre eigenen metaphysischen Dogmen. Sie akzeptieren das Münchhausen-Trilemma, nicht aber den Punkt am Ende der Optionen. Stattdessen fahren sie mit einem, diesen Punkt relativierenden oder gar ganz ignorierenden ‘aber, es scheint sicher vernünftig zu sein …’ munter fort.

    Wie ich immer sage, sie erkennen den Balken im Auge des Anderen, aber den Splitter im eigenen nicht.

  88. @anton reutlinger (Zitat):

    Die Naturwissenschaft kann und muss nicht alles vorhersagen. Es ist praktisch nicht möglich.

    Sehr wahr. Es ist praktisch nicht möglich.

    Das ist ein wichtiger Grund, warum das Geistige so heraussticht, warum der fiktionale Raum so bedeutend, ja fast unbegrenzt ist. Wir können uns fast beliebige Dinge vorstellen, Dinge ganz unterschiedlicher Qualität, zu denen sowohl die Lineare Algebra als auch „ The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“ gehört. Niemanden würde es in den Sinn kommen mit einer Simulation vorauszuberechnen, was ein begabter Mathematiker als nächstes entwickelt.

    Diese Idee ist so absurd, dass es als Scherz die Fiktion von der Weltsimulation gibt, die von anderen Intelligenzen gestartet wurde um herauszufinden, was ihre simulierten Wesen (zum Beispiel wir) interessantes herausfinden. Anstatt selbst Mathematik zu betreiben könnte gemäss dieser Scherz-Idee der Mathematiker einer anderen Welt auf die Idee kommen, eine ganze Welt zu simulieren in der es Mathematiker gibt um dann abzuhorchen, was die alles an interessanten Theoremen entwickeln.

  89. Eine Frage an den Naturwissenschaftler Reutlinger : “Ist Kinderlosigkeit erblich ?”

  90. @Joker
    Es kommt darauf an, was man unter Naturalismus versteht. Wenn man ihn mit Formen des Realismus vermischt, dann kommt man in Teufels Küche. Ich verstehe den Naturalismus hier, im Rahmen der Philosophie des Geistes, ausschließlich als Gegensatz zu Formen des Supranaturalismus.

    Wir wissen, dass es Phänomene gibt, die der Mensch nicht wahrnehmen kann, wohl aber Tiere. Selbstverständlich wird man als Naturalist auch diese Phänomene als natürlich betrachten, obwohl sie der Naturwissenschaft nicht zugänglich sind, solange der Mensch sie nicht entdeckt hat, was aber aus der Verhaltensforschung und Physiologie von Tieren möglich sein könnte.

    Der Naturalismus in diesem Verständnis muss weder extra begründet noch bewiesen werden. Er ergibt sich als induktive Konsequenz aus der faktischen Erklärungskraft und den Erfolgen der Naturwissenschaften. Das kann man anzweifeln, aber auch das wäre nicht begründbar oder beweisbar.

  91. Holzherr,
    wir haben die Fachfrau vergessen. Kann die eine Aussage über das Gebären machen, darf sie überhaupt? Wenn sie Kinder hat ist sie bei ihrer Aussage als befangen anzusehen, hat sie keine Kinder , dann ist sie ihrer Meinung nach kompetent .

  92. @Joker (Zitat):

    Und empirisch betrachtet ist er [der Naturalismus] natürlich auch nicht falsifizierbar. Eine solche Behauptung amüsiert mich nicht weniger.

    Mich aber überzeugt Sam Harris Argument (Zitat):

    Der Physikalismus könnte, im Gegensatz dazu, leicht falsifiziert werden. Falls die Wissenschaft jemals die Existenz von Geistern oder Reinkarnation bestätigt, oder irgendeines anderen Phänomens, das den menschlichen Geist (vollständig oder in Teilen) außerhalb des Gehirns platziert, dann wäre der Physikalismus tot.”

    Warum überzeugt mich das? Weil es auf der gleichen Stufe steht wie die Aussage des Churer Weihbischof Marian Eleganti, der die Gabe der Hostie an Gläubige während der Covid-Pandemie damit rechtfertigte, dass Gott die Hostien-Empfangenden vor der Infektion schützen werde (Zitat):

    Eleganti wörtlich: (…) Ja, ich erwarte Wunder. Ich rechne mit der Kraft und dem Schutz Gottes.»

    Wenn Gläubige sich bei der Hostien-Annahme infizieren, dann ist Elegantis Aussage über Gott widerlegt genau so wie der Naturalismus widerlegt ist, wenn der Geist eines Menschen ohne seinen Körper mit ihnen telefoniert (zum Beispiel während der Körper in Narkose ist).

    Wenn sie sagen, eine Falsifikation sei nicht möglich, dann sagen sie im Grunde, Wunder und andere übernatürliche Dinge wie sie von Antinaturalisten immer wieder postuliert werden, sind nicht beobachtbar.
    Doch genau das ist ja der Punkt: Wunder gibt es gemäss Naturalismus nicht und wenn es nicht beobachtbare Wunder gibt, dann sind sie nicht von dieser Welt, dann sind sie Fiktion (also ausgedacht).
    Der entscheidende Punkt ist hier ob man Beobachtungen als Killer-Kriterium akzeptiert oder nicht akzeptiert.

    Tatsächlich ist es so: Wenn sie Gedachtem mehr Gewicht geben als Beobachtetem, dann obsiegen sie immer gegenüber Naturalisten. Doch das ist dann ein Pyrrhussieg.

  93. @anton reutlinger

    Der Naturalismus in diesem Verständnis muss weder extra begründet noch bewiesen werden.

    Er muss und kann nicht begründet oder bewiesen werden. Das ist Metaphysik.

    Er ergibt sich als induktive Konsequenz […]

    Entsprechend sah auch ich mich veranlasst, hier Konsequenzen zu ziehen. Nun sollten wir aber beide wissen, dass Induktion kein logisches Verfahren ist, dass uns zwangsläufig zu Wahrheiten führt.

    Das kann man anzweifeln, aber auch das wäre nicht begründbar oder beweisbar.

    Genau, und weil man beides nicht letztbegründen oder beweisen kann, weder die Richtigkeit noch die Nichtigkeit des Naturalismus, bleibt da eine Patt-, besser eine Remis-Situation.

    Sie scheinen noch Vorteile für sich in der Partie zu sehen – 1000 Züge (bzw. Kommentare) später, siehe da: immer noch Remis. Was können wir daraus induktiv schließen?

  94. @Martin Holzherr

    Mich aber überzeugt Sam Harris Argument

    Sie sagen es, es geht um Überzeugungen.

    Auf das Argument ist Stephan Schleim im Blogartikel bereits eingegangen, Harris faselt an dieser Stelle Unsinn.

  95. Zitat:

    Auf das Argument ist Stephan Schleim im Blogartikel bereits eingegangen, Harris faselt an dieser Stelle Unsinn.

    Mit andern Worten, sie glauben beim folgenden, das von Stephan Schleim erwähnt wird, handelt es sich um nicht-physikalische Prozesse:

    Hier müsste man erst einmal anmerken, dass Harris mindestens zwanzig Jahre Fortschritt in den Kognitionswissenschaften verschlafen hat: Denn dort hat man sich in großen Teilen darauf geeinigt, Stichworte “embodyment” und “situatedness”, dass sich psychische Prozesse sehr wohl über das Gehirn auf den Körper und die Umgebung ausdehnen. Die Extended-Mind-Hypothese (z.B. nach Andy Clark und David Chalmers, 1998; 2010 gab es schon einen Sammelband bei MIT Press) ist auch bei Technikfreaks, Cyborgs und in der Augmentation- und Bodyhacking-Szene populär.

    Wenn sie tatsächlich glauben, „embodiment“ bedeute, dass (im Sinne Harris) der menschlichen Geist (vollständig oder in Teilen) außerhalb des Gehirns platziert sei, dann ist tatsächlich schwer mit ihnen zu argumentieren, denn dann nehmen sie Metaphern und Bilder viel zu wörtlich. Ich behaupte: Keiner der Originalautoren, der von „embodiment“ spricht, meint damit, dass der menschliche Geist sich ausserhalb des Gehirns befindet.

    Fazit: Wer magisch denkt und alles Beobachtete und Metaphorisch beschriebene „magisch“ interpretiert, der ist tatsächlich für den Naturalismus nicht mehr erreichbar.

  96. @Martin Holzherr

    Ich behaupte: Keiner der Originalautoren, der von „embodiment“ spricht, meint damit, dass der menschliche Geist sich ausserhalb des Gehirns befindet.

    Wer behauptet, belegt.

    Bei Chalmers könnte ich mir das sogar sehr gut vorstellen.

    Übrigens hege auch ich gelegentlich den Verdacht, ein Großteil meines Geistes werde bereits auf den Servern der Wikipedia gehostet.

  97. @Joker 17.02.2021, 19:29 Uhr

    Geht’s auch konkreter?

    Wer soll sich bei einem derartigen Rundumschlag angesprochen fühlen? Wir waren da doch schon weiter.

  98. @Schleim und I.Hirsch
    Agnostiker

    Vor über 30 Jahren habe ich im Konfirmandenunterricht den Pastor gefragt, warum ich an Gott glauben soll, wo ich doch keinen Beweis habe.

    Ich frage mich immer, woher solche Anforderungen an andere kommen, wenn man sie nicht an sich selbst stellt. Hatten Sie denn einen Beweis dafür, dass Ihr Beitrag hier eine gute Sache wäre, bevor Sie ihn geschrieben haben?

    Agnostizismus ist tatsächlich kein Glaube, sondern eine Methode

    Damit fehlt ihm aber im Gegensatz zum Naturalismus oder zu den Religionen etwas: Werte und Sinn.

    Agnostizismus ist keine vollständige Weltanschauung. Damit man sein Leben leben kann, damit man weiß, was man in seinem Leben erreichen oder schaffen möchte, benötigt man mehr als das oben beschriebene Prinzip.

    Religionen definieren, was gut und schlecht ist, sie sind sinnstiftend und geben den Menschen eine Rolle in dieser Welt.

    Beim Naturalismus wird es schon schwieriger, aber wenn man irgendwie über den naturalistischen Fehlschluss hinwegschreitet, bleibt vermutlich so etwas wie “Überleben der Menschen” (oder auch nicht) als sinnstiftend oder Verbreitung seiner Gene als Ziel jedes Individuums übrig (oder vielleicht auch das nicht, denn beim Überschreiten des naturalistischen Fehlschlusses ist logisch erst mal alles möglich).

    Natürlich ist nichts davon sicher, oder kann bewiesen werden. Aber dennoch benötigt der Mensch Gründe für sein Handeln, denn wir handeln nicht zufällig.

    Herr Schleim, Sie haben studiert und unterrichten jetzt, Sie gehen tanzen, schreiben diesen Blog und setzen sich sogar juristisch für einen besseren Wissenschaftsbetrieb ein. Dahinter stehen doch Motivationen, Ziele, Interessen und eine Vorstellung davon, was gut oder schlecht ist.

    Aber wie sind Sie, oder andere hier anwesende Agnostiker sich sicher in dem, was sie machen? Ich kann mir das nicht vorstellen, wie Sie ohne eine mehr oder weniger festgelegte, bewusst oder unbewusste Weltanschauung das bewerkstelligen bzw. begründen können. Wenn ich raten müsste, würde ich einem Agnostiker vermutlich immer eine unbewusste Privatreligion unterstellen.

  99. Hallo Herr Reutlinger,

    Der Naturalismus in diesem Verständnis muss weder extra begründet noch bewiesen werden. Er ergibt sich als induktive Konsequenz aus der faktischen Erklärungskraft und den Erfolgen der Naturwissenschaften.

    Nun ja, wie bei allem in der Welt kann alles von zwei Seiten sehen, auch den Erfolg der Naturwissenschaften:: die Naturwissenschaften haben Erfolge (Wissen um Kräfte) und Misserfolge (Unwissen über Ontologie), was gewichtet man nun stärker.

    Können die Erfolge der Naturwissenschaften uns optimistisch stimmen ? Nun ja wir können wegen dieser Erfolge nützliche Apparate bauen – aber eben auch schlimme Waffen. Sollen uns die Misserfolge pessimistisch stimmen, weil sie uns – anscheinend (!) – unsere epistemischen Beschränktheiten vor Augen führen ?

    Ich denke, so kommt man den Fragen, die der Naturalismus aufwirft, nicht bei.
    Man könnte es doch auch mal anders versuchen:

    Der Naturalist scheint verlässliche Methoden, die prüfbare Ergebnisse hervorbringen, er scheint gesicherte Perspektiven auf eine Sache, zu bevorzugen. Das wäre jemand mit dem Hang zum nüchternen Pragmatismus.

    Der Anti-Naturalist hat kein Problem mit unsicheren unzuverlässigen Gegebenheiten, er sucht und konstruiert sich – jenseits der Naturwissenschaften – eigene Erklärungen der Welt, größtenteils ohne die Naturwissenschaften in Frage zu stellen. Das wäre so was wie der phantasievolle Spieler- oder unsichere Nachdenker-Typ.

    Das sind jetzt mehr oder weniger zwei Gegensätze. Macht es nicht Sinn, eine Position zu besetzen, die dazwischen liegt, die goldene Mitte. Also Naturalist und Antinaturalist gleichzeitig zu sein.

    Das heißt, die Naturwissenschaften zu schätzen, aber auch die menschliche Gabe, sich über die Grenzen auch mal hinweg zu denken, die die Naturwissenschaften setzen. So kann man die Vorteile beider Geisteshaltungen mitnehmen.

    Und wie kann denn so was praktisch aussehen ?

    Grüße Fossilium

  100. @Hirsch

    Zitat: “Sätze mit Ausdrücken wie “die Gläubigen” oder “die Muslime” sind wahrscheinlich genauso wenig zutreffend wie Sätze mit Ausdrücken wie “die Frauen” oder “die Deutschen”.

    Sehe ich auch so. Sätze mit Ausdrücken wie “die Naturalisten” aber auch nicht.

    Danke – auf viel mehr wollte ich gar nicht hinaus.

  101. @foobar407

    Ich frage mich immer, woher solche Anforderungen an andere kommen, wenn man sie nicht an sich selbst stellt.

    Ich war ca. 14 Jahre alt, als ich diese Frage an der Pfarrer richtete. Er hat meines Erachtens einfach sehr ungeschickt reagiert. Vielleicht haben sie sich diese Frage in ihrer Jugend gar nicht erst gestellt?

    Ich kann mir das nicht vorstellen, wie Sie ohne eine mehr oder weniger festgelegte, bewusst oder unbewusste Weltanschauung das bewerkstelligen bzw. begründen können.

    Wenn sie sich das nicht vorstellen können, muss das doch nicht für alle Menschen gelten.

    Religionen, Spiritualität, Glaube etc. gehören in meinen Augen einfach zum Menschen dazu. Es sind kulturelle und wohl auch biologische Phänomene, die einen Selektionsvorteil darstellten. Ob sie in der heutigen Zeit und in allen Gesellschaften immer noch einen Selektionsvorteil darstellen ist meines Erachtens unklar. Aber “Religionen” wird es immer geben.
    Natürlich beruht z.B. mein Moralsystem überwiegend auf der “christlich-abendländischen Kultur” und nicht auf einer naturalistischen Philosophie. So bin ich eben aufgewachsen. Aber man kann doch über Alternativen (z.B. “Evolutionäre Ethik”) zumindest nachdenken, oder nicht?

    Freundliche Grüße

  102. @hwied

    Der Gott der Hebräer ist ein transzendenter Gott, das heißt außerhalb jeder Vorstellung. Deshalb das Bilderverbot der Juden.

    Ganz so einfach ist das nicht!

    Der hebräische Gott ist auch der töpfernde Gott, der Gott der Moses seinen Hintern zeigt, jener der durch den Garten wandelt, der Gott der Abraham und Isaac erschien, der Gott der mit Jacob von Angesicht zu Angesicht traf wie auch Moses .. ebenso Ezekiel, Amos, Habakkuk .. sogar Jesus beschreibt in alles andere als transzendent.

    Auch archäologisch finden sich viele Belege für eine jüdische bildliche Verehrung Gottes. Man denke nur an die Synagoge von Dura Europos aus dem 3. Jahrhundert CE mit sehr vielen bildlichen Darstellungen.

    Auch die Ebenbildlichkeit des Menschen in der hebräischen Bibel lässt durchaus ein Verständnis als konkretes “Abbild” zu.
    Siehe ṣӕlӕm “Bild / Abbild / Statue” wie in Gen 1,26.27.
    Wäre was Anderes gemeint gewesen, so hätte der Autor dəmût verwenden können, was abstraktere Abbilder meint.

    Wenn er von einer Inkarnation des Aberglaubens spricht, da hat er wohl einen schlechten Tag erwischt. Einstein war kein Rabbi. Er war kein Fachmann für Glaubensfragen.

    Ist nicht jede Religion nur ausgeschmückter Aberglaube?

  103. @Feodor

    Schreiben Sie eigentlich gegen ein wissenschaftliches Weltbild an, in dem supranatürliche Entitäten einfach nur nicht vorkommen? Wundern Sie sich über den Widerspruch speziell bei scilogs.de?

    Das fragte ich mich auch schon. 😉

  104. @I. Hirsch

    Ich war ca. 14 Jahre alt, als ich diese Frage an der Pfarrer richtete. Er hat meines Erachtens einfach sehr ungeschickt reagiert.

    Es ist eine ganz normale Antwort, die auf Erfüllung von Prophezeiung (Bestehen der Kirche) und Rolle von Christentum als Weltreligion (Erlösung aller Menschen) abzielt.

    Es ist ein Argument, dass man nicht akzeptieren muss, aber immerhin ein Angebot auf die merkwürdige Frage zu Beweisen von Glaubensfragen.

    Vielleicht haben sie sich diese Frage in ihrer Jugend gar nicht erst gestellt?

    Ich hatte keinen Konfirmandenunterricht und die Frage dürfen Sie sich ruhig stellen, aber wieso müssen Sie das wiederholen, jetzt wo Sie ja vermutlich nicht mehr 14 sind?

    Wenn sie sich das nicht vorstellen können, muss das doch nicht für alle Menschen gelten.

    Das habe ich auch nicht behauptet. Aber ich habe begründet, worin ich die Probleme mit Agnostizismus sehe und die Agnostiker hier angesprochen, wo und wie sie die Dinge anders sehen als ich.

    So bin ich eben aufgewachsen. Aber man kann doch über Alternativen (z.B. “Evolutionäre Ethik”) zumindest nachdenken, oder nicht?

    Sie können gerne über alles nachdenken, aber am Ende müssen Sie handeln. Und ich sehe nicht, wie Ihre Begründungen nicht in einen Relativismus führen. Sie sind mit einer “christlich-abendländischen Kultur” aufgewachsen, andere nicht – und jetzt? Würden Sie es nicht dennoch verurteilen, wenn jemand Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, auch wenn er damit aufgewachsen ist?

  105. @Joker
    Der Einwand des Induktivismus geht hier ins Leere, denn es geht nicht darum, den Naturalismus zu beweisen. Die faktischen, weitreichenden Erfolge der Naturwissenschaften sind Begründung für die Annahme des Naturalismus. Der Anti- oder Supranaturalismus hat nichts dergleichen anzubieten. Deshalb ist ein Unentschieden zwischen Naturalismus und Antinaturalismus blanker Unsinn.

    Der Supranaturalismus ist nichts weiter als Wunschdenken, die Hoffnung des Menschen auf Kräfte, die ihm im Lebenskampf, gerade auch gegen die Unbill der Natur, behilflich sein könnten. Die Menschen beten wenn sie sich ohnmächtig den Gefahren des Lebens ausgesetzt fühlen. Das ist verständlich, nützt aber nichts, außer der Wirkung als Placebo-Effekt, der aber kontraproduktiv wirken kann.

    Eine Hoffnung, die auf falschen Annahmen beruht, kann nicht wirklich Hoffnung sein, sondern nur Selbsttäuschung. Selbsttäuschung ist das Eingangstor für kriminelle Betrügereien! Die Gläubigen werden zu Opfern. Beispiele gibt es fast täglich in den Nachrichten.

  106. @foobar407 17.02.2021, 23:41 Uhr
    Sie schreiben an Stephan Schleim und andere:

    Damit fehlt ihm [dem Agnostizismus] aber im Gegensatz zum Naturalismus oder zu den Religionen etwas: Werte und Sinn.

    Und weiter:

    Aber wie sind Sie, oder andere hier anwesende Agnostiker sich sicher in dem, was sie machen? Ich kann mir das nicht vorstellen, wie Sie ohne eine mehr oder weniger festgelegte, bewusst oder unbewusste Weltanschauung das bewerkstelligen bzw. begründen können.

    Ja, der Agnostizismus, wie ich ihn sehe, besagt, dass Wissenschaft nicht zur Glaubensfrage werden darf. Erst wenn es um Werte und Moral geht, kommt die Weltanschauung ins Spiel. Und da ist Toleranz angesagt. Agnostizismus hat kein gemeinschaftsstiftendes Potential. Der Skeptiker ist eben kein Rudeltier.

  107. Meldung von RTL, 2.8.2020

    Uli Hoeneß betet für einen Impfstoff gegen das Coronavirus und hofft auf die Erlaubnis für bis 25.000 Zuschauer in Bayern Münchens Allianz Arena beim Saisonstart der Fußball-Bundesliga am 18. September. “Ich hoffe sehr, dass wir im Herbst Spiele mit Zuschauern erleben werden, in München vielleicht mit 20- bis 25.000”, sagte der FCB-Ehrenpräsident der “FAZ”.

    meine große Hoffnung ist der Impfstoff. Ich schließe in mein Nachtgebet immer die Forscher ein, die ihn entwickeln.

    Offenbar haben seine Gebete Wirkung gezeigt (teilweise), wer würde daran zweifeln? Wahrscheinlich hat er vergessen, auch die Politiker einzuschließen. Jetzt haben wir den Salat.

  108. @I.Hirsch
    Die Arbeitsweise unseres Gehirns ist biologisch vorgegeben. Ein Mechanismus ist z.B. das ´zustandsabhängige Erinnern´. Dies bedeutet, dass unsere im Gedächtnis gespeicherten Erlebnisse beim Reaktivieren/Erinnern mit dem dabei aktuellen Verstand neu interpretiert bzw. bewertet werden.

    Beispiele:
    werden die einzelnen Foetus_Erlebnisse zur Entwicklung des Sehsinns von Erwachsenen sehr rasch nacheinander erinnert – dann wird dabei der Eindruck entstehen, sich rasch auf eine größer werdendes Licht hin zu bewegen: die sogenannte ´Tunnelerfahrung´, das ´Gehen ins Licht´ (per Google gibt es dazu viele Beispiele)

    ein neugeborenes Baby ist fast blind – wenn die Eltern das Baby versorgen, dann werden diese Erlebnisse vom Baby im Gedächtnis abgespeichert. Werden diese Erlebnisse des frühen Sozialkontakts später reaktiviert und dabei umgedeutet, dann hat man dabei den Eindruck mit einem liebevollen (göttlichen) Lichtwesen zusammen zu treffen, von dem man sich bedingungslos geliebt, angenommen und verstanden fühlt.

    Diese Erfahrungen gehören zu den schönsten Erlebnissen, die ein Mensch haben kann, wird immer wieder berichtet. Denn alle Erfahrungen werden in der zeitlichen Gegenwartsform gemacht und auch so wieder reaktiviert: d.h. man erlebt das Ganze noch einmal.

    Solche Erfahrungsberichte muss es aus allen Kulturen geben weil die Gehirne aller Menschen biologisch gleichartig funktionieren. Weil solche intensiven Erlebnisse kulturspezifisch oft als spirituelle bzw. religiöse Erfahrungen interpretiert werden – hat man damit einen allen Menschen biologisch vorgegebenen Mechanismus, welcher erklärt wieso es in allen Kulturen/Völkern Spiritualität bzw. Religiosität gibt.

    Diese Arbeitsweise des Gehirns ist kein spezieller Selektionsvorteil – sondern Ergebnis seiner normalen Funktion.

  109. @Grams

    Ja, der Agnostizismus, wie ich ihn sehe, besagt, dass Wissenschaft nicht zur Glaubensfrage werden darf. Erst wenn es um Werte und Moral geht, kommt die Weltanschauung ins Spiel.

    Dann verstehe ich aber nicht, wieso man das dann überhaupt gegenüberstellt? Agnostizismus wäre in dem Fall ein Gegenspieler zum Naturalismus aber nicht zur Religion (sofern sie keine Glaubensaussagen zur Wissenschaft macht), richtig?

    Dann könnte ein Buddhist/Christ/Muslim/… gleichzeitig Agnostiker sein, solange er sich an bestimmte Prinzipien zur Wissenschaft hält. Ist das Ihr Verständnis von Agnostizismus?

    Und da ist Toleranz angesagt. Agnostizismus hat kein gemeinschaftsstiftendes Potential. Der Skeptiker ist eben kein Rudeltier.

    Toleranz selbst wäre ja auch schon ein Wert, der sich nicht allein aus dem Agnostizismus ergibt. Toleranz hat auch Grenzen, die man ebenfalls begründen müsste.
    Wenn der Agnostizismus aber konsequent jede axiomatische oder dogmatische Begründung ablehnt, stellt er sich ja gar selbst in Frage.

  110. Zu A. Reutlinger
    “Sie wissen das es DInge gibt, die der Mensch nicht wahrnehmen kann…”
    Richtig. Deswegen bin ich für den Naturalismus(Materialismus) da der Mensch nur von seinen Sinnestäuschungen lebt. Seine Sinneserfahrungen sind immer subjektiv eingefärbt durch Programme die man ihm antrainiert/anerzogen/suggeriert hat, sei es im Dritten Reich/DDR/BRD….Unser GEIST interpretiert aus dem NichtWissen heraus seine Sinnestäuschungen als religiöse Erkenntnisse/philosophischer Einsichten/etc. und produziert damit automatisch Fakes/Meinungen/Wahnvorstellungen/Ideologien . Nur die Wissenschaft kann die Dinge so wahrnehmen wie sie in WAHRHEIT sind. Der GEIST kann auf dieser Basis immer nur erkennen, sobald er interpretiert wird er auch phantasieren und Lücken mit GLAUBEN ausfüllen und sein eigenes EGO einbringen, sein eigene Begrenztheit.
    Zu Buddha: “Die tiefste Ebene des Bewusstseins sei vom Körper unabhängig…”
    Es handelt sich hier meiner Ansicht nach um einen Erfahrungszustand in der Meditation. Es ist also ein Zustand der sich dem normalen Verstand entzieht da er inneren Frieden (ohne jeden Gedanken) manifestiert und eine Illusion von zeitlicher Unbegrenztheit im Hier und Jetzt herstellt. Man ist in einer zeitlosen Gegenwart und eher in einem absoluten Gewahrsein des Nichts. Im Hinduismus/ Buddhismus gibt es hierzu unzählige Interpretationen von unzähligen Gurus. Tausende Methoden für einen Vorgang den man religiös als ATMAN interpretiert.

  111. einer
    mit Aberglauben lässt sich keine Welt erschaffen.
    ganz so einfach ist das nicht…..
    Was wir im AT lesen, das ist von Menschen aufgeschrieben, wie sie sich Gott vorgestellt haben.
    Moses tat sich schwer, den Auftritt Gottes im brennenden Dornbusch zu beschreiben. Er gab Gott keinen Namen , er umschrieb das elegant , indem er Gott sagen lies: “Ich bin, der da ist”.

  112. foobar407
    jeder Mensch durchläuft die Phase der Agnosis. Was ihn nicht existenziell betrifft, das belässt er in der Schwebe.
    Das ist positiv zu bewerten, denn er bleibt offen, noch nicht festgelegt.
    Wenn er sich festlegt, das ist auch positiv zu bewerten, dann bezieht er Stellung.

    Fehlerhaft wäre, wenn er unüberlegt oder leichtfertig eine Wahl bei der Weltanschauung trifft. Wenn er gar keine Wahl trifft, dann ist das auch positiv solange er menschlich richtig handelt.

  113. @Golzower
    Nur die Wissenschaft kann die Dinge so wahrnehmen wie sie in WAHRHEIT sind.

    Im wesentlichen stimme ich Ihnen zu, aber diesem Satz muss ich widersprechen. Es ist eine Aussage des Realismus, eine Form des naiven Realismus. Das ist ein philosophischer Diskurs parallel zum Naturalismus.

    Der Satz widerspricht auch Ihrer eigenen Aussage, dass der Geist die Sinneswahrnehmungen interpretiert, denn auch der Geist der Naturwissenschaftler interpretiert die wahrgenommene Welt. Alle Theorien der Naturwissenschaft sind Interpretationen, insbesondere in der Physik der sinnlich nicht erfahrbaren Teilchen und Quanten, wie auch in der Erforschung des superkomplexen Nervensystems.

  114. @foobar407 18.02.2021, 10:45 Uhr

    Sie schreiben:

    Agnostizismus wäre in dem Fall ein Gegenspieler zum Naturalismus aber nicht zur Religion (sofern sie keine Glaubensaussagen zur Wissenschaft macht), richtig?

    Ja, Sie interpretieren mich richtig.

    Toleranz hat auch Grenzen, die man ebenfalls begründen müsste.
    Wenn der Agnostizismus aber konsequent jede axiomatische oder dogmatische Begründung ablehnt, stellt er sich ja gar selbst in Frage.

    Die Toleranz gehört ins Reich der Werte, orthogonal zur Wissenschaft. Ich mag die Idee der NOMA (Nonoverlapping Magisteria). Das Begründungsproblem existiert nicht.

  115. @hwied

    mit Aberglauben lässt sich keine Welt erschaffen.

    Dem würde ich auch nicht widersprechen. 😉

    Was wir im AT lesen, das ist von Menschen aufgeschrieben, wie sie sich Gott vorgestellt haben.
    Moses tat sich schwer, den Auftritt Gottes im brennenden Dornbusch zu beschreiben. Er gab Gott keinen Namen , er umschrieb das elegant , indem er Gott sagen lies: “Ich bin, der da ist”.

    Die Vorstellung von Gott in der Bibel ist eben nicht transzendent und damit auch nicht der Gott der Juden (oder Christen)- q.e.d.
    Die Götter im alten Orient – und da gehört das Judentum auch zu – waren nie transzendent.
    Das wurde erst später in die Texte hineingedichtet bzw. herausgelesen.

    Ich denke auch, dass es sich eh bei jeder Gottheit um eine menschliche Vorstellung handelt, also ändert das nichts.

  116. @foobar407

    Es ist ein Argument, dass man nicht akzeptieren muss, aber immerhin ein Angebot auf die merkwürdige Frage zu Beweisen von Glaubensfragen.

    Sie finden diese Frage für einen Jugendlichen merkwürdig und halten, in diesem Zusammenhang, einen einzigen Satz als Antwort für adäquat?
    Na gut, da hatte ich damals wohl zu viel erwartet.

    .…jetzt wo Sie ja vermutlich nicht mehr 14 sind?

    Sie vermuten richtig. Sie hätten aber auch einfach meinen Kommentar richtig lesen können (“Vor über 30 Jahren…”).

    Ich hatte keinen Konfirmandenunterricht….

    Tatsächlich kann man sich diese Frage auch außerhalb eines Konfirmandenunterrichtes stellen. Ihr Kommentar dazu scheint die Frage zu beantworten.

    Aber dennoch benötigt der Mensch Gründe für sein Handeln, denn wir handeln nicht zufällig.

    Die Handlungen eines Menschen beruhen auf einem komplexen Zusammenspiel von allgemeinen angeborenen Verhaltensweisen, soziokulturellem Hintergrund, Erziehung, Erinnerungen, Charakter, Lebenssituation, derzeitigen Befindlichkeiten….

    Vielleicht gibt es ja bestimmte ethische Grundwerte, auf die sich alle Menschen irgendwann einigen könnten, unabhängig vom Glauben? als Begründung könnte man hier einfach das praktische Ziel angeben angenehm miteinander zu leben.

  117. @anton reutlinger

    Der Einwand des Induktivismus geht hier ins Leere

    Dass der bei Ihnen ins Leere läuft, hatte ich geahnt.

    Deshalb ist ein Unentschieden zwischen Naturalismus und Antinaturalismus blanker Unsinn.

    Schauen Sie sich doch mal die Basis an, bzw. die vermeintliche, da werden alle Unterschiede zwischen Naturalismus und Antinaturalismus Makulatur.

    Wer im Erblühen einer Blume das Wirken einer besonderen Macht sieht, so wie bei der Geburt eines Kindes oder auch beim Untergang der Sonne, der wird induktiv die Existenz Gottes erschließen (Sie Erinnern sich vielleicht noch an die Kommentatorin auf scilogs ‘@Grenzgängerin’, alias ‘@Eli Schalom’, ihr war logisch nicht beizukommen, es war zum verzweifeln).

    Selbsttäuschung ist das Eingangstor für kriminelle Betrügereien!

    Das sollte doch Grund genug sein für Sie, das Tor zu schließen. Just do it.

  118. @hwied

    … indem er Gott sagen lies: “Ich bin, der da ist”.

    Das steht da so im Hebräischen nicht, aber dieses ist sicher bekannt, oder?

    Wortwörtlich sag Gott in Exodus 3:14 in merkwürdigem Hebräisch “Ich werde sein, wer ich sein werde.”
    An sich weißt der Vers weniger auf Transzendenz als auf ein interessantes Stück Literaturgeschichte hin. Der ganze Vers ist für die Testpassage unnötig, weder der Vers davon noch jener danach benötigt ihn. D.h. vermutlich ist es eine spätere Einfügung.
    Der zweite Teil des Verses (14b) wiederholt nur, was im folgenden Vers steht, was wiederum für eine ggf. unglückliche Einfügung spricht.
    Der erste Teil ist sehr merkwürdiges Hebräisch, was vermuten lässt, dass an auch diesem Teil etwas geändert wurde. Es könnte z.B. der Name Gottes aus den E Quellen sein, der dann von P überarbeitet wurde.

  119. @hwied in der Bibel geht es nie um die Schöpfung der Welt wie Universum o.ä. aus dem Nichts, sondern nur um Land, Wasser aus einem vorherigen Chaos. Die entsprechenden Stellen in der Bibel sind da sehr deutlich. Vor allem auch, wenn man die älteren verwendeten Quellen berücksichtigt.

    Ansonsten reicht mir (vorerst) der Urknall.

  120. @Joker
    Sie sind nicht der Einzige, der Popper gelesen hat. Ihre Argumentation verschwimmt im sinnlosen Relativismus. Das ist genau das Problem des Supranaturalismus. Er hat keinerlei Fundament, auf das man sich verlassen könnte, alles nur spekulative Metaphysik. Vielleicht lesen Sie Popper mal gründlicher.

  121. @Timm Grams

    Wer soll sich bei einem derartigen Rundumschlag angesprochen fühlen?

    Es soll sich jeder den Schuh anziehen, der ihm passt. Sie dürfen sich auf jeden Fall auch angesprochen fühlen.

    Wir waren da doch schon weiter.

    Wenn ich mich recht entsinne, konnten wir uns noch auf keine gemeinsame Position verständigen. Ich war Ihnen nur soweit entgegenkommen, dass einige Varianten des Naturalismus problematisch sein könnten. Für die in ihrem Blogbeitrag von Ihnen angegriffenen Positionen einiger Autoren konnten sie den entsprechenden Nachweis allerdings nicht erbringen.

    Meine These ist, jede Metaphysik kann sich soweit immunisieren, dass sie unangreifbar wird. Da bildet der Naturalismus keine Aussnahme. Es wird also so oder so mindestens eine Variante übrig bleiben, an der Sie sich die Zähne ausbeißen werden.

    Es bleibt zu diagnostizieren, dass Andere zu festen Überzeugungen gelangen, auch zu gegensätzlichen, in Fragen, bei denen Sie sich als Agnostiker wiederfinden – bunte, pluralistische Welt.

  122. @anotn reutlinger

    Er hat keinerlei Fundament, auf das man sich verlassen könnte

    Und Sie meinen, Sie hätten ein solches Fundament? Da betrügen Sie sich selbst, verlassen Sie sich drauf.

  123. Vielleicht lesen Sie Popper mal gründlicher.

    Sie glauben, ich könnte Erlösung finden in den Schriften eines Substanzdualisten – haben Sie das?

  124. Joker 18.02.2021, 13:51 Uhr:

    Meine These ist, jede Metaphysik kann sich soweit immunisieren, dass sie unangreifbar wird. Da bildet der Naturalismus keine Aussnahme. Es wird also so oder so mindestens eine Variante übrig bleiben, an der Sie sich die Zähne ausbeißen werden.

    Es bleibt zu diagnostizieren, dass Andere zu festen Überzeugungen gelangen, auch zu gegensätzlichen, in Fragen, bei denen Sie sich als Agnostiker wiederfinden – bunte, pluralistische Welt.

    Sie verstehen mich also doch! “Zähne ausbeißen” werde ich mir nicht, genauso wenig wie an jeder anderen Metaphysik ohne Wissenschaftsanspruch.

  125. einer
    es gibt sogar verschiedene Fassungen der Genesis.
    Die Sprache des AT lässt verschiedene Deutungen zu.
    Das Nichts war noch nicht entdeckt. Die Null kam erst später.
    Aber,,,,,, die Leute haben sich Gedanken über die Welt gemacht.
    In allen Kulturen gibt es Mythen über die Entstehung der Welt.
    Und in den meisten Kulturen gibt es einen Anfang und ein Ende.
    Die moderne Wissenschaft ist da noch keinen Schritt weiter.
    Big Bang,,,,,,,,,der war sicher nicht zu hören.
    Anmerkung: Das ist auch nur eine bildliche Umschreibung. Aus der Hintergrundstrahlung einen genauen Ablauf des Big Bang zu konstruieren, das ist genauso phantasiereich wie im AT.

  126. @hwied
    Die Bibel behandelt nur die Schöpfung der Erde mit ihren Meeren und Ländern etc.
    Die Bibel behandelt nie die Schöpfung des Kosmos von Sternen oder Planeten.
    Die Bibel kennt nicht einmal einen Unterschied zwischen Sternen und Planeten!

    Ein Null, ein Nichts und auch Planeten kannten andere Kulturen schon lange vor dem Alten Testament.

    Die erste Idee mit creatio ex nihilo kam erst im Kontakt mit dem Hellenismus auf. Für die Juden bzw. das Alte Testament würde man nach 200 CE sagen und für das Christentum mit der Gnosis.

    Das man – wenn man will – sich alles Mögliche in biblische Texte hineindenken kann, ist sicher richtig. ABER das haben die Autoren damals sicher nicht gemeint und auch nicht meinen können.

    Wie das heute in der Wissenschaft ist, ist für den historischen Inhalt der Bibel völlig irrelevant. Das ist nur ein Ausweichmanöver.

  127. @foobar407 17.02. 23:14

    „Wenn ich raten müsste, würde ich einem Agnostiker vermutlich immer eine unbewusste Privatreligion unterstellen.“

    Ich gehe mal davon aus, dass im Prinzip jeder Mensch teilweise eine Privatreligion hat. Auch verschiedene bekennende Katholiken haben in Detailfragen verschiedene Ansichten, einfach weil diese sich immer auch aus der persönlichen Biografie ergeben. Keine 2 Menschen haben das selbe Wissen und die selben Erfahrungen. Auch die verschiedenen Päbste hatten alle ihre eigenen Interpretationen des katholischen Glaubens.

    Die Differenzen müssen eine gewisse Grenze überschreiten, bis das es Sinn macht, die Konfession zu wechseln. Auch die Naturalisten sind ein weites Feld, mit unterschiedlicher Kenntnis der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit unterschiedlicher Lebenserfahrung, mit ganz verschiedenen Erfahrungen mit Religion und religiösen Menschen.

    Gemeinsam ist hier nur die Kernposition, dass man nicht an Übernatürliches glauben mag, aber wie sehr man das Übernatürliche ablehnt, ist noch mal unterschiedlich. Der eine verweist einfach auf seine spirituelle Nichterfahrung, was respektabel ist. Der andere sieht hier grundsätzlich Kriminelle, Betrüger und Verrückte am Werk, wenn sie an Übernatürliches glauben.

    @fossilium 18.02. 00:56

    „Das sind jetzt mehr oder weniger zwei Gegensätze. Macht es nicht Sinn, eine Position zu besetzen, die dazwischen liegt, die goldene Mitte. Also Naturalist und Antinaturalist gleichzeitig zu sein.
    Das heißt, die Naturwissenschaften zu schätzen, aber auch die menschliche Gabe, sich über die Grenzen auch mal hinweg zu denken, die die Naturwissenschaften setzen. So kann man die Vorteile beider Geisteshaltungen mitnehmen.“

    Das finde ich grundsätzlich eine richtig gute Idee. Man kennt ja persönlich nur eine persönliche Auswahl an Naturgesetzen, das gesicherte Wissen ist in jedem Menschen in anderer Kombination bekannt. Auf der anderen Seite haben wir ganz verschiedene Lebenserfahrungen, und eventuell persönliche spirituelle Erlebnisse, die auch gerne in einen Kontext eingeordnet werden wollen.

    Gleichzeitig setzt jeder auf seine Weise religiöse und auch nichtreligiöse Traditionen fort. Und nicht zu unterschätzen sind hier gesellschaftliche Zwänge, z.B. dass man als Nichtkatholik nicht so leicht einen Job in einem katholischem Krankenhaus bekommt, oder wie in der Ex-DDR, wo man als Naturalist wohl eher bevorzugt wurde.

    Das Toleranzproblem ist hier ein Spezielles: Verschiedener Glaube, der sich als solcher auch bewusst ist, kombiniert mit der Akzeptanz von gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen ist einerseits weltoffen, und lässt andererseits Spielraum für persönliche Weltbilder.

    Parallele Wahrheiten, die sich widersprechen, sind hier schwieriger zu vereinbaren. Das Einzige, was man da noch machen kann, ist sich auf das Grundgesetz zu verlassen, in der Religionsfreiheit festgeschrieben ist. Und einfach sozusagen auf den fortgeschriebenen Westfälischen Frieden zu gucken, der hier Pragmatismus als Lösung vorsieht: Man kann hin und wieder einfach wirklich auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, und sich damit begnügen, dass man wenigstens keine Kriege gegeneinander führt.

    Das ist nicht völlig selbstverständlich, Islamisten und Verschwörungsgläubige werden offenbar tatsächlich auch mal gewalttätig. Was aber wenigstens eine wirkliche Ausnahme ist, zumindest in der europäischen Gegenwart.

    Kognitive Dissonanz auszuhalten ist wesentlich einfacher, als mit den Folgen von gewalttätigen Auseinandersetzungen konfrontiert zu sein. Wo dann die friedlichen Vertreter noch mit hineingezogen werden.

  128. @Hirsch: “die Naturalisten”

    Wenn Sie suggerieren, dass ich das naturalistische Lager provoziert habe…

    …dann gebe ich Ihnen Recht, ja. Insofern sehe ich auch meinen eigenen Beitrag zur Eskalation und will ich mich nun differenzierter Ausdrücken. Allerdings kam hier die Wendung “die Naturalisten” vor Ihrem Kommentar noch nicht vor.

    Viele Gläubige machen kein Geheimnis daraus, dass sie ihre Ansichten auf alten Texten, Überlieferungen (sog. “Heiligen Schriften”), Traditionen gründen. Andere Gläubige haben andere Texte, Überlieferungen Traditionen. Seit rund 200-300 Jahren haben wir im Westen darum auch eine zum Teil sehr heftige Religionskritik miterlebt…

    …wer sich aber eben, wie viele Naturalisten (konkret: z.B. die vier Neuen Atheisten und auch zahlreiche Leser hier in der Diskussion) explizit auf Wissenschaft beruht, von dem erwarte ich auch die Einhaltung wissenschaftlicher Standards.

  129. @Hirsch/all: Gruppenzwang

    Ich habe übrigens kurz vor der Konfirmation den Unterricht abgebrochen, weil ich mich nicht ehrlich vor die Geheimde hätte stellen und “ich glaube an Gott den Vater im Himmel usw.” hätte sagen können. Von dem Pfarrer im Unterricht habe ich allerdings viel gelernt (etwa über Pazifismus und Umweltschutz).

    In meinem Freundeskreis kannte ich damals (1993/1994) niemanden, der wirklich überzeugter Christ gewesen wäre. Sie ließen sich wegen der Geschenke konfirmieren – oder zur Wahrung des familiären Friedens.

    Diesen weit verbreiteten Gruppenzwang und diese Doppelmoral in unserer Gesellschaft sollte man eher thematisieren, wenn man behaupten will, wir würden in einer aufgeklärten Gesellschaft leben. Den Rest kann man doch individuelle Entscheidung sein lassen.

  130. Das ist nicht völlig selbstverständlich, Islamisten und Verschwörungsgläubige werden offenbar tatsächlich auch mal gewalttätig. Was aber wenigstens eine wirkliche Ausnahme ist, zumindest in der europäischen Gegenwart.

    Naja, wenn man z.B. nach Polen schaut, wie da mit Homosexuellen & Frauen bzgl. Abtreibung umgegangen wird (das geht jeweils von der christlichen Kirche aus). Auch wie sich hier kirchliche Einrichtungen auf dem Arbeitsmarkt benehmen dürfen …
    Da müssen Anders- oder Ungläubige schon einiges auch in Europa und auch in Deutschland aushalten.
    Und das sind nur Dinge, die mir sofort in den Kopfe kamen .. bei “hier ist alles gut” 😉

  131. @Neher: Kampagnen & Begriffe

    Ich denke, dass man manche der Aktivitäten als PR-Kampagnen sehen und verstehen muss: So wie es im Feminismus manche gibt, die diese Position als “alle Menschen sind gleichwertig” definieren (was man wohl besser Egalitarismus nennen könnte), gibt es im Naturalismus manche, die diese Position als “alles lässt sich naturwissenschftlich erklären” definieren. Wer es dann noch wagt, diese erst verwässerten Positionen zu hinterfragen, dem droht schnell der Ausschluss aus der Diskussion.

    Mir sind in meinem Leben mehrere Naturwissenschaftler (bis hin zu Institutsdirektoren) mit einem religiösen Glauben begegnet, die sich aber nicht trauten, das öffentlich zuzugeben; aus Angst, dann von Kollegen nicht mehr ernst genommen zu werden. Das lässt doch eine “Kultur des Schweigens” vermuten, die es meiner Meinung nach gerade in der Wissenschaft nicht geben sollte.

    Außerdem wäre mir aus rein pragmatischen Gründen die Offenheit über die eigenen Überzeugungen viel lieber, weil man dann als Rezipient kritischer überprüfen kann, ob derjenige durch seine (z.B. religiösen) Überzeugungen voreingenommen ist. Zu der schädlichen Kultur des Schweigens tragen aber manche Naturalisten mit ihrer Polarisierung, ihrem Schwarzweißdenken bei.

  132. @Holzherr: Einstein

    Woran machen Sie bitte fest, Einstein sei Naturalist gewesen?

    Wo sich Einstein selbst doch ausdrücklich nicht als Atheist sah?

    Oder sich selbst einen “religious nonbeliever” nannte?

    Sie verbreiten hier (wieder einmal) Begriffsmurks.

  133. @Reutlinger: Selbstkritik

    Arbeiten Sie lieber mal daran, Ihren Standpunkt einigermaßen auf die Reihe zu bekommen, als immer nur auf die Anderen zu zeigen.

    Wie war das noch mit dem Splitter und dem Balken?

  134. Herr SChleim wie verstehen Sie diesen Text:

    „Es war natürlich eine Lüge, was Sie über meine religiösen Überzeugungen gelesen haben, eine Lüge, die systematisch wiederholt wird. Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott und ich habe dies niemals geleugnet, sondern habe es deutlich ausgesprochen. Falls es in mir etwas gibt, das man religiös nennen könnte, so ist es eine unbegrenzte Bewunderung der Struktur der Welt, so weit sie unsere Wissenschaft enthüllen kann.

    ?

  135. @Feodor: Falsifikation & Physikalismus

    Schauen Sie sich die Definition von Harris an, die ich im Text zitiere; gemäß dieser Definition muss man den Physikalismus als falsifiziert ansehen. Mein Argument dafür steht im Text.

    “Ist nicht so”, ist kein gültiges Gegenargument.

    Setzen Sie sich doch bitte 1. mit Harris’ Definition und 2. mit meinen Argumenten auseinander, wenn Sie mitdiskutieren wollen.

  136. @Joker: Widerspruchsfreiheit

    Wenn wir die Widerspruchsfreiheit als Gütekriterium für Überzeugungssysteme aufgeben, dann geben wir wohl den kritischen Rationalismus auf. Ist das in deinem Sinne?

    Und was bleibt dann noch als Maßstab? Anything goes?

  137. @foobar: Sinn & Werte

    Das ist mal eine schöne Diskussionsvorlage; dankeschön.

    Dass der Agnostizismus (z.B. nach Huxley) nicht sinnstiftend ist, steckt das nicht ausdrücklich in der Aussage, es handle sich um eine Methode, keinen Glauben?

    Von Schmidt-Salomon (und übrigens einem späteren Mitglied der Huxley-Dynastie) gibt es diese Schriften zum sogenannten “evolutionären Humanismus“. Darüber schrieb ich vor vielen Jahren auch einmal einen Aufsatz. Meinem Eindruck nach ist das vor allem wieder PR-Arbeit, das positiv besetzte “Evolutionär” für sein eigenes Weltbild zu vereinbaren. Der Versuch geht schief.

    Vom Standpunkt der Natur- oder auch Naturwissenschaften ist das menschliche Leben wohl nicht wertvoller als das nicht-menschliche Leben. Da bliebe, denke ich, höchstens noch 1) ein extremer Nihilismus der Form: selbst wenn wir alles Leben auf der Erde auslöschen würden, wäre das vom Standpunkt des Universums aus kein Problem oder 2) eine Entscheidung fürs Leben mit der ernüchternden Schlussfolgerung, dass es für den Planeten wahrscheinlich besser wäre, wenn die Spezies homo sapiens von seiner Bildfläche verschwände.

    Sie Fragen nach meinen Werten… Ich gehe immer noch vom Humanismus aus, auch wenn ich anerkennen muss, dass uns dieser z.B. nicht vor der Nazi-Diktatur beschützt hat, vom Gedanken der Toleranz und Aufklärung und sehe im Rechtsstaat mit Menschen- und Bürgerrechten und (gerne: etwas direkteren) Demokratie zwar vielleicht nicht die ideale, doch die beste mir bekannte Gesellschaftsform. Beantwortet das Ihre Frage?

  138. @Hirsch: Religion & Selektionsvorteil

    Über die letzten Jahrzehnte war meines Wissens das Christentum, in den jüngeren Jahren vor allem der Islam die sich am stärksten vergrößernde Gruppe…

    …in diesem Sinne erscheinen die Glaubenssysteme, die den Menschen predigen, sie müssten sich fortpflanzen, um Gott zu gefallen, durchaus erfolgreich.

  139. @Grams, foobar: P.S. Agnostizismus & Werte

    …aber ich denke, dass vom Standpunkt der agnostischen Methode Huxleys (und Sokrates’) doch eine gewisse intellektuelle Bescheidenheit naheliegt, die sich mit bestimmten Wertesystemen besser verträgt (nämlich solchen mit Toleranz) als mit anderen (nämlich solchen mit Dogmatismus und Denkverboten).

    So habe ich im Übrigen den kritischen Rationalismus immer verstanden – oder irre ich mich hier?

  140. einer
    viele Streitpunkte kommen von unterschiedlichen Vorstellungen über Religion her.
    lesen Sie diesen text.
    Religion leitet sich vom lateinischen “religio” her, was “Rückbindung” bedeutet. Es bezieht sich also auf den Umstand, daß wir eine Verbindung zu etwas aufgegeben haben und es nun unsere Aufgabe ist, uns wieder aufs neue damit zu verbinden. Wenn wir uns in der heutigen Welt umsehen und umhören, ist es nicht schwierig festzustellen, welche Verbindung von der Menschheit zum Großteil aufgegeben worden ist…

    Der moderne Mensch hat sich weit von der Wirklichkeit entfernt. Er wähnt sich unabhängig und frei. Dabei versteht er nicht, daß seine gesamte Existenz letztendlich nicht seine eigene Errungenschaft ist. Weder hat der Mensch sich selber erschaffen, noch hat er die Luft zum Atmen, das Wasser zum Trinken, noch Sonne oder Erde erschaffen. Es ist eine unumstößliche (axiomatische) Tatsache, daß ihm all diese Dinge seit jeher von einer ihm übergeordneten Quelle zur Verfügung gestellt werden.

    Religion bezieht sich also auf die Bemühung, sich wieder mit der Wirklichkeit zu verbinden. Natürlich sind wir in einem Sinne jeden Augenblick mit dieser Wirklichkeit verbunden. Rückbindung kann sich also nur darauf beziehen, diese Tatsache wieder bewußt anzuerkennen. Religion ist also ein System, das den Menschen dazu erzieht, die Realität so anzunehmen, wie sie wirklich ist.

  141. @Stephan Schleim

    Wenn wir die Widerspruchsfreiheit als Gütekriterium für Überzeugungssysteme aufgeben, dann geben wir wohl den kritischen Rationalismus auf. Ist das in deinem Sinne?

    Wo bitte soll ich den sowas gefordert haben?

    Meine Analyse von Timm Grams Text besagt, dass der von ihm aufgezeigte (vermeintliche) Widerspruch, nicht innherhalb des Naturalismus angesiedelt ist.

    Und wenn ich schreibe,

    jede Metaphysik kann sich soweit immunisieren, dass sie unangreifbar wird

    dann meine ich ja gerade damit, dass sie von logischen Selbstwidersprüchen befreit werden kann. Das Mittel der Wahl sind entsprechende, wohlwollende Interpretationen und Auslegungen verwendeter Begriffe.

    Insofern sind auch deine Hinweise auf Widersprüchlichkeiten innerhalb des Naturalismus (Physikalismus, Materialismus) nur für bestimmte Interpretationen gültig. Sei es, ob Du da etwas auf ein bestimmte Art interpretierst, wie z.B. mit den von dir vorgeschlagenen Definitionen, oder Vertreter des Naturalismus das selbst in ungeschickter Weise gemacht haben, wie der von Dir zitierte Sam Harris.

  142. @Grams, foobar: Agnostizismus & Religion

    Es gab in mehr oder weniger allen Strömungen mehr oder weniger (selbst-) kritische Gruppierungen. Giordano Bruno, Namensgeber der naturalistischen Stiftung, war selbst Dominikaner, also ein katholischer Mönch. Mystiker (wie z.B. Meister Eckart) haben schon vorher dazu aufgerufen, jeder Mensch möge selbst die Verbindung zum Göttlichen suchen. Das hat manchen Machtmenschen nicht in ihr System gepasst. Darum wurden z.B. im Christentum mitunter nicht nur Anhänger anderer Glaubensrichtungen, sondern auch andere Christen verfolgt.

    Allein diese Beispiele zeigen schon, dass man das differenzierter sehen muss als nur schwarzweiß. Luthers Reformation war eine Gegenbewegung gegen aus dem Ruder gelaufene Verhältnisse im Katholizismus. Buddhismus und Jainismus waren schon viele Jahrhunderte früher eine Gegenbewegung gegen dominierende religiöse Sekten Indiens (merke: das Wort “Hinduismus” haben sich westliche Orientalisten ausgedacht).

    Was der Buddhist Stephen Bachelor als “Buddhism without belief” entwickelte, könnte man wohl einen agnostischen Buddhismus nennen. In anderen Glaubenssystemen wird es ähnliche Strömungen geben, die ihre eigenen Annahmen stärker hinterfragen. (Im Islam vielleicht der Sufismus, doch da kenne ich mich nicht so gut aus.)

    Als Agnostiker im Sinne Huxleys erhebe ich für die agnostische Methode keine Allgemeingültigkeit. Sie erscheint mir vernünftig – wenn das für Sie nicht gilt, können wir uns vielleicht darüber unterhalten. Wenn wir danach unterschiedlicher Meinung bleiben, dann ist das so.

  143. @einer: Einstein

    Da stehen sich wohl verschiedene Zitate Einsteins gegenüber: An einer Stelle nennt er sich einen “religiösen Ungläubigen”, an einer Anderen einen “religiösen Strukturbewunderer”, um es mal frei zu übersetzen. Ferner distanzierte er sich vom Atheismus.

    So what?!

  144. @Joker: Klärung

    Vielleicht las ich hier irrtümlich “Agnostizismus” statt “Naturalismus”. Sorry, mir wird langsam schwindlig von dieser Diskussion.

    Das Diskussionsforum ist leider nicht immer sehr praktisch.

  145. @Stephan Schleim 18.02.2021, 16:15 Uhr
    Agnostizismus & Religion
    Sie schreiben:

    Als Agnostiker im Sinne Huxleys erhebe ich für die agnostische Methode keine Allgemeingültigkeit. Sie erscheint mir vernünftig – wenn das für Sie nicht gilt, können wir uns vielleicht darüber unterhalten. Wenn wir danach unterschiedlicher Meinung bleiben, dann ist das so.

    Mit Streit kann ich leider nicht dienen, zumindest nicht in dem Punkt. Auch für mich ist der Agnostizismus eine Regel oder auch Methode des Spiels “empirische Wissenschaft” und keine Glaubensangelegenheit.

  146. @Joker
    Und Sie meinen, Sie hätten ein solches Fundament?

    Man kann die ganze Welt anzweifeln, einschließlich sich selber und das “cogito ergo sum”, aber was nützt das? Man verliert sich im Sumpf selbstwidersprüchlicher und selbstverleugnender Gedanken, im Nihilismus. Jeder Mensch braucht ein Fundament an Erfahrungen, Ideen und Überzeugungen, auf das man sich verlassen kann. Es kann und es muss in Details modifiziert werden im Verlauf und in der Dynamik des Lebens.

    Die Naturwissenschaft hat im Verlauf vieler Jahrhunderte ein solches Fundament geschaffen. Es bildet ein kohärentes Netzwerk von Theorien, die empirisch bestätigt sind, bis auf wenige Ausnahmen. In diesem stetig wachsenden Netzwerk sind keine Brüche oder fundamentale Löcher zu erkennen. Die Welt ist aus kleinsten Teilchen konsistent zusammengesetzt. Auch hier gibt es keine Brüche oder Löcher. Dass die naturwissenschaftliche Erkenntnis noch Lücken aufweist, ist eine andere Sache. Dass die Erkenntnis der Welt und somit auch die Naturwissenschaft vom Bewusstsein abhängig sind, ist hier nicht relevant.

    Die Naturwissenschaft wird die Welt nicht vollständig erkennen können, das ist keine Frage. Für das menschliche Leben ist das kein Problem. Man kann Probleme daraus machen, indem man das Unwissen durch beliebige und zahllose Phantasien ersetzt, deren Werte höchst fragwürdig sind. Die Antwort darauf sehen wir in aller Welt.

    Die Naturwissenschaft hat Waffen möglich gemacht, die missionarischen Ideologien des Supranaturalismus haben sie beschafft und eingesetzt, oftmals auch im Namen eines falsch verstandenen oder missbrauchten Naturalismus!

  147. @Stephan Schleim 18.02.2021, 16:15 Uhr
    Womit habe ich mir den Ruf einer Schwarz-weiß-Malerei eigentlich verdient? Klar ist, dass ich das popperschen Abgrenzungskriterium hoch halte, das sehr prägnant ist und die Wissenschaft von der Metaphysik zu scheiden gestattet. Auf dem Gebiet der Wissenschaft ist die Widerspruchsfreiheit oberster Grundsatz und in Glaubenssachen ist Toleranz im Rahmen des Rechts angezeigt. Meine Christen- und Juden-Freunde haben noch nie ein abschätziges Wort von mir gehört. Auch Naturalisten nicht, es sei denn, sie sie treten missionierend auf.

  148. @anton reutlinger

    Man kann die ganze Welt anzweifeln, einschließlich sich selber und das “cogito ergo sum”, aber was nützt das?

    Es bringt einem Selbsterkenntnis, man nähert sich vielleicht sogar der Wahrheit.

    Man verliert sich im Sumpf selbstwidersprüchlicher und selbstverleugnender Gedanken, im Nihilismus.

    Quatsch. Wenn Sie Angst vor Selbstreflexion haben, lasse Sie es halt bleiben, tun dann aber bitte auch nicht so, als würden Ihre Aussagen auf genau solcher beruhen.

    Jeder Mensch braucht ein Fundament an Erfahrungen, Ideen und Überzeugungen, auf das man sich verlassen kann.

    Jeder Mensch hat einen Fundus an Erfahrungen, Ideen und Überzeugungen, an denen sich sein Handeln und Denken orientiert. (Selbst ein Agnostiker.)

    Das reicht zum Schwimmen allemal. Plankton braucht kein Fundament. Die Sehnsucht nach einem Fundament des Wissens ist wie der Wunsch, fliegen zu können – phantastisch, aber nicht Artgerecht.

    Die Naturwissenschaft hat im Verlauf vieler Jahrhunderte ein solches Fundament geschaffen.

    Die Naturwissenschaft hat Anfangs aus zufällig entdecktem Treibholz begonnen ein Floß zu bauen. Später gezielt mehr Holz auf dem Meer gesucht, gefunden und mittlerweile einen stabilen Dampfer zusammengezimmert. Der ist mittlerweile so groß und wackelt kaum noch, so dass Mitfahrende meinen, sie würden sich auf festem Boden befinden. Nur Gravitationswellen bringen das Ganze noch in spürbare Schwankungen. Tatsächlich ist es aber so, das der Mensch im Prinzip immer noch schwimmt, nur nicht mehr aus eigener Kraft, es ist für ihn leichter und angenehmer geworden.

    In diesem stetig wachsenden Netzwerk sind keine Brüche oder fundamentale Löcher zu erkennen.

    Physiker behaupten das Gegenteil. Eine vereinheitlichte, bruchfreie Theorie harrt noch ihrer Entdeckung.

    Die Naturwissenschaft wird die Welt nicht vollständig erkennen können

    So ist es, bis zum Grund, so es überhaupt einen geben sollte, wird der Schiffsrumpf nie reichen.

    Für das menschliche Leben ist das kein Problem.

    Das meine ich auch.

  149. @fossilium

    “Das heißt, die Naturwissenschaften zu schätzen, aber auch die menschliche Gabe, sich über die Grenzen auch mal hinweg zu denken, die die Naturwissenschaften setzen. So kann man die Vorteile beider Geisteshaltungen mitnehmen.

    Und wie kann denn so was praktisch aussehen ?”

    Ich denke mal das ist problemlos möglich. Milad Karemi hat mal Religion den “Geschmack für das unendliche” genannt. Und er spricht auch immer vom besonderen Geschmack des Christentums oder Islam. Daraus wird schon deutlich das Religion einen ganz anderen Bereich (ich finde Gabriels Begriff Sinnfeld sehr schön) und natürlich auch wahr. Genauso wie es wahr ist das Steaks ziemlich gut schmecken. Oder die Bilder von Monet schön sind. Oder ich meinen Sohn liebe.
    Und wo Gabriel auch recht hat, wir können die Sinnfelder gar nicht zu DEM Sinnfeld verknüpfen das alle Sinnfelder umfasst. Wer das versucht (wie z.B. der Naturalismus) der konstruiert einfach ein neues Sinnfeld.
    Und man nimmt das Sinnfeld das für den jeweiligen Zweck eben passt oder auch das Sinnfeld was man einfach interessant findet.
    Es wäre idiotisch die Corona Krise mit Religion zu bekämpfen, wenn ich im Musee de Orsay Impressionisten angucke analysiere ich nicht die chemische Struktur des Bildes, an einem Sonnenuntergang interessieren mich üblicherweise nicht die Physik.

  150. @Joker/Reutlinger
    Warum ist es dann im Sinne eines overvieweffects und Hirsch nicht möglich,einfach nur in Ökologie zusammen zu leben?
    So simpel und so naiv ist es.

  151. @fossilum
    Mir macht es auch stark den Eindruck,dass die ‘Zweiheit’, Deckung zwischen Daoismus/Komplementarität, oder Dichotomie,Dualismus,Widerspruch,Polarität,Gegensatz,Antagonismus,
    viele Begriffe für einen Zustand des Lebens,nicht akzeptiert wird.
    Warum nur?
    Was ist trennend und was ist gemeinsam?

  152. Antagonismus und Wechselwirkung fehlen in der Aufzählung der Synonyme der Zweiheit…
    Oder die Antonyme?

  153. Hallo Herr Schleim,
    danke für ihre Antwort.

    Wenn Sie suggerieren, dass ich das naturalistische Lager provoziert habe….dann gebe ich Ihnen Recht, ja.

    Naja, hat ja funktioniert. Offensichtlich habe ich mich ja zumindest ein bißchen provozieren lassen. Sei’s drum.

    Ich habe übrigens kurz vor der Konfirmation den Unterricht abgebrochen, weil ich mich nicht ehrlich vor die Geheimde hätte stellen und “ich glaube an Gott den Vater im Himmel usw.” hätte sagen können.

    Das finde ich erstaunlich, möglicherweise waren auch mir die Geschenke damals wichtiger.

    Freundliche Grüße

    I. Hirsch

  154. Zitat Stephan Schleim:

    Woran machen Sie bitte fest, Einstein sei Naturalist gewesen?

    Wo sich Einstein selbst doch ausdrücklich nicht als Atheist sah?

    Einstein war eindeutig Naturalist sagte er doch klar, dass er nicht an ein Eingreifen von Gott in die Welt glaubt. Das ist Naturalismus. Man kann sogar an Gott glauben und ein Naturalist sein. Naturalismus bedeutet doch nur: Alles läuft gemäss Naturgesetzen. Ohne Ausnahme.
    Und davon war Einstein fest überzeugt.
    Einstein ging sogar so weit zu sagen:

    Menschen wie wir, die an die Physik glauben, wissen, dass die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur eine hartnäckig fortbestehende Illusion ist. Zeit, mit anderen Worten, sagte er, ist eine Illusion.

    Mit andern Worten: für Einstein war alles festgelegt im Universum und Zeit war für ihn nur eine weitere Dimension neben den 3 Raumdimensionen. Einstein sagte nicht zufällig: „Gott würfelt nicht“. Damit schloss er nicht nur die Freiheit des Handelns aus, sondern sogar den Zufall als konstitutives Element des Universums.

  155. @ Herr Schleim

    …in diesem Sinne erscheinen die Glaubenssysteme, die den Menschen predigen, sie müssten sich fortpflanzen, um Gott zu gefallen, durchaus erfolgreich.

    Möglicherweise. Bleibt nur zu hoffen, dass es sich am Ende nicht doch als Nachteil erweist.

  156. Fortsetzung meines Kommentars vom 18.02.2021, 19:17 Uhr
    Im Artikel Einstein Believed In A Theory Of Spacetime That Can Help People Cope With Loss wird weiter ausgeführt, dass für Einstein Zeit nur eine weitere Dimension war und dass damit die Zukunft des Universums von Beginn weg bestimmt war. Zitat:

    Einstein lehnte die Existenz der Zeit nicht ab. Stattdessen lehnte er die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ab. Dies mag wie ein kleiner Unterschied erscheinen, ist es aber nicht.
    In dieser Passage [Zeitablauf ist eine Illusion] bezieht sich Einstein auf die “Block-Universum”-Konzeption der Raumzeit. Es ist kaum verwunderlich, dass er es akzeptierte, denn obwohl es aus der Arbeit anderer stammt (hauptsächlich von Hermann Minkowski, einem von Einsteins Lehrern), ist es der Rahmen, in dem seine eigenen Theorien der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie am natürlichsten zum Ausdruck kommen.

    Die Block-Universums-Ansicht der physikalischen Realität enthält Zeit, aber auf eine Weise, die sich bemerkenswert von unserer üblichen Vorstellung unterscheidet. Sie stellt eine vierdimensionale Sichtweise dar, in der alle Ereignisse über Zeit und Raum hinweg auf einer gleichwertigen ontologischen Basis stehen, ohne dass gegenwärtige Ereignisse als “realer” oder “tatsächlicher” beurteilt werden als vergangene oder zukünftige. Es ist auch sehr schwierig, irgendeinen sinnvollen Sinn zu finden, in dem die Zeit “fließt”.

    Nicht nur Einstein hat diese Sichtweise – bei der die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kein grundlegendes Merkmal der Realität ist – als großen Trost empfunden, wenn er über den Verlust von geliebten Menschen nachdachte.

  157. An Stephan Schleim, Joker, hwied und alle anderen hier, die scheinbar aggressiv gegenüber dem Naturalismus eingestellt sind, weil sie meine er bedeute Atheismus: Naturalismus geht sehr gut zusammen mit einem Glauben an Gott. Allerdings kann dieser Gott nicht in die Welt eingreifen. Sie können noch so lange um ein Eingreifen beten, Gott wird nicht eingreifen – mindestens wenn es ein Gott der Naturalisten ist.

  158. @Joker
    Reflektieren Sie auch über das kleine Einmaleins?

    Es hat in der Naturwissenschaft immer auch falsche Theorien geben und wird es auch in Zukunft geben. Das hat aber nichts am Fundament der Naturwissenschaft geändert oder die Naturwissenschaft als Ganzes infrage gestellt. Auch die offenen Fragen und Probleme werden daran nichts mehr ändern.

    Die Existenzberechtigung des Naturalismus steht meines Erachtens außer Frage. Deshalb halte ich spitzfindige Zweifel daran oder Fundamentalkritik für nutzlos verschwendete Zeit. Die Frage ist vielmehr, welche Motivation hinter der Ablehnung des Naturalismus steckt, außer der Selbstrechtfertigung des Supranaturalismus. Es gäbe wichtigere Diskurse zum Verständnis und zur Bedeutung des Naturalismus, sowie über das Verhältnis zum Kulturalismus, Stichwort nature-nurture.

    Ein falsches Verständnis und der Missbrauch des Naturalismus ist für manche Menschheitsverbrechen oder deren Rechtfertigung verantwortlich, insbesondere für den Rassismus, sowie für die Homophobie und die Euthanasie oder auch für die menschenverachtenden Behauptungen von Sarrazin. Hier wäre Aufklärung dringend notwendig.

  159. Naturalismus hat nichts mit Rassismus oder Biologismus zu tun.

    Naturalismus ist nicht gleich Atheismus, hat wenig mit der Geburtenquote oder dem Aufstieg Chinas zu tun. Lauter Dinge, die im Beitrag von Stephan Schleim in Zusammenhang mit dem Naturalismus genannt werden.

  160. Jeder ist ein Naturalist – zu mehr als 90% mindestens. Denn jeder glaubt doch, dass die Welt zu 90 oder 99% ohne Eingreifen einer höheren Gewalt abläuft.
    Gerade schon die Tatsache, dass man der Spruch „es geht nicht mit rechten Dingen zu“ so selten verwendet, deutet darauf hin. Selbst Leute, die an einen persönlichen Gott glauben, nehmen nicht an, ihr Alltag werde durch Gottes Hand gelenkt, sondern allenfalls, dass Gott in kritischen Situationen eingreift und hilft.
    Der einzige Unterschied zwischen einem Naturalisten und einem Nicht-Naturalisten liegt also in einer Prozentzahl: Naturalisten glauben an 100% Natur, Nicht-Materialisten vielleicht an 99.9% oder noch weniger.

  161. Mir scheint folgendes naheliegend: Wer Naturalismus, also den natürlichen Lauf der Dinge, nicht nur für selbstverständlich hält, sondern meint, Naturalismus sei seine Weltformel, sei die Erklärung für alles, was ihn betrifft, dessen natürlicher religiöser Glaube muss wohl der sein, dass das Universum Gott sei, dass das Universum das göttliche Prinzip nicht nur versinnbildliche sondern es wirklich sei..

    Wer aber Naturalismus für so selbstverständlich hält, dass es sich nicht lohnt darüber zu diskutieren, der kann problemlos glauben, Jürgen Habermas Theorie des Kommunikativen Handelns sei das, was ihm seine Welt am besten erkläre. Warum: weil man als Mensch ohne weiteres zum Schluss kommen kann, dass das „was die Welt im Innersten zusammenhält“ ein Thema für Physiker sei aber nicht ein Thema für einen selbst. Beispielsweise weil für einen selbst das gesellschaftliche und persönliche Leben viel wichtiger ist als irgendwelche Weltbilder und Letzt-Erklärungen.

  162. @Martin Holzherr

    An Stephan Schleim, Joker, hwied und alle anderen hier, die scheinbar aggressiv gegenüber dem Naturalismus eingestellt sind

    Gehen Sie bitte davon aus, dass Sie etwas grundlegend nicht verstanden haben, wenn Sie meinen, meine Ansichten könnten auch nur in der Nähe derer eines @hwied’s zu verorten sein. Das ist nämlich absurd. Danke.

    Ich bin ein Verfechter des Naturalismus, sogar in einer sehr extremen Ausprägung, inklusive Materialismus, Physikalismus und Determinismus.

    Aggressiv werde ich, wenn der Naturalismus mit so hanebüchenen Argumenten vertreten wird, wie Sie, @anton reutlinger und einige andere das hier immer wieder versuchen.

    Naturalismus geht sehr gut zusammen mit einem Glauben an Gott.

    Mit einem auch nur minimal gehaltvollen Gottesbegriff geht das beim von mir vertretenen Naturalismus zwar nicht – aber wenn Sie das sagen.

    Sie können noch so lange um ein Eingreifen beten, Gott wird nicht eingreifen

    Sie behaupten, das “geht sehr gut zusammen”, und stellen Naturalisten so dar, dass sie beten, wohlwissend, es nützt nichts? Sind sie dann auch Anhänger evidenzbasierter Homöopathie?

  163. @anton reutlinger

    Reflektieren Sie auch über das kleine Einmaleins?

    Wie könnte ich denn zu einer Überzeugung zum ontologischen Status von Zahlen und damit verbundenen Operationen gelangen, ohne über das Einmaleins zu reflektieren?

    Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk.

    Haben Sie dazu keine Meinung? Wenn doch, wie sind Sie denn dazu gekommen? Wie die Jungfrau zum Kind?

  164. Zitat Stephan Schleim:

    Gäbe es Engel oder Geister, wir würden versuchen, sie wissenschaftlich zu erklären, so wie alle anderen Phänomene auch.

    Es gibt ja keine Engel und Geister und es gab sie nie. Jedenfalls gibt es keine überzeugenden Geschichten und Dokumente zu anderen Engeln und Geistern als denen, die in Gemälden auftauchen, etwas was den Malern dieser imaginierten Geschöpfe sehr viel Freiheit liess.

    Würden plötzlich Engel und Geister auftauchen wäre das wie die Landung von Ausserirdischen. Es würde ein völlig neues Zeitalter anbrechen – ausser vielleicht wenn die Engel auf Gucci- und Prada- Kleidern stehen würden und gerne Netflix-Serien sähen. Dann könnte man sich an sie gewöhnen.

  165. @Martin Holzherr

    Würden plötzlich Engel und Geister auftauchen wäre das wie die Landung von Ausserirdischen. Es würde ein völlig neues Zeitalter anbrechen

    Für mich nicht. Ich würde dem Naturalismus weiter eng verbunden bleiben. (*)

    Es gibt ja keine Engel und Geister und es gab sie nie.

    Sie würdigen den Unterschied zwischen Naturwissenschaft und Naturalismus in keinster Weise. Da Sie offensichtlich Sinn und Zweck von Gedankenexperimenten nur ungenügend nachvollziehen können, einem häufigen Bestandteil philosophischer Argumente, sollten Sie in Erwägung ziehen, sich zu solchen Fragestellungen nicht mehr zu äußern. Betrachten Sie das als freundschaftlichen Hinweis. Sie blamieren sich bis auf die Knochen und merken es nicht.

    Die Frage war, ob sich der Naturalismus falsifizieren lässt. Nein, das tut er nicht. Stephan Schleim hat das völlig korrekt beschrieben:

    Würden plötzlich Engel und Geister auftauchen, dann würden Naturalisten versuchen, sie wissenschaftlich zu erklären, so wie alle anderen Phänomene auch.

    Und ich wäre felsenfest davon überzeugt, das würde auch, zumindest bis zu einem gewissen Grad, gelingen.

    (*)
    Daran würde sich übrigens auch nach meiner zwölften Reinkarnation nichts ändern! – “Wie man sieht”, mag eine Buddhist hinzufügen, ohne dass ich zu widersprechen wagte.

  166. @Joker (Zitat):

    Sie würdigen den Unterschied zwischen Naturwissenschaft und Naturalismus in keinster Weise

    In diesem Punkt widerspreche ich ja gerade Stephan Schleim: Naturalismus ist (für mich und wohl für die meisten) nicht dasselbe wie Naturwissenschaftsgläubigkeit.

    Dieser Kommentar diente auch etwas der Auflockerung.

    Um wieder zum Thema zu kommen: beim Beitrag von Stephan Schleim hatte ich auch den Eindruck, das was er Agnostizismus nenne und einige Beispiele, die er für „Wunder im Alltag“ bringt (Zitat: Und wie viele Vorgänge, die für uns heute selbstverständlich sind, wie das Sprechen mit räumlich abwesenden Personen (Tele-fonie, Chats), hätte man vor wenigen Jahrhunderten noch für ein Wunder gehalten?), das zusammengenommen rücken seine Position in die Nähe von Paul Feyerabends Motto „Anything goes“ und sein Hauptwerk Against Method. Outline of an anarchistic Theory of Knowledge.

    Wenn sie selbst schreiben (Zitat) Würden plötzlich Engel und Geister auftauchen, dann würden Naturalisten versuchen, sie wissenschaftlich zu erklären, so wie alle anderen Phänomene auch. so würdigen sie die Idee Stephan Schleims ebenfalls nur unzureichend. Denn letztlich geht es ja Stephan Schleim nicht um plötzlich neu auftauchende Phänomene, sondern darum, dass seine Beispiele zusammengenommen (das Telefon als Wunder, Engel und Geister als mögliche zukünftige Wunder) bedeuten, dass er eine Welterklärung mit festen Bestandteilen aus denen sich alles entwickelt, ablehnt.
    Indirekt gebe ich Stephan Schleim hier wieder recht: Insoweit ist Naturalismus eng mit der Naturwissenschaft verbunden, als vor allem die Naturwissenschaft erklären kann, warum das Telefon kein Wunder ist, warum aber Telepathie wirklich ein Wunder wäre, also etwas, was den Naturalismus – im Gegensatz zum Telefon – in Frage stellen würde.

  167. Joker
    Bin ich hier im falschen Theater ?

    Naturalismus ist eine Kunstrichtung + „Die naturwissenschaftlich exakte Gestaltung der empirischen Wirklichkeit gilt als Ideal.“

    Mehr ist da nicht.
    Religion ist gar nicht betroffen. Ich habe nur Stellung bezogen, weil einige Mitkommentatoren meinen, sie müssen einen Angriff auf die Religion starten, wenn von Wissenschaft die Rede ist.
    Der Christ kann Naturalist sein, der Kommunist, der Buddhist, dabei ist es blöde, man verzeihe mir den Ausdruck, von Naturalisten zu sprechen als ob das eine Menschenrasse wäre.

  168. @Joker (Zitat):

    Würden plötzlich Engel und Geister auftauchen, dann würden Naturalisten versuchen, sie wissenschaftlich zu erklären, so wie alle anderen Phänomene auch.

    Ja, das ist so. Und das geschah ja auch schon mal: Eine Forschungsgruppe des CERN mass nach einer Verlautbarung, dass sich Neutrinos überlichtschnell zwischen zwei weit entfernten Punkten auf der Erde bewegten. Zitat :

    Genf – Auch schnelle Neutrinos können die Relativitätstheorie von Albert Einstein allem Anschein nach nicht widerlegen. Physiker der internationalen “Icarus”-Forschungsgruppe legten am Freitag Messungen eines Experiments vor, bei dem diese Elementarteilchen – extrem leicht und ohne elektrische Ladung – die Lichtgeschwindigkeit nicht überschritten habe.

    Dadurch bekommen Zweifel an den Resultaten eines ähnlichen Experimentes der “Opera”-Forschungsgruppe im vergangenen September neue Nahrung. Dabei waren Neutrinos scheinbar schneller als das Licht – wenn auch nur um extrem kleine Bruchteile von Sekunden.

    Allerdings zeigt das Beispiel, dass in der Naturwissenschaft immer gemessen wird und dass dort ein tieferer Widerspruch genau dann auftaucht, wenn eine Messung, die nach einer etablierten Theorie einen bestimmten Wert hat, in der neuen Messung plötzlich einen anderen hat.

  169. @hwied

    Religion leitet sich vom lateinischen “religio” her, was “Rückbindung” bedeute …

    Wo kommt das denn her? Hatten Sie Latein?

    Nach Cicero (1. Jh. v. Chr.) geht religio auf relegere zurück, was wörtlich „wieder lesen, wieder auflesen, wieder zusammennehmen“, im übertragenen Sinn „bedenken, beachten“ bedeutet. Cicero dachte dabei an den Tempelkult, den es sorgsam zu beachten galt. Dieser religio (als der gewissenhaften Einhaltung überlieferter Regeln) stellte er die superstitio (nach der ursprünglichen Bedeutung Ekstase) als eine übertriebene Form von Spiritualität mit tagelangem Beten und Opfern gegenüber.

    Man kann sich auch überall was reindenken.

  170. Manche Naturalisten vermischen oder verwechseln den Naturalismus mit dem Realismus als Physikalismus oder Materialismus. Den Naturalisten interessiert nicht, ob Götter und Geister ontologisch existieren, ihn interessiert nur, ob sie kohärent in sein naturwissenschaftliches Theoriegebäude passen. Letztlich sind das nur Begriffe wie Protonen oder Elektronen, welche empirisch zugänglich sind. Von Göttern und Geistern sind bislang keine wahrnehmbaren Eigenschaften und keine Wechselwirkungen mit der naturwissenschaftlich behandelten Materie bekannt. Dieser Naturalismus, den ich vertrete, ist ein Gegensatz zum Supranaturalismus, sei es Religion, Spiritismus oder Esoterik.

    Der Realismus hat viele Facetten, vom naiven Realismus bis zum Antirealismus, von einer bewusstseinsabhängigen oder bewusstseinsunabhängigen Welt. Das ist eine endlose Debatte in der Philosophie, verknüpft mit verschiedenen Formen von Naturalismus, z.B. naturalisierte Epistemologie oder evolutionäre Erkenntnistheorie. Ontologisch kann in letzter Konsequenz über die Welt keine Aussage gemacht werden. Diesen metaphysischen Anspruch könnte der Naturalismus nicht geltend machen.

  171. Früher hat man in manchen Höhlen bzw. Burgen versteckt Windharfen angebracht. Wenn man eine ganz bestimmte, verschlossene Tür öffnete bildete sich – bei geeigneter Witterung – langsam ein Strom von Zugluft, welche die Saiten bewegte und ´magische´ Töne erzeugte.

    Dieses Beispiel zeigt, wie einfach manchmal Erklärungen sein können – wenn man bereit dazu ist. Dieses Beispiel zeigt auch, wie einfach es ist, solche Leute zu beeindrucken, welche naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle ablehnen – dann glaubt man an unerklärliche, magische Phänomene.

    Damit will ich auf das Problem der bisherigen Diskussionen aufmerksam machen.

    Naturalismus oder nicht – das ist nicht wichtig. Entscheidend ist, ob man für bestimmte Phänomene Erklärungsvorschläge hat.
    Dann sollte man diese Ideen jeweils konkret und fundiert diskutieren.

    Die bisherige Diskussion seit dem Beitrag von @Grams war einseitig suggestiv nur darauf angelegt, naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle (Naturalismus) lächerlich oder unglaubwürdig zu machen. Ein pauschalierender Rundumschlag.

    Statt pauschale Vorurteile zu schüren, wäre es viel sinnvoller, wenn man jeweils nur ein ganz konkretes Phänomen ausgewogen diskutieren würde. Eine Diskussion sollte speziell pro und contra nur zu diesem speziellen Thema stattfinden.

  172. einer
    Die Erklärung stammt hierher : https://yogabuch.com/religion.html

    Meinung, diese Erklärung ist weder anstößig, noch übertrieben, damit kann sich jeder anfreunden.
    Sogar ein Animist findet sich darin wieder.
    Weitere Beispiele. Wenn mir ein Regenwurm über den Weg läuft, dann rette ich ihn, bevor er totgetreten wird. Der Regenwurm wird diese Begegnung als eine Form der Höheren Art betrachten. Anmerkung: Regenwürmer sind klüger als wir denken, man kann sie sogar dressieren.
    Er fühlt das Warme der Hand, dann fühlt er sich wie im Paradies, wenn ich ihn in das warme Gras setze. Und wenn man ernsthaft an die Evolution glaubt, dann hat der Regenwurm einen Bewusstseinssprung gemacht.

    So und jetzt denken Sie mal weiter. Wir in der Rolle des Regenwurmes.
    Da hat sich doch eine Höhere Existenz , die wir noch nicht erkennen können in unser Leben eingemischt. Die Einen glauben das, die anderen glauben das nicht.

  173. Ja, da möchte ich anton reutlinger zustimmen: die Begriffe Realismus, Naturalismus, Physikalismus als philosophische Begriffe müssen geklärt sein, bevor man darüber diskutieren kann. Und das Verhältnis zur Naturwissenschaft, die ja keine Philosophie ist, auch.
    Am besten wählt man die englischsprachige Wikipedia als Referenz:

    – Realismus: Realismus gegenüber eine bestimmten Art von Dingen (wie Zahlen oder Moral) ist die These, dass diese Art von Dingen eine verstandesunabhängige Existenz hat, d.h. dass sie nicht nur eine bloße Erscheinung im Auge des Betrachters sind.

    – Naturalismus: Naturalismus (Philosophie) ist einer von mehreren philosophischen Standpunkten, nach denen alle Phänomene oder Hypothesen, die gemeinhin als übernatürlich bezeichnet werden, entweder falsch sind oder sich nicht von natürlichen Phänomenen oder Hypothesen unterscheiden.

    – Physikalismus: In der Philosophie ist der Physikalismus die metaphysische These, dass “alles physisch ist”, dass es “nichts über das Physische hinaus” gibt,[1] oder dass alles auf dem Physischen aufbaut.[2] Der Physikalismus ist eine Form des ontologischen Monismus – eine “Ein-Stoff”-Sicht auf die Natur der Realität im Gegensatz zu einer “Zwei-Stoff”- (Dualismus) oder “Viele-Stoff”-Sicht (Pluralismus). Sowohl die Definition von “physikalisch” als auch die Bedeutung von Physikalismus sind umstritten.

    Der Physikalismus ist eng mit dem Materialismus verwandt, betont aber, dass es nicht nur um Materie als Stoff sondern um physikalische Entitäten geht.

    – Naturwissenschaft: Die Naturwissenschaft ist ein Zweig der Wissenschaft, der sich mit der Beschreibung, der Vorhersage und dem Verständnis von Naturphänomenen beschäftigt, basierend auf empirischen Beweisen aus Beobachtung und Experiment.

    Und nun zum Verhältnis Naturalismus/Naturwissenschaft.
    Wenn anton reutlinger schreibt: Den Naturalisten interessiert nicht, ob Götter und Geister ontologisch existieren, ihn interessiert nur, ob sie kohärent in sein naturwissenschaftliches Theoriegebäude passen.
    so meint er mit Naturalismus entweder die Naturwissenschaft selbst oder den Zweig des philosophischen Naturalismus, der sich selber nahe beim Physikalismus und der naturwissenschaftlichen Methode sieht. Das ist etwa im Buch „Über die Natur der Dinge“ von Bunge&Mahner weitgehend der Fall.

    Bunge&Mahner unterscheiden einen starken und schwachen Naturalismus (Zitat):

    Der schwache Materialismus lässt zu, dass unsere Welt in eine supranaturalistische Welt eingebettet ist. Der starke Naturalismus lässt dagegen keinerlei Raum für übernatürliche Wesenheiten.

    Ferner wollen Bunge&Mahner die Brücke zur Wissenschaft schlagen (Zitat):

    Die Haupttheses dieses Buches ist nun, dass eine wissenschaftsorientierte und wissenschaftliche Ontologienur eine materialistische sein kann.

  174. Korrektur letzter Satz:

    Die Haupttheses dieses Buches [Über die Natur der Dinge] ist nun, dass eine wissenschaftsorientierte und wissenschaftliche Ontologie nur eine materialistische sein kann.

  175. @hwied wie ich schrieb ist die Erklärung falsch, der Römer Cicero wird schon gewusst haben, was jenes Wort in seiner Muttersprache bedeutete.

    Der Regenwurm wirkt mir zu sehr nach Platons Höhlengleichnis.
    Allerdings ist der Retter des Regenwurm auch kein Gott, selbst wenn der Regenwurm dieses denken o. glauben würde.

  176. Holzherr,
    ihre Naturalismus – Definition ist nicht haltbar.
    „– Naturalismus: Naturalismus (Philosophie) ist einer von mehreren philosophischen Standpunkten, nach denen alle Phänomene oder Hypothesen, die gemeinhin als übernatürlich bezeichnet werden, entweder falsch sind oder sich nicht von natürlichen Phänomenen oder Hypothesen unterscheiden. „

    Wenn man schon den Naturalismus synonym für Naturwissenschaft sieht, dann gerät man in Konflikt mit der Mathematik,
    In Deutschland haben die Naturwissenschaften die Mathematik für sich vereinnahmt, sie wird an naturwissenschaftlichen Universitäten gelehrt.

    In der Mathematik unterscheidet man zwischen natürlichen Zahlen und Irrationalzahlen.
    Die Irrationalzahlen sind wahrscheinlich noch häufiger als natürlichen Zahlen.
    Man denke nur an die Zahl „e“ , die irrational ist.
    Lehnt die der Naturalist ab ?

  177. einer,
    aus einem latein-deutsch translator ligare = Krawatte, Binder

    Der Regenwurm war nur ein kleines Beispiel, das uns daran erinnern soll, dass unsere eigene Existenz vor Millionen von Jahren aus einem Wurm entstanden sein könnte.

    ……auch kein Gott, Sie denken schon wieder Gott als Objekt menschlicher Vorstellung. Das ist er nicht.

  178. Für meinen Geschmack kommt in der Diskussion zur Titelfrage “Was ist Naturalismus?” etwas zu kurz, dass es da eben keine einheitliche naturalistische Überzeugung gibt, sondern nur recht verschiedene, als Naturalismus bezeichnete Positionen, die sogar in wesentlichen Punkten unvereinbar sind. So ist beispielsweise der durch W.V.O. Quine repräsentierte epistemologische Naturalismus wohl von niemandem heftiger attackiert worden als von Anhängern des metaphysischen Naturalismus — diese beiden Auffassungen schliessen sich wechselseitig aus.

    Diesen Umstand hat dann auch eine angemessene Naturalismus-Kritik zu berücksichtigen, mit einem Rundumschlag gegen alles sieht man auch nicht sonderlich gut aus. Insbesondere war Quine ein viel zu versierter Logiker, um seinen Standpunkt auf platte Inkonsistenzen zu gründen, so kommt man dem nicht bei. Ganz anders sieht es indessen bei der metaphysischen Richtung aus. So präsentiert beispielsweise Bunge u.a. hier seine zirkuläre Kette “hat Energie” := “ist veränderbar” := “ist materiell” := “hat Energie”, womit faktisch “undefiniert” durch “undefiniert” definiert wird. Zu guter Letzt verschiebt er die Konzepte Energie und Materie bequemerweise ins Metaphysische was im Wortlaut bedeutet, ins ins Übernatürliche.

    By the way, keine “übernatürlichen” Erklärungen für Naturphänomene zu akzeptieren ist überhaupt kein Ausdruck von irgendeinem Ismus, das gehört ganz einfach methodisch zur “normal science”.

    Und die lächerliche These, man müsse unbedingt einem ontologischen Naturalismus anhängen, um sich überhaupt sinnvoll mit Naturwissenschaft befassen zu können, weil man ja sonst überall Gespenster sehen würde, kann als nach allen Regeln der Kunst falsifiziert gelten. Es genügt dazu ein Gegenbeispiel. Sir Isaac Newton liefert das geradezu idealtypische Gegenbeispiel.

  179. @hwied (Zitat): In der Mathematik unterscheidet man zwischen natürlichen Zahlen und Irrationalzahlen.
    Die Irrationalzahlen sind wahrscheinlich noch häufiger als natürlichen Zahlen.
    Man denke nur an die Zahl „e“ , die irrational ist.
    Lehnt die der Naturalist ab ?

    Mit übernatürlichen oder natürlichen Phänomenen meint der Naturalismus (Zitat Wikipedia) eine mit den Sinnen wahrnehmbare, abgrenzbare Einheit des Erlebens, beispielsweise ein Ereignis, ein Gegenstand oder eine Naturerscheinung.
    Irrationale Zahlen sind eine Erfindung der Mathematiker und keine realen Dinge. Irrationale Zahlen heissen so, weil sie nicht als Ratio, nicht als Verhältnis zweier Ganzzahlen dargestellt werden können. Irrational bedeutet hier also nicht „gegen die Ratio, gegen den Verstand“, sondern es bedeutet: nicht darstellbar als p/q, wobei p und q Ganzzahlen sind.

  180. @Chrys: Bunge&Mahner meinen die physikalische Energie und wenn sie davon sprechen, dass energiebehaftet veränderbar bedeute, dann bilden sie hier eine Brücke zwischen (Alltags-)Wahrnehmungen und dem physikalischen Begriff Energie. Keinesfalls definieren sie was Energie ist. Das definieren die Physiker.

  181. Zitat Chrys: Zu guter Letzt verschiebt er die Konzepte Energie und Materie bequemerweise ins Metaphysische
    Klar tut er das, denn Zitat: Die Haupttheses dieses Buches [Über die Natur der Dinge] ist nun, dass eine wissenschaftsorientierte und wissenschaftliche Ontologie nur eine materialistische sein kann.

  182. Martin Holzherr / 19.02.2021, 11:55 Uhr

    »Keinesfalls definieren sie [Bunge % Mahner] was Energie ist.«

    Ich zitiere Bunge mal aus dem verlinkten Kapitel, p. 133:

    We start by identifying energy with changeability. That is, we propose the following

    Definition Energy = changeability

    Zusätzlich wird noch “is real” als äquvalent zu den bereits genannten Attributen gesetzt. Damit ist Bunges “ontological square” dann komplett.

  183. @hwied

    Sie denken schon wieder Gott als Objekt menschlicher Vorstellung. Das ist er nicht.

    Woher wissen Sie das?

  184. @hwied

    In der Mathematik unterscheidet man zwischen natürlichen Zahlen und Irrationalzahlen.

    Das hat jetzt was von Realsatire.

  185. Holzherr,
    rational = nicht gegen den Verstand
    von wem ? Beachten Sie, die Personengruppe , die Sie meinen, die sind eine Minderheit.
    Ein Agnostiker äußert sich gar nicht dazu. Das sollten sie mal beherzigen.

    Zur Energie, die kann nur quantitativ definiert werden. Wenn man wissen will, was mit Energie gemeint sein soll, dann braucht es einen Zusatz oder man drückt es mit der Maßeinheit aus. Also 1 Nm = 1 J = 1 Ws

    Chrys
    gute Zusammenfassung.
    Der Begriff der Energie der grenzt an das Irrationale. Woher kommt die Energie ? Das kann der Physiker nicht beantworten.
    Meiner Meinung nach ist der Naturalismus der Versuch Kunst und Wissenschaft unter einen Hut zu bringen, genauer gesagt zu begründen.

    Dabei ist das gar nicht notwendig. Kunst braucht keine Begründung. Sie erwächst aus unserem Menschsein ist also natürlich. Insoweit sie Visionen hat ist sie übernatürlich. Kunst ist also die Synthese aus Realität und Vision.

    Vielleicht ist das das Ziel von Herrn Schleim.

  186. @Chrys: Die Definition dessen was Energie ist, ist hier eine Rückführung eines beobachtbaren Phänomens (Veränderung) auf einen physikalischen Begriff. Bunge&Mahner definieren den in der Physik verwendeten Begriff Energie nicht neu, sondern sagen: Was ihr als Veränderung wahrnimmt ist in dem begründet, was Physiker Energie nennen.

  187. einer,
    Realsatire, ja, so kommt es mir auch vor.
    Wissen, woher wissen Sie das, Wissen kommt von außen aber auch von innen, als logisches Schließen.
    Nehmen Sie den Energiebegriff als Prüfstein. Wissen Sie was Energie ist (nicht nur als Definition) ?
    Was wäre, wenn es keine Energie gäbe ?
    Gäbe es dann den Begriff des “Nichts”. ?
    Es gäbe ihn als logische Schlussfolgerung. Die Logik ist nicht von der Energie abhängig. Die gibt es in ihrer Form unabhängig von Raum und Zeit, weil sie logisch.ist.

  188. @hwied (Zitat): Chrys
    gute Zusammenfassung.
    Der Begriff der Energie der grenzt an das Irrationale.

    Ich hoffe doch, dass Chrys da nicht zustimmt.

  189. @hwied: Sie haben irrationale Zahl mit Ratio/rational in Verbindung gebracht. Das ist aber falsch, richtig wäre Ratio/Verhältnis.
    Die alten Griechen glaubten an die Macht der Proportionen, der Verhältnisse – und das sowohl in der Geometrie als auch bei den Zahlen.

  190. Das ist übrigens nicht die erste Diskussion auf diesem Blog bei der überdeutlich wird das einer der Haupt”vorteile” des Naturalismus ist (und er deswegen auch unangreifbar ist) das keiner weiß was damit überhaupt gemeint ist.
    Ein bischen wie über einen Käfer in einer Box “diskutieren”
    Für einige scheint er ja ein Synonym für GUT zu sein (rational, vernünftig, aufgeklärt, humanistisch), ja wenn dem so ist dann bin ich natürlich auch Naturalist.

  191. @Martin Holzherr / »Was Physiker Energie nennen…«

    Feynman zu zitieren ist ja vielleicht etwas abgedroschen und mag als argumentum ad verecundiam rüberkommen, aber ich mach’s hier aus Bequemlichkeit trotzdem mal.

    Now, energy is a very subtle concept. It is very, very difficult to get right. What I meant is that it is not easy to understand energy well enough to use it right, so that you can deduce something correctly using the energy idea–it is beyond the first grade. It would be equally well to say that “God makes it move,” or “spirit makes it move,” or “movability makes it move.” (In fact, one could equally well say “energy makes it stop.”)
    —Richard P. Feynman, What is Science? (1966)

    Was für Feynman sehr, sehr diffizil ist, ist für Bunge total trivial. Was machen wir nun?

  192. @johannes ich nehme einfach den Duden, der sieht das auch wie Cicero …

    Religion, die
    Grammatik Substantiv (Femininum) · Genitiv Singular: Religion · Nominativ Plural: Religionen
    Worttrennung Re-li-gi-on
    Wortbildung mit ›Religion‹ als Erstglied: ↗Religionsbekenntnis
    · mit ›Religion‹ als Letztglied: ↗Kunstreligion
    Herkunft aus religiolat ‘gewissenhafte Beachtung dessen, was sich auf die Verehrung der Götter bezieht, Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit (gegenüber dem Heiligen), religiöses Gefühl, fromme Scheu, Gottesfurcht, Glaube, das Heilige, kultische Verehrung’

  193. sorry das was DWDS, Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprach .. Schade das man Postings nicht nachträglich korrigieren kann.

    Da wird das mit der Herkunft auch genauer erläutert .. aber klar das ist nur ne Meinung

  194. @Chrys: Trivial ist die Rückführung von Veränderung auf etwas, was die Physiker mit Energie bezeichnen, nicht der Energiebegriff selbst. Mit den Subtilitäten müssen sich aber vor allem Physiker beschäftigen und im Alltag sollte man bei Verwendung immer sagen ob man mit „Energie“ die Energie der Physiker meint oder etwas anderes.

  195. Die Idee mit Religion und Rückbesinnugn ist vermutlich eher eine christliche spätere Umdeutung:

    Eine andere, ebenfalls antike, jedoch bereits christlich geprägte Auffassung (bei Lactantius, um 300) stellt lat. religio zu lat. religāre ‘zurück-, auf-, anbinden, befestigen’ (vgl. lat. ligāre ‘binden, an-, festbinden, verbinden, vereinigen’); sie wird von Augustin aufgenommen, der religio als ‘Bindung des Menschen an Gott’ begreift, und dadurch Bestandteil der älteren Kirchensprache.

    Hat also mit der Herkunft des Wortes nichts zu tun.

  196. Der Duden schreibt das im übrigen auch so … Religion als „(Zurück)bindung an Gott“ ist Teil der christlichen Theologie.
    Das Wort ist aber auch im religiösen Kontext älter als das Christentum.

  197. Johannes,
    bei diesem Link bleiben kaum Wünsche offen, außer, er ist lang.
    Ich will es mal moderner formulieren:

    Eine Kirche ist schön, weil Gott in ihr wohnt.
    Und ein Kirchenbesuch ist reine Wellness.

  198. Holzherr,
    Auch in dem Verhältnis steckt ein Wunder, denken Sie an die Goldene Zahl.
    Die Tatsache, dass wir denken können, das ist ein Wunder. Und wenn wir die Wunder der Natur entdecken, das ist das Höchste für einen Wissenschaftler.

  199. “Hat also mit der Herkunft des Wortes nichts zu tun.”

    Was du so alles weißt- ich bin jetzt nicht wirklich beeindruckt. Aber es ist schön , die SIEHST andere DEUTEN UM, da weiß man natürlich wo der Hammer hängt. Stichwort hier einfach mal: Dogmatismus.
    Und den Duden als Quelle whow das haut mich jetzt echt um.

  200. @Johannes ich habe mehrere Quellen genannt.
    Wenn diese Ihnen nicht gefallen, kann ich auch nichts dafür.

  201. “Eine Kirche ist schön, weil Gott in ihr wohnt.
    Und ein Kirchenbesuch ist reine Wellness.”

    Ja das ist doch mal ein zugeben das die ganze Kritik der “Naturalisten” (was immer das sein soll) am modernen Christentum völlig ins leere läuft oder? Klar sind die Kirchen Seelenwellness , was denn sonst?
    Das Problem das du nicht zu verstehen scheints sind, das auch Saunawellnessbereiche, Impressionistische Ausstellungen, Musikerlebnisse , Schönheit, Religion wahr sind, zu Erkenntnissen führen und natürlich vor allem Menschen (zum besseren) verändern und zwar viel viel mehr als irgendwelche absurd unwichtigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über Quarks.
    Klar ist der satz wahr: Eine Kirche ist schön weil Gott in ihr wohnt. Ein naturwissenschaftler kann zu diesem satz überhaupt nichts sagen weil “schön” in naturwissenschaften überhaupt nicht vorkommt.

  202. Johannes,
    Bei der Kunst läufst du bei mir offene Türen ein. Die Bilder von Otto Dix, die kann man nicht versprachlichen. Musikerlebnisse sowieso. Ich ging eine zeitlang in den Gottesdienst der italienischen Gemeinde. Wenn die Frauen ihren Gesang anstimmten, dann war das der Himmel auf Erden. Keine Oper, nicht mal Maria Callas konnte das toppen.

  203. Bunge und Mahner kommen in ihrem Buch „Über die Natur der Dinge“ zum Schluss, dass Naturwissenschaft und Religion unvereinbar sind. Bunge und Mahner geht es ja um mehr als um den Naturalismus. Es geht ihnen um eine (natur-)wissenschaftlich fundierte Ontologie.
    Zitat aus ihrem Fazit im Kapitel über Religion:

    Die moderne Wissenschaft ist untrennbar mit einer bestimmten philosophischen, d. h. metaphysischen, erkenntnistheoretischen, methodologischen und axiologischen Position verbunden, die das ausmacht, was man das wissenschaftliche Weltbild nennt. Die Unvereinbarkeit zwischen Wissenschaft und Religion besteht heute weniger in Konflikten bezüglich konkreter Tatsachenaussagen über die Welt als vielmehr in den philosophischen Voraussetzungen der beiden Bereiche: Die Konflikte zeigen sich zumeist erst auf der metaphysischen und methodologischen Ebene. Die von einigen vorgebrachte Behauptung, Wissenschaft und Religion seien allenfalls bei oberflächlicher Betrachtung unvereinbar, auf einer „tieferen Ebene” aber sehr wohl kompatibel (z. B. O’Hear 1993), ist falsch. Es verhält sich genau umgekehrt: Wissenschaft und Religion mögen auf den ersten Blick kompatibel erscheinen, sie sind es bei eingehender Betrachtung jedoch nicht.6-3 Wir haben nur die Wahl zwischen einem wissenschaftlichen, d. h. naturalistisch-materialistischen Weltbild oder einem mythisch-magisch-animistisch-teleologischen. Wer auf Konsistenz Wert legt, kann nicht von Montag bis Samstag dem einen anhängen und am Sonntag dem anderen.

  204. @Johannes 19.02. 13:10

    „Für einige scheint er ja ein Synonym für GUT zu sein (rational, vernünftig, aufgeklärt, humanistisch), ja wenn dem so ist dann bin ich natürlich auch Naturalist.“

    Da bin ich dann auch für.

    @Martin Holzherr 18.02. 20:11

    „Der einzige Unterschied zwischen einem Naturalisten und einem Nicht-Naturalisten liegt also in einer Prozentzahl: Naturalisten glauben an 100% Natur, Nicht-Materialisten vielleicht an 99.9% oder noch weniger.“

    Genau, deswegen ist Nicht-Naturalismus auch nicht immer Esoterik. Die fehlenden 0,1% betreffen allerdings u.U. genau das Bewusstsein, das nur in Nervensystemen vorkommt, und damit sind es recht prominente 0,1%. Aber klar, fast alles sehe ich auch naturalistisch, freue mich über neue naturalistische Erkenntnisse in der Wissenschaft, und bin auch in meinem Handeln in der Regel mit naturalistischen Angelegenheiten beschäftigt.

    Was das Bewusstsein angeht, so ist dieses auch in der naturalistischen Sicht anders als z.B. die Physik der Thermodynamik. Als Quintessenz innerhalb eines extrem komplexen Gehirns, das in der Evolution auf Effektivität hin optimiert wurde, verhält es sich völlig anders als nichtbiologische Phänomene.

    @Martin Holzherr 18.02. 19:27

    „Einstein ging sogar so weit zu sagen:

    Menschen wie wir, die an die Physik glauben, wissen, dass die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur eine hartnäckig fortbestehende Illusion ist. Zeit, mit anderen Worten, sagte er, ist eine Illusion.

    Mit andern Worten: für Einstein war alles festgelegt im Universum und Zeit war für ihn nur eine weitere Dimension neben den 3 Raumdimensionen.“

    Auch hier finde ich, dass wir uns als biologische Systeme in einer dauerhaften Bewegung durch unsere Zeit befinden. Wir haben stets Vergangenheit, auf der wir aufbauen, eine Gegenwart, in der wir aktiv sind und eine Zukunft, die wir verplanen. So sind wir als Bewusstseinswesen eben ganz anders unterwegs, als etwa die Planeten auf ihren Umlaufbahnen um die Sonne, die man auch in einem Blockuniversum der Relativitätstheorie sinnvoll beschreiben kann. Für uns taugt diese relativistische Beschreibung gar nicht, wir sind als Lebewesen tatsächlich Zeitreisende. Diese „Illusion“ ist in uns fest eingebaut.

  205. @Holzherr
    Mich wundert schon lange, dass der Begriff der Teleologie hier noch nicht diskutiert wurde. Er bezeichnet doch einen wesentlichen Unterschied zwischen Naturalismus und Antinaturalismus, vor allem in der Form des Supranaturalismus. Insbesondere in der antievolutionistischen Biologie spielt die Teleologie eine große Rolle.

    Es ist klar, dass der Naturalismus jede Teleologie ablehnt. Das widerspricht nicht der Möglichkeit naturwissenschaftlicher Vorhersagen. Auch der Laplacesche Dämon, wenn es ihn gäbe, wäre keine Teleologie.

  206. Infraschall (10-19 Hz) kann man nicht hören – aber auf der Haut spüren. Wenn man solchem Schall ausgesetzt ist, hat man dann das Gefühl, von einem unsichtbaren (Geist-)Wesen berührt zu werden.
    So einfach entsteht eine spirituelle Erfahrung!

    (Befindet man sich dabei in einer Umgebung mit unangenehm kühler, feuchter Luft, dann entsteht der gruselige Eindruck, von Geistern berührt zu werden (z.B. ist dies ein Grund, warum es von alten Burgen viele Gespenstergeschichten gibt).)

    Dieses Beispiel soll zeigen, warum man lieber konkrete angeblich nichtphysikalische Phänomene diskutieren sollte – statt wissenschaftliches Denken pauschal abzuwerten bzw. in Frage zu stellen.
    Für viele ´spirituelle´ Erfahrungen gibt es einfache naturwissenschaftliche Erklärungen.

  207. @Tobias Jeckenburger (Zitat):

    Wir haben stets Vergangenheit, auf der wir aufbauen, eine Gegenwart, in der wir aktiv sind und eine Zukunft, die wir verplanen.

    Einstein glaubte aber an das Blockuniversum. In diesem fliesst keine Zeit, sondern die Zeit ist auf der gleichen Stufe wie etwa die Richtung nach Norden. Das bedeutet, Vergangenheit und Zukunft sind alle schon bestimmt und festgelegt. Eine Veränderung gegenüber der Gegenwart/Vergangenheit ist in diesem Blockuniversum dann nicht mehr mit der Entwicklung von etwas genuin neuem verbunden, sondern bedeutet nur, dass das was schon immer festgelegt war, nun eintrifft.

    Selbst bin ich fest davon überzeugt, dass das falsch ist. Und viele Quantenphysiker glauben sogar, dass jeder Quantenprozess etwas Neues schafft.

  208. @anton reutlinger (Zitat): Es ist klar, dass der Naturalismus jede Teleologie ablehnt.
    In der Tat. Teleologisch ist beispielsweise Teilhard de Chardins Omega als Endziel einer kosmischen Evolution. Ein Ziel aber können nur Geschöpfe wie wir haben oder eben Gott oder ein unpersönlicher göttlicher Plan.
    Kausal und Teleologisch sind absolute Gegensätze. Kausal bedeutet: A bewirkt B, Teleologisch bedeutet Aus A wird B weil entweder A das will oder es einen Weltplan gibt, der das anstrebt. In der deutschsprachigen Wikipedia hat es dazu folgenden Eintrag:

    „Nichts geschieht zufällig, sondern alles aus einem Grunde und mit Notwendigkeit.“
    Dieser Satz, überlieferungsgemäß Leukipp zugeschrieben, weist entschieden jedwede Teleologie zurück, denn unter „Grund“ (lógos) ist hier nichts anderes zu verstehen als das mathematisch-mechanische Gesetz, welchem die Atome in ihrer Bewegung mit unbedingter Notwendigkeit folgen.[6]

    Die Teleologie insgesamt könnte als in der Theologie beheimatet aufgefasst werden: dass nämlich eine Erste Ursache als unfehlbarer Baumeister der Welten diese so eingerichtet habe, dass der Mensch, nach Analogie des Gebrauches seiner eigenen (freilich fehlbaren) Vernunft, dieses Verfahren als zweckmäßig erkennen muss.

    Fazit: Es ist kein Zufall, dass Bunge und Mahner von einem einem mythisch-magisch-animistisch-teleologischen Weltbild der Religion sprechen, denn alles davon, also Mythos, Magie, Animismus und Teleologie (Zielorientiertheit) ist kaum mit einem wissenschaftlichen Weltbild vereinbar.

  209. @anton reutlinger

    Der Realismus hat viele Facetten, vom naiven Realismus bis zum Antirealismus

    Zustimmung (*).

    (*)
    Zustimmung hat viele Facetten, von naiver Zustimmung bis zur Gegenstimmung.

  210. @hwied:
    Ihre Wellness-Gefühle beim Betreten von Kirchen in allen Ehren, aber meine Empfindungen sind anders. Ich erinnere mich gut an den miefigen Katholizismus von vor 50 Jahren, der versuchte unser aller Leben zu kontrollieren und zu gängeln: Küche, Kirche, Kinder für die Frauen und wöchentliche Beichte und Kontrolle für uns alle durch den Pfarrer. Die Erkenntnis, dass es keinen Gott gibt, der uns in den Kopf schaut, Gedanken liest, Gebete erhört oder auch nicht, und der dann eventuell strafend eingreift: eine Befreiung ohne Ende. Befreiung von diesem Popanz, den die katholische Kirche aufgebaut hat, um uns zu kontrollieren und gefügig zu halten. Ob es einen Schöpfergott gibt, kann ich nicht sagen, es ist auch egal da er nicht mehr mit uns kommunizieren kann.
    Und übrigens: pi und e sind nicht nur irrational, sondern auch transzendent. Aber keine Angst, das ist nur im strikt mathematischen Sinn gemeint.

  211. @Martin Holzherr 19.02. 15:59

    „Einstein glaubte aber an das Blockuniversum. …. Selbst bin ich fest davon überzeugt, dass das falsch ist. Und viele Quantenphysiker glauben sogar, dass jeder Quantenprozess etwas Neues schafft.“

    Als biologische Wesen sind wir sowieso Zeitreisende. Aber ich denke zusätzlich, dass die ganze Wirklichkeit auf Zeitreise ist. Die Zusammenbrüche der Wellenfunktionen sind lokal dabei, stets Neues zu schaffen, im Prinzip zumindest. Zufall im Sinne von Variationen gibt es dabei immer, dass es auch mal gezielten Zufall gibt, das glaube wohl nur ich. Der braucht dann ergänzend einen kosmischen Geist, um sinnvoll zu sein.

    Das Blockuniversum der RT gilt wohl nicht für den Mikrokosmos, sondern nur für größeren Skalen, und da nur soweit, wie sich der Mikrokosmos nicht auswirkt. Das drückt sich auch in den Gesetzen der Thermodynamik aus, die eine klare Zeitrichtung haben. Ein Feuer kann nicht rückwärts brennen, und Energie aus der Umgebung aufnehmen, um dann aus Kohlendioxid Sauerstoff und Kohlenstoff zu machen.

    @Physiker 19.02. 16:47

    „Ich erinnere mich gut an den miefigen Katholizismus von vor 50 Jahren,…“

    Ich konnte in meiner Jugend auch mit der evangelische Kirche nichts anfangen. Ich war nur einmal beim Konfirmandenunterricht, und das hat mir auch gereicht. Auf die Konfirmationsgeschenke musste ich verzichten, der Aufruhr in Teilen der Verwandtschaft war mir auch egal. Aber einer gewissen Magie im Leben bin ich doch zugeneigt.

  212. @Joker
    Covid19 gibt es von symptomfrei bis leblos.

    Zwei Menschen, die einer und derselben allgemeinen Aussage zustimmen, können sehr verschiedene Meinungen haben.

    A.B. Johnson (1786-1867), Banker und Sprachphilosoph

  213. @Martin Holzherr / 19.02.2021, 13:46 Uhr

    Bunges grandiose Energie-Definition ist gewiss nicht “beyond the first grade“, sie ist sozusagen kindergarten-tauglich. Und wenn es tatsächlich so genial einfach geht, können Sie sich einen Grund denken, wieso Feynman dann nicht auf so etwas gekommen ist? Und warum man das nicht allgemein in der Lehrbuch-Literatur für Schulen und Hochschulen so definiert findet? Wo ist der Haken bei der Sache?

  214. @Tobias Jeckenburger (Zitat):

    . Das drückt sich auch in den Gesetzen der Thermodynamik aus, die eine klare Zeitrichtung haben. Ein Feuer kann nicht rückwärts brennen, und Energie aus der Umgebung aufnehmen, um dann aus Kohlendioxid Sauerstoff und Kohlenstoff zu machen.

    Nein, der Zeitpfeil kann nicht mit den Gesetzen der Thermodynamik erklärt werden. Ethan Siegel erklärt das in:
    Nein, die Thermodynamik erklärt nicht den von uns wahrgenommenen Zeitpfeil
    Zitat:

    Diese Idee ist nun als Maxwell’scher Dämon bekannt, und sie ermöglicht es, die Entropie des Systems doch noch zu verringern, um den Preis, dass man die Energie aufwenden muss, um das System zu überwachen und das Tor zwischen den beiden Seiten zu öffnen und zu schließen.

    Eine Darstellung des Maxwellschen Dämons, der Teilchen nach ihrer Energie auf beiden Seiten sortieren kann… [+] WIKIMEDIA COMMONS USER HTKYM
    Dies zu tun, verstößt nicht gegen den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, da die Gesamtentropie der Box und die Entropie des Dämons (oder die Aktionen des Dämons) addiert werden müssen, und diese kombinierte Entropie nimmt immer zu. Nur wenn Sie einen Teil des Systems betrachten, wie die Kiste allein (und den Dämon und seine Aktionen ignorieren), würden Sie eine Abnahme der Entropie wahrnehmen.

    Das ist aber genau das, was wir brauchen, um den hypothetischen Zusammenhang zwischen dem thermodynamischen Zeitpfeil und dem perzeptiven Zeitpfeil zu widerlegen. Selbst wenn Sie in der Box leben würden und der Dämon nicht wahrnehmbar wäre – ähnlich wie wenn Sie in einer Tasche des Universums leben würden, die eine Entropieabnahme erlebt – würde die Zeit für Sie immer noch vorwärts laufen. Der thermodynamische Zeitpfeil bestimmt nicht unseren wahrgenommenen Zeitpfeil.

    Fazit: Wenn sie aufräumen und Ordnung schaffen verringern sie die Entropie lokal. Aber die Zeit läuft deswegen nicht rückwärts!

  215. Herr Holzherr,
    bitte keine Primitivphilosophie “Kausal und Teleologisch sind absolute Gegensätze. ”

    Teleologisch heißt, auf ein Ziel gerichtet.
    Sogar das Universum hat ein Ziel. Das Maximum an Entropie.

    Das Ende, das in der Bibel als Apokalypse benannt wird, ist die Vorstellung des Johannes über das Weltenende.
    Und wenn vom Jüngsten Gericht die Rede ist, dann findet die nicht mehr in Raum und Zeit statt. Der Himmel gehört einer anderen Kategorie an als das Universum. Sie können sich den Himmel auch als ein Seelenzustand vorstellen.

  216. @Chrys (Zitat):

    Bunges grandiose Energie-Definition ist gewiss nicht “beyond the first grade“, sie ist sozusagen kindergarten-tauglich. Und wenn es tatsächlich so genial einfach geht, können Sie sich einen Grund denken, wieso Feynman dann nicht auf so etwas gekommen ist? Und warum man das nicht allgemein in der Lehrbuch-Literatur für Schulen und Hochschulen so definiert findet? Wo ist der Haken bei der Sache?

    Der Haken an der Sache, aber auch der Gewinn ihrer Umschreibung, ist der, dass sie etwas was so allgemeines, universelles wie „Veränderung“ mit dem physikalischen Begriff Energie in Verbindung gebracht haben ohne mit Formeln, Zahlen oder Spezialwissen zu hausieren.
    In Bunge&Mahners materialistischer Ontologie geht es ja darum wie man mit dem vertrauten und dem in der Philosophie üblichen Vokabular naturwissenschaftliche Grunderkenntnisse ausdrücken und in die Welt der Philosophen transportieren kann. Denn das Buch richtet sich ja nicht primär an Physiker, sondern an alle philosophisch Interessierten. Der semantische Spalt („mind the gap“) zwischen der Alltags- und Philosophensprache und der Sprache der Physiker ist so breit, dass eine mit der Naturwissenschaft kompatible Ontologie schwer aufzubauen ist.
    Hier könnte es aber gelingen: Immer wenn ich Veränderungen an realen Gegenständen wie Wolken, Menschen, Raumtemperaturen etc wahrnehme, erlebe ich erwas, was zentral in der modernen Physik ist. Physik wird damit plötzlich „spürbar“ und ist überall anzutreffen. Und das ohne dass man in die Details gehen muss.

  217. @hwied (Zitat):

    Teleologisch heißt, auf ein Ziel gerichtet.
    Sogar das Universum hat ein Ziel. Das Maximum an Entropie.

    Antwort: Nein. Die Entropiezunahme des Universums ergibt sich einfach aus den Naturgesetzen. Dahinter steckt keine Absicht und kein göttlicher Plan.

  218. Physiker,
    meine Erfahrungen mit der Kirche sind durchweg positiv.
    Obwohl ich wahrscheinlich nicht getauft bin und auch keine Kommunion, habe ich die Pfarrer immer als sehr menschlich betrachtet. Sie waren die Einzigen, die uns während der Schulzeit keine Tatzen , (Stockschläge bis zu 8 Stück) während des Unterrichts gegeben haben. Eine Lehrkraft hat mich sogar gewürgt und anschließend gegen die Wand geworfen.
    Ein Anderer( SS Sturmbannführer) hat uns erklärt wie man Russen umbringen kann und dabei Munition spart.
    So sind eben die Erfahrungen unterschiedlich.

  219. @anton reutlinger

    ‘Realismus = Antirealismus’

    Ich erinnere mich: zwei Begriffe, die diametral Entgegengesetztes bezeichnen, können ein und dasselbe bezeichnen. Das lehrte mich einst schon @Balanus (mit Unterstützung von Stephen Hawking),

    Determinismus = Indeterminismus

    Hatte ich nur verdrängt.

    Logische Widerspruchsfreit ist damit sowohl garantiert als auch unmöglich. Wir kommen voran.

  220. @ Martin Holzherr 19.02.2021, 15:09 Uhr

    Zitat: „Bunge und Mahner kommen in ihrem Buch „Über die Natur der Dinge“ zum Schluss, dass Naturwissenschaft und Religion unvereinbar sind. Bunge und Mahner geht es ja um mehr als um den Naturalismus. Es geht ihnen um eine (natur-)wissenschaftlich fundierte Ontologie.
    Zitat aus ihrem Fazit im Kapitel über Religion:“

    Naturwissenschaft und Religion sind für mich sehr wohl vereinbar. Ganz einfach deswegen weil ihre „Aufgaben“ unterschiedlich sind.

    Religionen/Ideologien haben den Zweck das Verhalten der Menschen erfolgreich zu steuern, notwendige verbindliche Regeln festzulegen, soweit als möglich Antworten auf Fragen der Menschen zu suchen, sie sind das „Betriebssystem“ für die Psyche.

    Die Wissenschaft hat die Aufgabe das Wissen über den Menschen und die Welt zu mehren.

    Religionen/Ideologien können nicht alle Tage „upgedatet“ werden, die Menschen würden verrückt, würde man derartiges versuchen. Sieht man auch in der Coronafrage.

    Die Wissenschaft versucht aktuell zu bleiben. Man muss sich damit abfinden, dass z.B. die vor 50 Jahren neuesten und besten Erkenntnisse z.B. in der Pharmazie, heutzutage als abwegig gelten. Da ergeht es der Wissenschaft nicht anders als Religionen/Ideologien.

    Religionen/Ideologien könnte man danach beurteilen, wie erfolgreich sie ihre Aufgaben erfüllt haben. Je besser sie die Gesellschaft “optimieren”. Einen Ausgleich zwischen “Elite und Unterschicht” finden und Spaltungstendenzen in der Gesellschaft minimieren. Je länger sie ihrer „Aufgabe“ erfolgreich nachgegangen sind, wie gut sie an die Umgebung angepasst sind, welche Chancen sie in der Zukunft haben, ob z.B. ihr Aggressionspotential gegenüber „Mitbewerber“ nicht zu groß ist. Die Nazi Ideologie, aber auch der IS sind praktisch an ihrer Aggressivität gescheitert. Offensichtlich meinten beide „Führer“ die Konflikte zwischen Russland – Amerika „als lachender Dritte“ ausnutzen zu können. Beide haben ihren Konflikt unterbrochen und die „Newcomer“ demontiert.

    Die Wissenschaft könnte sich durchringen und Religionen /Ideologien ganz nüchtern sehen, so ähnlich wie Informatiker die Zweckmäßigkeit von Computer Software beurteilen.

    Aber manche Wissenschaftler „glauben“ genau so „inbrünstig“ an die absolute Wahrheit „ihrer Wissenschaft“, oder „ihrer Philosophie“, wie manche Pfaffen.

    Allerdings meinen Psychologen, ohne „irgendeinen“ Glauben, und wäre es der Atheismus, können man nicht leben…..

  221. @Joker
    Mein Zitat bezog sich nicht auf Begriffe, sondern auf Aussagen, das ist ein großer Unterschied.

    Rührt ein Übel von dir selbst her, warum tust du’s? Kommt es von einem andern, wem machst du Vorwürfe? Etwa den Atomen oder den Göttern? Beides ist unsinnig. Hier ist niemand anzuklagen. Denn, kannst du, so bessere den Urheber; kannst du das aber nicht, so bessere wenigstens die Sache selbst; kannst du aber auch das nicht, wozu frommt dir das Anklagen? Denn ohne Zweck soll man nichts tun.

    Marc Aurel (121-180), Selbstbetrachtungen

  222. @hwied
    Teleologisch heißt, auf ein Ziel gerichtet.
    Sogar das Universum hat ein Ziel. Das Maximum an Entropie.

    Teleologie des Universums:

    “Jeder planlos geworfene Stein bewegt sich mit erstaunlicher Präzision auf die Stelle zu, an der er schließlich landet.”

    Jean-Claude Silbermann, (*1935) Maler, Surrealist

  223. “Herr Holzherr,
    bitte keine Primitivphilosophie “Kausal und Teleologisch sind absolute Gegensätze. ”

    Das ist ganz offensichtlich falsch.

    Wenn ich beim Pool die schwarze 8 einloche und gewinne, dann ist die Bewegung der Weißen Kugel auf die 8 die kausale Ursache für das einlochen der schwarzen 8. Gleichzeitig ist das Einlochen der schwarzen 8 von mir teleologisch gewollt.Ob die Welt so wie sie ist von Gott gewollt ist also teleologisch und er sich dabei der Kausalität bedient ist gar nicht Thema der Naturwissenschaft. Sie kann dazu keine sinnvolle Aussage machen.

  224. Holzherr
    …….Teleologie. Der Begriff stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist auch nur ein Versuch biblisches zu erklären.

    Hier eine Episode aus dem Neuen Testament , das zwar nicht ganz genau passt aber doch zum Nachdenken anregt.
    Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. Und seine Jünger fragten ihn und sprachen „Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist. ?“
    Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt, noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.“ (Joh 9, 1-3)

  225. @Chrys, Joker und alle dazwischen
    Das trifft’s wirklich gut:

    A Farewell to Falsifiability
    Some of the most obviously correct physical theories –namely string theory and the multiverse–make no testable predictions, leading many to question whether we should accept something as scientific even if it makes no testable predictions and hence is not refutable. However, some farthinking physicists have proposed instead that we should give up on the notion of Falsifiability itself. We endorse this suggestion but think it does not go nearly far enough. We believe that we should also dispense with other outdated ideas, such as Fidelity, Frugality, Factuality and other “F” words. And we quote a lot of famous people to support this view.

    Ali Frolop,∗ Ali,† and Frolov‡ (Dated: 1st April 2015)

  226. @Timm Grams

    Das trifft’s wirklich gut:

    A Farewell to Falsifiability

    Nicht ganz. In dem Titel klingt das “Farewell” so endgültig, als ob es sich um einen Abschied für immer handeln würde.

    Nun ist der Artikel (hier als pdf) aber schon etwas in die Jahre gekommen und seitdem ist einiges passiert. Neuere Entwicklungen geben berechtigten Anlass zur Hoffnung. Die Falsifizierbarkeit wurde damals, wie man dem Text entnehmen kann, nur aus dem Bereich der Physik (und damit aller Naturwissenschaften) verabschiedet. Als Kenner der Materie war man eventuell geneigt zu glauben, dass das auch der einzige Ort sei, wo sie überhaupt existieren könne. Welch ein Irrtum.

    Durch das Engagement von Sam Harris, mit Unterstützung einiger Mitarbeiter der GWUP und vieler freiwilliger Kommentatoren hier bei den scilogs konnte der Falsifizierbarkeit mittlerweile ein neuer Platz zugewiesen werden. Um sie müssen wir uns daher vermutlich auf absehbare Zeit keine Gedanken mehr machen. Das weitere Dasein der Falsifizierbarkeit ist nun im Umfeld der Metaphysik gesichert. – Kein Aprilscherz!

    A warm welcome to Falsifiability.

  227. @Joker / Grams
    Sehe ich auch so:das Falsifikation nur ein Teil des Sein ist.
    Ich bin ein Fan der Wechselwirkung.
    Ohne Falsifikationsversuch kommt man nicht auf die wesentlichen Antonyme.
    Aber das ist ‘altes’ Wissen:Wechselwirkung aus Verifikation vs Falsifikation.

  228. @Grams
    Im Grunde subsumiert es sich auf:was funktioniert,was funktioniert nicht?
    Was aber ist dann die Grundfunktionen?

  229. @ Timm Grams

    Im Zusammenhang mit Verifikation vs Falsifikation würde ich Sie um Ihre (philosophische) Sichtweise zu folgenden Problem bitten.

    Die Digitaltechnik und auch Computertechnik dürfte es eigentlich gar nicht geben, weil z.B. eine Multivibratorschaltung aus rein philosophischen Gründen (wenn alle Komponenten absolut gleich sind) nicht funktionieren dürfte und mitunter auch nicht funktioniert, weil die Schaltung nicht in definierte 2 Zustände „kippen“ kann. Vermutlich kann dies auch ein Grund sein, warum sich Systeme der Elektronik gelegentlich „aufhängen“. (Z.B. Autos fehlerhaft in den Status „Kollision“ schalten, obwohl es nicht stimmt.)

    Dennoch haben elektronisch gesteuerte Systeme einen Siegeszug ohnegleichen hingelegt.

    Ein elektronisches Kipp – System „funktioniert“ weitgehend, weil es eben in der Realität Bauteiltoleranzen gibt, dürfte es aber nicht, weil normalerweise Systeme umso besser funktionieren je enger die Bauteiltoleranzen sind?

    Die Systeme sind praktisch absolut determiniert, nur nicht im Falle „absoluter Gleichheit“. Ähnlich wie bei der „Null“ in der Mathematik.

  230. Zum Fallibilismus eine implizite Definition von A.B. Johnson (1786-1867), Sprachphilosoph :

    Wir sind wachsam beim Aufdecken von Widersprüchen zwischen Wörtern, aber niemals entdecken wir die schweren Widersprüche, wenn wir das Vorhandensein von realen Dingen behaupten, wo nichts dergleichen von unseren Sinnen wahrgenommen werden kann.

    Der Fallibilismus ist kein Wundermittel, aber er hat große Bedeutung für die meisten Wissenschaften. Er trennt Wissenschaft von Wortakrobatik und Ideologie. Es geht dabei weniger um die Falsifizierbarkeit, sondern um die Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Aussagen. Eine Falsifizierung kann auch selber falsifiziert werden. Das kommt sogar häufig vor, bei Behauptungen von Zweiflern und Gegnern von Wissenschaft, aktuell im Umfeld von Pandemie und Impfstoffentwicklung, sowie bei Behauptungen von Leugnern des Klimawandels.

  231. Reutlinger,
    Der Fallibilismus besagt, dass es keine absolute Erkenntnis gibt.
    Meine Meinung dazu, in der Mathematik gibt es wahre Aussagen.
    In der Physik gibt es wahre Aussagen, wenn sie mathematisch beweisbar sind.
    Das Hebelgesetz z.B. an dem kann man nicht herumdeuteln.
    Die Lichtgeschwindigkeit, wer widerspricht da ?

    Eine wissenschaftliche Theorie lässt sich nicht sprachlich beweisen. Hier sei auf Aristoteles verwiesen, der behauptet hat:” Wenn die Luft aus Atomen bestände, dann müsste sie zur Erde fallen wie Sand. ”
    Darüber sind wir hinaus.

    Herr Holzherr beweist die Unmöglichkeit von Teleologie durch das Wort “Absicht” und dann folgert er ein mythisch-magisch-animistisch-teleologisches Weltbild der Religion . Was für ein Wortungetüm an dem wir das Hackebeil des Falilbilismus anlegen müssen.

    Dabei kommt das Wort Teleologie in der Bibel gar nicht vor. Wer von einer Absicht Gottes spricht, der hat schon wieder den Gedanken von Gott als einem Menschen vor sich.

  232. @Elektroniker 20.02.2021, 09:53 Uhr

    Das Prinzip der Falsifizierung – “die negative Methode” – spielt in Technik und Informatik eine zentrale Rolle. Dort spricht man von Tests.

  233. Elektroniker,
    Das Beispiel mit dem Flip-Flop ist genial. Es funktioniert, weil unsere Welt nicht symmetrisch aufgebaut ist. Man denke nur an die chemischen Elemente mit einer ungeraden Ordnungszahl. Im Augenblick des Einschaltens gibt es ein einzelnes Elektron das entscheidet, ob Transistor A oder Transistor B durchschaltet.
    Nachtrag: Deshalb ist die Null auch keine natürliche Zahl.

  234. Was prinzipiell empirisch nicht überprüfbar ist, steht ausserhalb der Wissenschaft. Dazu gehören etwa Paralleluniversen – mindestens dann, wenn man sie nicht besuchen kann.
    Die Stringtheorie ist ein Beispiel einer prinzipiell empirisch überprüfbaren Hypothese – allerdings sind die Aussichten dafür in naher Zukunft nicht sehr gut.
    Doch es gibt weitere Kriterien die für eine Theorie sprechen ausser der bereits erfolgten Bestätigung durch Beobachtungen.
    Richard Dawid hat ein ganzes Buch über diese zusätzlichen Kriterien geschrieben. Hier die wichtigsten Argumente, die er darlegt (Zitat aus Richard Dawid: the string theory and the scientific method)

    Die drei Gründe für die nahezu Gewissheit über die Gültigkeit der Theorie sind:

    – die Nichtexistenz von Alternativen
    – das überraschende Auftauchen kohärenter Erklärungen innerhalb der Stringtheorie
    – Extrapolation der bisherigen Erfolge in der Hochenergiephysik: Das Standardmodell wurde auch aus weitgehend theoretischen Gründen konzipiert, hatte keine Alternativen, führte zu einer nicht trivialen, überraschend konsistenten Vereinheitlichung unserer Beschreibungen vieler Dinge und musste daher richtig sein

    In Bezug auf das erste Argument ist es die eigentliche Erklärung, warum die besten theoretischen Physiker diesen hohen Prozentsatz ihrer intellektuellen Fähigkeiten auf die Stringtheorie konzentrieren. Sie teilen ihre mentalen Kräfte einfach auf alle vielversprechenden Ideen auf, wobei das Gewicht dem Grad entspricht, in dem sie vielversprechend sind. Da man ungefähr sagen kann, dass es außerhalb der Stringtheorie keine anderen vielversprechenden “großen Ideen” gibt, können die Leute nicht daran arbeiten.

    Es ist leicht, diese Tatsachen zu missverstehen – und absichtlich zu verschleiern. Es gibt “Marken”, die als Konkurrenten der Stringtheorie vermarktet werden. Aber da drüben funktioniert wirklich nichts. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Theorien auf dem richtigen Weg sind. Die mit diesen Anweisungen verbundenen Personen wissen das, aber einige von ihnen versuchen, die Laien über diese Tatsachen in die Irre zu führen. Einige von ihnen wollen sich einfach persönlich helfen; andere mögen weniger egoistisch sein, aber sie wollen eine “größere Vielfalt von Ideen” als die verfügbaren Beweise als den richtigen Grad an Vielfalt nahelegen. Und noch eine andere Gruppe ist einfach inkompetent.

    Das zweite Argument ist ein theoretisches, aber sehr schlagkräftiges Argument. Wenn die Stringtheorie eine falsche Naturtheorie wäre, hätte man keine Erklärung, warum sie uns über so viele Mechanismen unterrichtet hat, die zuvor unterschiedliche Konzepte in der Physik vereinen und ihre vollständige Konsistenz behalten, trotz aller Arten von Krankheiten, die sicherlich eine getötet hätten generische falsche Theorie viele Male. Die tiefe Verbindung zwischen der Stringtheorie und den Gesetzen, denen alles im Universum gehorcht, scheint die einzige Erklärung für diese Kohärenz und vereinigende Kraft zu sein, die Fähigkeit, unerwartete Verbindungen, Beziehungen und Übergänge herzustellen und dabei Inkonsistenzen zu vermeiden.

    Man könnte natürlich argumentieren, dass die Stringtheorie aus einem anderen Grund so kohärent, mächtig und “bereit ist, uns zu lehren”: Es könnte nur eine kohärente mathematische Struktur sein, die nicht das Grundgerüst der Grundlagen der Physik bildet. Wenn Sie möchten, könnte es der Teufel sein, der uns ständig versucht und nicht Gott. Eine solche alternative Theorie würde jedoch anscheinend vorhersagen, dass es bereits eine nachweisbare Inkompatibilität zwischen den stark einschränkenden Prinzipien der Stringtheorie und einigen der zahlreichen (Untertreibung!) Erkenntnisse geben wird, die wir bereits über das physikalische Universum gelernt haben. Auch solche Inkonsistenzen gibt es nicht: Zumindest als erste Skizze stimmt die Stringtheorie mit allen allgemeinen Merkmalen (Arten von Feldern und Wechselwirkungen usw.) überein, die wir aus der Teilchenphysik und Kosmologie kennen. Es gibt viele Beweise dafür, dass die Stringtheorie sowohl sehr tief als auch sehr physikalisch ist.

    Das letzte Argument ist wahrscheinlich ein guter Weg, um den tatsächlichen Grund zu beschreiben, warum ich mit den Vorschlägen an anderer Stelle im Buch nicht einverstanden bin, dass man die wissenschaftliche Methode neu definieren oder ähnliche Dinge tun muss. Es scheint mir offensichtlich, dass die Gründe, die Stringtheoretiker nahezu sicher machen, dass die Stringtheorie die richtige Beschreibung der Natur ist, von Physikern mindestens seit 50 Jahren und in mancher Hinsicht viel länger verwendet werden.

  235. @Elektroniker
    Auf Ihre Frage nach meiner philosophischen Sichtweise auf ein Technikproblem habe ich ausweichend geantwortet (20.02.2021, 10:31 Uhr). Grund: Gegenstand der Philosophie sind der Mensch und sein Handeln, nicht die von ihm hergestellten und benutzten Mittel. Um es mit Robert Lembke zu sagen: Das Klavier kann nichts dafür; die Gefahr droht vom Pianisten.

  236. @hwief(Zitat): : Deshalb ist die Null auch keine natürliche Zahl.
    Antwort: In Deutschland gehört 0 zu den natürlichen Zahlen.

    das Deutsche Institut für Normung (kurz: DIN) mit dieser Frage beschäftigt hat. Die DIN-Norm 5473 besagt:

    Die 0 gehört zu den natürlichen Zahlen.

    Laut der besagten Norm schreibt man für die natürlichen Zahlen ohne die Null:
    N∗

    schade, dass sie in Deutschland leben. Dort sind Dinge natürlich, die sie für unnatürlich halten.

  237. @ Timm Grams 20.02.2021, 14:52 Uhr

    In der Philosophie ging es um die absolute Einmaligkeit der Leistungen des menschlichen Geistes und der Unmöglichkeit diese nachahmen und schon gar nicht übertreffen zu können. Vermutlich wurde deswegen früher darüber diskutiert.

    Mir ist klar dass meine Frage nicht gerade alltäglich war.

    Sie war vor rund 50 – 80 Jahren aktuell, als einerseits von Physikern/Technikern die in der Kriegsforschung z.B. an elektronischen Kippschaltungen arbeiteten, bereits die Entwicklungen am Elektronik/Informatiksektor absehbar waren.

    Aber seitens der Philosophie schien es eher absolut undenkbar, dass es weder Datenverarbeitung in unserem Sinne, noch weniger so etwas wie die KI überhaupt jemals geben könnte.

    Dafür haben sie einerseits philosophische Gründe angeführt, andererseits war ihnen das Problem der Kippschaltungen, dass sie eben nicht sicher kippen können, eigentlich theoretisch (bei gleichen Bauteilen) überhaupt nicht kippen können, völlig klar.

    Das Problem scheint mir, dass das Argument mit den Kippschaltungen völlig korrekt von Philosophen erkannt wurde, trotzdem sind die Systeme erfolgreich. Ich kann höchstens der damaligen Philosophen „gedenken“, wenn sich z.B. eine elektronische Schaltung „aufhängt“, oder die Kollisionswarnung im Auto grundlos aufleuchtet.

  238. Holzherr
    die Deutsche Industrienorm als Schiedsrichter, das hätte jetzt nicht kommen dürfen.
    Die Null gibt es nicht nur in Deutschland. Es hat schon seinen Grund, dass man an die Toilette schreibt 00.

    Spass beiseite.

    Dividiert durch 0 ist nicht definiert, ln (0) ist nicht definiert. Das reicht .Vielleicht hat sich das noch nicht herumgesprochen ?

  239. @hwied(Zitat):
    Dividiert durch 0 ist nicht definiert, ln (0) ist nicht definiert. Das reicht .

    Kommen sie damit mal dem Deutschen Institut für Normung (kurz: DIN)

  240. @hwied
    Ich schreibe nicht mehr “n.Chr.”, sondern “nN”, d.h. nach Null. In der modernen Welt ist “n.Chr.” ein Anachronismus und eine Zumutung für andere Kulturen. Aber die Politik ist zu feige, alte Zöpfe abzuschneiden, weil man einen Höllenlärm der Bischöfe fürchtet und weil man die Gläubigen als Wähler nötig hat!

  241. @Elektroniker 20.02.2021, 17:54 Uhr

    Ihr Pseudonym zeigt mir an, dass Sie vom Fach und Ihre Frage, dass Sie noch im Spaß-Modus sind.

    Für den Fall, dass eine dieser Vermutungen falsch ist, erkläre ich: Die mögliche Labilität des Multivibrators betrifft natürlich nur den Einschaltmoment. “Aufhängen” kann sich ein solch einfaches System nicht, ausfallen schon. Im Automobil finden wir hochkomplexe Softwaresysteme. Die können sich “aufhängen”, wie wir das vom Heimcomputer kennen. Der Grund: Hardware kann ausfallen. Software ist von Anfang an kaputt; man merkt’s nur nicht sofort, sondern erst, wenn das System sich “aufhängt”.

  242. Reutlinger
    “Ich sehe den Himmel offen”, das ist ein Buch des vorherigen Bischofs von Würzburg Friedhelm Hofmann. Der hat keinen Höllenlärm gemacht, das war ein friedlicher Mensch.
    Tipp: Bevor Sie Pauschalurteile abgeben, lesen Sie doch mal dieses Buch.

    Noch ein Tipp: Die christliche Lehre ist kein alter Zopf, die beschreibt den Weg, dien die Menschheit gehen muss, wenn sie die nächsten tausend Jahre überleben will.

  243. @hwied
    Sie müssen endlich akzeptieren, dass es Menschen gibt, die ohne religiösen Glauben ein gutes Leben führen können. Hier können Sie niemanden bekehren. Es gibt genug religionskritische Bücher, die Sie selber lesen sollten.

    »Glauben Sie, klar und zweifellos aus ihrer eigenen Definition von Gott beweisen zu können, daß ein solches Ens existiere? Ich freilich denke, daß Definitionen einzig und allein Begriffe unsres Kopfes enthalten; daß aber unser Kopf vieles begreift, was nicht existiert, und äußerst fruchtbar ist in der Vermehrung und Steigerung der einmal begriffenen Dinge: also kann ich nicht einsehen, wie ich von meinem Gottesbegriff zur Existenz Gottes kommen soll.«

    Henry Oldenburg (1619-1677), Theologe, Brief an Spinoza.

    Henry Oldenburg war Naturphilosoph, erster Sekretär der Royal Society und Mitbegründer des peer review.

  244. @Martin Holzherr, cc: @hwied

    Offtopic:

    In Deutschland gehört 0 zu den natürlichen Zahlen.

    In ganz Gallien Deutschland? Nein!

    Deutsche Schulbücher orientieren sich in einigen Bundesländern an dieser DIN-Norm [5473], in anderen, z. B. in Bayern, nicht.
    (Wikipedia)

    “Technische Normen stehen jedermann zur Anwendung frei. Das heißt, man kann sie anwenden, muss es aber nicht. Normen sind keine Gesetze sondern Empfehlungen.” (Quelle: Internet)

  245. Realismus im Scheinwerferlicht des Physikalismus/ontologischen Materialismus
    Es gibt grosse Unterschiede, was verschiedene Philosophieschulen für real halten, was sie also ganz unabhängig von einer Interpretation und unabhängig vom menschlichen Verstand für existent halten. Damit etwas real ist fordern allerdings alle, dass sich über reale Dinge wahre Aussagen machen lassen.

    Die einen halten etwa mathematische Objekte wie Zahlen für real, weil Zahlen ja offensichtlich überall vorkommen, gerade auch in der Naturbeschreibung und weil jeder Mensch, aber auch Maschinen, lernen können damit umzugehen.

    Andere Realisten gehen noch weiter und halten auch Allgemeinbegriffe wie Mensch, Zahl, Relation, Klasse für real, als unabhängig vom Menschen existierend.

    Viele, ja die meisten halten die Aussenwelt, also die Welt der Dinge, für real – allerdings nicht alle.

    Der Physikalismus/ontologische Materialismus macht es sich bei der Frage danach was real ist, einfach: Nur gerade die materielle, physikalische Welt ist zuerst einmal real. Alles weitere Reale spielt sich nach Auffassung der Physikalisten/Materialisten in unserem Kopf ab und existiert nicht ohne unsere Denkanstrengungen – und diese Denkanstrengungen wiederum finden im Hirn, jedenfalls in unserem Nervensystem statt und das Nervensystem ist ein materielles Objekt und somit mit Sicherheit real. Bunge&Mahner nennen die Dinge, die wir in unserem Kopf ausdenken Fiktionen. Fiktionen existieren nur so lange wie man an sie denkt. Ihre Existenz basiert also darauf, dass wir denken/empfinden können. Eine Eigenexistenz haben gedachte Dinge wie die Zahl 42, die Relativitätstheorie oder die 7. Beethovens nicht.

    Nun verwenden wir diesen Realitätsbegriff des ontologischen Materialismus um damit andere Philosophieschulen zu „durchleuchten“.

    Der Solipsismus hält nur das eigene Denken für real, die Aussenwelt dagegen für etwas was jeder in seinem Bewusstsein konstruiert.
    Im Licht des ontologischen Materialismus bedeutet das, dass Solipsisten allein die Fiktionen für real halten, die in ihrem Kopf ablaufen. Und diese Fiktionen sind so mächtig, dass sie alles erzeugen inklusive Aussenwelt

    Der Konstruktivismus hält die Realität für in unseren Köpfen konstruiert, schliesst aber die Existenz einer Aussenwelt nicht aus. Nur sei diese Aussenwelt nicht direkt erkennbar, sondern werde durch unsere Sinne eventuell beliebig verzerrt. Jeder Einzelne könne potenziell andere Konstrukte bilden, doch im Konsens könne man sich dann eventuell auf etwas einigen.
    Im Licht des ontologischen Materialismus bedeutet das, dass Konstruktivisten real halten was sie als Einzelne und in der Gemeinschaft an Gedankengebilden/Konzepten konstruiert haben. Einen direkten Zugang zur Aussenwelt schliessen sie aus.

    Der Idealismus hält für Realität Ideale und Ideales oder Geistiges. Die Aussenwelt ist für den Idealisten selbst geistiger Beschaffenheit oder ist nur für das Bewusstsein da.
    Im Licht des ontologischen Materialismus bedeutet das, dass Idealisten nicht die rohe fiktive Welt in unserem Kopf für real halten, sondern nur eine ideale/idealisierte Form davon für sie real ist. Nur geordnete Fiktion ist für sie real.

    Der Neue Realismus von Markus Gabriel hält fast alles für real: Die Aussenwelt sowieso, aber auch die ganze Welt der Fiktion, mindestens insoweit man wahre Aussagen über die Inhalte machen kann. Harry Potter ist für ihn real, weil man etwa die korrekte Aussage machen kann, dass er in die Hoggwarts-Zauberschule geht. Allerdings ist bei Markus Gabriel alles nur in einem bestimmten Sinnfeld real und existent. Die obige Aussage etwa ist im Sinnfeld der Harry Potter Bücher wahr und Harry Potter ist in diesem Sinnfeld real und existent. Der Neue Realismus erlaubt fast unbegrenzt viele Sinnfelder, die sich oft überlappen, von denen aber keine alle anderen umfasst.
    Im Licht des ontologischen Materialismus bedeutet das, dass der neue Realismus sowohl die Aussenwelt als auch die Welt der Fiktionen in sehr viele logische Gruppen unterteilt, eben in die Sinnfelder. Aus der Sucht des ontologischen Materialismus sind aber Sinnfelder selbst Fiktionen, sie haben keine eigenständige Realität. Weil aber die Sinnfelder zentral sind im Neuen Realismus bedeutet das, dass Markus Gabriel sowohl die Welt der materiellen/physikalischen Dinge, als auch die Welt der Fiktionen in verschiedene Realitätsbereiche gliedert. Jede Aussage macht gemäss Gabriel jeweils nur in bestimmten Bereichen Sinn.

  246. Den Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit kann man mit einem Kinofilm gut verstehen:

    Realität sind hier die Einzelfotos – aus denen der Film besteht
    Wirklichkeit ist unsere Wahrnehmung von bewegten Bildern – wenn wir den Film ansehen.

    Wenn man Begriffe nicht klar definiert ergibt eine Diskussion wenig Sinn

  247. KRichard
    eine gute Unterscheidung zwischen real und wirklich. In wirklich steckt wirken.
    real (lat.) bedeutet gegenständlich.

  248. Holzherr,
    Danke für den kleinen Philosophieführer.
    “Der Idealismus hält für Realität Ideale und Ideales oder Geistiges. Die Aussenwelt ist für den Idealisten selbst geistiger Beschaffenheit oder ist nur für das Bewusstsein da.”
    Nach KRichard muss das jetzt lauten:
    Der Idealismus hält Ideale und Ideales oder Geistiges für wirklich. Die Aussenwelt ist für den Idealisten selbst geistiger Beschaffenheit oder ist nur für das Bewusstsein da. Anmerkung: Der letzte Nebensatz ist übertrieben.

  249. @hwied
    Elektomagnetische Wellen haben keine Farbe – das ist Realität
    Aber sie können Sinneszellen anregen, so dass wir Farbe sehen – das ist dann die von uns erlebte Wirklichkeit.

    Auch dieses Beispiel zeigt einen Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit.

    Dies ist ein Grund, warum ich nichts mit den Ideen von Prof. Gabriel anfangen kann. Denn seine ´Sinnfelder´ sind nur dazu geeignet, philosophisches Geschwurbel zu erzeugen – aber sinnvolle Diskussionen sind damit nicht mehr möglich.
    Denn für eine Unterhaltung könnte man kein einziges Wort mehr verwenden, wenn nicht jedesmal zugleich dazu genau definiert wird, welches spezielle ´Sinnfeld´ dazu im Zusammenhang gerade gültig ist.

  250. @KRichard
    Ihr Beispiel beschreibt einen von vielen Unterschieden. Es kann keine Definition geben für Realität und Wirklichkeit, weil beides unbestimmt ist. Der Mensch kann sich davon nur individuelle Vorstellungen machen, entsprechend dem begrenzten menschlichen Erkenntnisvermögen. Deshalb ist dieses Feld in der Philosophie so hart umstritten.

    Es gibt keine Möglichkeit, das Wesen oder den Uranfang des Universums zu erkennen. Man kann nur von dem Erkennbaren ausgehen und darauf das naturwissenschaftliche Netzwerk oder Gebäude errichten. Darüber hinaus bedürfte es einer übermenschlichen Phantasie. Warum gibt es nicht nichts? Das sind natürlich die Fragen, die zu spiritistischen Phantasien verleiten.

    Was genau ist Bewegung, warum bewirken die Kräfte der Physik Bewegung, warum gibt es Anziehung und Abstoßung? Das ist so wenig beantwortbar wie die Frage nach dem Wesen und den Ursachen der Qualia. Meine persönliche Vermutung ist daher, dass beides zusammenhängt, dass beides zum physikalischen, unhinterfragbaren Wesen dieses Universums gehört. Das ist keineswegs ein Panpsychismus, denn psychische Zustände sind biologisch bzw. physiologisch begründbar.

  251. @ Timm Grams 20.02.2021, 18:39 Uhr

    Habe eine Ingenieurschule Fachrichtung Nachrichtentechnik abgeschlossen und danach berufsbegleitende Weiterbildung hauptsächlich in Informatik absolviert. Abgesehen von Praktika war die Elektronik praktisch nur ein Hobby von mir.

    Meine Text Beiträge haben stets einen eher sarkastischen Unterton.

    Das Problem bei den Kippschaltungen der Digitaltechnik ist, dass sie eben nicht immer korrekt kippen. Sozusagen „peinlich“ bei der Argumentation gegenüber „Philosophen“ aber war, dass es bereits beim Einschalten, theoretisch leicht begründbare Probleme geben kann, was Sie ganz locker als „mögliche Labilität des Multivibrators im Einschaltmoment“ bezeichnen.

    „Peinlich“ beim Flip – Flop (ohne korrekter „Reset“ Steuerung) aber ist, dass es mitunter abhängig von den Eingangsimpulsen, überhaupt nicht kippt, sondern sich beide Transistoren sozusagen gegenseitig „abwürgen“, gleichzeitig z.B. 1 V an beiden Ausgängen und nicht entweder 0 bzw. 5V auftreten.

    Das nicht korrekte Kippen, nicht nur durch den „Abwürgeeffekt“, kann verschiedene Ursachen haben, z.B. auch durch Störimpulse verursacht werden. Es ist nun einmal ein Problem der Schaltungsentwickler. Sie müssen automatische „Überwachungssysteme“ einbauen und schaffen damit neue Fehlerquellen.

    Angeblich ist es zeitaufwändig und teuer, die sagen wir einmal 1 Milliarde Transistorfunktionen auf einem Chip zu testen. Noch dazu unter verschiedenen Betriebsbedingungen, womöglich auch noch im Zusammenwirken mit der Peripherie und abhängig von Toleranzen.

    Aber klar ist natürlich auch, das sehe ich wie Sie, dass die Softwarefehler heutzutage weitaus überwiegen, andererseits aber relativ einfach durch Updates behoben werden können.

  252. @Hirsch: Konfirmation & Geschenke

    Ich finde, dass die Menschen für diese religiösen Aufnahmerituale viel zu jung sind. Darin äußert sich wahrscheinlich ein Bedürfnis von Gesellschaften nach Indoktrination folgender Generationen. Selbstbewusstsein geht anders. (Und ich muss auch an Hermann Hesses Eigensinn denken: Angeblich sei dies eine Gesellschaft freier Individuen. Doch man schaue sich die Widerstände an, auf die man stößt, wenn man wirklich versucht, frei zu leben.)

    Bei körperlicher Umformung (bsp. Beschneidung des Geschlechtsteils) sind die Prozesse sogar irreversibel. Was ist das für ein Gott, in dessen Namen man Kindern so etwas antun muss?

  253. @Holzherr: Was ist Naturalismus?

    Einstein war eindeutig Naturalist sagte er doch klar, dass er nicht an ein Eingreifen von Gott in die Welt glaubt. Das ist Naturalismus.

    Ach so. Dann kennen wir jetzt wenigstens die Definition des Holzherrschen Naturalismus.

    Daraus lassen sich übrigens schöne Schlussfolgerungen bilden: Naturalisten sind Atheisten. Einstein war kein Atheist. Einstein war aber (so Holzherr) eindeutig Naturalist. Also war Einstein Atheist und kein Athest. Wunderbar!

  254. @Holzherr: “höhere Gewalt”

    Woher kommen denn die Naturkräfte? Warum geht von einer Masse Schwerkraft aus? Warum gibt es überhaupt etwas und nicht nichts?

    Na, vielleicht fällt es Ihnen irgendwann noch einmal auf.

  255. @Jokers Überzeugungen

    Ich bin ein Verfechter des Naturalismus, sogar in einer sehr extremen Ausprägung, inklusive Materialismus, Physikalismus und Determinismus.

    Das macht mich neugierig; mit der Bitte um Erörterung.

  256. @hwied: Mathematik

    Interessante Gedanken zur Mathematik.

    Ich meine mich aber zu erinnern, dass man an manchen mathematischen Instituten nach wie vor mit einem Dr. phil. und keinem Dr. nat. promoviert…

    …und in der englischsprachigen Welt hat man den Unsinn dieser Unterscheidungen etwas besser verstanden und promovieren (fast) alle Wissenschaftler mit einem philosophischen Doktor, genannt PhD.

  257. @Chrys: Quine & so

    Danke für deine Mühe. Ich habe nun akzeptiert, dass viele sich hier auf Stammtischniveau äußern (und lese über immer mehr hinweg). Aber wir leben im Corona-Lockdown: Sei’s ihnen gegönnt.

    Ist dir eigentlich die harsche Kritik P. M. Hackers an Quine geläufig? Ich hatte ihn vor ein paar Jahren mal auf eine Konferenz eingeladen.

    By the way, keine “übernatürlichen” Erklärungen für Naturphänomene zu akzeptieren ist überhaupt kein Ausdruck von irgendeinem Ismus, das gehört ganz einfach methodisch zur “normal science”.

    Stimmt – sonst hätte man auch bei der Mythologie bleiben und sich die Mühe mit der Naturwissenschaft sparen können.

    Aber es ist (jedenfalls für mich) ein wichtiger Unterschied, einerseits zu sagen, wir erklären Naturwissenschaftlich, was sich so erklären lässt, wobei diese Erklärungen oft, näher betrachtet, vorläufig sind, und schweigen zum Rest; oder andererseits zu sagen, dass alles, was sich überhaupt irgendwie erklären lässt, nur naturwissenschaftlich erklärt werden kann.

    So versteht man vielleicht auch Janichs Gedanken, Naturalismus sei Glaube an die Naturwissenschaft.

  258. @Johannes: Begriffssalat

    Stimmt.

    Darf ich das als Bewerbung für die Moderation dieses Forums auffassen, damit Sie dafür sorgen, dass nur noch diejenigen Kommentare hier veröffentlicht werden, die sich konsistent an die Definitionen halten?

  259. @einer, Johannes: Religion

    Dieses Wörterbuch fällt mir schon wieder negativ auf…

    …der Online-Duden gibt Folgendes her:

    Religion =

    1. (meist von einer größeren Gemeinschaft angenommener) bestimmter, durch Lehre und Satzungen festgelegter Glaube und sein Bekenntnis; 2. gläubig verehrende Anerkennung einer alles Sein bestimmenden göttlichen Macht; religiöse (2) Weltanschauung; 3. Religionslehre als Schulfach, Religionsunterricht

  260. @ Martin Holzherr 20.02.2021, 23:38 Uhr

    Zitat: „Bunge&Mahner nennen die Dinge, die wir in unserem Kopf ausdenken Fiktionen. Fiktionen existieren nur so lange wie man an sie denkt. Ihre Existenz basiert also darauf, dass wir denken/empfinden können. Eine Eigenexistenz haben gedachte Dinge wie die Zahl 42, die Relativitätstheorie oder die 7. Beethovens nicht.“

    Für uns kann alles auch nur Fiktion sein. Paranoide Gedanken sind es offensichtlich wenn z.B. das Gegenteil „zutrifft“.

    Allerdings existieren gedachte Dinge wie die Zahl 42, die Relativitätstheorie oder die 7. Beethovens auf jedem Fall auch in anderen Gehirnen, bzw. wären sie im Bewusstsein „abrufbar“. Neuerdings existieren sie auch als „Abbildung“ in technischen Systemen. Sie existieren weiter, selbst wenn ein Träger oder alle Träger untauglich werden, Abbildungen auf irgend eine Art zu aktivieren.

    Selbst wenn Gedankengebilde, Fiktionen, …. völlig verschwunden wären, könnten sie in „neuen Menschen“ erneut entstehen, es wäre höchstens abhängig von der Zeit und der Wahrscheinlichkeit.

    Information ist schwer, eigentlich nicht wirklich „ausrottbar“.

    Sehen wir wieder einmal an den Pandemie Viren, sie mutieren einfach und liefern uns ein „Wettrennen“ mit den Impfstoffforschern die ihnen hinterher hecheln müssen…..

  261. @Holzherr: Bunge & Mahner über Religion

    Das interessante Zitat sagt uns etwas darüber, wie Bunge & Mahner (N = 2) das sehen…

    …als empirischer Wissenschaftler weiß man aber, dass man aus dieser geringen Zahl von Beobachtungen nicht verallgemeinern kann. Man müsste einmal eine repräsentative Anzahl von Naturwissenschaftlern zu ihren religiösen Annahmen befragen. Hat das schon einmal jemand gemacht?

    Ich erinnere noch einmal an die Untersuchung Fahrenbergs, derzufolge über ein Drittel der Studierenden an der naturwissenschaftlichen Fakultät Leib-Seele-Dualisten sind.

  262. @hwied: Schule

    Interessante Erfahrungen. Meine Schulzeit sah zum Glück anders aus.

    Hat Ihnen dieser Lehrer auch erklärt, warum man Russen überhaupt umbringen soll?

  263. Da hier vor allem bekannte Positionen rezitiert werden, garniert mit eigenen Interpretationen, möchte ich die Diskussion auflockern und meinen eigenen Ansatz darstellen, den ich in etwa als ontologischen nicht-reduktiven Materialismus bezeichnen würde. In Stichworten folgt daraus, allgemein: Der Mensch ist wie alle Lebewesen ein selbstorganisierendes System, das den Austausch mit seiner Umwelt, wie alle anderen, auf seine eigene Art und Weise regelt. Diese lässt sich beschreiben als durch ein Zentralnervensystem geregeltes (die anderen Regelungslogiken beschreibe ich an anderer Stelle). Unter den Zentralnervösen gilt die menschliche Regelungslogik durch die Spezifik seines Gehirns als differenzierteste. Darüber hinaus nimmt er keine weitere Sonderstellung ein. Hieraus lassen sich ethische Schlussfolgerungen ableiten. Leib-Seele: es gibt keinen Leib-Seele Dualismus. Alles Mentale ist eine Funktion des Organismus, in Besonderheit des Zentralnervensystems, in Besonderheit des menschlichen Gehirns. Die Unterschiede liegen allein in der Beschreibung der historisch entwickelten Wissenschaftsdisziplinen und der Philosophie. Eine einheitliche Beschreibung lässt sich herstellen, indem die Kategorien übersetzt werden. Eine Systemtheorie des Menschen kann dies leisten. Erkenntnistheorie: Aus der Neuropsychologie wissen wir, dass der Mensch die Welt im Kopf konstruiert, er macht sich also ein Bild von der Welt. Die Konstruktion entspricht der realen Welt soweit, dass er sich darin angemessen bewegen kann. Die darüberhinausgehende metaphysische Welt wird wahrscheinlich immer weiter entschlüsselt werden im Sinne einer Konvergenz zwischen Physik und Metaphysik. Methodologie: Während der Reduktionismus immer kleinere Skalen analysiert und meint, damit die Welt erklären zu können, muss neben der Analyse auch die Synthese erfolgen. Erst diese kann die Komplexität der Welt angemessen darstellen. Ansonsten ließen sich alle Phänomene auf Quantenzufälle reduzieren, was keinerlei Erkenntnisgewinn brächte. Die Kritik am Reduktionismus darf nicht verwechselt werden mit Kritik an der Analyse bzw. der naturwissenschaftlichen Methode.

  264. @Elektroniker 21.02.2021, 10:30 Uhr
    Sie schreiben:

    Das Problem bei den Kippschaltungen der Digitaltechnik ist, dass sie eben nicht immer korrekt kippen. Sozusagen „peinlich“ bei der Argumentation gegenüber „Philosophen“ aber war, dass es bereits beim Einschalten, theoretisch leicht begründbare Probleme geben kann

    Ich kann kein philosophisches Problem erkennen. Helfen Sie mir auf die Sprünge. Um welche Philosophie geht es? Welche Fragestellung steht an?

  265. @Martin Holzherr / 19.02.2021, 17:53 Uhr

    Schon in der griechischen Antike wurde Veränderung in Verbindung mit einer sie bedingenden `enérgeia‘ gedacht, und die moderne physikal. Bezeichnung `Energie‘ hat ihren offenkundig metaphorisch inspirierten Ursprung bei Aristoteles und seiner Metaphysik.

    Und bei der Metaphysik bleibt auch Bunge mit seinem “ontological square“, dessen Eckpunkte er durch eine zirkuläre Kette von Definitionen miteinander verbindet. Explizit begründet er auch seine Energie-Definition so (siehe loc. cit.):

    Because it is ubiquitous, the concept of energy must be philosophical and, in particular, metaphysical (or ontological).

    Eine Anbindung an oder Fundierung durch einen physikal. Begriff von Energie findet nicht statt. Dass Feynman in seinen Lectures on Physics betont, die moderne Physik wisse nicht, was Energie ist, wird auch von Bunge erwähnt, das Problem ist ihm durchaus bekannt. Deshalb kann er hier nicht auf eine generelle physikal. Definition von Energie zurückgreifen, die auch Feynman in seinen Lectures hätte anführen können und gewiss angeführt hätte, falls ihm das möglich gewesen wäre.

    Bunge löst Feynmans Problem mit dem physikal. Enegiebegriff nicht, er verschiebt es nur in die Metaphysik. Die “energy”-Ecke in Bunges ontological square hat mit dem Begriff Energie aus der Physik dann aber auch nicht mehr gemeinsam als nur das Wort “energy”.

    Der physikal. Begriff Energie hat — wenn auch zunächst nicht unter diesem Namen — seinen Ursprung bei Leibniz, Brevis demonstration erroris memorabilis Cartesii, Acta Eruditorum, 1686. Leibniz verwendete dazu die Bezeichnung “vis viva“, also “lebendige Kraft“, die dann auch bis ca. 1850 noch geläufig blieb. Aristoteles’ Idee von “enérgeia” war Leibniz nachweislich bekannt, doch er hat die Motavation für “vis viva” auch gar nicht über Aristoteles, sondern — wie der genannte Titel schon andeutet — über René Descartes bezogen. Ja, schon wieder Descartes, an dem kommen wir hier einfach nicht vorbei. Aber das ist dann auch wieder eine Geschichte für sich…

  266. @Stephan Schleim

    Konfirmation: Also zumindest zu meiner Zeit war das keine Indoktrination. Das mag der Pfarrer versucht haben, ist aber reichlich sinnlos verlaufen. Die Konfirmation hatte bei praktisch allen Konfirmanden genau ein Ziel: Stereo-Anlage bzw. die dafür nötige Kohle bei den Verwandten einzuwerben. Also ein sehr weltliches Ziel.

    Warum-Fragen: Ich hab noch eine. Warum interessiert es irgendjemanden was Einstein war? Ob der Atheist oder tief religiös war ist völlig ohne Belang was die Dinge betrifft die er hinterlassen hat.

    Naturalismus: Ist natürlich ein Glaube oder meinetwegen eine begründete Annahme, dass sich mit der naturwissenschaftlichen Methode früher oder etwas später alles erklären lässt.
    Vermutlich eine Extrapolation aus dem bisherigen Verlauf der Naturwissenschaften. Scheitert dann, wenn etwas auftritt, was sich nicht mehr erklären lässt oder der praktische Aufwand im Grunde auch keine wirkliche Erklärung zulässt. Physik tritt ja mit der “Formel für alles” nicht umsonst seit Jahrzehnten quasi auf der Stelle. Eine Tendenz die es übrigens auch in anderen NaWis gibt und Vorsicht, dies ist was anderes als die Behauptung wir wüssten schon alles.

    Wissenschaftler und Religion vs. Allgemeinheit (nur 1 Studie, gibt vielleicht eine Tendenz):
    https://www.pewforum.org/2009/11/05/scientists-and-belief/

    Die befragten Physiker bei Sixty Symbols sind bis auf einen Agnostiker alles Atheisten. Ist natürlich nicht repäsentativ.

    Schulzeit: Meine auch, das war war schon fast das andere Extrem zu hwieds Erfahrungen.

  267. Stephan Schleim,
    Das Beispiel mit den Russen. sollte die öffentliche Meinung jener Zeit darstellen.
    Der R. war das, was der Virus heute ist.
    Niemand wird heute die Frage stellen, warum wir das Virus ausrotten sollen.
    Dass Viren schädlich sind ist ein Allgemeinplatz.
    Dass Naturwissenschaftler das Richtige tun ist ein Allgemeinplatz.

    Wer das hinterfragt, der wird attackiert.

  268. “Die befragten Physiker bei Sixty Symbols sind bis auf einen Agnostiker alles Atheisten. Ist natürlich nicht repäsentativ.”

    Das findet Dawkins ja auch immer bemerkenswert, die Frage ist aber doch was das besagt.

    Das Atheisten sich besonders zu Naturwissenschaftlichen Studien hingezogen fühlen?
    Das Physik studieren Atheistisch macht?
    Das kluge Menschen atheistisch sind? (das hieße zu unterstellen das Physiker irgendwie klüger sind, was aber das Problem aufwirft was “klug” sein soll)
    Das Bildung atheistisch macht (hier ist die Unterstellung das Physik=Bildung ist)
    man könnte übrigens auch zu dem Ergebnis kommen das das gar nichts besagt.

  269. @Johannes

    Wie du selbst das machst, kann ich da auch nur Vermutungen anstellen. Klar hat da jeder Anekdoten und die persönlichen Bekannten, welche man heranziehen kann sind n=irgendwo zweistellig. Also auch nichts was man “repräsentativ” nennen kann.
    Von den nicht repräsentativen Atheisten waren alle bereits Atheisten BEVOR sie Natur- oder Geisteswissenschaftler wurden. Ebenso bei den religiösen. Also es war keiner dabei, den Studien hierbei beeinflusst hätten.
    Das prozentuale Verteilung dieser quasi Nano-Studie zeigt auch keinen Zusammenhang zwischen später gewähltem Studienfach und religiös oder nicht religiös.

  270. @Wolfgang Stegemann 21.02. 11:31

    „Aus der Neuropsychologie wissen wir, dass der Mensch die Welt im Kopf konstruiert, er macht sich also ein Bild von der Welt.“

    Die vielen Einzelheiten dafür liefern natürlich zunächst mal die eigenen Welterfahrungen. Die Wissenschaften insgesamt liefern zusätzlich vielerlei Erkenntnisse, die aber auf vielfältige Beschreibungsebenen bezogen sind. Das im eigenen Kopf zusammenzusetzen muss jeder selber leisten, und Mensch kommt dabei zu verschiedenen Ergebnissen. Eben weil jeder seine eigenen Erfahrungen hat, und jedem auch nur eine kleine Auswahl der wissenschaftlichen Erkenntnisse überhaupt bekannt sind.

    Das Bewusstsein als evolutionär optimiertes emergentes System ist sicherlich auf keinen Fall auf seine Einzelteile reduzierbar, es hat eine Funktionalität eingebaut, die nur im Ganzen funktioniert, und die sich gegenüber vielfältigsten Störungen behaupten kann.

    Manch einer sieht hier aber auch Geisteswelten mit am Werk, das muss nicht Realität sein, aber dass Menschen es so sehen können, das ist Realität. Eine Extrapolierung der Erfolge der wissenschaftlichen Methode auf alles, was im Kosmos existiert, ist ohne weiteres denkbar, aber eben nicht für jeden Menschen. Manch einer mag das einfach nicht, manch einer hat eigene spirituelle Erfahrungen, und kann dies schlecht integrieren, wenn er Spiritualität erfährt und gleichzeitig ausschließt.

    In diesen Sinne haben wir ein Spektrum von Weltbildern, und nicht nur ein Weltbild. Weltbilder müssen immer konstruiert werden, nur so können sie überhaupt im Kopf entstehen. Man kann dies Diskutieren, und um diese Ringen, aber auf ein einziges Weltbild werden wir nicht kommen. Im privaten Bereich hat man sowieso mit verschiedenen Menschen zu tun, die alle ihre eigenen Varianten von der Welt im Kopf haben, und wenn man dies berücksichtigt, kommt man gleich viel besser miteinander aus. Man kennt sich ja, und kann entsprechend miteinander umgehen.

  271. @ Timm Grams 21.02.2021, 11:34 Uhr

    Vorweg, ich schätze Ihre Arbeit aus der Ferne persönlich sehr, allein schon deswegen weil Sie ehemals grundlegend an der Entwicklung eines Simulationsprogramms für elektrische Schaltungen beteiligt waren. Mir persönlich gefällt aus aus Hobbygründen derartige Software sehr.

    Einen Zusammenhang mit der Philosophie sehe ich insofern, als es für die Philosophie ehemals so etwas wie z.B. die KI überhaupt nicht geben konnte, Intelligenz war dem Menschen vorbehalten.

    Ich kann mich nicht mehr so genau an die Argumente erinnern, außer an das Argument mit der „möglichen Labilität des Multivibrators im Einschaltmoment“, wie Sie es bezeichnen. Das war eine Art von „Totschlagargument“, weil nicht einmal zum Einschaltzeitpunkt ein stabiles Kippen möglich war. Woraus man Folgern könnte, dass Kippschaltungen, allein aus diesem Beispiel, nicht „seriös“ also absolut ungeeignet wären jemals KI zu generieren. Die o.a. These der Philosophen würde bestätigt. Diese Schlussfolgerung scheint völlig korrekt.

    Obwohl noch die Softwareprobleme wie Sie es sehen dazukommen, letztlich der Standpunkt der Philosophie weiter bestätigt wird, werden die technischen Systeme immer besser und erfolgreicher.

    Das ist ein vermutlich, ein gar nicht lösbarer Widerspruch mit dem man einfach leben muss.

    Meine Frage wäre, ob man ohne konsequente Nutzung stochastischer und heuristischer Methoden, die Philosophen eher nicht schätzen, auskommen wird?

    Sie können die technische Problemlage im Beispiel besser einschätzen und die philosophischen Implikationen verstehen. Welche Anregungen würden sie der Philosophie geben?

    Die Philosophen könnten Antworten, es gibt nicht ein bisschen (z.B. 30%) schwanger.

  272. @Stephan / 21.02.2021, 11:09 Uhr

    »Ist dir eigentlich die harsche Kritik P. M. Hackers an Quine geläufig?«

    Wie ich zugeben muss, war mir nicht geläufig. Eine Suche im Web hat mir inzwischen dies beschert, und ich vermute, das war gemeint. Diesen Text kannte ich noch nicht, also besten Dank für den Hinweis.

    Um nicht missverstanden zu werden, ich will Quines Naturalismus hier nicht vorbehaltlos verteidigen, und Kritik daran halte ich für absolut berechtigt. Ich halte es aber auch für durchaus relevant, dass man es nicht mit einem homogenen System naturalistischer Positionen zu tun hat, sondern dass sozusagen die Front im naturalistischen Glaubenskrieg bereits mitten durch das naturalistische Lager verläuft.

  273. @Stephan Schleim (Zitat):

    Daraus lassen sich übrigens schöne Schlussfolgerungen bilden: Naturalisten sind Atheisten. Einstein war kein Atheist. Einstein war aber (so Holzherr) eindeutig Naturalist. Also war Einstein Atheist und kein Athest. Wunderbar!

    Naturalismus bedeutet per definitionen, dass es ausser natürlichen Dingen und Vorgängen nichts anderes gibt.
    Dieser Glaube ist tatsächlich kaum mit dem Bild eines persönlichen Gottes in Übereinstimmung zu bringen. Folge: Einige Naturwissenschaftler und Naturalisten glauben an Buddhismus ☸️ , andere an einen unpersönlichen Gott oder daran, das Universum verkörpere das Göttliche, andere sind Atheisten. Dem Buddhismus wird allerdings auch immer wieder vorgeworfen Atheismus zu sein.

  274. @Elektroniker 21.02.2021, 14:00 Uhr
    Sie schreiben:

    Einen Zusammenhang mit der Philosophie sehe ich insofern, als es für die Philosophie ehemals so etwas wie z.B. die KI überhaupt nicht geben konnte, Intelligenz war dem Menschen vorbehalten.

    Ihre Fragen haben mein Interesse an der Frage, wie weit die KI reicht, wieder geweckt.

    Ob man ohne konsequente Nutzung stochastischer und heuristischer Methoden, die Philosophen eher nicht schätzen, auskommen wird?

    Das denke ich nicht. Heuristiken sind das halbe Leben. Die Fülle an Beispielen ist überwältigend.
    Ich bin gerade dabei, “Der Ego Tunnel” von Thomas Metzinger zu lesen. Falls etwas zum Thema dabei rüberkommt, melde ich mich noch einmal.

  275. @Chrys (Zitat):

    Bunge löst Feynmans Problem mit dem physikal. Enegiebegriff nicht, er verschiebt es nur in die Metaphysik. Die “energy”-Ecke in Bunges ontological square hat mit dem Begriff Energie aus der Physik dann aber auch nicht mehr gemeinsam als nur das Wort “energy”.

    Nein, Bunge will folgendes transportieren: Was wir an den beobachteten Dingen als Veränderung wahrnehmen ist das, was Physiker Energie nennen. Mir scheint es eindeutig, dass sie uns eine Anleitung geben wollen wie wir etwas als reales Ding erkennen: Ein reales Ding ist veränderbar und das geht darauf zurück, dass es physikalische Energie besitzt/trägt. Nur schon darum sind Zahlen keine realen Dinge, denn sie sind unveränderbar und tragen keine Energie. Zudem erweitert er den klassischen Materialismus, der noch rein materielle Dinge, Stoffe, im Zentrum sah, so, dass nun auch alles sonst, was energiebehaftet ist wie Felder, Strahlung, etc. dazugehört (die Raumzeit fällt allerdings unter den Tisch).

    Klar können Bunge&Mahner den Physik-Begriff Energie nicht neu definieren. Das können nur Physiker. Im Prinzip fordern sie von Bunge&Mahner etwas für Philosophen unmögliches, nämlich eine Definition, was physikalische Energie ist. Warum fordern sie das? Weil sie nur ein Scheitern von Bunge&Mahners Ideen akzeptieren.

  276. @Elektroniker (Zitat):

    Allerdings existieren gedachte Dinge wie die Zahl 42, die Relativitätstheorie oder die 7. Beethovens auf jedem Fall auch in anderen Gehirnen, bzw. wären sie im Bewusstsein „abrufbar“. Neuerdings existieren sie auch als „Abbildung“ in technischen Systemen. Sie existieren weiter, selbst wenn ein Träger oder alle Träger untauglich werden, Abbildungen auf irgend eine Art zu aktivieren.

    Ja, das Fiktive kann geteilt werden. Mit der Sprache zwar nicht eindeutig, mit Mathematik und anderen formalen Systemen aber schon. Ich würde aber nicht sagen, dass Mathematik in technischen Systemen schon existiert. Vielmehr sind technische Systeme mit mathematischen Mitteln konzipiert worden und es gibt Entsprechungen zur Mathematik. Bis jetzt aber kann ein technisches System nicht selber Mathematik treiben. Es kennt nicht einmal die Gefahr einer Division durch 0. Die muss vielmehr der Ingenieur erkennen.

  277. Stephan Schleim:

    Das interessante Zitat sagt uns etwas darüber, wie Bunge & Mahner (N = 2) das sehen…

    …als empirischer Wissenschaftler weiß man aber, dass man aus dieser geringen Zahl von Beobachtungen nicht verallgemeinern kann. Man müsste einmal eine repräsentative Anzahl von Naturwissenschaftlern zu ihren religiösen Annahmen befragen. Hat das schon einmal jemand gemacht?

    Bunge&Mahner sprechen nicht vom Ist, sondern vom Soll, sagen sie doch (Zitat):

    Wer auf Konsistenz Wert legt, kann nicht von Montag bis Samstag dem einen anhängen und am Sonntag dem anderen.

    Bunge und Mahners Gebot: Du sollst nicht vom Montag bis Samstag Naturwissenschaft betreiben um am Sonntag gegen alles zu verstossen, was du dort gelernt hast!

  278. Martin Holzherr 21.02.2021, 18:41 Uhr:

    Bis jetzt aber kann ein technisches System nicht selber Mathematik treiben. Es kennt nicht einmal die Gefahr einer Division durch 0. Die muss vielmehr der Ingenieur erkennen.

    Gemach, gemach. Bereits Konrad Zuses Computer Z3 hat im Jahre 1941 korrekt durch null dividiert – ganz im Sinne der modernen Analysis. Dass Programmiersprachen wie C heute damit nicht zurechtkommen, zeigt, wie sorglos sie entworfen worden sind. Mit Java wurde der Mangel inzwischen teilweise behoben.

  279. Naturalismus und Religion können durchaus zusammengehen. Allerdings muss es eine Religion sein, die übernatürliches ablehnt beziehungsweise für nicht relevant hält. Tendenziell ist das zudem eine Religion ohne Gott.
    Der Wikipedia-Eintrag Religious naturalism hält dazu einige interessante Anmerkungen:

    . “Religiöser Naturalismus ist eine Perspektive, die religiöse Bedeutung in der natürlichen Welt findet und die Vorstellung eines übernatürlichen Bereichs ablehnt.”[1] Der Begriff religiös wird in diesem Zusammenhang in allgemeiner Form verstanden, getrennt von den Traditionen, Bräuchen oder Glaubensvorstellungen einer der etablierten Religionen.

    Alle Formen des religiösen Naturalismus, die in ihren Grundüberzeugungen naturalistisch sind, behaupten, dass die natürliche Welt das Zentrum unserer bedeutendsten Erfahrungen und Verständnisse ist. Folglich wird die Natur als der ultimative Wert bei der Beurteilung des eigenen Seins betrachtet. Trotz unterschiedlicher kultureller und individueller Wege bekräftigen religiöse Naturalisten das menschliche Bedürfnis nach Sinn und Wert in ihrem Leben. Bei dieser Suche stützen sie sich auf zwei grundlegende Überzeugungen: den Sinn für den Reichtum, die spektakuläre Komplexität und die Fruchtbarkeit der Natur und die Erkenntnis, dass die Natur der einzige Bereich ist, in dem der Mensch sein Leben auslebt.[5] Der Mensch wird als mit verschiedenen Teilen der Natur verbunden betrachtet.

    Religiöse Naturalisten verwenden den Begriff “religiös”, um sich auf eine Haltung der Wertschätzung und des Interesses an Anliegen zu beziehen, die seit langem Teil der Religionen sind.[8][9] Dazu gehören:

    Ein spiritueller Sinn, der ein Gefühl des Mysteriums oder des Wunders oder Gefühle der Ehrfurcht oder des Staunens als Reaktion auf den Umfang und die Macht und Schönheit der natürlichen Welt beinhalten kann.
    Ein moralischer Sinn mit Mitgefühl, dem Wunsch nach Gerechtigkeit und dem Bestreben, das Richtige zu tun – in Bezug auf andere Menschen, andere Lebewesen und die natürliche Umwelt)[10]
    Als die Quelle von allem, was ist, und der Grund, warum alle Dinge so sind, wie sie sind, kann die natürliche Welt von größter Bedeutung sein.[11]

    Wie in anderen religiösen Orientierungen gibt es auch im religiösen Naturalismus eine zentrale Geschichte, einen modernen Schöpfungsmythos, um die Menschheit und ihren Platz in der Welt zu beschreiben. Diese Geschichte beginnt mit dem Urknall und der Entstehung von Galaxien, Sternen, Planeten, Leben und der Evolution, die zur Entstehung des Menschen führte.[12] Ausgehend von dieser Einsicht in das Wesen und den Ursprung des Menschen suchen religiöse Naturalisten in der natürlichen Welt als Quelle menschlicher Intelligenz und Neigungen nach Informationen und Einsichten, die helfen können, unbeantwortete philosophische Fragen zu verstehen und zu beantworten, wie zum Beispiel:

    Warum wollen wir, was wir wollen?
    Warum tun wir die Dinge, die wir tun?
    Worauf könnten wir uns ausrichten?
    Darüber hinaus versuchen religiöse Naturalisten, Wege zu finden, um Probleme (sowohl intern als auch extern) zu minimieren, damit wir uns selbst verbessern und mit anderen und der Welt, deren Teil wir sind, in Beziehung treten können.[13]

    Als er die Unterscheidung zwischen religiösen Naturalisten und säkularen Naturalisten diskutierte, sagte Loyal Rue: “Ich betrachte eine religiöse oder spirituelle Person als jemanden, der sich ultimative Belange zu Herzen nimmt.”[14] Er merkte an, dass, während “einfache, alte” Naturalisten sich mit Moral befassen und emotionale Reaktionen auf die Mysterien und Wunder der Welt haben können, diejenigen, die sich als religiöse Naturalisten bezeichnen, sich diese mehr “zu Herzen nehmen” und ein aktives Interesse an diesem Bereich zeigen.

  280. Seit etlichen Blogs reden wir über Naturalismus und Bewusstsein.
    Manchmal blitzt er durch:Objektivismus.
    Objektivismus und Naturalismus scheinen eine Symbiose einzugehen.
    Worüber wir dualistisch debattieren ist lediglich,woher das Objekt kommt.
    Aber ich dachte,es gibt darüber Einigkeit,dass das nicht für uns klärbar ist.
    Suggestion ist Teil des Subjekt.
    Worauf wollen wir hinaus?
    Schopenhauer verwies auf die Einheit von Subjekt und Objekt. Sein schlimmstes Schimpfwort:Mensch.
    Wenn wir etwas objektiv nennen,ist es materialistisch. Insofern ist die Trennung zwischen Realität=Gegenstand=Materie und Wirklichkeit=Handlung=Energie die Verbindung zwischen Subjekt und Objekt.
    Wobei wir Materie=Energie verstehen.
    Ist Energie,wie auch immer wir sie defenieren oder auffassen,objektiv oder subjektiv? Subjektion=gedachtes Nichtnatürliches?

  281. @Timm Grams (Zitat):

    Gemach, gemach. Bereits Konrad Zuses Computer Z3 hat im Jahre 1941 korrekt durch null dividiert – ganz im Sinne der modernen Analysis. Dass Programmiersprachen wie C heute damit nicht zurechtkommen, zeigt, wie sorglos sie entworfen worden sind. Mit Java wurde der Mangel inzwischen teilweise behoben.

    Ja, wobei die Verfechter von „C“ hier wohl sagen, dass die gewählten, festeingebauten Lösungen in Java etc. für das Problem der Division durch Null Voreinstellungen sind, die der Programmierer eventuell gar nicht will. Für einen Verfechter von „C“ muss der Programmierer die letzte Kontrolle haben. Das heisst er muss immer selbst entscheiden können, was in einem solchen Fall passiert. Für einen C++- Programmierer wäre wohl das Ideale, dass in so einem Fall eine benutzerdefinierte Funktion gerufen wird oder dass das System so ausgelegt ist, dass er es per Exception-Handling adäquat lösen kann.

    Mir ging es aber bei meiner Antwort auf Elektroniker mehr darum, dass technische Systeme, egal wie die Division durch Null gehandhabt wird, darüber ja nichts wissen. Man kann nicht sagen, Mathematik habe sich nun verselbständigt und unabhängig vom Menschen gemacht.

  282. @Timm Grams bezüglich Division durch 0 in C++.
    Dazu fand ich folgendes:

    C++
    Ganzzahlige Division durch Null

    Beispiel
    #

    int x = 5 / 0; // Undefiniertes Verhalten
    Die Division durch 0 ist mathematisch undefiniert, und als solche macht es Sinn, dass dies ein undefiniertes Verhalten ist.

    Allerdings:

    float x = 5.0f / 0.0f; // x ist +unendlich
    Die meisten Implementierungen implementieren IEEE-754, die definiert, dass die Fließkommadivision durch Null NaN (wenn der Zähler 0,0f ist), unendlich (wenn der Zähler positiv ist) oder -unendlich (wenn der Zähler negativ ist) zurückgibt

    Einschätzung: NaN als Lösung von 5.0/0.0
    Ist für mich such nicht gerade die ideale Lösung.

  283. Holzherr,
    ein Debugger erkennt die Division durch 0 sofort.

    Mussi,
    Der Begriff ” Energie” ist eine Großtat der Physik.
    Energie ist eine Abstraktion, eine black Box, die es erlaubt verschiedene Energieformen, z.B. Wärme in Elektrizität umzuwandeln.
    Ob jetzt Energie ontologisch zu denken ist oder nicht spielt keine Rolle, wenn wir den Begriff als Arbeitsbegriff ansehen.
    Die Behauptung Energie = Materie stimmt physikalisch, philosophisch stimmt die Beziehung nicht.
    Meine Meinung: Energie ist auch ein mathematischer Begriff, weil Energie ohne nähere Angabe nur quantitativ gemeint ist.

  284. Korrektur zu meinem Kommentar vom 21.02.2021, 19:30 Uhr: Gemäss IEEE-754 gilt:
    0.0/0.0 ergibt NaN,
    5.0/0.0 ergibt +Inf (plus unendlich) und -5.0/0.0 ergibt -Inf

    Das scheint mir dann doch nicht so schlimm, wie ich ursprünglich angenommen habe.

  285. @ Wolfgang Stegemann 21.02.2021, 11:31 Uhr

    Zitat: „Leib-Seele: es gibt keinen Leib-Seele Dualismus. Alles Mentale ist eine Funktion des Organismus, in Besonderheit des Zentralnervensystems, in Besonderheit des menschlichen Gehirns.“

    Weitgehend stimme ich eigentlich mit Ihrer Sichtweise überein, außer dass ich den Standpunkt der Informatiker im Bezug auf einen „erweiterten Dualismus“ Prozessor – Prozess – Information vorziehe, den ich für höchst zweckmäßig halte. Er nimmt auf offensichtlich grundlegend unterschiedliche Kategorien Rücksicht, was in der Informatik extrem wichtig ist. Man darf z.B. nicht Objekte unterschiedlicher Kategorie gleichsetzen, weil derartiges zu Widersprüchen führen kann.

    Im Computer, als auch im Gehirn gehören die „Objekte“ der Verarbeitung der Kategorie „Information“ an, die letztlich eine „Abbildung“ der internen und externen „Realität“ sind. Prozesse sind auch so etwas wie die „Brücke zur Realität“, die auf so etwas wie Zeit abhängige Veränderungen von Zuständen beruhen.

    Interpretierende Mechanismen, z.B. Sensoren, Tastatur…. nehmen die Information auf und übergeben sie an das Computer System. Am Bildschirm, Drucker … wird die (verarbeitete Information) ausgegeben, weiters z.B. vom interpretierenden System des Menschen (Sensorik) aufgenommen und diese „neuen (aufbereiteten) Abbildungen“ vom neuronalen System, natürlich auch auf Basis von Prozessen verarbeitet….. Eine Art von „Kreislauf“ über die Kategorien Grenzen, die immer korrekt berücksichtigt werden müssen, hinweg.

    Es gibt eigentlich keinen vernünftigen Grund die Konzepte der Informatik nicht zu benutzen.

  286. @Neher: Tiefe

    Klar, vom Stereoanlagenempfänger, wenn man dafür seine Überzeugung verkauft, hin zum Naturalisten… ich sehe die Logik.

    Und klar, wenn man alles ausblendet, was die Naturwissenschaften gar nicht oder nicht vollständig erklären können, dann bleiben eben nur naturwissenschaftlich erklärte Dinge übrig.

    So immunisiert man sein Weltbild. Und hat auch noch guten Sound!

  287. @all: Wissenschaft und Religion

    An alle Möchtegern-Wissenschaftler: Es hat mich ganze fünf Sekunden gekostet, die bisher größte Studie (N = 9,422) zu religiösen Überzeugungen von Biologen und Physikern herauszusuchen. Ergebnis: Diese Wissenschaftler sind etwas säkularer als die Allgemeinbevölkerung – und in vier Regionen sahen sich immer noch über die Hälfte der Naturwissenschaftler als religiös.

    Macht doch ihr, die immer so schlau und wissenschaftlich tun, einfach mal eure Hausaufgaben!

  288. @Chrys: Quine

    Es gibt dieses Büchlein zur Neurophilosophie, in dem Bennett & Hacker auf die Kritik an ihrem Philosophical Foundations of Neuroscience von Dennett & Searle antworten und sich dort auch indirekt an Quine abarbeiten.

    Ich kann es empfehlen. Ist aber schon einige Jahre her. Und zurzeit sowieso im Büro eingeschlossen.

  289. @Holzherr: Wissenschaftler & Religion

    Bunges und Mahners Standpunkt ist empirisch widerlegt, siehe hier.

    Wie gesagt, Naturwissenschaft und Religion können sich prinzipiell gar nicht widersprechen, wo sich ihre Gegenstandsbereiche nicht überschneiden. Und auch Naturalisten dürfen glauben, was sie wollen.

    Können wir uns endlich einmal wieder mit relevanten Fragen beschäftigen?

  290. @Schleim
    Überzeugung? Wissen sie wie alt man bei einer Konfirmation ist?
    Was sie da auch immer zu sehen glauben, Logik ist es nicht.

    Daher sind ja alle Nicht-Naturwissenschaften herzlich eingeladen, alles zu erklären, was Naturwissenschaften gar nicht oder nicht vollständig erklären können.
    Das wird spannend.
    Wir wollen doch alle zusammenarbeiten und nicht etwa Lager bilden, ja?
    Sonst bleibt am Ende nur übrig, dass manche Menschen keine Naturwissenschaften mögen.

    Was ist Naturalismus bleibt dann aber unbeantwortet.

  291. @Stephan Schleim(Zitat):

    Bunges und Mahners Standpunkt ist empirisch widerlegt

    Nein, die Studie bestätigt sogar Bunge und Mahner. In der von ihnen zitierten Studie Religion among Scientists in International Context: A New Study of Scientists in Eight Regions wird ja gesagt, dass Wissenschaftler nur wenig häufiger Atheisten sind als Normalsterbliche.
    Das heisst doch: Bunge und Mahner hatten Recht mit ihrem Auruf an Naturalisten und Naturwissenschaftler, endlich damit auzuhören die Woche über die wissenschaftliche Methode anzuwenden und am Sonntag dann zur Kirche zu gehen.
    Bunge und Mahner wussten offensichtlich sehr gut, dass viele Wissenschaftler religiös sind. Sie selber aber sind zum Schluss gekommen, dass das zugehörige mythisch-magisch-animistisch-teleologische Weltbild nicht zur wissenschaftlichen Methode und zur materialistischen Ontologie von Bunge und Mahner passten.

    Zudem: Religiosität geht auch ohne in die Natur eingreifenden Gott. Das zeigt beispielsweise der Religiöse Naturalismus

  292. Erwin Neher,
    Jeder , der ein Handy benutzt weiß um den Nutzen der Technik.
    Jeder, der ein Handy benutzt, denkt logisch.
    Sogar 6-jährige können das, ohne verstehen zu müssen, wie die Handy im Innern funktioniert.
    Ist das logisch ?
    Was soll also die Anspielung an die Kommunion.
    Die 9-jährigen empfangen die Kommunion, ohne noch ihren tieferen Sinn zu verstehen.
    Ist das logisch ?
    Ja, das ist logisch, weil wir geistige Wesen sind, die noch in die Welt hineinwachsen.

  293. @Elektroniker: Ein Dualismus in der Beschreibung ist ja noch akzeptabel, sollte aber in einer einheitlichen Sprache aufgelöst werden. Einen realen Dualismus von Mentalem und Körperlichem anzunehmen, ist Unsinn. Das würde bedeuten, dass das Mentale nicht aus dem Biologischen hervorgeht und dann ist man wieder beim kosmischen Bewusstsein. Was ich in dieser Runde leider nicht verstehen kann, ist, dass Beides ständig durcheinandergeworfen wird. Beschreibung durch die Einzelwissenschaften (Psychologie, Neurowissenschaft) wird verwechselt mit den realen Zuständen. Wer will denn leugnen, dass mein Hirn biologisch ist. Und genau diese einheitliche Beschreibung kann die Informatik eben nicht liefern.
    Im Übrigen gibt es hier vor allem Oberlehrer, Besserwisser und Streithähne, einer ernsthaften Diskussion ist das nicht zuträglich.

  294. @Holzherr: Wissenschaft & Religion

    Mit etwas mehr intellektueller Redlichkeit würden Sie Ihre Fantasien endlich mal sein lassen und offen zugeben, dass man auch ohne inneren Widerspruch (Natur-) Wissenschaftler und gleichzeitig ein religiöser Mensch sein kann.

    Man könnte sogar Hardcore-Theologe sein – und dann in Laborexperimenten eben “göttliches Handeln” untersuchen; oder suchen Sie mal, wer die Jesuiten sind.

    Ich muss Ihre Kommentare in jüngerer Zeit immer öfter überspringen. Den Unsinn kann ich mir nicht mehr so oft antun. Aber gut… es gibt hier bis auf Weiteres keine Moderation.

  295. @hwied: Verantwortlichkeit

    Verträge, die man in diesem Alter schließt, sind nach bürgerlichem Recht nichtig; das verrät schon etwas über das Menschenbild der Kirchen.

  296. @ Wolfgang Stegemann 22.02.2021, 09:07 Uhr

    Zitat: „Das würde bedeuten, dass das Mentale nicht aus dem Biologischen hervorgeht und dann ist man wieder beim kosmischen Bewusstsein. Was ich in dieser Runde leider nicht verstehen kann, ist, dass Beides ständig durcheinandergeworfen wird. Beschreibung durch die Einzelwissenschaften (Psychologie, Neurowissenschaft) wird verwechselt mit den realen Zuständen.“

    Die Sprache ist auch Abbildung der Realität. Die Informatiker gehen davon aus, dass es zweckmäßig ist Geistiges von der Hardware zu trennen, auch weil beides verschiedenen Kategorien angehört.

    Ihre Schlussfolgerung dass deswegen das Mentale nicht aus dem Biologischen hervorgehen kann, scheint nicht wirklich schlüssig. In der Informatik „funktioniert“ es völlig klaglos.

    Abgesehen davon, ist das Argument mit dem „kosmischen Bewusstsein“ nicht zweckmäßig, da man nicht wirklich weiß was „Bewusstsein“ wirklich ist. Der Begriff „Bewusstsein“ scheint mir zwar naheliegend, aber wegen einer möglichen „anderen Funktionsweise“ als man vermutet, eher „unglücklich“ gewählt.

    Vermutlich besteht „Bewusstsein“ aus mindestens 2 „Komponenten“. Einer sensorischen Komponente die einerseits durch (elektrische?) Ladungsträger „aktiviert“ werden muss. Das kann selbst ein Stein sein wenn er auf der Oberfläche von einer Lichtquelle „angestrahlt“ wird, oder von einem neuronalen Netz aktiviert werden könnte. Andererseits der 2. Komponente, es muss ein neuronales Netz vorhanden sein um die Ladungsträgerveränderungen z.B. deren “Resonanzfrequenzen“ auszuwerten. Das hat ein Stein offensichtlich nicht, aber sehr wohl z.B. die blau sensiblen Zapfen im Auge.

    Kaum einer würde leugnen, dass das Hirn biologisch ist. Aber was die Ladungsträgerverschiebungen betrifft, gibt es auf funktionaler Ebene und hinsichtlich der Verknüpfungsstrukturen offenbar Gemeinsamkeiten mit den Systemen der Elektronik/Informatik.

    Wie sonst, als durch das Aufzeigen von halbwegs realen Denkmöglichkeiten soll man diskutieren?
    Dass man zwischen „Denkebenen“ wechselt, scheint doch nicht falsch. Allenfalls mache ich das nicht deutlich genug, für die Erschwernisse beim Leser entschuldige ich mich.

  297. Stefan Schleim,
    nach älterer Auffassung soll die Erstkommunion mit dem Beginn des Vernunftalters stattfinden.
    Mit Vernunftalter ist die Einsicht gemeint, richtig von falsch unterscheiden zu können. Im deutschen Recht entspricht das dem Begriff der Deliktfähigkeit. Kinder unter 7 Jahren sind deliktunfähig und für Schäden, die sie vorsätzlich oder fahrlässig verursacht haben nicht haftbar zu machen.
    Nach moderner Auffassung, so hat Papst Franziskus 2016 entschieden, muss selbst geisteskranken Kindern die Erstkommunion erlaubt werden.
    Daraus kann man entnehmen, dass der Sinn der Erstkommunion darin liegt das Sakrament zu empfangen, unabhängig vom Alter der Person.
    Mit der Taufe ist das genauso. Die Erwachsenentaufe hat sich nicht durchgesetzt.
    Anmerkung: Es gehört zum Selbstverständnis einer Konfession, dass sie ihre Handlungsweise für richtig hält.
    Sie halten ihre Auffassung dazu doch auch für richtig.

  298. @Elektronoker: Nein, die Sprache ist keine Abbildung der Realität. Das ist mechanistisches Denken. Sprache ist symbolhafte Bedeutung, mit der wir Bilder der Realität beschreiben. Das ist ein riesiger Unterschied. Wir können Objekte, wie das menschliche Hirn aus verschiedenen Perspektiven beschreiben und mit verschiedenen Kategorien. Am Objekt ändert das nichts. Es bleibt immer gleich. Es liegt an uns, wie wir Sprache verwenden. Die Psychologie hat für denselben Gegenstand andere sprachliche Begriffe als die Physiologie. Beide nehmen das Gehirn aus unterschiedlicher Perspektive wahr. Daraus hat man geschlossen, dass es auch unterschiedliche Objekte seien. Was für ein naiver Unsinn. Wie gesagt, es braucht einen gemeinsamen Zugang zum Gegenstand, wenn man ihn einheitlich beschreiben will und den deskriptiven Dualismus endlich überwinden will. Dazu ist die Informatik aber nicht geeignet.

  299. Zitat Stephan Schleim:

    Mit etwas mehr intellektueller Redlichkeit würden Sie Ihre Fantasien endlich mal sein lassen und offen zugeben, dass man auch ohne inneren Widerspruch (Natur-) Wissenschaftler und gleichzeitig ein religiöser Mensch sein kann.

    Genau das sag ich doch: Religiös kann man sein insoweit man das Gute anstrebt und all die positiven Ideale der meisten Religionen zu leben versucht. Doch nicht jede Form der Religion verträgt sich mit dem Naturalismus und erst recht nicht mit dem ontologischen Materialismus. Denn der Naturalismus schliesst ein Eingreifen von etwas Übernatürlichem aus und der ontologische Materialismus, der sich hinter die wissenschaftliche Methode stellt verlangt nach empirischem Rückhalt, nach Theorien, die in Beobachtungen begründet sind sobald sie sich – anders als die Mathematik – auf die reale Welt beziehen.

    In diesem Beitrag und ihren Kommentaren wird aber ganz unspezifisch das Übernatürliche, die Wunder und die Religion verteidigt. Nicht zufällig gibt es im Beitrag ein Kapitel mit der Überschrift Westen gegen Osten In dem sie den Aufstieg Asiens trotz früherer Geringschätzung durch den Westen aufs Tapet bringen und ein Kapitel Aufstrebendes Asien in dem sie offensichtlich Religion als Form des Antinaturalismus als ein Mittel gegen den drohenden demographischen Niedergang sehen (Zitat):

    Allein aufgrund der schlechten demographischen Entwicklung ist es unwahrscheinlich, dass das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert Europas oder Nordamerikas werden wird. Es gibt schlicht zu wenig Nachwuchs.

    Obwohl das nicht direkt im Beitrag gesagt wird, macht dieser Einschub in einem Beitrag über Naturalismus, in dem sie mehrmals deutlich machen, dass für sie Naturalismus=Atheismus bedeute, nur Sinn, wenn sie implizit annehmen, Religion führe zu mehr Kinder. Dazu passt dann auch diese positive Bewertung von Volksreligiosität (Zitat):

    Auch viele andere asiatische Länder haben eine junge Bevölkerung, die bereit dazu ist, für mehr Wohlstand hart zu arbeiten. Viel spricht dafür, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert Asiens wird.

    Dass in vielen dieser Länder neben Buddhismus, Hinduismus und Islam ein traditioneller Ahnen- oder Naturgeisterglaube weitverbreitet ist, selbst im technologisch so hoch entwickelten Japan, wird dem nicht entgegenstehen. Im Gegenteil stützt dies vielleicht sogar die gesellschaftliche Identität, während wir im individualisierten wie säkularisierten Westen – jedenfalls in den Städten – nicht einmal mehr unsere Nachbarn gut kennen.

    Das ist der perfekte Gegensatz zu Bunge und Mahners Einschätzung der praktizierten Religion als mythisch-magisch-animistisch-teleologisch weswegen sie inkompatibel mit einem wissenschaftlich fundierten Weltbild sei. Sie argumentieren allerdings nicht mit intellektueller Kompatibilität/Inkompatibilität von Naturalismus/Materialismus und Religion wie Bunge und Mahner, sondern mit der Nützlichkeit von Religion im Wettstreit der Nationen. Sie implizieren hier, der Niedergang des Westen sei Dingen wie Naturalismus und Atheismus anzulasten und damit, dass Buddhismus, Hinduismus und Islam ein traditioneller Ahnen- oder Naturgeisterglaube den Fortschritt nicht hinderten und auch in hochtechnologischen Nationen wie Japan noch praktiziert würden.

    Demgegenüber steht der Versuch empirisch erkanntes und das der Wissenschaft zugrundeliegende Weltbild mit dem Alltagsleben in Einklang zu bringen. So wie das der Religiöse Naturalismus versucht (Zitat):

    Religiöse Naturalisten verwenden den Begriff “religiös”, um sich auf eine Haltung der Wertschätzung und des Interesses an Anliegen zu beziehen, die seit langem Teil der Religionen sind.[8][9] Dazu gehören:

    Ein spiritueller Sinn, der ein Gefühl des Mysteriums oder des Wunders oder Gefühle der Ehrfurcht oder des Staunens als Reaktion auf den Umfang und die Macht und Schönheit der natürlichen Welt beinhalten kann.
    Ein moralischer Sinn mit Mitgefühl, dem Wunsch nach Gerechtigkeit und dem Bestreben, das Richtige zu tun – in Bezug auf andere Menschen, andere Lebewesen und die natürliche Umwelt)[10]
    Als die Quelle von allem, was ist, und der Grund, warum alle Dinge so sind, wie sie sind, kann die natürliche Welt von größter Bedeutung sein.[/blockquote>

  300. @Schleim
    Ich hatte schon früher geschrieben, in fast jedem wissenschaftlichen Blog tauchen die Apologeten Gottes auf und versuchen, die DIskussion zu kapern. Das Ergebnis sind sinnlose und abwegige Streitigkeiten, wenn man sich darauf einlässt.

    Auch Sie selber scheinen einiges missverstanden zu haben, ich denke an die Falsifizierbarkeit Poppers und die “embodied coginition”. Die Psyche des Menschen wird keineswegs außerhalb des Gehirns angesiedelt, vielmehr wird der Einfluss der körperlichen Möglichkeiten und Grenzen auf das Bewusstsein thematisiert. Der Signalweg ist also gerade umgekehrt, d.h. von den Wahrnehmungen des Körpers zur Formung des Bewusstseins. Etwas Bescheidenheit des Agnostikers Ihrerseits könnte für die Diskussion durchaus hilfreich sein.

    Der folgend zitierte Satz von Ihnen ist zumindest missverständlich, wenn nicht falsch:

    Hier müsste man erst einmal anmerken, dass Harris mindestens zwanzig Jahre Fortschritt in den Kognitionswissenschaften verschlafen hat: Denn dort hat man sich in großen Teilen darauf geeinigt, Stichworte “embodyment” und “situatedness”, dass sich psychische Prozesse sehr wohl über das Gehirn auf den Körper und die Umgebung ausdehnen.

    Der Externalismus in der Philosophie des Geistes geht auf Tyler Burge zurück, Zitat Wiki:

    Der Externalismus ist in der Philosophie des Geistes die These, dass der Geist nicht alleine durch das Gehirn determiniert ist. Es sei also vorstellbar, dass zwei Personen im gleichen biologischen Zustand sind, aber etwa zwei verschiedene Gedanken haben. Externalisten erklären, dass der konkrete Gehalt eines Gedanken vielmehr auch von der natürlichen wie sozialen Umwelt abhänge.

    Die klassische Formulierung dieser Position findet sich in Burges 1979 erschienenem Aufsatz Individualism and the Mental.

    Vom Externalismus zum Embodiment ist es nicht mehr weit:

    Unterschiedliche Auffassungen von Kognition, die allesamt mit dem Begriff der Verkörperung zusammengebracht werden können, haben ein Übriges zur internen Differenzierung der EC [embodied cognition] getan; hier wären Ansätze der handlungsorientierten (enactive), situierten (embedded), erweiterten (extended) oder distribuierten (distributed) Kognition zu nennen. Zwischen diesen unterschiedlichen Perspektiven herrscht kein Konsens darüber, welches Gewicht der Verkörperung zugemessen werden soll.

    Zitat von Shaun Gallagher.

  301. @Reutlinger: Wenn Sie behaupten, ich würde mich missverständlich, wenn nicht gar falsch ausdrücken, dann schreiben Sie doch wenigstens mal, worin das Missverständnis, wenn nicht gar Fehler, bestehen soll. Das ist doch sonst nur begrifflicher Müll!

    Ihre Zitate stützen meinen Standpunkt sogar noch. Wahrscheinlich verstehen Sie (wieder einmal) nicht, worum es hier geht.

    Wenn ich begründe, warum Harris’ Aussage falsch ist, dann begründen Sie bitte, warum Harris’ Aussage doch stimmt und meine Gründe falsch sind. Vermutlich können Sie das gar nicht. Trotzdem spielen Sie sich hier so auf.

    Im Studium wurde ich übrigens vor langer Zeit mit den Aufsätzen über den Externalismus gequält; der von Burge war meiner Erinnerung nach der einzige Text im Hauptseminar Metzingers, den ich nach zwei Dritteln abgebrochen habe, wahrscheinlich gegen 2-3 Uhr morgens.

  302. @Schleim
    Sie meinen, wenn die Leser Sie nicht verstehen, dann sind sie selber schuld. Gilt das auch für Ihre Studenten? Vielleicht sind Sie deshalb zur Philosophie gewechselt. Ich muss nicht weiter diskutieren.

  303. Herr Stegemann,
    Sprache als Beschreibung…..
    Sicher ist sie das. Eine wissenschaftliche Beschreibung benützt auch die Sprache der Mathematik, die eindeutig ist. Der Psychologe hat eine andere Beschreibensweise als z.B. ein Politologe.
    Und sie schreiben zurecht, dass sich am Gegenstand der Beschreibung dabei nichts ändert.

    Umgekehrt gedacht ,ändert sich am Objekt des Denkens nichts wenn wir von einer religiösen Beschreibung ausgehen. Und die Sprache der Bibel benützt bildhafte Beschreibungen.
    Sie müssen also einräumen, dass es die Objekte der Bibel gibt.

  304. @Martin Holzherr 21.02. 19:06

    Ihr Hinweis auf den Religiösen Naturalismus gefällt mir. Ich komme fast zum selben praktischem Fazit, obwohl ich geistige Anteile in der Welt wie im menschlichem Sein vermute.

    „Folglich wird die Natur als der ultimative Wert bei der Beurteilung des eigenen Seins betrachtet. Trotz unterschiedlicher kultureller und individueller Wege bekräftigen religiöse Naturalisten das menschliche Bedürfnis nach Sinn und Wert in ihrem Leben.“

    Genau dieses Bedürfnis ist mir auch eine Basis. In einer grundlegend sinnvollen Welt, die auch unabhängig vom Menschen schon Sinn macht, ist dieser aber noch prominenter.

    „Der Mensch wird als mit verschiedenen Teilen der Natur verbunden betrachtet.“

    Genau diese Verbindung sehe ich nicht nur in der gemeinsamen Luft, die wir atmen, und in der Pflege der lokalen und globalen Ökosysteme. Die Geistesseite, die ich in unserem Sein sehe, verbindet zusätzlich von innen her.

    „Ein spiritueller Sinn, der ein Gefühl des Mysteriums oder des Wunders oder Gefühle der Ehrfurcht oder des Staunens als Reaktion auf den Umfang und die Macht und Schönheit der natürlichen Welt beinhalten kann.“

    Naturerfahrung in diesem Sinne zähle ich eigentlich zu den spirituellen Erfahrungen, die dann noch weiter führen. Diese Erfahrungen selbst sind hier aber wesentlich, nicht deren Interpretation. Von daher gefällt es mir, wenn auch Naturalisten die haben, und entsprechend eine Beziehung zur Natur daraus machen, auch wenn die nichtgeistig gesehen wird.

    „Ein moralischer Sinn mit Mitgefühl, dem Wunsch nach Gerechtigkeit und dem Bestreben, das Richtige zu tun – in Bezug auf andere Menschen, andere Lebewesen und die natürliche Umwelt“

    Sehe ich genauso, ich nehme mir auch nicht religiöse Traditionen zur Basis, und komme entsprechend zu ähnlichen Konsequenzen. Auch wenn ich hier eher geistig orientiert bin. Wie das aussieht, können wir auf dieser Basis gut zusammenarbeiten.

    „Als die Quelle von allem, was ist, und der Grund, warum alle Dinge so sind, wie sie sind, kann die natürliche Welt von größter Bedeutung sein.“

    Die natürliche Welt ist von großer Bedeutung, aber die inneren Welten sind nicht weniger relevant. Die Eigenerfahrung mit der inneren und äußeren Welt sind grundlegend, und die Wissenschaft fügt dem vieles hinzu. Aber auch in antiken Zeiten hatte man mit dem Leben zu tun. Von daher sind die Überlieferungen u.U. immer noch lesenswert, wenn auch besser nicht als primäre Autorität.

    Theorienstreit haben wir hier, aber die Gemeinsamkeiten in den Konsequenzen sind beachtlich, finde ich. Die gemeinsame Basis mit einem Schwerpunkt auf der Biologie sind hier offenbar die Grundlage der Gemeinsamkeiten. Die Liebe zum Leben wirkt dann wiederum weiter, und wird auch auf der psychologischen, soziologischen und ökologischen Beschreibungsebene wirksam.

  305. @Schleim

    Und klar, wenn man alles ausblendet, was die Naturwissenschaften gar nicht oder nicht vollständig erklären können, …

    Was können denn die Nicht-Naturwissenschaften erklären?

  306. Atheismus als Anti-Theismus ist selbst nicht produktiv, führt also nichts Neues ein, auf dem man Aufbauen könnte. Der Naturalismus als Glaube immer nur Naturkräfte seien am Werk, begründet keinen vehementen Atheismus, sondern lediglich die Aufgabe an den Glauben an ein übernatürliches Wesen, das in die Welt eingreift. Und schon gar nicht lässt sich aus dem Naturalismus folgern, dass jede Form von Religiosität falsch sei.

    Der bekannte, vehemente Atheist unter den Naturalisten, Daniel Dennett weiss das selbst sehr genau. Er begründet seinen Atheismus im Interview nicht mit dem Naturalismus allein, sondern mit seiner Aversion gegen die Religion wie er sie als Jugendlicher und Schüler erlebt hat (den damaligen Pfaffen, der ihn unterrichtete) und damit, dass Religiöse oft Leute seien, die vielen Argumenten nicht zugänglich seien.

    Religion hat viel mit gemeinsamen Überzeugungen und mit dem Eintreten für das gemeinsam als Gut erkannte, zu tun. So gesehen gibt es überhaupt kein Problem mit dem Naturalismus, denn der Naturalismus beschäftigt sich nicht mit dem Guten, sondern damit wie unsere Welt funktioniert.

    Man sollte also eine Diskussion über den Naturalismus nicht zu einer Diskussion über den Atheismus machen.

  307. @Martin Holzherr / 21.02.2021, 18:31 Uhr

    »Klar können Bunge&Mahner den Physik-Begriff Energie nicht neu definieren.«

    Bunges Energie-Definition hatte ich doch schon weiter oben im Wortlaut zitiert. Und das ist für ihn auch richtig so, weil er ja meint, dass Energie als Konzept gar nicht zur Physik, sondern zur Metaphysik (Ontologie) gehört.

    Aber bereits beginnend mit Leibniz (1686) wird das, was in der Physik schlussendlich den Namen Energie erhalten hat, anders konzipiert ale von Bunge, nämlich als eine Erhaltungsgrösse. Also grob gesagt als etwas, das sich nicht ändert, wenn sich etwas ändert.

    Man kann es etwas vereinfacht auch so sehen:
    — Der Physiker meint, dass sich zu jedem Prozess etwas finden lässt, das dabei erhalten bleibt, und das dann Energie genannt wird.
    — Der Metaphysiker meint, es müsse sich daher auch ein Etwas finden lassen, das bei jedem Prozess erhalten bleibt, und das sei dann die Energie.

    Der wesentliche Unterschied besteht in der Reihenfolge der logischen Quantoren. Der Metaphysiker vertauscht sie einfach und gewinnt daraus eine vermeintliche Einsicht in die Energie “an sich”.

    Noch etwas zur kosmologischen Ontologie. Bunge schreibt (Op. cit., p.136):

    Remark 14.9 In an expanding universe, energy is not conserved, but is slightly dissipated.

    Verliert das Universum Energie? (Textversion) — Tamara Davis hat das in diesem Artikel aus SdW 11/2010 einmal klargestellt. Es wird da gemäss der Standard-Kosmologie nichts dissipiert.

    Apropos “expanding universe”. Der Abbé Georges Lemaître, der uns das eingebrockt hat, war ja nun auch nicht gerade ein Vorzeige-Atheist. Und wenn das für ihn kein Problem war, warum sollte es für uns eines sein?

  308. Zum Naturalismus gehört auch, welche Bedeutung man der Kunst in ejner materialistischen Welt einräumt.

  309. @Reutlinger: meine Lehre

    Machen Sie sich da mal keine Sorgen: Bei Dutzenden bis Hunderten in einer Gruppe fallen natürlich immer mal wieder ein Paar aus der Reihe, doch im Großen und Ganzen bekomme ich die allerbesten Bewertungen – und regelmäßig noch nach Jahren Dankes-E-Mails, gerade kürzlich wieder von einem jungen Mann aus Köln und einer jungen Frau aus Berlin.

    Suchen Sie zur Abwechslung mal den Fehler bei sich, dann fällt Ihnen vielleicht irgendwann einmal etwas auf.

  310. @Schleim:

    Manche sind mit 13/14 noch herrlich unangepasst und offen für alle Welterfahrungen…

    Absolut. Daher schwanken in diesem Alter Überzeugungen noch etwas oder halten manchmal auch nur wenige Tage, was ja gut ist.

    @Chrys:

    Apropos “expanding universe”. Der Abbé Georges Lemaître, der uns das eingebrockt hat, war ja nun auch nicht gerade ein Vorzeige-Atheist. Und wenn das für ihn kein Problem war, warum sollte es für uns eines sein?

    Georges war ein strikter Trenner von (Natur)wissenschaft und Religion. Waren für ihn einfach verschiedene Welten, in welcher die eine in der Welt der anderen jeweils weder Erklärung noch Bedeutung hatte. Nach allem was man weiss, hat er das auch Papst Pius XII beigebracht.

  311. @ Wolfgang Stegemann 22.02.2021, 11:37 Uhr

    Zitat: „Nein, die Sprache ist keine Abbildung der Realität. Das ist mechanistisches Denken. Sprache ist symbolhafte Bedeutung, mit der wir Bilder der Realität beschreiben. Das ist ein riesiger Unterschied.“

    Da haben Sie mich ertappt. Hier stimme ich Ihnen ausdrücklich zu.

    Zitat: „Die Psychologie hat für denselben Gegenstand andere sprachliche Begriffe als die Physiologie. Beide nehmen das Gehirn aus unterschiedlicher Perspektive wahr. Daraus hat man geschlossen, dass es auch unterschiedliche Objekte seien. Was für ein naiver Unsinn. Wie gesagt, es braucht einen gemeinsamen Zugang zum Gegenstand, wenn man ihn einheitlich beschreiben will und den deskriptiven Dualismus endlich überwinden will. Dazu ist die Informatik aber nicht geeignet.“

    So naiv sind die Informatiker auch wieder nicht. Es gibt das Gehirn als reales Objekt, wie z.B. einen Computer oder einen Stein. Aber es ist aufgefallen, dass ein Gehirn, anders als ein Stein, auch andere sehr interessante Eigenschaften hat. Es mag gewisse Ähnlichkeiten geben, beides hat z.B. ein Gewicht. Wirklich bemerkenswert aber ist, das Gehirn kann denken, was zumindest eine gewisse Ähnlichkeit mit der Informationsverarbeitung hat.

    Wenn man in der Wissenschaft Trennungen in Komponenten vornimmt, wie es z.B. die Statiker tun um die Standfestigkeit einer Brücke berechnen zu können, ist das völlig alltäglich und korrekt. Es entspricht völlig dem Stand der Wissenschaft. Die Medizin unterscheidet z.B. in Kreislauf und Verdauung….

    Die Informationsverarbeitung, auch im Gehirn kann man vermutlich nicht anders beschreiben als mit den Methoden der Informatik/Mathematik. Sonst kann man höchstens „Gemeinplätze“ formulieren, wie im Kopf konstruiert, selbstorganisierendes System, metaphysische Welt, Konvergenz zwischen Physik und Metaphysik, Quantenzufälle ….

    Man könnte Prozesse noch halbwegs z.B. als zeitabhängig veränderliche Funktionen des Organismus bezeichnen und beschreiben. Möchte man genaueres wissen, um z.B. genau die elektrischen Impulsmuster die im Zusammenhang mit Messungen z.B. EEG, EKG, …. entstehen wissenschaftlich in alle Richtungen analysieren zu können, so geht das nicht ohne die Konzepte der Mathematik/Informatik. Man muss, wie sonst auch in der Technik, den Sachverhalt in zunächst einmal informelle Komponenten zerlegen z.B. Fourier-Analyse. Das Ergebnis sind letztlich alles ausgedruckte aber rein abstrakte mathematische Formulierungen, die sozusagen Auskunft z.B. über den gesundheitlichen Status des Patienten geben.

    An den Methoden der Mathematik/Informatik führt kein Weg vorbei um den Gehirnfunktionen näher zu kommen und dazu müssen Informationen, physikalische Daten aus Messungen gewonnen werden, wie auch sonst in der Wissenschaft.

  312. @Chrys (Zitat):

    Aber bereits beginnend mit Leibniz (1686) wird das, was in der Physik schlussendlich den Namen Energie erhalten hat, anders konzipiert ale von Bunge, nämlich als eine Erhaltungsgrösse. Also grob gesagt als etwas, das sich nicht ändert, wenn sich etwas ändert.

    Ja, die Energierhaltung sagt uns indirekt auch viel über Interaktionen von physikalischen Objekten aus: Bei Interaktionen ändert sich der Energieinhalt der beteiligten Objekte, nicht aber die Gesamtenergie. Interaktionen sind aber genau das was uns überhaupt etwas „erleben“ lässt, wo etwas passiert. Anstatt von Veränderung zu sprechen hätten Bunge und Mahner auch von Interaktionen sprechen können und metaphysisch dann formulieren können: Durch Wechselwirkungen beweisen sich Dinge als existent
    Hätte ich noch schöner gefunden als das mit der Energie.

    Zitat 2:

    Der Abbé Georges Lemaître, der uns das eingebrockt hat, war ja nun auch nicht gerade ein Vorzeige-Atheist. Und wenn das für ihn kein Problem war, warum sollte es für uns eines sein?

    Das ist ja der Irrtum deswegen ich schon mehrere Kommentare geschrieben habe. Naturalismus schliesst Gott nicht aus, es schliesst nur ein Eingreifen Gottes in diese Welt aus. Einstein war Naturalist. Ob es Lemaître war wissen wir nicht.

  313. Ergänzung: Bunge und Mahner hätten es noch schöner formulieren können:
    Durch Wechselwirkungen, durch Austausch von Energie, beweisen sich Dinge gegenseitig, dass sie existieren

    Das ist doch wunderbar metaphysisch.

  314. @Elektroniker: “An den Methoden der Mathematik/Informatik führt kein Weg vorbei um den Gehirnfunktionen näher zu kommen und dazu müssen Informationen, physikalische Daten aus Messungen gewonnen werden, wie auch sonst in der Wissenschaft.”

    Darum geht es bei meinem Einwand doch gar nicht. Selbstverständlich sind Physik und Mathematik wichtig bei der Entschlüsselung des Gehirns, aber nicht in der Form der Beschreibung von Maschinen (Festplatte, Betriebssystem etc.) sondern angewandt auf ein organisches System, das sich grundsätzlich anders verhält als eine Maschine. Natürlich spielt Elektrizität bei Neuronen eine Rolle, aber eben eine andere als beim Computern. Im Gegensatz zu denen ändert sich bestimmte Bereiche des Genoms ständig, im Gegensatz zu Computerchips.

  315. Martin Holzherr schrieb (20.02.2021, 14:18 Uhr):
    > Was prinzipiell empirisch nicht überprüfbar ist, steht ausserhalb der Wissenschaft.

    Prinzipiell empirisch nicht überprüfbar sind insbesondere die Begriffe, die zur Formulierung von empirisch überprüfbaren Hypothesen bzw. Modellen benutzt werden; einschließlich der dadurch festgesetzten Methoden zur empirischen Überprüfung dieser empirisch überprüfbaren Hypothesen bzw. Modelle.

    Wenn Wissenschaft empirisch überprüfbare Hypothesen bzw. Modelle einschließt, dann zwangsläufig auch die Begriffssysteme (d.h. die Theorien), vermittels derer diese mitteilbar/nachvollziehbar ausgedrückt werden.

    p.s.
    > […] (Zitat aus Richard Dawid: the string theory and the scientific method [ https://motls.blogspot.com/2013/05/richard-dawid-string-theory-and.html ]) […]

    Der anschließend in Übersetzung zitierte Text aus Luboš Motls Blog-Artikel ist dort jedenfalls nicht ausdrücklich als Zitat aus Richard Dawids genanntem Buch gekennzeichnet; und ist dort vermutlich auch nicht als Zitat aus Richard Dawids genanntem Buch gemeint.

  316. @Holzherr
    Ich stimme Ihnen zu,dass wir die Wechselwirkungen mit Energie bezeichnen und eben die Wechselwirkung nicht als Prinzip sehen.

  317. Sehen wir das Wechselwirkungsprinzip wie den Goldenen Schnitt,dann landen wir wieder im Infiniten Regress.
    So what?

  318. @einer: Naturalismus

    Was können denn die Nicht-Naturwissenschaften erklären?

    Sie belieben wohl zu scherzen! Seit Mitte Januar schon einmal in diesem Blog gelesen? 😂

  319. @ Wolfgang Stegemann 22.02.2021, 16:08 Uhr

    Ihre Aussagen sehe ich genau so. Übrigens gefällt mir auch Ihr Argument mit der „Ich Instanz“ in einem anderen Beitrag.

    Festplatten ähnliche Strukturen dürfte es im Zusammenhang mit dem Gehirn überhaupt nicht geben. Ist aber bei Jugendlichen ein beliebtes Metapher.

    Es fragt sich auch ob es sinnvoll ist, die grundsätzliche Einstellung von Menschen und das geforderte Verhalten mit einem Betriebssystem eines Computers zu vergleichen, jedenfalls erscheint es originell.

    Die Elektrizität spielt bei den Neuronen die Rolle die ihnen W. McCulloch zugewiesen hat. Sie entsprechen „Gatterschaltungen“ allerdings nicht wie in der strengen „Gatterlogik“ sondern „stochastisch“. Die synaptische Wissensabbildung hat E. Kandel erklärt.

    Die Signale werden durch das System „geschoben“, verzweigen entsprechend der Gegebenheiten, Input, Vorwissen (synaptische Verknüpfungen), logische Gatterverknüpfungen, aber auch gemäß der Prozesssteuerung in Zeitschlitzen wie bei Takt gesteuerten technischen Systemen. Baumartige und vermaschte Strukturen sind wichtig bei der Wissensabbildung.

    Dieser „elektrische Aspekt“ ist nicht gerade das Grundwissen der Mediziner. Aber auch in der Elektronik/Informatik sind viele Forschungsgebiete mit den einzelnen Aspekten beschäftigt, wobei die Gatterlogik praktisch „Elektronikgeschichte“ ist. Taktsteuerungen gibt es praktisch auch nur noch in Prozessoren und kaum noch jemand interessiert sich für die Details, weil bei der Konzeption als auch Wartung derartiger technischer Systeme andere Aspekte wichtig sind.

    Es ist mir ein Hobby, möglichst alle elektrischen Aspekte zu „beleuchten“ und in einen Zusammenhang mit Gehirnfunktionen zu bringen.

  320. @Tobias Jeckenburger, Zitat:

    Die natürliche Welt ist von großer Bedeutung, aber die inneren Welten sind nicht weniger relevant. Die Eigenerfahrung mit der inneren und äußeren Welt sind grundlegend, und die Wissenschaft fügt dem vieles hinzu. Aber auch in antiken Zeiten hatte man mit dem Leben zu tun. Von daher sind die Überlieferungen u.U. immer noch lesenswert, wenn auch besser nicht als primäre Autorität.

    Beidem stimme ich zu: Physik und Biologie ermöglichen erst unser Leben als Leben in der natürlichen Welt und mit unserem Leben in dieser natürlichen Welt wird auch erst unsere innere Welt möglich, denn der menschliche Geist ist in dieser Welt beheimatet und wird vom selben Blut genährt wie der Körper. Es gibt keinen Geist ohne Körper. Daran haben die um vieles mächtigeren kognitiven Fähigkeiten eines Menschen im Vergleich etwa zu einem Hund nichts geändert. Was die gewaltigen kognitiven Fähigkeiten des Menschen aber geändert haben sind die Freiheitsgrade unserer inneren Welt: Anders als ein Hund dessen Gedanken sich um Nahrung, Laufen, Sex und andere hündische Angelegenheiten drehen, haben wir ein viel reicheres Innenleben, kennen sehr viel mehr mentale Zustände und Stimmungen und können fast beliebige Fiktionen erzeugen und all das in ganz unterschiedlicher Qualität und in unterschiedlichen Bewusstseinsgraden: das geht von Launen, Gefühlen, Vorstellungen, Wünschen bis hin zu detaillierten Rekapitulationen vergangener Erlebnisse mit der Möglichkeit zur Neubewertung von bereits Vergangenem. Im fiktionalen Bereich können wir neben frei erfundenen Geschichten auch ganzen Theorien über die Welt und Umwelt aufbauen oder gar rein hypothetische Gebilde höchster Präzision konstruieren wie das in der Mathematik geschieht wo sich aus der Annahme von ein paar Axiomen plötzlich eine ganze Welt von mathematischen Phänomenen eröffnet (wie etwa des Phänomens, dass es Zahlen gibt, die alle natürlichen Zahlen als Nachkommastellen enthalten), von Phänomenen, deren Gesetze logischen Überlegungen zugänglich sind.
    Da ist es gar kein Wunder, dass viele Leute Fiktionen wie etwa Zahlen und andere mathematische Gebilde für real halten, denn in einem gewissen Sinne sind mathematische Objekte real, also unabhängig von dem, der sie sich zuerst ausgedacht hat, können doch andere diese Objekte ebenfalls verstehen und an ihnen sogar neue Eigenschaften entdecken.

    Langer Rede kurzer Sinn: Das Reich der Fiktionen ist fast unbegrenzt. Wir erhalten ein Königreich für das bisschen Nahrung, das es braucht um diesen Geist am Leben zu erhalten.

    Die reiche innere Welt, jedenfalls das womit wir uns in Gedanken beschäftigen ist nicht nur das, was den Menschen vom Tier unterscheidet, sondern sogar das, was die einen Menschen von den anderen unterscheidet. Denn heute sind die meisten Tätigkeiten geistige Tätigkeiten und die Arbeit besteht darin Fiktionen zu erstellen oder fertigzustellen – wenn auch mancher Steuerbeamte nicht damit einverstanden wäre, wenn ich den Gegenstand und die Art seiner Tätigkeit im fiktiven Raum verorte.

    Und sogar beim dritten stimme ich zu (Zitat):

    Von daher sind die Überlieferungen u.U. immer noch lesenswert, wenn auch besser nicht als primäre Autorität.

    Denn: die Überlieferungen, gerade auch die Religionen und ihre Bücher, Figuren und Geschichten, zeugen davon mit was sich Menschen seit langer Zeit beschäftigen, zeigt, was Menschen und für Menschen wichtig ist. Das belehrt und informiert uns noch heute, selbst wenn die Schlussfolgerungen und Lehrsätze, die die jeweiligen Glaubenslehren gezogen und aufgestellt haben aus heutiger Sicht falsch sind.
    Warum sind diese Überlieferungen wichtig und lehrreich? Nun, weil ich der festen Überzeugung bin, dass sich der Mensch nicht so schnell ändert, dass es so etwas wie eine festgeschriebene menschliche Anthropologie gibt, die einfach nicht zulässt, dass so etwas wie ein Neuer Mensch entstehen kann – ausser man programmiert den Menschen auf biologischer Basis um, etwas was mir aber das Risiko nicht Wert scheint. Ich selber folgere aus dieser festgelegten Anthropologie, dass die Menschheit sich bis zu einem gewissen Grad gegenüber den Menschen, also ihren Mitgliedern absichern muss. Dass sie die Macht einzelner Mitglieder beschränken muss beispielsweise.Denn einzelne Menschen kennen keine Grenzen wenn man sie ihnen nicht setzt.

  321. einer
    22.02.2021, 14:17 Uhr

    Was können denn die Nicht-Naturwissenschaften erklären?

    Schon mal was von Psychologie, Soziologie, Linguistik, Musikwissenschaft etc.ppppppppp. gehört???

  322. @Frank Wappler: Richard Dawid hatte einmal einen Originalartikel auf Motl‘s Blog veröffentlicht, ihn später aber wieder zurückgezogen. Jetzt ist dort nur noch Motl‘s Besprechung seines Buches dort.

    Noch zu Was prinzipiell empirisch nicht überprüfbar ist, steht ausserhalb der Wissenschaft.: ja, Begriffe und theoretische Konstrukte überhaupt sind nicht empirisch überprüfbar.
    Letztlich sind das aber alles Konstrukte, die einen Bezug zu Beobachtungen haben.
    Heute beschäftigen sich Physiker aber auch mit prinzipiell nicht Beobachtbarem wie etwa mit Paralleluniversen. Das aber führt zu prinzipiell unüberprüfbaren Aussagen und gehört damit nicht zur Naturwissenschaft.

  323. @Holzherr: “Heute beschäftigen sich Physiker aber auch mit prinzipiell nicht Beobachtbarem wie etwa mit Paralleluniversen. Das aber führt zu prinzipiell unüberprüfbaren Aussagen und gehört damit nicht zur Naturwissenschaft.”

    Demnach gehört also die theoretische Physik nicht zur Naturwissenschaft. Das erzählen Sie mal einem Stringtheoretiker.

  324. @Wolfgang Stegemann 22.02.2021, 20:39 Uhr
    In Ihrer Antwort auf Holzherr schreiben Sie:

    Demnach gehört also die theoretische Physik nicht zur Naturwissenschaft. Das erzählen Sie mal einem Stringtheoretiker

    Der unprätentiöse Stringtheoretiker wird sein kühnes Bauwerk wohl auch eher dem metaphysischen Vorfeld der Wissenschaft zurechnen. Das ist nicht ehrenrührig. Denn: Das Popper-Kriterium der Falsifizierbarkeit grenzt zwar die Wissenschaft u.a.von der Metaphysik ab. Diese Abgrenzung beinhaltet aber keine Geringschätzung der Philosophie oder der Metaphysik. Ich erinnere daran, dass Isaac Newton einst auch auf dem Feld der Alchemie gearbeitet hat und daran, dass das heliozentrische Weltsystem, wie Karl Raimund Popper im 8. Kapitel seiner Vermutungen und Widerlegungen „Über die Stellung der Erfahrungswissenschaft und der Metaphysik“ schreibt, religiös-neuplatonische Wurzeln hat.

  325. @Grams: Das mag ja alles sein, dennoch befinden wir uns in einer Zeit, in der die Grenzen der Empirie erkennbar sind und es theoretischer Anstrengungen bedarf, diese Grenzen weiter zu verschieben. Das gelingt nicht mit dem Zentimetermaß. Die theoretische Physik ins Reich der Metaphysik zu verschieben, ergibt keinerlei Sinn, denn sie basiert auf Erfahrung und Mathematik. Ich denke, Einstein hätte sich dagegen gewehrt, während der Erarbeitung der ART als Metaphysiker bezeichnet zu werden. Ihr Verständnis von Naturwissenschaft klingt etwas antiquiert.

  326. @Stegemann:

    Das wäre bei der ART auch nicht nötig gewesen. Sie macht präzise Vorhersagen, die auch damals experimentell überprüft werden konnten und wurden. (Arthur Eddington, 1919).
    Stringtheorie hingegen tapst seit 40 Jahren auf der Stelle und liefert keine Vorhersagen. Das ist nette Mathematik, nicht mehr, nicht weniger.
    Aber hey, anderen antiquiert vorhalten klingt cool. 🤣

  327. @Wolfgang Stegemann 22.02.2021, 22:34 Uhr
    Zuschreibungen wie “antiquiert” lege ich unter der Rubrik “Täuschende Argumente” ab. Eine Fortsetzung der Diskussion wird von Ihnen offenbar nicht gewünscht. Das nehme ich zur Kenntnis.

  328. @Neher: Wir steuern wieder auf einen Nebenkriegsschauplatz zu. Dennoch: Eddington machte seine Untersuchungen einige Jahre nach der ART und seine Ergebnisse waren alles andere als präzise.

  329. @einer: Naturwissenschaft & Religion

    Sie wollten doch Beispiele dafür, dass etwas naturwissenschaftlich nicht erklärbar ist…

    …nun, erklären Sie doch einmal rein naturwissenschaftlich, warum so viele Naturwissenschaftler (zumindest: etwas) religiös sind, wo doch die Neuen Atheisten gebetsmühlenartig wiederholen, Naturwissenschaften würden Religionen widerlegen?!

    Viel Spaß!

    Konflikt oder Vereinbarkeit? Was Forschung wirklich über das Verhältnis von Wissenschaft und Religion verrät

  330. @Timm Grams
    22.02.2021, 23:00 Uhr
    @Wolfgang Stegemann 22.02.2021, 22:34 Uhr
    Zuschreibungen wie “antiquiert” lege ich unter der Rubrik “Täuschende Argumente” ab. Eine Fortsetzung der Diskussion wird von Ihnen offenbar nicht gewünscht. Das nehme ich zur Kenntnis.

    Wissenschaft ist kein kanonisches sondern ein offenes System, das von der Neugier der Akteure lebt, Hypothesenbildung ist immer mit Spekulation verbunden, beim einen weniger, bei Einstein viel mehr. Higgs musste Jahrzehnte warten, bis seine Theorie bestätigt wurde, und das nur indirekt, letztlich rein mathematisch.

  331. @Stegemann: Hypothesenbildung…

    …würde ich auch eher nicht metaphysisch nennen. Wer hat das gesagt?!

    Wohl aber ist die Hypothesenbildung oft durch Intuition und (so gut wie?) immer durch theoretische Vorannahmen vermittelt…

    …insofern kommt auch der größte Empiriker nicht ganz ohne Intuition/Vorwissen/Theorie aus.

    Vielleicht war das hier gemeint?

  332. @Stephan Schleim 23.02.2021, 08:49 Uhr
    Hypothesenbildung
    Bevor es ans Prüfen geht, muss der Prüfling erfunden sein: spekulativ, intuitiv und mittels Analogien. Sie sagen es so:

    Insofern kommt auch der größte Empiriker nicht ganz ohne Vorwissen/Theorie aus.

    Lassen sich die Spekulationen des Lukrez begrifflich sauber von den heutigen Spekulationen über das Weltgefüge trennen? Ich nenne beides metaphysisch, über die Erfahrungswelt hinausgehend. Das tue ich eingedenk der Möglichkeit, dass sich diese Einschätzung ändern kann, wie bei der Atomlehre aus “Über die Natur der Dinge”. Es mag sein, dass ich den Begriff “metaphysisch” überdehne. Missverständnisse scheinen daraus aber nicht zu erwachsen.

  333. @Schleim

    Was können denn die Nicht-Naturwissenschaften erklären?

    Sie belieben wohl zu scherzen! Seit Mitte Januar schon einmal in diesem Blog gelesen? 😂

    Ja das war deutlich zu kurz gedacht von mir, ich hatte das “Natur” überlesen und meinte Nicht-Wissenschaften. Die Geistes/ und Sozialwissenschaften gibt es natürlich auch usw.
    (es ist auch wenig hilfreich, dass man Beiträge hier nicht korrigieren kann)

  334. @Stephan Schleim, 22.02.2021, 23:59 Uhr
    Man kann die Ansicht vertreten, dass Aberglauben, Verschwörungsmythen oder Unwahrheiten existieren.

    Man sollte sich aber bewusst machen, dass diese nicht “objektiv” existieren, sondern nur als soziokulturelle Konstrukte.

    Wenn Sie anderer Meinung sind, erklären Sie mir, naturwissenschaftlich oder auch anders, wieso sie der Überzeugung sind, dass Unwahrheiten oder ähnliches objektiv existiert.

    Die Meinung, dass die Existenz von irrigen menschlichen Überzeugungen nicht durch die evolutionäre Erkenntnistheorie erklärbar wäre, ist übrigens falsch.

  335. Martin Holzherr schrieb (22.02.2021, 19:58 Uhr):
    > ja, Begriffe und theoretische Konstrukte überhaupt sind nicht empirisch überprüfbar.

    Diese Gemeinsamkeit von Begriffen und theoretischen Konstrukten, nicht empirisch überprüfbar zu sein, legt nahe, darauf eine passende Gesamtbezeichnung anzuwenden (nämlich: “Theorien”);
    und konstrastierend dazu auch auf das, was empirisch überprüfbar ist, eine Gesamtbezeichnung darauf anzuwenden (nämlich: “Modelle”).

    Im Übrigen widerspricht die Einsicht, dass Begriffe und theoretische Konstrukte (unter der Gesamtbezeichnung “Theorien”) überhaupt nicht empirisch überprüfbar sind, weitverbreiteten gegenteiligen Behauptungen und Forderungen (Stichwort: Sir Karl Popper.)

    > Letztlich sind das aber alles Konstrukte, die einen Bezug zu Beobachtungen haben.

    Auch empirische Feststellungen erfordern begriffliche Grundlagen und bestimmte Festsetzungen; insbesondere Definitionen von Messoperatoren, d.h., wie aus Versuch für Versuch gegebenen Wahrnehmungen und deren unmittelbaren, elementaren Bewertungen (“zusammen/koinzident, oder nacheinander”, “das Selbe, oder Verschiedenes”) schließlich reell-wertige Resultate der betreffenden Messgröße ermittelt werden sollen.

    > Heute beschäftigen sich Physiker aber auch mit prinzipiell nicht Beobachtbarem […]

    Zwischen “dem eigentlich Wahrnehmbaren” (insbesondere “mit menschlichen Sinnen Wahrnehmbaren”) und daraus konstruierten “abstrakten” Messgrößen bzw. konkret ermittelten Messwerten wird schon länger unterschieden. Messoperatoren kann man definieren und ggf. anderen mitteilen, auch falls noch keine Wahrnehmungen gesammelt sind, um daraus ggf. Messwerte zu ermitteln.

    Wer sich jedoch mit (immer noch reellen) Werten und deren eventuellen (Funktions-)Zusammenhängen an sich beschäftigt, ohne jeweils von deren empirisch begründete Gewinnung (als Messwert) bzw. Überprüfung (im Vergleich zu einer bestimmten Erwartung) auszugehen, beschäftigt sich nicht als Physiker, sondern als Mathematiker. Messoperatoren kann man definieren und ggf. anderen mitteilen, auch falls noch keine Wahrnehmungen gesammelt sind, um daraus ggf. Messwerte zu ermitteln …

    > wie etwa mit Paralleluniversen. Das aber führt zu prinzipiell unüberprüfbaren Aussagen und gehört damit nicht zur Naturwissenschaft.

    … und sogar, falls man gar nicht erwartet, selbst relevante Wahrnehmungen zu sammeln.

  336. @Grams: Metaphysik

    Das Wort (meta & physik) verleitet förmlich dazu, es zur Trennung von empirischen und nicht-empirischen Aussagen zu verwenden; das führt aber schnell zu Missverständnissen. Und natürlich finden sich in der Philosophiegeschichte verschiedene Wortbedeutungen.

    Um Missverständnisse zu vermeiden, halte ich es hier lieber mit dem Duden, der da definiert:

    philosophische Disziplin oder Lehre, die das hinter der sinnlich erfahrbaren, natürlichen Welt Liegende, die letzten Gründe und Zusammenhänge des Seins behandelt

  337. @Hertlein: Erklärungen

    Ja – und “erklären” ist hier so vage gefasst, dass es viele verschiedene Erklärungen geben dürfte. Woher wissen wir dann, welche davon stimmt?

    Ich denke an Poppers Kritik an Karl Marxens oder Alfred Adlers Theorien: Was dem Anschein nach alles erklären kann, das erklärt in Wirklichkeit wahrscheinlich: nichts?!

  338. @Stephan Schleim 23.02.2021, 15:10 Uhr
    Metaphysik
    Werd’s künftig genauso halten und “Metaphysik” bei der enger gefassten Bedeutung belassen. Aber ich bleibe dabei: Spekulationen ohne empirische Belege sind noch keine Wissenschaft, mögen sie noch so gut ins Bild passen. Ich finde den Begriff Vorfeld der Wissenschaft in diesem Zusammenhang ganz passend.

  339. Stephan Schleim 23.02.2021, 15:14 Uhr
    Wissen Sie am 23.02.2021 15:14 Uhr noch, was Sie am 22.02.2021, 23:59 Uhr geschrieben haben?

    Sie sträuben sich dagegen meine Frage zu beantworten, indem “Sie” nicht ich, den Begriff “erklären” relativieren. Ich warte auf eine Antwort. Und mir reicht eine. Und selbstverständlich kann es auf jede Frage mehr als eine Antwort geben, wobei allerdings nicht alle richtig sein müssen. Mir reicht aber eine Antwort. Keine Antwort schein mir aber zu wenig zu sein.

  340. @Hertlein: Erklärungen

    Was sind Sie eigentlich für einer, von wildfremden Menschen einfach mal Erklärungen zu fordern? Das kann vielleicht der Partner in einer Liebesbeziehung oder ein Richter in einer Gerichtsverhandlung – aber mit Sicherheit nicht Sie!

    Die Meinung, dass die Existenz von irrigen menschlichen Überzeugungen nicht durch die evolutionäre Erkenntnistheorie erklärbar wäre, ist übrigens falsch.

    Erstens mal wüsste ich nicht, wo ich das bestritten hätte. Wie gesagt, vor allem Naturalisten verwenden den Begriff der Erklärung so vage, dass sich trivialerweise alles erklären lässt. Zweitens könnten Sie ja einmal mit gutem Beispiel vorangehen und uns diese Erklärung anbieten, damit wir sie dann (Achtung: meine Vermutung) als großen Quatsch entlarven können. Nur zu! Oder haben Sie vielleicht den Mund etwas zu voll genommen?

  341. Für die die es interessieren könnte, noch ein Unterschied zwischen „technischer Elektronik“ und „Hirnelektronik“.

    Die Kurfernform der Impulse ist unterschiedlich. Im Gehirn gibt es „Spikes“ in der Elektronik Rechteck förmige Impulse. Dadurch ergeben sich einige Besonderheiten.

    Die Neuronen haben so etwas wie eine „kapazitive Eingangsschaltung“. Bedeutet, sie integrieren die von den Dendriten kommenden Eingangsimpulse etwas auf, bis das Triggerniveau erreicht wird und das Neuron triggert.

    Nachdem es getriggert hat, kann es einige Zeit nicht triggern (Latenzzeit). Mit diesem Effekt erklärte McCulloch die „logische Nichtfunktion“. Heutzutage nutzt man diesen Effekt um mittels Hirnschrittmacher z.B. Epilepsie verursachende Hirnzyklen sozusagen „außer Tritt“ zu bringen, zu stoppen.

    Normalerweise werden die anliegenden Information abbildenden Impulse von internen Steuerungszyklen „angetrieben“, durch das (baumartige und vermaschte) System geschoben, vergleichbar mit „Schieberegistern“. Dabei treten auch die Struktur erweiternden „Lerneffekte“, neue synaptische Verknüpfungen auf.

    Diese steuernden Impulse dürften über ebenfalls „durch Lernen entstandene“ neuronale Netzteile geführt werden und letztlich dafür sorgen, dass die Impulskaskaden geordnet durch das das Wissen abbildende System geführt werden und den Denkprozess bewirken.

    An den Bewusstsein abbildenden flächigen End- bzw. Zwischenstrukturen dürfte sozusagen das „Hirnkino“ (allerdings mit Empfindungen verknüpft) „entstehen“.

    Andererseits können sich, ohne Input und in der Nacht, so etwas wie „Störimpulse“ aufsummieren, das Triggern und damit Impulskaskaden auslösen die durch das System verschoben werden. Die können z.B. an den Bewusstsein bewirkenden Stellen „Traumerelebnisse“ bewirken.

  342. @Stefan Schleim: Vielfalt des Begriffs ‘Naturalismus’

    Mich wundert, dass noch niemand

    Sukopp, T. (2006) ‘Naturalismus. Kritik und Verteidigung erkenntnistheoretischer Positionen’ Frankfurt, mult., Ontos Verlag

    erwähnt hat. Das Buch ist eine erweiterte Version einer Dissertation, die von Vollmer betreut wurde. Sukopp hat viele Tabellen erstellt, in denen angegeben wird, was welcher Autor unter dem Begriff ‘Naturalismus’ versteht.

  343. Sorry für die miese Formatierung im vorangehenden Kommentar – ich wollte einen Web-Link einfügen – und der erstreckt sich (sonst unkenntlich bzw. nicht einem Begriff/Wort zugeordnet) nun über den Rest des Kommentars.

Schreibe einen Kommentar