Psychedelika: Herausforderung für Medizin & Psychologie

Zur aktuellen wissenschaftlichen Debatte über die Gegenwart und Zukunft von LSD, Psilocybin & Co. Steht eine Revolution bevor?

Am 28. November organisierte Mindwise, der Blog des Psychologischen Instituts der Universität Groningen, an dem ich redaktionell mitwirke, in Zusammenarbeit mit unserem Studium Generale eine formale Debatte. Das Thema waren Psychedelika.

Zur Disposition stand die folgende These: Der therapeutische Nutzen psychedelischer Substanzen fordert das westliche biomedizinische Paradigma heraus. Mit Blick auf das große öffentliche und wissenschaftliche Interesse an dem Thema, nicht zuletzt unter Studierenden, überraschte es nicht, dass die Veranstaltung lange vorher ausverkauft war.

Eine kurze Geschichte

Nach einer Periode der zunehmenden Erforschung von Psychedelika – vor allem LSD (Lysergsäurediethylamid) und Psilocybin – in den 1950ern und 1960ern wurden diese Substanzen in den späten 1960ern und 1970ern zunehmend dämonisiert und verboten. Nach der Single Convention on Narcotic Drugs aus dem Jahr 1961, einem internationalen Abkommen zur Kontrolle von Cannabis, Kokain und Opium, erweiterte die UN Convention on Psychotropic Substances aus dem Jahr 1971 die öffentliche Kontrolle auf Psychedelika.

Die Regulierung, die oft genug schlicht ein vollständiges Verbot bedeutete, machte es auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schwierig, den möglichen therapeutischen Nutzen dieser Substanzen weiter zu erforschen. Das galt insbesondere im Bereich von Psychologie und Psychiatrie, doch auch in der Palliativmedizin.

Seit den 1990ern wird diese Art von Forschung jedoch wieder verstärkt betrieben, vor allem mit der Substanz Psilocybin, die natürlich in einigen Pilzsorten vorkommt (Kyzar et al., 2017). Seitdem hat sich die Anzahl jährlicher Veröffentlichungen mehr als verdreißigfacht.

Ergebnis einer Themensuche für das Stichwort “psychedelic*” im ISI Web of Science. Das Ergebnis für 2022 ist vorläufig und dürfte sich noch erhöhen.

Die Debatte

Die ursprünglich vom Studium Generale verwendete Überschrift war: “Psychedelika: Trip oder Behandlung?” Mit Blick auf die Aufmerksamkeit, die die Substanzen heute in klinischer und Grundlagenforschung erhalten, ergab diese Dichotomie aber kaum noch Sinn. Schließlich verwendet man die Mittel sogar, um die Funktionsweise des Nervensystems sowie das Wohlbefinden und die Erfahrungen von Menschen zu erforschen.

Deshalb versprach die abgewandelte These eine aktivere Debatte. Beide Teams waren jedenfalls mit drei Personen besetzt.

Auf der befürwortenden Seite:

  • Berend Pot (Doktorand in Philosophie, Universität Groningen)
  • Jon Keller Munoz (Psychologiestudent, Universität Groningen)
  • Pamela González Dávila (Forscherin in Biomolekulären Wissenschaften, Universität Groningen)

Die befürwortende Seite – also die drei Forscherinnen und Forscher, die glaubten, dass die Ergebnisse zu Psychedelika nicht in den vorherrschenden biomedizinischen Ansatz integriert werden können – kritisierten “reduktionistische” Wissenschaft und vertraten stattdessen eine “holistische” Alternative. Es sei unmöglich, auf der rein biologischen Ebene zu verstehen, wie und warum diese Substanzen funktionieren. Man müsse auch verstehen, was die psychedelische Erfahrung für den Konsumenten bedeute.

Auf der Gegenseite:

  • Caroline Murphy (University College-Studentin, Universität Groningen)
  • Jurriaan Strous (Psychiater, Universitätsklinik Amsterdam)
  • Morten Lietz (Behavioral and Cognitive Neuroscience, Universität Groningen)

Die Gegenseite fuhr eine zweigleisige Strategie: Einerseits würden Psychiater bereits darin geschult, holistische Ansätze mitzuberücksichtigen. Die Bedeutung einer Erfahrung für ein Individuum, Spiritualität und sogar mystische Erlebnisse würden heute in der klinischen Praxis berücksichtigt.

Andererseits würden Mechanismen wie die Neuroplastizität (also die Möglichkeit von Nervenzellen, neue Verbindungen zu schließen) oder die Dosisabhängigkeit von Effekten (also Korrelationen zwischen der verabreichten Menge und der Erfahrung des Nutzers) darauf deuten, dass Psychedelika ins biomedizinische Paradigma integriert werden können.

Braucht man neue Fachleute?

Ein eher praktischer, doch nicht weniger wichtiger Teil der Debatte drehte sich um die Frage, ob man für die Behandlung mit Psychedelika eine neue Art von Fachleuten brauche. Die Befürworter hoben die Bedeutung des Wissens aus indigenen Kulturen hervor, in denen Behandlungen mit den Substanzen bereits seit Jahrhunderten vorgenommen würden. Darum gebe es dort erfahrene Schamanen und spirituelle Lehrer.

Die Gegenseite sorgte sich aber über die Qualitätskontrolle. Sie verwiesen auch auf jüngere Skandale im Zusammenhang mit “Schamanen” und hielten es für wichtig, dass verschiedene Arten von Gesundheitsdienstleistern in einem Team zusammenarbeiten. Gleichzeitig räumten sie ein, dass es in der klinischen Praxis niemals 100% Sicherheit gebe. Trotzdem hielten sie daran fest:

“Die psychedelische Erfahrung ist in der Form messbar, in der auf die menschliche Psyche messbar ist.”

Grundlegende Fragen

Die Debatte führte schließlich also zu grundlegenden Fragen nach dem Menschenbild, nach qualitativer gegenüber quantitativer Forschung sowie nach Subjektivität und Objektivität in Wissenschaft und Forschung. Vielleicht würde es helfen, in zukünftigen Diskussionen stärker zwischen klinischer Praxis und Ausbildung auf der einen Seite und wissenschaftlicher Forschung auf der anderen zu unterscheiden.

Immerhin ist die Arbeit mit Patientinnen und Patienten und deren Problemen anders als das Publizieren eines wissenschaftlichen Fachartikels – auch wenn beide Arbeiten einander idealerweise informieren.

Es sollte klar sein, dass solch grundlegende Fragen nicht innerhalb einer Stunde geklärt werden können. Da die Debatte aufgezeichnet und auf YouTube verfügbar gemacht wurde, kann die Diskussion aber weitergehen, auch wenn sie an jenem Abend in der Aula der Universität Groningen aufhörte.

Eine Impression von der Eröffnung der Debatte. Ihr Autor saß in der vierten Reihe, in dem hellblauen Pullover. Quelle: Studium Generale, Universität Groningen

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Referenz:

  • Kyzar, E. J., Nichols, C. D., Gainetdinov, R. R., Nichols, D. E., & Kalueff, A. V. (2017). Psychedelic drugs in biomedicine. Trends in Pharmacological Sciences, 38, 992-1005.

Neu: Folgen Sie Stephan Schleim auf Twitter. Titelgrafik: aitoff auf Pixabay. Hinweis: Der Artikel erschien bereits auf Englisch.

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119 Kommentare

  1. Den Einsatz von Psychedelika in der Medizin als Holismus versus Reduktionismus zu debattieren ist ein falscher Ansatz, denn potentiell gefährliche Substanzen werden oft erst nach bewusster chemischer Modifikation auf breiter Ebene in die Medizin eingeführt. Die chemische Modifikation will den therapeutischen Nutzen erhöhen und die unerwünschten Wirkungen vermindern. Wenn das nicht möglich ist, wird oft eine bestimmte Darreichungsform gewählt um die Wirkung zeitlich zu beschränken bevor das Medikament zum breiten Einsatz kommt.

    Beispiel: Ketamin ist schon lange als Anästhetikum etabliert, hat aber auch antidepressive Wirkungen. Es gibt verschiedene Varianten von Ketamin. Beim Einsatz als Antidepressivum kommt vermehrt Esketamin zum Einsatz über das man folgendes liest:

    Esketamin (Markenname Spravato) ist eine andere Version von Ketamin, die intranasal verabreicht werden kann und auch schnelle, effektive Ergebnisse liefert. Esketamin ist die S-Form von Ketamin. Es ist eine neue Entwicklung, die Pharmaunternehmen wahrscheinlicher macht, klinische Studien zur Unterstützung ihrer Verwendung zu unterstützen. Im Jahr 2019 genehmigte die FDA die Verwendung von Esketamin (Spravato) bei Erwachsenen zur Behandlung von TRD [treatment resistant depression=Behandlungsresistente Depression] und MDSI [depression with suicidal ideation = Depression mit Selbstmordgedanken] in Verbindung mit einem oralen Antidepressivum.

  2. Ergänzung zum Thema Ketamin-Varianten zur Behandlung der Depression.
    Im scilogs-Artikel Ketamin gegen Depression liest man dazu:

    Bislang ist isoliertes Esketamin in Form von Infusionen oder Nasenspray nur für besonders schwer depressive oder therapieresistente Patienten zugelassen. Einige „Nebenwirkungen“ wie Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz, Halluzinationen und Schwindel, die den Missbrauch so attraktiv machen, konnten bislang noch nicht unterdrückt werden. Somit wird es vorerst nur unter medizinischer Aufsicht angewendet.

    Die Kombination mit Retigabin könnte alles ändern. Sie reduziert die erforderliche Ketamin Dosis, somit auch die Nebenwirkungen und eignet sich in der Theorie für den Hausgebrauch. Bis zur Zulassung ist es zwar noch ein weiter Weg, da alle bisherigen Experimente bei Mäusen durchgeführt wurden, doch die Forscher sind zuversichtlich, dass wir in den nächsten Jahren eine Ketamin-Revolution erleben dürfen.

  3. @Holzherr: Ketamin

    Erstens sind alle Substanzen (einschließlich Wasser) “potenziell gefährlich” – wenn man zum Beispiel zu viel davon konsumiert.

    Zweitens ist Ketamin bereits in einer Variante in der USA und der EU zugelassen. Man verschreibt das Nasenspray z.Zt. vor allem bei schweren Depressionen, die sich anders nicht gut behandeln lassen. Das größte Risiko scheint von einem steigenden Blutdruck auszugehen.

    Zu den psychologischen Effekten, siehe hier.

    Ich bezweifle aber, dass so ein Nasenspray unter ärztlicher Aufsicht eine große Veränderung bewirken wird. Bei z.B. der Psilocybin-Therapie ist es wichtig, die psychedelische Erfahrung in eine Psychotherapie einzubetten. Das ist gerade holistisch und nicht reduktionistisch.

    P.S. Dass man an Varianten der ursprünglichen Substanz interessiert ist, kann auch mit dem Patentschutz zu tun haben: Nur bei Exklusivrechten kommt man ans große Geld.

  4. Holistisch bedeutet also : ein Medikament wird als Teil einer Gesamttherapie gegeben (bevorzugt Psychotherapie).

    Das wusste ich gar nicht, denn das Wort selbst verrät das nicht.

  5. @Holzherr: holistisch = ganzheitlich ist es eher, jemanden psychedelische Erfahrungen haben zu lassen (vielleicht ein-, zweimal) und darüber in einem psychotherapeutischen Kontext zu reden, als jemanden in einer Arztpraxis in irgendeiner Ecke mit einem Ketamin-Nasenspray zweimal pro Woche eine verzerrte Raum- und Zeitwahrnehmung haben zu lassen.

  6. Dann wäre die Clinica Dr. Scheib, Die Spezialisten für Ketamintherapie bei Depression, Berlin | München | Palma de Mallorca vielleicht ein Beispiel für eine holistische Therapie?
    Dort liest man:

    Seit langem bieten wir erfolgreich unsere kombinierte Ketamintherapie bei Depression in der Klinik Dr. Scheib auf Mallorca an.
    Schwerpunkt ist die Behandlung von schweren Depressionen, bis hin zu behandlungsresistenten Depressionen mit einer Kombinationstherapie aus Ketamininfusionen, Magnetstimulation (rTMS), Neurofeedback, Hypnose und Psychotherapie.

  7. Hier eine weitere Website, die etwas anbietet, was man als holistisch bezeichnen könnte:

    Ketamin gestützte Psychotherapie

    Unsere Ketamin gestützte Psychotherapie integriert verschiedene Formen psychotherapeutischer Ansätze (TP, Hypnose und Hypnotherapie, IFS und weitere). Es erfolgen zunächst 1-2 Sitzungen zur Vorbereitung auf die mit Ketamin begleitete Sitzung. Danach findet die Integration der Erfahrung statt, der therapeutische Prozess wird erleichtert und vertieft. Je nach Patient kann das 1 Sitzung oder mehrere sein, gefolgt von einer weiteren Ketamin gestützten Psychotherapiesitzung.

  8. @Holzherr: Behandlungen

    Irgendwie klingen Sie interessiert – und könnten das vielleicht sogar mit einem Mallorca-Urlaub verbinden?

    Aber mal im Ernst: Bei einer Praxis, die so einen Rattenschwanz an Behandlungsmöglichkeiten anbietet, habe ich den Eindruck, dass es auch um Geldmacherei geht und die nicht wirklich auf ein bestimmtes Verfahren spezialisiert und darin sehr gut sind.

  9. Mit psychedelischen Drogen werden Erfahrungen bzw. ein Erlebniszustand reaktiviert – welcher nachweisbar der frühen Kindheit entspricht. D.h. psychedelische Drogen bewirken ein mentales Setup zurück in ein Alter, wo diese Person noch nicht psychisch krank war – und das Wiedererleben dieses gesunden Zustandes ist ein Grund, warum/wie psychedelische Drogen positiv wirken.

    Eine medizinische Revolution ist nicht zu erwarten, da es Wissenschaftler bisher konsequent ablehnen, die Arbeitsweise des Gehirns verstehen zu wollen.

    (Mit der Einnahme von psychedelischen Drogen kann die betreffende Person in den Erlebniszustand der frühen Kindheit zurückversetzt werden – dieser Zeitraum kann exakt zugeordnet werden; auf Grundlage von Details, welche im Rahmen der sogenannten ´Naht°d-Erfahrungen´ (NTE) berichtet werden. Da sich die Wissenschaft bisher weigert, das Phänomen NTE zu erforschen, wird man auch die Wirkungsweise der Psychedelika nicht wirklich verstehen.)

    @all: Schöne Feiertage

  10. @Hauptartikel

    „Die Bedeutung einer Erfahrung für ein Individuum, Spiritualität und sogar mystische Erlebnisse würden heute in der klinischen Praxis berücksichtigt.“

    Wenigstens nicht alles Spirituelle gleich in Richtung Psychose einzuordnen ist ja schon mal ein sehr praktischer Fortschritt. Aber so einfach ist das auch nicht, wenn man keine wirklichen Konzepte hat, was Spiritualität jetzt wirklich ist. Erfahrungsgemäß hilfreich ist es schon mal, wenn man Ketamininduzierte Effekte gegen Depressionen, oder auch religiösen Wahnsinn bei akuten Psychosen wenigstens unterscheiden kann.

    „…darauf deuten, dass Psychedelika ins biomedizinische Paradigma integriert werden können.“

    Spiritualität kann man sogar gerade damit definieren, dass dies alles beinhaltet, was dem rein biologischem Modell widerspricht. Aber ok, wenn die Experten eben wissen, damit ganz pragmatisch umzugehen, dann ist das schon mal ein Anfang. Diesen Bereich einfach den Theologen zu überlassen, will ich jetzt auch nicht befürworten.

    Wie steht es denn mit der Religionswissenschaft? Die haben normalerweise nichts mit der Behandlung psychisch Kranker zu tun, aber ich vermute, die haben hier auch was zu zusagen. Holistische Ansätze jedenfalls findet man hier wohl auch.

    So oder so, was hinterher hilft, das kann man gebrauchen. Und was dann zu gebrauchen ist, das liefert auch Hinweise zu dem, was am Ende sogar Wirklichkeit sein kann.

  11. @Tobias Jeckenburger(Zitat): Spiritualität kann man sogar gerade damit definieren, dass dies alles beinhaltet, was dem rein biologischem Modell widerspricht.

    Die spirituellen Erfahrungen unter Psychedelika widersprechen doch nicht dem biologischen Modell – ausser man reduziert das biologische Modell auf Messgrössen wie Blutdruck, Pupillengrösse, Herzfrequenz, etc..
    Psychedelika wirken aufs Hirn, mithin auf ein Organ, das bis jetzt ausschliesslich aus biologischem Material besteht.

    Tatsächlich wird der Begriff „biologisches Modell“ hier und wohl generell pejorativ benutzt. Zur Biologie im weiteren Sinne gehören aber alle Phänomene die bei der Spezies Mensch zu beobachten sind.

  12. @Holzherr 24.12. 14:42

    „Tatsächlich wird der Begriff „biologisches Modell“ hier und wohl generell pejorativ benutzt. Zur Biologie im weiteren Sinne gehören aber alle Phänomene die bei der Spezies Mensch zu beobachten sind.“

    Ja nun, wenn spirituelle Erfahrungen Effekte beinhalten, die nicht mit rechten Dingen zugehen, dann widerspricht das zumindest der üblichen naturalistischen Auffassung von Biologie wie auch dem biologischem Modell in der Psychiatrie.

    Wenn man sich hinreichend verbiegt, dann bringt man es dann aber doch fertig, alles dennoch reduktionistisch zu verbuchen. Jedenfalls widerspricht das dann aber dem Sinn und der eigentlichen Heilsamkeit der spirituellen Erfahrung, die meistens vor allem in Richtung einer größeren und vor allem geistigeren Welt geht.

    Übrigens nicht nur aufgrund entsprechender Substanzen, spirituelle Erfahrungen kann man auch ohne Drogen haben. Psychosen aber auch, das ist oft nicht weit davon entfernt. Wie man damit klar kommt, ob man das noch integrieren kann, das macht vielleicht den Unterschied.

    „Psychedelika wirken aufs Hirn, mithin auf ein Organ, das bis jetzt ausschliesslich aus biologischem Material besteht.“

    Ja, aber das Ergebnis ist ja gerade die Erfahrung, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht, und wir in einer weit größeren Welt leben als die des reinen Materials.

  13. Zitat Tobias Jeckenburger: wenn spirituelle Erfahrungen Effekte beinhalten, die nicht mit rechten Dingen zugehen

    Auch Deep Learning kann halluzinieren

  14. @Tobias: Die Biopsychiatrie kann immer nur neurobiologische Begleiterscheinungen von Erfahrungen beobachten…

    …über deren Wahrheitsgehalt kann sie, streng genommen, nichts aussagen.

    P.S. Tatsächlich war ich mal in einer Gesprächsrunde mit Nachwuchswissenschaftler*innen in Bonn. Ein junger Psychiater meinte, Menschen mit religiösen Überzeugungen hätten per se Wahnzustände. Weil dann sonst niemand widersprach (auch nicht die beiden erfahrenen Wissenschaftler, die die Runde leiteten, darunter eine Psychiaterin), musste ich als Agnostiker darauf hinweisen, dass man das nicht so sagen könne. So jemanden hätte ich jedenfalls nicht gerne als Arzt.

  15. @KRichard: Und täglich grüßt das Murmeltier

    Ich habe, glaube ich, schon einmal auf den Vergleich mit dem Geisterfahrer hingewiesen, der meinte, alle anderen seien Geisterfahrer. *seufz*

    P.S. Dass Sie jetzt auch noch meine englischsprachigen Kollegen (Mindwise) mit Ihren Theorien beglücken möchten, ist reine Zeitverschwendung. Aber na gut, wenn man sonst nicht zu tun hat…

  16. Menschen mit religiösen Überzeugungen hätten per se Wahnzustände

    Für die Religiösen, die mir bisher untergekommen sind, triffts zu. Wie anders soll man Glauben an abstrusensten Scheiß denn sonst bezeichnen.

  17. Ich stimme der Analyse von KRichard zu. Letzteres bedeutet dann aber dass man mit diesen Psychodelika auch keine in der Kindheit gemachten Glaubenssätze “umschreiben” kann, was nonsens ist da diese in Form von Mustern im Unterbewusstsein geprägt wurden. Psychodelika können also bestenfalls diese Muster betäuben bzw. zeitweise ignorieren. Mit diesen Drogen werden dann vielleicht durch Halluzinationen oder Wahnvorstellungen neue Muster geschrieben die aber die alten bestehenden Kindheitsmuster nicht löschen werden. Wenn diese Schamanen einstmals solche Mittel gaben dann wollten sie wohl eine Reise in die Unterwelt, sprich Unterbewusstsein, animieren, was letztlich ,ganz banal, die Suche nach den störenden Mustern bedeutet. Ohne Erkenntnis ,also ohne Bewusstsein der krankmachenden Gefühle, geht das nicht.Sogenannte “Spirituelle Erfahrungen”, also ERFAHRUNGEN, sind dann meiner Sicht nach auf den erhöhten Ausstoß von Botenstoffen (Dopamin) zurückzuführen .

  18. Die Befürworter des Holismus laufen immer Gefahr, dass sie den Boden unter den Füßen verlieren und schließlich in puren Spiritualismus oder Religion abgleiten. Wie bei jeder naturwissenschaftlichen Forschung müssen zuerst die Phänomene gründlich beobachtet werden; das ist bereits eine Form von Holismus. Dann kann man gezielte Experimente machen, wobei mit Psychodelika selbstverständlich besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind um Schädigungen zu vermeiden. Schließlich kommen die Biochemiker und Molekularbiologen ins Spiel. Die Grundhypothese muss naturwissenschaftlich sein.

    Es ist geradezu trivial, dass das Gehirn ein äußerst komplexes und entsprechend kompliziertes Organ ist. Charakteristisch sind unzählige Rückkopplungen auf allen Komplexitäts- bzw. Aggregationsstufen sowie eine hochgradige Redundanz. Einfache, lineare und eindeutige Kausalitäten bezüglich Wirkstoffen sind daher so gut wie ausgeschlossen. Daraus ergibt sich letztlich die durchaus berechtigte Forderung der Holisten nach ganzheitlicher Betrachtung. Aber der Holismus funktioniert nur dann zuverlässig, wenn die chemischen oder molekularen Wirkungen und Funktionen der einzelnen Substanzen und ihrer Bestandteile genau bekannt sind.

    Das Fazit ist, dass nur eine outside-in-Betrachtung infrage kommt, d.h. sowohl top-down analysierend als auch bottom-up synthetisierend. Forschung generell besteht aus Analyse und Synthese, also weder nur reduktionistisch noch ausschließlich holistisch. Die diesbezüglichen Glaubenskriege und gegenseitigen Vorhaltungen sind sinnlos.

  19. Zu diesem Thema passt ein aktueller Artikel der New York Times, der vermutlich aber nicht frei verfügbar ist:

    The Neuroscientist Who Believes in Miracles – How Would You Prove That God Performed a Miracle?

    Der Name des Neurowissenschaftlers, der sich – u.a. – mit Wunderheilungen beschäftigt, ist Josh Brown. Eine endgültige Antwort auf das große Rätsel kann auch er nicht geben.

    Well-documented testimonies can suggest that something very strange happened, but they can never settle the crucial question of causation; this is, whether you are religious or not, a matter of faith. So do efforts to prove miracles miss the point — and miss other signs of God’s presence?

  20. @Hakel
    Es gibt Erfahrungen, welche zeigen, dass man mit psychedelischen Drogen z.B. bei Depressionen sehr schnelle positive Effekte bewirken kann – allerdings nur bei leicht/mittelschwer erkrankten Patienten, die auch auf die herkömmlichen Therapien (Tabletten) positiv reagieren.
    Bei schwerer erkrankten Personen werden Psychosen negativ verstärkt.

    D.h. hier ist schon eine Grenze für die Verwendung psychedelischer Drogen erkennbar

  21. @Holzherr 24.12. 16:23

    „Auch Deep Learning kann halluzinieren.“

    Offenbar treten spirituelle Erfahrungen meistens zusammen mit Halluzinationen auf. Man muss also prüfen und einschätzen, will man nicht verrückt werden.

    @Stephan 24.12. 18:33

    „Die Biopsychiatrie kann immer nur neurobiologische Begleiterscheinungen von Erfahrungen beobachten……über deren Wahrheitsgehalt kann sie, streng genommen, nichts aussagen.“

    Auch hier muss man eben ganz konkret prüfen, was jetzt Fakt ist und ob das hilfreich sein kann.

    Ohne die Realitätsprüfung können wir erhebliche Schwierigkeiten bekommen. Das gilt nicht nur für Einzelne, das gilt auch für ganze Gemeinschaften. Offenbar geht Wahnsinn auch gemeinsam.

    @Uwe 25.12. 01:38

    „Für die Religiösen, die mir bisher untergekommen sind, triffts zu. Wie anders soll man Glauben an abstrusensten Scheiß denn sonst bezeichnen.“

    So soll es wohl eigentlich nicht sein. Glaube, Liebe, Hoffnung sind wirklich hilfreich. Aber man muss kritisch bleiben. Nicht jede Inspiration ist hilfreich, man muss immer prüfen, was das taugt. Halluzinationen und Täuschungen gehören zum Menschenleben dazu, damit muss man vernünftig umgehen und entsprechend alles prüfen, was zu prüfen ist.

    Die Folge ist:

    1. Vielfalt, es werden viele Wege gegangen.

    2. Wir müssen unseren Verstand auch in religiösen Fragen benutzen.

    3. Wir müssen uns auch auf den Handlungsebenen bewegen, und können die Arbeit nicht einfach den Göttern überlassen.

    Dann kann man sich auch Konzepte machen, die funktionieren können. Kultur entwickelt sich weiter, jeden Tag, irgendwo. Im Laufe der Zeit geht es voran. Lokale Rückschritte und zuweilen weite Umwege bleiben nicht aus. Es liegt aber auch an uns, was wir draus machen. Es lohnt sich immer wieder, auch mal genauer hinzusehen, was andere sich so denken, auch wenn es öfter mal Unsinn ist. Umwege erhöhen eben auch die Ortskenntnis. Und die Ortskenntnis ist umso wichtiger, je komplexer sich die Welt zeigt.

  22. @Hakel, KRichard: psychedelische Erfahrung

    Ich glaube, das ist sehr individuell und kann man nicht so allgemein sagen.

    Wie in allen Bereichen, gibt es auch hier Leute, die einfach etwas machen, weil es “in” ist…

    …aus persönlichen Erfahrungsberichten ist mir aber auch bekannt, dass manche Menschen in so einer Situation Denkmuster verstehen, die ihnen vorher nicht aufgefallen sind. Eine junge Frau erzählte mir beispielsweise einmal, dass sie bei einer Ayahuasca-Session dahinter kam, dass es nicht der Sinn ihres Lebens ist, ihrer Mutter alles recht zu machen. Das führte schließlich dazu, dass ihr eine große Last von den Schultern fiel.

    Ich beschäftige mich seit 20+ Jahren mit Philosophie/Meditation/Yoga und habe jetzt drei langfristige Psychotherapien gemacht. Menschen gehen unterschiedliche Wege. Heute muss für viele alles halt schnell gehen. Da ist die Verwendung einer Substanz verlockend. Wie nachhaltig die Veränderung dann ist, ist eine andere Frage.

  23. @Reutlinger: Holismus

    Mal abgesehen von der Frage, ob Ihre Charakterisierung wissenschaftlicher Forschung zutreffend ist, ist es nun einmal so, dass vor allem in den führenden Zeitschriften das reduktionistische Paradigma vorherrscht, was man zum Teil schon am Namen erkennt (z.B. Molecular Psychiatry).

    Schauen Sie sich z.B. die ganze Psychopharmakaforschung an: In aller Regel wird die ganze Komplexität der psychischen Störung auf irgendeine vorgegebene Frageliste reduziert, diese wird dann noch einmal auf eine Gesamtpunktzahl reduziert, denn damit kann man rechnen – und Ziel der medizinischen Behandlung ist dann die Reduktion dieser Zahl.

    P.S. Haben Sie dieses Beispiel etwa schon wieder vergessen? Neue Studie: Gibt es einen Schaltkreis für Religion und Spiritualität im Gehirn?

  24. @Schleim

    Aus Biological Psychiatry, 2021 zur Studie von Ferguson:

    „Es ist uns aber wichtig zu betonen, dass unsere Ergebnisse nicht bedeuten, dass alle religiösen Personen der Geschichte an einem Hirnschaden litten oder dass Parkinson und Atheismus miteinander verknüpft sind. Stattdessen unterstreichen unsere Resultate, dass die Spiritualität des Menschen tiefe Wurzeln hat und eng mit grundlegenden Funktionen verknüpft ist.“

    Man muss kein Neurowissenschaftler sein um zu sehen, dass die Ergebnisse der Studie zwar interessant, aber in keiner Weise sensationell sind. Religiosität hat nun mal mit Urängsten und Urbedürfnissen des Menschen zu tun. Wer sich mit Holismus und solch abstrakten Begriffen begnügt, kommt über Spekulationen nicht hinaus.

    Man kann reduktionistische Forschung, ich würde es analytische Forschung nennen, kritisieren, aber sie ist absolut unausweichlich, um Phänomene bis zum Grund erklären zu können. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um psychedelische oder religiöse Phänomene handelt. Wenn man die Substanzen genau kennt, wie bspw. LSD oder Halluzinogene, dann kann man bottom-up synthetisierend schrittweise ihre Wirkungen nachverfolgen bis zu den ganzheitlichen Phänomenen.

    Es ist trivial, dass die Wirkungen solcher Substanzen nicht auf der rein biologischen Ebene zu verstehen sind. Das fordert und behauptet niemand. Eine andere Frage ist, ob die Wirkungen aus medizinischen wie aus ethischen Gründen durchgehend erforscht werden können.

    Wenn die Furcht vor den Naturerscheinungen, die Besorgnis, der Tod habe für uns vielleicht doch etwas zu bedeuten, und die Unkenntnis über die Grenzen der Schmerzen und Begierden uns nicht beunruhigten, dann brauchten wir keine Naturerkenntnis.

    Epikur (340-270)

  25. @Reutlinger: Reduktionismus

    Jetzt wechseln Sie – schon wieder – das Thema. *seufz*

    Eine Hauptkritik an der Studie war doch, dass fragwürdige Fragebögen verwendet wurden, um Spiritualität zu messen. Das ist auch eine Reduktion – nämlich von Spiritualität auf ein paar Fragen. (Gerade verwies ich auf dieses Vorgehen bei der Erforschung psychischer Störungen.) Wenn man nicht weiß, was für ein Phänomen man überhaupt untersucht, sind die Daten relativ wertlos.

    Wir hatten im Zusammenhang damit hier z.B. auch einen Dr. Mende, der diese Studie als Lokalisierung von Spiritualität im Gehirn verstand.

    Ein spezieller Reduktionismus, im Sinne des Neurodeterminismus (> zehn Jahre alt), war hier immer wieder Thema. Ich werde es müde, immer wieder dieselben Grundlagen zu wiederholen.

  26. @Stephan Schleim
    25.12.2022, 09:00 Uhr
    Was unterscheidet den religiösen Glauben vom astrologischen oder homöopathischen Glauben außer der Eigenschaft, daß die Anhänger des esteren stärker zu Gewalttätigkeiten neigen?

    [Die allermeisten Menschen mit religiösem Glauben (nebenbei: das ist der größte Teil der Menschheit) ist nicht gewalttätig. Verbreiten Sie hier keine stigmatisierenden Vorurteile. S. Schleim]

  27. Ein paar Beispiele

    Warum Franziskus das Schlagen von Kindern befürwortet

    ttps://hpd.de/artikel/11168

    Nach Angaben von Studienleiter Christian Pfeiffer zeigten die Daten, dass sich mit zunehmernder Religiosität offenbar stärker gewaltorientierte Erziehungsmethoden der Eltern ergeben würden.

    ttps://www.sueddeutsche.de/kultur/glaube-und-erziehung-schlaege-im-namen-des-herrn-1.1012765

    Der deutsche Gesetzgeber hat da das gleiche Vorurteil. Um Gewalttaten (der Religiösen) zu vermeiden gibt es §166 StGB, welcher die Meinungsfreiheit bzgl. Religionen einschränkt.

  28. @Uwe: Es ging hier im Artikel überhaupt nicht um Religion.

    Wie Sie laufend vom Thema abweichen und polemisieren, sehe ich als Hinweis darauf, wie manche Religionshasser “ticken”.

  29. @Stephan Schleim
    in ihrem Kommentar vom 24.12. 18:33

    Menschen mit religiösen Überzeugungen hätten per se Wahnzustände. Weil dann sonst niemand widersprach (auch nicht die beiden erfahrenen Wissenschaftler, die die Runde leiteten, darunter eine Psychiaterin), musste ich als Agnostiker darauf hinweisen, dass man das nicht so sagen könne.

    haben Sie sich als Verteidiger des/der Religiösen selber auf die Schulter geklopft. Das hat meinen Widerspruch gestartet. Mich hat meine religiöse Erziehung zum Religionshasser (Hass=heftige, leidenschaftliche Abneigung) gemacht, Sie hat man zum Religionsbefürworter erzogen. Wenn am religiösen Lack gekrazt wird, reagieren Sie doch etwas dünnhäutig. Gab es bei Ihnen schon einen Artikel über religiöse Prägung?

  30. zum Thema:
    Für therapeutische Zwecke werden psychedelische Drogen mit einer ca. einstündigen Infusion gegeben. Eine positive Wirkung tritt sofort ein und hält mehrere Tage an.

    Werden Patienten mit Tabletten behandelt, dauert es mehrere Wochen bis diese richtig medikamentös eingestellt sind.

    D.h. psychedelische Drogen sind für kurzfristige Hilfe eine Möglichkeit – für einen nachhaltigen Behandlungserfolg muss man wie bisher mit Tabletten arbeiten.

    @hauptschueler
    Was/Wie wir denken beeinflusst direkt unsere eigene Gesundheit *). Langzeituntersuchungen in USA haben gezeigt, dass Menschen mit einer positiven Lebenseinstellung eine 11-15% höhere Lebenserwartung haben.
    Man kann selbst entscheiden, was/wie man denkt.
    D.h. wenn Sie hassen – ganz egal was/wen – dann verkürzen Sie Ihre Lebenszeit.

    *) mit jedem Gedanken werden sofort alle zu einer ERFAHRUNG gehörenden Bestandteile reaktiviert: a) Faktenwissen, b) Körper-Reaktion, c) Sinnes-Reaktion, d) Immunsystem-Reaktion und e) Emotionen. Fachbegriff: predictive coding/processing
    D.h. positive/negative Gedanken wirken sich sofort positiv/negativ auf das eigene Befinden aus.

  31. @Uwe: Wahnzustände

    Nein, ich habe überhaupt nichts verteidigt, sondern eine zutreffende Aussage zum Thema “Wahnzustände” gemacht – die übrigens mindestens seit Jaspers auch herrschende Meinung in der Psychiatrie ist, doch wahrscheinlich schon viel länger.

    Vielleicht möchten Sie aber einmal das Jahresende zur Reflexion nutzen und darüber nachdenken, warum Sie mir wie ein Dogmatiker vorkommen, der von einem Thema (hier: Wahnzustände) keine Ahnung hat, sich trotzdem eine starke Meinung erlaubt, Menschen scheinbar in ein Freund/Feind-Schema einordnet und dem großen Teil der Menschheit eine (zumindest latente) Geisteskrankheit attestiert. Was für eine Überheblichkeit!

    Aber auch Ihnen wünsche ich: Frohe Weihnachten 😉

  32. @ hauptschüler

    Worum geht es hier eigentlich?
    Um Regeln.
    Religionen sind die ersten Instrumente um so fundamentale Abstrakra wie Sex,Familie,Gesellschaft,Nahrung,Wohnen usw.,die sich gerade mit der Sesshaftigkeit verbinden, zu organisieren.
    Der Bezug zu Psychedelika ist des gleichen Ursprungs.
    Es geht um die Auseinandersetzung,wie man deren Gebrauch und Nutzen regelt,organisiert.
    Dabei ist es wie bei jedem Diskurs,jeder Debatte,dass es hardliner und liberale gibt.
    Kern dieser Auseinandersetzungen ist die Kontrolle und die Hoheit über die Kontrollausübung über verfasste Regeln.
    Es geht also nicht so sehr um Inhalte,sondern,wie immer wieder zum Schluss,um die Machtfrage.
    Prägung ist Teil des Lernens und des Lernerfolges. Sicherlich,auch meine Ansicht,der unterschätzteste Aspekt bei und mit Lernen.
    Heiligabend hatten sich vier syrische Jugendliche neben mich in den Zug gesetzt und sich auf Kauderdeutsch,immerhin, über Mädchen und Religion und Alkohol und Autos unterhalten.
    Hervorragende Stichprobe!
    Erinnerte mich an die Achtziger Jahre im Westen und deren Jugendkultur.
    Recht haben und sich Recht nehmen ist ein dynamischer Prozess in der Offenen Gesellschaft.
    Wir sollten jedoch nicht meinen, es gäbe eine Umkehrung,trotz Widerständen, dieses Prozesses.
    Übrigens haben die Indigenen Kulturen erheblichen Vorsprung bei der Verwendung von ‘Geistesmittelchen’ gehabt und haben es noch,um unseren Dialismus von Natur-Kultur,Leib-Seele zu überwinden.
    Ich empfehle ‘Die Evolution des Wissens’ von Jürgen Renn.

  33. @ hauptschüler

    Eines der Schlüsselwörter in der Unterhaltung dieser Jugendlichen war:”Vorgeschrieben’!

    Denken Sie mal darüber nach,in seiner umfassenden Bedeutung.

  34. @Schleim
    Eine Hauptkritik an der Studie war doch, dass fragwürdige Fragebögen verwendet wurden, um Spiritualität zu messen.

    Spiritualität, Religiosität, psychische Phänomene sind keine Naturerscheinungen, man kann sie nicht objektiv von außen erkennen. Was macht ein Psychiater (m/w/d) oder Psychotherapeut zu Beginn einer Therapie? – Er stellt den Betroffenen viele Fragen! Um die Phänomene zu verstehen, muss man sie analysieren, Korrelationen zu tieferen Ebenen herausarbeiten, also reduktionistisch vorgehen. Das gilt für psychedelische Phänomene genauso wie für das Verstehen von Religiosität und Spiritualität, weil sie neben den allgemeinen Attributen die eigentlich wesentlichen subjektiven und individuell verschiedenen Attribute aufweisen.

    Standardisierte Fragebögen sind gut geeignet, um ganze Kohorten zu befragen, Resultate zu vergleichen und statistische Auswertungen vorzunehmen, um Korrelationen zu erkennen; genau so wie Ferguson es in seiner Studie gemacht hat. Es wäre wohl sehr naiv zu glauben, dass Forschung sich darin erschöpft.

    So wenig wie man die Wirkung von Substanzen allein auf der biologischen Ebene erklären kann, so wenig kann man Phänomene allein auf der holistischen Ebene erklären. Ich frage mich, welche Vorstellungen Sie von Forschung haben.

  35. @reutlinger: holistischer Ansatz

    Was soll dieses Schattenboxen? Ein holistischer Ansatz ist gerade nicht reduktionistisch, denn das ist ja das Gegenteil.

    Im biopsychosozialen Modell ist alles enthalten, auch die Biologie/der Körper. Melden Sie sich, wenn Sie ein geeigneteres Modell haben, anstatt hier so viele leere Worte zu verbreiten.

  36. @ Schleim

    Wenn Sie es so formulieren,dann sind Reduktionismus und Holismus Komplementäre und wir drehen uns auch hier im Kreis,welches mit dem Erkennen von Zeit übereinstimmt… 😉

  37. @Schleim
    Wenn Sie im holistischen Modell die unteren Ebenen begrifflich einschließen, dann gebe ich Ihnen recht. Aber das ist dann auch trivial. Von oben nach unten kommt man jeweils nur reduktionistisch weiter; und das ist unumgänglich. Ein Schattenboxen ist für mich die Ablehnung des Reduktionismus.

    Die meisten Substanzen oder Module haben vielerlei Wirkungen und Wirkungsorte auf höheren Ebenen, so dass ein rein holistischer Ansatz nicht zum Ziel führt. Jede einzelne Zell-DNA kann individuelle Auswirkungen auf die Umgebung haben. Dazu kommen diverse Rückkopplungen. Reduktionistische und holistische Ansätze bedingen sich gegenseitig, es gibt nicht das Eine ohne das Andere.

    Kein Forscher kann den ganzen Organismus oder Menschen im Blick haben. Jeder muss sich auf kleine Ausschnitte begrenzen. Jede Studie beschreibt einen solchen Ausschnitt. Diese ganze Diskussion um Holismus oder Reduktionismus ist nach meiner Meinung ein abgehobenes Schattenboxen.

  38. @reutlinger: Holismus in der Praxis

    Schauen Sie sich doch einfach mal an, wie die (gute) Psychedelikaforschung funktioniert, um zum Thema zurückzukehren und anstatt hier sinnlose Diskussionen zu führen:

    Die Personen sind in einem bestimmten sozialen Kontext, der mit Erwartungen einhergeht und die Wirkungsweise der Substanz beeinflusst (soziale Ebene). Die Versuchspersonen haben dann bestimmte individuelle Erfahrungen (psychologische Ebene). Diese versucht man, in Zusammenhang mit der verabreichten Substanz zu erklären (z.B. Serotonin-Rezeptoren in der Großhirnrinde; biologische Ebene).

    Die so zustande kommende Erklärung ist integrativ, weil sie die verschiedenen Ebenen in Zusammenhang bringt (holistisch), anstatt eine durch die andere zu ersetzen (reduktiv).

    Noch einfacher und deutlicher kann ich es Ihnen nicht erklären. Wie gesagt, melden Sie sich, wenn Sie ein besseres Modell gefunden haben als das biopsychosoziale und damit holistische Erklärungsmodell.

  39. Wenn ich das Thema „psychedelisch“ als Laie hier verfolge, dann sehe ich drei Richtungen.
    1. Wie wirken Psychedelika
    2. Wie soll man Depressioinen behandeln
    3. ist der Psychater ein Handlanger der Neurologie oder ist der Psychater ein Seelsorger.
    Alle drei Denkrichtungen hängen zusammen und haben das gleiche Ziel, den Menschen zu helfen.

    Für unseren Hardliner Uwe , Die christliche Religion hat eine zweitaussenjährige Erfahrung mit Depressionen und bietet zwei Lösungen an : 1. die Beichte 2. den Glauben.
    Die Gläubigen beten : …aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.

  40. Ich vermute mal, dass Holismus im Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen letztlich bedeutet, dass man den Patienten als Individuum sieht, welches nicht nur psychisch krank ist, sondern welches in seiner Ganzheit, seinem Leben und seinem Lebenssinn von der Krankheit betroffen und in Frage gestellt ist.

    Allerdings gilt: die moderne Psychiatrie kennt diesen holistischen Blick schon lange. Nur sind die Psychiater bis heute mehrheitlich der Ansicht, dass es bei vielen schweren psychiatrischen Erkrankungen zuerst einmal darum geht, den Patienten gewissermassen „zurückzuholen“, ihn in einen Zustand zu versetzen, wo er wieder normal ansprechbar ist und überhaupt erst zugänglich wird für eine psychologische/psychotherapeutische Therapie.

    Beim Einsatz von Psychedelika kommt allerdings etwas hinzu, nämlich die Unberechenbarkeit/Unvorhersehbarkeit dessen, was Psychedelilka für Erlebnisse bewirken. Hier ist es sicher sinnvoll, vielleicht sogar nötig, eine sichere Umgebung zu schaffen und wenn möglich die Richtung zu beeinflussen in die die Erlebnisse nach der Einnahme von Psychedelika gehen.

    Wenn hier Stephan Schleim das biopsychosoziale Modell dem holistischen entgegensetzt, dann wirft er im Prinzip der Schulpsychiatrie vor, den Patienten als Individuum zu vernachlässigen und ihn mit einer Art Knopfdruckmedizin zu behandeln, welche einfach die Hirnchemie verändern will ohne den Patienten als Ganzes zu sehen.

    Ich denke, viele Psychiater sehen sich durch diese Sichtweise verunglimpft, denn selbst wenn sie zum Urteil kommen, dass zuerst einmal bestimmte Medikamente angezeigt sind, heisst das nicht, dass sie nicht auch den ganzen Menschen sehen, der hinter dem konkreten Krankheitsfall steht.

  41. Martin Holzherr,
    eine gute Zusammenfassung !
    Auch Zahnärzte können sich verunglimpft fühlen, wenn die Patienten Angst vor ihm haben. Sie gehen nicht zum Zahnarzt, weil sie bei ihm eine Spritze bekommen. Die Angst vor der Spritze ist stärker als die Angst vor dem Zahnschmerz.
    Also , der Zahnarzt muss auch ein Seelsorger sein, der dem Patienten die Angst vor der Behandlung nimmt.
    Übertragen auf den Psychater, der sollte zuerst die holistische Seite sehen und dann erst zu Medikamenten greifen.

  42. @reutlinger 26.12. 11:35

    „Kein Forscher kann den ganzen Organismus oder Menschen im Blick haben. Jeder muss sich auf kleine Ausschnitte begrenzen. Jede Studie beschreibt einen solchen Ausschnitt.“

    Forschung, Behandlung von konkreten Patienten und generelle persönliche Lebensmodelle sind dann wohl 3 verschiedene Dinge.

    Die chemische Wirkung der Psychedelika auf Synapsen sind sicherlich ein interessantes Detail. Zusammen mit vielen anderen neurologischen Details ergibt sich eine gewisse Sammlung, allerdings eine, die nur ganz wenige Bruchstücke im Leben eines konkreten Menschen ausmacht. Das ist dann der Stand der Forschung.

    Ein Psychiater, der einen konkreten Menschen vor sich hat, der sich wünscht, seine Depression los zu werden, der muss anders vorgehen, wenn das funktionieren soll. Er muss eben Lösungen finden, die bei diesem konkreten Menschen funktionieren. Wenn hier die Interaktion durch Psychedelika als Heilmittel angewendet wird, dann muss der ganze Mensch mitbehandelt werden. Man muss erklären, wie das funktionieren soll, man muss den Patienten in einem Gespräch vorbereiten, welche Effekte durch die Psychedelika zu erwarten sind. Dann muss man genau gucken, wie die Behandlung dann konkret wirkt, und noch in Gesprächen ausarbeiten, wie man auf der Basis der neuen Erfahrung eine bessere Lebenseinstellung gewinnt, die man in der sozialen Praxis des Lebens anwenden kann.

    Wir müssen aber keine Kranken behandeln. Wenn es aber um die persönlichen Lebensmodelle geht, dann sind wir wohl hier in dieser Diskussion genau dabei, uns hier auszutauschen. Wir haben hier keinen Psychiater, der Patienten behandeln muss, und auch keine Patienten, die Hilfe suchen. Es geht einfach um den Luxus konsistenter Weltmodelle.

    Und das finde ich eben interessant. Wir müssen uns auch eigentlich gar nicht auf ein Modell einigen. Ein Versuch eines Holismus ist möglich, auch wenn wir die konkreten Fakten nur sehr lückenhaft zur Verfügung haben. Man kann das aber auch einfach aufgeben, und zu einem Thema keine Meinung haben.

    So würde ich dann einen Reduktionismus als eben keine Meinung einstufen. Nur die Theorie, dass alles auf der neurologischen Basis geklärt sein muss, wenn wir den Menschen verstehen wollen, hat eben die Konsequenz, dass wir angesichts mangelnden Wissens über die neurologischen Details hilflos sind, und eigentlich nichts verstehen und auch kaum was machen können.

    Wie gesagt, ein guter Psychiater braucht auch Menschenkenntnis, und einen persönlichen und menschlichen Zugang zu seinen Patienten, was er nicht so einfach an der Uni lernen kann.

  43. Wenn man sich die Sache von weit oben anschaut, dann gibt es vier Ebenen von Akteuren: die Gesellschaft, der Patient oder Proband, der Arzt als Diagnostiker und Therapeut, die Pharmakologen. Parallel dazu gibt es zwei Ausgangssituationen: die Krankheit oder Störung als vorgegeben, dagegen das Medikament oder die psychedelische Substanz als vorgegeben. Daraus folgen unterschiedliche Vorgehensweisen für die Forschung.

    Der Patient will möglichst schnell wieder gesund werden, folglich macht der Arzt eine Diagnose anhand der Befragung und Untersuchung des Patienten und verabreicht ein bereits verfügbares Medikament. Erst in schweren oder erfolglosen Fällen werden Fachärzte eingeschaltet, die medizinische Forschung betreiben.

    Es ist also ein Unterschied, ob man die (Pharma)Forschung oder das Gesundheitssystem kritisch ins Visier nimmt. Bei religiösen Menschen wird man nicht nach Medikamenten forschen, während psychedelische Substanzen in aller Regel durch Zufall gefunden werden, auch bei den indigenen Völkern mit jahrtausendelanger Erfahrung mit Nahrungsquellen.

    Man kann von soziologischen Phänomenen auf psychologische und gesundheitliche Phänomene schließen, oder umgekehrt. Man kann von psychologischen Phänomenen auf biologische Ursachen schließen oder umgekehrt. Das biomedizinische Paradigma ist nicht das Problem, die Pharmaforschung ist es auch nicht. Ein Problem ist, dass gesunde Menschen die Probleme von kranken (süchtigen) Menschen erforschen.

  44. @Holzherr 26.12. 12:48

    „Ich denke, viele Psychiater sehen sich durch diese Sichtweise verunglimpft, denn selbst wenn sie zum Urteil kommen, dass zuerst einmal bestimmte Medikamente angezeigt sind, heisst das nicht, dass sie nicht auch den ganzen Menschen sehen, der hinter dem konkreten Krankheitsfall steht.“

    In der Tat ist die Arbeit des Psychiaters schwierig.

    Das biopsychosoziale Modell hat aber insbesondere noch den sozialen Faktor. So sind viele psychische Krankheiten, die einen Klinikaufenthalt erfordern, so schwerwiegend, dass sie eine lebenslängliche Langzeitarbeitslosigkeit nach sich ziehen. Diesen sozialen Faktor kann der Psychiater kaum behandeln, man müsste dem Patienten irgendwie eine erfüllenden Beschäftigung verschaffen, was meisten schlichtweg unmöglich ist.

    Der Patient schlägt sich dann irgendwie durch, einige finden in Behinderteneinrichtungen Beschäftigung, oder finden ein Ehrenamt, oder auch hier und da mal einen Minijob. Hier wären gesellschaftliche Veränderungen nötig, mit mehr niederschwelligen Beschäftigungsmöglichkeiten und auch mit mehr Akzeptanz für unproduktive Lebensweisen.

    Dafür ist der Mediziner dann aber nicht mehr zuständig.

  45. Holistische Therapie versus holistische Forschung
    Zitat anton reutlinger:

    Kein Forscher kann den ganzen Organismus oder Menschen im Blick haben. Jeder muss sich auf kleine Ausschnitte begrenzen. Jede Studie beschreibt einen solchen Ausschnitt. Diese ganze Diskussion um Holismus oder Reduktionismus ist nach meiner Meinung ein abgehobenes Schattenboxen.

    Ja, Forschung hat fast immer ganz konkrete Fragestellungen und wenn sie naturwissenschaftlich ist, geht es um reproduzierbare Experimente oder theoretische Schlussfolgerungen, die nachvollziehbar sind.
    Herauszufinden, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ entspricht vielleicht dem Wunsch, der Motivation eines Physikers, aber es gibt keine Doktorarbeit mit diesem Titel. Zur Blütezeit der Stringtheorie warf man etwa einigen Stringtheoretikern vor, sie wüssten inzwischen nicht einmal wer, welche Elementarteilchen es gebe, sprächen aber von hypothetischen Strings in einem 11-dimensionalen Raum-/Zeitkontinuum. Für einen Physiker ein ernst zunehmender Vorwurf, denn Herumschwadronieren ist das, was ein Naturwissenschaftler nicht darf.

    So etwas wie eine holistische Forschung gibt es wohl nicht. Wohl aber einen holistischen Ansatz in Bezug etwa auf die Therapie einer Person oder in der Sicht einer Organisation, der jemand vorsteht. Holistisch bedeutet letztlich, dass es um mehr geht als eine konkrete Fragestellung, es geht um das Ganze. „Operation erfolgreich, Patient gestorben“ ist holistisch gesehen ein Totalversagen, wenn es auch operationstechnisch ganz anders aussieht.

  46. Folgendes zu Reduktionismus und Holismus:
    1. Nehmen wir ein Netz. Die Untersuchung der Knoten dieses Netzes bedeutet die Analyse (nicht die Reduktion). Das Netz als Ganzes, ausgehend von den Knoten, zu erklären, ist Reduktionismus. Dies ist für alles Nichtlebendige zulässig, wobei zu berücksichtigen ist, dass z.B. Planetenbahnen unter Berücksichtigung des ganzen Sonnensystems erklärt werden müssen (schwache Emergenz).
    2. Auch für lebende, sich entwickelnde und verändernde Netze ist die Analyse unabdingbar. Ihre Erklärung, ausgehend von den Knoten, ist dagegen unmöglich, denn lebende Netze können nur holistisch (besser sind hier Begriffe wie Emergenz oder Struktur) erklärt werden. Wer versucht, das komplexe, differenzierte Verhalten eines lebenden Netzes physikalistisch zu erkären, also aus dem einzelnen Knoten heraus, wird es nie verstehen können. Warum? Weil Leben nur aus der Art und Weise erklärbar ist, wie tote Bausteine zusammenarbeiten, also aus der Struktur (starke Emergenz).

    Das bedeutet, dass man einen methodologischen Unterschied zwischen Leben und Nichtleben hinsichtlich der Seite der Erklärung machen muss, nicht hinsichtlich der Seite der Analyse der einzelnen Bausteine.

    Was diese lebendige Struktur ausmacht, muss natürlich formuliert werden, wenn es keine Worthülse sein soll. Aber das führt hier zu weit.

  47. @ Stegemann

    Sie versuchen auch von ‘wie’ auf ‘was’ zu schliessen.
    Was ist aber,wie?
    Was-wie und wie-was?!
    Herje…wie hängt das bloß zusammen…?

  48. Freud hat das mit dem Ich und Es gesagt.
    Oder mit dem Es und Ich?
    Mein Ich-Es oder Es-Ich kommt da mit und-oder/wenn-dann total durcheinander.

  49. Das biopsychosoziale Modell ist ein schönes Ideal, in seiner Allgemeinheit aber unrealistisch. Schon die Fachbereiche und die nötigen Fachkompetenzen sind dafür viel zu sehr gegliedert und breit gestreut. In einzelnen Forschungsprojekten sind fachübergreifende Kooperationen dagegen durchaus schon Realität, auch mit beachtlichen Erfolgen.

    Ein Problem bei der Erforschung komplexer Systeme wie dem Menschen ist auch die zeitliche Verteilung der Forschungserfolge. Einzelne Bausteine sind schon gut erforscht, andere noch gar nicht. Da versagt dann auch das biopsychosoziale Modell. Selbstverständlich ist hier die Integration der einzelnen Forschungsresultate von entscheidender Bedeutung für das Ganze. Kein Forscher kann den Menschen und die Forschung insgesamt überblicken.

    Die psychologische, soziale und soziologische Ebene der Forschung sind jeweils bedeutender für den gesunden Menschen als für den kranken oder süchtigen Menschen. Der kranke Mensch muss bei der Anamnese nach seinen konkreten Befindlichkeiten und Leiden gefragt werden und die Antworten werden kein vollständiges Bild ergeben können. Beim gesunden Menschen wiederum ist die biologische Ebene eher in Form von allgemeiner Gesundheitsberatung relevant, weniger bezüglich der Erforschung spezieller Substanzen.

    Das biopsychosoziale Modell kann eine Orientierung sein sowohl für das Forschungs- als auch für das Gesundheitssystem. Die Forschungsstrategien – top-down oder bottom-up – bleiben davon unberührt.

  50. @ Anton Reutlinger

    Ich schätze Ihre Beiträge, auch wenn ich nicht immer exakt der gleichen Meinung bin. Im übrigen denke ich dass Sie und Stephan Schleim eigentlich einer Meinung sind in dem was Sie und Schleim geschrieben haben. Gut, Sie haben dort den Begriff “biopsychosoziales Modell” für Ihre Erklärungen nicht in den Mund genommen. Aber das was Sie geschrieben und ausdrückt haben ist letztendlich das gleiche bzw. beinhaltet eine holistische Sichtweise (oder wie auch immer man das nennen möchte). Von daher sehe ich keinen Widerspruch.

    Ich kenne übrigens beide Seiten, sowohl die Patientensicht als auch die theoretische. Aufgrund schwerster Depressionen und Problemen war ich früher selbst in der Psychiatrie und Jahre in Psychotherapie. Darauf habe ich Psychologie studiert, ein Praktikum in einer Psychiatrie absolviert (und somit die andere Seite gesehen). Heute arbeite ich rein theoretisch in den Neurowissenschaften.

    Meine Meinung ist grundsätzlich folgendermaßen: die Praxis in der Psychiatrie auf der einen und die theoretische Wissenschaft auf der anderen Seite sind zwei Welten. Beide sind so weit voneinander entfernt wie die Erde vom Mars. Es gibt nur sehr wenige Menschen die wirklich interdisziplinär haben (und dafür das Wissen, die Intelligenz, die Mittel, die Zeit, etc. besitzen).

    Die meisten Menschen arbeiten in ihrem kleinen Bereich. Die meisten Psychiater, das behaupte ich jetzt mal, sind reine Praktiker. Die lesen auch keine neurowissenschaftlichen (“biologischen”) Studien oder so. Dafür haben die gar keine Zeit.

    Deshalb halte ich die hier geführte Diskussion für relativ abstrakt. Man kann das theoretisch, ja fast schon philosophisch, natürlich alles fein diskutieren. Aber was davon hat wirklich mit der Praxis zutun? Bis auf wenige Ausnahmen leider nicht viel.

  51. @Stegemann 26.12. 17:56

    „Was diese lebendige Struktur ausmacht, muss natürlich formuliert werden, wenn es keine Worthülse sein soll. Aber das führt hier zu weit.“

    Das Lebendige ist ja auch ein adaptives System, dass eben funktioniert. Es muss das tun, sonst würde es ja nicht funktionieren und niemand könnte es untersuchen. Auf a folgt b, c, d, und e und dann wieder a. Nur wenn das System krank ist, folgt auf e keine a, sondern f und g, wobei f eine Krankheit und g der Tod sein kann.

    Erst jetzt wird es kritisch, und wir müssen uns Gedanken machen, wie wir helfen können. Erst jetzt ist es wirklich wichtig, zu verstehen, wie das alles funktioniert.

    @reutlinger 26.12. 20:35

    „Die psychologische, soziale und soziologische Ebene der Forschung sind jeweils bedeutender für den gesunden Menschen als für den kranken oder süchtigen Menschen.“

    Man steht eben mitten im Leben, mit eigenen psychologischen Eigenschaften und Konzepten, mit sozialen Beziehungen in einem gesellschaftlichem Kontext. Wird man psychisch krank, gerät hier alles durcheinander. Das macht ja die Behandlung so schwierig. Es reicht eben zu oft nicht, einfach das richtige Medikament zu nehmen, so hilfreich das sein kann.

    Und hier kommt jetzt zum Tragen, dass man in einem florierendem Sozialleben lebt, ohne dem man als Mensch nicht gut klar kommt. Und wir nicht sonderlich genau wissen, welche psychologischen Eigenschaften man denn dafür braucht, und entsprechend nicht so recht wissen, wie wir als Gesunde denn überhaupt klar kommen.

    Und entsprechend die schwierige Aufgabe, ein Sozialleben wieder aufzubauen, dann öfter nicht so recht gelingt. Ganz konkret braucht man etwa eine vernünftige, ausfüllende Beschäftigung, die vom eigenen sozialen Umfeld hinreichend anerkannt wird.

    Natürlich ist es auch interessant, ein psychisch gesundes Leben erfolgreich zu untersuchen. Ein interessanter Ansatz ist die Resilienzforschung, die guckt wie es einigen Menschen besonders gut gelingt, mit Schwierigkeiten klarzukommen, an denen andere scheitern. Man kommt entsprechend nicht da dran vorbei, dann doch zu verstehen, wie die lebendigen Systeme funktionieren und erfolgreich adaptiv sein können.

    Soweit hier tatsächlich Neurotransmitterstörungen eine Rolle spielen, können Medikamente dann aber auch den entscheidenden Unterschied machen. Und auch eine soziale Begleitung z.B. durch Betreutes Wohnen und Behindertenwerkstätten können zu einem brauchbarem Zustand entscheidend beitragen.

    Wenn man wieder auf die Beine kommt, und die Systeme wieder laufen, dann muss man so genau gar nicht mehr wissen, wie das Leben funktioniert und eben rundläuft.

    Perspektivisch ist es natürlich auch interessant, an unserer Kultur zu arbeiten. Wirtschaftliche, ökologische, politische und weltanschauliche Probleme haben wir genug. Da mag mehr Verständnis, wie wir und unser Miteinander denn im Detail funktionieren, ganz oben auf der Liste zu stehen.

  52. @ Philipp

    Ich denke, die Unterscheidung in Abstraktion und Konkretheit und die Frage, was Abstraktion ist und wie sie entsteht, wie Abstraktion und Konkretheit zusammenhängen, dürfte der Kern der Psychlogie/Psychartrie sein.
    Die Suche nach Biomarkern ist sehr konkret, da materiell. Aber der Begriff und die Bedeutung Biomarker ist Abstraktion und trotzdem materiell, weil da.
    Wie kann das sein?
    Bei Transzendenz denken schlägt das Pendel in die “absolute” Abstraktion. Aber selbst dann ist es irgendwie wirklich, weil spürbar.
    Von dem Gedanken, Abstraktion allein “deterministisch operationalisierbar” zu machen bzw. sein zu lassen, hab ich mich verabschiedet….

  53. Mussi,
    ergänzend zu Abstraktion,
    das Denken ist Abstraktion. Man lasse Kleinkinder Menschen zeichnen. Was zeichnen sie ? Sie zeichnen Kopffüßler. Köpfe an denen Beine sind.
    Und das Denken verläuft in Schüben.
    Ein wichtiger Wendepunkt ist das Erkennen den Mengenkonstanz. Man schütte vor den augen eines Kleinkindes das Wasser eines großen Glases um in zwei kleinere Gläser. Auf die frage , wo ist jetzt mehr Wasser drin im großne glas oder in den zwei kleineren Gläsern. Die meisten Kinder sagen, in den zwei kleinen Gläsern ist mehr Wasser drin.
    Wann hattest Du deinen letzten Schub.

  54. Biopsychosoziales Modell

    Ist schon irgendwie lustig: Erst definiert man ein „biomedizinisches Modell“ so, dass die Lebensumwelt und mentale Verfasstheit (vulgo: „Psyche“) des Patienten keine Rolle spielt, stellt dann aber fest, dass das, was man zuvor wegdefiniert hat, doch irgendwie wichtig ist und kreiert sodann das „biopsychosoziale Modell“.

    Gut, mag sein, dass der historische Ablauf anders war, aber das ist halt der Eindruck, der sich einem wie mir aufdrängt.

  55. Balanus,
    “sozial” kostet immer Geld. Biopsychosozial ist am teuersten. Hört sich aber gut an. Besonders das Wort “bio”. Was ich vermisse, die Lebensumwelt von Frauen ist etwas verschieden von Männern. Also das muss auch noch rein, “biogenderpsychosozial”.

  56. @Balanus: Modelle

    Historisch war es in der Tat anders. Holistische Modelle waren eher die Regel als die Ausnahme. Man hatte eben auf der rein biologischen Ebene vor dem 20. Jahrhundert auch sehr begrenzte Mittel.

    Im 20. Jahrhundert nahm dann die Überheblichkeit wegen der Fortschritte v.a. der Genetik zu. Man weiß ja, zu welchen sozialen Verwerfungen das bis ins Dritte Reich und zum Teil sogar noch viel länger geführt hat (z.B. Stigmatisierung, Eugenik, Zwangssterilisierung, Euthanasie).

    In den 1970ern konnte man dann übers biopsychosoziale Modell sogar in Science publizieren.

    Danach kam aber mit der molekularen Biologie, wie du Sie wahrscheinlich besser kennengelernt hast, dem Humangenomprojekt und der “Dekade des Gehirns” (1990ern) wieder eine sehr starke reduktionistische Gegenbewegung.

    Und jetzt steht man wieder mit relativ leeren Händen da und wird der Ruf nach einem holistischeren Ansatz lauter.

  57. @ fauv

    Jean Piaget, der das Wasserglasexperiment gemacht hat, war von Haus aus Biologe!

  58. @Stephan // Biomedizinisches Modell

    Ich finde ja schon die begriffliche Verknüpfung von Bio und Medizin sehr merkwürdig.

    Im Begriff „Medizin“ ist doch—zumindest nach meinem Verständnis—bereits alles enthalten, was der Heilbehandlung dienlich ist.

    Wenn man allerdings das Biomedizinisches Modell so ähnlich wie hier geschehen definiert:

    Der biomedizinische Ansatz geht nämlich davon aus, psychische Störungen seien Gehirnerkrankungen.

    dann ist doch damit praktisch ja schon vorgegeben, dass man wieder eine Trennung von Biologie, Psyche und Soziales braucht: Der Patient gliedert sich nun in drei Aspekte, die mehr oder weniger getrennt angegangen werden können, je nach Bedarf Diagnose.

    Meine Definition eines biomedizinischen Modells würde ja anders lauten, wie sich wohl jede(r) hier Mitlesende denken kann.

    Anders als in Psychiatrie wird z. B. in der Pharmaindustrie schon seit langem „holistisch“ vorgegangen. Ich denke da etwa an placebokontrollierte Studien, die ja nur dann Sinn ergeben, wenn man die Erwartungshaltung der Patienten (also die „Psyche“) berücksichtigt.

  59. Wenn man verstehen will, was Krankheiten sind, muss man verstehen, was Gesundheit bedeutet. Dazu muss man die Biologie des Menschen kennen. Der Patient kennt nur seine Symptome. Gewiss können Ursachen dafür im psychischen Zustand oder im sozialen Umfeld liegen. Das muss der Arzt erkennen, um zu therapieren oder an Fachärzte zu überweisen.

    Oftmals stehen körperliches und psychisches Befinden in Wechselwirkung zueinander, so dass es nicht einfach ist, Ursache und Wirkung zu erkennen. Das alles spricht für das biopsychosoziale Modell. Aber ein Modell ist nicht identisch mit der Realität. In der Realität besteht aus den genannten Gründen, aber auch aus dem Interesse naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung, nach wie vor die Notwendigkeit einer reduktionistisch, biologischen Erforschung des Menschen. Daraus leitet sich letztlich auch die Möglichkeit der Gesundheitsvorsorge ab.

    Die reduktionistische top-down-Forschung hindert niemanden daran, holistisch zu forschen. Vielmehr ist eine synthetisierende bottom-up-Forschung genauso unverzichtbar, d.h. von den kleineren Bausteinen auf größere Bausteine zu schließen, bzw. zu konstruieren. Es ist evident, dass es dafür jeweils meist mehrere Möglichkeiten gibt. Der Organismus besteht aus ca. 300.000 verschiedenen Proteinen, das sind offensichtlich weit mehr als der Mensch Gene hat.

  60. Mussi,
    Jean Piaget war führend in der Entwicklungspsychologie. Ja, den Biologen gebührt die Krone.
    Und ob man jetzt gezielt eine Krankheit angeht oder man zuerst eine Anamnese macht, das hängt vom Patienten ab. Was erwartet der ? Schnelle Ergebnisse?
    Oder genießt er die Behandlung ? Es gibt ja auch die eingebildeten Kranken.
    Und es gibt die Patienten die zum Arzt gehen um Zuwendung zu bekommen.

    Trotzdem mit Deprssionen ist nicht zu spaßen, Selbstmorde sind häufig, es gibt eine große Dunkelziffer, Ärzte von chronisch Kranken können das bestätigen.
    Ich denke für diese ernsten Fälle sind die Psychedelika gedacht.

  61. @Balanus: Placebo

    Du stellst es wieder einmal auf den Kopf: Die Pharma-Forschung sieht den Placebo-Effekt gewissermaßen als ihren “Feind” an, denn je größer dieser Effekt, desto schwieriger ist es für sie, ihre Produkte auf den Markt zu bringen.

    Tatsächlich werden in Vorstudien mitunter sogar Versuchspersonen mit starkem Placebo-Effekt ausgeschlossen (“placebo washout”).

    Echte Placebo-Forschung beschäftigt sich direkt mit der Frage, wie der Effekt medizinisch nutzbar gemacht werden kann. Aber daran verdient die Pharmaindustrie eher nichts.

  62. @ Mussi:

    “Von dem Gedanken, Abstraktion allein “deterministisch operationalisierbar” zu machen bzw. sein zu lassen, hab ich mich verabschiedet….”

    Hast du mich so verstanden bzw. das als meine Kernaussage oder “Kritik” verstanden? Das habe ich nicht gemeint.

    Hier im Thema geht es um den Einsatz von Psychedelika. Ich sehe den direkten Zusammenhang mit der Diskussion um THEORETISCHE Gesundheitsmodellen der Psychologie und Psychiatrie nicht. Dieses Thema wäre für mich hier völlig nebensächlich.

    Die interessanten Fragen wären für mich beispeilsweise:
    – Wie ist der empirische Stand der Forschung über Psychedelika zur Behandlung von Erkrankungen, wie beispielsweise der Depression?
    – Lassen sich Psychedelika überhaupt halbwegs systematisch erforschen? Ich bezweifel es bzw. ist es aufgrund vieler Faktoren wahrscheinlich sehr schwer möglich.
    – Welche krassen Nebenwirkungen und Fehlschläge gibt es?
    – Mögliche negative Langzeitfolgen?

    Das wären für mich ein paar konkrete Fragen wenn es darum geht Menschen zu helfen bzw. die medizine Nutzung des “guten Stoffs” in Diskussion steht.

  63. @Stephan // Placebo-Effekte

    » Du stellst es wieder einmal auf den Kopf: «

    Nö, tue ich nicht! (Und “wieder” schon gar nicht!)

    Placebo ist der gute „Freund“ der Pharmaforschung. Wie sonst hätte man eindrücklich nachweisen können, dass die Wirksamkeit eines Medikaments über die Einbildungskraft der Patienten hinausgeht?

    Wie gesagt, der holistische Ansatz ist für die Arzneimittelhersteller das tägliche Brot.

    Da Philipp uns daran erinnert, dass es ja eigentlich um den Einsatz von Psychedelika als Arzneimittel geht: Ohne den Einsatz von Placebos wird man bei der Erforschung der Heilwirkung solcher Substanzen wohl nicht allzu weit kommen.

  64. @anton reutlinger

    »Oftmals stehen körperliches und psychisches Befinden in Wechselwirkung zueinander, so dass es nicht einfach ist, Ursache und Wirkung zu erkennen. «

    Nun ja, das stimmt wohl nur, wenn man die Psyche biologisch auffasst (was Sie bekanntermaßen ja tun). Also das Psychische als biologisches, d.h. physisches Phänomen.

    Ansonsten gerät man in die größte Erklärungsnot, wie denn ein (wirklicher, realer) „psychischer Zustand“ tatsächlich physisch wirksam sein könnte.

    Im Übrigen sollte man, ganz generell gesagt, nicht aus dem Blick verlieren, dass jeder (lebende) Organismus eine unteilbare (lebende) Einheit darstellt; wobei bei einem Mehrzeller, genau genommen, nicht das ganze komplexe Gebilde in seiner Gesamtheit lebt, sondern es leben nur die ihn konstituierenden Bausteine, die verschiedenen, zusammenwirkenden Zellen. Man könnte es auch so auf den Punkt bringen: Der Körper als Ganzes „lebt“, so merkwürdig es klingt, nur dem äußeren Anschein nach.

  65. @ Phlipp

    Wie verstoffelwechselt man Immagination bzw wie wird Immagination verstoffwechselwirkt?
    Das ist die Frage nach dem Lebebsfunken,der antreibt,demImpuls

    Das treibt die Synthetische Biologoe um.
    Unbeantwortet…

  66. Mussi, schon fünf Whisky drin?

    Meine beispielhaften Fragen waren doch eigentlich unmissverständlich.

  67. @ Philipp

    In der Tat … 🙂

    Ich frage mich immer nur,wie man eigene Gedanken nicht als eigene Gedanken verstehen kann..

  68. @ Phlipp

    …wenn man eigen subjektiv und nicht in Abgrenzung zu Eigenschaft betrachtet…

  69. @ Mussi.

    Ich habe hier drei zur Auswahl:

    Laphroaig PX Cask, einen Kilchoman Machir Bay, und noch einen Tomintoul 16. Welchen soll ich nehmen? Melde mich dann in 2 Stunden wieder.

    Aber um dir ernsthafter zu Antworten: mir ging es nicht um die biologische Wirkung oder Seite von Psychedelika, sondern um die Frage ob sie überhaupt systematisch wirken. Ob sich eine Depression in ihrer Intensität verringert hat lässt sich beispielsweise auch über psychologische Tests wie dem BDI messen.

  70. @Balanus: Google halt mal “placebo washout”, wenn du eine faktenbasierte Diskussion führen willst; es ist deine Entscheidung…

    …und Psychedelika kann man gerade nicht mit einem Placebo kontrollieren, weil… psychedelisch. Wer hätte das gedacht? 😂

    Drei Eigentore an einem Abend. Du bist gut in Form!

    (*) Zum Placebo-Washout äußerte sich hier auch schon Michael Hengartner im Interview, Anno 2018; inzwischen hat er dazu ein Buch geschrieben und mehrere High Impact-Publikationen veröffentlicht. Aber Balanus weiß es wieder einmal besser als der Rest der Welt.

  71. @Balanus
    27.12.2022, 21:37 Uhr
    @Stephan // Placebo-Effekte

    Inzwischen geht man davon aus, dass der Placeboeffekt das Medikament verstärkt und zwischen 15 bis 60% der Medikamentenwirkung ausmacht.

    Vielleicht wäre der Anteil des Placebos nöch höher, wenn man die diskreten Beziehungen zwischen beiden genauer untersuchen würde. Bei placebokontrolliertren Studien bekommt die eine Gruppe ein Placebo (ohne Inhalt), die andere Gruppe das Medikament (in dem ja irgendwas enthalten ist). Möglicherweise löst dieser Inhalt bereits einen Effekt aus.
    (https://www.deutschlandfunk.de/heilsame-erwartungen-in-der-medizin-placebo-wirkt-100.html).

  72. Das Placebo ist der handgreifliche Beweis das Nichts nicht Nichts ist.
    Das Placebo ist der sichtbare Beweis, dass die Einbildung etwas bewirkt.
    Das Placebo ist nur ein Scheinmedikament , aber nicht nur, es ist die Verkörperung der Macht des Geistes.
    Ob es Versuche gibt, mit Scheinpsychedelika eine Wirkung zu erzielen ?

  73. @Balanus
    Nun ja, das stimmt wohl nur, wenn man die Psyche biologisch auffasst (was Sie bekanntermaßen ja tun). Also das Psychische als biologisches, d.h. physisches Phänomen.

    Da gebe ich Ihnen recht. Manchmal hakt es nur an unpräzisen Begrifflichkeiten oder an unvollständigen oder missverständlichen Aussagen bzw. Deutungen. Das ist bei vielen Diskussionsbeiträgen zu beobachten. So schrieb ich vom subjektiven Empfinden als Phänomen, ohne auf dessen Ursachen abheben zu wollen.

    Die Forschung am Menschen ist dadurch gekennzeichnet, dass man nur schwerlich in sein Inneres schauen kann und deshalb auf sein erkennbares Verhalten und seine Äußerungen, z.B. seine Antworten bei der Anamnese, angewiesen ist. Und dieses unterliegt wiederum der Deutung und den oben genannten Eigenheiten.

    Es gibt das Fachgebiet der Psychophysiologie, wie z.B. auch der Psycholinguistik neben Psychiatrie und Psychotherapie, wie am anderen Ende der Lebensmittelchemie, welche sich mit den biologischen Funktionen und Folgen der Ernährung befasst. Es gibt alle möglichen Kombinationen von Fachgebieten zur Humanforschung. Die pauschale Kritik oder sogar Ablehnung von Reduktionismus und Biologismus in der Forschung kann ich daher nicht nachvollziehen. Dass immer Verbesserungen möglich sind, z.B. hinsichtlich Kommunikation und Koordination, steht dabei außer Frage, liegt aber auch an der ganz normalen Konkurrenz von Forschern und Institutionen.

  74. @fauv
    Das Placebo ist der sichtbare Beweis, dass die Einbildung etwas bewirkt.

    Das gilt genauso für Religiosität und Spiritualität! Es sind Placebos und Nocebos (Höllendrohungen) gleichermaßen für die Psyche.

  75. @fauv // 28.12.2022, 09:42 Uhr

    » Ob es Versuche gibt, mit Scheinpsychedelika eine Wirkung zu erzielen ? «

    Die Frage ist, ob es überhaupt möglich ist, den potentiellen therapeutischen Nutzen eines Psychedelikums gegen ein Placebo zu kontrollieren.

    Ist vielleicht nicht ganz ausgeschlossen, denn bekanntlich hat alkoholfreies Bier bei manchen ja auch eine gewisse Wirkung.

  76. @Wolfgang Stegemann

    Aus dem verlinkten DLF-Artikel:

    Die Bilanz der Placeboforschung kann sich sehen lassen. Placebos haben körperlich nachweisbare Wirkungen.

    Das ist natürlich Nonsens. Nicht die Placebos haben eine Wirkung, sondern deren Einnahme hat eine Wirkung (oder kann eine Wirkung haben). Eben weil mit der Einnahme oft positive Erwartungen verbunden sind. Mit entsprechenden hirnphysiologischen Vorgängen und Ausschüttungen von Botenstoffen.

  77. Anton Reutlinger,
    “Das gilt genauso für Religiosität und Spiritualität”
    das ist Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen………was Ihnen entgangen ist, dass Menschen Erlebnisse haben, die sie als Wunder bezeichnen.
    Ist es nicht ein Wunder, dass sich Menschen sicher fühlen obwohl um sie herum Krieg und Gewalt regiert. Dass behinderte Menschen sich glücklich fühlen, dass chronisch Kranke auch glücklich sein können.
    Sie meinen also, dass wir selbst das Placebo sind.
    Wenn man das so betrachtet, dann ist unsere Kultur auch ein Placebo, eine Motivation, aber dann verliert der Begriff “Placebo” seine engere Bedeutung. Das Streben nach Wissen wäre dann auch ein Placebo.
    Und jetzt kommen wir zu den Psychedelika, die sind dann Placebos mit gewünschter Nebenwirkung und ungewünschten Nebenwirkungen. Dann kommen wir zum Suchtbegriff. Leben zu wollen ist dann auch eine Sucht.
    Zum Glück gibt es jetzt die Religion, die der “Lebenssucht ” Form und Ziel bietet.

  78. @fauv
    Das Streben nach Wissen wäre dann auch ein Placebo.

    Daran besteht kein Zweifel. Die Menschheit konnte viele Jahrtausende ohne das heutige Wissen überleben. Notwendig für das Leben sind Erfahrungen, die selbst gemacht oder als Wissen kommuniziert und überliefert werden. Das Überleben wird jedoch vielfältiger, reichhaltiger und wahrscheinlicher, wenn auch nichtempirisches Wissen über die Natur und den Menschen hinzu kommt. Man denke allein an die Wetterprognosen, oder auch an die Medizin.

    Mit Aberglauben und Psychedelika allein wäre die Menschheit nicht weit gekommen. Hoffnung ist nur dann wirksam, wenn sie auf realistischem Grund steht. Sonst ist es Selbsttäuschung und von endlicher Dauer, wie der Konsum von Drogen oder Alkohol. Auch das Smartphone ist eine Quelle unbewusster Selbsttäuschungen und ein Placebo.

  79. Placebo ist ein Narrativ, eine schöne Geschichte, die Heilung verspricht, sei es durch Tabletten, den Arztkittel oder durch esoterischen Wunderglauben.
    Die Grundlage ist die Eigenschaft jedes Organismus, sich selbst zu heilen, also wiederherzustellen.
    Bei einer Wunde geschieht das auf zellulärer und interzellulärer Ebene, auf neuronaler Ebene geschieht das durch diejenigen neuronalen Prozesse, die man Bewusstsein/ Unterbewusstsein nennen kann.

  80. @anton reutlinger

    » Manchmal hakt es nur an unpräzisen Begrifflichkeiten oder an unvollständigen oder missverständlichen Aussagen bzw. Deutungen. Das ist bei vielen Diskussionsbeiträgen zu beobachten. «

    Ja, genau.

    Und insbesondere hier in einem (neuro)philosophischen Blog, in dem allem Anschein nach gewisse dualistische Auffassungen noch nicht ganz überwunden sind, muss man höllisch aufpassen, welche Formulierungen man verwendet.

    Man sieht es z. B. auch an der inflationären Verwendung der Begriffe „Reduktionismus“ bzw. „reduktionistisch“.

    Mir kommt es meist so vor, als schwänge im Attribut ‚reduktionistisch‘ etwas Abwertendes mit. Als würde man, wenn man sich auf das Wesentliche beschränkt (also „reduktionistisch“ vorgeht), etwas übersehen oder weglassen, was für die betrachtete Sache aber von substantieller Bedeutung ist.

    Und dann auch noch dieser Gegenbegriff „Holismus“. Als könne man überhaupt irgendetwas absolut vollständig erfassen, so dass man wirklich behaupten kann, man wäre „holistisch“ an die Sache rangegangen.

    So, wie es aussieht, ist praktisch jeder „holistische“ Ansatz nicht mehr als ein erweiterter „reduktionistischer“ Ansatz.

    Insofern erscheint es schon etwas aberwitzig, darüber zu diskutieren, ob die Pharmaforschung nun „holistisch“ vorgeht, weil sie die Psyche der Patienten/Probanden mit einkalkuliert, oder eben nicht, weil empirische Forschende gar nicht anders können, als „reduktionistisch“ vorzugehen, d.h., sich auf bestimmte Aspekte einer Sache zu konzentrieren.

    Aber gut, wem erzähle ich das … ; – )

  81. @Balanus:
    “Re·duk·ti·o·nis·mus
    /Reduktionísmus/
    isolierte Betrachtung von Einzelelementen ohne ihre Verflechtung in einem Ganzen oder von einem Ganzen als einfacher Summe aus Einzelteilen unter Überbetonung der Einzelteile, von denen aus generalisiert wird” (Stichwort bei Google).
    Eigentlich ganz einfach zu verstehen, oder?

  82. @Wolfgang Stegemann

    » Die Grundlage [der sogenannten Placebo-Wirkung] ist die Eigenschaft jedes Organismus, sich selbst zu heilen, also wiederherzustellen. «

    Genau so sehe ich das auch.

    Und ich würde da gar nicht unterscheiden wollen zwischen einer zellulären und einer neuronalen Ebene (was immer Sie jetzt mit letzterer gemeint haben mögen). Die entscheidenden Prozesse finden immer nur auf der Zellebene statt, auf der Ebene der lebenden Einheiten, sei es im Hirn, in den neuroendokrinen Drüsen, sei es in der Peripherie, etwa in der Haut (die an der Heilung jeweils beteiligten Zellen können in einem vielzelligen Organismus dank seiner systemischen Organisation auch weit auseinander liegen).

  83. @ Balanus:

    Ich stimme Ihnen zu. Ein Kommentar zu Ihrem nachfolgenden Beitrag:

    “Mir kommt es meist so vor, als schwänge im Attribut ‚reduktionistisch‘ etwas Abwertendes mit. Als würde man, wenn man sich auf das Wesentliche beschränkt (also „reduktionistisch“ vorgeht), etwas übersehen oder weglassen, was für die betrachtete Sache aber von substantieller Bedeutung ist.”

    Ich unterscheide hier gerne zwischen einem methodologischen und ontologischen Reduktionismus. Methodologisch ist ein Reduktionismus häufig (oder immer?) bis zu einem gewissen Grade notwendig. Aber man muss aufpassen aufgrund des empirisch-methodologischen Reduktionismus nicht vorschnell ontologisch-reduktionistische Schlussfolgerungen auf der Ebene von Theorien zu ziehen.

    Das, also die meiner Ansicht nach häufig zu schnelle ontologische Reduktion, wird aber gerade von einigen Neurophilosophen (die Sie angesprochen haben) getan.

  84. @Balanus, 15:41Uhr
    Da bin ich ganz Ihrer Meinung.

    @Stegemann, 16:02Uhr
    Unter Reduktionismus verstehe ich primär eine schrittweise Reduktion der Komplexität durch Zerlegung oder Zergliederung in kleinere Einheiten oder Bausteine. Die Einheiten können sodann isoliert und analysiert werden. Dabei müssen sämtliche Input- und Output-Schnittstellen zur Übertragung von Materie oder Energie bestimmt und die Funktionalität untersucht werden. Die Bausteine müssen so gewählt werden, dass die Schnittstellen möglichst schmal oder einfach sind. Der Reduktionismus entspricht einer Top-down-Strategie.

    Selbstverständlich müssen umgekehrt die Einzelbausteine wieder in größere Komplexe integriert werden als Bottom-up-Strategie. Es gibt nicht das Eine ohne das Andere. Bei der Synthese zu größeren Komplexen gibt es oftmals mehrere Möglichkeiten, d.h. eine bestimmte Art von Bausteinen kann in mehreren Komplexen vorhanden sein, z.B. ein Enzym in einer Zelle oder eine Zelle in einem Gewebe. Die Funktionalität eines Bausteins umfasst die (innere) Funktionsweise und den (äußeren) Funktionszweck eines Bausteins.

  85. @Stegemann
    Auch ich sehe die Reduktion oder Top-down-Strategie, von komplexeren zu einfacheren Aggregationsstufen, als Analyse oder Vorbedingung der Analyse, während die Bottom-up-Strategie einer (gedanklichen) Synthese entspricht. So hatte ich es auch gemeint. Bei vorgegebenen komplexen Objekten setzt die Synthese eine Reduktion oder Zerlegung in Bausteine zum Verständnis ihrer Funktionalität voraus, anders als bei einer technischen Konstruktion.

    Eine weitere Voraussetzung für eine sinnvolle Zerlegung ist ein Vorwissen über die Struktur des Systems, um überhaupt Komplexität und Aggregationsstufen zu erkennen und zu bestimmen. Bei einer Blackbox wäre das nicht möglich. Der Mensch wie auch die Erde werden schon seit Jahrtausenden erforscht, insofern ist dieses Vorwissen schon vorhanden, was wir als so selbstverständlich sehen, dass wir nicht darüber nachdenken. Um das Gehirn aus der Aktivität oder Funktionalität der Neuronen zu verstehen, muss man vorher wissen, was die Neuronen sind.

    Solch sachliche Diskussionen dienen dem besseren gegenseitigen Verständnis und der Schärfung der eigenen Überlegungen. Ich meinerseits lerne daraus.

  86. @Wolfgang Stegemann

    „isolierte Betrachtung von Einzelelementen ohne ihre Verflechtung in einem Ganzen oder von einem Ganzen als einfacher Summe aus Einzelteilen unter Überbetonung der Einzelteile, von denen aus generalisiert wird”

    Ok, wenn man diese DWDS-Definition zugrunde legt, dann kann es in den Biowissenschaften eigentlich keinen Reduktionismus geben. Wie schön … 😉

  87. @Reutlinger und @Stegemann

    Ich bin leicht verwirrt. Wie passt das nachfolgende zusammen?

    W.S.: » @Reutlinger:
    Ich denke, die gängige Verwendung des Begriffs Reduktionismus lautet eher, Komplexität aus den Einzelteilen heraus zu erklären, also etwa das Gehirn aus der Aktivität der Neuronen erklären zu wollen. Also bottom-up.
    «

    A.R. » @Stegemann
    Auch ich sehe die Reduktion oder Top-down-Strategie, von komplexeren zu einfacheren Aggregationsstufen, als Analyse oder Vorbedingung der Analyse, während die Bottom-up-Strategie einer (gedanklichen) Synthese entspricht.
    «

    (Womöglich sehe ich einen Widerspruch, wo gar keiner ist…)

  88. @Balanus:
    Ich verstehe Reduktion nicht als Reduktion von Komplexität, sondern die Folgerung hin zu Komplexität aus dem Einzelnen heraus. Das bedeutet, dass ein Ganzes aus seinen Einzelteilen erklärt wird.
    Das Ganze zu immer kleineren Teilen und Skalen hin zu untersuchen, bezeichne ich als Analyse.
    Wie gesagt hat die Reduktion ihre Berechtigung im Nichtlebendigen, das Lebendige hingegen lässt sich nicht aus den Einzelteilen erklären.
    Bei beiden analysiert man aber ihre Einzelteile.

    Um Leben zu verstehen, reicht es nicht, die Aminosären zu kennen, sondern Modelle zu entwickeln, welche das Wesen von Leben darstellen.
    Das geht nicht mit einem einzigen Modell. Mein Ansatz beinhaltet z.B. die Konzepte Autopoiese, evolutionäre Graphentheorie und Informationstheorie (Tononi), erweitert um den Aspekt der Theorie dynamischer Systeme. Das nur am Rande.

  89. @ Balanus:

    Das Problem ist doch weniger wie man die Dinge theoretisch zusammenbekommt, sondern dass man über Analysen von Daten praktisch aufzeigen muss wie und ob es funktioniert. Das stelle ich mir gerade bei Psychedelika besonders schwer vor, aus zahlreichen naheliegenden Gründen.

  90. @Stegemann
    Um ein Ganzes aus seinen Einzelteilen erklären zu können, muss man die Einzelteile erst identifizieren und verstehen. Bei vorgegebenen komplexen Objekten wie Organismen geht das nur über stufenweise Reduktion der Komplexität, also von den höchsten Aggregationsstufen nach unten, mit anschließender Analyse. Man kann nicht davon ausgehen, dass die einfachen Bausteine in ihrer Funktionalität schon vorab vollständig bekannt sind. Dazu werden Leichen seziert, Tiere und Menschen.

    Das Lebendige ist nur als Ganzes vorhanden, die Einzelteile gibt es nicht im Baumarkt. An den Neuronen ist noch viel zu erforschen. Man muss natürlich nicht bis zu den Atomen reduzieren, sondern kann bei bekannten, immer wieder vorkommenden Aggregaten, seien es Moleküle wie Proteine oder Zellorganellen, anfangen. So wie man Schrauben oder Nägel nicht neu erfinden muss.

    Selbstverständlich kann man das Lebendige nicht allein aus den Bausteinen heraus erklären. Man kann es in Modellen aber versuchen oder simulieren, um die Auswirkungen zu beobachten und die Fehler zu erkennen, wie es auch Konstrukteure von Maschinen machen. Gerade darin scheint mir das Missverständnis der Reduktionismuskritiker zu liegen.

  91. @anton reutlinger / Wolfgang Stegemann

    » Selbstverständlich kann man das Lebendige nicht allein aus den Bausteinen heraus erklären. « (a.r.)

    Kommt wohl darauf an, was man als „Erklärung“ gelten lässt. Und was man unter „Lebendig sein“ versteht. Und was „allein“ bedeutet.

    Eine schlichte Liste aller Zellbestandteile kann das Lebendige sicherlich nicht erklären. Ganz offenkundig kommt es auf die strukturelle und funktionelle Organisation bzw. auf das organisierte Zusammenwirken all dieser Bestandteile an.

    Aber wenn ich die Sache mit dem Reduktionismus jetzt richtig verstanden habe, dann geht der (methodologische) Reduktionist davon aus, dass nichts Weiteres hinzukommt zu diesen wechselwirkenden Zellbestandteilen, also keine verborgenen Kräfte, kein Lebensfunke, nichts dergleichen. Aber die Temperatur muss stimmen, logisch… ;- ) Wobei zu den Zellbestandteilen selbstredend auch solche Substanzen und Moleküle zählen, die verstoffwechselt werden, etwa zur Energiegewinnung.

  92. Philipp // 28.12.2022, 20:23 Uhr

    » Das Problem ist doch weniger..«

    Mir jetzt nicht klar, worauf genau du Bezug nimmst. Ist aber auch nicht so wichtig, denn ich sehe da keinen Dissens.

  93. Naja, Dennett ist als Reduktionist bzw. Physikalist der Meinung, dass sich Komplexität einzig aus dem Zusammenwirken der Einzelteile ergibt, ohne dass es etwas gibt, was man beim Lebendigen daüberhinaus erforschen müsste. Beispiel: Autopoiese lässt sich nicht aus Einzelteilen beschreiben, hat aber dennoch einen über die atomistische Sicht hinausgehenden Erklärungswert.

  94. Ergänzung: wenn man derart atomistisch oder physikalistisch denkt (Reiz kommt rein, geht ins Hirn, löst dort eine motorische Aktion aus), dann hat man das Problem, dass man zu Bewusstsein (oder dessen sprachlichem Pendant im Sinne von Komplexität) entweder etwas ‘Geistiges’ hinzufügen muss (Dualismus) oder davon ausgehen muss, dass die Physis des Hirns Entscheidungen trifft, die sie dann mir anschließend mitteilt (ebenso Dualismus).
    Wie Philipp oben sagt, ist dieses dualistische Denken so tief in uns verwurzelt, dass man kaum noch anders denken kann.

  95. Anton Reutlinger,
    dem Wesentlichen auf der Spur.
    “die Einzelteile gibt es nicht im Baumarkt” , doch darauf beruht die Medizin. Sie sucht nach den Fehlern im Organismus Mensch und ersetzt die kranken oder fehlenden Teile.
    Und, das vergessen wir oft, die Arzneien und Wirkstoffe wirken auf unseren Organismus ein, weil er mit diesen Wirkstoffen verwandt ist. Wenn du in einen automotor das richtige Öl einschüttest fährt er besser, als wenn du ein Billigöl nimmst.
    Und wenn du dem Treibstoff einen Zusatz befügst, wie es bei Rennmotoren geschieht, dann entspricht das den Psychedelika bei den Kranken.
    Deren Organismus wurde mit dem falschen Treibstoff betrieben. Es ist bekannt, dass Zöliakie unbehandelt zu Depressionen führen kann. Bekommt der Betroffene dann glutenfreie Nahrung, verschwinden die Symptome.

    Wolfgang Stegemann
    Das Reiz-Reaktionsschema kann durch Medikamente funktionieren. Der Säureblocker für den Magen funktioniert rein chemisch.
    Es gibt auch Gedankenblocker, wenn dir jemand sagt, “Deine Frau ist nicht fremd gegangen”, dann fällt dir ein Stein vom Herzen, deine Gesichtszüge glätten sich, du fühlst dich besser.
    Dabei hat kein einzelnes Atom seinen Platz verlassen, Das Reaktionsschema war rein geistiger Natur.
    Jetzt über monistisch oder dualistisch nachzudenken, das ist Kappes.

  96. @Balanus
    Es ist völlig klar, dass die Einzelteile im Organismus nicht einfach nebeneinander liegen. Jeder einzelne Baustein hat seine eigene Funktionalität und mehrere Schnittstellen zu seiner Umgebung. Die Neuronen sind über die Nervenfasern miteinander verbunden, aber nicht nur über diese. Die Schnittstellen sind meist so komplex, dass sie ebenfalls reduziert werden müssen, um sie zu verstehen. Wieviele Substanzen können die Zellmembran durchdringen, nach außen wie nach innen. Innerhalb der Zellen gibt es dutzende oder hunderte Zellorganellen mit eigenen Funktionen.

    Die nächst höhere Ebene über den isolierten Bausteinen ist die kybernetische Ebene, d.h. die Kombination von Bausteinen. Es gibt z.B. die Schalterfunktionen der Enzyme und der Neurotransmitter mit ihren Rezeptoren. Das ist noch die Ebene der Moleküle und ihrer chemischen Funktionen. Im Zellkern werden die Gene durch Transkriptionsfaktoren reguliert. Es gibt Filterfunktionen und viele ähnlich elementare Funktionen, die man eben als kybernetische Funktionen zusammenfassen kann und die sich über alle Ebenen erstrecken. Der Mensch übt durch sein Handeln solche Funktionen aus gegenüber den Mitmenschen, seiner Umgebung und der Natur.

    Manche Kritiker scheinen den Wisssenschaftlern Einfältigkeit und Unfähigkeit zu unterstellen und sich selbst dabei zu überschätzen! Publikationen wissenschaftlicher Studien sind Zusammenfassungen des Wesentlichen, wobei viele Erkenntnisse und Informationen nicht explizit beschrieben werden können.

  97. @fauv
    Dabei hat kein einzelnes Atom seinen Platz verlassen, Das Reaktionsschema war rein geistiger Natur.

    Diese Behauptung ist definitv falsch und einfältig. Sie zeigt nur, wie wenig Sie von der Biologie eines Organismus wissen. Glaube beruht generell auf Unwissen.

  98. anton reutlinger,
    Sie haben eine atomistische Einstellung von Geist.
    Es ist richtig, dass wir beim Hören Schallwellen empfangen und diese Schallwellen werden im Ohr umgewandelt in Reize, die dann ins Gehirn geleitet werden. Was dann passiert, das wissen Sie doch auch nicht.
    Das ist doch auch nur Annahme.
    Und ob das Gehörte verstanden wurde, darauf kommt es ja an, das ist eine qualitative Sicht und keine quantitative Sicht.
    Der Naturwissenschaftler beschäftigt sich nur mit der Quantitität, das was sich messen lässt. Die Qualität einer Information lässt sich nicht messen. Es gibt kein Messgerät für den Sinn und die Bedeutung einer Information.

    Ihnen zur Mahnung: man spricht von stiller Einfalt und edler Größe, das ist noch spurlos an Ihnen vorbei gegangen.

  99. @fauv
    Der Sinn einer Nachricht ergibt sich aus dem, was in Ihrem Gehirn zuvor schon gespeichert wurde. Mit Geist hat das rein gar nichts zu tun. Geist ist nur Gerede, so wie man auch vom Mondschein spricht, obwohl der Mond gar nicht selber scheint. Es gibt viele Hilfsbegriffe aus der phänomenalen Welt des Menschen, denen keine eigene ontologische Existenz zukommt, weil sie nur eine trügerische Wahrnehmung oder eine Idee bezeichnen.

    Die meisten Menschen leiden an dieser geistigen Schwäche, zu glauben, weil ein Wort da sei, muß es auch das Wort für etwas sein; weil ein Wort da sei, muß dem Worte etwas Wirkliches entsprechen.

    Fritz Mauthner (1849-1923), Sprachphilosoph

  100. anton Reutlinger,
    Intelligenz zeigt sich auch darin, dass man unterscheiden kann was man sagt, und wie es gemeint ist.
    Ich gehe mit ihnen schwanger, wenn Sie die Rolle von Sprache auf den Prüfstand stellen.
    Und ich finde es richtig, dass Sie das Wort “Phänomen” einbringen.
    An dieser Stelle lasse ich Hegel zu Wort kommen, denn der drückt das aus , was ich meine.
    “Hegel entwickelt in dieser Wissenschaft von den Erscheinungsweisen des Geistes das Emporsteigen des Geistes von der einfachen, naiven Wahrnehmung über das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein, die Vernunft, Geist und Geschichte, die Offenbarung bis hin zum absoluten Wissen des Weltgeistes. Dabei untersucht er das Werden der Wissenschaft als Einheit von Inhalt und Methode sowie die Erscheinungen des Geistes als Verwirklichung unseres Selbst, als Einheit von Sein und Nichts ebenso wie als absolute Ganzheit. Ort der Wahrheit ist dabei der Begriff im wissenschaftlichen System und nicht die Anschauung. Die Erkenntnis der Wahrheit liegt in der Einsicht, dass die Gegensätzlichkeit von Subjekt und Objekt dialektisch auf einem höheren Niveau aufgehoben wird, da das eine nicht ohne das andere existiert, beide also eine Einheit bilden. “

  101. @Wolfgang Stegemann

    »Beispiel: Autopoiese lässt sich nicht aus Einzelteilen beschreiben, hat aber dennoch einen über die atomistische Sicht hinausgehenden Erklärungswert. «

    Das sehe ich halt anders. „Autopoiese“ beschreibt allenfalls das Ergebnis des funktionellen Zusammenwirkens der Teile. Und das noch nicht mal besonders gut. Insbesondere wenn es um die Entstehung der ersten Lebensformen geht, ist der Begriff („Selbsterschaffung“) ziemlich grenzwertig, weil metaphysisch angehaucht.

    Aber auch die Begriffe „Selbsterhaltung“ und „Selbstorganisation“ beschreiben lediglich das Ergebnis oder die Folge der dynamischen Prozesse im Wechselbeziehungsgeflecht der zellulären Bestandteile. Die Kausalkette (oder die Organisation vom Einfachen zum Komplexen) verläuft allem Anschein nach stets bottom-up.

  102. @Balanus:
    Autopoiese oder Selbstorganisation sind beschreibende Begriffe. Ich sagte ja weiter oben, dass sie konkret beschrieben werden müssen, wenn es nicht nur Worthülsen bleiben sollen. Prigogine hat Selbstorganisation für die Physik dargestellt.
    Natürlich geht Entwicklung immer bottom-up, soweit es sich um Differenzierung handelt. Aber denken Sie nur mal an die Entwicklung des Denkens beim Kind. Dort entstehen immer neue Denkformen, die dann für die weiteren Handlungen bestimmend sind und die sich dann solange ausdifferenzieren (durch Assimilation), bis sie durch neue Formen der Handlungsleitung ersetzt werden.
    Im Übrigen ist Leben dadurch entstanden, dass sich chemische Reaktionskreisläufe gebildet haben, die sich unter Beteiligung von Katalysatoren selbst erhalten haben. Da ist nichts Metaphysisches im Spiel. Nachdem diese sich ‘abgekapselt’ haben, ist dieser Selbsterhalt auf anderer Ebene weitergegangen und tut es bis heute in eben sehr hoch differenzierter Form.

  103. @Balanus
    Die Kausalkette (oder die Organisation vom Einfachen zum Komplexen) verläuft allem Anschein nach stets bottom-up.

    Kausalkette, Organisation, Autopoiese und Komplexitäts- oder Aggregationsstufen sind unsere menschlichen Anschauungen zum Verständnis der natürlichen und komplexen Aggregate wie Lebewesen. Wir dürfen sie nicht auf die Natur selber übertragen.

    Autopoiese und Selbstorganisation sind komplexe kybernetische Funktionen, die aus der Vernetzung entstehen, also genauer Kausalnetz statt Kausalkette. Das Wesentliche der Netze (der Vermaschungen) sind die zahlreichen Rückkopplungen, sowohl direkt zwischen Objekten als auch indirekt über mehrere Objekte. Dazu kommen zusätzlich die Kräftegleichgewichte von Anziehung und Abstoßung. Die Ebenen der Komplexität spielen dabei keine Rolle. Wirksam sind immer die Moleküle, seien sie frei im Blut, gebunden in einer Zellmembran eines Gewebes, im Molekülverbund der DNA oder als Enzym.

  104. @reutlinger:

    “Wirksam sind immer die Moleküle, seien sie frei im Blut, gebunden in einer Zellmembran eines Gewebes, im Molekülverbund der DNA oder als Enzym.”

    In diesem Satz sehe ich einen Widerspruch. Im Enzym ist nicht das Molekül wirksam, sondern das Enzym, und zwar nur als Ganzes.

  105. @Stegemann
    Das Enzym ist selber ein Molekül, in der Regel ein gefaltetes Protein. Es kann auch aus mehreren einzelnen Molekülen zusammengesetzt sein als Holoenzym.

  106. @Wolfgang Stegemann / Autopoiese

    Ok, da habe ich Sie wohl falsch verstanden. Mir war, als hielten Sie die Autopoiese (oder besser. Selbstorganisation) für etwas, das die Individualentwicklung irgendwie steuert oder lenkt; indem vom Gesamtsystem auf die Zellen eingewirkt wird, oder so…. Sorry…

  107. @anton reutlinger

    » Das Wesentliche der Netze (der Vermaschungen) sind die zahlreichen Rückkopplungen, …«

    Auch „Rückkopplungen“ dürften bloß „menschliche Anschauungen“ sein, die wir „nicht auf die Natur selber übertragen“ dürfen.

    Naturvorgänge kennen kein zurück, es geht immer nur vorwärts.

    (Aber ich verstehe natürlich, was mit ‘Rückkopplungen’ gemeint ist)

  108. @Balanus
    Einen kleinen Unterschied sehe ich bei den Rückkopplungen, denn sie brauchen physische Verbindungen vom Ausgang zum Eingang von Informationen. Der Mensch kann jederzeit seine Finger beobachten und kontrollieren, was er damit macht und wo sie gerade sind in Relation zur Umgebung. Zusätzlich melden die Sinnesnerven der Finger dem Gehirn die haptischen Informationen. Die vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten der Finger verlangen dem motorischen Zentrum des Gehirns einiges ab und führen so zu seiner Differenzierung und Weiterentwicklung. Genauso finden die Finger immer wieder neue Verwendungen. Das hat Folgen für die Evolution.

    Auf solchen Rückkopplungen bauen die Autopoiese und die Selbstorganisation auf. Rückkopplungen sind im Organismus omnipräsent, besonders im Gehirn selber zwischen Neuronen und Neuronenverbänden.

  109. @anton reutlinger

    Wie gesagt, wir wissen ja, was mit „Rückkopplungen“ gemeint ist, kein Problem.

    Aber: Wenn „Rückkopplungen“ tatsächlich physikalische Realität sind, dann müsste es doch auch eine echte (und nicht bloß scheinbare) zirkuläre Kausalität geben, oder etwa nicht?

    Mein Verdacht ist ja, dass Ursache-Wirkungs-Beziehungen immer dem Zeitpfeil folgen, und der kennt kein zurück (Zumindest in der Realität nicht. Formal-mathematisch kann die Zeit auch rückwärts laufen, aber da wären wir wieder bei gedanklichen Konstrukten–und was auf der Quantenebene alles möglich ist, interessiert im Mesokosmos eh nur am Rande). Das gilt, meine ich, auch dann, wenn ein Ausgangssignal auf den Eingang gelegt wird. .

  110. @Balanus
    Wir sind uns einig, dass die Zeit nicht rückläufig sein kann, das Prinzip der Entropie würde es verbieten. Andererseits sind die Naturgesetze der Physik zeitlich symmetrisch. Theoretisch wäre also eine zirkuläre oder reverse Kausalität möglich. Das ist jedoch mehr Philosophie als Physik.

    Hier – in der Alltagsrealität – geht es um das, was als Regelungstechnik oder Kybernetik bezeichnet wird. Triviale Beispiele sind der Thermostat oder die Bewegung unserer Finger. Wir sehen wenn die Finger nach einer Tasse greifen, um sie zum Mund zu führen, und wir können die Bewegung jederzeit kontrollieren und korrigieren, wenn die Hand z.B. gestoßen wird. Die Übertragung vom Ausgang zum Eingang braucht selber Zeit, so kurz sie auch sein mag.

  111. Sogar die MIT-Review hat sich des Hype-Themas der Psychedelika als Therapeutika angenommen.
    Im Artikel Mind-altering substances are being overhyped as wonder drugs
    Psychedelic drugs are being pursued as cure-alls for mental-health disorders. But the hype bubble could be about to burst.

    Die Autorin fasst das Wesentliche (so viel davon gibt es nämlich nicht) bereits im ersten Absatz zusammen:

    In den letzten fünf Jahren oder so ist kaum eine Woche vergangen, ohne eine Studie, einen Kommentar oder eine Pressemitteilung über die potenziellen Vorteile von psychedelischen Drogen, die in meinem Posteingang landen.

    Psychedelika sind Drogen, die die Art und Weise verändern, wie wir die Welt erleben. Sie können unsere Sinne verändern und uns halluzinieren lassen. Aber sie können auch Erfahrungen auslösen, die schwieriger zu definieren sind, wie “Offenheit” und “Erweiterung des Bewusstseins”.

    Der Ruf von Psychedelika wie Psilocybin und LSD hat in den letzten 70 Jahren eine Art Achterbahnfahrt durchgemacht: von angefachter Begeisterung auf dem Hoch zu Angst und Misstrauen auf dem Tief – zumindest wenn man die Medienberichte als Abbild der Wirklichkeit sieht.
    Aber sie haben in letzter Zeit eine Renaissance erlebt.

    Eine wachsende Zahl von akademischen Forschern, Therapeuten und Unternehmen interessiert sich für das Behandlungs-Potenzial von Psychedelika für psychische Störungen wie Depressionen, Angstzuständen, posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD) und Substanzkonsumstörungen – um nur einige zu nennen.

    Kurzum: Von der pharmakologischen Seite hat sich eigentlich nichts geändert, nur von der Einschätzung des Behandlungspotenzials.

    Und klar sind Psychedelika, die therapeutisch eingesetzt werden, letztlich auch Pharmazeutika.

  112. Jetzt hab ich doch glatt in den Weihnachtsferien diese Diskussion über mein Spezialgebiet verpasst … und nach dem durchlesen von geschätzt mehr als dreiviertel der aktuell 118 Beiträge muss ich mal wieder feststellen: da disputieren wohl (wie schon in früheren Debatten) überwiegend oder sogar ausschliesslich Leute über ein hochkomplexes Thema miteinander, die selbst noch keinerlei nennenswerte persönliche Erfahrungen mit dem ‘psychedelic experience’ haben. Kann man aus Sicht der ‘wissenschaftlichen Neutralität’ natürlich richtig und toll finden. Das wäre ggf. eine getrennte Diskussion wert (Zaunpfahl … Herr Schleim). Aber da hier soweit ich das sehe auch so gut wie keine ‘Vollblut-Wissenschaftler’ unterwegs sind, und falls doch, dann forschen sie nicht auf dem hier eigentlich zur Debatte stehenden Gebiet – sag ich einfach nochmal ganz klar aus langjähriger praktischer Erfahrung und noch längerjähriger theoretischer Beschäftigung damit: wenn Euch das Thema WIRKLICH interessiert, dann schreibt nicht nur darüber, sondern MACHT es auch selber mal. Derivate und Pro-Drugs wie 1V-LSD waren in den letzten Jahren immer mal wieder längere Zeit völlig legal erhältlich, und hätten JEDEM die Möglichkeit geboten, hier mal ‘experienced’ zu werden. Wer das nicht mal wusste – oder trotzdem nicht den Hintern in der Hose hatte, es wenigstens einmal auszuprobieren, der gehört für mich ganz klar in die Kategorie ‘Blinde reden über Farbe’.
    Der Gipfel der Lächerlichkeit: da macht man jetzt ‘Studien’ mit teilweise nur nem Dutzend Probanden, und wenns hoch kommt sind es ein paar Hundert. Während gleichzeitig seit den 60ern zig Millionen von Leuten LSD und Pilze konsumiert haben (oft regelmässig und in Dosierungen, die sich die Forschung nie zu verabreichen trauen würde) und von denen wahrscheinlich noch Hunderttausende leben – aber nö: bevor man auch nur dran denkt, die mal in signifikanter Zahl ‘repräsentativ’ zu befragen, dreht man lieber eine Theorie- und Bedenkenträger-Schleife nach der anderen. ‘for the mere sake of science’ – und natürlich um Politik, Pharma-Industrie und ‘Otto Normalsäufer’ nicht zu verwirren.
    Wie meinte David Nutt in einem Interview mal so richtig: wenn man nur zehn Prozent der schweren Alkoholiker, die seit den 60ern an ihrer Sucht gestorben sind, mit einer kurzzeitigen intensiven LSD Therapie hätte helfen können (Studien in den 50ern hatten eine Erfolgsrate von über 70% !), dann hätten bis heute Millionen von Leuten nicht vorzeitig auf übelste Weise an ihrer schwer organschädigenden Sucht sterben müssen. Aber wo kämen wir hin, wenn es der Wissenschaft (von Politik reden wir erst gar nicht) mal um ‘the sake of the people’ gehen würde … Traurig und beschämend, was da abgelaufen ist, und noch immer abläuft im ‘War on Drugs’. Spätere, klügere Generation werden sich mal kollektiv an den Kopf fassen und ‘uns’ für bescheuert halten, wenn sie das alles in den Geschichtsbüchern lesen.

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