Ernährung im Anthropozän – Essen wir die Erde auf?

Der enorme Fußabdruck der Menschheit auf die Biosphäre und das gesamte Erdsystem ist mittlerweile global nachweisbar. So sind die eisfreien Regionen der festen Erde schon zu ca. 75% keine Urnatur mehr. Landwirtschaftlich genutzte Flächen haben bei weitem den höchsten Anteil daran1. 96% der (kohlenstoff­basierten) Biomasse aller Säugetiere fallen auf die Menschen (36%) und ihre Nutztiere (60%)2. Die restlichen vier Prozent Wildtiere sind in ihren Populationsgrößen zunehmend stark eingeschränkt (Abb. 1, Tab. 1), was dem Arten­verlust als deutliches Warnzeichen vorgeschaltet ist3

Abb. 1: Abnahme der Populationsionsgrößen von wild lebenden Wirbeltieren, aus WWF Living Planet Index 2017.

Bei Vögeln produziert unsere Geflügelzucht etwa 70% der (kohlenstoffbasierten) Biomasse aller Vögel2. Auch wenn es starke regionale Unterschiede gibt, nimmt der Fleischkonsum weltweit insgesamt enorm zu4 (Abb.2).

Tab. 1: Die Top 10-Vertreter der globalen Biomasse wildlebender Landsäugetiere, geordnet nach der Gesamtbiomasse der Arten (basierend auf Lebendbiomasse). Aus: Greenspoon et al. 2023 (leicht ergänzt)
Abb. 2: Global nimmt der Fleischkonsum weiterhin enorm zu. Aus Boell-Stiftung: Fleischatlas 2021

In den Meeren sieht es nicht besser aus. 60-80% der Fischbestände sind bis an die Belastungsgrenze befischt oder überfischt ((Abb. 3). Aquakultur ist vor allem bei den beliebten karnivoren Fischen kein ausreichender Lösungsweg gegen die weltweite Überfischung, da bis zu 5 kg Fische verfüttert werden müssen, um 1 kg Edelfisch zu gewinnen5.

Abb. 3: Die Situation der Überfischung (aus Boell-Stiftung: Meeresatlas 2017)

 

Abb 4: Country Overshoot Days 2021, aus NFBA 2022. Die Overshoot Days basieren auf nachwachsenden Rohstoffen.Ein Maß für den zu hohen Verbrauch dieser sog. nachwachsenden Ressourcen ist der jährliche Earth Overshoot Day bzw. dessen nationale Pendants (Abb. 4). Dies greift bei der Bewertung der Auswirkungen der Nahrungsproduktion jedoch zu kurz, denn nicht nur durch landwirtschaftliche Produkte, sondern auch durch deren Weiterverarbeitung, Transport und Konsum sind weitreichende Auswirkungen auf das Erdsystem gegeben.

Ein Maß für den zu hohen Verbrauch dieser sog. nachwachsenden Ressourcen ist der jährliche Earth Overshoot Day bzw. dessen nationale Pendants (Abb. 4). Dies greift bei der Bewertung der Auswirkungen der Nahrungsproduktion jedoch zu kurz, denn nicht nur durch landwirtschaftliche Produkte, sondern auch durch deren Weiterverarbeitung, Transport und Konsum sind weitreichende Auswirkungen auf das Erdsystem gegeben. Dazu gehören Süßwassermanagement und Süßwasserverbrauch, Düngerherstellung, Plastik als Transport und Verpackungsmaterial (Abb. 5), aber auch viele weitere Rohstoffe sowie hohe Energie­mengen zu Erstellung und Gebrauch von landwirtschaftlichen Maschinen, Transportfahrzeugen, Kühlsystemen, Küchengeräten u.v.m. All dies hat enorme Aus- und Wechselwirkungen auf das anthropozäne Erdsystem6 (Abb. 6).

Abb. 6: Branchenanteile des Plastikverbrauchs weltweit, sowie Plastikverpackungsabfall pro Einwohner in Deutschland. (Quellen activbewusst.de und statista.de, siehe auch weitere angegebene Quellen)

So wird anthropogener Klimawandel durch die Landwirtschaft nicht nur wesentlich voran­getrieben, sondern gefährdet umgekehrt auch die Nahrungsversorgung, etwa durch zunehmende Wetter­extreme. Dies wiederum kann Hunger, Migration, Krankheiten und vieles mehr auslösen(Abb. 7) – so ist etwa die Westsahara-Krise insbesondere durch die dortigen gigantischen und monopolartig vorkommenden Phosphatlagerstätten bedingt(siehe auch diesen Scilogs-Beitrag.) Die Behandlung des Ernährungsthemas erfordert daher eine systemische Betrachtung, wie es das Anthropozän-Konzept bietet (Abb. 8).

Abb. 7: Vorhersage möglicher und wahrscheinlicher nahrungsbasierter Krisen (basierend auf der Auswertung von Nachrichtenströmen) Aus Balashankar et al. 2023, ergänzt.
Abb. 8: Impakt von allen Sektoren der Produktionskette von Nahrung, von den Rohstoffen, über Erzeugung, Weiterverarbeitung, Transport, Vermarktung und Zubereitung und Nahrungsaufnahme auf das Erdsystem. Vieles davon ist vom Endverbraucher gut steuerbar (via Versorgungstyp, Ernährungstyp, Haushaltstyp, Küchenausstattung etc. entworfen von J. Kirstein, AG “Die Anthropozän-Küche” (Exzellenzcluster Bild-Wissen-Gestaltung (HUB/FUB)
Abb. 8: Die (postulierte) Anthropozän-Epoche stellt die chronostratigraphische globale Kulmination einer deutlich früher, aber regional beginnenden und sich zunehmend ausbreitenden anthropogenen Modifikationsepisode (AME) dar. (basierend auf Waters et al. 2022 und Head et al. 2022)

Auch bei der Definition des Anthropozäns spielt das biologische und landwirtschaftliche System eine große Rolle. Zwar reichen die Anfänge der anthropogenen Veränderung unserer Biosphäre bis ins Jungpaläozän zurück und sind durch zunehmende Bejagung, gefolgt von der sich über Jahrtausende entwickelnde Sess­haftwerdung des Menschen zur landwirtschaftlichen Nutzung der Biosphäre (anthropogene Modifikations­episode, AME9) (Abb. 8), aber später auch durch vom Menschen zunehmend eingeführte Neobiota charakterisiert, jedoch beschleunigte sich auch die anthropogen bedingte Verbreitung invasiver Arten sowie die Ausbildung von durch Überdüngung verursachten marinen Todeszonen zu Mitte des 20. Jahrhunderts enorm. So ist etwa die pazifische Auster inzwischen auch durch Aquakulturen weltweit verbreitet10. (Abb. 9).  

Abb. 9: Die zunehmende Ausbreitung invasiver Arten charakterisiert neben vielen weiteren “Geosignalen” ebenfalls die postulierte Anthropozän-Epoche (aus Williams et al. 2022). Originaltext (übersetzt): Potenzielles Netz paläontologischer Korrelationen für drei Intervalle des 20. Jahrhunderts. Zu den Quellen siehe Haupttext. Weiße Kreise sind die frühesten dokumentierten Einführungen für eine bestimmte Region (d. h. nicht für einen ganzen Kontinent oder ein geografisches Gebiet). Schwarze Kreise kennzeichnen eingeführte Arten mit bestätigten paläontologischen Aufzeichnungen (“niedrigste Vorkommensdaten”) in ihrem Einführungsgebiet. Prolif.” bedeutet Ausbreitung, die durch menschliche Beobachtung der Ökologie festgestellt wurde. Die Ausbreitungslinie der pazifischen Auster wurde ergänzt.

Des Weiteren stellen Plastik- und Aluminiumrelikte aus Verpackungsmüll (der hauptsächlich aus unserem Ernährungssystem stammt) global verbreitete „Technofossilien“, also neue Geosignaturen, die auch zur Definition und Charak­terisierung der Anthropozän-Epoche Anwendung finden11

Abb. 10: Die Anteile des Ernährungssystems am Aufbau der Technosphäre sind enorm. Darstellung Statista, basierend auf Zalasiewicz et al. (2016).

Insgesamt werden etwa 20-30% der globalen anthropogenen Treibhausgase durch Landwirtschaft verursacht, weitere etwa 10% fallen auf die Erstellung von Gebäuden12. Selten berücksichtigt wird jedoch das immense Volumen nicht nachwachsender Ressourcen, die wir mit gigantischem Energieaufwand gewinnen und weiterverarbeiten, um daraus Geräte, Maschinen, Fahrzeuge, elektronische Produkte u.v.m. zu erstellen und zu betreiben. So beträgt nach wissenschaftlichen Abschätzungen das Gewicht der (kohlenstoffbasierten) Biomasse der lebenden Biosphäre etwa 0,5 Teratonnen (in Trockengewicht ausgedrückt ca 1 Teratonne), davon stellt die Menschheit nur 0,01% dieser Biomasse, wohingegen Pflanzen, darunter insbesondere Bäume, etwa 90% der C-Biomasse allen heutigen Lebens repräsentieren, was deren Bedeutung als natürliche Kohlenstoffsenke unterstreicht13. Die von der Menschheit derzeit in Gebrauch befindliche Technomasse wiegt ebenfalls etwa 1 Teratonne14. Zählt man jedoch auch dazu, was nicht mehr in Gebrauch ist bzw. was auch zur Gewinnung der gewünschten Rohstoffe zusätzlich abgebaut werden musste, wiegt dieses Technosphärenmaterial 30 Tt15, also etwa das 30-fache der heutigen C-Biomasse (Abb. 10, siehe auch Scilogs-Beitrag hier und hier) Dazu hat die Menschheit in den letzten 70 Jahren (also seit postuliertem Beginn der Anthropozän-Epoche) fast das eineinhalbfache dessen an Energie verbraucht, was insgesamt im Holozän, also in ca. 11.700 Jahren vom Menschen genutzt wurde16 (siehe auch Abb. 11 sowie diesen Scilogs-Beitrag). 

Abb. 11: Biosphäre – Technosphäre, ein Vergleich. Basierend auf Daten aus Zalasiewicz et al. (2017) und Syvitski et al. (2020). Hintergrundgrafik: Henning Wagenbreth, UdK, Berlin)

Dieser Vergleich zwischen Biosphäre und Technosphäre zeigt auf, dass wir auch beim Ernährungssystem nicht nur die Nutzung nachwachsender Ressourcen, sondern das gesamte damit verbundene System berücksichtigen müssen, um den Impakt unseres Ernährungssystems richtig beurteilen zu können. Anders ausgedrückt: In der Küche halten wir nicht nur den Kochlöffel in der Hand, sondern eben auch den Steuerknüppel der Globalisierung und des anthropogenen Impakts auf alle äußeren Sphären des Erd­systems, also nicht nur auf die Biosphäre, sondern auch auf Atmosphäre, Hydrosphäre, Pedosphäre und Lithosphäre (vgl. Abb. 7; siehe auch diesen Scilogs-Beitrag). Gleichzeitig weist dieser Vergleich dringend darauf hin, dass auch die zukünftige Technosphäre wie die Biosphäre gestaltet werden sollte und könnte, nämlich wenn zum einen erneuerbare Energie als Energiequelle verwendet würden, und zum anderen die nicht nachwachsenden Ressourcen unserer gesamten Technikproduktion in Richtung kompletter Wiederverwendung im Sinne von Dekomposition nicht mehr genutzter technischer Produkte und darauf folgender Rekombination zu neuen Erzeugnisse forciert würde (siehe auch diesen Scilogs-Beitrag). Dass dies noch ein weiter Weg ist, darf uns nicht davon abhalten, beim Ernährung-/  Landnutzungssystem (aber nicht nur dort) parallele, bereits machbare Wege zu beschreiten, die in Richtung Kreislaufwirtschaft führen. Dazu gehört der umgehende Stopp eines „weiter wie bisher“ (also falsche Subventionen, zu viel Fleischproduktion, Regenwaldabholzung, Überdüngung etc.). Verschiedene Zukunftswege sollten „idealtypisch“ durchdacht werden, um sie vorstellbar zu machen, aber auch, um sie dann miteinander zu kombinieren17 (Abb 12).

Abb. 12: Idealtypische Zukünfte für die Einbettung unseres Ernährungssystems in ein funktionsfähiges Erdsystem. Punkte: mögliche Mischungen. Basierend auf Leinfelder (2014, 2016, 2023).
  • Ein „reaktiver Pfad“ setzt auf Verbote, wie übermäßigen Verbrauch von Wasser und Düngemitteln, unnötige weite Transportwege, Massentierhaltung, aber auch auf mögliche Anpassungs­neuzüchtungen, eine starke Reduktion der 30%-Verlustquote auf dem Weg von der Produktion und Kühlschrank, etc..
  • Ein „weniger ist mehr-Pfad“ fokussiert auf regionale, saisonale Produkte, vegetarische/vegane Ernährung, Urban Gardening, Tröpfchenbewässerung-/Düngung etc..
  • Ein „bioadaptiver Pfad“ fördert die vorhandene Kreislaufwirtschaft (etwa Aquaponik und Rück­gewinnung von Phosphat, Biofuels aus Bioabfällen) und baut sie weiter aus Als Ersatz für Fisch-, Geflügel- und Säugetierfleisch könnten etwa auch Zuchtinsekten direkt für die menschliche Ernährung (wie bei 2 Milliarden Menschen bereits Usus) oder für Geflügelfutter und Fischzucht verwendet werden, da sie ein bedeutend besseres Feed/Food-Verhältnis sowie einen deutlich geringeren Flächen- und Wasserverbrauch aufweisen und außerdem sehr gesund sind18.
  • Ein „Future-Tech-Pfad“ setzt etwa auf Beyond-Meat Produkte, Laborfleisch, aber auch auf GPS-gesteuerte landwirtschaftliche Bewirtschaftung (welche etwa Feuchtgebiete, Heckensysteme, Lärchenfenster etc. zulässt), urbanes Farmscraping u.v.m.
Abb. 13: Mögliche Zukunftspfade der Ernährung müssen jetzt parallel beschritten und miteinander kombiniert werden, mit einer gemeinsamen Zielrichtung, der Erreichung einer kompletten bioadaptiven Kreislaufwirtschaft unter reaktiven, suffizienten, und zukunftstechnologischen Aspekten. Aus Leinfelder (2016, 2022), ergänzt (via ellenmacarthurfoundation.org)

All dies schließt sich nicht gegenseitig aus, sondern sollte mit einem Kompass Kreislaufwirtschaft unter reaktiven, suffizienten, bioadaptiven und Hightech-Aspekten je nach Region, Kulturkreis, Technologie­fortschritt und persönlichen Vorlieben immer wieder neu kombiniert werden (Abb. 12, 13, siehe dazu auch Scilogs-Beiträge hier und hier). Dazu sind nicht nur Politik, Wirtschaft und Wissenschaften gefordert, sondern auch die Zivilgesellschaft19, die von dystopischen Vorstellungen wegkommen und ein neues, integratives und positives Verständnis des anthropozänen Erdsystems entwickeln sollte (etwa „Wir sind nicht getrennt von unserer Umwelt, sondern ein Teil von ihr – wir gehören zu dieser ‚Unswelt“‘; oder „Wir müssen die Erde wie eine Stiftung sehen, die uns und zukünftige Generationen dauerhaft durch ihren Ertrag mittragen kann. Dazu können wir nicht die Stiftungseinlagen aufbrauchen, sondern brauchen Stiftungsregeln, also die Beachtung der Planetarischen Grenzen und der UN-Nachhaltigkeitsziele“; zu geeigneten Narrativen siehe auch Scilogs Beiträge hier, hier und hier). Dann kann mit Neugier, Vorstellungskraft, Ausprobieren, partizipativem Zustands- und Erfolgsmonitoring, gegenseitiger Achtung (dabei insbesondere weg von der verbreiteten „entweder – oder“-Argumentation hin zu einer „sowohl als auch“-Integration  sowie daraus generierter Lebensfreude hoffentlich erreicht werden, dass wir die Erde eben nicht „aufessen“ sondern „wissensgärtnerisch“ mit ihr und all ihren Sphären umgehen (siehe auch Scilogs-Beiträge hier und hier).

Verwendete Literatur (Auswahl, abgekürzte Zitate, v.a. open access; Hinweis: Zitate werden demnächst noch ergänzt):

1Jones 2011 (mit Daten von Ellis 2011),  https://www.nature.com/articles/473133a

2Bar-On et al. 2018, https://doi.org/10.1073/pnas.1711842115  mit Korrekturen durch Bar-On & Milo 2019, https://10.1038/s41579-019-0162-0   

3Greenspoon et al. 2023, https://doi.org/10.1073/pnas.2204892120

4Boell-Stiftung, Fleischatlas 2021 https://www.boell.de/de/2021/01/06/fleischatlas-2021

5WBGU 2013, Menschheitserbe Meer,  https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/welt-im-wandel-menschheitserbe-meer; Boell-Stiftung, Meeresatlas 2017, https://www.boell.de/de/2017/04/25/meeresatlas-daten-und-fakten-ueber-unseren-umgang-mit-dem-ozean

6z.B. Meier 2017 in Science meets Comics: https://doi.org/10.5281/zenodo.556383

7Balashankar et al.,(2023) https://doi.org/10.1126/sciadv.abm3449

8Leinfelder, Hamann et al. 2016. In Die Anthropozän-Küche, Kap. Marokko, Info siehe http://www.anthropocene-kitchen.com ; siehe ggf. auch Westsaharakonflikt: https://de.wikipedia.org/wiki/Westsaharakonflikt

9Waters et al. 2022, https://doi.org/10.1016/j.earscirev.2022.104171

10Williams et al 2022, https://doi.org/10.1111/pala.12618

11Waters et al. 2016, https://science.sciencemag.org/content/351/6269/aad2622, siehe auch PlasticsEurope: https://plasticseurope.org/de/knowledge-hub/plastics-the-facts-2020/

12Statista – CO2-Emissionen: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167957/umfrage/verteilung-der-co-emissionen-weltweit-nach-bereich/

13Leinfelder 2021, http://dx.doi.org/10.17169/refubium-32073 , cf. Fußnote 2

14Elhacham et al., 2021, https://doi.org/10.1038/s41586-020-3010-5

15Jan Zalasiewicz et al. 2017, https://doi.org/10.1177/2053019616677743  , cf. Fußnote 12) 

16Aus Syvitski et al. 2020https://www.nature.com/articles/s43247-020-00029-y

17basierend auf Leinfelder 2014, https://doi.org/10.13140/2.1.2720.5920 , cf. Fußnoten 8, 13, sowie  Leinfelder, R., in press, in Die Zukunft als Skalen- und Perspektivenproblem – Tiefenzeit-Einsichten, Szenarien und Partizipation als Grundlage für Futures Literacy.- In  Pädagogik für Niederösterreich, Bd. 13, Innsbruck, Wien (StudienVerlag)

18Zu Insekten: A vanHuis in Science meets Comics: https://doi.org/10.5281/zenodo.556383

19WBGU 2020, https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/landwende

Version 1 (Arbeitsversion) vom 19.3.2023, 18:35.


Nachbemerkung (vom 19.2.23):
a) Der Anthropozäniker war längere Zeit inaktiv, was “äußere Ursachen” hatte. Nun bin ich aber wieder zurück und freue mich auf weitere Aktivitäten hier auf den Scilogs.
b) Dieser Beitrag stellt die Zusammenfassung eines kürzlich für das Vienna Anthropocene Network gehaltene online-Lecture an der Universität Wien. Diese wurde aufgezeichnet und demnächst online gehen (und hier verlinkt werden).
Nachtrag v. 21.3.23: Hier der Link zur 90min-Lecture als aufgezeichnetes Video: https://player.vimeo.com/video/809059157 (Hinweis: bei Min 7:15 leider Versprecher, ich meinte natürlich den Aralsee, nicht den Baikalsee, sowas aber auch, sorry)

c) Der Beitrag stellt Version 1 (vom 19.3.2023) dar. Für layoutmäßige Unzulänglichkeiten sowie das noch etwas unvollständige Kurzliteraturverzeichnis bitte ich um Nachsicht, dies wird baldmöglichst optimiert/ergänzt).
Ich freue mich wie immer über Kommentare.
Viele Grüße, Ihr/Euer Anthropozäniker Reinhold Leinfelder


PS: vom 20.3.2023: Hab aufgrund der Kommentare hier doch noch eine weitere Folie dazu gepackt (auch wenn es dazu bereits einen älteren Beitrag hier im Anthropozäniker-Blog gibt)

Nachtrag: Abb. 14: Wir suchen gerne nach der EINEN richtigen Lösung bzw. geben gerne DEM bzw. DER die ausschließliche Schuld. Zusammen mit anderen Ausredetypen dient dies zur (oft ungewollten) Rechtfertigung, gar nichts selbst tun zu müssen. (mehr dazu siehe z.B. hier auf diesem Blog)

 

Reinhold Leinfelder ist Geologe, Geobiologe und Paläontologe. Er ist Professor an der Freien Universität zu Berlin (Leiter der Arbeitsgruppe Geobiologie und Anthropozänforschung) sowie (seit Okt 2018) zusätzlich Senior Lecturer am Institut Futur der FU. Seit 2012 ist er Mitglied der Anthropocene Working Group der International Stratigraphic Commission. Von 2006-2010 war er Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin, von 2008-2013 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), von 2011-2014 Research Fellow und affiliate Carson Professor am Rachel Carson Center an der LMU, München, von 2012-2018 Principal Investigator am Exzellenzcluster "Bild-Wissen-Gestaltung" der Humboldt-Universität zu Berlin, von 1. Sept. 2014 bis 15. Sept. 2016 Gründungsdirektor der Futurium gGmbH in Berlin. Seine Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen beim Anthropozän, Korallenriffen, neuen Methoden und Herausforderungen des Wissenstransfers und Museologie | Homepage des Autors | blog in english, via google translate

19 Kommentare

  1. @Leinfelder: “All dies schließt sich nicht gegenseitig aus, sondern sollte mit einem Kompass Kreislaufwirtschaft unter reaktiven, suffizienten, bioadaptiven und Hightech-Aspekten je nach Region, Kulturkreis, Technologie­fortschritt und persönlichen Vorlieben immer wieder neu kombiniert werden.”

    Solange der Kompass wettbewerbsbedingt “Wer soll das bezahlen?” heißen/bestimmen darf, ist alles nur der “Tanz um den heißen Brei”!!!

    • Hallo Horos, danke für die Kommentare. Ich will hier nicht zu weit ausholen. Geschäfte machen begann mit dem Neolithikum, Arbeitsteilung, Besitzwahrung etc. Das war wichtig, da uns nur Vorratshaltung ermöglichte, in höheren Breiten zu leben, in denen im Winter nichts wächst, so dass man eben Vorräte (Getreide, Heu, Vieh) benötigte und ja, auch darauf aufpassen musste (u.a. mit Domestizierung von Katzen gegen Mäuse, von Hunden gegen Füchse, Wölfe etc., natürlich auch Zäune etc). Klar, dass dies im weiteren Verlauf der Geschichte sehr häufig enorm entgleiste und immer noch entgleist (Imperialismus, auch heute noch Kriege um Ressourcen, Güter, soziale Ungerechtigkeiten etc etc etc). Worauf ich hinaus will: ich hab ja geschrieben, dass alle beteiligt sein müssen und alle gesellschaftlichen Ebenen, also selbstverständlich auch die Wirtschaft und Politik, aber halt auch die Zivilgesellschaft hier ganz wesentlich dabei sein müssen (und alles tun müssen, damit da auch etwas passiert). Aber Argumentationen mit ausschließlicher Schuldzuweisung auf andere (DIE Politik, DER Kapitalismus) ist doch oft auch Verantwortungsexternalisierung bzw. Fatalismus/Zynismus, um selbst nichts tun zu müssen (was ich hier aber nicht unterstellen möchte). Und ja, unkorrumpierbares Menschenrecht, Commons (siehe aber auch Tragedy of the Commons) etc- alles wunderbar, aber solange warten, bis wir dies irgendwann mal haben könnten, und bis dahin weiter wie bisher? Geht halt auch nicht. Kompass bzw. Richtung soll hier ja erstmal heißen, loslegen, jede*r so wie er/sie sich am besten einbringen kann, also reaktiv, suffizient, bioadaptiv und auch technologisch. Ein jede*r gegen jede*n sowie die Suche nach der EINEN richtigen Lösung bringt uns halt leider nicht weiter, weil es die EINE richtige Lösung auch nicht gibt. Ich packe nun im Beitrag (unter PS) doch noch mal ne weitere Vortragsfolie dazu, die aufzuzeigen versucht, warum wir es uns oft so schwer machen, voranzukommen und lieber nur abwarten. Dazu gab’s auch schon was früher auf diesem Blog, siehe z.B. hier (von 2013)
      Vielen Dank für Ihr Interesse am Thema. RL

  2. Leinfelder: “Dazu sind nicht nur Politik, Wirtschaft und Wissenschaften gefordert, sondern auch die Zivilgesellschaft19, die von dystopischen Vorstellungen wegkommen und ein neues, integratives und positives Verständnis des anthropozänen Erdsystems entwickeln sollte.”

    “Als Mensch anfing seine Toten zu bestatten, wurde Mensch zum Mensch.” (Anthropologe)

    Als Mensch aber anfing auch daraus ein GESCHÄFT zu machen, war alles für’n … / war alles im geistigen Stillstand seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung MANIFESTIERT. (hto)

    Wenn GRUNDSÄTZLICH alles Allen gehören darf, so daß die wettbewerbsbedingte Symptomatik “Wer soll das bezahlen?” und … keine konfusionierende Macht mehr hat, kann alles menschenwürdig im UNKORRUMPIERBAREN Menschenrecht organisiert (NICHT regiert!) werden, dann klappt’s auch mit Wasser- und sonstiger Versorgung OHNE …!

  3. Der einfachste und naheliegendste Weg zu einer ressourcenschonenderen Landwirtschaft geht über die Verstärkung von Tendenzen, die schon heute Ressourcen schonen. Viele Elemente davon werden kaum je erwähnt, weil sie gegen den Zeitgeist und die politische Korrektheit verstossen.

    Dazu gehört etwa eine Intensivierung der Landwirtschaft, denn damit spart man Landfläche ein. Die jetzt schon existierende Tendenz zur Intensivierung hat übrigens zu Peak Agricultural Land im Jahre 2000 geführt. In den letzten 20 Jahren nahm die Nahrungsmittelproduktion zu nicht aber der Verbrauch an Landfläche auf der Nahrung angebaut wird.

    Ein weiteres grosses Einsparpotenzial ergibt sich meiner Meinung nach über den Pro-Kopf Kalorienverbrauch. Im weltweiten Durchschnitt isst jeder Mensch 2900 Kilokalorien pro Tag, in Deutschland durchschnittlich gar 3500 Kilokalorien, nötig aber wären nur 2500 Kilokalorien pro Tag. Mit andern Worten: Würde die heutige Menge an produzierten Nahrungsmitteln auf eine Menschheit verteilt werden, deren Individuen im Durchschnitt 2500 Kilokalorien pro Tag verzehren, dann könnten damit 9.2 Milliarden Menschen ernährt werden, also soviel wie im Jahre 2050 leben werden. Und das ohne eine einzige Hektar mehr Landnutzung und ohne die Notwendigkeit weiterer Intensivierung der Landwirtschaft. Wenn sich Medikamente zur Dämpfung des Hungergefühls durchsetzen könnte das sogar Realität werden.

    Ein grosses Problem ist sicher der Fleischhunger derjenigen, die an Wohlstand gewinnen. Denn sie konnten sich , als sie noch ärmer waren, kein Fleisch leisten und haben nun enormen Nachholbedarf. Eine Chance haben hier Fleischersatzprodukte. Allerdings nur, wenn sie preislich gleichauf mit heute verkauftem Fleisch liegen. Eine Umstellung auf Fleischersatzprodukte könnte durch den Staat/die öffentliche Hand dadurch gefördert werden, dass in Mensen, Spitälern, Betriebskantinen anstatt Fleisch, Fleischersatzprodukte auf den Tisch kommen. Und das weltweit, nicht nur hier um Westen. Eine entsprechendes UNO-Programm wäre hier sicher hilfreich.

    • Ich stimme zu, dass auch Effizienzsteigerungsmöglichkeiten/Produktionsoptimierungen ins Portfolio gehören (das wäre im reaktiven, z.T. auch technologischen Pfad zu verorten), ausschließlich darauf zu setzen, wäre aber falsch. Mit GPS-gesteuerter naturintegrierender Landwirtschaft ist z. B. etliches zu erreichen, ggf.auch mit Hilfe von KI (Integration von Heckensystemen, Feuchtgebieten, Lärchenfenster, Windkraftanlagen u.v.m. in die bewirtschafteten Flächen. Auch Farm-Scraping in Städten gehört dazu. Bei Ihrer “weniger ist mehr”-Berechnung des Kilokalorien pro Tag gehe ich nicht mit, zum einen wegen der Machbarkeit (manche brauchen mehr als andere), v.a. aber, weil es einen gewaltigen Unterschied macht, ob ich meine Kalorien aus lokaler/regionaler Produktion, mit deutlich besserem ökologischen Fußabdruck (also auch Feed/Food-Verhältnis, Flächenverbrauch, Treibhausgasausstoß u.v.m.) berechne. Auch die 30%-Verlustquote von Nahrung auf der gesamten Kette von Produktion bis Kühlschrank muss reduziert werden. Es ist klar, dass es auch um gesunde Ernährung geht, da ist ein Appell ggf. weniger (bzw. weniger Fett, Zucker etc.), sicherlich nicht falsch. Aber da es darum geht, woraus die 2500 oder 3500 Kalorien pro Tag resultieren, ist dies m.E. kein plausibles Argument. Bei den Fleischersatzprodukten oder auch sonstigen Alternativen (etwa Zuchtinsekten) gehe ich gerne mit. Zu Insekten als Nahrungsbestandteil plane ich in absehbarer Zeit einen weiteren Beitrag hier (also bitte mit Kommentaren dazu erst noch abwarten 😉
      Insgesamt gibt es also ein sehr weites Feld von Maßnahmen, die zu Portfolios gebündelt und immer wieder bei Bedarf umgebaut werden können. Ich verweise nochmals auf unser “labyrinthisches” und quervernetztes Pfadkonzept für die Ernährung in diesem früheren Beitrag. (direkter Bildaufruf siehe hier)

      • Lokale Produktion, gesunde Ernährung und der Kühlschrank sind nur bei einer hochwertigen Ernährung in den reichen Ländern entscheidend, nicht aber bei der heutigen weltweiten Durchschnittsernährung. Die ist nämlich bestimmt von Grundnahrungsmitteln wie Reis ( 544 Kcal/Tag von 2900 total), Weizen ( 526 Kcal/Tag von 2900 total) und pflanzlichen Ölen (280 Kcal/Tag von 2900 total) . Wo genau Reis, Weizen und Öle angebaut werden spielt keine so grosse Rolle, denn sie können kostengünstig über die ganze Welt verschifft werden. (Siehe dazu Die wichtigsten Nahrungsmittel der Welt)
        Im Prinzip planen sie bereits für eine reichere Welt in der sich die Menschen viel stärker als heute von Avocados, Salat, Beeren, Früchten und vielem mehr ernähren, was ärmeren Haushalten heute gar nicht zur Verfügung steht. Es stimmt allerdings: jeder Haushalt im Westen hat einen Kühlschrank. In der Subsahara leben noch 600 Millionen Menschen ohne Kühlschrank. Allerdings wird sich das bis 2050 wohl ändern. Mir scheint aber, dass das Streben nach hochwertigerer Ernährung tendenziell mit mehr Umweltbelastungen einhergeht.

        • @Leinfelder

          Wir leben/vegetieren in GLEICHERMAßEN unverarbeiteter und systemrational-gepflegter/konfusionierter Bewusstseinsschwäche von WETTBEWERBSBEDINGTER Angst, Gewalt und egozentriertem “Individualbewusstsein”, ein dem Ursprung entsprechendes ganzheitliches Wesen Mensch, ist UNWAHRSCHEINLICH geworden, somit ist die systemrationale Bewusstseinsbetäubung mehr und/oder weniger ABGEHOBEN!?

  4. Die URSACHE aller symptomatischen Probleme unseres “Zusammenlebens” wie ein wachstumswahnsinniges Krebsgeschwür für den zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf des imperialistisch-faschistischen Erbensystems, ist der nun “freiheitliche” WETTBEWERB um die Deutungshoheit des “gesunden” Konkurrenzdenkens, wo ein globales Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik die Überproduktion von konfusioniertem Kommunikationsmüll menschenwürdig beenden würde und …!

  5. In einem globalen Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik, wo die von Reiner Vernunft (zweifelsfrei-eindeutige Ökonomie, Ökologie und Verantwortungsbewusstsein) organisierte BASIS aller Produktivität (mit garantierter Teilhabe zu mehr / leistungsabhängig definierte Artikel!), für das Zusammenleben mit einem UNKORRUMPIERBAREN Menschenrecht zu KOSTENLOSER Nahrung, MIETFREIES Wohnen und ebenso KASSEN-/KLASSENLOSER Gesundheit geregelt ist, da wird Mensch zum Mensch.

  6. https://youtu.be/BrTVdO5fUkM
    Warum mir diese alte Werbung dazu einfällt weiß ich nicht.
    Mit Hinweis zum letzten Satz.
    Religion Umweltsau , aber verpackt als Fortschritt und mit eloquenten Worten in Theorie verneinend , in der Praxis ..naja. Sozusagen alles Denken und dazu hin arbeiten in der Menschen Geschichte als Glaubensreligion , genug ist nie genug , Hauptsache billig ? Und der Mensch mit subjektiven Eigeninteresse bestimmt sein Denken und er baute sich seine Welt . Er kann wohl nicht anders ? Denn warum ist die heutige Welt so wie sie ist , oder besser , ich sie sehe? Aber ich täusche mich da, ganz bestimmt! 🙂
    Mein Glaube an das Verhalten der Mehrzahl Mensch sagt mir : Kein Interesse

  7. @Käthe Parlow: “Hauptsache billig ?”

    In der wettbewerbsbedingt-“individualbewussten” Konfusion von “gesundem” Konkurrenzdenken zur “Freiheit” unternehmerischer Abwägungen (neuzeitlich im Sinne der Globalisierung der “Dienstleistungsgesellschaft”: “Flexibilität” zur/in der Ich-AG), wie sollte da etwas anderes zu erwarten sein – Die Hierarchie des geistigen Stillstandes in allen denkbaren …losigkeiten, seit Mensch erstem und bisher einzigen GEISTIGEN Evolutionssprung!?

    • Wenn die Globalisierung (der herkömmlich-gewohnte Kolonialismus) diese Welt- und “Werteordnung” ohne atomare Apokalypse zur “Einheitlichkeit” drängen könnte, dann würde das ein Verlauf wie im Film “Die Überleben wollen” (Soylent Green) werden, also muß dem wettbewerbsbedingten Monopoly (mit Schach, Poker und inflationären Mensch ärgere dich nicht) ein wahrhaftig-fusionierendes Denken offeriert werden, für eine Kommunikation in zweifelsfrei-eindeutiger Wirklichkeit von/zu geistig-heilendem Selbst- und Massenbewusstsein, anstatt …!?

      • Hallo Horos, ich will wirklich nicht “zensieren”, und ich kann ja Frust durchaus auch selbst nachvollziehen. Aber nun ist es bitte gut, das sind leider halt auch alles Beispiele für Zynismus/Fatalismus bzw. Externalisierung, die zwar verständlich sind, aber auch nichts voranbringen (vgl. die Abbildung im Nachtrag des Artikels). Auch ich bin bzgl. Frust und Externalisierung nicht immun, aber es hilft nichts, erst auf eine wie auch immer geartete “Weltrevolution” zu warten, um danach dann alles anders zu machen; wir müssen jetzt loslegen, das ist zumindest meine Sicht auf die Dinge. Ich hab auch eine Ausnahme gemacht, weil ich normalerweise anonyme Kommentare nicht freigebe, nur solche unter Klarnamen. Aber danke für Ihr Interesse und auch Ihre Beiträge, und nochmals ich kann ja vieles nachvollziehen und wir sind uns immerhin einig, dass wir eine neue, systemische Sicht auf die Dinge (“alles hängt mit allem zusammen” und diese Welt benötigen, mit viel mehr FuturesLiteracy, sinnstiftende Kooperationen, wissensgärtnerische Gestaltung oder wie auch immer man dies nennen mag).

  8. Dann bitte auch mal aufzeigen, wo die Reise für jeden einzelnen hingeht. Wie werden wir wohnen? Alles andere als ein Pod / eine Kapsel wäre wohl nicht zu verantworten. Was werden wir essen? Da bleiben wohl nur Insekten und künstliches Fleisch, wenn überhaupt. Wie werden wir uns fortbewegen? Autos werden verboten. In unserer 15 Minuten-City reicht ein Fahrrad. Verlassen darf man seine 15 Minuten-Stadt nur selten und nur nach vorheriger Genehmigung. Wie wird das Zusammenleben geregelt? Jeder Mensch hat einen sozial / öko – Score der bei Wohlverhalten erhöht und bei Verstößen verringert wird. Dadurch wird die bereits stark eingeschränkte Freiheit jedes einzelnen noch einmal beschnitten. Wer es wagt gegen diese perfekte Ordnung zu rebelieren, darf seinen Pod dann überhaupt nicht mehr verlassen und muß sich mit der täglichen Insektenration zufrieden geben.
    Unsere weisen Herrscher und Philanthropen wie ein Herr Gates oder ein Herr Buffett werden natürlich weiterhin alle Privilegien genießen, in schönen Villen wohnen, Steaks essen, mit dem Dienstwagen fahren und dem Flugzeug in ferne Länder fliegen.

    Die Frage ist, wollen wir wirklich so leben? Ist dass Leben dann überhaupt noch lebenswert?

    • Es wird nie eine einzige perfekte Ordnung geben, die auch noch alles vorschreibt. Ich hab einiges zu verschiedenen Zukünften für die verschiedenen Lebenswelten (Ernährung, Wohnen, Mobilität, Gesundheit etc) auch hier im Blog geschrieben, z.B. hier und hier. Mehr dazu dann demnächst auf dieser Stelle. Es gibt eben keine Silverbullet, also die eine richtige Lösung, die für jede Region, Kultur, Gesellschaft passt. Auch werden solche Zukunftsportfolios zeitlich flexibel sein müssen und immer wieder neu zusammengesetzt werden. Einen >100 Jahre langen Einheitspfad (wie bei den fossilen Energien) wird es nicht geben können, das muss liquide und kreativ bleiben und Vielfalt ermöglichen.

  9. @Eigene Küche

    „…das muss liquide und kreativ bleiben und Vielfalt ermöglichen.“

    Eigentlich erstaunlich, welchen Einfluss der Einzelne hat. Unsere halbe Zukunft entscheidet sich in der eigenen Küche.

    Weniger Tierisches, fast nichts mehr wegwerfen, regional und saisonal einkaufen. Das bewegt schon mal vieles. Gerade die aktuellen Preissteigerungen auf dem Weltmarkt könnten so schnell wieder weg sein.

    Wobei die Preise endlich mal auch den Bauern ein vernünftiges Einkommen ermöglichen. Seit Jahrzehnten haben wir es eher mit Überproduktion zu tun, und die EU kämpfte ständig damit, den Bauern ein existenzerhaltendes Einkommen zu ermöglichen.

    Die aktuell hohen Weltmarktpreise könnten durchaus auch in Afrika dazu führen, dass dort effektiver angebaut wird. Das muss kein konventioneller Anbau sein, auch vernünftiger Bioanbau hat hohe Erträge. Gerade in Afrika ist das Potential noch sehr groß, ein Mehrfaches an Erträgen zu erzielen. Das könnte wohl sogar für 2 Milliarden Afrikaner reichen.

    Der Rest inclusive der Schwellenländer in Asien mag denn nun tatsächlich um Fleisch konkurrieren, das die nächsten Jahre knapp werden könnte. Wer entsprechend einsparen kann, kommt dennoch hin, und am Ende kommen wir irgendwie durch.

    Was der Klimawandel für die landwirtschaftliche Gesamtproduktion bedeutet, wird sich wohl erst noch zeigen.

    Überschüsse und Abfälle zur Insektenzucht zu nutzen, wird auch nützlich sein. Ganz hilfreich wäre natürlich, wenn das mit den Bakterien klappt, die direkt mit grünem Wasserstoff gefüttert werden, und dann ganz direkt tierisches Eiweiß produzieren könnten.

    So umgeht man die Ineffektivität der pflanzlichen Photosynthese und die Verluste der Tierhaltung, und kann gleich auch Überschüsse aus der schwankenden regenerativen Stromerzeugung verwerten. Wasser braucht man dafür vergleichsweise auch keins. Und die entsprechenden Anlagen können da stehen, wo die Stromüberschüsse anfallen. Das so erzeugte Bakterienpulver kann man gut lagern und leicht überall hin transportieren.

  10. Dem biblischen Domium Terrae dürfen womöglich Grenzen gesetzt werden, im Eigeninteresse, außerdem sind bestimmte Pflanzen- und Tierarten auch sozusagen nett und dürfen erhalten bleiben.

    Weil sich aber die Menschheit seit vielleicht Beginn der industriellen Revolution in einem eben revolutionären Status befindet, die Besiedelung des Weltraums in autonomen, sich selbst erhaltenden “Archen” scheint nicht fern, auch die AI steht nun tapfer bereit und i.p. Krieg könnte sich demnächst insbesondere europäisch besonders ungut anbahnen, bliebe es interessant, sich nicht terrestrisch zentriert, sondern allgemein weltlich zu bemühen ?!

    Also über die terrestrischen Erwärmungstendenzen hinaus schauend und optimistisch, was zukünftiges Leben, im nicht nur terrestrischen Anthropozän, dann “Anthropozän”, meint ?!

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer (der schon der Meinung ist, das zeitgenössisch als problematisch Erkanntes in nicht ferner Zukunft anders gesehen, auch sozusagen en passant gelöst werden könnte)

    • Danke für den Kommentar. Was von Ihnen als “nicht ferne Zukunft” bezeichnet wird, ist allerdings ein häufiges Phänomen des in-die Zukunft-Schauens, da lieber eben doch recht weit weg schauen. Unsere Zukunftsvorstellungen sind häufig von Science Fiction geprägt, aber auch meine Geologen-Zunft schaut gerne mal 20, wenn nicht gar 200 Millionen Jahre in die Zukunft und postuliert, basierend auf Plausibilitätsannahmen sicher zu Recht völlig andere Kontinentkonstellationen. In die nähere Zukunft schauen bzw. sie sich mitgestaltend vorzustellen, fällt viel schwerer, dann lieber diese fernen Vorstellungen a la “uns wird schon noch was besseres einfallen”. Das ist halt eine der klassischen Ausreden, jetzt nichts tun zu müssen, bzw. die Hoffnung, es würde demnächst schon noch so ein technischer Superheld vorbeikommen, der alles wieder gerade rückt. Vorstellungen von außerterrestrischen Welten, auf die wir auswandern können und sonstigen, dann “sozusagen en passant” lösbaren Problemkreisen sind m.E. leider eher kontraproduktiv. Zur Herausforderung Futures Literacy gehört eben auch eine viel besseres Vorstellungsvermögen von Zeitabläufen und Zeitdynamiken.

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