30 Billionen Tonnen Technik: Ausmaß und Diversität der Technosphäre – eine neue Publikation der Anthropocene Working Group

Vor wenigen Tagen erschien unsere neue Arbeit „Scale and diversity of the physical technosphere: A geological perspective“ vorab als online-first Publikation im Wissenschaftsjournal The Anthropocene Review. Die 25 Autoren, darunter auch ich, sind überwiegend Mitglieder der „Working Group on the ‚Anthropocene‘ der Internationalen Stratigraphischen Kommission. Die Mehrheit der Autoren sind Geologen (darunter die „Lead Autoren“ der Universität Leicester), aber auch Erdsystemwissenschaftler, Archäologen, Umwelthistoriker und andere sind dabei.


Auch der Berliner Teufelsberg ging übrigens in die Untersuchungen ein. Dort wurden von 1950, dem von der Arbeitsgruppe favorisierten Beginn des Anthropozäns bis ins Jahr 1972 insgesamt 26 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt abgeladen. Mit einer Höhe von 120 m NN erhebt sich der Teufelsberg bis zu 80 Meter über seinen natürlichen Untergrund. Das Kriegsschuttmaterial der “Teufelsberg-Formation” besteht insbesondere aus Resten von Beton, Ziegelsteinen, Klinker, Flugasche, Schlacken, Metallen und festen chemischen Abfällen.

Geologisch ist die Technosphäre noch sehr jung, aber sie entwickelt sich in rasender Geschwindigkeit. Aufgehalten werden könnte ihr Wachstum aber möglicherweise von der – bislang allerdings vergleichsweise schwach ausgeprägten – Fähigkeit des Recycelns. Auch in der fernen Zukunft könnten viele der menschengemachten Strukturen noch von der einstigen Größe der Menschheit zeugen. Denn im Gegensatz zu vielen biologischen Relikten sind viele Objekte der Technosphäre kaum abbaubar und werden daher noch Jahrmillionen als Technofossilien zu überdauern, welche uns die Datierung des Anthropozäns ermöglichen.
Die Vielfalt der verschiedenen Arten technischer Gegenstände übersteigt vermutlich inzwischen die Zahl der Arten von Lebewesen und Pflanzen auf der Erde. Nach unseren Schätzungen könnte es schon heute mehr als eine Milliarde verschiedener Arten solcher Technofossilien geben – das ist mehr als heute Organismenarten auf der Erde leben. “Wenn wir die Technofossilien nach paläontologischen Kriterien klassifizieren, dann übertrifft ihre Vielfalt den heutigen Artenreichtum und geht weit über die Vielfalt der geologischen Fossilien hinaus und könnte sogar die biologische Vielfalt der gesamten Erdgeschichte noch übertreffen”, so Lead-Autor und Vorsitzender der Arbeitsgruppe, Jan Zalasiewicz von der Universität Leicester.
Zugrundeliegende Publikation:
Jan Zalasiewicz, Mark Williams, Colin N Waters, Anthony D Barnosky, John Palmesino, Ann-Sofi Rönnskog, Matt Edgeworth, Cath Neal, Alejandro Cearreta, Erle C Ellis, Jacques Grinevald, Peter Haff, Juliana A Ivar do Sul, Catherine Jeandel, Reinhold Leinfelder, John R McNeill, Eric Odada, Naomi Oreskes,Simon James Price, Andrew Revkin, Will Steffen, Colin Summerhayes, Davor Vidas, Scott Wing, Alexander P Wolfe (2016, online first): Scale and diversity of the physical technosphere: A geological perspective.- The Anthropocene Review, doi: 10.1177/2053019616677743
Weiterhin zitiert: Maike Scheffold (2014): Der Berliner Teufelsberg – Typuslokalität einer neuen stratigraphischen Einheit des Anthropozäns? – unveröff. BSc-Arbeit, Institut für geologische Wissenschaften, Freie Universität Berlin, 48 S. (Publikation in Vorb.).
Diese Meldung wurde unter Verwendung der Pressemeldung der Universität Leicester sowie der darauf basierenden Scinexx-Meldung sowie einer dpa-Meldung (u.a. hier) erstellt.
Nachtrag vom 27.4.2017: Wegen der Nachfrage einer Berliner Boulevardzeitung zum Gewicht von Berlin und meiner Antwort darauf, habe ich nun einen weiteren Scilog-Anthropozäniker-Beitrag zum Thema geschrieben, der die Berechnungsweise für unser Technosphere Paper sowie dann für Berlin und den Teufelsberg noch näher erläutert.
Welche Marker treten den im Teufelsberg die den Standards der ICS standhalten?
Einerseits recht viele und v.a in extrem hoher Konzentration: Beton, anderer Bauschutt, Schlacken, auch Kunststoffe, also alles charakteristische Technofossilien nach unserer Definition. Andererseits wird der Teufelsberg nun (trotz meines 1. April-Beitrags in diesem Blog) wohl nicht zur Global Stratigraphic Section and Point werden, denn der Kontakt zur Unterlage ist durch einen Hiatus charakterisiert, die Teufelsberg-Sedimente liegen überwiegend direkt auf Pleistozän. Die Teufelsberg-Sedimente können jedoch zumindest als eine charakteristische, kartierbare lithostratigraphische Formation (Teufelsberg-Formation) charakterisiert werden, die die Basis des Anthropozäns (sofern diese global auf etwa 1950 zu liegen käme) im Berliner Raum fleckenhaft (d.h. mit den anderen Kriegsschuttbergen Berlins) charakterisieren.
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