Long COVID: Im Kopf oder Körper?

Eine neue Studie soll die körperliche Ursache gefunden haben. Lässt sich das bei näherer Betrachtung halten? Und was bedeutet das für die Patienten?

“Menschen mit Long-COVID wird immer noch zu oft gesagt: ‘Das ist alles nur im Kopf.’ Leider hören wir von Patienten, dass ihr Umfeld, manchmal sogar ihr Hausarzt, immer noch denkt, es handele sich um ein Burn-out. Wir hoffen, dass diese Forschung zur öffentlichen Aufklärung beiträgt, dass es sich um eine körperliche Erkrankung handelt, an der die Menschen selbst nichts tun können.”

Kommentar zur neuen Studie von Diewke de Haen, Direktorin der Patientenorganisation PostCovidNL

Auch wenn COVID mehr und mehr eine “normale” Erkrankung wie die alljährliche Virusgrippe wird, ist die Pandemie damit noch nicht für alle vorbei: Manche Menschen erfahren auch Monate bis Jahre nach der Infektion mit dem Coronavirus erhebliche Einschränkungen ihrer Gesundheit. Das nennen wir “Long COVID”.

Eine gerade in Nature Communications erschienene Studie unter Leitung niederländischer Forscherinnen und Forscher an der Universitätsklinik Amsterdam berichtet jetzt interessante Ergebnisse: Nach körperlicher Anspannung fanden sich im Muskelgewebe von Betroffenen auffällige Änderungen. Dabei ging es vor allem um die Aktivität der Mitochondrien, sozusagen die Kraftwerke der Zellen, und bestimmte Eiweißablagerungen. Bei deren Anhäufung kann sich der Gesundheitszustand sogar verschlechtern.

Für die Studie haben 25 Patienten unter kontrollierten Bedingungen an einem Leistungstest auf dem Fahrrad teilgenommen. Im Mittel waren sie 41 Jahre alt, ungefähr zu gleichen Teilen Frauen und Männer. In der Vergleichsgruppe waren 21 Gesunde. In beiden Gruppen waren fast 100% der Personen gegen COVID geimpft. Die Patienten mit Long COVID konnten im Schnitt aber nur noch fünf Stunden pro Woche arbeiten – im Vergleich zu 36 vor der Erkrankung.

Korrelat oder Korrelation?

In niederländischen Medien – und wahrscheinlich nicht nur dort – wurden gleich weitreichende Schlüsse gezogen:

“Long COVID hat eine körperliche Ursache. Das haben Forscher von der Uniklinik Amsterdam und der Freien Universität herausgefunden, indem sie Muskelgewebe von Menschen mit und ohne Long COVID untersuchten.”

NOS.nl am 4. Januar 2024

Diese Schlussfolgerung dient gleichzeitig als Titelschlagzeile. Wer aber in die Originalstudie schaut (open access), der findet eine andere Darstellung: “Hierbei handelt es sich um eine Beobachtungsstudie. Daher können wir keine Kausalität nachweisen” (S. 9).

Damit will ich die gefundenen Effekte keineswegs relativieren: Die Unterschiede bei den Amyloid-Ablagerungen – bestimmten Eiweißen in den Muskeln – können sehr groß sein.

Abbildung: Im Mittelwert sind die Unterschiede bei den Ablagerungen zwischen Patienten mit Long COVID und den gesunden Vergleichspersonen erheblich. Ein Blick auf die Daten zeigt aber auch große Überlappungen zwischen den beiden Gruppen. Quelle: Appelman et al., 2024. Lizenz: CC BY 4.0 DEED

Man sieht aber, dass auch viele der Patienten – vor und nach dem Leistungstest – keine abweichende Menge der Ablagerungen aufzeigen. Damit kann die Untersuchung nur ein biologischer Hinweis auf Long COVID sein, jedoch sicher kein Beleg für seine Ursache. Und zwar aus prinzipiellen Gründen.

Es handelt sich eben um eine statistische Korrelation, nicht “das Korrelat” der Erkrankung. Dieser Fehlschluss geschieht leider sehr häufig in Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation.

Extreme Schlussfolgerungen

Ebenso extrem und unsinnig wie die Behauptung, Long COVID sei rein psychisch, ist jetzt die extreme Übertreibung, die Erkrankung sei rein körperlich und die Patienten könnten nichts daran tun.

Es mag sein, dass einige Betroffene mit Physiotherapie und anderen Trainings gequält wurden, die sie überforderten und ihren Gesundheitszustand vielleicht sogar verschlechterten. Das ist aber vor allem Ausdruck einer bürokratischen Medizin, in der Behandelprotokolle stur befolgt werden.

Dementsprechend empfiehlt der Arzt und Forscher Brent Appelman, einer der Hauptautoren der neuen Studie, bei der Therapie die individuellen körperlichen Grenzen zu berücksichtigen. Interessanterweise gibt er den Patienten dafür – typisch niederländische Mentalität – wortwörtlich selbst die Verantwortung:

“Konkret raten wir diesen Patienten, auf ihre körperlichen Grenzen zu achten und diese nicht zu überschreiten. Man denke an leichte Anstrengungen, die nicht zu einer Verschlimmerung der Beschwerden führen. Um die körperliche Kondition aufrechtzuerhalten, ist es gut, Spazieren zu gehen oder mit dem Elektrofahrrad Fahrrad zu fahren. Dabei sollte man bedenken, dass jeder Patient eine andere Belastungsgrenze hat.”

Brent Appelman von der Universitätsklinik Amsterdam

Das allein steht also schon im Widerspruch zur eingangs zitierten Aussage von Diewke de Haen, Direktorin der Patientenorganisation PostCovidNL. Mit dieser extremen Einseitigkeit schadet sie womöglich selbst den Betroffenen, wenn diese sich nun weniger bewegen. Ähnlich schädlich hat sich bereits bei Depressiven das irrige Denken erwiesen, sie hätten eine Hirnerkrankung und könnten daran nichts tun.

Leib und Seele

In den Berichten drückt sich außerdem aus, dass in vielen Köpfen auch Jahrhunderte nach René Descartes (1596-1650) dualistisches Denken immer noch sein Unwesen treibt. Leib und Seele, Körper und Geist werden darum stark voneinander getrennt. Dabei bilden die beiden für uns eine untrennbare Einheit – oder sind schlicht unterschiedliche Perspektiven auf dieselbe Sache. Wie ich schon vor Jahren einmal sagte: Körper ist Geist.

Insbesondere macht es ein Problem nicht weniger real, selbst wenn es vor allem psychisch oder psychosomatisch ist. Menschen, die so denken, haben den Bezug zu sich selbst völlig verloren. Denn auch der angeblich so viel realere Körper vermittelt sich uns in der Selbsterfahrung: Er ist etwas anderes als ein Stuhl, auf dem wir sitzen, oder eine Gabel, mit der wir essen; er ist vielmehr ein lebendiger, organischer, ja “beseelter” Leib.

So sehen wir, wie eine verwirrte Leib-Seele-Philosophie nicht nur auf dem Papier ihr Unwesen treibt, sondern Menschen ganz konkret schaden kann. Dabei erfahren wir permanent die Verkörperung unseres Seelenlebens, wenn wir beispielsweise gegen Stress oder Verlegenheit ein Glas Alkohol trinken. (Wobei der Effekt psychoaktiver Substanzen interessanterweise auch von unseren Erwartungen abhängt; Englisch: set and setting.)

Umgekehrt finden sich auch bei Menschen mit Depressionen mitunter Änderungen im Immunsystem oder an anderen Stellen im Körper. Oder können sich Personen mit einer Aufmerksamkeitsstörung nach einer Sporteinheit manchmal besser konzentrieren.

Auch ein guter Physiotherapeut wird seine Klienten nach deren psychischem Wohlbefinden befragen: Wie ist der Schlaf? Hat jemand viel Stress? Große psychosoziale Probleme? Solche Faktoren können körperliche Probleme verursachen oder wenigstens deren Auftreten begünstigen. Und für den Genesungsprozess sind sie allemal von Bedeutung.

Empfehlungen

Die Diskussion, ob Long COVID körperlich, psychosomatisch oder psychisch ist, ist also so müßig wie der ewige Streit, ob bestimmte psychische Fähigkeiten eher angeboren oder eher erlernt sind (Englisch: nature or nurture). Die Kultur ist uns Menschen gerade die zweite Natur geworden. Und in einem gewissen Sinn sind so gut wie alle unsere körperlichen Probleme psychosomatisch, allein schon deshalb, weil unsere Einstellung und unser Verhalten die Genesung beeinflussen. Man denke allein an Placebo- und Nocebo-Effekte.

Insofern sollte man der Schlussfolgerung der Patientenorganisation, dass man nichts an Long COVID tun könne, besser nicht folgen. Dann verspielt man Potenzial seiner körperlichen Selbstheilungskräfte, so gering sie im Einzelfall auch sein mögen.

Dass man bei Bewegung und Lebenswandel die individuellen Möglichkeiten berücksichtigen muss, ist eine Binsenweisheit. Wenn das zu oft schief ging, wie die Berichte jetzt nahelegen, ist das ein weiterer Hinweis auf die Krankheit unseres Gesundheitssystems mit seiner Bürokratie sowie ausgeuferter Standardisierung von Behandelprotokollen.

Man könnte auch noch einmal überdenken, ob “Long COVID” die beste Bezeichnung ist: COVID ist primär eine infektiöse virale Atemwegserkrankung. Diese kann zwar auch andere Organe und Systeme beeinträchtigen, wie auch die neue Studie wieder einmal bestätigt. Die chronischen Patienten leiden in der Regel aber nicht mehr an einer Virusinfektion, sondern deren Folgen.

Daher halte ich “Post COVID” für eine bessere Alternative. Diese Bezeichnung könnte auch die Unterschiede zwischen den Patientinnen und Patienten stärker hervorheben: Selbst wenn alle mehr oder weniger in ihrer Kondition und ihrem Alltag eingeschränkt sind, können die Ursachen dafür ganz unterschiedlich sein. Alle Betroffenen über einen Kamm zu scheren, verbietet sich dann von selbst.

Vor- und Nachteile der Studie

Die neue Studie würde insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn sich aus dem statistischen Zusammenhang eine neue Therapie ableiten lässt. Dann könnte beispielsweise dem Teil der Patienten geholfen werden, die die erhöhten Ablagerungen in ihrem Muskelgewebe haben – und darum chronisch erschöpft sind.

Die Forschergruppe hat dafür auch schon das IDO-2-Enzym im Auge. Dieses werde vom Körper gegen das Coronavirus produziert. Bei chronisch Betroffenen scheint es aktiv zu bleiben – und könnte die Probleme mit den Mitochondrien und Eiweißablagerungen verursachen.

Neben dem Unterschied von Korrelation und Kausalität verbieten sich weitreichende Schlussfolgerung allein schon aufgrund der kleinen Gruppengröße. 25 Patientinnen und Patienten sind viel zu wenig, um damit das Thema Long/Post COVID endgültig abhandeln zu wollen. Insbesondere haben wir innerhalb dieser Gruppe gesehen, dass der Zusammenhang beispielsweise mit den Amyloid-Ablagerungen nur für in etwas die Hälfte der Betroffenen gilt.

Die anderen von dem Forscherteam gefundenen Unterschiede sind eher noch kleiner. Das heißt, sie sind eher statistischer Natur und liefern vor allem Hinweise darauf, wo weiter gesucht und geforscht werden sollte. Offene und wichtige Fragen zum Thema gibt es jedenfalls genug.

Zusammenfassung

  • Der Bericht, mit den Eiweißablagerungen habe man nun die körperliche Ursache von Long/Post COVID gefunden, ist falsch.
  • Die statistisch erhöhten Ablagerungen fanden sich insbesondere nicht in allen Patienten, sondern mitunter nur in der Hälfte oder noch weniger der Betroffenen.
  • Damit ist auch nicht gezeigt, dass Long/Post COVID eine körperliche Erkrankung ist; diesen Dualismus gilt es endlich zu überwinden: die “Psyche” ist verkörpert und der Körper ist gewissermaßen “beseelt”.
  • Überhaupt sollte man endlich damit aufhören, psychische oder psychosomatische Probleme für “weniger real” zu halten; das Gegenteil ist der Fall: Psychisches ist uns in der Erfahrung viel direkter zugänglich als Körperliches.
  • Patientinnen und Patienten sollten nicht der kolportierten Aussage glauben, sie könnten nichts an ihrer Situation ändern; korrekt ist, dass man so ein schwerwiegendes Problem nicht einfach “wegdenken”, doch man so gut wie immer selbst etwas zur Genesung beitragen kann.
  • Dabei sollte man aber die individuellen Möglichkeiten berücksichtigen und nicht stur Behandelprotokolle folgen; das sollte eine Frage der Selbstverständlichkeit sein.

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72 Kommentare

  1. “In beiden Gruppen waren fast 100% der Personen gegen COVID geimpft.”

    Ich schlage eine neue Studie mit einer Kontrollgruppe von Ungeimpften vor. Möglicherweise könnte so das Rätsel um “Long Covid” entschlüsselt werden.

  2. @Müller: Das ist doch schon untersucht:

    Das Risiko für Long/Post COVID sank nach 1, 2 oder 3 Impfungen um 21, 59 und 73 Prozent.

    Dementsprechend haben Menschen ohne oder mit weniger Impfungen ein höheres Risiko.

    Quelle

  3. Wenn Covid also einen Plaque in den Mitochondien hinterlassen hat, dann sollte man nach Möglichkeiten suchen, diese Ablagerungen wieder abzubauen.
    Den Gedanken von Frau Petra Müller deute ich dahingehend, dass geimpfte Personen weniger Plaque haben als Ungeimpfte.
    Wir suchen also Leute, die eine Covid Erkrankung durchgemacht haben mit dem Unterschied, dass die Einen immer noch nicht geimpft sind , die Anderen aber geimpft. Und beide Gruppen behaupten Long – Covid krank zu sein.

  4. Den Artikel kann ich sofort weiter verlinkmailen – meiner einer hatte erfreulicherweise (bis jetzt) nur short covid, wenn auch wg der heftigen ′Erkältung′ plus begleitender Brustfell­Entzündung und der Asthma­Grundlage in ziemlich lästig empfundener Ausformung…

  5. Ihre Zusammenfassung zur Covid Frage finde ich sehr plausibel.

    Zitat: „…diesen Dualismus gilt es endlich zu überwinden: die “Psyche” ist verkörpert und der Körper ist gewissermaßen “beseelt”.“

    Es scheint völlig klar, dass „Körper und Geist“ eng zusammenwirken. Der „Dualismus“ ist nicht zwingend, man kann gut „ohne“ leben.

    Aber in der Wissenschaft, der Mensch ist nun einmal neugierig, will man alles hinterfragen und erklären können, letztlich um ein besseres Leben führen zu können.

    Besonders wenn es um die Steuerung komplexer Prozesse mittels „Informationsverarbeitung“ geht, ist grundsätzlich eine Strukturierung der Sachverhalte zweckmäßig um auch komplexe Probleme verstehen und beschreiben zu können. Die Informatiker haben es uns vorgemacht wie man Sachverhalte korrekt formuliert und sogar in technischen Maschinen verarbeiten lassen kann.

    Bei „Körper ist Geist“ erfolgt eine Gleichsetzung von „Elementen“ die grundsätzlich nicht gleich sein können, weil nicht einmal die Kategorien gleich sind.

    In der Medizin hat man frühzeitig zwischen Körper und Psyche getrennt, was letztlich die „Roboterentwickler“ genau so machen.

    „Hardware und Software“ unterscheiden sich grundsätzlich in ihren Eigenschaften und man kommt zu einer natürlichen Trennstelle zur Abgrenzung.

    Bemerkenswert ist jedenfalls, dass die Hardware „defekt“ und verschrottet wird, die teure alte Software aber weiter genutzt werden kann.

  6. Der Mensch sucht gerne nach Kausalitäten um zu lernen und nach Möglichkeit Problemen aus dem Weg zu gehen. Selbst wenn „alles“ kausal sein sollte, es wird immer schwieriger, in immer komplexeren Systemen Kausalitäten zu erkennen und nachvollziehen zu können.

    Bei „Krankheiten“ sucht man nach Kausalitäten um sie künftig zu vermeiden. Bei einem „Beinbruch“ ist alles offensichtlich. Nicht aber z.B. bei Schizophrenie. Da ist normalerweise keine Kausalität erkennbar. Am ehesten bedeutet z.B. Schizophrenie „absurdes Verhalten“ („abgespalten“ von der „Normalität“). Einerseits von Menschen, aber auch bei technischen Systemen.

    Beispiele: Ein Familienvater mit Kopfschuss kurz nach dem Krieg. Er streichelte noch die Katze, plötzlich ist er ausgeflippt, hat das Geschirr zertrümmert, seine Frau und die Kinder verprügelt ehe die flüchten konnten…… Psychiatrie.

    Ein anderer, ebenfalls Kriegsgeschädigter, pöbelte alkoholisiert in einem Bahnhof Fahrgäste an, bedrohte sie wütend mit dem Umbringen, dann ist er hingefallen und konnte nicht mehr aufstehen. Ich vermutete noch, 5 Männer mit einem Netz wie bei der „Löwenjagd“, würden ihn einfangen. Es kam ein eher schmächtiger Mann in einem Auto von der Psychiatrie, begrüßte ihn freundlich, schnappte ihn bei der Hand, hat ihn wie einen Mehlsack auf die Schulter geworfen und danach in seinen Kastenwagen. In 3 Minuten war der Spuck beendet.

    Im 3. Fall hat sich einer mit einer Holzhacke selber auf den Kopf geschlagen.

    Das „ungewöhnliche Verhalten“ ist den Fällen gemeinsam.

    Gibt es aber auch in der Technik. Ein Prozessor gesteuerter großer Bohrautomat, der Bohrungen für die Zylinder in einen Motorblock gefräst hat, ist wegen eines Programmierfehlers „ausgeflippt“. Die Trümmer sind durch die Fabrikhalle geflogen und die Arbeiter mussten in Deckung gehen, bis ein Arbeiter den Strom abschalten konnte.

    Oder ein Auto ist bei bestimmten Kurven stehengeblieben und musste geschoben werden. Da waren Fliehkräfte auf die Kurbelwelle und ein defektes Lager „kausal“ für das Verhalten.

    Kausalitäten dürfte es geben, nur sind sie stets völlig unterschiedlich. Der Unterschied ist, bei der „technischen Schizophrenie“ kann man die Ursachen relativ leicht ermitteln, bei biologischen Systemen ist das praktisch unmöglich, weil man das extrem komplexe System weitaus zu wenig versteht und auch weil es kaum geeignete objektive Messmöglichkeiten gibt. Das Gemeinsame ist das „verrückte Verhalten“.

  7. Wie wäre es, bei medizinischen Studien ( und nicht nur da ), zum “Ergebnis” auch noch so viele Parameter der Studie ( Randbedingungen ) wie möglich zu veröffentlichen – und sich bei der Erstveröffentlichung weitreichender Schlussfolgerungen über “Ursache und Folgen” zu enthalten?
    Man sieht die Zusammenhänge klarer, wenn man nicht direkt involviert ist, mehrere Studien zum gleichen Thema überblicken kann und etwas Abstand von der Sache hat.
    Das gilt auch für Kommentare.

  8. @Neumann: Mit diesem Vorschlag würde aus der Beobachtungsstudie eine experimentelle Intervention; die Forscher*innen arbeiten daran.

    Doch ich erinnere noch einmal daran, dass die Ablagerungen bei nur rund der Hälfte der Betroffenen gefunden wurden. Daher sollte man auch nicht zu viel erwarten.

  9. @Elektroniker: Ich glaube, dass in der Biologie Hardware und Software (Struktur und Funktion) ineinander übergehen – und sogar in der Informatik dürfte es hier interessante Grenzfälle geben; außerdem existiert der Algorithmus zwar auch als Gedanke, doch um ausgeführt zu werden, muss er eben doch sozusagen “hart” verkörpert werden.

  10. @Maier: Auch “die Medien” leben von Hypes. Schließlich klicken wir Leser*innen sie am liebsten an.

    Es wäre aber schön, wenn sich die einfachsten Grundkenntnisse endlich herumsprechen würden, so wie Korrelation nicht gleich Kausalität; statistische Mittelwertunterschiede mit überlappenden Gruppen; Vorsicht bei kleinen Gruppengrößen; idealerweise warten auf Replikation bzw. Meta-Analyse.

    Man wird ja noch träumen dürfen.

  11. Herr Schleim setzt Körper = Geist, um das Zusammenwirken zu betonen.
    “Mens sana in corpore sano” stimmt nicht zwangsläufig. Der Geist ist stärker als der Körper. Chronisch Kranke können trotzdem glücklich sein.

    Bei Long Covid gilt es jetzt herauszufinden, wo die Ursache für die Spätfolgen zu suchen sind. Es ist richtig , die Stoffwechselstörungen zu finden und zu beheben.
    Es ist aber auch wichtig, die psychische Seite einer Spätfolge zu bedenken, die Psychologen haben dafür einen Fachbegriff, das Trauma.

  12. Nachtrag für Herrn Schleim
    “Doch ich erinnere noch einmal daran, dass die Ablagerungen bei nur rund der Hälfte der Betroffenen gefunden wurden.”
    Da haben wir doch die Erklärung. Die Einen haben tatsächlich eine Stoffwechselstörung und die Anderen haben ein Trauma, oder beides.

  13. “Patientinnen und Patienten sollten nicht der kolportierten Aussage glauben, sie könnten nichts an ihrer Situation ändern; korrekt ist, dass man so ein schwerwiegendes Problem nicht einfach “wegdenken”, doch man so gut wie immer selbst etwas zur Genesung beitragen kann.”
    Seit drei Jahren versuche ich was ich kann um zu meiner Genesung beizutragen.
    Seit drei Jahren verschlechtert sich mein Zustand.
    Wenn die Überzeugung so groß ist, dass die Patienten etwas zur Genesung beitragen können ohne uns noch weiter zu schaden, dann wäre uns mit der Benennung dieser Maßnahmen geholfen. Gerade beim Vollbild ME/CFS, bitte. Also mit PENE. Was genau sollen wir Ihrer Meinung nach tun können um unseren Zustand zum Besseren zu ändern?
    Denken Sie denn, wir liegen zu Hause rum und haben uns ergeben?
    Wenn es Maßnahmen gibt, die helfen, dann NENNEN Sie uns diese doch, bitte.
    Am dankbarsten wären wir für Vorschläge über Maßnahmen, die erwiesenermaßen helfen. In meinem Fall bei BELL 20.
    Ich würde mich sehr über eine aussagekräftige Antwort freuen.

  14. Long Covid ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Krankheitsbilder – in der schwerwiegendsten Form ist es die stark lebenseinschränkende, chronische, bislang unheilbare, somatische, neuroimmunologische Multisysremerkrankung ME/CFS. Seit 60 Jahren von der WHO als neurologische Krankheit klassifiziert und fälschlicherweise als psychosomatisch eingeordnet. Zumeist wird sie durch Virusinfektionen ausgelöst, darunter auch Covid.
    Als Philosoph sollten Sie gängige Vorstellungen hinterfragen. Die meisten Betroffenen-auch nach Covid- sind nicht ansatzweise in der Lage, irgendein Trainingsprogramm zu absolvieren, auch wenn sie vorher sehr sportlich waren.
    Für viele sind bereits kleinste Alltagsaktivitäten eine Überforderung und bedeuten eine Zunahme der ohnehin schwerwiegenden Symptome. Dies kann auch zu einer dauerhaften Verschlechterung führen. So bin auch ich seit einer Reha vor einem Jahr nur in seltenen Fällen fähig, das Haus zu verlassen.
    Ihr Artikel ist nicht nur verharmlosend, er ist, zumindest diese Untergruppe von Long Covid betreffend, falsch und sogar schädlich. Es ist befremdlich, auf welche Art das bio-psycho-soziale Modell herangezogen wird. Die Psyche spielt sekundär eine Rolle: beim Umgang mit einem Leben, das von schwerwiegenden Einschränkungen geprägt ist, bei der Trauer um das alte Leben, beim Erlernen der Pacing-Strategie und bei der Verarbeitung der negativen und abwertenden Erfahrungen, die Betroffene in einem System, das ihre Krankheit nicht anerkennen will, machen müssen.

  15. @Moser & Scriba: Theorie & Praxis

    Dieser Blogartikel bezieht sich auf ein konkretes Beispiel der Wissenschafts-/Medizinkommunikation über Long/Post COVID. Anlass waren konkrete Beispiele aus der Wissenschaft und den Medien.

    Ich bin kein Wunderheiler – und will ihnen auch nichts verkaufen. Es geht darum, keine praktischen Möglichkeiten auszuschließen, weil man auf der theoretischen Ebene falsch informiert ist oder Scheuklappen auf hat. Dass hier immer noch ein Entweder-oder- bzw. Schwarzweißdenken (entweder 100% psychisch oder 100% körperlich) besteht ist, ist an Beispielen im Text belegt.

    Der hier gerade verlinkte Artikel im Ärzteblatt Long COVID und die Psycho-Ecke: Wiedergeburt eines reduktionistischen Krankheitsverständnisses schlägt in dieselbe Kerbe; doch auch dort werden Sie wahrscheinlich nicht die Antwort finden, die Sie suchen.

  16. N.Scriba, S.Moser,
    Eine Ferndiagnose werde ich nicht abgeben, aber etwas erzählen, was mir geholfen hat.
    Ich habe mir einen Stepper gekauft, das ist ein Hometrainer bei dem man eine Beinbewegung wie beim Treppensteigen machen muss.

    Wichtig ist, dass man regelmäßig seine Übungen macht.
    Also Tag 1 10 mal
    Das eine Woche lang, nicht mehr !

    2. Woche 12 mal
    Das eine Woche lang, nicht mehr !

    3. Woche 14 mal
    nicht aufgeben, man muss sich quälen !

    4. Woche 20 mal sich quälen.

    Und so weiter . wichtig bleibt, man hat ein Erfolgserlebnis.

    Ich brauchte 1/2 Jahr um den Leistungsstand der vor Coronaerkrankung wieder zu erreichen.
    Einschränkung: Ich weiß bis heute nicht, ob ich Corona hatte, jedenfalls hat meine Lunge am Tag 0 wie Feuer gebrannt und am Tag danach war ich so kaputt, dass ich zuhause blieb. Ärztliche Hilfe habe ich abgelehnt.
    Dann habe ich mit dem systematischen Training begonnen.

    Heute habe ich eine gute Kondition , ich jogge jeden Tag, die Spritzigkeit ist allerdings nicht wiedergekommmen.

  17. Neumann
    Danke, der Punkt ist, dass es nach Covid eine postvirale Fatigue geben kann, die sich zu einer MECFS ebtwickeln kann. Da haben Sie, wie ja sehr viele LC-Betroffenen, Glück gehabt. Wenn eine Verschlechterung nach Velastung vesteht, kann vor Aktivierung nicht genug gewarnt werden. Als Mutter dreier Kinder kann ich gar nicht zu wenig machen, auch wenn Duschen schon über die Kräfte geht. Die allermeisten von MECFS Betroffenen müssen gebremst werden.
    Im Rahmen bemühe ich. An guten Tagen schaffe ich im Liegen ein paar Übungen mit dem Theraband. Mein Zustand ist seit 2 1/2 Jahren ähnlich, Tendenz sinkend.

  18. @Elektroniker:
    10.01.2024, 18:18 Uhr
    “Es scheint völlig klar, dass „Körper und Geist“ eng zusammenwirken. Der „Dualismus“ ist nicht zwingend, man kann gut „ohne“ leben.”

    Wenn sie von einem Zusammenwirken von Körper und Geist sprechen, machen Sie schon den ersten dualistischen Fehler. Zusammenwirken heißt, dass es zwei unterschiedliche Entitäten gibt. Und das soll ja überwunden werden. Beim Körper – Geist Dualismus ist mit Körper übrigens nicht der gesamte Körper gemeint und mit Geist der Kopf. Mit Körper ist das Physische (des Gehirns) gemeint und mit Geist das Mentale (des Gehirns).
    Es sind also nicht zwei Substanzen, sondern zwei Perspektiven auf ein und dasselbe Objekt, nämlich das Gehirn. Das Physische beschreibt die Physiologie, das Mentale die Psychologie.
    Zwischen beiden kann man eine Beziehung herstellen (Korrelation), so dass man z.B. sagt, dem Feuern bestimmter Neuronen (Physiologie) entspricht ein bestimmtes Verhalten (Psychologie).
    Das Problem liegt darin, dass nicht für jeden physiologischen Begriff ein psychologischer existiert und es so ständig zu sprachlichen Verwirrungen kommt.
    Was man aber auf keinen Fall machen darf, ist eine Kausalität zwischen beiden Perspektiven herzustellen, wie z.B. die Neuronen x determinieren ein Verhalten y.
    Diese Denkweise ist so tief in uns verwurzelt, dass es schwerfällt, sie zu überwinden.

  19. @Scriba: persönliche Erfahrung

    Ich zweifelte, ob ich es in meinen Artikel aufnehmen sollte – und entschied mich dann dagegen.

    Aber ich hatte in den frühen 2000ern, da war ich Anfang 20, wohl eine Epstein-Barr-Virusinfektion (“Pfeiffer-Drüsenfieber”). Vorher joggte ich 50km per Woche, jede zweite Woche einen Halbmarathon.

    Als es dann anfing, schaffte ich nur noch 1/3 einer einfachen Strecke. Nach ca. zehn Minuten fühlten sich meine Füße an, als würden Betonklötze daran hängen. Der Rückweg, mit kleinen, mühsamen Schritten, dauerte fast eine Stunde.

    Zuhause fiel ich dann nur noch aufs Bett und stand lange nicht mehr auf, mit hohem Fieber. Als ich dann beim Arzt war, zuckte der nur mit den Schultern und meinte, ich gehörte ins Bett. Noch Monate später musste ich, wenn ich im Kaufhaus in den ersten Stock wollte, alle paar Stufen stehenbleiben und durchatmen.

    In der Zeit hatte ich einen EKG-Leistungstest auf so einem Fahrrad. Der Arzt meinte dann aufgrund der Ergebnisse, ich müsse mehr für meine Kondition tun. Aber Hallo!

    Später wurden dann EBV-Antikörper festgestellt. Aber hat die nicht jeder?

    Übrigens hatte ich in auffälliger Nähe zum Ausbruch auch einen Beziehungskonflikt und ein schweres Lebensereignis im familiären Umfeld, neben dem ohnehin schon hohen Studienstress.

    Also, was macht man? Manchmal kann man so gut wie gar nichts machen. Aber manchmal eben doch. Das kann in jedem Einzelfall wieder anders sein.

    Es jemandem übel nehmen, der eine Nachricht verbreitet, die einem nicht hilft, hilft wahrscheinlich eher nicht.

  20. @stephan schleim

    Sie wissen sicher, dass das bio-psycho-soziale Modell leider zumeist falsch mit psychosomatisch gleichgesetzt wird. Übrigens gerade von Prof. Kleinschnitz, auf dessen Artikel Sie in Ihrer Antwort verweisen.
    Diese falsche Psychologisierung, die bei LC und MECFS häufig hinter dem bio-psycho-sozialen Modell steht, schädigt nach wie vor. Deses Problem sprechen Sie aber nicht an (siehe https://taz.de/Einstellungen-zu-Long-Covid/!5979805/).
    Gottseidank fängt es langsam an, sich durchzusetzen, dass Aktivierung einem Teil der Betroffenen schädigt, wie es die neue LC-Richtlinie, der IQWIK-Bericht zu MECFS oder die Leitlinie Müdigkeit nun schreiben. Ich freue mich, dass Sie es anders erleben durften, aber Sie sollten nicht übergehen, dass Aktivierung auch langfristigen Schaden anrichten kann.

  21. @ Wolfgang Stegemann 11.01.2024, 13:50 Uhr

    Ich kann Ihre Sicht nachvollziehen. Als ich „jung“ war, vor rund 60 Jahren, hatten die „alten Elektroniker“ von denen wir jungen „gelernt“ haben, auch so ungefähr Ihre Sicht zum Dualismus.

    Allerdings begannen damals Probleme mit der Komplexität. Damals größere elektronische Prozesssteuerungen hatten ungefähr 10 000 Transistoren (Transistorfunktionen). (Ein Smartphone hat heutzutage ungefähr 1 Milliarde Transistorfunktionen).

    Die Schaltungsdesigner (die alten Elektroniker) hatten die Schaltungen noch im „Gehirn gespeichert“. Die grundsätzlichen Pläne haben (ungefähr in der Raumhöhe) die halbe Wand des Büro ausgefüllt. Wir (jungen Elektroniker) haben dann im Detail auf „Karten“ ungefähr DIN A4 mit rund 100 Transistoren und anderen Bauteilen, die Detailprobleme gelöst. Der „Geist“ war stets, nicht systematisch und nicht streng formal, im „Gehirn gespeichert“. Das wurde zum Problem, einerseits wegen der Komplexität, andererseits weil die „Designer“ samt ihrem Wissen in Pension gingen, oder starben….

    Man war letztlich auf eine streng formale und abstrakte Systematik wie in der Mathematik angewiesen, das „Hirn der Entwickler“ hat nicht mehr gereicht. Die Mathematiker (George Boole, gestorben 1864) waren wie üblich mit ihren mathematischen Konzepten der Zeit weit voraus und haben mit der „Schaltalgebra“ die Probleme perfekt gelöst. Mit dieser „Mathematisierung“ konnte man sogar die Schaltungen „vereinfachen“ um mit weniger Bauteilen auszukommen.

    Zuerst war die 2. Entität (die Information) im Gehirn (der Entwickler) „versteckt“ und selbst die Entwickler „leugneten“ den „Dualismus“. Aber jetzt waren es auf einmal mathematische Ausdrücke auf einem „Blatt Papier“, eine völlig andere Entität als die realen Verknüpfungen (der Transistoren).

    Bei den Programmiersprachen ist das völlig offensichtlich. Daher die strikte Trennung in Hardware und Software (Dualismus) die heutzutage völlig selbstverständlich ist.

    In der KI wird praktisch die „Denke“ nachgeahmt.

    Zitat: „Zusammenwirken heißt, dass es zwei unterschiedliche Entitäten gibt. Und das soll ja überwunden werden.“

    Warum wollen Sie eigentlich den Dualismus „überwinden“?

    Die „unterschiedlichen Entitäten“ ergeben sich, weil die praktisch immer gleichen Transistoren komplex und unterschiedlich (wie es eben erforderlich ist) verknüpft werden. Es kommt ganz wesentlich auf die komplexen und unterschiedlichen Verknüpfungen an, das kann entscheidender sein als die Substanz.

    Einen Prozess können Sie mit Druckerschwärze und Papier (mathematisch) exakt beschreiben, oder direkt mit anderen „Substanzen“ (Elektronik). Realisieren können sie Prozesse auf verschiedenen „Prozessorplattformen“.

    In einfachen Fällen können Sie sehr wohl eine „Kausalität zwischen beiden Perspektiven herstellen“, wie z.B. die Neuronen x determinieren ein Verhalten y. Triggernde Neuronen können Muskel an den Stimmbändern aktivieren und es werden bestimmte Laute ausgestoßen…. oder Bewegungen ausgeführt.

  22. @Scriba: Stigmatisierung

    Danke für den Link.

    Davon abgesehen, dass ich die Definition

    Stigmatisierung entsteht, wenn eine Gruppe von Menschen mit einem Etikett versehen und daraufhin mit Stereotypen in Verbindung gebracht wird.

    für nicht sehr treffend halte, kann ich dem Artikel viel abgewinnen. (Was hier definiert wird, ist schlicht Stereotypisierung/Verallgemeinerung/Vorurteile.)

    Das Problem dürfte mindestens so alt sein wie die Medizin: Es gibt halt immer Menschen mit “komplexen” Symptomen, für die keine Fix-und-fertig-Lösung parat steht; die sind bei den Medizinern nicht immer willkomene Patienten. Dass die Beschwerden Long/Post COVID vielfältig sind und z.B. mit denen von Burnout oder Depressionen überlappen, könnten Sie auch einmal einräumen. Am Artikel gefällt mir weniger, dass er Long COVID verdinglicht, als ob es sich immer um dasselbe Problem handeln würde.

    Außerdem gibt es Menschen, die sich (z.B. aufgrund negativer Vorurteile) vehement gegen die Diagnose einer psychischen Störung wehren. Und es gibt z.B. Fälle, in denen jemand sich für homoerotische Neigungen schämt und stattdessen behauptet, transsexuell zu sein.

    Anfang des 20. Jahrhunderts war z.B. die Diagnose Hysterie “in”, auch unter Ärzten; 15-20 Jahre später erklärte man die Patienten massenhaft zu Simulanten. Die “Psyche” ist ein wundersames Wesen.

    Mich überrascht nicht, dass es in einer Leistungsgesellschaft großen Druck zur Leistungsfähigkeit gibt (sofern man nicht zufällig in der Millionärsloterie gewonnen hat). Es gibt aber zahlreiche historische Beispiele dafür, dass die Ausgrenzung noch sehr viel schlimmer sein könnte.

    Statt nur Kritik würde ich mir Vorschläge dafür wünschen, was man denn besser machen sollte.

    P.S. Ich kann Sie nicht zur Sichtweise zwingen, dass alles irgendwie psychosomatisch oder biopsychosozial ist.

  23. Stigma, Definition

    die negative soziale Einstellung, die mit einer Eigenschaft einer Person verbunden ist und als geistiger, körperlicher oder sozialer Mangel angesehen werden kann. Ein Stigma impliziert gesellschaftliche Missbilligung und kann zu Unrecht zur Diskriminierung und Ausgrenzung des Einzelnen führen.

    Quelle: APA Dictionary of Psychology

  24. @ Elektroniker

    Ein Dualismus zwischen Materie und Information, wie Sie ihn immer wieder anbringen scheint sinnvoll.
    Beschäftigt man sich mit dem Aufbau von Materie, dann spricht viel für Monismus bei Körper-Geist/Leib Seele/Physis -Psyche.
    Eventuell haben wir dann, anstatt immer alles zu trennen, nicht über Übergänge,besser Zusammenhänge, von monistischen und dualistischen Entitäten nachgedacht.
    Auch Aktivität als Verschlechterung von Krankheitsbildern spricht nicht das biopschosouiale Modell. Es ist halt nur andersrum, als Aktivität für Gesundheit zu sehen.

  25. @ N. Scriba

    Ich kann Ihren Frust gut verstehen. Ich beschreibe etwas von mir:

    Ich habe vor einigen Jahren eine Reha wegen Burn out gemacht, bin körperlich einigermaßen fit hingefahren und nach 6 Wochen total erschöpft zurückgekommen.

    Ein klinischer Umweltmediziner hat danach eine MCS (multiple Chemikaliensensibilität = chronisch entzündliche Multisystemerkrankung) verbunden mit einer Mitochondriopathie und einem chronischen Erschöpfungssndrom diagnostiziert. Das Ergebnis bei der Begutachtung im Sozialsystem lief trotz vorliegender Gutachten mit der o. g. Diagnostik letztendlich auf eine ausgeprägte Somatisierugsstörung (d.h. mit meinen Worten chronische Einbildung) verbunden mit Neurasthenie und überwertigen Erkrankungsideen ( lt. Internetrecherche wahnhafte Vorstellungen) hinaus.

    Ich konnte durch Meidung von Umweltgiften und Zufuhr von Milkronährstoffen meine Leistungsfähigkeit verbessern, wurde aber nicht mehr arbeitsfähig.

    Der Bericht über die niederländische Studie zu Long Covid und den Mitochondrien lässt mich für Sie hoffen, dass es sich bei den Ergebnissen vielleicht auch um eine Mitochondriopathie handeln könnte, für die ein Behandlungskonzept entwickelt werden kann.

    Ich bin übrigens keine Medizinerin…

  26. Um das anders auszudrücken: wir halten das Was-Epistemiologie und Wie-Ontologie immer getrennt.
    Aber mir scheint es Sinn zu machen, an bestimmten Stellen wieder zusammen zu bringen.
    Wenn ich an mir festelle, dass das Eine nicht ohne das Andere funktioniert, dann mag es möglich sein, dass das auch anderen so geht?

  27. Um es nochmal anders auszudrücken:
    reduktionistisch ist das Wechselwirkungsprinzip Stand heute das Fundamentale. Bei Emergenz aber auch…

  28. N. Scriba
    MECFS ist ja nur eine Beschreibung eines Zustandes. Im Grunde weiß man noch nicht viel , wie ihnen geholfen werden kann.
    Was die Aktivierung betrifft, wichtig ist, dass Sie überhaupt einmal feststellen wie hoch ihre Belastbarkeit ist. Und das geht gut mit einem Stepper. Wenn sie die Übung eine Woche lang durchhalten, dann können Sie sagen, mein Zustand ist gleichbleibend, verbessert sich oder verschlechtert sich.
    Meine Erfahrung bei allen Krankheiten, der Kreislauf muss stimuliert werden. Wenn man sich in das Krankenhaus begibt, kommt man nicht mehr zurück.
    Das war die Meinung eines Verwandten, der jede ärztliche Hilfe abgelehnt hat und doch noch 97 Jahre alt geworden ist.

  29. @ Neumann

    In guter alter Tradition der Philosophie, Ökonomie, Politik und Medizin: Aktivität ist Leistung. Aber was,wenn es umgekehrt geht?

  30. @ Stephan Schleim 11.01.2024, 16:46 Uhr

    Zitat: „Anfang des 20. Jahrhunderts war z.B. die Diagnose Hysterie “in”, auch unter Ärzten; 15-20 Jahre später erklärte man die Patienten massenhaft zu Simulanten. Die “Psyche” ist ein wundersames Wesen.
    …….
    P.S. Ich kann Sie nicht zur Sichtweise zwingen, dass alles irgendwie psychosomatisch oder biopsychosozial ist.“

    Diese Aussagen sind sehr interessant.

    Dass fast alles „psychosomatisch oder biopsychosozial ist“ ist sehr naheliegend, weil einerseits die Steuerungsprozesse vom Gehirn auf den Körper (und auf die „Gesellschaft“) einwirken und auch umgekehrt, z.B. der Körper oder die Gesellschaft auf die Psyche.

    In der Technik spricht man oft davon, dass ein System „hysterisch“ ist. Bedeutet, es „meldet“ Störungen übertrieben sensibel, oder es gibt gar keine Störung und reagiert trotzdem.

    In der Elektronik verhält es sich z.B. so, dass besonders „wichtige Transistoren“ besonders „überwacht“ werden müssen, weil Fehler schwerste Folgen (Todesopfer) haben könnten.

    Bedeutet, der einzelne Transistor muss von 3 weiteren Transistoren „überwacht“ werden, die aber auch defekt werden könnten. Das bedeutet allerdings, dass statistisch gesehen 75% der Fehlermeldungen falsch sind. Das ist z.B. für Piloten ein psychologisches Problem.

    Bei der „Psyche“ kommt dazu, dass das Überwachungssystem bei jeder Fehlermeldung „dazu lernt“ und immer „empfindlicher“ und womöglich noch Fehler anfälliger wird, obwohl gar kein, oder nur ein minimaler Fehler vorliegt.

    Auch das Schmerzgedächtnis „lernt“ dazu und Schmerzen werden immer stärker empfunden.

  31. Mussi,
    activus lat. = tätig, wirksam

    Jetzt wird es tiefgründig, wer steckt dahinter ?
    Was hindert uns daran, uns nicht langsam wie eine Schnecke vorwärts zu bewegen, ständig Schleim abzusondern ?

  32. Neumann
    11.01.2024, 09:09 Uhr
    “Mens sana in corpore sano” stimmt nicht zwangsläufig.

    Das stimmt überhaupt nicht, das ist eine unzulässige Verkürzung durch Philolügen.

    Die Redewendung ist ein verkürztes Zitat aus den Satiren des römischen Dichters Juvenal, wörtlich heißt es in Satire 10, 356:
    […] orandum est ut sit mens sana in corpore sano.
    ( „Beten sollte man darum, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper sei.“ )
    Juvenal kritisiert als Satiriker diejenigen seiner römischen Mitbürger, die sich mit törichten Gebeten und Fürbitten an die Götter wenden. ( Wikipedia )

    Es gibt aber eine weitere Herleitung:
    Juvenal, angeblich körperlich beeinträchtigt, soll das angesichts trainierender Gladiatoren mit Blick auf seine Behinderung geseufzt haben …

  33. Karl Maier,
    Ihr Kommentar stimmt.
    Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass es einen Zusammenhang zwischen körperlichem Wohlbefinden und geistigem Wohlbefinden gibt, aber eben nicht zwangsläufig.

    Mussi, dir rate ich einmal nach Fatima in Portugal zu fahren.
    Dort befindet sich ein riesiger Platz vor der Kirche Igreja da Santissima Trindade. Ich schätze mal 500 m lang.
    Und die Frauen überqueren diesen Platz knieend von der einen Kirche zur anderen Kirche.
    Und was sagt uns das, es ist unsere Eitelkeit oder der Unglaube , die uns daran hindern, das Unmögliche zu probieren.

  34. @ Neumann

    Es scheint mir eher Ihre Eitelkeit, Arroganz und damit verbundene Überzeugungen zu sein. Sagte schon Nietzsche.

  35. Mussi,
    Nietzsche war eine Ausnahmepersönlichkeit mit emotionalen Lücken.
    Kurz, er hatte Probleme mit Frauen. Als er einmal mit Salomé über einen See gerudert ist, sprang sie aus dem Boot und schwamm allein ans Ufer zurück.

    Und so jemand rufst du als Zeuge auf !?
    Ilka aus Marzahn hätte den Nietzsche einfach zwischen ihre Brüste gedrückt, dann wäre der wieder normal geworden.

  36. @ Neumann

    Wenn Sie ‘Schenkel gedrückt’ gesagt hätten, dann hätten Sie das Niveau gehoben!

    Herje…

  37. Leib und Seele

    In den Berichten drückt sich außerdem aus, dass in vielen Köpfen auch Jahrhunderte nach René Descartes (1596-1650) dualistisches Denken immer noch sein Unwesen treibt.

    Ich schätze, das wird sich auch niemals ändern. Zu mächtig ist die eigene Erfahrung vom „Seelenleben“. Selbst wenn der Verstand die ontische Existenz einer Seele oder eines Geistes verneint, das Gefühl sagt (bei vielen) etwas anderes und bestimmt letztlich, was geglaubt wird. Zumal die Reifung des Denkorgans in die Zeit des Heranwachsens fällt, in der die vorgefundene Kultur tief „verinnerlicht“*) wird.

    So beginnt für jede Generation das Spiel aufs Neue. Ein Teil der Menschheit entwickelt im Laufe des Lebens ein materialistisches Menschenbild, in dem „Seele“ und „Geist“ nur noch Metaphern für systemische Hirnfunktionen sind, der andere, wohl überwiegende Teil, bleibt von klein auf der Überzeugung treu, dass Seele und Geist wirkmächtige Entitäten darstellen. Oder aber er meint, dass es „seelisch-geistige Prozesse“ gibt, die, wenngleich immateriell, physisch wirksam werden können.

    *) „verinnerlichen“ dürfte einer der unzähligen dualistisch angehauchter Begriffe sein, die auf eine innere Seelensubstanz verweisen—woran man sieht, wie tief dualistische Vorstellungen die Sprache geprägt haben.

  38. @Balanus: Man kann schon erfahren, ein “beseelter” Körper zu sein. Körpertechniken wie Tanz oder Yoga (wenn auf Erfahrung gerichtet, nicht Performance) sind dafür Hilfsmittel; die Phänomenologie liefert die Begriffe.

  39. Balanus,
    Hast du schon mal von Extase gehört ?
    Hast du schon mal einer Frau beim Tanz zugeschaut, wenn sie von sich selbst entrückt ist ?
    Halloo, erzähl mal deiner Freundin von deinen systemischen Hirnfunktionen, wenn sie von dir Romantik erwartet.
    Die Frauen sind die Träger des Lebens nicht die Ontologen.

  40. @ Balanus 12.01.2024, 12:55 Uhr

    Zitat: „…..„verinnerlichen“ dürfte einer der unzähligen dualistisch angehauchter Begriffe sein, die auf eine innere Seelensubstanz verweisen—woran man sieht, wie tief dualistische Vorstellungen die Sprache geprägt haben.“

    Diesmal stimme ich Ihnen begeistert zu, zu Ihrem ganzen Beitrag. „Verinnerlichen“ ist ein „Schlüssel“ um Zugang zum „Dualismus“ zu bekommen.

    Für mich, als ehemaligen Techniker, ist es der Begriff „Mathematisierung“. Wenn z.B. eine Schaltung mittels der Boolschen Schaltalgebra „mathematisiert“ ist, so gelangt man in die Kategorie der „abstrakten Information“, das ist „purer Dualismus“ auf den es ankommt.

    Es ist nicht entscheidend, worauf Information „abgebildet“, oder auf welcher „Plattform“ sie realisiert wird. Das ist höchstens aus ökonomischen und praktischen Gründen interessant.

    Es gibt mechanische “Rechner“ mit Kugeln, oder Computer aus Glasröhrchen und Wasser, oder die unterschiedlichen elektronischen Konzepte, oder eben das Gehirn. Es geht immer um „Informationsverarbeitung“, „Abstrahierung“ und „Abbildung“. Im Gehirn „tut man es“ einfach, es ist einem nicht einmal so richtig bewusst.

    In der Wissenschaft ist „Mathematik“ ganz wichtig. Eine Wissenschaft ohne Mathematik ist nicht wirklich seriös. Manche versuchen, sozusagen von der Ebene der einzelnen Neuronen ausgehend, das „Gehirn zu mathematisieren“, das scheint nicht einfach. Die KI Forscher versuchen es von der „anderen Richtung“. Sie gehen von der „Musterverarbeitung“ nach „statistischen Gesichtspunkten“ aus und scheinen der Realität der „Denkprozesse“ recht nahe zu kommen.

  41. @ Balanus

    Schon mal darüber nachgedacht, warum es zu jedem Synoym ein Antonym gibt?

  42. @Stephan Schleim –
    Wir hoffen, dass diese Forschung zur öffentlichen Aufklärung beiträgt, dass es sich um eine körperliche Erkrankung handelt, an der die Menschen selbst nichts tun können.
    Ich bin ein wenig irritiert darüber, von einem Philosophen zu hören/lesen, dass das (bewusste) Nicht-Tun von etwas (in diesem Falle: unwirksame Anstrengungen zu unterlassen), in ihren Augen keine “Handlung” darstelle (also mit einem “Nichts” gleichzusetzen sei).
    Die Realität anzuerkennen kann durchaus “Arbeit” sein, finde ich.

    Das ist aber vor allem Ausdruck einer bürokratischen Medizin, in der Behandelprotokolle stur befolgt werden.
    Meinen sie hier von den Behandlern – oder von den Behandelten?

    Eine unsinnige Anweisung befolgen sei “aktiv” und sich weigern demzufolge “passiv”? Ich kann es nicht nachvollziehen. Und ihre Begründung mit “psychosozial” schon gar nicht. Bitte klären sie mich auf.

    Kam ihnen denn beim Schreiben wirklich nicht der Gedanke, wie schwer es für Betroffene sein kann, sich diesem (Leistungs-)Druck zu entziehen, wenn keinerlei rationale Begründung vorliegt?
    Bzw. umgekehrt, sehen sie tatsächlich in dem nachgewiesenen Mangel an Sauerstoff keine rationale Begründung dafür, das “Training” (körperlicher Leistung) doch besser zu unterlassen?
    (Und statt dessen vielleicht lieber Atemübungen, bzw. achsengerechte Bewegungsmuster zu trainieren?)

    Ich lese das obige Zitat als Hinweis an die Betroffenen, sich für sich selbst – und gegen unnötige “Trainingseinheiten” – einzustehen.

    Und nicht wie sie offensichtlich als Abwälzen der Verantwortung auf die Betroffenen selbst –
    …wortwörtlich selbst die Verantwortung:

    “Konkret raten wir diesen Patienten, auf ihre körperlichen Grenzen zu achten und diese nicht zu überschreiten. Man denke an leichte Anstrengungen, die nicht zu einer Verschlimmerung der Beschwerden führen. Um die körperliche Kondition aufrechtzuerhalten, ist es gut, Spazieren zu gehen oder mit dem Elektrofahrrad Fahrrad zu fahren. Dabei sollte man bedenken, dass jeder Patient eine andere Belastungsgrenze hat.”
    Brent Appelman von der Universitätsklinik Amsterdam

    Das allein steht also schon im Widerspruch zur eingangs zitierten Aussage von Diewke de Haen, Direktorin der Patientenorganisation PostCovidNL.

    Wo lesen sie da einen Widerspruch heraus?
    Diese “individuelle Belastungsgrenze” – soll die nicht vom Individuum festgestellt werden können? Warum denn das nicht, bzw. wie soll es sonst gehen?

    Wenn das zu oft schief ging, wie die Berichte jetzt nahelegen, ist das ein weiterer Hinweis auf die Krankheit unseres Gesundheitssystems
    Oder darauf, dass es den Betroffenen schwer fällt, sich gegen einen solchen Ratschlag (Training!) zu wehren, wenn er nicht fachlich begründbar ist.
    ————
    Im übrigen werden diese Patienten nicht nur von Physio- sondern auch von Ergotherapeuten behandelt; z.Zt. habe ich auch einige, die mit berichten, wie froh sie über diese Studie sind – weil sie endlich nicht mehr gegen ihren eigenen Körper angehen müssen. Weil das ja sowieso nicht geht.

  43. @ Mussi 13.01.2024, 11:43 Uhr

    Zitat: „Schon mal darüber nachgedacht, warum es zu jedem Synoym ein Antonym gibt?“

    Ich vermute, Sie wollen mit Ihren Beiträgen immer wieder auf das Prinzip „Gegensätzlichkeit“, „Komplementär“, „Dualität“ oder auch „Negation“ hinaus.

    Das ist tatsächlich in der Logik, besonders auch in der Schaltalgebra, wichtig und bestens bekannt. Z.B. ist die „Negation“ eigentlich eine extrem wichtige „Gatterfunktion“. (Ein (Licht-)schalter ist entweder „offen“, oder „NICHT“ „offen“).

    Mit der „Negation“ („NICHT“, engl. „NOT“) Funktion und einer der beiden anderen Funktionen, der („UND“ engl. „AND“), oder der („ODER“ engl. „OR“) Funktion ist alles „Turing berechenbar“, wie man so sagt.

    In der Praxis hat man die beiden Funktionen zu einer „Gatterfunktion vereint“ die ebenfalls alles „Turing berechenbar“ macht. Einerseits zur „NOR“ („NICHT – ODER“ = „NOT OR“) andererseits zu „NAND“ („NICHT – UND“ = „NOT AND“) Funktion. Eine „NAND“ Funktion würde z.B. für „alles“ reichen.

    Das ist grundlegend in der Informationsverarbeitung.

  44. Ich hätte eine Frage an Mediziner, Neurologen, Therapeuten….

    Bei Corona ist bekannt, dass offenbar auch sensorische Zellen beeinträchtigt werden und mitunter absurde Empfindungen wahrgenommen werden.

    Da wäre es naheliegend, dass einzelne sensorische Zellen geschädigt bleiben, immer wieder ihre „Fehlermeldung“ absetzen, obwohl die anderen schädlichen Prozesse (z.B. Entzündungen) längst „ausgeheilt“ scheinen.

    Das neuronale System „lernt“ aus den „falsche Signalen“ (bildet neue Synapsen) , wird immer „empfindlicher“ und gibt womöglich immer mehr „Alarmmeldungen“ aus, sich zu schonen.

    Normalerweise streben die Pharmakologen an, Medikamente zu entwickeln, die genau in die „gestörten Signalwege“ eingreifen um die Weiterleitung der schädlichen, unnötigen Signale zu blockieren.

    Das Problem ist nur, selektive, genau passenden Medikamente“ für die genau dazu „passenden Andockstellen“ zu finden und keine neuen, womöglich schwere „Schäden“ auszulösen.

    Natürlich wäre es besonders wichtig, den (oder die ) Ausgangspunkte der „falschen Signalkaskaden“ zu finden.

    Das wäre ein 08/15 Ansatz, oder gibt es andere Besonderheiten, außer das Problem der „Messbarkeit“?

  45. @ Elektroniker

    Herzlichen Glückwunsch!

    Sie sind der dritte,der bemerken könnte, woran es der westlichen Philosophie hapern könnte!

  46. Elektroniker,
    Der menschliche Organismus ist wie eine Rückkoppelungschaltung in der Elektronik organisiert. Benötigt die Zelle Energie, dann erzeugen die Mitochondrien Adenosintriphosphat. Wenn jetzt aber zu wenig Phosphor bzw. Phosphat im Körper vorhanden ist, dann erzeugen sie keine Energie mehr.
    Das ist dann der Schwächeanfall bei Long – Covid. Man sollte also mal untersuchen, wie es mit der Versorgung von Phosphat aussieht.

    Mussi,
    Philosophie fängt auch mit “Ph” an, benötigt aber kein Phosphat.
    Und was ist das Antonym von Phosphat ?
    Vielleicht hapert es daran.

  47. Häufigkeit von Hypophosphatämie? EInfach was das man irgendwie logisch findet in den Raum stellen ist. eher weniger hilfreich.

  48. @Viktualia: Ich kann Ihren meisten Punkten leider nicht folgen, z.B. was Sie hier mit Handlung/Unterlassung sagen wollen.

    Natürlich kann ich nachvollziehen, dass jemand eine Erklärung für sein Leiden wünscht. (Damit ist übrigens noch nicht gesagt, dass es eine wirksame Therapie gibt.)

    Da ich aber für die Behebung von Ursachen statt nur Symptomen bin, sollte man lieber etwas am überzogenen Leistungsdruck tun, statt sich eine falsche Entschuldigung auszudenken; damit wäre wahrscheinlich auch Milliarden Menschen auf dem (ebenfalls überforderten) Planeten geholfen.

    P.S. Manchmal kommt man übrigens auch mit Akzeptanz einen wesentlichen Schritt weiter; ich frage mich, ob man dazu in die Lage kommt, wenn einen Ärzt*innen immer wieder auf die Lösung in der Zukunft vertrösten.

  49. @all: Ich möchte hier – sozusagen fürs Protokoll – festhalten, dass die Frage an die Patienten, was sie sich denn wünschen, unbeantwortet blieb; oder habe ich etwas übersehen?

    Mein Tipp: Probleme beim Arzt organisch abklären lassen, zur Not eine zweite Meinung einholen. Wenn sich nichts finden lässt, zumindest einmal eine psychische Ursache in Erwägung ziehen. Aber es gibt eben diejenigen, die sich vehement gegen diese Vorstellung wehren; einige stehen sich damit selbst im Weg.

  50. @Stephan Schleim: Was sich in meinen Augen Patienten wünschen? Das jemand anderes etwas unternimmt damit ein bestimmter Zustand sich ändert. Und dem was sie selbst für den “Normalzustand” halten nahe kommt. EIne Pille gegen die Depression oder was auch sonst immer.
    Psychische Ursachen sind schon deshalb auch von Patientenseite eher nicht so erwünscht. Da könnte nämlich jemand auf die Idee kommen man müsse als Patient selbst etwas zur Verbesserung oder besser zur Veränderung beitragen. Einer Veränderung kommt die ziemlich offensichtliche Stigmatisierung von psychischen Ursachen natürlich nicht gerade entgegen. Mensch will das bei uns nicht. Man ist ja schliesslich nicht gaga im Kopf oder? Wie man das abstellen soll weiß ich allerdings auch nicht.

    Damit rede ich nicht der Nummer das Wort das komplett auf den Patienten abzuschieben. WIe soll der denn ohne eine vernünftige Aussensicht ein psyschisches Problem lösen in vielen Fällen? Der grundsätzliche Wunsch bleibt aber das jemand auf einen Knopf drückt und das Problem ist weg. So hätte es das persönliche Umfeld des Patienten natürlich auch gerne.

    Ich hoffe ich habe jetzt nicht an Deiner Frage vorbei geschrieben, sonst sags mir und ich halte den Mund 😉

  51. @Schoppe: Funktionieren

    Klar, wer wünscht sie nicht, die Pille, zur Not die Operation, um wieder tüchtig zu funktionieren?

    Und es ist ja auch so, dass es in unserer Gesellschaft finanziellen Stress für diejenigen gibt, die nicht genug verdienen (oder in der Millionärslotterie gewonnen haben).

    An manchen Krankheiten kann man wenig tun – und am Ende sterben wir alle; so weit war übrigens vor >2.500 Jahren schon der Buddha.

    Aber wenn ein Patient wegen eines Problems dreimal Hilfe sucht (z.B. beim Hausarzt, Psychologen, Psychiater) und dreimal eine unterschiedliche Diagnose bekommt (z.B. Depression, Angststörung, Psychose) aber trotzdem dreimal dasselbe Medikament (SSRIs), dann sollte man schon mal kritisch nachdenken; und kritische Literatur gibt es eben doch.*

    (Das Beispiel übernahm ich gerade aus einem niederländischen Vortrag des einflussreichen Psychiaters Jim van Os; vor Jahren war er hier schon einmal Gast im Blog: “Es gibt keine Schizophrenie“).

    * Und es ist leider – auf Systemebene – auch so, dass Ärzte und Psychiater eher eine Allianz mit den Versicherungen und der medizinischen Industrie eingehen als mit ihren Patienten. Woher kommt denn das Geld? Sonst wären nie so viele SSRIs verschrieben worden.

  52. @Stephan Schleim –
    was Sie hier mit Handlung/Unterlassung sagen wollen.

    Dass es, wenn man sich bewusst dafür entscheidet, etwas nicht zu machen (was man ansonsten in einer solchen Situation tun würde), einer Art Handlung gleichkommt, dies zu unterlassen.
    Auch wenn man dabei nichts tut – außer, sich u.U. gegen die Erwartung anderer durchzusetzen.
    (Für mich wäre die Entscheidung maßgeblich für eine “eigene Handlung” – nicht das (aktive) Einwirken auf die Umwelt.)

    dass die Frage an die Patienten, was sie sich denn wünschen, unbeantwortet blieb; oder habe ich etwas übersehen?
    Ja, meine “unverständliche” Aussage:

    Im übrigen werden diese Patienten nicht nur von Physio- sondern auch von Ergotherapeuten behandelt; z.Zt. habe ich auch einige, die mir berichten, wie froh sie über diese Studie sind – weil sie endlich nicht mehr gegen ihren eigenen Körper angehen müssen. Weil das ja sowieso nicht geht.
    Die Patienten wünschen sich, z.B. in einer Reha nicht so fertig gemacht zu werden. Sie berichten (quasi übereinstimmend), dass sie das Programm nicht aushalten, sich dadurch deutlich schlechter fühlen und auch ihr Wunsch nach Reduzierung/Anpassung des “Trainings” meist nicht gehört wurde – bis jetzt.

    Und sie freuen sich über Alternativen:
    (Und statt dessen vielleicht lieber Atemübungen, bzw. achsengerechte Bewegungsmuster zu trainieren?)
    Da diese ja durchaus möglich sind.
    Neben einem (eher unspezifischen) Konditionstraining kann man ja auch trainieren, sich bei den jeweiligen Tätigkeiten schonender (weil achsengerechter) zu verhalten.
    (Wie beim Rückentraining – nicht gegen die Schwerkraft arbeiten, also nah am Körper; einbeziehen größerer Muskeln, nicht nur “aus dem Handgelenk”; vernünftige Pausenkultur.)

    Eine Mangelversorgung mit Sauerstoff ist eine “organische Ursache”;
    wenn sie wissen, dass ihr Auto ein Leck im Tank hat, nutzt es ja auch nichts, mehr aufs Gas zu treten.
    (Warum man es als “psychisch krank”, bzw. psychosomatisch ansehen soll, wenn man dann, um im Bild zu bleiben, an den Seitenstreifen fährt, erschließt sich mir nicht.)

  53. @Pacer, was hat diese redundante Textwand mit dem Thema zu tun?
    (Abgesehen davon, dass es ein Vollzitat aus der Berliner Zeitung und nicht ihre “eigene Meinung” ist?)

    Eine “mögliche Ursache für Post Covid” – hier geht es um die Auswirkung von Post Covid; darum, ob Training was nutzt, oder ob es besser ist, sich dem gesellschaftlichen Leistungsdruck zumindest während der Rekonvaleszenz zu entziehen.
    (Bzw. ob dieses Entziehen Sinn macht oder nicht, da man es mit einer organischen Ursache für den Energiemangel zu tun hat.)

  54. @Viktualia: Fragen

    “Unterlassung” ist ein Fachbegriff aus dem Recht; es gibt übrigens nur wenige echte Straftatbestände der Unterlassung. Und, ja, das sind dann bewusste Entscheidungen, etwas nicht zu tun; psychologisch könnte man noch hinterfragen, wie bewusst das wirklich geschieht. Aber man wird dafür dann u.U. von einem Gericht verantwortlich gemacht. Was das mit der Long/Post COVID Diskussion zu tun hat, ist mir immer noch nicht klar.

    Und, ja mei: Wenn bestimmte Physiotherapeuten ihre Klienten “fertig machen”, dann sollte man sie besser schulen. In einer meiner mehrjährigen Yogalehrerausbildungen war das der Ausgangspunkt: Üben im Rahmen seiner Möglichkeiten. Aber diese Möglichkeiten gilt es auch zu entdecken.

  55. @Pacer: Was ist Long/Post COVID?

    Danke für Ihre Übersicht, die ich aufgrund ihrer Länge nicht ganz gelesen habe.

    Aber auch Sie scheinen mir dem Denkfehler zu unterliegen, hinter Long/Post COVID verberge sich eine Krankheit bzw. eine Ursache. Das ist aufgrund der Vielfalt und Vagheit der Symptome überhaupt nicht plausibel – und sieht eigentlich jeder, der sich mal kritisch mit Nosologie (Krankheitslehre) beschäftigt hat.

  56. @Stephan Schleim – Wenn bestimmte Physiotherapeuten ihre Klienten “fertig machen”, dann sollte man sie besser schulen.

    Mir ging es nicht darum, Kollegen zu dissen.
    Ich habe nicht behauptet, sie wären unfähig, sondern darauf hingewiesen, dass Training – in dem Fall – nichts nutzt.
    Weil inzwischen klar ist, dass es eine organische Ursache (die mangelnde Versorgung mit Energie; was immer diese nun verursachen mag) existiert, es also nicht um Psychosomatik geht.

    “Unterlassung” …. verantwortlich gemacht.
    Es ist anscheinend immer noch nicht angekommen: wenn die Patienten das Training unterlassen, sorgen sie auf diese Weise besser für sich, als wenn sie den (bisherigen) Anweisungen der Therapeuten folgen.
    Sie übernehmen quasi mit dieser “Unterlassung” die Verantwortung für sich.

    Woraus (für mich) folgt, dass die Hinweise sowohl von Diewke de Haen als auch von Brent Appelman sich weder widersprechen, noch die “Verantwortung den Kranken zuschieben”.
    Sie bestätigen deren Wahrnehmung und erleichtern u.U. deren Einstehen für sich selbst.

    Ihre Aussagen, Herr Schleim, hatte ich dahingehend verstanden, dass es “vernünftiger” sei, sich mit dem Training zu quälen, nur weil es vom “Fachpersonal” so gesagt wird.

    Aber die mangelnde Energie liegt an einer Einschränkung der Funktionalität der Muskeln, nicht am zu geringen Gebrauch des Bewegungsapparates (der “Faulheit” oder einer psychosomatischer Erkrankung des Betroffenen.)

    (Und, wie gesagt, man könnte auch trainieren, seinen Alltag mit weniger Energieverbrauch zu gestalten, indem man an seinen Bewegungsmustern arbeitet.)

  57. @Viktualia: Missverständnisse

    Weil inzwischen klar ist, dass es eine organische Ursache […] existiert, es also nicht um Psychosomatik geht.

    Schade, dass Sie immer noch an den wesentlichen Differenzierungen meines Artikels vorbeireden. Ich kann’s nicht ändern. 🤷🏻‍♂️

    Woraus (für mich) folgt, dass die Hinweise sowohl von Diewke de Haen als auch von Brent Appelman sich weder widersprechen, noch die “Verantwortung den Kranken zuschieben”.

    1. Bei dem Widerspruch ging’s gar nicht um die Physiotherapie, sondern die angeblichen Ursachen von Long/Post COVID (z.B. Kausalität vs. Korrelation).

    2. Wie man, wenn man sagt, die Patienten sollten selbst auf ihre Grenzen achten, den Patienten nicht die Verantwortung gibt (oder jedenfalls einen Teil davon), ist ein sprachliches Kunststück, das mein Denken übersteigt. Sorry. 🤷🏻‍♂️

  58. Danke für Ihre Übersicht [@Pacer]

    Da gibt es nichts zu danken.

    Aber auch Sie scheinen mir dem Denkfehler zu unterliegen, hinter Long/Post COVID verberge sich […] eine Ursache.

    Stimmt. @Pacer meint, bzw. die Autoren des Gastbeitrags in der Berliner Zeitung meinen, die Impfung sei die Ursache.

  59. @Joker: Oh, das war mir nicht klar. Danke! Ich habe den Abschnitt von “Pacer” jetzt gekürzt (müsste man sowieso aufgrund des Urheberrechts). Der Link ist noch da, für wen es interessiert.

    Aber es gab natürlich in Einzelfällen, wie bei einer millionenfachen Impfaktion zu erwarten, auch schwer(st)e Impfreaktionen, die zu chronischen Krankheitszuständen geführt haben. Das sollte man auch anerkennen.

    Ich hatte kürzlich erst zitiert, dass die Wahrscheinlichkeit für Long/Post COVID mit der Anzahl der Impfungen nachweislich abnimmt. War das hier? Ich habe auch noch andere Dinge zu tun.

  60. @ Stephan Schleim 15.01.2024, 08:14 Uhr

    Zitat: „Aber wenn ein Patient wegen eines Problems dreimal Hilfe sucht (z.B. beim Hausarzt, Psychologen, Psychiater) und dreimal eine unterschiedliche Diagnose bekommt (z.B. Depression, Angststörung, Psychose) aber trotzdem dreimal dasselbe Medikament (SSRIs), dann sollte man schon mal kritisch nachdenken; und kritische Literatur gibt es eben doch.“

    Depression, Angststörung, Psychosen können in dieser Kombination und in verschiedener Ausprägung öfters gemeinsam auftreten.

    Was sie hier beschreiben ist einerseits die Realität, andererseits scheint es absurd, völlig unlogisch und das ist Ihnen aufgefallen.

    Dennoch könnte man es (System theoretisch) erklären, wenn man bestimmte (wichtige) Funktionsprinzipien zugrunde legt, die es in der Realität geben sollte (und vermutlich auch gibt).

    Es geht sozusagen, anschaulich, um das Konzept „Agonist/Antagonist“ („Gegenspieler“). Der „Antagonist“ realisiert sozusagen die „gegenteilige (NICHT) Funktion des „Agonisten“. Die Steuerung der Prozesse geschieht natürlich über „neuronale Leitungsbahnen“.

    Bedeutet, es werden entweder die jeweils gleichen „(Steuerungs-)Signale“ (auf verschiedenen „Leitungsbahnen“) des „Antagonisten“ oder des „Agonisten“ entweder durch ein bestimmtes Medikament „gefördert“ oder „abgeschwächt“.

    Die Wirkstoffe dürften in „gewissen Bahnen“ (selektiv, darauf sollte es ankommen) durch den Körper (Gehirn) „strömen“ und im neuronalen System andocken. Nehmen wir an, dabei treffen sie sowohl „agonistische Leitungen“ wobei sie die Signale z.B. „fördern“, als auch auf „antagonistische Leitungen“ wobei sie die Signale ebenfalls „fördern“.

    Das würde z.B. bedeuten, die „Aktivität“ („Antrieb“) bei Depressionen wird „gefördert“ (die Depressionen verringert). Die „NICHT Aktivität“ bei Ängsten wird gefördert (Ängste werden geringer), die „Aktivität“ bei Psychosen wird auch „NICHT gefördert“ also unterdrückt. Die Wirkstoffe „bewegen“ sich so durchs „Hirn“ und docken an, so dass skurriler Weise bestimmte Aktivitäten unterdrückt, andere gleichzeitig gefördert werden.

    In der „Schaltalgebra“ ist die „NICHT“ Funktion die wichtigste Funktion. Danach reicht entweder die „UND“ Funktion, oder auch die „ODER“ Funktion zur „vollständigen Turing Berechenbarkeit“.

    Je nachdem wie (selektiv) sich die chemischen Substanzen im Gehirn verteilen, können sie Einfluss auf das Geschehen und auch auf die Empfindungen nehmen, weil sie (Prozesse steuernde) „Signalleitungen“ (meistens über die Synapsen) selektiv fördern oder unterdrücken.

    Es scheint in der Tat so, wie Mussi meint, dass die „NICHT“ Funktion „zu kurz“ kommt, nicht nur in der Philosophie….

  61. @Stephan Schleim –
    Schade, dass Sie immer noch an den wesentlichen Differenzierungen meines Artikels vorbeireden. Ich kann’s nicht ändern. 🤷🏻‍♂️

    Oh, ein vollständiges Zitat hätte dem schon Abhilfe tun können:
    (die mangelnde Versorgung mit Energie; was immer diese nun verursachen mag.)

    Die Beeinträchtigung der Muskelfunktionen liegt nicht am Patienten; ist nicht durch eine Steigerung seiner (körperlichen) Bemühungen behandelbar.

    Die Tatsache, dass er/sie meint, sich schonen zu müssen, ist nicht “psychosomatisch” – ganz unabhängig davon, wie viele, bzw. welche Faktoren genau nun im Muskel, bzw. der Zelle die Funktionseinschränkung bewirken.

    (Es geht mir nicht darum, aus “Bewegung macht müde” eine Kausalität zu stricken. Es geht darum, dass es für eine “organische Ursache” ausreicht, ein betroffenes Organ zu haben.
    Was sie aus der fehlenden Bekanntheit einer Ursache für diese Fehlfunktion der Zellen machen, ist in meinen Augen nicht hilfreich für die Betroffenen.)

    Zu 2 – Siehe oben, 13.01, 13:45:
    Diese “individuelle Belastungsgrenze” – soll die nicht vom Individuum festgestellt werden können? Warum denn das nicht, bzw. wie soll es sonst gehen?
    Im übrigen ging es doch (angeblich) darum, die Verantwortung “allein dem Patienten” zu überlassen, also als Behandler keine mehr zu übernehmen.

    Und ich kann, als Behandelnde, durchaus Rücksicht auf Bewegungsmuster (und Gewohnheiten) des Klienten nehmen, das ist ja bei allen Krankheiten angesagt.

    Aus “dem Patienten die Eigenverantwortung nicht absprechen” (also ihm zu glauben, wenn er sagt “ich schaff das nicht!”) ein “ihm die Verantwortung alleine zu überlassen” machen ist, imA. nicht ganz o.k..

  62. @Elektroniker: psychische Störungen – und ihre Validität

    Umgekehrt wird ein Schuh daraus, denn das, was man gemeinhin als “Komorbidität” wegzuerklären meint, unterminiert gerade die Validität der diagnostischen Kriterien der Psychiatrie.

    Zutreffender als die Feststellung, dass getrennte Störungen gemeinsam auftreten, ist dann der Gedanke, dass die Trennung überhaupt keinen Sinn ergibt. Jim van Os verwendete darum in dem Interview mit mir, meiner Erinnerung nach, den Begriff “Syndrom”.

    Aufgrund fehlender klinischer Praxis würde ich mir kein Urteil darüber anmaßen, dass die Diagnosen keine Rolle für die Wahl und den Erfolg der Therapie spielen. Aber wenn Van Os, nach 30, 40 Jahren in dem Gebiet und als erfahrener Forscher diesen Schluss zieht (in dem verlinkten Video), dann nehme ich das interessiert zu Kenntnis.

  63. @ Stephan Schleim 15.01.2024, 13:05 Uhr

    Zitat: „Umgekehrt wird ein Schuh daraus, denn das, was man gemeinhin als “Komorbidität” wegzuerklären meint, unterminiert gerade die Validität der diagnostischen Kriterien der Psychiatrie.

    Das ist das „traurige Los“ der Psychiater, die an komplexen Systemen arbeiten. Bei einem gebrochenen Fuß ist die Diagnose normalerweise wegen der Röntgenbilder völlig eindeutig. Der Patient bekommt an der genau richtigen Stelle einen Gips und die Sache ist erledigt….

    In der Psychiatrie nicht. Da kommt es auf die „Tageslaune“ des Patienten an. Z.B. auch auf Wechselwirkungen zwischen Patient und Arzt. Natürlich auch auf die Erfahrung und die Testmethodik.

    Zitat: „Zutreffender als die Feststellung, dass getrennte Störungen gemeinsam auftreten, ist dann der Gedanke, dass die Trennung überhaupt keinen Sinn ergibt. Jim van Os verwendete darum in dem Interview mit mir, meiner Erinnerung nach, den Begriff “Syndrom”“.

    „Syndrom“ bezeichnet eben mitunter recht typische und auch gemeinsam auftretende „Krankheitsmuster“. Möglichst genau für die jeweiligen „Muster“ sind die Medikamente optimiert.

    Bei der Zulassung der Medikamente wird angeblich recht penibel auf statistisch einwandfrei nachgewiesene Wirkung geachtet. Psychiater können wegen ihrer besonderen Erfahrungen die Situation eher besser einschätzen als Hausärzte.

    Zitat: „Aufgrund fehlender klinischer Praxis würde ich mir kein Urteil darüber anmaßen, dass die Diagnosen keine Rolle für die Wahl und den Erfolg der Therapie spielen. Aber wenn Van Os, nach 30, 40 Jahren in dem Gebiet und als erfahrener Forscher diesen Schluss zieht (in dem verlinkten Video), dann nehme ich das interessiert zu Kenntnis.“

    Dass ältere Wissenschaftler (und Mediziner) öfters frustriert über ihr „Fachgebiet“ sind, ist nicht neu. Wenn immer wieder Patienten mit den gleichen „Symptomen antanzen“ und die Erfolge nicht so sensationell sind, wie z.B. nach einem Beinbruch, ist das verständlich.

  64. @Elektroniker: Struktur und Funktion

    Eben etwas Anderes: Ich verwies kürzlich auf den fließenden Übergang zwischen Struktur und Funktion – und dass man diese in der Biologie nicht scharf trennen könne. (Damit wäre auch die Hardware/Software-Analogie dahin.)

    Nun lese ich bei einem Arzt:

    “Wir stellen heute ‘Bau’ und ‘Funk­tion’ einander nicht mehr gegenüber. Die Entwickelungslehre erwies, daß die Funktion, wenn sie nötig wird, sich einen ent­sprechenden Bau schafft, und daß danach der Bau wiederum die Grundlage der Funktion bleibt.”

    Diese “heute” war, wohlgemerkt, um 1900! Willkommen in der Gegenwart. 😉

  65. @ Stephan Schleim 15.01.2024, 17:26 Uhr

    Zitat: „Eben etwas Anderes: Ich verwies kürzlich auf den fließenden Übergang zwischen Struktur und Funktion – und dass man diese in der Biologie nicht scharf trennen könne. (Damit wäre auch die Hardware/Software-Analogie dahin.)“

    Die Software-Analogie ist dahin, wenn man es so sehen will. Es ist zwar nicht „Software“ im üblichen Sinne, aber es sind abstrakte „informelle Objekte“ und nicht „Materie „oder „sinnloses Zeug“ was von der Sensorik ausgeht (in elektrische Signale umgesetzt wird, wie beim Computer) und in den Neuronen „verarbeitet“ wird.

    Auch derartige „informelle Objekte“ haben „Softwarecharakter“, sind keinesfalls Materie, auch wenn sie, wie jede Software, auf Materie „abgebildet“ werden können.

    Egal wie „fließend der Übergang“ zwischen Struktur und Funktion auf der „technischen Plattform“ auch ist, an „Schnittstellen“ der Sensorik oder auch der Motorik steht letztlich „Information“ an, das ist bei der Verarbeitung von Information relevant, nicht die Materie.

    Berührt man z.B. die heiße Herdplatte, so meldet die Sensorik eine „hohe Temperatur“, diese „Information“ wird ausgewertet, …. letztlich zieht man die Hand zurück. Bedeutsam ist die hohe gefährliche Temperatur, nicht z.B. dass die Platte aus Eisen ist.

    Es sind abstrakte mathematische Variable, die auch in biologischen Systemen verarbeitet werden, ähnlich wie in der vollständig mathematisierten (Boolschen Algebra) der Elektronik/Informatik.

    Zitat: „Wir stellen heute ‘Bau’ und ‘Funktion’ einander nicht mehr gegenüber. Die Entwickelungslehre erwies, daß die Funktion, wenn sie nötig wird, sich einen entsprechenden Bau schafft, und daß danach der Bau wiederum die Grundlage der Funktion bleibt.”

    Praktisch verhält es sich noch immer so. Soll zusätzliche Information im neuronalen System „verarbeitet“ werden, so werden z.B. neue synaptische Verknüpfungen angelegt, die Strukturen und damit auch die Denkmöglichkeiten erweitert.

  66. @Stephan

    Apropos: » Diese “heute” war, wohlgemerkt, um 1900! Willkommen in der Gegenwart.😉«

    Auf halbem Wege in die Gegenwart hat der Verhaltensbiologe Adolf Portmann (1897-1982) eine Sammlung von Vorträgen publiziert, in denen er sich, als Biologe, explizit mit dem spezifisch Humanen aus auseinandersetzt („Biologie und Geist“, 1956, 1973).

    Mir ist das Buch zu Beginn meines Bio-Studiums in die Hände gefallen und habe jetzt—aus gegebenem Anlass😉—mal wieder reingeschaut:

    S. 12

    Die Sonderungen von Natur und Geist, von Leib und Seele, von Leib, Seele und Geist sind uraltes Gut unseres Denkens. Die Grundlagen der biologischen Forschung aber gehören der allerjüngsten Zeit, den letzten Jahrhunderten dieser menschlichen Arbeit an. Der Keim eines Säugetieres ist erst 1827 von Karl Ernst von Baer gesehen worden, […]. Nicht deutlich genug kann ich diesen Kontrast betonen zwischen der archaischen Herkunft unserer begrifflichen Sonderungen, wie Leib und Seele, Natur und Geist, und der Neuheit des Wissens um die frühesten Entwicklungsvorgänge, denen auch wir unser Dasein verdanken. […]. Eine Zeit, für welche die niederen Tiere wirklich aus dem Schlamm und der Fäulnis, aus dem Sumpf, entstanden, […] – einer solchen Zeit mußten sich viele Zusammenhänge im Denken anders darstellen als der unsrigen.

    Darum muß die biologische Arbeit von allen den archaischen Sonderungen zunächst völlig absehen. Sie darf sich nicht von vornherein leiten lassen von der Ansicht, der Geist sei der Einbruch aus einer fremden Sphäre in irdische Lebensformen, mag diese Ansicht auch theologisch oder philosophisch begründet werden. Doch darf die Lebensforschung auch nicht jene andere vorgefaßte Meinung vorweg nehmen, der Geist habe sich aus einem geistlosen Leben herausgelöst als Erzeugnis des Lebens, wie eine Frucht das Ergebnis des Vegetierens ist.
    Weder als Einbruch von oben noch als Ausbruch von unten darf das Geistige vorwegnehmend aufgefaßt werden, wenn der Biologe an seine Arbeit geht.

    Wie Portmann sich wohl zu Konzepten wie der „verkörperten Seele“ geäußert hätte? Mit dem „biopsychosozialen Modell“ hätte er sich sicherlich anfreunden können angesichts der Einheit und relativen Geschlossenheit des Gesamtsystems Mensch:

    S.27:

    Der Besonderheit unserer Daseinsform, der Eigenart ihres durch Tradition geordneten Soziallebens entspricht der Werdegang des Individuums: Daseinsform und Entwicklungsweise sind einander vollständig zugeordnet, sie bilden das Gesamtsystem, das der biologischen Untersuchung gegeben ist.

    » Nun lese ich bei einem Arzt:
    …Die Entwickelungslehre erwies, …
    «

    Mit „Entwickelungslehre“ ist sicherlich die Evolutionslehre bzw. -theorie gemeint, Stimmt’s?

  67. @Wolfgang Stegemann // 11.01.2024

    »Es sind also nicht zwei Substanzen, sondern zwei Perspektiven auf ein und dasselbe Objekt, nämlich das Gehirn.«

    Ich würde eher von zwei Beschreibungsebenen sprechen: (1) die anatomisch/physiologische Ebene, und (2) die funktionale Ebene. Wobei die Beschreibung der Funktionen natürlich weit mehr umfasst als das, was wir üblicherweise mit der Psyche in Verbindung bringen.

    Ob nun ein Kausalzusammenhang zwischen Form und Funktion besteht, sei mal dahingestellt (wohl eher nicht), aber gewiss bedingt (begrenzt, bestimmt, determiniert) die Form weitestgehend die (möglichen) Funktion(en).

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