Was gehört zur Wissenschaftskommunikation? Einwände und Antworten

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… aber nicht einfacher
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Es gibt derzeit (mindestens) drei Definitionen dafür, was man unter “Wissenschaftskommunikation” zu verstehen hat. In vielen öffentlichen Debatten ist der Begriff verengt auf Wissenschafts-PR. Die aus meiner Sicht sinnvollste Definition dagegen umfasst tatsächlich alle Vorgänge, bei denen Wissenschaft kommuniziert wird und alle Akteure, die dies tun (siehe z.B. Wissenschaftskommunikation ist Wissenschaftsjournalismus, Wissenschafts-PR und mehr von Mike Schäfer, oder meinen Blogbeitrag hier). Dazwischen liegt eine Definition, die Wissenschaftskommunikation zwar als mehr sieht denn als bloße PR, aber trotzdem eine klare Grenze zum Wissenschaftsjournalismus zieht.

Als Siggener Kreis treffen sich auf Einladung von “Wissenschaft im Dialog” regelmäßig Akteure aus Wissenschafts-PR, Journalismus, Forschung und Lehre um gemeinsam über Wissenschaft, Öffentlichkeit und die zugehörigen Kommunikationsthemen nachzudenken. So sind beispielsweise die Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR (2016) entstanden. Die in diesem Jahr erschienenen “Siggener Impulse” (Walk the Talk – Chefsache Wissenschaftskommunikation) haben die Diskussion um den Begriff der Wissenschaftskommunikation alleine deswegen schon angefacht, weil sie ihren Ausführungen ausdrücklich die allgemeine Version des Begriffs voranstellen – und damit gleichzeitig den Mythos entkräften, niemand lese Fußnoten (S. 2, Fußnote 1):

Unter Wissenschaftskommunikation verstehen wir hier die externe Wissenschaftskommunikation. Dazu zählen wir sowohl die institutionelle Wissenschaftskommunikation, die von professionellen Kommunikatoren, aber auch von den in den Wissenschaftsinstitutionen angestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern betrieben wird, aber auch die „freie“ Wissenschaftskommunikation außerhalb dieser Organisationen sowie auch den Wissenschaftsjournalismus (vgl. auch https://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaftskommunikation)

Zum Gesamtbegriff zählt zusätzlich noch die interne Wissenschaftskommunikation, also wie Wissenschaftler miteinander kommunizieren; um die geht es aber hier (und auch in den Siggener Impulsen) nicht. Und auch wenn den Mitgliedern des Siggener Kreises andere Aspekte wichtiger waren: Mit ihrer Fußnote und der konsequenten Nutzung des erweiterten Wissenschaftskommunikationsbegriffs haben sie die Diskussion um den Begriff neu angefacht.

Schematische Übersicht über das Feld und die Akteure der Wissenschaftskommunikation nach Carsten Könneker
Schematische Übersicht über das Feld und die Akteure der Wissenschaftskommunikation nach Carsten Könneker. Bild: Nutzer spektrumdw via Wikimedia Commons unter Lizenz CC BY-SA 4.0

Auf wissenschaftskommunikation.de stehen derzeit zwei Gastbeiträge zu diesem Thema, die aus meiner Sicht einigermaßen repräsentativ sind:

Die Wissenschaftsjournalistin Heidi Blattmann verwehrt sich in weiten Teilen ihres Kommentars
Wissenschaftskommunikation ist Chefsache – unbedingt, wenn auch anders! gegen den allgemeineren Begriff, weil er Dinge zusammenwürfe, die sich grundlegend unterscheiden würden: Journalismus einerseits und PR andererseits.

Ich habe in Was zur Wissenschafts­kommunikation dazugehört: Wie sieht die Praxis aus? ausgeführt, warum ich im Gegenteil den verengten Begriff von Wissenschaftskommunikation für missverständlich und ausgrenzend halte. Kurzversion: Die Aktivitäten, bei denen Wissenschaftler*innen selbst mit der Öffentlichkeit kommunizieren, werden mit der Gleichsetzung Wissenschaftskommunikation = Wissenschafts-PR kleingeredet bzw. in eine unpassende Schublade gepresst. Das trägt zu Ausgrenzung und Unsichtbarmachen bei – wer die verengte Definition benutzt, hat die Aktivitäten der Wissenschaftler*innen allzu oft gar nicht auf dem Schirm, und, schwupps, kommen Darstellungen heraus, bei denen diese Aktivitäten dann schlicht nicht vorkommen.

Bereits meine kurze Zusammenfassung zeigt: Es geht um mehr als eine bloße Sachdiskussion über Begriffe. Zugespitzt: Wissenschafsjournalist*innen fühlen sich bedroht und wittern Stimmungsmache, wenn sie beim allgemeinen Begriff der Wissenschaftskommunikation auf einmal mit PR-Fachleuten und Forscher*innen in einen Topf geworfen werden. Wissenschaftler*innen fühlen sich vernachlässigt und wittern Stimmungsmache, wenn sie beim verengten Begriff der Wissenschaftskommunikation in falsche Schubladen gepfercht oder unsichtbar gemacht werden. Wer sich der Wissenschaft zugehörig fühlt, argumentiert für den allgemeinen Begriff, wer sich zum Journalismus zugehörig fühlt, für den verengten – das funktioniert zumindest bislang recht gut als Faustregel.

Die Diskussion ist etwas verteilt; ich habe einige Kommentare auf Twitter erhalten, andere direkt unter meinem wissenschaftskommunikation.de-Beitrag. Im folgenden dokumentiere ich einige Einwände gegen den allgemeinen Wissenschaftskommunikations-Begriff sowie meine Antworten darauf. Je nachdem wie die Diskussion weitergeht habe ich vor, weitere Einwände und Antworten zu ergänzen.

Allgemeinheit verwischt

“[E]in solch weiter Begriff von Wissenschaftskommunikation verwischt alle Unterschiede zwischen den Rollen und den Selbstverständnissen der Akteure” – Josef König auf wissenschaftskommunikation.de (Kommentar) 18.1.2019

Wieso das? Allein die bloße Existenz eines Dachbegriffs sagt zwar aus, dass es Gemeinsamkeiten gibt (und das stimmt ja!), aber nicht, dass es keine Unterschiede gäbe. Zahllose Beispiele aus der deutschen Sprache zeigen, dass Dachbegriffe keine magischen Gleichmacher-Kräfte besitzen. Wer von Gesundheitsberufen spricht sagt da mit nicht, dass es z.B. keine Unterschiede zwischen Ärzt*innen und Pfleger*innen gäbe.

Trennung interessengeleitet vs. unabhängig

“[D]ie Wissenschaft kommt letztlich in den Verdacht, dass sie die Unabhängigkeit anderer Meinungen, insbesondere der Medien, nicht wirklich respektiert, wenn sie den Unterschied zwischen der interessengeleiteten (weil von ihr finanzierten) Kommunikation aus der Wissenschaft und unabhängiger Berichterstattung über Wissenschaft verwischt.” – Heidi Blattmann auf wissenschaftskommunikation.de (Gastbeitrag), 17.1.2019

Dieses Argument zeigt aus meiner Sicht im Gegenteil sehr gut den schlechten Einfluss der verengten Definition. Blattmann setzt insgesamt Wissenschaftskommunikation und Wissenschafts-PR gleich und legt sich damit selbst Scheuklappen an. Dabei fallen, wie so oft, die Vermittlungsaktivitäten der individuellen Wissenschaftler*innen unter den Tisch. Sonst hätte Blattmann auch in diesem Absatz auffallen müssen, dass Wissenschaftler*innen ja im Gegenteil meist als Individuen kommunizieren, in einer Weise, bei der die Interessen ihrer Heimatinstitution in Motivation, Zielsetzung und Umsetzung allenfalls eine Nebenrolle spielen. Das ist der Situation der Journalist*innen, die ja auch individuell mit Namensnennung sichtbar werden und für ihre Inhalte persönliche Verantwortung übernehmen, weit ähnlicher als der Situation von Pressesprecher*innen oder PR-Fachleuten. Der verengte Begriff begünstigt diesen blinden Fleck. Insofern liefert Blattmann hier aus meiner Sicht ein unfreiwilliges Argument für die allgemeinere Definition von Wissenschaftskommunikation.

Wo soll das enden?

Gilt der allgemeine Begriff der Wissenschaftkommunikation

“auch für peer reviewed papers bis zu Romanen wie Jergers Marx/Darwin Buch? Oder der futuristische Roman „Helix“ von Marc Elsberg. Schon was alle zu „Wissenschaft“ gehört, ist kaum umfassend definierbar. Ein Buch / oder Roman / zum Kapitalismus, gehört dazu? Immerhin sind Wirtschaftswissenschaften, Sozialwissenschaften etc. darin ‘verarbeitet'” – Josef König, wissenschaftskommunikation.de, 19.1.2019

Dass Oberbegriffe Grauzonen haben, liegt in der Natur der Sache. Aber niemand würde bei Begriffen wie “Wissenschaft” oder “Politik” oder “Literatur” aus der Existenz der Grenzbereiche den Schluss ziehen, dann könne man den betreffenden allgemeinen Begriff auch gleich abschaffen.

Ich sehe es im Gegenteil als Stärke des allgemeineren Wissenschaftskommunikations-Begriffs an, dass er so umfassend ist. Wenn ich wissen will, woher die Öffentlichkeit ihr Wissen über Wissenschaftsthemen hat, muss ich nun einmal auch Science-Fiction-Bücher (Schätzing!) und Romane mit entsprechenden Inhalten mit einbeziehen. Der allgemeine Begriff umfasst endlich den gesamten Informationsfluss zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Der verengte Begriff legt uns Scheuklappen an.

Allgemein bis zur Sinnlosigkeit

“Ich denke wir werden uns schnell einig, dass das Axiom von Paul Watzlawick gilt ‘Niemand kann nicht kommunizieren’, auch für die Wissenschaft. Das würde aber nach ihrer Definition von Wissenschaftskommunikation bedeuten, dass alle, die mit Wissenschaft zu tun haben, auch Wissenschaftskommunikation betreiben. Damit wird aber eine theoretische Definition für die Praxis überflüssig, was Wissenschaftskommunikation ist.” – Reiner Korbmann auf wissenschaftskommunikation.de, 18.1.2019

Warum wird die Definition damit überflüssig? Zwar ist mit der allgemeinen Definition richtig, dass so ziemlich jede*r, der mit Wissenschaft zu tun hat, bei bestimmten Gelegenheiten Wissenschaftskommunikation betreibt. Aber was ist problematisch daran, für genau jene Aktivitäten einen Sammelbegriff zu haben? Die genannten Akteure betreiben ja auch noch anderes – wer als Wissenschaftler am Schreibtisch sitzt und Daten auswertet, betreibt zumindest in jenem Moment ja gerade keine Kommunikation.

Wissenschaftsjournalisten distanzieren sich

“[D]er relativ neue Begriff „Wissenschaftskommunikation“ [wird] noch immer als Synonyme für Wissenschafts-PR außerhalb der Community verstanden […] und Wissenschaftsjournalisten [distanzieren sich davon]” – Josef König auf wissenschaftskommunikation.de, 18.1.2019

Missverständlich war und ist aus meiner Sicht gerade der alte, verengte Begriff von Wissenschaftskommunikation. Und zwar ganz besonders außerhalb des engeren Zirkels, der seit Jahren über den Themenbereich diskutiert, will sagen: Wer erstmals mit dem Thema in Berührung kommt, gibt dem Wort “Wissenschaftskommunikation” meiner Erfahrung nach erst einmal die allgemeinere Bedeutung, die ja der Wortbildung nach auch naheliegt (“Sammelbegriff für alles, wo es darum geht, Wissenschaft zu kommunizieren”). Und ist dann überrascht, wenn er oder sie von der verengten Bedeutung erfährt. Insofern: Mit potenziellen Mißverständnissen muss sich, wer den verengten Wissenschaftskommunikationsbegriff vertritt, ebenso auseinandersetzen wie jemand, der dem allgemeinen Wissenschaftskommunikationsbegriff zum Durchbruch verhelfen möchte. Ich finde letzteres deutlich lohnender!

International inkonsistent?

“Entstanden ist [der Begriff] als „Science Communication“ (wohl definiert als Gegenpart zu „Science Journalism“) in den Angelsächsischen Ländern. […] [D]ort kommt wahrlich niemand auf die Idee Science Journalist zur Science Communication zu rechnen” – Reiner Korbmann auf wissenschaftskommunikation.de, 18.1.2019

Das ist, soweit ich sehen kann, falsch. Wenn es im angelsächsischen Raum eine Trennung gäbe, dann hätte die Fachzeitschrift Science Communication beispielsweise keinen Sonderband zu “International Issues in Science Journalism” oder würde Artikel zur journalistischen Berichterstattung über Klimagipfel veröffentlichen. Was ich beim Googlen nach “science communication” in Blogs, auf Wikipedia, als Karriereberatung oder Studiengangbeschreibung gefunden habe zeigt sämtlich das Gegenteil: auch international ist “science communication” ein Sammelbegriff, der auch “science journalism” umfasst.

Wissenschaftsjournalismus außen vor zu lassen hilft bei der Einordnung

Ein Begriff der Wissenschaftskommunikation, der “für die Ausweitung der Kommunikationsarbeit in der Wissenschaft über die reine PR hinaus” steht, aber vom Wissenschaftsjournalismus getrennt ist, hilft “bei der Einordnung, denn schon lange ist die Begrifflichkeit etwa in der Wirtschaft für ‘Unternehmenskommunikation’ eindeutig” – Reiner Korbmann auf wissenschaftskommunikation.de am 19.1.2019

Das ist aus meiner Sicht im Gegenteil ein Argument für den allgemeineren Begriff, der den Wissenschaftsjournalismus mit einschließt. In einiger Hinsicht hat die Kommunikation von Wissenschaftler*innen schließlich gerade mehr mit dem Wissenschaftsjournalismus gemein als mit Unternehmenskommunikation: Die Wissenschaftler*innen stehen als Individuen ein für das, was sie kommunizieren, ähnlich wie die Journalist*innen aber im Gegensatz zu Pressesprecher*innen, die per Definition nicht ihre eigenen Einschätzungen, sondern die offizielle Stellungnahme einer Institution kommunizieren. Bei Wissenschaftler*innen ebenso wie bei Journalist*innen stehen im Hintergrund höhere, von der Institution unabhängige Standards, zugespitzt “gute Wissenschaft” und “guter Journalismus”, jedes der beiden durch ein entsprechendes Grundrecht geschützt. Das zeigt aus meiner Sicht klar: Wer bei der Wissenschaftskommunikation die institutionelle PR-Arbeit und die Vermittlungsarbeit der Wissenschaftler*innen zusammen in einen Topf wirft, aber den Wissenschaftsjournalismus außen vor lässt, suggeriert irreführende Gemeinsamkeiten und macht bestehenden Gemeinsamkeiten weniger sichtbar als sie sein sollten. Daher die Notwendigkeit für einen Sammelbegriff wie den allgemeinen Wissenschaftskommunikations-Begriff.

Kampfbegriff gegen Journalisten

“Für mich stellt sich die Entwicklung so dar, dass in [der Anfangszeit der Wissenschafts-PR] die PR-Leute als nicht kompetent und als keine geeigneten Gesprächspartner von Wissenschaftsjournalisten angesehen wurden. Der neuen Begriff Wisskomm kommt mir daher wie ein ‘Kampbegriff’ gegen diese Sicht der Wissenschaftsjournalisten vor, und seine ‘Perfidie’ liegt darin begründet, dass er sie gleichsam eingemeindet und somit die klare Rollentrennung verwischt.” – Josef König auf wissenschaftskommunikation.de am 18.1.2019

Mir kommt bereits der verengte Wissenschaftskommunikations-Begriff wie eine Werbemaßnahme vor. Gerade weil er dort als synonym zu Wissenschafts-PR verstanden wird, aber natürlich besser klingt und die negativen PR-Assoziationen (“man will uns etwas verkaufen!”) vermeidet. Der allgemeinere Begriff ist aus meiner Sicht neutraler. Insbesondere schließt er ja ausdrücklich auch die Wissenschaftler*innen selbst als Kommunizierende ein. Und wie schon gesagt: Die bloße Existenz eines Oberbegriffs wird niemanden davon abhalten, zu differenzieren. Innerhalb des Oberbegriffs lässt sich nach wie vor herausarbeiten, was Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und PR-Expert*innen Begriffspaarweise gemeinsam haben und wo die Unterschiede liegen.

An der Praxis vorbei

“Die neue Auslegung [= der allgemeine Begriff von Wissenschaftskommunikation] steht aber im Gegensatz zum bisherigen Sprachgebrauch in der Praxis und auch im Gegensatz etwa zum Selbstverständnis dieser Webseite hier, auf der ich schreibe und die den Begriff im Titel führt.” – Heidi Blattmann auf wissenschaftskommunikation.de (Gastbeitrag), 17.1.2019

Jedem seine Filterblase, kann man da wohl nur sagen. Mag ja durchaus sein, dass der verengte Begriff zum Beispiel in bestimmten Wissenschaftsjournalismus-Kreisen (nicht in allen!) oder unter Wissenschafts-PR-Fachleuten gängig war und ist. Aus meinem Teil der Praxis, unter kommunizierenden Wissenschaftler*innen, kenne ich seit langem die allgemeinere Verwendungsweise – und durchaus auch irritierte Reaktionen, wenn der- oder diejenige erstmals mit der verengten Definition in Berührung kamen. Immerhin die Aussage zum Selbstverständnis von wissenschaftskommunikation.de, der genannten Webseite, ist glücklicherweise falsch; ich hatte das hier auf Twitter explizit nachgefragt.

[Nachtrag: ich habe in diesem weiteren Blogbeitrag Beispiele für den Sprachgebrauch gesammelt.]


 

Wissenschaftskommunikation braucht passende Begriffe

Nicht zuletzt weil Bundesforschungsministerin Anja Karliczek die Debatte um die Rolle der Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit neu angestoßen hat, wird sich in Sachen Wissenschaftskommunikation in den nächsten Jahren voraussichtlich noch einiges tun. Um so wichtiger, dass wir auf einer begrifflichen Grundlage arbeiten, die uns keine Scheuklappen anlegt, die niemanden in unpassende Schubladen einsortiert und die uns als Oberbegriff ermöglicht, wirklich alle Aspekte des Themas mit einzubeziehen.


 

Dazu, wie der Begriff Wissenschaftskommunikation in der Praxis gebraucht wird, habe ich jetzt hier noch einen weiteren Beitrag geschrieben.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

5 Kommentare

  1. der sprachliche Ausflug in den englischsprachigen Bereich zeigt, welche Bedeutung dort der Begriff “science communication hat. Es nützt halt nichts, wenn wir das 1 : 1 übersetzen und es Wissenschaftskommunikation nennen. Das ist ja hier gut herausgearbeitet worden.
    Die Verwischung mit Wissenschaftsjournalismus oder sogar Wissenschafts PR bleibt.
    Der einfachste weg ist der gerade Weg. Den Begriff Wissenschaftskommunikation beibehalten und hoffen, dass er den Anflug von “yellow press” verliert.

  2. Markus Pössel schrieb (19. Januar 2019):
    > Es gibt derzeit (mindestens) drei Definitionen dafür, was man unter “Wissenschaftskommunikation” zu verstehen hat. […]
    > Die aus meiner Sicht sinnvollste Definition dagegen umfasst tatsächlich alle Vorgänge, bei denen Wissenschaft kommuniziert wird [… einschließlich] journalistischer Berichterstattung [dar]über […].

    Sofern sich “Berichterstattung” und (ein sinnvoll definierten Begriff von) “Kommunikation” unterscheiden lassen,
    und sofern jegliche “Berichterstattungjedenfalls auch alsKommunikation” gelten soll,

    gibt es dann Wort, oder eine einigermaßen kurze, pratkisch gebräuchliche Formulierung, um ausdrücklich dasjenige zu bezeichnen, was (ebenfalls) zu solcher “Kommunikation” gehört, aber ausdrücklich nicht “(bloße) Berichterstattung” darstellt ?

    p.s.
    > Reiner Korbmann [schrieb:]
    > »[…] das Axiom von Paul Watzlawick gilt ‘Niemand kann nicht kommunizieren’, auch für die Wissenschaft.«

    > Zwar ist mit der allgemeinen Definition [von “Wissenschaftskommunikation”] richtig, dass so ziemlich jede*r, der mit Wissenschaft zu tun hat, bei bestimmten Gelegenheiten Wissenschaftskommunikation betreibt.

    Was (konkret und namentlich) kommunizieren diejenigen, die mit Wissenschaft zu tun haben, hinsichtlich (ihrer) Wissenschaft, falls und während sie keine Gelegenheiten haben oder wahrnehmen, Wissenschaftskommunikation zu betreiben ?

    • Ich kenne keine kurze, praktisch gebräuchliche Formulierung, die das Komplement von Berichterstattung beschriebe. Das ist in der deutschen Sprache aber der Regelfall. Ich kenne z.B. auch keine kurze, praktische gebräuchliche Formulierung für alle Hunde, die ausdrücklich keine Dackel sind.

      Watzlawick: Sehe ich genauso. Daher ja auch meine Antwort im Haupttext: Wer als Wissenschaftler z.B. am Schreibtisch sitzt und Daten auswertet, betreibt zumindest in jenem Moment gerade keine Kommunikation.

  3. Das Watzlawick-Zitat lautet korrekt: “Man kann nicht nicht kommunizieren“, eine etwas andere Aussage als die von Korbmann formulierte. Eigentlich ist es eine Plattitüde, zumal die KommunikationstheoretikerInnen selbst der beste Gegenbeweis sind.

  4. [ Erneute Einreichung meines Kommentars vom 24.01.2019 mit geringfügigen Korrekturen — FW ]

    Markus Pössel schrieb (24. Januar 2019 @ 08:55):
    > Ich kenne keine kurze, praktisch gebräuchliche Formulierung, die das Komplement von Berichterstattung beschriebe.

    Ich dachte dabei an die “reziproke (Wissenschafts-)Kommunikation“, auch “(wissenschaftliche) Korrespondenz” genannt.
    Aber diese ist eben nicht allen bekannt und gewärtig; offenbar (noch) nicht mal all denen, die sich öffentlich über “Wissenschaftskommunikation” auslassen (können).

    (Die “Schematische Übersicht” im obigen SciLogs-Artikel zeigt zwar ausschließlich Pfeile mit Spitzen an beiden Enden (“Doppelpfeile”) — aber das muss ja nichts heißen. Schließlich beschränkt sich diese “Schematische Übersicht” ja offenbar auch auf ausnahmslos solche Wissenschaftler und solche Medien- und Öffentlichkeitsarbeiter, die “institutionell gebunden” sind …)

    > Ich kenne z.B. auch keine kurze, praktische gebräuchliche Formulierung für alle Hunde, die ausdrücklich keine Dackel sind.

    Stimmt: die Wortschöpfung “Nicht-Dackel-Hunde” wäre keine Antwort im Sinne meiner obigen Frage.
    Aber natürlich ließen sich die verbleibenden Hunderassen (einschl. der restlichen Promenadenmischungen) ggf. sogar einzeln benennen.
    Dieses Hunderassen-Beispiel stellt hinsichtlich der Granularität (d.h. der Anzahl der unterscheidbaren und entsprechend verschieden zu benennenden Teilmengen) eine schlechte Analogie dar.

    Jedenfalls dürfte ja bekannt und unumstritten sein, wie das Komplement der (erwachsenen) Hunde zu nennen ist, die kein Fleisch (zu) essen (kriegen),
    bzw. dass sich das Komplement der (erwachsenen) Hunde benennen lässt, die sich nicht (“auf natürlichem Wege”) fortpflanzen könnten.

    > Watzlawick: […] Wer als Wissenschaftler z.B. am Schreibtisch sitzt und Daten auswertet, betreibt zumindest in jenem Moment gerade keine Kommunikation.

    Das sehe ich anders:
    Wer als Wissenschaftler z.B. am Schreibtisch sitzt und Daten auswertet, und dabei so konzentriert ist, dass er gar nicht bewusst wahrnähme, falls oder dass er von anderen beobachtet würde,
    der “kommuniziert” (zumindest im Sinne des Watzlawikschen Unvermögens, “nicht kommunizieren zu können”) denjenigen gegenüber, zum Thema seiner jeweiligen Wissenschaft, dass er mit jemandem, der ihn dabei lediglich beobachten würde, zumindest im Moment noch nicht in wissenschaftliche Korrespondenz zu treten beabsichtigt; sondern ggf. später und/oder mit gewissen anderen.

    (Auch davon ließe sich allerdings berichterstatten …)