10 Jahre SciLogs: “Am Anfang war der Durst”

Nach der großartigen Liveblog-Woche zu den großen Fragen der Wissenschaft auf ZEIT Online mit vielen tollen Bloggewitter-Beiträgen auch hier auf der Seite folgte am letzten Freitag im Oktober die Geburtstagsparty in Heidelberg. Hier lernten wir: “Am Anfang war der Durst.”

Ein Weblog von und für Wissensdurstige – (Wie) geht das?

Anno 2007. Am Anfang war ein Mittagessen. Gemeinsam am Tisch: Carsten Könneker, damals schon Chefredakteur von Gehirn & Geist und Martin Huhn, der sich zu jener Zeit mit so ziemlich allem beschäftigte, was mit dem Webauftritt des Verlages zu tun hatte.

Die Idee: Eine Plattform für wissenschaftliche Blogs als Ergänzung zur Printausgabe von Gehirn & Geist. Kurze Zeit später schlüpfte die erste Testversion der BrainLogs aus dem Ei. Während Martin die Plattform mit virtuellen FC Schalke 04-Bloggern mit so illustren Namen wie Asamoah oder Neuer trainierte, kümmerte sich Carsten um die Rekrutierung einer Handvoll erster echter Wissenschafts-Blogger.

Am Anfang war die Idee… Carsten Könneker und Martin Huhn, die beiden Gründungsväter der SciLogs, vor Beginn der Stadtführung “Am Anfang war der Durst”.

Die ausdauerndsten Blogger

Zwei von diesen Bloggern der ersten Stunde bloggen heute noch. Arvid Leyh begann sogar schon 2005 mit seinem Braincast und begeistert bis heute Tausende von Hörerinnen und Hörer für das Wunderwerk Gehirn.

Stephan Schleim, damals noch Doktorand in Deutschland und mittlerweile Associate Professor in den Niederlanden, entwickelte sich quasi mit der Plattform und beschreibt dies auch wunderbar in seinem Jubiläums-Beitrag “Zehn Jahre MENSCHEN-BILDER“.

Die “ältesten” Blogger der SciLogs: Stephan Schleim (MENSCHEN-BILDER) und Arvid Leyh (Braincast).

Der fleißigste Blogger

Die meisten Beiträge verfasste Michael Blume (Natur des Glaubens). Auch außerhalb der SciLogs schreibt der Religionswissenschaftler über wichtige Themen äußerst verständlich und erfolgreich. So schaffte es sein vor kurzem erschienenes Buch “Islam in der Krise” (Patmos, 192 S., ISBN: 978-3-8436-0956-2) sogar auf die Spiegel-Bestsellerliste.

Die #scilogsTEN – Feier in der Heidelberger Altstadt. Für den fleißigsten SciLogger, Michael Blume (rechts unten im Bild), war das auch Entspannung vom Bestseller-Rummel.

“Das Trinken lernt der Mensch zuerst”

Natürlich kann Wissensdurst allein keinen Menschen ernähren. In vino veritas – lautete mein erster eigener Beitrag, den ich am 9. März 2010 nach meinem ersten Bloggertreffen in Deidesheim veröffentlichte. Die Begegnung mit so vielen sympathischen Menschen hatte mich überzeugt.

Was für Diskussionen! Wann gibt es schon Gelegenheit für so viele interdisziplinäre Gespräche mit Wissenschaftlern, die nicht nur über nur ein ausgesprochenes Sendungs-, sondern vor allem auch über ein gesundes Dialog-Bewusstsein verfügen?

Der gute Wein half sicher auch. Alkohol hat eine lange Tradition, nicht nur bei den SciLogs. Auch wenn es hier wie bei allem auf die richtige Dosis ankommt, doch das ist nicht alles. Wir tendieren ja in der Regel dazu, die Gene überzubewerten und unser Hirn auf Autopilot zu stellen.

Werden wir zu fett, sind es die “schlechten Gene”. Sie kriegen es eben einfach nicht gebacken, mit der vielen Nahrung und der wenigen Bewegung zurechtzukommen, die wir ihnen zumuten. Dabei haben wir sogar ein wenig recht. Sind es doch gerade diese Gene, die unseren Vorfahren in den zahlreichen Notzeiten geholfen haben, zu überleben.

In den beiden LiveBlog-Diskussionen zu den großen Fragen der Wissenschaft auf ZEIT Online zu den Themen “Was ist Bewusstsein?” und “Könnten wir unsterblich sein?”, an denen ich teilnehmen durfte, haben wir ja auch darüber diskutiert und gebloggt (hier geht es zu meinen beiden Beiträgen: “Das Geheimnis der Hundertjährigen und “Bewusstsein – ein evolutionäres Mysterium?“).

An den Quellen berühmter Wissenschaftler

Bei der abendlichen Stadtführung durchs herbstlich-windige Heidelberg führte uns ein kundiger Kurpfälzer Kunsthistoriker dann auch zu zu den Quellen, an denen sich schon so berühmte Menschen wie Johann Wolfgang von Goethe und Hans-Georg Gadamer labten.

Letzterer war einer der prominentesten deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Professor Gadamer wurde 102 Jahre alt und nahm wohl bis ins fortgeschrittene Alter seine Seminaristen mit in eine der zahlreichen Kneipen in der Altstadt, um dort die universellen Hermeneutik mithilfe des einen oder anderen edlen Tropfens noch besser zu verstehen. Nein, es geht hier nicht um Heilwasser, sondern um Wein.

SciLogger auf den Spuren des Alkohols in der Heidelberger Altstadt
Stadtführung zu den Quellen des Alkohols in der Heidelberger Altstadt. Übrigens wusste schon der Schweizer Arzt Paracelsus (1493-1541): “Allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.”

Warum uns unsere Vorfahren zu Säufern züchteten

8000 Jahre Brauereigeschichte versammeln sich in einem Glas Bier. Der Wein gilt gar als ältestes alkoholisches Getränk der Welt. In der heutigen Türkei und in Persien sollen bereits vor rund 12.000 Jahren Nomadenvölker Wein hergestellt haben. Fossilienfunde deuten darauf hin, dass sogar die Dinosaurier vor über 60 Millionen Jahren wilden Wein (Vitis silvestris) kannten. Die Saurier starben aus, doch der Wein passte sich an und wurde schließlich durch die Einflüsse von Klima, Geologie, Mensch und Tier zur Kulturrebe (Vitis vinifera).

Der Evolution verdanken wir, dass die meisten von uns in Europa Alkohol vertragen. Im Mittelalter waren es zunächst die Mönche, die Weinanbau und Bierbrauerei vorantrieben. Vor allem in den Städten war Alkohol sauberer als das meist verseuchte Trinkwasser. Alkohol diente als beliebtes Zahlungs- und Nahrungsmittel. Sogar Kinder wurden mit Bier ernährt.

So züchteten unsere Vorfahren uns zu Trinkern heran. Zumindest diejenigen, die in Europa lebten.

In Asien gab es dagegen andere Probleme und Ernährungsgewohnheiten. Dort trat mehr Hepatitis auf und da bedeutet Alkohol ein zusätzliches Risiko für die eh schon geschwächte Leber. Deswegen vertragen die meisten Asiaten kaum Alkohol.

Auch Frauen vertragen weniger Alkohol. Sie wiegen meist weniger als Männer und haben auch eine weniger effiziente Alkoholdehydrogenase – das Enzym, welches den Alkohol abbaut. Eine europäische Frau sollte nicht mehr als einen Achtel Wein oder einen viertel Liter Bier pro Tag trinken, für Männer gilt das Doppelte. Zwar wächst die Leber mit ihren Aufgaben, doch leider schrumpft dann auch gleichzeitig das Hirn…

Viel Zucker fürs Hirn: Community Manager Lars Fischer (Fischblog) kurz vor der Sektion der SciLogs-Geburtstagstorte. Unter den wachsamen Zeugen: Daniel Lingenhöhl (Redaktionsleiter des Wissenschaftsportals Spektrum.de) und Carsten Könneker (SciLogs-Erfinder und Chefredakteur der Zeitschriften Spektrum der Wissenschaft, Gehirn&Geist sowie Spektrum.de).
Viel Zucker und Fett fürs Hirn: Community Manager Lars Fischer (Fischblog) kurz vor der Sektion der SciLogs-Geburtstagstorte. Unter den wachsamen Zeugen: Daniel Lingenhöhl (Redaktionsleiter des Wissenschaftsportals Spektrum.de), Carsten Könneker (SciLogs-Erfinder und Chefredakteur der Zeitschriften Spektrum der Wissenschaft, Gehirn&Geist sowie Spektrum.de) und Dennis Dirdjaja (Web Developer und digitaler Leiter von Spektrum.de).

Die SciLogs – Meisterwerk der Evolution

Zurück zu den SciLogs – 2016 zog die Plattform auf die Seite von spektrum.de um und umfasst heute im wahrsten Sinne ein breites Spektrum der Wissenschaft. Diese Struktur, bestehend aus einem Verlag (dessen amerikanische Mutter “Scientific American” übrigens demnächst 175 Jahre alt wird) und einer bunt gemischten Truppe von Wissenschaftlern mit Dialog-Bewusstsein, die nicht nur Geld machen oder ihre Message loswerden wollen, sondern die sich auch mit und dank ihrer Leserschaft weiterentwickeln, macht diese Plattform bereits nach der ersten Dekade zu einem kleinen Meisterwerk der Evolution.

So kann wirklich Neues entstehen und sich außerhalb von festgelegten Institutsmauern und Elfenbeintürmen entfalten. Ist das nicht Ent-wicklung in einer seiner schönsten Form?

Auf den Fensterscheiben einer der berühmt berüchtigten Heidelberger Kneipen lasen wir:

Das Trinken lernt der Mensch zuerst, viel später erst das Essen. Drum soll er auch aus Dankbarkeit das Trinken nicht vergessen.

Herzlichen Dank an alle, die dies möglich machen! Lassen wir uns überraschen, was die nächsten zehn Jahre bringen werden. Prost und auf ein gutes, langes Leben!

Nachtrag vom 09.11.17: Mehr meiner Fotos vom Treffen gibt es jetzt auch auf flickr.com – im Album #scilogsTEN. Viel Spaß beim Anschauen!

#scilogsTEN – weitere Impressionen:

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Dr. Karin Schumacher bloggte zunächst als Trota von Berlin seit 2010 bei den SciLogs. Nach dem Studium der Humanmedizin in Deutschland und Spanien promovierte sie neurowissenschaftlich und forschte immunologisch in einigen bekannten Forschungsinstituten, bevor sie in Europas größter Universitätsfrauenklinik eine Facharztausbildung in Frauenheilkunde und Geburtshilfe abschloss. Hierbei wuchs das Interesse an neuen Wegen in der Medizin zu Prävention und Heilung von Krankheiten durch eine gesunde Lebensweise dank mehr Achtsamkeit für sich und seine Umwelt, Respekt und Selbstverantwortung. Die Kosmopolitin ist leidenschaftliche Bergsportlerin und Violinistin und wenn sie nicht gerade fotografiert, schreibt oder liest, dann lernt sie eine neue Sprache. Auf Twitter ist sie übrigens als @med_and_more unterwegs.

5 Kommentare

  1. Danke und toll, wie du mit den Alliterationen spielst!

    Die beiden “ältesten” Blogger sehen auf dem Foto tatsächlich nicht mehr ganz frisch aus; sie haben wohl schon etwas zu tief ins Glas geschaut. Das scheint ja der reinste Saufclub zu sein.

    Wie wäre es stattdessen nächstes Mal mit SciLogs-Yoga und veganem Menü? :-p

  2. Danke, Stephan, auch für deinen Beitrag zum Treffen und dass du schon so lange und gut für die SciLogs bloggst. Gewisse Reifezeichen werte ich daher eher als Prädikat. 10 Jahre in 10 Stunden durchzufeiern erfordert schon ein gewisses Training, dass man vom Bloggen allein wahrscheinlich nicht bekommen kann (obwohl der SciLogs-Server (vor allem seit den Umzügen) ja immer wieder unsere Geduld herausfordert, was jedoch bei mir meist dazu führt, dass ich dann (leider) weniger (hier) schreibe).

    Aber du hast recht – Yoga hilft da vermutlich ganz gut und ist sicher gesünder als Alkohol. “Yoga für Blogger” – wäre das nicht etwas für eine kleine Serie (oder gar ein Buch / Vlog)?

    Was ein korrektes veganes Menü angeht, nun, zumindest theoretisch sollte das mittlerweile möglich sein. Immerhin gibt es ja schon veganen Wein, der ohne Zugabe tierischer Produkte wie Gelatine, Schwimmblasen von Fischen oder Hühnereiweiß gereinigt wurde. 😉

    Meinetwegen könnten wir aber auch alle mal gemeinsam einen (Wein)berg auf Sardinien besteigen, z.B. im Sinne einer SciLogs-Recherche-Reise… 🙂

  3. Demnächst müßt Ihr wieder ohne mich feiern. Vielleicht sehen wir uns ja alle zum 25. nochmal. Aber bis dahin kann noch viel passieren. Halten wir fest, was uns keiner mehr nehmen kann. Die schöne Zeit, die wir bislang hatten.

    • Was die schöne Zeit betrifft, gebe ich dir recht, Martin. Die SciLogs-Familie ist etwas ganz Besonderes, das kann euch / uns niemand nehmen. Du wirst immer dazugehören, auch wenn du jetzt etwas anderes machst. Ich bin mir sicher, dass auch Carsten das weiß (falls du es mal vergessen solltest)… Auch wenn wir nicht in die Zukunft blicken können, kann ich mir dennoch schwer vorstellen, dich erst in 15 Jahren wiederzusehen. Aber es wäre natürlich eine gewaltige Motivation… 🙂

  4. Den Wert eines Wissenschaftsblogs ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Als Halblaie staune ich immer wieder, welchen klugen Köpfe da mitmachen und dass man mit seiner eigenen Meinung oft daneben liegt.
    Bleiben Sie alle gesund!

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