Der innere Dirigent aller Zellen

Kennt ihr das auch, wenn ihr morgens aufstehen müsst, aber alles andere als wach seid? Im Gegenteil, euch geradezu erschlagen fühlt? Die Anforderungen des Tages erscheinen dann unerfüllbar und die Aufgaben nicht schaffbar. Das Einzige, das mich in solchen Situationen aus dem Bett treiben kann, ist der Gedanke an ein schön warmes Käffchen. Manchmal aber hilft sogar das nicht. Was macht mich aber so müde und warum ist das schlimmer, wenn es draußen noch dunkel ist? Wie funktioniert mein innerer Schlaf-Wach Rhythmus?

Wie wird unser Schlaf-Wach-Rhythmus kontrolliert?

Von Zoph, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12776876

Wie bei Pflanzen arbeiten die Zellen des menschlichen Körpers auch ungefähr in einem 24h Rhythmus. Denn das ist der Zyklus, in dem die Umgebung sich verändert, durch das Drehen der Erde. Und eine Anpassung an diese Umstände ergibt einen evolutionären Vorteil. Kontrolliert wird der innere Rhythmus durch die Circadiane Uhr. Diese fungiert hierbei als eine Art Dirigent, der die einzelnen Zellen auf die gleiche Zeit setzt, damit alle gleichzeitig arbeiten und nicht in ein unkontrolliertes Chaos ausbrechen. Generiert wird diese Uhr durch den superchiasmatischen Nukleus (SCN). Ein Bereich im Gehirn, der tief im Hypothalamus liegt und nahe am optischen Chiasmus. Molekular gesehen nimmt der SCN Einfluss auf die Uhr aller Zellen, indem er die Translation der CRY-, PER-, und CK1-Proteine kontrolliert. Dadurch werden sie vor allem am Tage produziert und nicht in der Nacht. Das vermittelt dann den Rhythmus. Durch diesen wird das Immunsystem beeinflusst, das Leistungssystem und der Appetit. Aber die bekannteste Funktion ist wohl die Kontrolle des Wach-Schlaf-Rhythmus.

Wie passt sich die circadiane Uhr an die Umwelt an?

Durch die Jahreszeiten und die dadurch unterschiedlich langen Tage und Nächte muss sich die innere Uhr anpassen können und kann nicht permanent nach exakt dem gleichen Rhythmus arbeiten. Das erreicht sie durch das Reagieren auf sogenannte Zeitgeber. Und der stärkste Zeitgeber ist das Licht, denn dieses bringt den inneren Rhythmus mit den äußeren Umständen in Einklang. Wahrgenommen wird das Licht von der Netzhaut auf der Rückseite des Auges. Anders als das Farbsehen ist für die circadiane Uhr die Information über das Licht wichtig, das von den ipRGC´s (intrinsisch photosensitive retinale Ganglienzellen) aufgenommen wird. Diese ipRGCs reagieren vor allem auf kurzwelliges blaues, grünes und violettes Licht. Wenn man also besonders viel in blaues Licht schaut, dann wird dem Gehirn vermittelt es sei Tag. Deswegen ist das Blaulicht des Handys am Abend dem Schlafen abträglich und ein Nachtmodus macht tatsächlich Sinn.

Wie sieht das mit dem Melatonin aus?

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Aber natürlich nicht nur das Blaulicht eines Handys hindert am Schlafen, sondern auch sehr helle Beleuchtung am Abend. Denn nur bei Dunkelheit schüttet die Epiphyse im Gehirn -gesteuert vom SCN- das Hormon Melatonin aus. Melatonin wird aus Serotonin synthetisiert, das wiederum die Aminosäure Tryptophan als Basis hat. Außerdem wird es nur im Dunkeln gebildet, denn helles Licht hemmt die Biosynthese. Unter normalen Bedingungen wird Melatonin in der Nacht produziert, aber nicht tagsüber. Spannend ist, dass sowohl bei tagaktiven als auch bei nachtaktiven Tieren Melatonin ausgeschüttet wird, aber unterschiedliche Reaktionen nach sich zieht. Die einen macht es müde und die anderen macht es wach. Wenn das Licht am Abend noch an ist, dann wird Melatonin nicht ausgeschüttet. Man wird nicht müde also.

Auch interessant ist, dass Koffein die Aminosäure hemmt, die aus Serotonin Melatonin herstellt. Dadurch wird die Synthese des Schlafhormons gehemmt und es kann zu Schlafproblemen kommen. Außerdem kann Koffein an Adenosin-Rezeptoren binden und diese dadurch blockieren. Das hindert ebenfalls die Müdigkeit daran Wurzeln zu schlagen. Denn Adenosin macht unter normalen Umständen genauso müde, wie Melatonin. Deswegen ist vom Kaffeetrinken am Abend abzuraten.

Wie führt die innere Uhr zu unserem Schlaf-Wach Rhythmus?

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Zusätzlich zu der circadianen Uhr kommen natürlich noch andere Faktoren dazu, die Müdigkeit fördern. Zu wenig Schlaf in der Nacht zuvor sowie spannende Unterhaltung kurz vor Schlafenszeit können eine erweckende Funktion haben. Zusätzlich zu Verhaltensweisen spielen auch noch genetische Veranlagungen eine Rolle. Manche Menschen kommen mit nur 7 Stunden Schlaf pro Tag gut aus, andere brauchen mindestens 9 Stunden. Im Schnitt sollten aber 8 Stunden ausreichend sein. Tatsächlich gibt es Unterschiede in der Veranlagung nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch in einem Menschen zu verschiedenen Zeiten seines Lebens. So sind Jugendliche und junge Erwachsene häufiger abends aktiv, während ältere Personen eher morgens fit sind. Man nennt das Chronotyp. Ich zum Beispiel war früher eindeutig ein Morgenmensch, dahingegen kann ich momentan weder morgens noch abends besonders gut wach sein. Und ich erwarte fast, dass ich noch eine Phase erleben werde, in der ich vor allem nachts gut arbeiten kann.

Es ergibt Sinn, dass man versucht seinen Rhythmus nach den äußeren Umständen zu richten, um die innere Uhr nicht zu verwirren. Aber beispielsweise Schichtarbeiter oder häufig Reisende haben nicht immer die Möglichkeit zu schlafen, wenn es draußen dunkel ist und wach zu sein, wenn es draußen hell ist. Sie müssen durch besondere Anforderungen ihrer inneren Uhr zuwider handeln. Das kann zu Schlafstörungen führen. Und es ist schon lange bewiesen, dass Schlaflosigkeit in Zusammenhang steht mit Stimmungsstörungen. Hilfreich ist es in solchen Situationen zu der entsprechenden Zeit ein Nickerchen zu machen, oder besonders helles Licht zu vermeiden.

Und wie sieht es mit dem Schlafen aus?

Nicht nur der gesamte Tages-Rhythmus folgt einer inneren Uhr, sondern auch unsere Schlafphasen haben einen bestimmten Ablauf. Durch die Methode der Polysomnographie ist mittlerweile schon lange bekannt, dass Schlaf nämlich kein einheitlicher Ruhezustand ist, sondern unterschiedliche Phasen hat. Die bekannteste ist hier wohl der REM-Schlaf. REM steht für rapid eye movement und ist nach dem dominanten Merkmal benannt. Aber nicht nur die Bewegung der Augen, sondern auch Herzfrequenz und Atmung unterscheiden sich von Phase zu Phase. Außerdem ist der REM-Schlaf, die Phase, in der man träumt. Während der Nacht durchläuft der Körper diese Phasen des Schlafes mehrmals. Wenn man durch den Wecker aus einer REM-Phase aufgeweckt wird, dann geschieht das häufig mit einem Aufschrecken und die Herzfrequenz steigt. Das liegt an den Eigenschaften der Phase. Das ist auch der Grund dafür, dass empfohlen wird bei einem Nickerchen nicht länger als 20min zu schlafen, damit man nicht in eine REM-Phase eintreten kann, denn das macht das Aufstehen schwerer.

Was hat es dann mit Schlafmangel auf sich?

Schlafprobleme können viele Ursachen haben. Eine durcheinander gebrachte innere Uhr ist eine Möglichkeit. Depressionen, PTSD, Alzheimer, Epilepsie, Schmerzen und Stress können weitere Faktoren sein. Und das sind nur ein paar Möglichkeiten. Bei langanhaltendem Schlafmangel lohnt es sich ein Schlaflabor aufzusuchen und das näher unter die Lupe zu nehmen. Denn Schlafmangel wirkt sich ungut auf den Körper aus. In der Nacht während des Schlafens sollten Wachstumshormone ausgeschüttet werden, die bei der Regeneration helfen und das Immunsystem arbeitet verstärkt. Ohne oder mit nur wenig Schlaf kann diese Funktion nicht erfüllt werden. Außerdem wirkt sich Schlafmangel auch negativ auf die Stimmung aus und ist damit ein möglicher Risikofaktor für psychische Krankheiten.

Kann man denn nicht einfach Melatonin supplementieren?

Tatsächlich gibt es Melatonin Supplemente, die in Europa verschreibungspflichtig angewendet werden können, um Schlafproblemen gegenzusteuern. Dabei gibt es drei Hauptzielgruppen; Menschen über 55 Jahre alt mit Schlafproblemen, Menschen aus dem Autismus Spektrum und Menschen, die unter Jetlag leiden. Grundsätzlich wird das Medikament aber nur verschrieben, wenn andere körperliche oder psychische Ursachen ausgeschlossen werden können, damit man sichergehen kann, dass die Ursachen behandelt werden und nicht nur die Symptome. Typischerweise ist das Medikament recht gut verträglich, aber es gibt dennoch Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Übelkeit, Stimmungsschwankungen und noch einige andere. Darum sollte man die Präparate nicht dauerhaft einnehmen und immer mit seinem Arzt oder Apotheker absprechen.

Was kann man also zusammenfassend sagen?

Die circadiane Uhr ist für den inneren Zeit-Rhythmus zuständig und kann auf einige wichtige Funktionen des Körpers große Wirkung ausüben. So wie beispielsweise auf den Schlaf-Wach Rhythmus. Auf diesen nimmt der Körper durch das Schlafhormon Melatonin Einfluss. Denn dessen Ausschüttung wird durch Tageslicht gehemmt, sodass der Pegel in der Nacht seinen Peak hat und hier zu Müdigkeit führt. Gleichzeitig bringt ein Mensch durch seinen Chronotypen auch eine Veranlagung mit sich, wenn es um das Schlafbedürfnis geht. Deswegen brauchen manche Menschen weniger Schlaf als andere. Und während Schlafprobleme verschiedene Ursachen haben können, so kann doch in einigen Fällen Melatonin als Supplement eine sinnvolle Idee sein.

Bei weiterem Interesse:

Schlaflos durch die Nacht, Parasomnie

Quellen

Klaus Wilhelm. 2018. Metronome, die den Tag regieren. Schlaf-Max Planck Forschung

Catarina Pietschmann. 2016. Wenn das Gehirn auf Stand-by schaltet. Schlaf-Max Planck Forschung

Eunice Kennedy Shriver National Institute of Child Health and Human Development. 2019. What happens
during sleep?. NIH

Russel G. Forster. 2020. Sleep, circadian rhytms and health. Royalsociety Publishing

Michele Ferrara, Luigi de Gennaro. 2001. How much sleep do we need? Harcourt Publishers Ltd

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Leah Wildenmann studiert seit 2021 Biologie in Freiburg. Sie ist noch am Anfang und hat dadurch eine sehr frische und unerfahrene Sicht auf das Thema des Gehirns. In ihrem nächsten Semester hat sie Zusatzfächer rund um Neurobiologie gewählt und freut sich schon ihr Gelerntes mit anderen Interessierten zu teilen. Besonders spannend findet sie, die Möglichkeit Emotionen durch gezielte Stimulation von Nerven auszulösen. Außerdem fände sie es superspannend, sich dem neurobiologischen Teil der Bewusstseinsforschung zu widmen.

4 Kommentare

  1. Nur am Rande ergänzt, hierzu etwa :

    Wenn man also besonders viel in blaues Licht schaut, dann wird dem Gehirn vermittelt es sei Tag. Deswegen ist das Blaulicht des Handys am Abend dem Schlafen abträglich und ein Nachtmodus macht tatsächlich Sinn. [Artikeltext]

    Blaues Licht findet auch Einsatz beim Militär (“Spezialeinheiten”), es soll durch die erfolgte Filterung verschiedene Vorteile haben, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen wird.
    Unvergessen auch dieser Gag :
    -> https://www.youtube.com/watch?v=6awjWyWAYRs
    Der Mensch ist wie auch andere Säugetiere es sind, nicht auf den 24-Stunden-Rhythmus festgelegt, so wird flexibel geblieben.
    Ansonsten stellt sich noch die Frage, warum die Natur anscheinend Schlafphasen für höher entwickelte Primaten vorgesehen hat, diese Frage ist nicht intuitiv oder einfach zu bearbeiten, sie ist in ihrem Wesen anti-intuitiv.
    Soldaten von Spezialeinheiten merkten dem Schreiber dieser Zeilen gegenüber an, dass sie zwar teils beim Marschieren (!) schlafen könnten, dass es aber ein wichtiges Leistungsmerkmal sei in jedem Moment sozusagen voll da zu sein, unabhängig von zuvor erfahrener Schlafmenge.
    MFG – WB

  2. Guter Artikel.
    Was noch fehlt, der Einfluss von Bewegung und Ernährung.
    Eigene Erfahrungen helfen hier weiter. Abends auf Fleisch und Wurst verzichten.
    Mindestens eine Stunde Bewegung jeden Tag. Morgens, wenn man das kann, essen wie ein König, also eine halbe Stunde einplanen, mit Kaffee und Sahnetorte oder bacon, eggs and sausages.
    Und dann kann man die Welt erobern !

  3. Wenn der äußere Dirigent vernünftig, also OHNE … sein dürfte, dann wäre der innere sicher besser auf Schlaf und … konditioniert!? 👊😇👍

  4. Ein Hinweis: Melatonin ist nicht mehr verschreibungspflichtig und hier in Deutschland frei verkäuflich. Es ist sowohl in Apotheken als auch in Drogerien und manchmal in Supermärkten erhältlich.

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