+++ UPDATE +++ AMSAT beobachtet den Hakuto-Absturz

Maßstabsgetreue Darstellung des Bahnverlaufs bei Abstieg und Landung aus einer 100 km hohen Parkbahn um den Mond, Quelle: Michael Khan

In der Diskussion meines letzten Artikels wurde bereits erwähnt, dass Mitglieder der internationalen Amateurfunkerorganisation AMSAT – insbesondere mit einer 20-Meter-Antenne in Bochum – das von der japanischen Mondlandesonde Hakuto-R während ihrerUmkreisung des Monds und des fehlgeschlagenen Landeversuchs gesendete Funksignal empfangen und analysiert haben. Diese Beobachtungen und die gewonnenen Ergebnisse wurden am 15. Mai 2023 in Form eines Online-Artikels veröffentlicht. +++ UPDATE: Die NASA-Mission LRO hat das Gebiet des Hakuto-R-Aufschlags fotografiert und dabei frische Veränderungen festgestellt (Link).

Die wesentlichen Ergebnisse der Auswertung der Messungen am 25. April sind wie folgt:

  • Um 16:08:09 UTC endet die Okkultation durch den Mond; das Signal der Sonde wird in Bochum empfangen
  • Um 16:28:15 UTC beginnt das Landemanöver, erkennbar an der Änderung der empfangenen Frequenz. Die Abbremsung durch das laufende Triebwerk verrändert die Komponente der Relativgeschwindigkeit längs der Sichtlinie von Bochum zu Hakuto-R. Wegen des Dopplereffekts ergibt sich daraus eine scheinbare Frequenzänderung
  • Der Fortgang des Manövers und die Abbremsung der Sonde inklusive einer Änderung der Ausrichtung der Sonde kann bis 16:43:41 UTC beobachtet werden. Vom Betreiber der Sonde war zuvor 16:40 UTC als Zeitpunkt des erwarteten Aufsetzens genannt worden, jedoch ist nicht bekannt we exakt diese Vorhersage ist
  • Ab 16:43:41 UTC nimmt die Geschwindigkeit wieder zu, was darauf schließen lässt, dass zu diesem Zeitpunkt dem Triebwerk der Treibstoff ausgegangen ist
  • Der (vermutlich freie) Fall der Sonde wird 88 Sekunden lang bis 16:45:09 UTC registriert – dann reißt das Signal ab 

Diese Aussagen sind mit meiner in einem Blog-Artikel vom 29. April geäußerten Vermutung konsistent, es könnte ein Problem bei der Ausführung des ersten Manövers etwa eine Stunde vor der geplanten Landung ein Problem aufgetreten sein. Dieses Manöver um ca. 15:40 wird auch in der Pressemitteilung der Firma iSpace erwähnt. Es muss während der Okkultation stattgefunden haben, also noch ohne Funkkontakt zur Erde. 

Sollte dieses Manover aus irgendeinem Grund zu klein ausgefallen sein, dann wäre das Periselenium zu hoch. Aus dieser Bahn wäre keine sichere Landung möglich gewesen. Die Dauer des beobacherten Freifals von 88 Sekunden lässt darauf schließen, dass das Triebwerk mindestens bei einer Höhe von 6.3 km über der Mondoberfläche erlosch. Möglicherweise noch höher, falls es da noch eine senkrechte Restgeschwindigkeit gegeben hat. 

Die Sonde muss, wenn sie aus dieser Höhe abstürzte, mit mehr als 500 km/h auf dem Mondboden aufgeschlagen sein. Es ist ausgeschlossen, dass irgendein Bauteil einen solchen Aufprall überlebt haben könnte. 

In dem Artikel von AMSAT stehen allerdings auch einige Dinge, die offensichtlich falsch sind. Zum einen scheint dort davon ausgegangen zu werden, dass die Bahn bis zum Beginn des Landemanövers 100 km hoch war. Davon ist aber nicht auszugehen, wie ich in meinem vorherigen Artikel dargelegt habe. Wie  schon gesagt erwähnt auch iSpace das erste Manöver um 15:40, etwa eine Stunde vor der Landung, das die Landesequenz einleitet. 

Auch der im AMSAT-Artikel genannte delta-v-Wert von “1634 m/s” ist falsch. Das ist nur der Wert der Bahngeschwindigkeit im kreisförmigen 100-km-Orbit. Ein realistischer Wert für das delta-v liegt bei mindestens 1850 m/s, wenn man Gravitationsverluste und die kontrollierte Schubverminderung gegen Ende des Landevorgangs berücksichtigt. 

Ganz und gar unverständlich erscheint mir der letzte Satz im AMSAT-Artikel:

“Wir gehen davon aus, dass das Missionsmanagement wusste, dass der verbleibende Treibstoff für eine sanfte Landung nicht ausreicht und sich darauf vorbereitet hat.”

Ich habe wirklich keine Ahnung, was damit gemeint sein könnte. 

Aber eigentlich ist es nebensächlich, wie vertraut man bei AMSAT mit der Berechnung von Abstiegsbahnen bei Mondlandungen ist. Wesentlich ist vielmehr, dass man in Bochum das Signal von Hakuto-R bis nach 16:45 UTC empfangen hat und dass man aus den Messungen auf eine ausgedehnte Phase des freien Falls schließen kann, also auf einen Absturz aus großer Höhe. 

 

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

3 Kommentare

  1. Off-Topic
    Diese 20-m Antenne in Bochum ist die Ursache für meine Gewissheit, dass die Amerikaner auf dem Mond gelandet sind.
    Mein Vater hat es bei der Apollo 14-Mission irgendwie geschafft, mich dort einzuschleusen. Wir konnten damals die Video- und Audio-Signale vom Mond empfangen. Nur den Mond-Teil der Unterhaltungen, den Houston-Teil nicht, da die Antenne nur die Signale vom Mond empfangen hat.
    Für den damals 10-jährigen ein Erlebniss, das ich in diesem Leben nicht mehr vergessen werde.

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