Physik ohne spukhafte Fernwirkung

BLOG: Quantenwelt

Gedanken eines Experimentalphysikers
Quantenwelt

Spukhafte Fernwirkung (“spooky action at a distance”) war Albert Einstein bekanntlich suspekt. Er war von dem Prinzip der Lokalität überzeugt. Auch heute gilt Lokalität noch als ein Qualitätsmerkmal für gute Theorien. Deshalb lehnen viele Wissenschaftler, wie schon Einstein, die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik ab.

Tatsächlich folgen alle klassischen Theorien der Lehrmeinung, dass physikalische Wechselwirkungen stets lokal sind, dass es also keine unmittelbare Fernwirkung gibt. Kraftfelder vermitteln alle Wirkungen zwischen voneinander entfernten Objekten. Diese Kraftfelder dehnen sich zwischen den Objekten und darüber hinaus aus. Ob ein Objekt beschleunigt wird oder sonst irgendwie reagiert, lässt sich stets durch Betrachtung der Verhältnisse am aktuellen Ort des Objektes ermitteln.

Licht an mit Geduld

Stellen Sie sich vor, Sie drücken einen Schalter und das Licht geht an. Sie werden annehmen, dass vom Schalter ein Signal ausgeht, das wenig später die Lampe zum Leuchten bringt. Tatsächlich wissen wir, dass das der Fall ist: Der Schalter schließt zwei Kontakte kurz, zwischen denen 230 Volt Spannung anliegt. Dadurch beginnt lokal ein Wechselstrom zu fließen, der sich schnell über die ganze Leitung ausbreitet. In der Konsequenz werden die 230 Volt nach einer Einschwingphase an dem Leuchtmittel anliegen. Das Licht geht an.

Dieses Prinzip zieht sich durch alle Aspekte der Physik: Eine Aktion an einem Ort kann erst eine Reaktion an einem anderen Ort hervorbringen, wenn ein Signal vom Aktionsort zum Reaktionsort gelaufen ist. Die Geschwindigkeit von Signalen ist endlich, es braucht Zeit den Raum zu durchqueren.

Tatsächlich wäre eine Theorie, die das Prinzip der Lokalität verletzt, aber nicht grundsätzlich unlogisch. Sehen wir uns mal ein paar Theoriegebäude unter diesem Aspekt an:

Geschwindigkeiten der Kräfte

In der Elektrodynamik wird die Anziehung geladener Körper über elektrische und magnetische Kräfte beschrieben. Ein geladener Körper, der sich in einem elektrischen Feld befindet, wird in Richtung der örtlichen Feldstärke beschleunigt. Ein geladener Körper, der sich in einem Magnetfeld bewegt, wird im Allgemeinen von seiner Bahn abgelenkt. Ein ruhender geladener Körper ist Quelle eines statischen elektrischen Feldes. Ein bewegter geladener Körper ist Quelle eines dynamischen elektromagnetischen Feldes.

Aus den Feldgleichungen des elektromagnetischen Feldes wissen wir genau, wie sich seine Änderungen im Raum ausbreiten. Jede elektromagnetische Feldänderung breitet sich im Vakuum mit Lichtgeschwindigkeit aus. In Materie etwas langsamer.

Das zweite klassische Kraftfeld ist das Schwerefeld, die Gravitation. Gravitation ist die gegenseitige Anziehung aller Körper, die Schwere haben. Sie ist schon länger bekannt als die elektromagnetischen Kräfte. Es war aber klassisch nicht klar, wie schnell sich eine Änderung des Schwerefeldes ausbreitet.

Ein schönes Gedankenexperiment hierzu ist die Frage, was passieren würde, denn die Sonne von einem Augenblick zum anderen plötzlich verschwinden würde. Das hätte auf die Erde zwei Auswirkungen: Erstens würde es hier kalt und dunkel werden. Zweitens würde der Planet Erde tangential seine Bahn verlassen und in den interstellaren Raum fallen.

Dunkel würde es, wie wir aus der Elektrodynamik wissen, erst acht Minuten nachdem die Sonne weg ist. Aber wie lange dauert es, bis auch das Gravitationfeld an der Erde zusammengebrochen ist? Die Antwort gibt erst eine moderne Theorie: Nach der allgemeinen Relativitätstheorie wird auch das Gravitationsfeld nur lokal am Ort der Sonne beeinflusst. Von dort transportiert es die Wirkung mit maximal Lichtgeschwindigkeit zur Erde, wo sie also auch erst mit 8 Minuten Verspätung eintritt.

Jetzt müsste ich mit meiner Aufzählung bei den Kernkräften weitermachen, aber die sind mit ihren kurzen Reichweiten für die allermeisten Vorgänge ohnehin als lokale Wechselwirkungen anzunehmen.

Die Quantenmechanik bricht das Prinzip

Spannend wird es, wenn wir die klassischen Feldtheorien verlassen und uns mit der Quantenmechanik befassen.1 Die Quantenmechanik beinhaltet ein nicht-lokales Phänomen.

Ich habe dieses Phänomen 2011 in meinem Artikel “Wellenfunktionen und EPR Paradoxon: Wir sind überall” beschrieben. Messungen an Objekten, die durch eine gemeinsame, nicht trennbare Wellenfunktion2 beschrieben werden müssen, beeinflussen einander direkt. Unabhängig von ihrer zeitlichen oder räumlichen Entfernung.

Es lassen sich zum Beispiel Photonen-Paare herstellen, deren Wellenfunktionen so miteinander verschränkt sind, dass eine Messung an einem der Photonen direkt von der Messung am anderen abhängt. Selbst wenn die beiden Photonen so weit voneinander entfernt sind, dass kein Signal mit Lichtgeschwindigkeit von einem zum anderen gelangen kann.

Kein Problem aber viele Fragen

Logisch stellt dieses Verhalten kein Problem dar. Aber es wirft Fragen auf. Die Vorstellung, dass eine Messung an einem Ort unmittelbar Einfluss auf eine Messung an einem anderen Ort hat, ist zumindest gewöhnungsbedürftig.

Wenn wir die Wellenfunktion als reale Entität annehmen, könne ein realer Zerfall der Wellenfunktion die Lösung sein. Aber solch ein Zerfall sollte doch auch zuerst am Ort der ersten Messung auftreten und sich dann mit irgendeiner Geschwindigkeit fortpflanzen. Und was wäre dann, wenn beide Messungen gleichzeitig stattfinden? Dann müsste von jeder Messung ein Zerfall ausgehen und die Zerfallswellen würden in der Mitte aufeinander treffen. Wie stellt die Natur dann sicher, dass das Ergebnis konsistent ist?

…und mit der Relativität?

Bisher zeigen Experimente keinen Hinweis auf eine begrenzte Geschwindigkeit, mit der die Korrelation übertragen wird. Wir müssen also annehmen, dass eine Messung tatsächlich instantan die andere Messung beeinflusst.

Nehmen wir nun die Erkenntnisse der Relativitätstheorie hinzu, wird das ein Problem. Zwei Ereignisse, die so kurz hintereinander an verschiedenen Orten geschehen, dass Licht nicht von einem zum anderen gelangen kann, heißen raumartig getrennt. Für solche Ereignisse ist die zeitliche Reihenfolge vom Bezugssystem abhängig. Es ist also nicht definiert welche Messung zuerst stattfindet. Welche Messung also die beeinflussende und welche die beeinflusste ist.

So unbefriedigend diese Form fehlender Lokalität und unklarer Ursache-Wirkungs-Beziehung ist: Logisch bereitet sie keine Probleme. Die Korrelationen der Quantenmechanik sind nämlich streng symmetrisch. Es ist unerheblich, welche Messung zuerst stattfindet. Die Korrelation ist eine mathematische Wenn-Dann-Beziehung, keine kausale.

Außerdem beeinflusst die Messung an einem Ort lediglich die Wahrscheinlichkeiten für Messergebnisse am anderen Ort. Solche bedingten Wahrscheinlichkeiten sind der einzelnen Messung nicht zu entnehmen. Sie kristallisieren sich erst bei der nachträglichen Datenanalyse heraus. Deshalb erlaubt der instantane Zusammenbruch der Wellenfunktion keinen unmittelbaren Datentransfer. Es wird keine Information transformiert. Nur Korrelation. Und die Ursache der Korrelation liegt stets in der Vergangenheit, dort wo die Verschränkung erzeugt wurde.

Tachyonen

Zusammengefasst: Es gibt kein bekanntes physikalisches Phänomen, das eine Wirkung instantan an einem entfernten Ort entfalten würde. Gäbe es solch eine Fernwirkung, hätten wir Probleme mit der Relativitätstheorie, in der Gleichzeitigkeit relativ ist.

Entweder würde solch eine Fernwirkung nur in einem ausgezeichneten Referenzsystem instantan erfolgen. Das würde die Symmetrie der speziellen Relativitätstheorie brechen und wir müssten der Lorentzschen Äthertheorie eine neue Chance geben. Das wäre immerhin mal neue Physik.

Oder die Fernwirkung würde abhängig vom Bewegungszustand des Verursachers in relativer Gleichzeitigkeit erfolgen. Dann könnte man über eine Relais-Station Signale in die Vergangenheit schicken. Dass wir bisher keine Nachrichten aus der Zukunft bekommen haben, ist ein Zeichen dafür, dass solch eine Fernwirkung nicht so bald gefunden werden wird.

Anmerkungen:
1. Hätte ich näheres zu den Kernkräften schreiben wollen, wäre das bereits geschehen. Die elektroschwache Theorie ist relativistische Quantenmechanik.
2. Das Fachwort für solche Zustände ist Verschränkung. Es handelt sich um eine verschränkte Wellenfunktion.
Avatar-Foto

Veröffentlicht von

www.quantenwelt.de/

Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

62 Kommentare

  1. Gut erklärt, gut motiviert warum wir Lokalität erwarten und warum die “spukhafte Fernwirkung” das Lokalitätsprinzip nur scheinbar verletzt.

    Noch ein kleiner Einwand. Die Aussage (Zitat von oben) Deshalb [wegen der Fernwirkung] lehnen viele Wissenschaftler, wie schon Einstein, die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik ab.

    Da könnte der Leser auf die Idee kommen, eine andere Deutung der Quantenmechanik habe kein Problem mit der “spukhaften Fernwirkung”. Eine solche andere Deutung wäre etwa Everetts Many Worlds-Deutung der Quantenmechanik. Doch soviel ich weiss erklärt die Many Worlds-Deutung der Quantenmechanik die Korrelation der Messung an zwei verschränkten Objekten genau so wenig wie die Kopenhager Deutung.

    Tatsächlich geht der Text später detailliert darauf ein und erklärt, dass auch die Annahme, die Wellenfunktion sei etwas Reales nicht weiterhilft (Zitat): Wenn wir die Wellenfunktion als reale Entität annehmen, könne ein realer Zerfall der Wellenfunktion die Lösung sein. Aber solch ein Zerfall sollte doch auch zuerst am Ort der ersten Messung auftreten und sich dann mit irgendeiner Geschwindigkeit fortpflanzen.

    Tatsächlich hilft die Annahme, die Wellenfunktion sei etwas Reales anstatt nur ein mathematisches Beschreibungsmittel (welches etwas beschreibt was mit unserem Wissen/Nichtwissen und mit Wahrscheinlichkeiten zu tun hat) gar nicht weiter. Weder in Bezug auf die Erklärung von Verschränkungsphänomen noch sonst irgendwie.

    Vielmehr ist die Annahme, die Wellenfunktion beschreibe keine Realität, sondern eher ein Wissen und eine Logik viel besser gestützt durch das was man beobachtet und misst. In gewissem Sinne entspricht das, was wir Logik nennen, dem was wir in der Physik Erhaltungssätze nennen. Genauso wie Logik immer gilt, gelten Erhaltungssätze immer. Wenn wir bei zwei Teilchen mit verschränktem Spin bei einem Teilchen den Spin messen, kennen wir auch den Spin des anderen Teilchens – das wird durch die Erhaltungssätze erzwungen.

  2. Von “verschränkten Photonen” habe ich schon öfter gelesen, aber nicht mal ansatzweise eine Ahnung, wie das gehen soll. Immer wenn davon die rede ist, wird die Existenz dieses Photonenpaars einfach vorausgesetzt.
    Können Sie mir Laien-verständlich erklären, wie verschränkte Photonen entstehen? Oder gar sich “herstellen lassen”, wie sie schreiben?
    Kann ein Physiker z.B. aktiv entscheiden: dieses Photon auf der Erde verschränke ich jetzt mit einem auf dem Jupiter (und das auch umsetzen, oder besteht zumindest die theoretische Möglichkeit)?
    (Ja, schon klar: ist sicher aufwändig und kompliziert. Aber neugierig bin ich schon …)
    Danke und viele Grüße!

    • Hallo Frederike,
      ich glaube nicht, dass es möglich ist, ein Photon, dass sich auf der Erde befindet, mit einem Photon auf dem Jupiter zu verschränken. Ich denke, dass zwei miteinander verschränkte Quantenobjekte einen gemeinsamen örtlichen Ursprung haben müssen. Wenn man z.B. ein energiereiches Photon in einen nichtlinearen optischen Kristall schickt, dann entstehen unter bestimmten Bedingungen zwei Photonen mit jeweils halber Energie, die dann jedoch miteinander verschränkt sind. Lass Dir das vielleicht von einem Physiker im Detail erklären. Ich selber bin Chemiker und habe dies mal gelesen.
      Gruss Michael

  3. “Ein geladener Körper, der sich in einem Magnetfeld bewegt, wird im Allgemeinen von seiner Bahn abgelenkt.”

    Die Quantenmechanik macht da wieder eine Ausnahme. Beim Aharonov-Bohm-Effekt werden Elektronenstrahlen von einem Magnetfeld beeinflusst, das sich an einem anderen Ort befindet.

  4. Wirklich gut gesetzte Textabschnitte findet man in diesem Beitrag, wie etwa: Deshalb erlaubt der instantane Zusammenbruch der Wellenfunktion keinen unmittelbaren Datentransfer. Es wird keine Information transformiert. Nur Korrelation. Und die Ursache der Korrelation liegt stets in der Vergangenheit, dort wo die Verschränkung erzeugt wurde.

    In meinen Augen gibt es begrifflich noch eine hier nicht erwähnte Lösung des Problems der „spukhaften Fernwirkung“. Die Lösung besteht darin, dass man in Frage stellt, dass zwei verschränkte Teilchen in jeder Hinsicht fern voneinander sind. Es scheint doch, dass die räumliche Trennung der beiden verschränkten Teilchen die Teilchen doch nicht vollkommen voneinander trennt. In Bezug auf das was verschränkt ist, sind die Teilchen nah beieinander und nicht fern auseinander.

  5. Diese Formulierung gefällt mir nicht:
    Wir müssen also annehmen, dass eine Messung tatsächlich instantan die andere Messung beeinflusst.
    Wir könnten annehmen, dass eine Messung instantan die andere Messung beeinflusst – tut sie aber nicht:
    … und dann weiter im Text … wenn eine Messung gemessen wurde, steht die andere fest.

    • Sind Sie jetzt auch unter die Alternativphysiker gegangen, Herr Senf?
      Die Experimentelle Lage ist dazu ziemlich eindeutig. Nahezu alle Versuche verletzten die Bellschen Ungleichungen und zeigen, so dass eine direkte Beeinflussung einer Messung durch die andere vorliegt.

  6. @Karl Bednarik

    Zusatzantwort:
    Auf der QuantumLab-Seite steht das unter „Literatur“ (in der linken Spalte unter Weiteres).

  7. Was ich nie verstanden habe: Wenn zwei Photonen verschränkt werden, woher weiß man, daß beide instantan reagieren, wenn das eine Photon hier ist, das andere Lichtjahre entfernt. Das kann man doch gar nicht überprüfen. Zeilinger verschränkte mal Photonen mit solchen von fernen Quarsaren. Es ist doch egal, von wo das Licht kommt, wenn es verschränkt wird, findet das hier und jetzt statt.

  8. Guter Artikel, aber was m.E. schockierend ist, dass nach c. 100 Jahren immer noch keine “physikalische Erklärung” für dieses Phänomen vorhanden ist und die derzeitigen Physiker damit mehr oder weniger zufrieden sind (“shut up and calculate”). Solange man rechnen kann und die Ergebnisse mit der Empirie übereinstimmen scheint alles in Ordnung zu sein (was ein typisches amerikanisches, an der Praxies und Erfolg orientiertes, Vorgehen ist). Nur Physik ist mit Verlaub nicht Logik oder Mathematik (auch ein Einhorn ist logisch möglich).
    Auch wenn die Relativitätstheorie nicht verletzt wird scheint sich nach einer Messung an einem Objekt “etwas” (der Autor nennt es ‘lokale Wahrscheinlichkeiten’) instantan am anderen Objekt zu ändern. Man darf dies ruhig kausal und eine Verletzung der Lichtgeschwindigkeit als Ausbreitungs-Obergrenze nennen auch wenn man es informationstechnisch nicht ausnutzen kann! Und hier hilft uns der mathematische Formalismus (Korrelation) der Quantenmechanik oder Logik nicht weiter da er auf keine lokalen Entitäten oder Raumbereiche referiert, eher wird das verschränkte System als ein holistisches (außer Raum und Zeit befindliches) System behandelt. Was fehlt ist eine neue Art von Ontologie! Hier fehlt der Mut zu neuen Theorien. Es fehlt insb. der kritische Hinweis der gestandenen Physiker an ihre Studenten, dass hier etwas im argen liegt und einer Lösung bedarf.

    Nun werden diejenigen kommen die meinen, dies sei nicht die Aufgabe der Physik. Ich meine aber schon, da wie gesagt, eine physikalische Interpretation notwendig ist, es sei denn man hat es als heutiger Physiker aufgegeben die Welt erklären oder verstehen zu wollen und ist zufrieden damit erfolgreich rechnen und Produkte bauen zu können.

  9. Das bringt mich zu einer anderen Art der “spukhaften Fernwirkung”, die ebenso das Prinzip der Lokalität und der lichtschnellen Ausbreitung brechen würde. Ich hoffe, es ist diesmal nicht ganz offtopic.

    Es wurde bei der Allgemeinen Relativitätstheorie bereits von Anfang an angenommen, dass Elektromagnetismus und Gravitation sich gleichschnell ausdehnen. Einige moderne Hypothesen der “Modifizierten Gravitation” sahen dies aber anders; dort wäre die Gravitation schneller.

    Durch die Beobachtung des Gravitationswellen- und Strahlungssignals der Verschmelzung zweier Neutronensterne wurde aber Einstein bestätigt.

    Nun ist ein beliebter Fehler bei Laien, dass sie annehmen, dass ein schwarzes Loch seine Gravitation verschluckt, wie es Licht verschluckt, und sich deshalb selbst verschwinden lässt. Nur ist aber die Aussage der ART eindeutig, dass die Stärke des Gravitationsfelds nur von der Masse abhängt, und nicht davon, wie tief sie im Gravitationsfeld steckt – Abweichungen davon hätte man auch längst gemessen.

    Die Parallele ist vielmehr, dass nicht das Feld durch zunehmende bis unendliche Rotverschiebung geschwächt wird, sondern die Änderung dieses Feldes. Das bedeutet dann aber auch, dass Materie innerhalb des Ereignishorizonts das im Außenraum wirkende Gravitationsfeld nicht mehr ändern kann.

    (Sie hat es aber vorher getan, als sie gewissermaßen einen früheren “Zeitstempel” hatte – meines Erachtens würde dieser “Zeitstempel” die Zeit kurz vor Überschreiten des Ereignishorizonts anzeigen)

    Der Typus der “spukhaften Fernwirkung”, von dem man oft hört, den es aber meiner Meinung nach gar nicht geben kann, wäre, dass die Gravitation eines schwarzen Lochs von seiner Singularität ausgeht. Diese kann aber den Außenraum gar nicht mehr lokal-lichtschnell beeinflussen.

    Vielleicht ist die Feldstärke leichter zu berechnen, wenn man annimmt, die gesamte Masse befinde sich an einem Punkt, aber es ist keine relativistische Idee mehr.

    Ich denke, ein ähnliches Phänomen hat man bei rotierenden schwarzen Löchern, wo das frame-dragging (Thirring-Lense) meiner Ansicht nach ebenso von bestehenden rotierenden Feld verursacht wird, aber nicht von der “spukhaften Fernwirkung” einer rotierenden Ringsingularität tief im Innern des schwarzen Lochs.

  10. Zeilinger verstellte nur die Messeinrichtungen nach dem Zufallssignal aus den fernen Quasaren.
    Wenn zwei verschränkte Photonen in der Mitte der Versuchsanordnung erzeugt werden, und in entgegengesetzten Richtungen auseinanderfliegen gelassen werden, dann treffen sie bei sehr weit und gleich weit entfernten Messeinrichtungen gleichzeitig ein.
    Wenn man nun die Messeinrichtungen während der Flugzeit der Photonen rein zufällig verstellt, dann verhalten sich beide Photonen dennoch immer gleich.
    Dazu müssten die Photonen mit doppelter Lichtgeschwindigkeit Informationen austauschen.
    Wenn die Photonen von Anfang an gemeinsame verborgene Eigenschaften hätten, dann würden die Messergebnisse statistisch anders aussehen.
    Zum Beispiel würden sie bei 50 % Durchgangswahrscheinlichkeit durch ein Polarisationsfilter auch mal abwechselnd hindurch gehen.
    Von den beiden Messergebnissen kann der Physiker in der Mitte der Versuchsanordnung aber nur nach der Verzögerung der Nachrichten durch die Lichtgeschwindigkeit erfahren.

  11. @MG (Zitat): schockierend ist, dass nach c. 100 Jahren immer noch keine “physikalische Erklärung” für dieses Phänomen vorhanden ist
    Es gibt spekulative Erklärungen. Die bekannteste ist wohl
    ER=EPR ( https://en.m.wikipedia.org/wiki/ER%3DEPR ), übersetzt „Einstein-Rosen-Bridge == Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon“ oder umgangssprachlich: Die Verschränkung von zwei Teilchen wird über ein Wurmloch ermöglicht – ein Wurmloch wie es mit der Allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben werden kann. Mit anderen Worten: 2 verschränkte Teilchen sind raum-zeitlich über ein Wurmloch direkt miteinander verbunden, weshalb sie in Bezug auf das was verschränkt ist, am gleichen Ort sind.
    Die Hypothese ER=EPR wurde von Susskind und Maldacena 2013 aufgestellt und war inzwischen auch schon Thema eines Spektrum der Wissenschaft Heftes.
    Wichtig: eine Verallgemeinerung dieser Vermutung führt zur These, dass Raumzeit und Gravitation Verschränkungsphänomene sind. In der Wikipedia liest man dazu:

    Die Autoren trieben diese Vermutung noch weiter voran, indem sie behaupteten, dass jedes verwickelte Paar von Partikeln – selbst Partikel, die normalerweise nicht als schwarze Löcher betrachtet werden, und Paare von Partikeln mit unterschiedlichen Massen oder Spin oder mit Ladungen, die nicht gegensätzlich sind – durch Planck-Skala-Wurmlöcher verbunden sind.

    Die Vermutung führt zu einer größeren Vermutung, dass die Geometrie von Raum, Zeit und Schwerkraft durch Verschränkung bestimmt wird.

  12. Ich hätte eine Frage an die Physiker zu nachstehendem Gedankenexperiment.

    Statt 2 verschränkter Photonen schickt man 2 elektronische Schaltungen „auf die Reise“ durch den Weltraum und nach einer bestimmten Zeit „landen“ beide Schaltungen am Labortisch des Experimentators und der Status wird gleichzeitig abgefragt.

    Ich würde behaupten, der Experimentator kennt den elektrischen Status seiner Schaltungen (in Abhängig von der Zeit) im Voraus und der ist weitestgehend determiniert.

    Die Schaltungen wären 2 extrem genau gesteuerte, am Beginn synchronisierte Oszillatoren, die jeweils ununterbrochen einen elektronischen Zähler z.B. von 0… 1024 (=2^10) zählen lassen. Der Zählerstand wäre das Kriterium.

    Es wäre (in der Elektronik) völlig selbstverständlich, dass die beiden (bestens gegen jeglichen äußeren Einfluss geschirmten) Schaltungen „synchron“ laufen, ohne dass eine Schaltung nachträglich mit der anderen „kommuniziert“.
    Sie verhalten sich gemäß ihres aufgezwungenen „Programms“, dies wäre völlig naheliegend.
    Die Messung hätte normalerweise so gut wie keinen Einfluss wenn sie „elektrisch korrekt“ durchgeführt wird.

    Verschränkten Teilchen könnte einfach die gleiche Dynamik aufgezwungen werden und sie verhalten sich deswegen weitestgehend gleich. Dass sie auf Messungen empfindlich reagieren ist für Elektroniker nachvollziehbar.

    Warum sind diese Möglichkeiten nicht übertragbar?

    Wo steckt allenfalls der Denkfehler?

  13. @Martin,
    .
    super, ich wollte das eben auch schreiben, der Artikel liegt bei mir im Bad, dort stapeln sich einige SdW-Hefte. Was ich mich schon etwas länger frage ist, ob der Raum selber nicht auch nur Energie ist. Die Materie ist äquivalent zur Energie, mache sagen, es sei “gefrorene” Energie. Momentan trennt man Raum und Energie und behandelt es als zwei unterschiedliche Dinge, ich könnte mir vorstellen, dass beides nur Facetten sind.
    .
    Der Raum selber hat ja Eigenschaften, eventuell gibt es nur Energie, die sich als Raum, Raum mit mehr und Raum mit Materie zeigt.
    .
    Aber gut, gehört hier nicht zum Thema, man möge mir verzeihen.

  14. @Martin Holzherr

    Ich glaube schon aus einem Grund nicht, dass die Wellenfunktion eine bloße Rechengröße ist: Von einer bloßen Rechengröße würde ich keinerlei praktische Auswirkungen erwarten, etwa Beugungsmuster, wie sie DAVISSON und GERNER in den 1930er Jahren gefunden haben.

    Ich glaube nicht, dass z.B. Elektronen eigentlich schon an jeweils einer bestimmten Stelle befindliche und einen bestimmten Impuls habende ,,Dinger” seien, nur dass nicht beides gleichzeitig bekannt wäre. Es sind überhaupt keine ,,Dinger” und nur deshalb auch ununterscheidbar.

    Ich halte Elektronen für elementare Anregungen eines Elektronen-Feldes, ebenso wie Photonen elementare Anregungen eines elektromagnetischen Feldes sind. Ein Photon fliegt m.E. nicht wie Zini (kennt das noch jemand? ) auf einer arttypisch wuseligen Art auf ein Detektorfeld zu und schlägt irgendwo ein, sondern dem Feld wird sozusagen durch eine der Detektorzellen ein Photon entnommen.

  15. @Joachim

    Ich glaube nicht, dass Herr Senf unter die Alternativ-Physiker gegangen ist. Seine Formulierung…

    Wir könnten annehmen, dass eine Messung instantan die andere Messung beeinflusst – tut sie aber nicht

    …lässt sich auch dahingehend auslegen, dass sich zwei raumartig getrennte Messungen nicht in einem kausalen Sinne beeinflussen. Wenn eine Variable antikorreliert bzw. negativ korreliert ist wie ein Spin bei einem System aus zwei Fermionen mit Gesamtspin 0, können halt nicht zwei Spinmessungen in derselben Richtung dasselbe Ergebnis liefern. Das sieht natürlich danach aus, als müsse die Messung an einem Teilchen quasi kausal auf das ,,Partner-Teilchen” einwirken, aber wir haben es immer noch mit einer Wellenfunktion zu tun, auch wenn sie sich über einen riesigen Raum erstreckt und dazwischen fast gleich 0 ist.

    Es gibt ja auch diese Delayed-Choice-Quantum-Eraser-Versuche, wo man den Eindruck bekommt, eine Messung könnte zuweilen das Ergebnis einer Messung beeinflussen, die früher passiert ist als sie selbst.

    Ich stelle mir das Ganze aber nicht als zwei unabhängige ,,Dinge” vor, sondern glaube an ein zusammenhängendes Feld mit zwei elementaren Anregungen, die auch einen gemeinsamen Zustand (z.B. Gesamtspin 0) haben und auf Messungen so reagieren müssen, dass der auch herauskommen wird.

  16. Wenn man die Messeinrichtungen während der Flugzeit der Photonen verstellen will, dann benötigt man etwas, das die Polarisation der Photonen sehr schnell verdrehen kann.
    Vermutlich verwendet man Kerr-Zellen, die vermutlich mit Nitrobenzol gefüllt sind, denn Flüssigkristalle sind vermutlich zu langsam.
    Als symmetrische polarisierende Strahlteiler oder Polwürfel kann man vermutlich Nicolsche Prismen verwenden, die vermutlich aus Kalkspat bestehen.
    Sind meine Vermutungen richtig?
    (Ohne die Kenntnis der Materialien weiß man ja nicht, was wirklich gemacht wurde.)

  17. @Krüger: guter Denkansatz

    Der Raum entsteht erst durch die Ausbreitung des Universums (und dem was darin enthalten ist).

  18. @Jens Philip Höhmann (Zitat):Ich halte Elektronen für elementare Anregungen eines Elektronen-Feldes, ebenso wie Photonen elementare Anregungen eines elektromagnetischen Feldes sind.
    Nur beschreibt die Wellenfunktion meines Wissens kein Elektronenfeld und kein elektromagnetisches Feld. Vielmehr hat die Wellenfunktion enge Beziehungen zu einer wahrscheinlichkeitstheoretischen Beschreibung. Zitat Wikipedia: “Ihr Betragsquadrat bestimmt die Wahrscheinlichkeitsdichte für den Ort beziehungsweise den Impuls des Teilchens. “
    Es ist auch nicht so, dass man folgendes folgern kann (Zitat ihre Aussage):“dass z.B. Elektronen eigentlich schon an jeweils einer bestimmten Stelle befindliche und einen bestimmten Impuls habende ,,Dinger” seien,
    Vielmehr gilt, dass das, was die Wellenfunktion beschreibt nicht die Realität ist, die wir kennen. Mit andern Worten, Quantenrealität ist nicht etwa dass es etwa verschmierte oder fixe Lokalisationen der involvierten Objekte gibt. Vielmehr gibt es gar keine Quantenrealität, sondern nur wahrscheinlichkeistheoretische Beschreibungen. Dinge wie Felder oder Teilchen entstehen erst durch Interaktionen und sind nicht von vornherein existent.

  19. “Raum entsteht” ist doch ein Skalierungsproblem.
    Wenn in einem Luftballon keine Luft ist, isser auch da oder isser nicht da? Das “unser” Raum und “unsere” Zeit erst seit dem Urknall existieren, mag man so interpretieren, das löst nicht das Urknallproblem.

  20. @Jens Philip Höhmann: Mir scheint, die Wellenfunktion liefert die Grundlage für Messerwartungen. Über die darunterliegende “Realität” sagt sie nichts aus.
    Auch die Felder der Quantenfeldtheorie sind nicht unbedingt reale physikalische Felder, sondern theoretische Konstrukte, die aber zu Erwartungswerten für Messungen führen.

  21. @Martin Holzherr

    Das Betragsquadrat der Wellenfunktion etwas über die Wahrscheinlichkeitsdichte für die Ergebnisse von Orts- oder Impulsmessungen.

    Das ist alles, was wir wissen. Der Rest ist Deutung, Interpretation und damit eigentlich nicht mehr Physik, sondern Naturphilosophie.

    Und da vertreten unterschiedliche Menschen unterschiedliche Positionen, die mehr oder weniger plausibel sind, und da mache ich keine Ausnahme.

    Es gibt Leute, die glauben, dass eigentliche Elektron sei eine Punktlandung (damit natürlich auch -masse und müsste laut SCHWARZSCHILD eigentlich ein Schwarzes Loch sein), das von einer Führungswelle herumbugsiert wird.

    Ich kann das beim besten Willen nicht widerlegen, finde es aber nicht überzeugend. Andererseits wird das Wort ‘Feld’ (‘KLEIN-GORDON-Feld’, ‘DIRAC-Feld’) durchaus gebräuchlich in der Literatur, z.B. bei Walter GREINER. In diesem Sinne beschreibt die Wellenfunktion genau das, die Anregung eines Feldes.

    Bei Photonen ist das noch klarer: Die makroskopische elektromagnetische Welle ist ein Wechselfeld, bestehend aus den Photonen als Energieportionen.

    Stellt man sich so ein Wechselfeld ,,eingesperrt” vor, als stehende Welle einer bestimmten Länge und damit Frequenz, lässt sie sich als Harmonischer Oszillator mit z.B. der Elektrischen Feldstärke als Auslenkung beschreiben. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten für Zustände, die sich aus Energie – Eigenzuständen entwickeln lassen.

    Für einen elektromagnetischen HO bestimmter Frequenz ist aber Energie und Teilchenzahl dasselbe. ,,Das einzelne” Photon ist in dieser Situation definitiv kein ,,Ding”, sondern eben eine den gesamten Hohlraum erfüllende Energieportion, die die Wand (genauer, eines der Atome, aus denen die Wand besteht) entnehmen oder hinzufügen kann.

    Sich diese Beschreibung zueigen machend und auf Materieteilchen übertragend wundert man sich nicht mehr über die Ununterscheidbarkeit von Quantenteilchen.

    Bei der Aussage, dass die Wellenfunktion eine Realität beschreibe, meine ich übrigens auch nicht, dass diese Funktion als solche Realität sei, sondern ich nehme sie als mathematisches Modell einer Realität.
    Modelle können unvollkommen und sogar falsch sein und dennoch funktionieren, aber von etwas, das nicht existiert, würde ich keine messbaren Auswirkungen erwarten.
    Wenn es keine Quantenrealität gibt, so gibt es auch keine klassische Realität, denn klassische Physik ist die Näherung der Quantenphysik im Limes großer Quantenzahlen.

  22. @Jens Philip Höhmann: Der Artikel Basic lethal flaws of revisionist “interpretations” of QM (https://motls.blogspot.com/2019/08/basic-lethal-flaws-of-revisionist.html ) hält in meinen Augen konzis fest, was die Quantenmechanik aussagt, bezugsweise nicht aussagt und warum Interpretationen, welche davon ausgehen, dass die Wellenfunktion etwas reales darstelle oder abbilde falsch sein müssen. Insbesondere die Many world Interpretation, welche annimmt, die Wellenfunktion beschreibe die eigentliche Wirklichkeit und was wir als Menschen/Beobachter erleben entstehe durch wiederholte Aufspaltung dieser Quantenrealität muss gemäss diesem Artikel falsch sein.
    Hier ein paar Auszüge aus dem Artikel:
    Die Wellenfunktion |ψ(t)⟩ oder ihre gemischte Verallgemeinerung, die Dichtematrix ρ(t), repräsentiert das Wissen des Beobachters über die Außenwelt, und es kann keine “direktere” Beschreibung der Außenwelt geben als durch das Wissen eines Beobachters. Insbesondere die Wellenfunktion oder die Dichtematrix ist nicht beobachtbar, auch nicht im Prinzip.

    Die Wellenfunktion und die damit verbundenen Operationen sind beobachterabhängig oder “subjektiv” im Allgemeinen. Wigners Freund ist das einfachste Beispiel dafür, dass zwei Beobachter zu einem bestimmten Zeitpunkt unterschiedliche Wellenfunktionen verwenden. Auf diese Weise dürfen keine scharfen Widersprüche zwischen den Schlussfolgerungen der Beobachter entstehen, wie man beweisen kann.

    Die Kopenhagener Interpretation enthält ausdrücklich die Behauptung, dass alle “realistischeren” Interpretationen zur Natur falsch sind. Insbesondere Behauptungen, dass die gemessenen Beobachtungen ohne Wahrscheinlichkeiten oder ohne Unsicherheiten (Fehlermargen) vorhergesagt werden können, widersprechen Heisenbergs Unsicherheitsprinzip – das sicherlich mit der “Copenhagen Interpretation” übereinstimmt (oder einen Teil davon oder daraus folgt).

    Alle realistischen Interpretationen gehen von vielen detaillierten Freiheitsgraden aus – insbesondere der Zielwellenfunktion (Bohm,Many Worlds,Objective Collapse of wave function) und manchmal auch von der genauen Position der Partikel (Bohm) und/oder der Zähler, die angeben, wie viele Welten jeder Art sich in einem bestimmten Zustand befinden (Many Worlds). Alle diese Bilder – alle realistischen Bilder – prognostizieren also eine viel größere “reale” Information pro Molekül und damit viel höhere Wärmekapazitäten als etwas der Ordnung kB.

    Many Worlds postuliert, dass alle “vielen Welten” gleich real sind und gleich wahrscheinlich sein sollten. Die Verteidiger von R2 sind sich nicht einig, ob die Regel von Born mit ihrem Bild übereinstimmt und/oder ohne kreisförmige Begründung aus ihrem Bild abgeleitet werden kann. Noch wichtiger ist, dass alle von ihnen alle Axiome der Physik, die in Bezug auf Wahrscheinlichkeiten formuliert sind – wie das Born’sche Regelpostulat des QM oben – auslöschen wollen, aber keiner von ihnen hat eine Ahnung, wie Physik ohne ein Axiom mit Wahrscheinlichkeiten funktionieren könnte.

    Der Autor dieses Artikels, Lubos Motl, hat noch einige weitere Artikel geschrieben, die alle zeigen, dass alle Interpretationen, die von einer “objektiven” Wellenfunktion ausgehen, die also davon ausgehen, die Wellenfunktion sei etwas, das existiere und nicht etwas, was eine Wahrscheinlichkeit beschreibe, falsch sein müssen.

  23. @martin holzherr
    ich hatte nicht den eindruck dass JPH die wellenfunktion für real ansieht,sondern das,dessen wahrscheinlichkeit des auftretens die wellenfunktion beschreibt.
    ich würde hier aber nicht von realität(res=ding),sondern von wirklichkeit sprechen,was dem wesen der prozesshaftigkeit wesentlich näher kommt.

  24. @Jens Philip Höhmann (Zitat): dass diese Funktion als solche Realität sei, sondern ich nehme sie als mathematisches Modell einer Realität.
    Modelle können unvollkommen und sogar falsch sein und dennoch funktionieren, aber von etwas, das nicht existiert, würde ich keine messbaren Auswirkungen erwarten.

    In meine Auffassung verhält sich die Wellenfunktion zur Realität wie etwa eine statistische Stadtbeschreibung (welche die Gebäudehöhen, die Strassendichte und vieles mehr in statistische Klassen einteilt) zur Stadt selber. Man darf die Statistik über die Stadt nicht mit der Stadt gleichsetzen.

    Etwas aussergewöhnlich ist die Quantenmechanik nun darin, dass ihre Aussagen keine Schlüsse auf eine submikroskopische Realität zulassen, ja dass man sogar davon ausgehen muss, das es eine solche Realität gar nicht gibt. Die Realität entsteht erst gerade dann, wenn die Wellenfunktion “kollabiert”, also eine Beobachtung/Messung stattfindet. Wobei man alles als Messung auffassen muss, was zur Dekohärenz einese Quantensystems führt.

  25. @MG
    ich finde es nicht gerade schockierend ,sondern eher halte ich es für bezeichnend für den zustand der wissenschaften,die sich so schwer tun irgendetwas ernsthaft zu bedenken,das den selbstgewählten rahmen(oder käfig) zu sprengen droht.
    und das scheint mir bei dem phänomen der verschränkung der fall zu sein.

    es scheint das wesen der verschränkung zu sein,dass die teilchen trotz grosser räumlicher distanzen eben nicht voneinander getrennt sind und im selbigen moment den wechsel vollziehen.ich halte diesen umstand auch für einen guten grund sich mit der “relativen gleichzeitigkeit ” neu auseinanderzusetzen,also diese sache neu zu denken.
    wäre die gleichzeitigkeit des wechsels nicht gegeben,so wäre die verschränkung verletzt,gebrochen.es kann also nur absolut gleichzeitig sein,wenn von verschränkung die rede ist.

    die verschränkung zeigt also anzeichen,dass entweder der informationsfluss zwischen den teilchen weder dinglich noch wirklich ist und eine unendliche geschwindigkeit besitzt oder eben gar keine trennung des systems vorliegt.

    auf jedenfall scheint mir das phänomen der verschränkung den bisherigen wissenschaftlich-physikalischen rahmen zu sprengen.

  26. @Jens Philip Höhmann: Eine objektive, vom Beobachter unabhängige Realität gibt es nicht. Zu diesem Schluss sind schon die Physiker gekommen, die die Kopenhager Interpretation geschaffen haben. Das Gedankenexperiment “Wigners Friend” macht deutlich, was diese Beobachterabhängigkeit bedeutet. Wigner sagt, dass zwei Beobachter verschiedene Polarisationen messen können, wenn sie die Polarisation eines Photons mit überlagerter Polarisation (Superposition) messen, – vorausgesetzt die beiden Beobachter wissen nichts voneinander. Das heisst für einen zweiten Beobachter kann das System nach der Messung durch den ersten Beobachter immer noch verschränkt sein und seine Messung kann eine andere Polarisation ergeben als die Messung durch den ersten Beobachter.
    Inzwischen hat man das Gedankenexperiment von Wigner im Labor tatsächlich ausgeführt und dabei Wigner bestätigt wie man im Artikel A quantum experiment suggests there’s no such thing as objective reality ( https://www.technologyreview.com/s/613092/a-quantum-experiment-suggests-theres-no-such-thing-as-objective-reality/ ) nachlesen kann.

    Das ist schon verblüffend und bedeutet eben, dass die Realität, die bei Interaktionen entsteht von den Umständen abhängt und für zwei Beobachter verschieden sein kann.

  27. @vimal

    Ich hatte nicht den Eindruck, dass JPH die Wellenfunktion für real ansieht,…

    So ein Mittelding. An sich bin ich schon SCHULZist (nach Hermann SCHULZ, dem Physikprofessor und Autor des Buches Physik mit Bleistift), der an einer Stelle seines zweiten Buches schreibt: ,,Das Elektron ist ψ.”
    Er erteilt damit vor allem der Vorstellung eine Absage, das eigentliche Elektron sei ein geladener Punkt, dessen genaue Position und Impuls lediglich nicht gemessen werden könne.

    An diese Idee glaube ich auch nicht. Deshalb lehne ich für |ψ|², integriert über einen Raumbereich V, auch das Wort ,„Aufenthaltswahrscheinlichkeit“ ab. Das suggeriert uns nämlich, das punktförmige Elektron sei unmittelbar vor seiner Lokalisierung in V schon genau da und nirgends sonst gewesen.
    Stattdessen glaube ich an ein Feld, das überall von 0 verschieden ist, was aber nicht im naiven Sinne ,,real”, wohl aber wirk-lich ist, von ‘wirken’. Das tut es nämlich. Wiederholt man das Experiment, wird aus den Wahrscheinlichkeitsverteilungen eine relative Häufigkeitsverteilung. Es ist im wörtlichen Sinn ein Potential-Feld (Feld von Möglichkeiten, nämlich von Messungen) und ähnelt in einer Sache auch dem klassischen Potentialfeld. Da sind nämlich auch die ,,wahren” Zahlen- oder auch Vektorwerte (beim Vektorpotential A) weder bekannt noch relevant.

  28. Wenn zwei weit voneinander entfernte Beobachter Messungen
    an zwei miteinander verschränkten Photonen durchführen:
    Können sie dabei unterschiedliche Ergebnisse erhalten?
    Was geschieht dann, wenn sie später darüber sprechen?

  29. @Martin Holzherr

    Ich habe den Artikel mit Interesse gelesen und bin auch dem Link zum arxiv.org – Paper gefolgt.

    Allerdings habe den Volltext noch nicht gelesen und eines noch nicht verstanden:

    Wie weist man durch Interferenzversuche an einem Photon nach, dass es sich in Superposition befindet? Messen kann man ja nur Eigenwerte des Operators, der zur jeweiligen Observablen gehört.

  30. @Jens Philip Höhmann: Der Frage (Zitat): Wie weist man durch Interferenzversuche an einem Photon nach, dass es sich in Superposition befindet? bin ich nicht nachgegangen.
    Hier will ich aber die abschliessenden Sätze des arxiv-Artikels widergeben, denn sie bringen den QBism als Interpretation der Quantentheorie ins Spiel (Zitat):

    Modulo die potenziellen Schlupflöcher und die Akzeptanz des Status der Photonen als Beobachter, die Verletzung der [Bell’schen] Ungleichheit (2) impliziert, dass mindestens eine der drei Annahmen der Wahlfreiheit, der Ortsunabhängigkeit und der Beobachterunabhängigkeit scheitern muss, da die Aufgabe der Wahlfreiheit und der Ortsgebundenheit den Widerspruch nicht wieder auflösen könnte[5], ist eine Möglichkeit, unserem Ergebnis Rechnung zu tragen, indem sie erklärt, dass “Fakten der Welt” nur von einem privilegierten Beobachter, z.B. einem privilegierten Beobachter, erstellt werden können, dass man Zugang zur “globalen Wellenfunktion” in der Interpretation der vielen Welten[17] oder der bohmischen Mechanik[18] hätte. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Unabhängigkeit des Beobachters ganz aufzugeben, indem man Fakten nur in Bezug auf den Beobachter betrachtet[19], oder indem man eine Interpretation wie QBism annimmt, bei der die Quantenmechanik nur ein Werkzeug ist, das die subjektive Vorhersage eines Agenten über zukünftige Messergebnisse erfasst[20]. Diese Entscheidung erfordert jedoch, dass wir die Möglichkeit nutzen, dass verschiedene Beobachter uneins sind über das, was in einem Experiment passiert ist.

    Da sowohl die Multiple-Welt-Interpretation als auch die Bohm’sche Mechanik falsch sein müssen, weil sie mehr Informationen voraussetzen als in einem Quantensystem vorhanden sind, bleibt nur noch der QBism als valide Interpretation der Quantenmechanik. Meiner Ansicht nach sind der QBism und die Kopenhagener Interpretation in vieler Hinsicht die selben Interpretationen.

    Auch der QBism sieht die Wellenfunktion (wie die Kopenhagener Deutung) als etwas was nicht eine objekte Realität widergibt, sondern als ein Mittel um die Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Messeergebnis zu berechnen. Der QBism betont allerdings noch weit stärker als die Kopenhagener Deutung die Subjektivität/Beobachterabhängigkeit der Wellenfunktion. Gemäss Wikipedia sind die Hauptpunkte des QBism:

    Alle Wahrscheinlichkeiten, einschließlich derjenigen, die gleich Null oder Eins sind, sind Bewertungen, die ein Agent auf seinen Glaubensgrad an mögliche Ergebnisse zurückführt. Da sie Wahrscheinlichkeiten definieren und aktualisieren, sind Quantenzustände (Dichteoperatoren), Kanäle (vollständig positive spurenerhaltende Karten) und Messungen (positive, vom Bediener bewertete Messungen) auch die persönlichen Urteile eines Agenten.

    Die Born-Regel ist normativ, nicht beschreibend. Es ist eine Beziehung, in der sich ein Agent bemühen sollte, seine Wahrscheinlichkeits- und Quantenzustandszuweisungen einzuhalten.

    Quantenmessresultate sind persönliche Erfahrungen für den Agenten, der auf sie setzt. Unterschiedliche Akteure können sich über die Folgen einer Messung beraten und einigen, aber das Ergebnis ist die Erfahrung, die jeder von ihnen einzeln hat.

    Ein Messgerät ist konzeptionell eine Erweiterung des Agenten. Sie sollte als analog zu einem Sinnesorgan oder einer Prothese betrachtet werden – gleichzeitig ein Werkzeug und ein Teil des Individuums.

    Im Wikipedia-Artikel zu QBism liest man nun in Bezug auf den Unterschied zwischen Kopenhagener Deutung und QBism folgendes:
    QBism nimmt Wahrscheinlichkeiten als persönliche Urteile des einzelnen Agenten an, der die Quantenmechanik einsetzt. Dies steht im Gegensatz zu älteren Ansichten vom Kopenhagener Typ, die davon ausgehen, dass Wahrscheinlichkeiten durch Quantenzustände gegeben sind, die wiederum durch objektive Fakten über Vorbereitungsverfahren festgelegt sind[13][59] QBism betrachtet eine Messung als jede Handlung, die ein Agent unternimmt, um eine Antwort aus der Welt hervorzurufen, und das Ergebnis dieser Messung ist die Erfahrung, die die Antwort der Welt auf diesen Agenten zurückführt. Infolgedessen ist die Kommunikation zwischen den Akteuren das einzige Mittel, mit dem verschiedene Akteure versuchen können, ihre internen Erfahrungen zu vergleichen. Die meisten Varianten der Kopenhagener Interpretation gehen jedoch davon aus, dass die Ergebnisse der Experimente agentenunabhängige Realitätsstücke für jedermann zugänglich sind.[4] QBism behauptet, dass diese Punkte, in denen sie sich von früheren Interpretationen vom Kopenhagener Typ unterscheiden, die Unklarheiten, die viele Kritiker in letzteren gefunden haben, auflösen, indem sie die Rolle der Quantentheorie verändern (obwohl QBism noch keine spezifische Grundontologie bietet). Konkret geht QBism davon aus, dass die Quantentheorie ein normatives Werkzeug ist, mit dem ein Agent die Realität besser steuern kann, und nicht eine Mechanik der Realität.

    Die beobachterabhängigkeit von Ergebnissen von Quantenexperimente/Prozessen passt für mich jedenfalls gut zum Bild, das die US-Quantenphysikern Karen Barad entworfen hat (Mit Karen Barad den Messvorgang verstehen ( https://scilogs.spektrum.de/quantenwelt/mit-karen-barad-den-messvorgang-verstehen/ ) )
    In diesem Beitrag von Joachim liest man:
    Ob ein Quantenzustand, der in einem Experiment wie ein Teilchen reagiert und in einem anderen wie eine Welle, in Wahrheit Teilchen oder Welle ist, wäre nur eine sinnvolle Frage, wenn der Quantenzustand unabhängig von seiner Messung existieren würde. Es gibt aber keine von Messungen unabhängige Physik. Der Messvorgang ist ein unverzichtbarer Teil des Geschehens und kann im allgemeinen nicht ignoriert werden. Ohne Messung gäbe es vielleicht auch einen Quantenzustand, das wäre aber nicht derselbe, wie der im Experiment.

    Barad führt zur Beschreibung dieser Abhängigkeiten den Begriff der Intraaktion im Gegensatz zur Interaktion ein. Es gibt nicht ein Quantenobjekt und einen davon unabhängigen Experimentaufbau, die miteinander wechselwirken also interagieren. Es gibt nur einen Vorgang mit internen Intraaktionen. Dass wir im Doppelspaltexperiment ohne Weginformation die Elektronen als Wellen, mit Weginformation aber als Teilchen messen, liegt nicht daran, dass der Messaufbau die eigentlich unabhängigen Elektronen beeinflusst. Vielmehr haben wir es mit verschiedenen Phänomenen zu tun, die sich grundlegend in ihren Voraussetzungen und Randbedingungen unterscheiden.

    Die von Karen Barad eingeführte Term Intraaktion bedeutet im Kern, dass alles was an einem Quantenereignis beteiligt ist, zum Ergebnis beiträgt. Man nichts daraus isolieren oder hauptverantwortlich für den Ausgang des Experiments machen. Am Beispiel des Doppelspaltversuches bedeutet es, dass jede scheinbar noch so kleine Änderung an den Versuchsbedingungen (Änderungen, die etwa die Welcher-Weg-Information beeinflussen) darauf hinausläuft, dass wir ein völlig anderes Experiment vor Augen haben. Man kann die Messungsbedingungen also nicht vom Gemessenen trennen wenn man es mit quantenpyhsikalischen Experimenten zu tun hat. Das wiederum hat eine enge Beziehung zur Beobachterabhängigkeit des Ausgangs des Experiments.

  31. @Karl Bednarik

    Wenn zwei weit voneinander entfernte Beobachter Messungen
    an zwei miteinander verschränkten Photonen durchführen:
    Können sie dabei unterschiedliche Ergebnisse erhalten?
    Was geschieht dann, wenn sie später darüber sprechen?

    Sie würden miauen?

    Meine Meinung (als Laie): Ich nehme an, dass das Ergebnis mit verschiedenen Versionen des Doppelspaltexperiments verwandt ist.

    Im ersten Fall hat man den Doppelspalt, und es gibt Interferenz zwischen den möglichen Pfaden, die ein Photon durch beide Spalte nehmen konnte.

    Im zweiten Fall ist zusätzlich ein Instrument angebracht, das misst, ob das Photon durch Spalt 1 gegangen ist, und das Ergebnis bekannt gibt, so dass die Information das äußere Universum erreichen kann. Dann gibt es keine Interferenz, sondern Ansammlungen der Messungen hinter Spalt 1 und Spalt 2.

    Im dritten Fall verlässt das Ergebnis der Messung das Instrument nicht, die Information geht verloren, und dann gibt es wieder Interferenz.

    Ich sehe nicht, dass bei Ihrem Gedankenexperiment irgendwie dieser dritte Fall hergestellt werden könnte (da eine spätere Informationsübermittlung hier nicht nur explizit stattfindet, sondern praktisch gar nicht verhindert werden kann).

    Also würden bei der Messung auf einer Seite beide Seiten gebunden, und die Messung durch zwei verschiedene Wissenschaftler würde sich nicht von der unterscheiden, die einer hätte vornehmen können.

  32. @karl bednarik
    bezieht sich diese frage auf eine absolute gleichzeitigkeit der entfernten messungen?und das wirft die frage auf,ob sie überhaupt im versuch herstellbar ist.
    denn die toleranz müsste in diesem fall gleich null sein,um eine aussage machen zu können..

    • Gleichzeitig in welchem Bezugssystem. Der Witz ist ja: Wenn die beiden Messungen zeitlich so dicht und räumlich so weit entfernt durchgeführt werden, dass Licht nicht von einer zur anderen Messung gelangen kann, dann gibt es immer ein Bezugssystem, in dem die Messungen exakt gleichzeitig stattfinden.
      Solche Messungen wurden durchgeführt und es kommt immer heraus, dass die Ergebnisse zueinander passen. Die Korrelation wird stets erfüllt.

  33. @Martin Holzherr

    Der Frage (Zitat): Wie weist man durch Interferenzversuche an einem Photon nach, dass es sich in Superposition befindet? bin ich nicht nachgegangen.

    Vielleicht geht das aus dem Paper selbst hervor. Es ist aber in jedem Fall hochgradig relevant für die Frage, welche Schüsse das Experiment überhaupt erlaubt.

    Die Interpretation, dass sich der menschliche Geist erst seine Realität schaffe und es kein objektives Richtig und vor allem kein objektives Falsch gebe, halte ich für Quantenesoterik, das geht mir entschieden zu weit. Und gefährlich (s.u.).

    Da halte ich es eher mit EINSTEIN, der die Überzeugung äußerte, dass der Mond auch da sei, wenn niemand hinsehe. Was aber noch wichtiger ist (s.o.): Dass z.B. der Holokaust stattgefunden hat, hängt nicht davon ab, wer ihn alles nicht wahr haben will.

    @Joachim Schulz

    Was sagen Sie dazu?

  34. @Jens Philip Höhmann (Zitat) „Die Interpretation, dass sich der menschliche Geist erst seine Realität schaffe und es kein objektives Richtig und vor allem kein objektives Falsch gebe, halte ich für Quantenesoterik, das geht mir entschieden zu weit.“
    Das mit dem menschlichen Geist können sie vergessen. Im beschriebenen Experiment sind die Beobachter ja Photonen. Allgemein gilt wohl: wenn man von Messungen und Beobachtungen spricht, heisst das nicht, dass Menschen (Forscher) am Werk sind. Interaktionen, die man als Messungen, als Dekohärenzen, interpretieren kann finden vielmehr ständig und überall statt. Sogar den Übergang eines Bahnelektrons von einer Atomschale auf eine andere ist ein Vorgang der mit einer Dekohärenz einhergeht, also mit einem „Kollaps“ der Wellenfunktion.

    Soviel ich weiss kann man aber zeigen, dass die Beobachterabhängigkeit des Ausgangs eines Quantenexperiments nicht zu „tiefen“ Widersprüchen führen kann.

    Persönlich vermute ich, dass „objektive Fakten“ trotz Beobachterabhängigkeit von Einzelexperimenten einfach durch statistische Phänomene zustande kommen. Der Zufall zusammen mit der grossen Zahl ist ein grosser Gleichmacher/Nivellierer. Einzelbeobachtungen gehen im grossen Ganzen unter, beziehungsweise sie fallen gar nicht mehr auf.

  35. Karen Barads Konzept der Intraaktion, die darauf hinausläuft, dass ein Quantenvorgang etwas holistisches ist, welches viele Teilnehmer (teilnehmende Objekte) einbezieht scheint mir auch gut zum neu von den QBisten geschaffenen Begriff des partizipatorischen Realismus zu passen. Christopher Fuchs, einer der Begründer des QBism, hat dazu den arxiv-Artikel On Participatory Realism ( https://arxiv.org/pdf/1601.04360.pdf ) geschrieben.

    In diesem Artikel zitiert er auch schon längste verstorbene Pioniere der Quantenphysik um seine Auffassung des partizipativen Realismus schon bei diesen Pionieren zu verankern. Hier ein Abschnitt über Wheeler:

    “Eine Sache, die in Wheelers Schriften absolut klar ist, ist, dass das Letzte, was er verfolgte, ein instrumentelles Verständnis der Quantentheorie war. Er glaubte, dass die Quantentheorie die tiefste Aussage über die Natur und die Wirklichkeit war, die die Physik jemals entdeckt hatte. So spielte er kleine Dialoge mit sich selbst wie diesen: „Die seltsame Notwendigkeit des Quantums, wie wir es überall sehen, ergibt sich aus der Forderung, dass das Universum durch Beobachterbeteiligung einen Weg haben sollte, zu entstehen? Wenn dies zutrifft – und es ist attraktiv -, sollte es eine Möglichkeit bieten, die Quantenmechanik von der Anforderung abzuleiten, dass das Universum eine Möglichkeit haben muss, zu entstehen. “

  36. @JPH
    hallo Jens

    mir scheint es geradezu von entscheidender bedeutung zu sein,dass man diese sache aus verschiedenen perspektiven betrachtet und so dem eigentlichen allmählich auf die spur kommt.

    die schulz’sche definition des elektrons erscheint einerseits zutreffend,andererseits aber nicht,denn einerseits erscheint es als wellenfeld,das interferenzen erzeugt,andererseits erscheint es als teilchen,das punktförmig bzw.kleinteilig auftrifft.
    zudem ist die wellenfunktion ja nur eine menschliche formel zur ermittlung von wahrscheinlichkeit oder häufigkeit,die ja das elektron nicht in seiner wesenhaftigkeit beschreibt,sondern nur relative häufigkeiten benennen kann.wellenhaftigkeit ist ja ein allgemeines phänomen,nichts spezielles des elektrons.

    ich denke also,dass man zuersteinmal zwischen den verschiedenen erscheinungsformen und dem eigenlich wesenhaften des elektrons unterscheiden sollte.ein wesentlicher anteil des elektrons scheint zb seine ladung zu sein.
    und so gesehen erscheint mir das elektron ein in seiner erscheinungsform sehr labiler/leicht veränderlicher prozess zu sein,also leicht auslenkbar,andererseits in seinem grundsätzlichen wesen ein sehr stabiler.

    ich denke auch,dass die wirk-nehmung/messung nicht allein das bestimmt,was man dann detektiert,sondern dass dies auch frage des räumlichen und! zeitlichen auflösungspotentials des instrumentariums ist.
    was dem einen als difuser nebel erscheint,ist für den anderen eine ansammlung einzelner tröpfchen,was dem einen als ein punkt erscheint ist für den anderen ein zyklischer prozess,der raum und zeit einnimmt.

    was mir sicher erscheint ist,dass potentiale prozesse antreiben und potentiale einander gegenseitig auslenken und damit auch die prozesse und so die erscheinungsformen verändern.
    darauf beruhen direkte messungen.messungen von raum und zeit bedürfen einer projektion der raummaße und zeitmaße von prozessen auf raum und zeit an sich.
    das potential ist das eigentliche und der prozess erschafft die erscheinungsform in raum und zeit.und es gibt prozesse in prozessen in prozessen.
    deshalb gehe ich davon aus,dass das elektron aus 2 ineinander verschachtelten prozessen bestehen könnte,der intrinsische,stabile und der äussere,veränderliche,der für uns die verschiedenen erscheinungen ausmacht.
    nach meiner erfahrung kann nicht ein prozess allein sowohl stabile eigenschaften als auch verschiedene erscheinungsformen hervorbringen.

  37. @Martin Holzherr

    Das mit dem menschlichen Geist können sie vergessen. Im beschriebenen Experiment sind die Beobachter ja Photonen.

    „Beobachter“ würde ich in Anführungszeichen setzen. Gerade für das Photon gilt eigentlich so etwas wie „es gibt die Bewegung, aber nicht das Bewegte“ (in Anlehnung an einen für die Kopenhagener Deutung typischen Spruch über Messung und Gemessenes).
    Will heißen: Die gesamte Energie des Photons kann als seine kinetische gedeutet werden; eine Ruheenergie haben sie nicht.

    Der Zufall zusammen mit der grossen Zahl ist ein grosser Gleichmacher/Nivellierer. Einzelbeobachtungen gehen im grossen Ganzen unter, beziehungsweise sie fallen gar nicht mehr auf.

    Das ist womöglich nicht immer der Fall, und um genau das zu motivieren, dachte sich SCHRÖDINGER sein Gedankenexperiment mit der Katze aus. Ein Setting übrigens, das auf ausgesprochen fiese Weise gut in die Zeit passte.

  38. @Jens Philip Höhmann (16.09.2019, 19:17 Uhr)

    “Stattdessen glaube ich an ein Feld, das überall von 0 verschieden ist, was aber nicht im naiven Sinne ,,real”, wohl aber wirk-lich ist, von ‘wirken’.”

    Das sehe ich auch so. Ich halte die Materiewellen bei Elektronen und die elektromagnetischen Wellen bei Photonen außerdem für relativistische Effekte.

    Anscheinend kann man De Broglie-Materiewellen als einen Effekt der Desychronisierung von Phasenuhren längs der x-Achse herleiten (Relativität der Gleichzeitigkeit).
    Quelle:
    http://web4.uwindsor.ca/users/b/baylis/main.nsf/74c5a566c0c4edae85256bb5006765df/$FILE/deBroglie.pdf

    Auch kann man anscheinend elektromagnetische Wellen aus der Elektrostatik und der SRT herleiten, siehe:

    “19. Discussion
    In the preceding sections we have derived Maxwell’s equations directly from special relativity and Coulomb’s law.”

    Quelle:
    http://richardhaskell.com/files/Special%20Relativity%20and%20Maxwells%20Equations.pdf

  39. @vimal

    …einerseits erscheint es als Wellenfeld, das Interferenzen erzeugt, andererseits erscheint es als Teilchen, das punktförmig bzw. kleinteilig auftrifft.

    Etwas potentiell Punktförmiges, würde ich sagen. Es hat keine Eigen-Ausdehnung wie z.B. ein Proton oder ein ganzes Atom.
    Das lässt sich aber auch durch die Wellenfunktion darstellen; sie kann im Grenzfall die Form einer δ-Funktion (mir ist klar, dass dies mathematisch sauber eine Distribution und keine richtige Funktion ist) annehmen.

    Natürlich ist ein Elektron in dem Sinne ein Teilchen, dass es zu den Bausteinen der Materie gehört und auch in dem Sinne, dass es z.B. von einer Detektorzelle nur ganz oder gar nicht registriert werden kann. Wobei eine Detektorzelle kein komplizierter Apparat sein muss, sondern z.B. ein Molekül auf einem Spezialpapier sein könnte, dass sich bei Kollision verändert, sodass die Stelle verfärbt wird.

    Eine ganze Elektronenwelle (quasi- kontinuierlich wg. vieler Elektronen) würde das Gitter natürlich als Interferenzmuster aufleuchten lassen, aber der Witz ist, dass so eines auch entstehen würde, wenn man die Elektronen einzeln auf ein Spezialpapier fallen lässt.

    Das würde sich aber langsam aus vielen Punkten aufbauen, wobei jeder Punkt Spur einer Kollision ist.

    Man könnte nun meinen, ein Elektron, das dort eine Verfärbung hinterlassen hat, sei unmittelbar zuvor tatsächlich genau dort gewesen und nirgends sonst, was ich aber nicht für überzeugend halte: Wie entsteht dann ein Interferenzmuster.

    Ich stelle mir das eher wie eine Tombola vor, bei dem für die Moleküle Mitspieler stehen,
    die unterschiedlich viele Lose gekauft haben. Da zu einem bestimmten Zeitpunkt nur ein Los gezogen wird, gewinnt dann nur einer, wobei das nicht der mit den meisten Losen sein muss.

    Zudem ist die Wellenfunktion ja nur eine menschliche Formel zur Ermittlung von Wahrscheinlichkeit oder Häufigkeit,…

    Das würde ich nun gerade nicht so sehen. Für Wahrscheinlichkeiten reicht |ψ|². ψ selbst beschreibt das Berhalten in einem weiteten Sinne. Die Ortswellenfunktion ψ(x)=e^{ikx} beschreibt etwa einen Teilchenstrom, der sich in +x-Richtung mit dem Impuls (ħk;0;0) bewegt. Das würde man |ψ(x)|²=1 nicht ansehen.

  40. @Joachim: Der Beitrag Beobachter in der Quantenmechanik definiert den Beobachter als das, was den Kollaps der Wellenfunktion/des Zustands verursacht.
    Das ist wohl so. Doch im Artikel steht nichts darüber, dass zwei Beobachter beim gleichen System verschiedene Beobachtungen machen können, also nichts über das “Wigners Freund” -Gedankenexperiment, welches Beobachtungen subjektiv macht.
    In der deutschsprachigen Wikipedia liest man allerdings dazu:
    Wigners Freund ist eine Erweiterung des Gedankenexperimentes „Schrödingers Katze“ von Eugene Paul Wigner und bezieht sich auf das Messproblem der Quantenmechanik. Das Beispiel illustriert eine idealistische oder subjektivistische Interpretation der Quantenmechanik bzw. eine Folgespekulation zu einer solchen. Bei dem „Wigners-Freund“-Gedankenexperiment werden keine Dekohärenz-Effekte berücksichtigt, weshalb die darauf aufbauende Argumentation von Wigner selbst in den 1970er Jahren verworfen wurde und im heutigen wissenschaftlichen und philosophischen Diskurs als überholt gilt.

    Nun, vielleicht muss das doch nochmal überdacht werden, vielleicht ist es eben doch nicht (Zitat) überholt.

  41. @Jens Philip Höhmann (Zitat): Die Ortswellenfunktion ψ(x)=e^{ikx} beschreibt etwa einen Teilchenstrom, der sich in +x-Richtung mit dem Impuls (ħk;0;0) bewegt.

    Weder die Kopenhagener Interpretation noch der QBism lassen einen solchen Schluss zu. Und dieser Schluss, dass es im nach aussen isolierten Quantenzustand einen Teilchenstrom gebe ist prinzipiell problematisch (freundlich formuliert), denn was man nicht messen kann darüber soll man schweigen (in Abwandlung eines Satzes von Wittgenstein).

  42. @Jens Philip Höhmann (Zitat): “Die Ortswellenfunktion ψ(x)=e^{ikx} beschreibt etwa einen Teilchenstrom, der sich in +x-Richtung mit dem Impuls (ħk;0;0) bewegt. “ Gut, da haben sie vielleicht recht – das ist ein Spezialfall. Aber im Allgemeinen beschreiben auch Wellenfunktionen nicht die Realität, sondern etwas letztlich mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung zu tun hat.

  43. @Martin Holzherr

    Weder die Kopenhagener Interpretation noch der QBism lassen einen solchen Schluss zu.

    Was eine Interpretation der Quantik zu diesem Thema sagt, halte ich für zweitrangig.

    Der Quantik selbst zufolge ist die Aussage richtig, denn e^{ikx} ist Eigenzustand des Impulsoperators zum Eigenwert (ħk|0|0), wie er formuliert ist.

    Das heißt nicht, dass dies die einzig mögliche Formulierung eines solchen Eigenzustandes wäre. Es sind durchaus andere Formulierungen sowohl der Wellenfunktion als auch des Impulsoperators möglich, z.B. mit reellen Funktionen-Zweiervektoren anstelle Komplexer Zahlen für Zustände und orthogonaler reeller 2×2-Matrizen anstelle Komplexer Zahlen für Operatoren.

    Außerdem bleibt das Tensorprodukt des Eigenzustandes ψ_q eines Operators Q̂ mit einem Zustand hinsichtlich einer ganz anderen Observablen, z.B. einem Spinzustand ψ_s, noch immer Eigenzustand zu Q̂.

    Hauptsache, die Eigenwertgleichung bleibt gültig. Genau dies meine ich auch mit dem Vergleich mit dem klassischen Potential/Vektorpotential.

  44. Die Überschrift des Blog-Artikels ist korrekt. Es gibt in der gegenwärtigen Physik keine (sic!) spukhafte Fernwirkung, und zwar aufgrund der Grundannahmen, die in die Formulierung der relativistischen Quantenfeldtheorie eingehen. Im Minkowskiraum, also der Raumzeitbeschreibung der Speziellen Relativitätstheorie, können zwei Ereignisse nur dann kausal verknüpft sein, wenn sie zeit- oder allenfalls lichtartig zueinander liegen.

    Dies läßt sich, wie im Artikel bzgl. der klassischen Physik beschrieben, durch das Lokalitätsprinzip realisieren, d.h. Wechselwirkungen werden durch Felder vermittelt, und etwa die elektromagnetische “Kraftwirkung” auf eine Probeladung aufgrund der Anwesenheit von anderen Ladungs- und Stromverteilungen wird dadurch beschrieben, daß diese ein elektromagnetisches Feld implizieren, durch das die Kraftwirkung auf die Probeladung zum gegenwärtigen Zeitpunkt und am aktuellen Ort hervorgeht. Änderungen der felderzeugenden Stromverteilung pflanzen sich höchstens mit Lichtgeschwindigkeit (im Vakuum) fort, wodurch die Kausalität gewährleistet wird: Lokale Änderungen in der Ladungs-Stromverteilung wirken sich auf eine entfernte Probeladung frühestens nach der Zeit aus, die das Licht im Vakuum benötigt, um vom “Quellpunkt” zum Ort der Probeladung benötigt (“retardierte Potentiale”).

    Um nun dieses Prinzip in der relativistischen Quantentheorie zu berücksichtigen, formuliert man dieselbe als “lokale relativistische Quantenfeldtheorie”, d.h. man verlangt, daß alle lokalen Observablen (also Energie-Impulsdichten, Drehimpulsdichten, Ladungsdichten etc.) mit der Hamiltondichte kommutieren, wenn die Raumzeit-Argumente der entsprechenden Feldoperatoren raumartig separiert sind, d.h. per constructionem kann es keine “spukhafen Fernwirkungen” geben. Zusammen mit der Forderung nach der Existenz eines stabilen Grundzustandes, also der Beschränktheit des Hamiltonoperators von unten, impliziert dies das Spin-Statistik- (Felder mit halbzahligem Spin beschreiben Fermionen, solche mit ganzzahligem Spin Bosonen) und das PCT-Theorem (Invarianz unter simultaner Raum-Zeit-Reflexion und Ladungskonjugation). Zudem impliziert das Theorem auch die Gültigkeit des “cluster-decomposition principle”, wonach die S-Matrix so geartet ist, daß raumartig separierte Experimente stets unkorrelierte Resultate liefern (Weinberg, Quantum Theory of Fields, Vol. I).

    Dies schließt selbstverständlich die berüchtigten langreichweitigen Korrelationen zwischen Teilen eines Quantensystems, die durch die Verschränkung beschrieben werden, nicht aus, und in der Tat zeigen ja unzählige “Bell-Tests”, daß diese real sind. Allerdings werden diese Korrelationen nicht durch spukhafte Fernwirkung einer lokalen Messung am einen Teil des Systems auf den anderen Teil des Systems bewirkt sondern liegen bereits durch die Präparation des Systems zu Beginn des Experiments vor.

    Z.B. kann man durch parametrische Resonanz von Laserlicht an einem geeigneten doppelbrechenden Kristall (BBO) impuls-polarisationsverschränkte Photonenpaare erzeugen. Nach geeigneten Manipulationen kann man z.B. einen polarisations-Singlett-Zustand präparieren. Die Einzelphotonen sind perfekt unpolarisiert, und solange keine Störungen eine Dekohärenz bewirken, kann man an den Einzelphotonenpaaren in praktisch beliebig großen Entfernungen Polarisationsmessungen durchführen. Jede dieser Messungen allein liefert einfach das Vorliegen einer Quelle unpolarisierter Einzelphotonen. Führt man allerdings ein Meßprotokoll unter Zuhilfenahme hinreichend genauer Zeitmessungen durch, lassen sich hinterher (!) bei Polarisationsmessung in gleicher Richtung 100% Korrelationen feststellen, d.h. immer wenn Photon A bzgl. der gewählten Richtung H-polarisiert gefunden wird, wird Photon B V-polarisiert vorgefunden und vs. versa. Dabei ist es völlig unerheblich, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Einzelmessungen erfolgen oder ob sie sogar raumartig zueinander erfolgen, d.h. die Korrelation besteht aufgrund der anfänglichen Präparation im polarisationsverschränkten Zustand und ist nicht kausal durch die jeweiligen Einzelmessungen bedingt.

    Anders ausgedrückt: Das “Cluster-Decomposition-Principle” verhindert die Möglichkeit einer kausalen überlichtschnellen Signalübertragung bzw. eine spukhafte Fernwirkung, denn die Einzelmessungen allein liefern einfach unpolarisierte Einzelphotonen, unabhängig davon, ob an dem jeweils anderen Photon eine Messung vorgenommen wurde oder noch vorgenommen wird oder nicht. Nur durch Vergleich der Meßprotokolle dieser Einzelmessungen und bei entsprechendem experimentellen Aufbau, entsprechend einer Messung der Polarisation der Einzelphotonen in einer Richtung, können die 100%-Korrelationen aufgrund der Polarisationsverschränkung nachgewiesen werden, und dazu ist “klassischer Informationsaustausch” nötig, der allenfalls mit Lichtgeschwindigkeit erfolgen kann.

    Das Erstaunliche an der Quantentheorie ist also nicht eine angebliche Akausalität oder spukhafte Fernwirkungen, sondern vielmehr die Verletzung der Bellschen Ungleichung, die aus der Annahme einer lokalen deterministischen Theorie mit versteckten Variablen resultiert. Durch eine geeignete Folge von Polarisationsmessungen in zueinander verdrehten Richtung sagt die Quantentheorie (in dem Fall die QED) die Verletzung dieser Bellschen Ungleichung voraus, und dies wurde mit überwältigender Präzision experimentell bestätigt. Wie im Artikel beschrieben, ist dabei in der Tat die zeitliche Reihenfolge der Einzelmessungen oder gar ihre raumartige Separation irrelevant. Es ergibt sich also durch die lokale (!) und (mikro-)kausale relativistische Quantenfeldtheorie aufgrund der Möglichkeit der Verschränkung stärkere Korrelationen als in einer jeglichen lokalen deterministschen Versteckte-Variablen-Theorie möglich wären.

    Wollte man also die probabilistischen Vorhersagen der QT durch eine deterministische Versteckte-Variablen-Theorie erklären, müßte diese nichtlokal sein, und soweit mir bekannt ist, ist die Formulierung einer solchen mit der (speziellen) Relativitätstheorie konsistenten Theorie bis dato nicht gelungen.

  45. Physikalische Realität und Messungen an verschränkten Teilchen
    So wie ich physikalische Realität auffasse, ist sie gerade dadurch gekennzeichnet, dass auch bei Veränderungen vieles erhalten bleiben muss (Energie, Impuls, Spin, Ladung) In der quantenmechanischen Vorrealität dagegen gibt es eine Unschärfe. Ohne diese Unschärfe könnte sich warhscheinlich gar nichts Interessantes in dieser Welt realisieren. Diese Unschärfe muss im Moment wo wir in die echte Realität auftauchen aber verschwinden.
    Messen wir etwa den Spin eines von zwei verschränkten Teilchen (die den Spin teilen), so bedeutet dieses Messen, dass wir etwas Real machen (hier den Spin als vektorielle Messgrösse (etwa bei Spin 1/2)), was vorher nur als Potenz vorhanden war. Und weil der Spin insgesamt (über beide Teilchen) erhalten bleiben muss, bedeutet die Messung des Spins eines Teilchens, dass damit auch der Spin des anderen Teilchens augenblicklich und sofort festgelegt wird. Denn das verlangt die Spinerhaltung. Und ein Erhaltungssatz ist so scharf wie eine Guillotine. Er darf nie verletzt sein – auch nicht vorübergehend.
    Deshalb ist die Idee, beim Messen müsse die Information des gemessenen Spins zwischen den verschränkten Teilchen ausgetauscht werden problematisch. Bildlich gesprochen wäre das eine ähnliche Situation wie wenn sie eine systemwichtige Botschaft mittels Brieftaube übermitteln, wobei das System zusammenbricht, wenn die Brieftaube nicht ankommt. Wenn die Übermittlung nicht gelingen würde, wäre die Spinerhaltung nicht erfüllt und dem Universum bliebe dann wohl nichts anderes übrig als sich mit der Botschaft an alle “A critical error has occurred and this universe must be terminated” abzumelden. Mit anderen Worten: Der Gedanke beim Messen an einem der beiden verschränkten Teilchen müsse Information an das andere Teilchen übermittelt werden ist an und für sich problematisch. Es bleibt einem gar nichts anderes übrig als anzunehmen, dass die beiden Teilchen in Bezug auf den Spin am gleichen Ort sind und nichts auszutauschen haben.

    Warum es problematisch ist, anzunehmen, die Quantenwelt sei real
    Die Many World Interpretation der Quantenmechanik nimmt an, die Wellenfunktion sei real. Das allerdings führt in meinen Augen sofort zu grossen Problemen. Vor allem dann, wenn man unter physikalischer Realitiät das gleiche versteht wie ich. Wenn man also annimmt – wie ich es tue – in der Quantenwelt müssten ebenfalls Erhaltungssätze jederzeit gültig sein und auch in der Quantenwelt könne man wie in der uns bekannten Welt Dinge aufzählen. Es ist nämlich so, dass man etwa durch Aufzählen aller Mikrozustände eines Systems die Entropie des Systems bestimmen kann. Wenn man nun annimmt, die Weltaufspaltungen der Many Worlds-Interpretation seien real, dann müsste man beim Aufzählen der Mikrozustände eines Systems auch die Anzahl der Weltaufspaltungen mitberücksichtigen (z.B. in einer Femtosekunde spaltet sich das beobachtete System in 1 Milliarde Welten). Das aber würde dann zu sehr viel grösseren Entropiewerten führen als man mit anderen Überlegungen erhält.

    Fazit: Natürlich kann man allerhand zusammenfantasieren über die Quantenwelt. Doch wenn man die Quantenwelt zu ähnlich mit dem macht was wir als Realität erleben, dann ergeben sich meiner Ansicht nach logische Probleme.

    Das sollte man bei Sätzen über Experimente berücksichtigen. Der Satz: “Beim Doppelspaltversuch geht ein Teilchen durch beide Spalte zugleich” beispielsweise ist problematisch. Vor allem dann problematisch, wenn man das etwa damit vergleicht, dass eine Person ein Zimmer durch zwei Türen betreten kann. Wenn sie das kann, dann aber geht die Person nie gleichzeitig durch beide Türen, denn das würde wiederum die Zwangsbedingungen unserer Realität verletzen. Deshalb ist es wohl besser, wenn man auch beim Doppelspaltversuch davon spricht, es fehle einfach die Information, welchen Weg das Teilchen genommen habe. Mir scheint: Ein Fehlen von Information ist in der Quantentheorie lange nicht ein gleich grosses Problem wie ein Zuviel an Information. Mit zuviel Information geht die “Freiheit” des Quantensystems verloren.

  46. gleichzeitig in welchem bezugsystem?

    ich denke, wenn man feststellen will,dass ein wechsel oder festlegung auf bestimmte zustände an veschiedenen orten instantan stattfindet,dann muss der versuchsaufbau das ja eindeutig leisten können.

    wie wird das hergestellt und hängt dies von irgendwelchen bewegungszuständen ab,wenn ja von welchen oder wessen ?

    man kann auch fragen,wird hier in den ergebnissen das prinzip relativer gleichzeitigkeit erfüllt ?

    kann das jemand beschreiben?

  47. @ Hendrik van Hees
    Eine Frage dazu: Könnte man nicht auch die probabilistischen Vorhersagen der QT durch eine deterministische Versteckte-Variablen-Theorie erklären, indem man die Anzahl der Versteckten Variablen –>Unendlich gehen lässt.
    Klassisch-physikalisch ausgedrückt wäre dies z.B. der Fall, wenn man die in der QM formulierten Kraftwirkungen nicht als ´interne Kräfte´ ansieht, sondern als Ergebnis ´von aussen´ einwirkender Energien veranschaulicht, z.B. mit einem allseitig anstehenden Impulsstrom.
    Der Zusammenhalt der Materie (Starke WW, schwache WW Elmag.WW und Graviation) ergibt sich dann aus einer wechselseitigen Abschirmung (in unterschiedlicher Intensität) der Impulsströme des Hintergrundes. Die, die Materie zusammenhaltenden Kräfte sind nach wie vor die Gleichen und auch die Beschreibung der Dynamik im Kern (99,8% Bindungsenergie) ist nach wie vor die Gleiche – nur bekommt die Energie dafür nun eine ´äußere´Herkunft.
    Auch die Energie, die das auf die Umwelt ständig attraktiv wirkende Neutron verbraucht, bekäme damit eine Quelle – den Welthintergrund – und könnte in den Gleichungen berücksichtigt werden.

    Diese ´Quelle´ wirft natürlich Fragen auf, die für alle 4 WW beantwortet werden müssen. Andererseits bieten die zusätzlichen Parameter erst die Möglichkeit für allgemeinere Formulierungen und neue, interessante Thesen. Zum Beispiel könnte man mit dieser Hintergrundenergie die Beobachtungsergebnisse in kosmischen Maßstäben ganz anders interpretieren. DarkEnergie (DE) und DarkMatter (DM) können als die zwei Ufer ein- und desselben universellen Wechselwirkungsprozesses dargestellt werden. Die Singularitäten wären ´weg´ und auch der Urknall wäre vom Tisch.

  48. Die Korrelation ist eine mathematische Wenn-Dann-Beziehung, keine kausale.

    Gibt es Kausalität in der Natur oder ist derart, im Sinne der Humeschen Metaphysik nur behelfsmäßig und Sinn stiftend bei erkennenden Subjekten festzustellen? (Dr. W meint die Antwort, Ihre Antwort, lieber Herr Dr. Schulz, zu kennen.)

    Dr. Webbaer hat sich mit der sog. Verschränkung, die wenn keine sozusagen versteckten Variablen im Spiel sind, das Konzept der Lokalität und damit das Konzept des (Erkenntnissubjekten gewohnten) Raumes direkt angreifen, ein wenig beschäftigt, außerhalb der Naturlehre und nur philosophisch, will auf keinen Fall “irgendwie esoterisch” werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  49. Es gibt auch die Vermutung, dass Wurmlöcher mit Verschränkung zusammenhängen.

    “Die Verbindung von Quantenphysik und Gravitation brachte Maldacena und später Jafferis auf die ER=EPR-Mutmaßung und zu den Wurmlöchern. Die durch ER=EPR unterstellte Beziehung zwischen Tunneln durch die Raumzeit und Quantenverschränkung passt dabei zu der in jüngster Zeit populär gewordenen Ansicht, dass der Raum selbst durch Quantenverschränkungen erzeugt wird.”

    Quelle:
    https://www.spektrum.de/news/wurmloecher-spricht-die-physik-doch-nicht-gegen-zeitreisen/1526907

    Siehe auch Video “Leonard Susskind – Copenhagen vs Everett, and ER=EPR [2016]”:
    https://www.youtube.com/watch?v=LndrOIXG3i8

  50. Kennen Sie sich mit Wahrscheinlichkeitsrechnung aus?

    “Auch heute gilt Lokalität noch als ein Qualitätsmerkmal für gute Theorien. ”

    Der Satz hat mich tief beeindruckt.
    Sie haben ihn gut begründet.
    Und doch ist er vollkommen unverständlich, genauer sind die Physiker,
    die so denken, vollkommen unverständlich.

    Da gibt es den Anton Zeilinger in Wien, der schon sein ganzes Leben lang
    “Nichtlokalität” misst – ohne Mathematik für seine Auswertungen zu brauchen.
    Für mich ist er der Tycho Brahe unserer Zeit.

    Im Gegensatz dazu stehen die Collider-Streuexperimente, die aber wegen der verwendeten Mathematik
    viel angreifbarer sind und das geht so:
    Jeder kennt die Implikation: “Wenn es regnet, ist die Straße nass.”
    Hauptmerkmal einer Implikation: Man kommt nicht zurück:
    “Wenn die Straße nass ist, weiß man nicht, ob es geregnet hat.”

    In der Mathematik entspricht die Bildung des Quadrates einer Implikation.
    Aus a folgt a^2, aber von a^2 kommt man nicht zurück.
    Im Reich der reellen Zahlen gibt es bei der Wurzel-Berechnung zwei Lösungen,
    bei komplexen Zahlen unendlich viele.

    Bei den Streuexperimenten geht man von einem “Ort” f aus und berechnet
    den Formfaktor F und dann |F|, welches man messen kann.

    Und damit hat man folgende Situation:
    Ein punktförmig angenommenes Elektron liefert f ==> F ==> |F| und stimmt mit dem Experiment überein.
    Geht man aber vom Experiment aus, so hat man nur |F| und kann nicht eindeutig auf f schließen.

    Man kann nun glauben, dass ein Elektron punktförmig ist, aber sicher ist das nicht.

    Eine Frage zum Schluss:
    Kennen sie sich mit Wahrscheinlichkeitsrechnung aus?

Schreibe einen Kommentar