Reden wir über Asbestanalytik

Achtung, Asbest!

Teil 2 zur DCONex 2024

Meine Nachlese zur DCONex 2024 ist mir wohl etwas länger geraten, als ich eigentlich wollte. Daher hab ich sie in zwei Teile geteilt. Der erste Teil ist schon online und hier soll jetzt der zweite Teil über die aktuellen Fragen der Asbestanalytik folgen.

Aktuelle Fragestellungen der Asbestanalytik

Es wurde ernst. Ursprünglich sollte diese Session im Roten Saal stattfinden, aber aufgrund des großen Interesses mussten wir in einen größeren Saal umziehen. Mit diesem Themenblock wurde ein großer Bedarf gedeckt. Es wäre schön, wenn die DCONex dies auch auf zukünftigen Veranstaltungen fortsetzt. Ich würde mich gerne wieder als Moderator zur Verfügung stellen.

DCONex 2024
Noch ist der Saal relativ leer, aber er füllte sich Zusehens. Eigenes Foto

Grundlagen der Asbestanalytik

Stefan Pierdzig von der CRB Analyse Service GmbH führte uns in die Asbestanalytik ein. Es ist erstaunlich, wie wenig viele Praktiker draußen von den Vorgängen in den Laboren und von den Problemen bei der Analytik wissen. Eine gute Kommunikation ist der erste Schritt zu einem besseren Ergebnis.

Immer neue Anforderungen an die Analytik

Obwohl Asbest über lange Zeiträume verwendet wurde und die Geschichte der nationalen und internationalen Asbestverbote lang ist, bietet dieser Schadstoff immer wieder neue Überraschungen. Ein Beispiel hierfür ist der Asbest in Straßenbelägen, der ab 2007/2008 zu einem Thema wurde, oder die Diskussion um die sogenannten verdeckten Asbestprodukte wie Fliesenkleber, Putze und Spachtelmassen im Jahr 2015.

Die Liste kann um das Recycling von Gipskartonplatten im Jahr 2017 ergänzt werden. Diese Kartonplatten sind im Normalfall zwar asbestfrei, aber der Fugenspachtel zwischen ihnen ist es oft nicht. Wenn man das Ganze nun recyceln möchte, kann dies zu Problemen führen.

Nur ein Jahr später wurden Asbestfasern in teerhaltigen Dachpappen gefunden, was oft dazu führte, dass diese von den Zementherstellern nicht als Brennstoff angenommen wurden. Das vorläufig letzte Kapitel behandelt die asbesthaltigen Abstandshalter und Mauerstärken im Betonbau. Diese stellen für die Erkundung und den Rückbau ein erhebliches Problem dar, da sie schwer zu finden und abzutrennen sind.

Wie wird analysiert?

In Deutschland ist die Analytik mit Rasterelektronenmikroskop und energiedispersiver Röntgenmikroanalytik (REM / EDX) Standard. In Frankreich wird dagegen meist das Transmissionselektronenmikroskop (TEM) mit EDX und eventuell Elektronenbeugung verwendet. Früher und auch heute noch gelegentlich kommt auch die Lichtmikroskopie, wie zum Beispiel die Polarisationsmikroskopie oder die Phasenkontrastmikroskopie, zum Einsatz. Obwohl in seltenen Fällen auch Infrarotspektroskopie zum Einsatz kommt, spielt diese eigentlich keine Rolle und ihre Genauigkeit ist mehr als fragwürdig.

DCONex 2024
Stefan Pierdzig und der Moderator der Sitzung. Eigenes Foto
Asbest in Materialien

In der Analytik von Asbest sind verschiedene Richtlinien zu beachten, darunter die IFA Arbeitsmappe 7487 (ehemals BIA), die eine Nachweisgrenze von 0,008 Ma% hat und in der Regel für Rohstoffe und daraus hergestellte Produkte wie Asphalt verwendet wird. Das Verfahren ist halbquantitativ.

Technische Produkte werden in der Regel gemäß VDI 3866 Blatt 5 untersucht. Dabei wird entweder ein Bruchflächenpräparat, ein Streupräparat oder eine Staubprobe verwendet, um eine Nachweisgrenze von 1 bzw. 0,1 Ma% zu erreichen. Alternativ kann auch der Anhang B der VDI 3866 verwendet werden, in diesem Fall liegt die Nachweisgrenze bei 0,001 Ma%. Die Methode ist qualitativ und die gefundenen Asbestmengen werden abgeschätzt.

Für Staub kann auch ein halbquantitatives Verfahren nach VDI 3877 Blatt 1 angewendet werden, wobei die Nachweisgrenze bei 36 Faserstrukturen/cm² liegt.

Wenn Bauschutt, Bau- oder Abbruchabfälle untersucht werden sollen, gibt es die Richtlinie 3876 mit einer Nachweisgrenze von 0,05 Ma%. (Kritiker könnten argumentieren, dass die VDI 3866 eigentlich für die Analytik zuständig ist. Nur für die Trennung der Proben in die jeweiligen Kornfraktionen…).

Asbestanalytik von Luft

Es gibt verschiedene Richtlinien für Luftproben, wobei die am häufigsten verwendete die VDI 3492 ist. Unter Standardbedingungen liegt die Nachweisgrenze bei etwa 300 Fasern/m³. Bei Messungen am Arbeitsplatz kann auch die BGI/GUV-I 505-46 verwendet werden. Hier hängt die Nachweisgrenze von dem gezogenen Luftvolumen und der ausgewerteten Filterfläche ab. Die VDI 3492 kann auch auf Flüssigkeiten angewendet werden. Hier hängt die Nachweisgrenze vom gefilterten Volumen ab. Erfahrungsgemäß liegt die Nachweisgrenze in Wasser unter Normbedingungen deutlich unter der Nachweisgrenze in Luft, da im Wasser deutlich mehr unerwünschte Stoffe auf dem Filter landen und diese somit dann nicht mehr auswertbar sind.

Mit diesem Instrumentarium können wir nun jedes Material untersuchen, das Asbest enthält oder aus Asbest hergestellt wurde. Für jedes Material gibt es geeignete Untersuchungs- und Präparationsmethoden. Daher ist es sinnvoll, dem Labor die Art der Probe sowie das Material mitzuteilen. Es ist wichtig zu wissen, um welche Art von Bröckchen es sich handelt, ob Kleber, Estrich oder Faserzement.

Was ist eine Asbestfaser?

Wie ich bereits in früheren Beiträgen erwähnt habe: Asbest ist eine Gruppe von Mineralen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht nur unsere sechs Asbestminerale gefährlich und krebserregend sind. Obwohl die Vielfalt der gesuchten Minerale ihre eigenen analytischen Herausforderungen mit sich bringt, ist dies nicht das eigentliche Problem. Die eigentliche Frage lautet: Wir suchen Asbestfasern. Aber was ist eine Faser? Die Frage ist keineswegs trivial, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Im Folgenden werden die Richtlinien einzeln betrachtet:

VDI 3492

Die VDI 3494, wir erinnern uns, behandelt Luftproben. Hier ist eine Faser definiert als Lang gestrecktes Partikel mit einer Länge von mehr als 5 µm, einer Dicke von weniger als 3 µm sowie einem Verhältnis von Länge zu Dicke von mehr als 3:1. Das entspricht ziemlich genau der Definition einer lungengängigen Faser nach WHO, die daher auch gerne als WHO-Faser bezeichnet wird. Die BGI-GUV-I 505-46 sieht das recht ähnlich. Wenn wir zur DIN EN ISO 16000-7 kommen (DIN EN ISO 16000-7 Norm , 2007-11: Innenraumluftverunreinigungen – Teil 7: Probenahmestrategie zur Bestimmung luftgetragener Asbestfaserkonzentrationen), dann wird es schon etwas schwammiger mit länglichen Partikeln mit einem Länge-Breite-Verhältnis von 3:1. Aber immer noch zumindest erkennbar an der WHO.

VDI 3877

Die VDI 3877 hält es ähnlich einfach, mit lang gestreckten Partikeln mit einem Länge-Dicke-Verhältnis von 3:1. Die DIN ISO 16000-27 Norm, 2014-11: Innenraumluftverunreinigungen – Teil 27: Bestimmung von abgelagerten Faserstäuben auf Oberflächen mittels REM (Rasterelektronenmikroskopie) (direkte Methode) gibt dazu noch einen Durchmesser von 0,2 µm oder größer (wir erinnern uns an das oben gesagte von den Dünnen Fasern. Gehen wir also davon aus, dass diese Grenze fällt).

IFA 7487 und VDI 3866

Wenn wir jetzt von Luftproben und Staub zu den Materialproben kommen, wird es noch schwammiger. Die IFA Arbeitsmappe 7487 nimmt jedes Objekt, das eine Länge von wenigstens 5 µm sowie ein Verhältnis von Länge zu einem mittleren Durchmesser von über 3:1 aufweist.

Die VDI 3866 Blatt 4 sieht Fasern als lang gestreckte Partikel mit einem Länge zu Dicke Verhältnis von wenigstens 3:1 an.

Und es geht noch genauer! Dazu muss man nur die VDI 3866 Blatt 5, also die Richtlinie, nach der wohl die allermeisten Asbestproben untersucht werden (die keine Luft oder Flüssigkeit sind). Nach dieser sind wesentliche Merkmale der morphologischen Beurteilung im REM die deutliche Sichtbarkeit einer Längsspaltbarkeit sowie das damit vorhandene Aufspleißen des Objekts an den Faserenden oder das Vorliegen dünner Fasern (D < 1 µm) mit einem großen Länge-Durchmesser Verhältnis. Alles klar soweit?

Fasertypen

Was also als Faser zählt, ist mitunter nicht ganz einfach. Hier zählt also auch die Erfahrung. Helfen kann dabei, wenn man die verschiedenen Fasertypen klassifiziert. Das kann auch hinsichtlich der weiter unten angeführten so genannten „natürlichen“ oder geogenen Asbeste bei der Einschätzung helfen. Ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft derartige Faserklassifikationen auch in den entsprechenden Regelwerken wiederfinden.

Fasertyp A: Hierunter fallen Fasern mit einem sehr großen Länge zu Durchmesser Verhältnis (> 20:1) sowie einer deutlich erkennbaren Längsspaltbarkeit und Aufspleißen an den Faserenden. Es finden sich auch fasern mit Durchmessern kleiner als 1 µm. Diese Merkmale sind typisch für technisch verwendete Asbestfasern wie etwa Chrysotil, Amosit oder Krokydolith.

Fasertyp B:Hier sind die Fasern meist langstielig prismatisch mit parallelen Längskanten. Das Länge-Durchmesser Verhältnis liegt in der Regel bei 10:1 bis 20:1. Dieser Fasertyp zeigt nur selten ein Aufspleißen an den Enden. Dies ist häufig bei den Amphibolasbesten wie Aktinolith, Tremolit oder Anthophyllit zu beobachten. Diese Asbestfasern sind meist als technische Zusätze in bauchemischen Produkten oder auch über mineralische Füllstoffe wie etwa unreine Marmore in das Material gelangt.

Fasertyp C: Hier handelt es sich meist um kurzstängelige oder kurzprismatische Asbestfasern. Das L/D Verhältnis liegt häufig zwischen 3:1 und 10:1. Längsspaltbarkeit ist oft erkennbar, aber kein Aufspleißen an den Faserenden, die häufig abgerundet sind. Diese Asbestformen sind typisch für die Amphibolasbeste wie Aktinolith, Tremolit, Anthophyllit und Grunerit (Amosit). Die Fasern sind meist durch die mechanische Beanspruchung aus primär nicht faserförmigen akzessorischen (im Falle von Amphiboliten sogar gesteinsbildenden) Asbestmineralen, wie man sie in verschiedenen basischen Gesteinen findet.

Was bedeutet „asbestfrei“?

Das führt zur Frage, was asbesthaltig und was asbestfrei bedeutet. Ein Material gilt als asbestfrei, wenn bei der für das Material empfohlenen Untersuchungsart kein Asbest nachgewiesen wurde („Asbest nicht nachgewiesen“). Ebenso gilt ein Material als asbestfrei, wenn Asbest unterhalb der spezifischen Nachweisgrenze der für das Material empfohlenen Probe nachgewiesen wurde. Letzteres ist jedoch problematisch. Wenn man die Methode mit derzeit niedrigster Nachweisgrenze betrachtet, die VDI 3866 Blatt 5 Anhang B mit rund 0,001 Ma%, kann die Untersuchung bei Nachweis der ersten (!) asbesthaltigen Struktur wie Faserbündel oder Einzelfasern mit dem Befund „asbesthaltig“ abgebrochen werden.Wenn keine entsprechenden Faserstrukturen gefunden werden, muss die gesamte in der Richtlinie geforderte Filter-/Präparatfläche untersucht werden. Erst dann kann der Befund ‘Asbest nicht nachgewiesen’ lauten.

Das führt uns fast nahtlos zur Frage der Grenzwerte für Feststoffe. Denn schließlich müssen wir ja auch irgendwo eine Grenze ziehen, auch wenn es für Asbest, wie für viele krebsauslösende Stoffe, keine absolut sicheren Dosierungen gibt (nur geringere Risiken). Natürlich können wir die Grenzen an die (geschätzten) Nachweisgrenzen der Verfahren koppeln (z.B. VDI 3866 Blatt 5 oder IFA-7487) mit 0,001 oder 0,008 Ma% respektive. Gelegentlich wird dies auch bei Dachpappen oder Straßenaufbrüchen durchgeführt, was oft zu merkwürdigen Verrenkungen führt.

Es gibt auch eine Einstufung als gefährlicher oder nicht gefährlicher Abfall, die bei 0,1 Ma% Asbest liegt. Schließlich gibt es noch die Grenze aus der LAGA M 23 Kapitel 5.1.3 Analytischer Nachweis der Asbestfreiheit, nach der Haufwerke mineralischen Ursprungs als asbestfrei eingestuft werden können, wenn der Beurteilungswert von 0,01 Ma% unterschritten wird. Bau- und Abbruchabfälle, die weniger als 0,01 Ma% Asbest enthalten, können verwertet werden.

Natürlich vorkommende „geogene“ Asbeste

Der „kurze“ Ausflug in die Analytik bringt uns zu den sogenannten geogenen Asbesten und Birgitta Höwing von der Wessling Consulting Engineering GmbH & Co. KG.

Dazu möchte ich noch kurz anmerken, dass zwar alle Asbeste natürlich, also geogen sind, hier mit geogen aber Asbeste bezeichnet werden, die den Stoffen nicht absichtlich zugefügt wurden, um einen bestimmten Effekt damit zu erzielen. Vielmehr sind die „Verunreinigungen“ etwa von Zuschlagsstoffen, in denen sie natürlich vorkommen. Immerhin sind die Minerale, die wir als Asbeste bezeichnen, in vielen Gesteinen akzessorisch vorhanden. In der Regel handelt es sich um Amphibole der Tremolit-Aktinolith Reihe, aber auch andere wie Anthophyllit und seltener die als Amosit und Krokydolith bezeichneten Amphibole Riebeckit und Grunerit. Mitunter kann auch der Serpentin Chrysotil vorkommen.

DCONex 2024
Birgitta Höwing , eigenes Foto.

Aktuelle Rechtslage

Aktuell darf z.B. bis zu 0,1 Ma% an Asbest in neuen Produkten als Verunreinigung vorhanden sein. Allerdings stellt sich die Frage, was es bedeutet, wenn geogener Asbest in Spuren vorhanden ist. Unbekannt ist auch das Faserfreisetzungspotential bei Stoffen, in denen geogene Asbeste in Spuren vorhanden sind. Wir wissen auch nicht, ob diese geogenen fasern ein vergleichbares Gefährdungspotential wie die technisch zugesetzten Fasern haben (auch wenn dies bist zum Beweis des Gegenteils wohl erst einmal anzunehmen ist).

Und ganz besonders spannend ist die Frage nach der Analytik. Wie sind die Analyseergebnisse zu beurteilen und welche Analytik kann uns differenzierende Ergebnisse liefern ( ich möchte hier wieder auf die oben angeführten Fasertypen verweisen).

Die Bestimmung des Massengehalts an Asbest erfolgt gemäß TRGS 517 (Asbest in mineralischen Rohstoffen), die Analytik gemäß IFA 7487. Dabei entspricht der festgestellte Massengehalt nicht zwangsläufig dem Massenanteil der Asbestminerale. Hier wird erst durch eine mechanische Zerkleinerung erkennbar, in welchem Ausmaß Asbestfasern aus den vorhandenen Asbestmineralen entstehen. Das bedeutet, dass sich der Asbest-Massengehalt mit dem Grad der Bearbeitung verändern kann. Gezählt werden nach TRGS 517 Fasern mit den hier schon öfters genannten WHO-Abmessungen, wobei es vollkommen unerheblich ist, ob diese Faser aus einem faserförmigen oder nicht-faserförmigen Asbestmineral freigesetzt wurde.

Da für diese Analytik das Material vor der Untersuchung (in der Regel, es sei denn, es ist ein Pulver mit passender Partikelgröße) auf eine Partikelgröße zerkleinert werden muss, liefert es quasi Ergebnisse für den Worst Case Fall bei der Bearbeitung des Materials mit abrasiven Methoden.

Was bedeuten die Ergebnisse?

Eine Analyse gemäß IFA 7487 ergibt also zwei Ergebnisse. Einmal den Massengehalt der WHO Fasern und einmal den Gehalt an Asbest, ohne Durchmesserbegrenzung.

Das Problem bei neu in den Verkehr gebrachten Stoffen mit Asbest im Zuschlag ist jedoch, dass es seriös nicht möglich ist, aus dem Massengehalt an Asbest auf eine Exposition bei der Bearbeitung zu schließen.

Außerdem gibt es eine deutliche Regelungslücke zwischen der TRGS 517, die sich um Asbest in mineralischen Rohstoffen kümmert und der TRGS 519 für Asbest bei Abbruch, Sanierung und Instandhaltung. Liegt der Arbeitsschutz bei der TRGS 517 zum Beispiel bei 10 000 Fasern/m³, so geht die TRGS 519 bei Arbeits- und Nutzerschutz von 1000 Fasern/m³ aus.

Hier wäre für eine zukünftige Überarbeitung an zudenken, ob man nicht bei Produkten die Freisetzbarkeit prüft und bei Rohstoffen auf Nutzerschutz umstellt. Dazu ein kleines Beispiel: Wenn in einer Spachtelmasse in einem Gebäude Tremolit als Verunreinigung der Rohstoffe durch „geogenen“ Asbest nachgewiesen wird, beschreibt die TRGS 517 den Schutz bei der Tätigkeit hier zur Einhaltung der Akzeptanzkonzentration von 10 000 Fasern/m³. Für den Schutz Dritter müssen aber die 1000 Fasern/m³ der TRGS 519 eingehalten werden.

Welche Richtlinie ist zuständig?

Ich bin hier allerdings eh etwas skeptisch, ob die TRGS 517 überhaupt in dem Fall zum Tragen kommt. Denn wenn man sich den Anwendungsbereich anschaut, kommt da zwar auch die Bearbeitung von Stoffen vor, die aus asbesthaltigen mineralischen Rohstoffen hergestellt wurden. Aber hauptsächlich scheint mir die Gewinnung der Rohstoffe, die Weiterverarbeitung sowie das Recycling angesprochen zu werden. Inwieweit aber eine Sanierung oder Abbruch darunter fällt, ist mir zweifelhaft. Bei der TRGS 519 heisst es zwar „Diese TRGS gilt nicht für Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen mineralischen Rohstoffen und daraus hergestellten Gemischen und Erzeugnissen gemäß TRGS 517.“, aber ich würde mich im Zweifel lieber nicht darauf verlassen. Auch wenn die Schutzmaßnahmen gemäß TRGS 519 sicher ein deutlich höheren Aufwand notwendig machen. Auf jeden Fall besteht hier eine zu schließende Regelungslücke. Hier kann die verantwortliche Entscheidung über die Vorgehensweise nicht mehr von Gutachtern, sondern von behördlicher Seite erfolgen.

Gefährdungspotential der geogenen Asbeste

Das Faserfreisetzungspotenzial bei Tätigkeiten mit geogen asbesthaltigen Stoffen ist noch weitgehend ungeklärt. Hier fehlen tätigkeitsbezogene Messungen. Bisher wurden meist nur Stoffe untersucht, denen Asbest absichtlich zugesetzt wurde. Außerdem ist noch nicht abschließend geklärt, ob die geogenen Asbeste ein vergleichbares Gefährdungspotenzial besitzen wie die technisch verwendeten Asbeste. Erinnern wir uns an die oben genannten Fasertypen: Während technische Asbeste meist den Fasertyp A aufweisen, findet man bei den geogenen Asbesten meist die Fasertypen B und auch C. Aufgrund der hervorragenden Längsspaltbarkeit der Minerale sind aber auf jeden Fall immer auch lungengängige Fasern vorhanden.

Es gibt auch mehr als genug Hinweise auf ein hohes Gefährdungspotential. Ich hatte hier im Blog schon einige Beispiele gebracht (man denke auch an den Fall Neukaledonien).

Im Mesotheliomregister am Institut für Pathologie der RUB Erkrankungen sind Fälle durch Tremolit verzeichnet, die auf die Exposition beim Hausbau oder bei der Feldbestellung in der Türkei zurückzuführen sind.

Geogener Asbest in Baustoffen

Heinz Kropiunik von der aetas Ziviltechniker GmbH in Wien ging in seinem Vortrag ebenfalls auf die Problematik des sogenannten geogenen Asbests ein. Hier wurde zunächst vor allem darauf hingewiesen, dass es bisher vor allem an einer schadstoffspezifischen Definition für geogenen Asbest in Baustoffen fehlt. Dies ist insofern interessant, als dieses Thema, wie hier unschwer zu erkennen ist, zur Zeit sehr kontrovers diskutiert wird.

Was ist geogener Asbest in Baustoffen?

Ausgehend vom Begriff „geogen“ und der Definition von Asbest, wie sie z.B. in der ÖNORM B 3151:2022 oder der TRGS 517 zu finden ist, könnte man geogenen Asbest in Baustoffen wie folgt definieren:

„Asbestminerale Chrysotil, Amosit (als faserige Varietät des Grunerits), Krokydolith (als faserige Varietät des Riebeckits), Anthophyllit, Aktinolith und Tremolit, die infolge geologischer Prozesse in geringen Mengen in Baustoffen aus mineralischen Rohstoffen enthalten sein können.“

Ich würde vielleicht noch ergänzen, dass geogene Asbeste meist in den (oben erläuterten) Faserkategorien B und C liegen, also lang- bis kurzstielig prismatisch sind und eine deutlich sichtbare Längsspaltbarkeit aufweisen.

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Heinz Kropiunik, eigenes Foto

Geogener Asbest in Baustoffen und die Rechtslage

Nachdem wir nun zumindest eine halbwegs brauchbare, wenn auch recht sperrige Definition haben, wie sieht die rechtliche Situation für geogene Asbeste aus? Nehmen wir die REACH-Verordnung (EG 1907/2006), die im Anhang XVII die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung bestimmter Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse beschränkt. In Punkt 6 des Anhangs XVII werden Asbestfasern explizit genannt und die Asbestminerale Chrysotil sowie die 5 Amphibole Aktinolith, Anthophyllit, Tremolit, Amosit und Krokydolith mit ihren CAS-Nummern aufgeführt. Das Inverkehrbringen und die Verwendung dieser Fasern sowie von Erzeugnissen, denen diese Fasern absichtlich (!) zugesetzt wurden, ist verboten.

Dieser Satz könnte nun im Umkehrschluss vermuten lassen, dass alle Produkte, die diese Fasern enthalten, denen sie aber nicht absichtlich zugesetzt wurden (aka geogener Asbest), legal sind und somit uneingeschränkt in Verkehr gebracht und verwendet werden dürfen.

Doch so einfach ist die Sache nicht. So beschränkt Punkt 28 des Anhangs XVII ausdrücklich die Verwendung und das Inverkehrbringen von Stoffen, die gemäß Verordnung (EU) 1272/2008 (CLP-Verordnung) als krebserzeugend der Kategorie 1A oder 1B eingestuft sind. Und unsere 6 Asbestminerale sind gemäß Tabelle 3.1 des Anhangs VI der CLP-Verordnung der Kategorie 1A zugeordnet.

Unter Punkt 28 wird weiter ausgeführt, dass diese krebserzeugenden Stoffe der Kategorie 1A nicht in Einzelkonzentrationen von mehr als 0,1 Ma% verwendet werden dürfen.

Gibt es Mengenunterschiede zwischen technischem und geogenem Asbest?

Ein weiterer Punkt, der hier aufgeworfen wurde. Es ist noch nicht geklärt, bis zu welchen Untergrenzen von „asbesthaltigen technischen Produkten“ gesprochen werden kann. Welche Asbestgehalte muss ein Produkt mindestens aufweisen, um die jeweiligen technischen Eigenschaften in eine gewünschte Richtung zu verändern? Dies ist vermutlich auch darauf zurückzuführen, dass technisch eingesetzter Asbest eine Vielzahl von Produkteigenschaften positiv beeinflussen soll.

Von der Hitzebeständigkeit über die elektrische Isolierung, die Zugfestigkeit oder einfach die Haftung von Putzen auf Oberflächen und deren geschmeidige Verarbeitbarkeit und vieles mehr. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Asbestgehalte. Diese reichen von fast 100 Ma% Asbest bis hin zu möglicherweise 0,01 Ma%, wobei letzteres auch nur eine Vermutung ist.

Das Gleiche gilt für den Bereich der Kontamination durch geogene Asbeste, der vermutlich (aber auch das ist nur eine unbelegte Annahme) unter 1 Ma% liegen dürfte. Und ja, mir ist bewusst, dass es per Definition in Deutschland keine Rohstoffe gibt, die mehr als 0,1 Ma% Asbest enthalten. Nur wäre ich da nicht so sicher, zumindest bei lokalen Kleinvorkommen. Außerdem reden wir hier durchaus im internationalen Kontext. In den metamorphen Zonen kann schon einiges zusammenkommen. Die Geschichte mit der Vermiculitmine in Libby oder in Neukaledonien zeigt, wie das ausgehen kann.

In welchen Baustoffen können geogene Asbeste vorkommen?

Wo finden wir geogenen Asbest und vor allem: Wie um alles in der Welt ist er dorthin gelangt? Zunächst muss man wissen, dass unsere Asbestminerale alle natürlichen Ursprungs sind. Das heißt, auch die technischen Asbeste, die wir verwenden, sind geologisch entstanden und irgendwo bergmännisch abgebaut worden. Natürlich werden sie vor der technischen Verwendung aufbereitet und gereinigt, aber das ändert nichts an ihrem natürlichen Ursprung.

Auch wenn für die technische Verwendung meist nur die wirklich perfekt ausgebildeten Asbeste verwendet wurden, so kommen in den verschiedenen Gesteinen auch deutlich weniger perfekt ausgebildete Asbestminerale vor.

Rohstoffe

Dies gilt insbesondere für basische magmatische Gesteine wie Basalte, Diabase oder Gabbro. Asbesthaltige Minerale können auch in verschiedenen metamorphen Gesteinen auftreten, hier z.B. in serpentinisierten ultrabasischen Gesteinen oder, man mag es kaum vermuten, in unreinen Marmoren, d.h. Marmoren, die aus Kalken mit silikatischen Anteilen entstanden sind. Dies sind nur einige, die Aufzählung ließe sich noch erheblich verlängern.

Bei der Bearbeitung dieser mineralischen Rohstoffe besteht immer die Gefahr, dass der darin eingeschlossene Asbest als lungengängige Faser freigesetzt wird. Die entsprechenden Schutzmaßnahmen sind in der TRGS 517 geregelt.

Werden diese Rohstoffe nun als Zuschlagstoffe für die Herstellung von Baustoffen verwendet, kann der darin enthaltene Asbest quasi als Trittbrettfahrer auch in die Bauprodukte gelangen. Auch wenn für die Verwendung der betreffenden Rohstoffe die REACH-Verordnung gilt, nach der die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Stoffen, Zubereitungen und Erzeugnissen nur bis zu 0,1 Ma% erlaubt ist.

Und so finden wir unsere geogenen Asbeste in Putzen, Fliesenklebern und Spachtelmassen, aber auch in PVC-Bodenbelägen und anderen Produkten, in denen entsprechende mineralische Zuschlagstoffe verwendet werden. Mit allen analytischen Problemen, die geogene Asbeste hier mit sich bringen (siehe oben).

Tunnelbau

Geogene Asbeste sind aber nicht nur als Trittbrettfahrer in Bauprodukten problematisch. Vor allem in den Alpenländern können asbesthaltige Gesteine zum Teil großflächig auftreten (das gilt auch für andere Länder mit entsprechender Geologie!). Als Beispiel nannte der Referent einen Tunnelbau mit Sprengvortrieb in einem Hornblendeschiefer in Österreich, bei dem Belastungen von 10.000 bis 15.000 Fasern/m³ festgestellt wurden. Es wurde jedoch kein Massengehalt des Gesteins in diesem Bereich ermittelt. Es wurde von einem Gehalt nahe der Nachweisgrenze der Methode nach IFA 7487 ausgegangen.

Natursteine und Steinmetzarbeiten

Bei den Natursteinen sind auch die verschiedenen in der Architektur beliebten Gesteine zu nennen. Auch hier können viele natürliche Asbestminerale enthalten, die bei der Bearbeitung freigesetzt werden können. Wer mit diesen Gesteinen umgeht, sollte sich deshalb entsprechend schützen. Erstaunlich ist allerdings, dass die Gruppe der Steinmetze in der Statistik der exponierten Berufe nicht gesondert auftaucht. Hier stellt sich die Frage, ob bei der Bearbeitung der entsprechenden Gesteine keine nennenswerte Exposition auftritt? Oder spielt hier der Selbstschutz ohnehin eine große Rolle, man denke nur an die Exposition durch Quarzstaub.

Wie sind geogene Fasern in Baustoffen zu bewerten?

Es erscheint daher nicht ganz trivial, geogene Asbestminerale in Baustoffen hinsichtlich ihres Gefährdungspotenzials zu bewerten. Dies umso mehr, als die Gehalte oft im Bereich der heutigen Analysemethoden liegen. Ob die hier behandelten faserförmigen Minerale ein dem technischen Asbest vergleichbares Gefährdungspotential aufweisen, ist noch unklar. Man sollte sich aber nicht in falscher Sicherheit wiegen, denn es gibt zumindest aus meiner Sicht genügend Hinweise, dass dies der Fall ist. Ich hatte das Thema hier schon mehrfach in anderen Zusammenhängen, sei es über die Exposition in Neukaledonien oder vor wenigen Wochen über Erkenntnisse, dass Asbestminerale auch bei Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielen. In all diesen Fällen waren es im Wesentlichen die geogenen Asbeste, um die es hier geht. Hier einen vernünftigen, sicheren und auch praktikablen Weg zu finden, dürfte eine Aufgabe für die Zukunft sein.

Grenzen der Asbestanalytik

In der zweiten Sitzung zu dieser Vortragsreihe ging es hauptsächlich um die Grenzen der Asbestanalytik, aber auch um die Qualitätskontrolle durch verdeckte Ringversuche oder um die Automatisierung der Analytik

Grenzen der Asbestanalytik

Markus Mattenklott vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) in Sankt Augustin ist in der Welt der Asbestanalytiker wohl so etwas wie eine lebende Legende. Er zeigte uns die Grenzen der REM-EDX-Methode für Asbestproben aus der Luft und aus Materialien auf.

Nachweisgrenzen bei Luftproben

Das Problem bei der Asbestanalyse von Luftproben (wie auch bei vielen anderen Asbestproben) besteht darin, dass es sich um ein statistisches Verfahren handelt. Ein Filter mit einer definierten Fläche wird mit einem definierten Luftvolumen beaufschlagt. So kann man eine bestimmte Fläche mit einem bestimmten Volumen in Beziehung setzen. So weit, so einfach.

Das bedeutet auch, dass die Nachweisgrenze, die ausgewertete Filterfläche und das abgesaugte Luftvolumen miteinander in Beziehung stehen.

Aber alle Partikel, die in einem Luftvolumen statistisch verteilt sind, finden wir auch statistisch verteilt auf der Filterfläche wieder. Man kann also relativ einfach von den auf einer bestimmten Filterfläche gefundenen Partikeln auf die Konzentration der betreffenden Partikel in dem durch die Filterfläche repräsentierten Luftvolumen schließen. Aufgrund der statistischen Verteilung der Partikel auf der Filterfläche erhalten wir aber immer nur einen Zufallswert.

Wie kommen wir nun von diesem Zufallswert zu einer möglichst genauen Aussage über die Konzentration in der Luft? Hier hilft uns die Anwendung der Poisson-Statistik, die die Abweichung der bei der Analyse gemessenen Partikelzahl vom „wahren“ Wert beschreibt.

Die Nachweisgrenze dieser Verfahren ist die Faserkonzentration, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % unterschritten wird, wenn auf der ausgewerteten Filterfläche keine Faser gefunden wurde.

DCONex 2024
Markus Mattenklott. Eigenes Foto

Nachweisgrenzen bei Materialproben

Für die Untersuchung von Materialien gilt prinzipiell Ähnliches. Auch hier gilt, dass selbst in Produkten mit technischem Asbest die einzelnen Fasern je nach Asbestgehalt sehr statistisch verteilt sein können. Während dies bei vielen Produkten mit höheren Gehalten praktisch keine Rolle spielt, da immer irgendwo eine Faser zu finden sein wird, kann dies bei geringen Gehalten problematisch werden.

Hier können verschiedene Techniken eingesetzt werden, von der Homogenisierung und Analyse als Streupräparat, um einzelne Fasern gut sichtbar freizulegen, bis hin zur Veraschung und Säurebehandlung, um störende Bestandteile zu entfernen und die „gewünschten“ Fasern anzureichern.

Letztlich haben wir aber auch hier das Problem, dass die zu findenden Fasern statistisch über die Präparatoberfläche verteilt sind. Leider lässt sich die Nachweisgrenze bei solchen Proben nicht so einfach berechnen wie bei Luftfiltern, so dass wir auf Schätzungen angewiesen sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine Fasern gefunden wurden. Sobald wir eine ausreichende Anzahl von Fasern gefunden haben, wird es etwas einfacher.

Denn die Nachweisgrenze wird durch die gefundenen oder eben nicht gefundenen Fasern bestimmt. Und wenn wir keine Fasern gefunden haben, kennen wir natürlich auch nicht deren Abmessungen, so dass wir uns hier mit allerlei Annahmen behelfen müssen.

Welche Verfahren sind sinnvoll?

Nun könnte man natürlich meinen, dass man für alle Fälle einfach das Verfahren mit der niedrigsten Nachweisgrenze nimmt, aber leider ist nicht jedes Verfahren für jeden Asbestgehalt geeignet, oder vereinfacht gesagt: Wer benutzt schon eine Lupe, um einen Berg zu finden?

Für die meisten Produkte mit technischem Asbest sind daher die „normalen“ Analyseverfahren wie Bruchflächen- oder Streupräparat völlig ausreichend, da deren Asbestgehalte in der Regel deutlich über 1 Ma% liegen.

Bei mineralischen Rohstoffen sollte in der Regel auch die Methode nach IFA/BIA 7487 mit einer Nachweisgrenze von 0,008 Ma% ausreichen. Hier haben wir auch eine Untergrenze von 0,1 Ma%.

Problematisch wird es immer dann, wenn wir keine Grenze nach unten haben. Das gilt für Produkte oder Materialien mit zum Teil sehr geringen Gehalten, wie unsere Putze, Spachtelmassen und Fliesenkleber, vor allem aber für den Themenkomplex Bauschutt und dann Recyclingmaterial. Hier stellt sich einfach die Frage, bis zu welcher Nachweisgrenze muss man hier analysieren und welcher Aufwand ist hier vertretbar?

Definition „Asbest“ und „Asbestfaser“

Auch hier stellt sich wieder die Frage, was als Asbest und was als Asbestfaser zu betrachten ist. Das ist das alte Problem, das wir in der Analytik durchaus häufiger haben, weil sich die verschiedenen Richtlinien hier nicht unbedingt einig sind. Das ist auch in den bisherigen Beiträgen immer wieder angeklungen.

Nach der TRGS 517 z.B. werden als Asbestfasern solche Fasern bezeichnet, die nach ihrer chemischen Zusammensetzung den sechs Asbestmineralen zuzuordnen sind und die nach ihren Abmessungen als WHO-Fasern gelten. Wir erinnern uns. Das sind die Fasern, die nach der Definition der WHO als lungengängig gelten. Also Länge > 5 µm, Durchmesser < 3 µm und L/D > 3/1.

Dabei ist es völlig unerheblich, ob die betreffende Asbestfaser aus einem faserförmigen oder nichtfaserförmigen Vorkommen eines Asbestminerals (z.B. bei der Probenaufbereitung) freigesetzt wurde. Eine solche Unterscheidung kann analytisch an einem einzelnen Partikel nicht mit Sicherheit getroffen werden.

Dies kann im Extremfall dazu führen, dass Fasern je nach herangezogener Richtlinie unterschiedlich bewertet werden. Was also nach TRGS 517 als Asbestfaser gilt, muss nicht zwangsläufig auch nach VDI 3866 Blatt 5 als Asbestfaser gelten.

Weiterhin stellt der Massengehalt an Asbest nach TRGS 517 auch nicht den Massenanteil der Asbestminerale dar. Erst durch die mechanische Zerkleinerung bei der Aufbereitung wird erkennbar, in welchem Umfang aus den Asbestmineralien Asbestfasern entstehen. Der Massengehalt an Asbestfasern kann sich daher je nach Aufbereitung des Materials ändern.

Nach der TRGS 517 sind asbesthaltige Materialien mineralische Rohstoffe und daraus hergestellte Gemische, in denen Asbest nachgewiesen wurde. Ein Material ist also dann als asbesthaltig anzusehen, wenn ein positiver Nachweis vorliegt. Asbestfreiheit wird hier also nicht definiert.

Bestimmung der Massengehalte an Asbest

Die Bestimmung des Massengehaltes an Asbest in Materialproben ist im Prinzip wie bei den Luftfiltern ein statistisches Verfahren. Allerdings wird hier in der Regel eine wesentlich größere Fläche abgesucht. Jede gefundene Faser wird vermessen. Kennt man ihre Abmessungen, so kann man (zumindest näherungsweise) auch die Masse der Faser bestimmen. Auch hier hilft die Poisson-Statistik, die ermittelten Massengehalte haben einen Vertrauensbereich, ganz ähnlich wie bei den Luftproben.

Es zeigt sich immer wieder, dass die Amphibolfasern oft massereicher sind als die Chrysotilfasern. Bei gleicher Länge sind sie oft deutlich dicker. Es ist auch nicht realistisch, vom Massengehalt auf das Freisetzungspotential der Fasern zu schließen. Dazu ein kleines Beispiel.

Betrachtet man drei Materialien mit gleichem Massengehalt von z.B. 0,01 Ma% Asbest, so ergibt sich folgendes Bild

Die Spachtelmasse mit 0,01 Ma% Chrysotil hat Fasern mit den Abmessungen D = 0,4 µm, L= 15 µm und besitzt rund 20 000 Fasern pro mg Material.

Eine Farbe zum Beispiel mit 0,01 Ma% Anthophyllit hat Fasern mit D = 0,8 µm, L = 22 µm und rund 6900 Fasern pro mg Material.

Ein Beispiel

Betrachten wir einen Zuschlagsstoff mit 0,01 Ma% geogenem Asbest mit Fasern 2,5 µm Durchmesser und 18 µm Länge, so finden wir nur mehr 920 Fasern pro mg Material.

Man kann also leicht erkennen, dass wir bei gleichem Massengehalt an Asbest sehr unterschiedliche potenzielle Faserkonzentrationen haben.

Das kann durchaus problematisch sein, denn wenn wir über Grenzwerte für Asbestgehalte in Materialien sprechen, dann sprechen wir in der Regel über Massengehalte an Asbest.Wenn wir aber einen Grenzwert für den Massengehalt festlegen, dann werden Materialien mit wenigen, aber dickeren Fasern wahrscheinlich eher verboten als Materialien mit vielen, aber dünneren Fasern.

Was hat also der Massengehalt von Asbest mit dem Gefährdungspotenzial zu tun? Ab welchen Gehalten sind welche Maßnahmen erforderlich und gibt es so etwas wie eine Unbedenklichkeitsgrenze? Und wer darf sie festlegen? Aber welche Alternativen zum Massengehalt gibt es?

Qualitätskontrolle von Laboren durch verdeckten Probenversand

Dann kommen wir zu der Frage, wie man die Qualität der Analytik und der Laboratorien sicherstellen kann. Dazu sind Ringversuche ein probates Mittel, aber im Normalfall, also wenn alle wissen, dass sie getestet werden, bekommt man eigentlich kein genaues Bild von den Problemen, die es gibt. Denn im Normalfall weiß ich, was ich habe. Ich wende also bewusst oder unbewusst viel mehr Zeit und Arbeit auf. Außerdem sind die Materialien in der Regel sorgfältig zusammengestellt. Das bedeutet aber auch, dass sie oft nur sehr wenig mit den normalen Proben aus der Praxis zu tun haben.

Deshalb ist es an sich schon eine gute Idee, zusätzlich verdeckte Proben einzusenden. Vor allem, wenn diese Proben auch aus Materialien bestehen, wie sie im Laboralltag vorkommen. Meiner Meinung nach ist das eine sehr gute Möglichkeit, Probleme bei der Probenbehandlung und der Analytik im Alltag aufzudecken.

Zur Zeit ist die Schweiz meines Wissens das einzige Land, in dem solche verdeckten Ringversuche durchgeführt werden. Patrick Steinle von der SUVA, der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt, wusste dazu einiges zu berichten.

Teilnehmer an diesem verdeckten Probenversand sind die Laboratorien, die auf der Laborliste der SUVA stehen. Anlass für die Idee waren sporadisch auftretende widersprüchliche Analysenergebnisse, wie wir sie auch hierzulande kennen. Sie sind oft schwer erklärbar. Zudem stehen die Laboratorien unter großem wirtschaftlichem und meist auch zeitlichem Druck, so dass ein gewisser Gegendruck bezüglich Qualität als notwendig erachtet wird. Dies gilt in der Schweiz mit ihrem teilweise absurden Preiskampf unter den Laboratorien noch mehr als hier in Deutschland.

DCONex 2024
Patrick Steinle. Eigenes Foto

Alltagsproben zeigen Probleme im Laboralltag

Hinzu kommt, dass die üblichen Ringversuche – ich hatte es eingangs erwähnt – oft kein gutes Abbild der Laborrealität sind. Die Materialien sind oft künstlich hergestellt, die Aufgaben gehen auch gerne am Laboralltag vorbei, z.B. der Nachweis einer zweiten Asbestart, die in Spuren vorhanden ist.

Da jeder weiß, dass es sich um Ringversuche handelt, wird mit hoher Sicherheit mehr Zeit und Aufwand in die Präparation und natürlich auch in die Analytik gesteckt. Kaum eine normale Kundenprobe würde so viel Aufmerksamkeit erhalten, da machen wir uns nichts vor.

Im Gegensatz dazu stammen die Proben der verdeckten Ringversuche meist von Baustellen in der Schweiz, repräsentieren also alltägliches Material. Sie stammen von unverdächtigen Adressen aus der Schweiz (wobei das meines Wissens auch anders sein kann, was dann zu anderen Problemen führt). Es kann sich auch um relativ seltenes und relativ schwieriges Material handeln. Ich erinnere mich an den Fall einer Akustikplatte, der hier auch von Patrick Steinle geschildert wurde.

Diese enthielt neben KMF und organischen Fasern auch ca. 0,5 Ma% Amosit. Hier musste man sehr genau hinschauen. Ich hatte die Probe (zum Glück?) nicht auf dem Tisch, aber ich erinnere mich noch mit gemischten Gefühlen an meine Anfänge in der Asbestanalytik, als mir ein Kunde einen Sokalith brachte. Das war eine in der DDR sehr beliebte Leichtbauplatte, die neben organischen Fasern und KMF auch einige Ma% Chrysotil enthielt. Auch bei diesem Material kann man schnell Fehler machen, wenn man zu voreilig ist.

Dies scheint auch bei der Schweizer Platte der Fall gewesen zu sein. Nicht weniger als 8 Laboratorien lieferten hier falsche oder fehlerhafte Analysen ab.

Verbesserungen?

Diese verdeckten Probensendungen werden nun seit 2019 durchgeführt. Es zeigt sich eine gute Tendenz zu deutlich weniger Fehlern. Dies kann mehrere Gründe haben. Zum einen werden Labore, die (zumindest zu viele) Fehlanalysen geliefert haben, von der Liste gestrichen und nehmen somit an weiteren Runden nicht mehr teil.

Zum anderen haben die Laboratorien, die fehlerhafte Analysen geliefert haben, die aber noch nicht zum Ausschluss geführt haben, Maßnahmenpläne vorgelegt, wie sie in Zukunft die Prozesse hinsichtlich der Analysenqualität verbessern wollen. Das ist ja eigentlich das Ziel. Insofern wäre es nicht verkehrt, auch verdeckte Probeneinsendungen von anderer (z.B. nationaler) Ebene durchzuführen.

Auf der anderen Seite wurde in den letzten beiden Runden auf schwierige Proben mit geringen Asbestgehalten verzichtet. Auch das mag zu einer verringerten Fehlerquote beigetragen haben.

Natürlich besteht auch immer die Möglichkeit, dass die Labore mittlerweile die Testproben als solche erkennen und entsprechend sorgfältig behandeln.

Noch ein Problem in der Schweiz ist, dass es keine gesetzliche Grenze gibt, unterhalb derer ein Material trotz Nachweis als asbestfrei gilt. Hier sind also die Grenzwerte direkt an die Nachweisgrenzen gekoppelt. Das kann durchaus auch zu Problemen führen. Zu aller erst müssen aber die Laborberichte einen „Disclaimer“ enthalten: „Asbesthaltige Materialien sind unabhängig vom Asbestgehalt ordnungsgemäß zu behandeln und zu entsorgen. In der Schweiz existiert keine gesetzliche Gehaltsgrenze, unterhalb derer ein Material trotz Nachweis als asbestfrei gilt“.

Künstliche Intelligenz und die Auswertung von Asbestproben

Den letzten Vortrag des Tages hielt Asmus Meyer-Plath von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) über die computergestützte Analyse von Asbestproben. Dieses Thema wird uns wohl in der nächsten Zeit noch sehr beschäftigen. Es sind aber noch einige Hürden zu nehmen, bis wirklich brauchbare maschinengestützte Asbestanalysen zur Verfügung stehen.

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Asmus Meyer-Plath. Eigenes Foto

Warum computergestützte Asbestanalytik?

Das „Warum“ ist im Prinzip schnell erklärt. Wie Stefan Raab einmal so schön gesagt hat: „Der Gerät wird niemals müde!“

Ich versuche es kurz am Beispiel der neuen Asbestrichtlinie (ich hatte mehrfach darüber gebloggt) zur Feinstaubzählung zu erläutern. Neben vielen Fragen, die sich hier stellen, dürfte der sehr deutliche Anstieg des Auswerteaufwandes für die Prüfer im Labor am deutlichsten spürbar sein. Gegenüber dem heutigen Stand könnte sich der Aufwand bei einer neuen Untergrenze von Fasern bis 50 nm (statt wie heute 200 nm) um etwa das 16-fache erhöhen.

Betrachtet man die oft unrealistischen Zeitvorstellungen mancher Kunden für Luftfilter, so wird schnell klar, dass wir hier auf ein Zeit- und Personalproblem (Stichwort: Fachkräftemangel) zusteuern, von den steigenden Analysekosten ganz zu schweigen.

Hier liegen die großen Chancen einer Automatisierung der Asbestanalytik. Sie könnte die Messzeit und damit die Kosten erheblich reduzieren. Gleichzeitig würde sich die Zählstatistik verbessern und die Prüfer würden von ermüdenden Routinearbeiten entlastet.

Was wird für eine Automatisierung der Asbestanalytik benötigt?

Für die Automatisierung der Analytik sind zunächst ein softwaregesteuertes REM und ein softwaregesteuertes EDX sowie Messkonventionen für eine zuverlässige Bild- und Spektrenauswertung erforderlich. Weiterhin werden ein künstliches neuronales Netz zur Lokalisierung und Vermessung von Objekten und entsprechende Algorithmen zur morphologischen Klassifizierung dieser Objekte und der zugehörigen Elementspektren benötigt.

Außerdem müssen die Messvorschriften von Richtlinien wie z.B. der VDI 3492 automatisiert werden. Die Ergebnisse müssen durch sachkundige Personen überprüft und die Verfahren anschließend durch Ringversuche validiert und kontrolliert werden.

Das BauA sucht dazu noch Partnerschaften für den Software Test und für weitere Hardware-Kombinationen (REM und EDX Systeme). Die Software soll, wenn sie denn einsatzbereit ist, über die Webseite der BAuA und der DGUV bereitgestellt werden, ebenso die zugehörige Faserdatenbank.

Fazit

Es war wieder eine sehr anstrengende Veranstaltung, aber es hat mir sehr viel Spaß gemacht, einen Teil des analytischen Blocks zu moderieren. Der neue Veranstaltungsort hat sich aus meiner Sicht sehr bewährt. Die Fachausstellung ist relativ zentral gelegen und bietet dadurch nicht nur kurze Wege und viele Gespräche, sondern auch eine angenehme Atmosphäre. Die Räumlichkeiten für die Vorträge waren angenehm und die Akustik gut. Den neuen Veranstaltungsort halte ich für eine positive Entwicklung.

Die Themen waren wieder sehr breit gefächert. Hier stach besonders der Bereich der Asbestanalytik hervor, ich denke, das merkt man auch an den beiden Blogbeiträgen. Aber das ist halt mein Schwerpunkt, es tut mir leid für alle Beiträge, die ich verpasst habe. Irgendwo muss man sich hier leider entscheiden. Auf der anderen Seite ist das aber auch ein Vorteil und wird der Vielfalt der Gebäudeschadstoffe gut gerecht. Ich werde versuchen, im nächsten Jahr wieder dabei zu sein, wenn ich darf, gerne auch wieder als Moderator.

Weitere Bilder von der DCONex sind unter https://flic.kr/s/aHBqjBbM1t zu finden

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

3 Kommentare

  1. Verhältnis von Dicke zu Länge von mehr als 3:1

    Verhältnis von Länge zu einem mittleren Durchmesser von über 3:1

    Die erste Aussage müßte gedreht werden.

  2. Zum Verständnis:
    “Dabei ist es völlig unerheblich, ob die betreffende Asbestfaser aus einem faserförmigen oder nichtfaserförmigen Vorkommen eines Asbestminerals (z.B. bei der Probenaufbereitung) freigesetzt wurde.”

    Ich dachte immer, dass die Form des Asbest Partikels seine Gefährlichkeit ausmacht.

    Bitte um Aufklärung.

    • Es zählt alleine die Form und die Abmessungen, nicht die Herkunft. Hier spielt die Tatsache mit rein, dass in Rohstoffen nicht alle Minerale, die wir unter den Asbesten zusammenfassen, auch automatisch faserförmig oder gar Lungengängig sein müssen. Durch Bearbeitung entstehen dann erst die lungengängigen Fasern.

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