Borderline: Im Herzen eines Menschen mit Persönlichkeitsstörung

Meine 19-jährige Schwester Penelope lebt seit Jahren mit Depressionen und überschäumenden Emotionen. Jetzt ist sie aber seit ein paar Monaten in Therapie und hat im Zuge dessen eine spannende neue Diagnose bekommen: Sie hat Borderline. Für mich als Angehörige war diese Erkrankung erst einmal ein großes Rätsel, und ich konnte mir nicht vorstellen, was das genau für sie bedeutet. Auf meine Frage hin meinte sie nur, ich solle doch einfach googeln. Aber habt ihr schon mal ein Krankheitsbild gegoogelt? Das ist das Schlimmste, das man in so einer Situation tun kann. Nach etwa 5 Minuten Querlesen auf Wikipedia war ich überzeugt, dass meine Schwester todkrank ist. Also habe ich sie mir im letzten Familienurlaub einmal vorgenommen und mit Fragen gelöchert. Im Nachhinein haben wir für diesen Blog ein Interview geführt, der genau die Fragen beantwortet, die ich am Anfang hatte.

Zuerst als theoretische Einleitung: Borderline ist eine Persönlichkeitsstörung, bei der es Betroffenen schwerfällt, ihre Emotionen zu kontrollieren. Sie schwanken von extremen Hochstimmungen zu extremen Tiefstimmungen, ohne viel Überleitung. Dabei bewegen sich sowohl die Glücksmomente als auch die Trauermomente außerhalb der “normalerweise” wahrgenommenen Intensität. Um mit diesen starken Gefühlen umzugehen, kann es bei Borderline zu selbstverletzendem Verhalten kommen. Typischerweise lösen Traumata oder schlimme Erfahrungen in der Kindheit diese Persönlichkeitsstörung aus. Biologisch betrachtet weisen Betroffene eine vergrößerte Amygdala und einen vergrößerten Hippocampus auf. Das sind die Bereiche, die mit Emotionen und deren Verarbeitung zu tun haben.

Jetzt aber zu den Erfahrungen meiner Schwester, die Borderline viel besser verdeutlichen können.

Wie nimmst du deine Emotionen wahr?

Gefangen in einem Down

Das Interessante bei Borderline ist, dass man verschiedene Stresslevel hat. Man teilt das ein in 0-30, 30-70 und alles über 70 ist Hochstress. Ich selber habe das für mich noch einmal kleiner unterteilt. Allerdings fühlt es sich für mich immer an, als würde ich von null auf Hundert steigen. Aber eigentlich ist es gar nicht so. Ein Down baut sich über Stunden auf. In der Therapie gehen wir deswegen immer den ganzen Tag durch und schreiben ganz genau auf, was ich gemacht habe und was ich dabei gefühlt habe. Das Ziel ist nämlich, dass ich frühzeitig erkenne, dass ich auf dem Weg zu einem Down bin und die entsprechenden Skills nutzen kann. Bei meinem letzten Down ging der Tiefpunkt nur etwa eine Stunde lang. Und weil ich noch nicht so gut darin bin, meine Skills zu nutzen, um aus dem Tief zu kommen, habe ich mich an den Computer gesetzt und alle meine Gedanken aufgeschrieben. Für mich ist das wie ein tiefes Durchatmen. Glücklicherweise geht es bei Borderline aber auch wieder hoch. Anders als bei Depressionen, bei denen es dir für Tage, Wochen, Monate schlecht geht. Bei Borderline hält ein Down nicht zu lange vor, und ich weiß, es wird auch wieder besser. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass es wieder runtergeht, und davor habe ich manchmal schon Angst.

Die Stadt im Herzen steht in Flammen

Außerdem dissoziieren manche Borderliner während eines Downs. Sie katapultieren sich aus ihren Gedanken heraus, wenn ein Down zu intensiv wird. Das kann im kleinen Rahmen sein, aber auch drastischer. Ich hatte es einmal, dass ich tatsächlich wie von außen auf mich draufgeschaut habe und beobachten konnte, was ich tue. Dissoziieren ist eigentlich ein Schutzmechanismus, den sich Borderliner angeeignet haben. Allerdings ist es nicht wirklich sinnvoll. Wenn man sich ein Down vorstellt wie ein brennendes Haus, dann bringt es ja auch nichts, die Tür hinter dem Inferno zu schließen. Genauso ist es mit dem Dissoziieren. Wenn man sich aus dem Down rauskatapultiert, dann hat man immer noch nicht das Problem gelöst. Um wieder in seinen Körper und seine Gedanken hineinzukommen, hilft ein Snap in Form eines sehr starken Reizes. Bei mir sind es saure Bonbons.

Jetzt haben wir lange über Tiefpunkte geredet, wie sehen denn deine Hochpunkte aus?

Engel und Teufel streiten um die Seele

Die Stresslevel, die ich vorhin erwähnt habe, gelten natürlich nicht nur für schlechte Stimmungen, sondern auch für Euphorie. In Hochpunkten gibt es Momente, in denen ich mich verdammt gut fühle. Aber das ist nicht gut, weil es zu stark ist, zu intensiv. Menschen, die das nicht verstehen können, werden dadurch häufig verschreckt. Ich bin dann so euphorisch, bis zu einem Punkt, dass Außenstehende denken, ich sei betrunken, weil ich mich so verhalte. Ich fange an zu torkeln oder lege mich auf den Boden. Weil es mir einfach egal ist, was andere von mir denken. Ich bin zu glücklich. Später ist es wie ein Erwachen nach einem Alkoholrausch. Wenn alles wieder in Perspektive rutscht und mir auffällt, dass ich mich unangenehm verhalten habe. Ich mag diese Situationen nicht, weil Mitmenschen mich dafür verurteilen würden. Wenn ich in einem sicheren Raum bin mit meinen besten Freunden, dann kann ich mich auch fallen lassen. Die verstehen dann, dass das einfach normal ist bei meinem Krankheitsbild. Im normalen Alltag muss ich das unterdrücken und meine Emotionen konstant regulieren. Es ist aber super anstrengend, mich immer zu kontrollieren. Aus meiner Gefühlsachterbahn eine Ebene zu gestalten, laugt mich sehr aus. Deswegen ist es so doof, dass im normalen Alltag kein Raum ist, um meine Hochpunkte einfach so zu leben, wie sie kommen. Die Schule ist kein Ort, und ich wette, später die Uni oder Ausbildung wird ähnlich wenig Platz dafür bieten. Die Gesellschaft ist nur auf psychisch und physisch gesunde Menschen ausgelegt.

Wie wirkt sich Borderline auf dein Sozialleben aus?

Hass mich, lieb mich. Das fasst es im Grunde zusammen. Ich bin da so ein Bilderbuch-Beispiel. Bei mir nimmt Borderline Einfluss auf die Stärke von Freundschaften und auch auf die Dauer. Sehr typisch für Borderline sind sehr enge Freundschaften, die aber auch super schnell wieder verklingen. Und das ist bei mir genauso. Also ich habe es so oft, dass ich bei Leuten denke “ahh, die sind so toll”, und eine Woche später denke ich mir “bitte, bitte, bitte lass mich lieber in Ruhe”. Bei mir ist das ein Schutzmechanismus, weil ich nicht will, dass mir jemand zu nahe kommt. Ich reagiere dann wirklich genervt. Und wenn ich dann so snappe, tut mir das wirklich, wirklich leid. Freundschaften mit mir sind wie Achterbahnfahrten.

Was wünschst du dir dann von deinen Mitmenschen? Hättest du gerne, dass sie einfach immer auf dich warten, bis du sie wieder gerne hast?

Nein, also das muss nicht sein. Weil, wenn erstmal jemand in dem Bereich ist, dass ich sie ablehne, dann ist es für diese Person sehr schwer, das wieder zu ändern. Die meisten Freundschaften gehen einfach nicht lange. Deswegen warne ich am Anfang einer Freundschaft vor. Ich sage dann: “hey, es kann sein, dass der Moment kommt, in dem ich snappe. Das tut mir wirklich, wirklich leid. Gewöhne dich nicht zu sehr an mich. Ich habe dich gerne, finde dich cool, aber ich kann nicht garantieren, dass das so bleibt.” Im gleichen Atemzug sage ich aber auch, dass wenn jemand erstmal über den Punkt hinweg ist mit mir, dann ist es eine Freundschaft fürs Leben. Denn wenn eine Freundschaft einmal aufgebaut ist und die ersten paar Monate überlebt hat, dann bin ich wahnsinnig loyal. Also meine besten Freunde gehen mit mir auch schon seit ein paar Jahren den Weg zusammen, und das ist gar kein Thema mehr. Und wenn ich dann mal einen Monat habe, in dem ich weniger Kontakt möchte, dann wissen diese Menschen auch, dass das nicht permanent ist. Bevor aber Menschen auf diesen Status kommen, wünsche ich mir von ihnen, dass sie es machen wie ich. Nicht zu sehr mit mir planen, nicht zu weit in die Zukunft gucken, sondern einfach im Hier und Jetzt sein. Das ist sicher für viele Menschen schwer damit umzugehen. Deswegen würde ich auch jedem Borderliner raten, das im Voraus zu kommunizieren. Ich habe schon so viele Menschen damit verletzt, weil ich nicht vorgewarnt habe und das dann überraschend kam. Ich wollte sie nicht verlieren und habe es nicht erzählt. Und nach ein paar Wochen konnte ich die Personen nicht mehr ausstehen. Die Menschen, mit denen ich jetzt viel Kontakt habe, verstehen mich, weil die meisten auch ihre Päckchen mit sich tragen. Dadurch können sie besser nachvollziehen, wie es mir geht, Rücksicht nehmen und mit meinen Ansagen arbeiten.

Wie war es für dich, deiner Familie zu erzählen, dass es dir nicht gut geht?

Mir ist das super schwergefallen. Ich habe es gehasst, habe ja auch Jahre lang damit gewartet. Es gibt nämlich Menschen, die reagieren auf solche Nachrichten mit einer Art Hundeblick, “alles ok, geht es dir gut?”. Diese Menschen gehen so super zaghaft mit einem um, und das kann ich gar nicht leiden. Ich habe auch mit anderen Betroffenen gesprochen, die das genauso erlebt haben, und die finden das auch alle doof. Weil man sich in dem Moment dann noch schlechter fühlt. Es geht einem schon nicht gut, und dann muss man auch noch Rücksicht auf seine Mitmenschen nehmen. Man will ja niemandem zur Last fallen, man will nicht, dass es anderen wegen einem nicht gut geht. Deswegen ist es mir so super schwergefallen, euch das zu erzählen. Ich wusste, Mama wird sich fragen, ob sie etwas falsch gemacht hat, ich wusste, Papa würde sich sorgen machen. Natürlich, weil es liebende Eltern sind. Liebend heißt aber auch sorgend, und das wollte ich nicht.

Der Wolf beschützt sie vor anderen Freunden

Ich habe auch so lange gewartet, weil euch davon zu erzählen, hieße sich bessern wollen, und das wollte ich lange gar nicht. Ich habe meine Krankheit personifiziert. Für mich hatte die Depressivität die Form eines Schattenwolfes. Dieser Wolf war ein integraler Bestandteil von mir selbst, fast wie ein bester Freund, den ich nicht verlieren wollte. Er hat mir versprochen, als einzige Konstante immer da zu sein. Freunde gehen, aber er bleibt immer bei mir. Selbst, als ich gute Freunde hatte, habe ich sie durch meine Persönlichkeitsstörung nicht anerkannt. Der Wolf hat mir eingeflüstert, dass mich jeder sowieso verlassen würde, er aber bleibt. Das ist Drohung und Versprechen gleichzeitig. Durch meine Stimmungsschwankungen habe ich tatsächlich Freunde vergrault, wodurch es schien, als habe er Recht. Der Wolf hat sich echt so angefühlt, als sei er das Einzige, was immer für mich da ist und worauf ich zählen kann. Und diesem besten Freund nicht mehr zuzuhören und ihn aus meinem Leben rauszuschneiden, war eine schwere Entscheidung.

Was können denn Ursachen sein?

Das ist eigentlich das gleiche wie bei den meisten Persönlichkeitsstörungen. Es können Traumata sein in verschiedenen Altersstufen- je jünger einem etwas Dummes passiert, desto schlimmer sind die Auswirkungen, weil man es länger mit sich herumträgt. Bei mir war es wohl das Mobbing früher in der Grundschule, das ziemlich schlimm war. Häufig wird im Internet von Vergewaltigung geschrieben, das war aber bei mir nicht der Fall. Sicherlich ist das eine traumatische Erfahrung, aber nicht jeder, der Borderline hat, wurde vergewaltigt, und auch nicht jeder, der vergewaltigt wurde, hat danach Borderline. Auch ganz oft wird ein zerrüttetes familiäres Umfeld als Ursache beschrieben. Hier gilt das Gleiche; nicht jeder Betroffene kommt aus einer schlechten Familie. Bei uns zum Beispiel; ich habe ein wunderbares familiäres Umfeld, ich liebe euch alle mega. Das ist mir wichtig zu sagen. Mama hat mich super oft gefragt, ob sie schuld sei, ob es mir gut geht in meiner Familie, und ja, das tut es. Es ist nicht immer zwangsläufig die Familie schuld. Wichtig ist auch, dass die Angehörigen dann der Betroffenen glauben, wenn sie berichten, was es war. Und nicht zu lange dem Internet glauben, das eine andere Meinung haben könnte.

“Es ist nicht immer zwangsläufig die Familie schuld.”

– Penelope

Du bist jetzt seit ein paar Monaten in Therapie, was macht ihr da?

Vieles. Das Hauptthema ist, dass ich Skills lerne, um mit meinen Emotionen umzugehen. Skills sind Möglichkeiten für Borderliner sich wieder auf die Erde zurückzukatapultieren, wenn die Emotionen durchdrehen. Oder im Voraus schon zu verhindern, dass man in emotionale Extreme ruscht. Anders gesagt, wenn man in einer Emotionsachterbahn sitzt und dann ein Tief kommt, dann gibt es so genannte Skillsketten. Diese Skillketten können dafür sorgen, dass man wieder in den Normalzustand zurückkommt. Es gibt zwei Arten von Skills. Körperliche Skills, bei denen man die Sinne nutzt, um sich irgendwelchen starken Reizen auszusetzen. Wie zum Beispiel Ammoniak riechen, Center Shocks essen und so weiter. Sport gehört auch dazu. Extremsportarten oder extremes Sporttreiben kann auch helfen. Neben den körperlichen Skills gibt es auch Gedanken-bezogene Skills. Sowas wie zum Beispiel irgendwelche Aufgaben rechnen oder Zahlenreihen durchgehen. Für mich ist das Körperliche deutlich besser, weil meine Gedanken relativ früh nicht mehr zurechnungsfähig sind. Deswegen bringen mir die Gedankenskills recht wenig. Ich sollte vielleicht auch dazu sagen, dass es Skillketten gibt, das heißt, es gibt nicht den einen Skill, den man benutzt. Sondern es gibt einen Skill für Stress über 100, oder über 70, über 30, und so weiter. Und man hat meistens eine Skillkette von 3, 4, 5 Skills. Und diese nutzt man auch in exakt der Reihenfolge. Erst den 100er Skill, dann den 70er und dann den 30er. Mit dem 100er bringe ich mich auf die 70er Ebene und nutze dann den 70er und so weiter, bis ich auf 0 angekommen bin.

Wie realisierst du, dass du jetzt einen Skill nutzen solltest?

Ja, das ist die Schwierigkeit. Bei mir ist es nämlich so, dass ich mich schon ab einem relativ niedrigen Schweregrad nicht mehr bessern will. Auch wenn ich in meinem Normalzustand schon sage, dass ich gerne hätte, dass es mir gut geht, empfinde ich das manchmal in einem Down anders. Für diese Fälle haben eigentlich alle Betroffenen eine Skilltasche dabei. Da ist eine Notfallkarte drin mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung, die dann einfach abgearbeitet wird. In der Therapie wird daran gearbeitet, dass das Greifen nach der Notfallkarte ein Automatismus wird. Damit man gar nicht mehr denken muss. Man befolgt dann einfach stupide, was auf der Karte steht.

Ich habe gelesen, dass sich bei manchen Betroffenen die Persönlichkeitsstörung wieder verwächst.

Ja, das kann schon sein, aber fest damit rechnen würde ich auf keinen Fall. Manche Menschen können die Ursachen so gut bearbeiten, dass sie mit ihren Emotionen umgehen lernen, und bei anderen verschwindet die Borderline-Störung, weil die Persönlichkeit sowieso im Wandel ist. Aber ob das der Fall ist, hängt auch davon ab, wie tief die Ursache liegt, oder wie gut der Therapeut ist, mit dem man das bearbeitet. Ich gehe für mich erstmal nicht davon aus, dass ich irgendwann “symptomfrei” bin, sondern lege meinen Fokus darauf, im Hier und Jetzt zu lernen, wie ich mit meinen Emotionen umgehen kann.

Eine letzte Botschaft von dir?

Das erste, das mir einfällt, ist mein Lebensmotto: Sei ein Macher, kein Lacher. Es ermutigt niemals aufzuhören zu kämpfen. Denn Borderline ist ein anhaltender Kampf, der hört nicht auf. Außerdem ist Borderline einfach nur eine Krankheit. Niemandes Schuld. Und auch nicht unmöglich zu managen. Man kann das lernen. Und es ist nicht völlig scheiße. Einfach weiterkämpfen. Wie ein Phönix aus der Asche, bis man irgendwann nicht mehr verbrennt.

“Und es ist nicht völlig scheiße.”

– Penelope

Falls Euch das Thema interessiert schaut gerne bei den Artikeln meiner Kollegen vorbei:

Wie Corona unsere Persönlichkeit verändert

Warum ist man eher extravertiert oder introvertiert?

Emotionale Intelligenz und wo sie herkommt

Psychopathen

Quellen

Alle Bilder sind von meiner Schwester gemalt, um ihre Emotionen besser zu veranschaulichen.

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Veröffentlicht von

Leah Wildenmann studiert seit 2021 Biologie in Freiburg. Sie ist noch am Anfang und hat dadurch eine sehr frische und unerfahrene Sicht auf das Thema des Gehirns. In ihrem nächsten Semester hat sie Zusatzfächer rund um Neurobiologie gewählt und freut sich schon ihr Gelerntes mit anderen Interessierten zu teilen. Besonders spannend findet sie, die Möglichkeit Emotionen durch gezielte Stimulation von Nerven auszulösen. Außerdem fände sie es superspannend, sich dem neurobiologischen Teil der Bewusstseinsforschung zu widmen.

29 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen hochinteressanten Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt einer Borderline-Patientin.
    Als Streifenpolizist habe ich immer mal wieder aufgrund selbst verletzenden Verhaltens mit Borderline-Patientinnen zu tun und fand das Krankheitsbild immer etwas schwierig zu fassen. Der Beitrag hat mir dabei sehr geholfen. Danke dafür.
    Interessant fand ich auch, dass Ihre Schwester diesen sehr zaghaften Umgang nicht mag, da ich immer wieder den Eindruck habe, dass psychisch Erkrankte entweder sehr zaghaft oder auch herablassend behandelt bzw. nicht ernstgenommen werden. Manch einer verfällt da in eine Art Kleinkind-Sprech, selbst vermeintliche Profis.
    Da müssen wir als Gesellschaft wohl noch besser werden.

  2. Eine ausführliche Beschreibung was denn borderline sei.
    Wir haben im Verwandtschaftskreis eine Frau die die genannten Wutausbrüche zeigt.
    Dann wusste ich nicht , soll ich jetzt helfen und Verständnis signalisieren oder mich selber schützen und mir das Verhalten nicht bieten lassen.
    Auf jeden Fall war das Erlebnis erschreckend und jetzt habe ich Hochachtung vor Psychater, die sich mit diesem “Schrecken” auseinandersetzen müssen und ihn auch aushalten müssen.

    • Danke für deine Antwort, allerdeings war von Wutausbrüchen in meinem Artikel nicht die Rede und das ist auch nicht typisch für Borderline. Respekt vor Therapeuten ist sinnvoll, sowie Respekt vor jedem anderen Beruf.

      • Leah Wildenmann
        Sie haben den Begriff “Wutausbruch” nicht verwendet,
        Beim Googeln wurde der Begriff “Wutausbruch” gennant, deshalb nahm ich an, die Wut wäre ein Merkmal von borderline.
        Als Laie kann man sich nur Stück für Stück der menschlichen Psyche und ihren Krankheiten nähern.
        Und nachdem Sie die Wut nicht als typisch ansehen, nehme ich an , dass die junge Frau etwas Anderes hat. Überhaupt verliert ein Kranheitsbild etwas von seinem Schrecken, wenn man einen Namen dafür hat.

  3. Vielen Dank für diesen Einblick. Meine Cousine hat Borderline und ich kann jetzt viel besser ihr Verhalten in der vergangen Zeit interpretieren.
    Als Kunstpädagogin sind für mich auch die Zeichnungen sehr interessant, z.B. wie im ersten Bild die Hände und Füße weggelassen wurden. Passend zu der empfunden Handlungsstarre.
    Vielen Dank!

    • Danke für den Input. Ich habe das Wort “Krankheit” verwendet, um zu verdeutlichen, dass es unfreiwillig den Menschen passiert, sie keinen EInfluss darauf haben und auch nicht selber Schuld sind.
      Für meine Schwester hat die Diagnose das Leben erleichtert, weil sie endlich einen Namen und eine Erklärung zu ihren Gefühlen hatte, genauso wie Therapiemethoden und eine Zugehörigkeit zu Menschen, denen es genauso geht.

    • Nicht wenige Patientinnen (es sind relativ selten Männer betroffen) profitieren von einer medikamentösen Therapie mit Naltrexon (im Hinblick auf selbstverletzendes Verhalten). Das psychologische Interventions-Know-How wird von Psychotherapeuten in Kliniken und Praxen bereit gehalten (vor allem Dialektisch-behaviorale Therapie). Die Betroffenen erhalten mit der Diagnose Anspruch auf professionelle Therapie, die ihnen aus dem öffentlichen Gesundheitssystem gezahlt wird. Sie können krankgeschrieben werden falls nötig, von Reha-Maßnahmen profitieren und in Krisen (z.B. suizidalen Krisen) jederzeit in einer psychiatrischen Klinik aufgenommen und dort auch wirksam vor sich selbst geschützt werden. Usw. usf. Borderline ist daher definitiv eine “Erkrankung” im medizinischen Sinne – oder eine “Behinderung” (wenn man eine Persönlichkeitsstörung für unbehandelbar hält) oder eine “Verletzung” (wenn man ein Psychotrauma für ursächlich hält). Es ist sogar eines der extremsten Beispiele für ein “verkörpertes Selbst”, bei dem die Dinge gerade absolut nicht “in Ordnung” sind (“disorder”). Es ist gerade KEIN Dualismus, wenn sich die Medizin auch der von psychischen “Störungen”/Erkrankungen/Verletzungen Betroffenen annimmt und dabei seit Jahrzehnten schon pragmatisch biopsychosozial arbeitet (siehe neben Medizin/Medikamente/Stimulationsverfahren: Psychotherapie, Ergotherapie, Physiotherapie, Sozialarbeit, ggf. Kunst-/Tanz-/Musiktherapie, usw.). Diese bewährte klinische Zuordnung in Frage zu stellen, nuzt den Betroffenen überhaupt nicht. (Dasselbe gilt übrigens in ähnlicher Weise auch für Deine Kritik, Stephan, an der medizinischen Deutung der Depression, sobald wir über schwer Betroffene sprechen.)

    • Schwer zu sagen, was man davon halten soll.
      Ich würde einfach weiter mit der Mehrheitsmeinung gehen, denn wie in dem Artikel beschrieben, den du verlinkt hast, ist die Entscheidung in der WHO nicht durchgekommen, da es zu viele Oppositionen gab. Also Borderline als Persönlichkeitsstörung abzuschaffen wurde abgelehnt. Für mich die wichtigste Botschaft aus dem verlinkten Artikel ist, dass andere Krankheiten immer in Betracht gezogen und ausgeschlossen werden müssen, wenn die Diagnose zu Borderline getroffen wird. Was ich sagen will ist; jeden mit Borderline zu diagnostizieren, der Stimmungsschwankungen hat, ist sicher nicht sinnvoll. Die Diagnose denjenigen zu verweigern, die tatsächlich in das Bild passen und von der entsprechenden Therapie profitieren würden, ist sicher genauso wenig sinnvoll.
      Grundsätzlich empfehle ich jedem Laien keine zu starke Meinung zu haben, wenn zu wenig Ahnung vorliegt.
      Nächsten Monat schreibe ich einen etwas ausführlicheren Artikel über Persönlichkeitsstörungen und werde in diese Richtung nocheinmal tiefer hineingehen, vielleicht wird dir der besser helfen eine definitive Meinung zu bilden.
      Ich hoffe die Antwort bringt dir zumindest in diesem Moment etwas.

      • Ich würde einfach weiter mit der Mehrheitsmeinung gehen, denn wie in dem Artikel beschrieben, den du verlinkt hast, ist die Entscheidung in der WHO nicht durchgekommen, da es zu viele Oppositionen gab. Also Borderline als Persönlichkeitsstörung abzuschaffen wurde abgelehnt.

        Allerdings führen die beiden Autoren das laut Stephan Schleims Artikel auf “mächtige Lobbygruppen” zurück – was ich als Laie mangels Einblick natürlich nicht beurteilen kann. In den sehr zahlreichen Kommentaren zum Artikel gibt es dann auch noch einiges (pro und contra) zum Thema Lobbyismus auf diesem Gebiet.

        Grundsätzlich empfehle ich jedem Laien keine zu starke Meinung zu haben, wenn zu wenig Ahnung vorliegt.

        Keine Angst, das ist ohnehin meine Position.

        Ich hoffe die Antwort bringt dir zumindest in diesem Moment etwas.

        Ja, natürlich. Vielen Dank!

  4. @Polak, Wildemann: Das Argument der Kritiker war, dass die Diagnose “Borderline”, in Fachsprache, eine zu geringe wissenschaftliche Validität besitzt, d.h. das Störungsbild zu diffus ist und sich i.d.R. anders diagnostizieren ließe (z.B. Angststörung, bipolare Störung, ADHS, dissoziative Identitätsstörung…). Leah verwies hier gerade auf die “Mehrheitsmeinung”. Das ist treffend.

    Mir ist der Hinweis wichtig, dass es sich um eine medizinische Konvention handelt. Man möge sich auch noch einmal daran erinnern, warum so viele Frauen noch vor 100 Jahren die Diagnose “Hysterie” bekamen – und die heute restlos verschwunden ist.

    Nur damit hier keine Missverständnisse entstehen: Ich wünsche Penepole nur das Beste und wenn ihr die Diagnose hilft und sie eine gute Therapie bekommt, dann freut mich das. Das Erlernen dieser “Skills” zur Emotionsregulation halte ich für eine gute Sache.

    Solche Diagnosen haben aber auch eine Schattenseite: Wenn die Therapeut*innen erst einmal mit ihren Behandelprotokollen am Ende sind und sich die Situation dann vielleicht doch verschlechtert, werden Frauen mit der Diagnose Borderline (meistens sind es Frauen) gerne mal als “schwierige Person” abgestempelt – mit den entsprechenden Folgen; oder wenn bei einer Scheidung der Partner einbringt, die Betroffene sei aufgrund von Borderline keine zuverlässige Mutter und darum möge man ihr das Sorgerecht entziehen.

    Ich treibe mich ja nun gut 20 Jahre in Psychologie und Psychiatrie herum (als Student, als Doktorand, als Patient, als Wissenschaftler, als Philosoph) – und man sollte eben auch die Interessen der Therapeut*innen mitbedenken: Es gibt z.B. Depressionsforscher, die selbst sagen, die Diagnose nutze in erster Linie: den Therapeut*innen.

    P.S. Zu dem Punkt “Biologisch betrachtet weisen Betroffene eine vergrößerte Amygdala und einen vergrößerten Hippocampus auf.” möchte ich noch ergänzen, dass es sich hier meist um minimale Unterschiede im Gehirn handelt, die nur in Gruppen statistisch signifikant werden. Es gibt gerade wieder neue zusammenfassende Neuroimaging-Studien, die erneut aufzeigen, dass sich psychische Störungen im Einzelfall nicht im Gehirn erkennen lassen.

  5. Mobbing & Niemandes Schuld

    Mal abgesehen von der Frage, was Schuldzuweisungen nutzen, wundere ich mich auch über diese Aussage: Im Interview ist doch ganz deutlich von schwerem Mobbing die Rede. (Eine Kollegin von mir ist übrigens eine der führenden Mobbing-Forscherinnen hier in den Niederlanden.)

    Das hat nicht nur eine individuelle Komponente, sondern auch eine strukturelle: Wie gehen z.B. Lehrerinnen und Lehrer damit um (oder Arbeitgeber)? Wenn man klare Grenzen zieht, kann man mitunter Schlimmeres vermeiden. Stattdessen beteiligen sich Autoritätspersonen mitunter aber selbst am Mobbing bzw. an der Ausgrenzung.

    Mal aus der persönlichen Perspektive: Ich war als Kind sehr dick (was wiederum selbst einen psychosozialen Hintergrund hat, den wir hier nicht ausbreiten müssen). Der Schwimmunterricht war für mich die Hölle, wegen des Mobbings. Von den Sportlehrer*innen kam hier keine Hilfe – die sahen mich wahrscheinlich selbst als fetten, hässlichen Jungen.

    Ich bin dem Unterricht dann einfach ferngeblieben und es gab ein stillschweigendes Einvernehmen. In Deutschland gilt aber die Schulpflicht, die die Lehrerinnen und Lehrer auch kontrollieren müssen! Wenn ich jetzt darüber nachdenke, begann so vielleicht meine “Schwänzerkarriere“.

    Fazit: In der Kindergruppe (ca. fünf Jahre?) machte mir Schwimmen so viel Spaß, dass ich als einziger das Seepferdchen erreichte. Heute, rund 30 Jahre nach den Mobbingerfahrungen, fühle ich mich beim Schwimmen immer noch unwohl. Und es kam damals auch zu heute immer noch sichtbaren Selbstverletzungen.

    Mit solchen Diagnosen, wie hier beschrieben, individualisiert man Probleme; mein Plädoyer ist, auch die strukturellen Faktoren (z.B. Schulen, Jugendämter und ihr Personal) im Auge zu behalten – und auch daran etwas zu tun.

    • Ganz genau bezeichnet, haben alle Menschen dieser Welt- und “Werteordnung” eine massive/”monistische” Persönlichkeitsstörung in Neurosen und Psychosen, die sich in multischizophrenen “Borderlines” mit “individualistisch”-egozentrierten Gefühlen auswirkt – Hinweise auf das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch, in Möglichkeiten von/zu geistig-heilendem Selbst- und Massenbewusstsein, OHNE dem konsum- und profitautistischen Instinkt entsprechend wettbewerbsbedingte Symptomatik, bewirken besondere Reaktionen unserer gleichermaßen unverarbeiteten und systemrational-gepflegten Bewusstseinsschwäche, es scheint dann unausweichlich …!!!
      👋😇

      Die Konfusion und der geistige Stillstand seit Mensch erstem und bisher einzigen geistigen Evolutionssprung (“Vertreibung aus dem Paradies”), kann nur durch konsequent-kompromisslose Richtigstellung unserer Bedingungen fürs wirklich-wahrhaftige Zusammenleben menschenwürdig unserer Vernunftbegabung entsprechend bewusst überwunden werden. 🤗

      • hto
        “Ganz genau bezeichnet, haben alle Menschen dieser Welt- und “Werteordnung” eine massive/”monistische” Persönlichkeitsstörung in Neurosen und Psychosen, die sich in multischizophrenen “Borderlines” mit “individualistisch”-egozentrierten Gefühlen auswirkt”
        Ohne jetzt auf den Inhalt einzugehen, wenn alle etwas haben, dann kann man auf den Hinweis verzichten, wenn man den Einwand nicht religiös meint.

        • @Neumann
          Ganz genau, NICHT religiös, denn dies gehört ja auch zur stumpf-, blöd- und wahnsinnigen Symptomatik!?
          👋😁👍
          Wenn alle das verstehen würden, dann wären wir wohl schon auf dem Weg zu den Möglichkeiten in geistig-heilendem Selbst- und Massenbewusstsein, also OHNE …!?

  6. Darf man denn überhaupt noch von Persönlichkeits-“störung” sprechen oder sollte man das nicht als eine Art neue “Persönlichkeitsform” betrachten, der man eine eigene Fahne und eigene Feiertage widmet?

    • @Müller

      Tatsächlich muss man von Seelenstörung sprechen, denn … – Bitte keine weitere systemrationale Bewusstseinsbetäubung!!!

      Nichts gehört dem “einzelnen/individualbewussten” Menschen allein. Sogar/besonders unsere Gedanken nicht, weil diese auch immer abhängig von Geist und Gemeinschaft geprägt wachsen / wirklich-wahrhaftig wachsen sollten – Wir sind alle im SELBEN Maße “durchströmt” vom Geist der Schöpfung / des Zentralbewusstseins, und da könnte sehr viel mehr als nur diese in Illusionen beschränkte Realität sein.

  7. Das an dem konfusem Rahmen unseres “Zusammenlebens” mit dem Hinweis auf Diversität gekratzt wurde ist ja schon mal (ein Anfang?), aber das ist auch nur der “Tropfen auf dem heißen Stein”!
    Dieses stumpf-, blöd- und wahnsinnige System des nun “freiheitlichen” Wettbewerbs, mit der SCHEINBAR unabänderlichen Symptomatik, muss doch ziemlich offensichtlich ganz von Konfusion auf zweifelsfrei-eindeutig fusionierende Fusion kommuniziert werden (Vernunftbegabung zu wirklich-wahrhaftiger Vernunft und Verantwortungsbewusstsein), oder diese von Mensch(-KI) geschaffene KI wird den erbärmlichen zeitgeistlich-reformistischen Kreislauf/Zustand, des geistigen Stillstandes in fehlgeleiteter Funktionalität, letztlich EINDEUTIG “komplettieren”!?

  8. Hi thank you for sharing this blog and now I will share a post it helped me a lot, it might be useful for you also double blind reviewed journals

  9. Leah Wildenmann, Stephan Schleim
    Krankheit oder Störung ?
    Ich würde es vom Ausmaß der Störung abhängig machen.
    Eine junge Nachbarin ritzt sich regelmäßig ihr Arme.
    Ansonsten ist sie unauffällig. Ich neige eher zu dem Begriff Störung, weil Hoffnung auf Besserung besteht.

    • Im Psychologiestudium hatte ich gelernt dass vor vielen Jahren der Begriff “Krankheit” für “psychische Erkrankungen” offiziel (war es durch die WHO? –ich weiß es nicht mehr) durch den Begriff “psychische Störungen” ersetzt wurde.

      Man war u.a. der Ansicht dass Störung weniger stigmatisierend klingt als Krankheit. Ich persönlich fand schon damals dass der Begriff Störung der deutschen Übersetzung schlimmer als Krankheit klingt, aber sei es drum.

      Man kann Persönlichkeitstörungen auch als sehr starke oder extreme Ausprägung von bestimmten normalen Persönlichkeitseigenschaften und Verhaltensweisen betrachten; extrem im Sinne von stark abweichend von Mittelwerten in der jeweiligen Gesellschaft.

      Ansonsten ändern sich Diagnosen und ihre Eigenschaften natürlich über die Zeit. Das hat auch mit praktischen Interessen der Wissenschaft zutun. Forschungsgruppen wollen z.B. dass bestimmte Symptome in die Diagnose aufgenommen werden an denen sie selbst forschen, sodass ihre Arbeit besser ins Rampenlicht kommt und man u.a. auf mehr finanzielle Mittel hoffen kann. Dahinter stehen also auch ganz andere Interessen. Da wird dann auf meetings für das nächste ICD etc. Update gekämpft um den eigenen Kram durchzusetzen.

  10. @Neumann: Es ist letztlich eine (normativ geprägte) Definitionsfrage, was man als “Krankheit” ansieht; die Grenze verschiebt sich im Laufe der Zeit.

    Wenn man psychische Störungen als Krankheit bezeichnet, rückt man sie in die medizinische Welt; die dort angebotenen Lösungen werden den Betroffenen mitunter nicht gerecht.

  11. @Stephan 12.09. 11:49

    „Wenn man psychische Störungen als Krankheit bezeichnet, rückt man sie in die medizinische Welt; die dort angebotenen Lösungen werden den Betroffenen mitunter nicht gerecht.“

    Das ist nicht nur theoretisch, das ist auch sehr praktisch. Die eigenen Angehörigen und Freunde steigen dann hier flächendeckend aus, und überlassen dich dann auch ganz konkret der medizinischen Welt.

    Was jetzt aber nicht nur an der Krankheitszuschreibung liegt, man ist in psychischen Krisen öfter wirklich schwierig. Man kann nicht von jedem verlangen, damit umgehen zu können.

    Insbesondere historisch ging es bei der ganzen Diagnostiziererei auch konkret um die Rechtfertigung, richtig nervige Störer aussortieren und einsammeln zu können.

    Wenn man die Leute dann in der Klinik hat, heißt das noch lange nicht, dass man denen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln wirklich helfen kann. Insbesondere ist die Ausgrenzung selber und der weitgehende Verlust des eigenen Sozialen Umfelds ein harte Nuss, die man dann auch noch knacken muss.

    Parallel dazu bildet sich eine Psychoszene, mangels normaler Kontakte dann fast zwangsläufig. Man tut sich denn zusammen, wenn es gut läuft. Man etabliert sich auch gegen die Sicht der Professionellen, mit den Jahren, und hat durchaus gute Zeiten.

  12. Bei dieser Beschreibung von Google werden beide Begriffe verwendet, Krankheit und Störung.:
    “Die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen die gesamten Kosten einer Psychotherapie, wenn eine seelische Erkrankung bzw. eine Störung „mit Krankheitswert“ vorliegt. Beispiele hierfür sind Angststörungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen und Suchterkrankungen.”
    Es ist doch gut, dass unser Gesundheitssystem sich dieser Erscheinungen annimmt.

  13. @Neumann nein eben nicht. Ich kann Dir versichern Therapeutinnen und Therapeuten reagieren empfindlich wenn Du die Begriffe bunt würfelst…

    Und es sind keine “Erscheinungen”.

  14. Was hier überraschenderweise noch niemand gesagt hat: Danke an dich für diese Reportage und danke an deine mutige Schwester, die so frei „aus ihrem Kopf“ erzählt. Das ist überhaupt nicht selbstverständlich und hilft sicher vielen, Ich habe sehr großen Respekt davor.

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